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Dynamiklenkung im Audi Q5 Ein sportliches Fahrerlebnis und hohe Fahrsicherheit sind bereits heute Kerneigenschaften der Fahrzeuge von Audi. Mit der neuen Dynamiklenkung, die erstmals im A4 und A5 zum Einsatz kam, wird in diesen Disziplinen auch bei Geländefahrzeugen wie dem Audi Q5 ein neues, bisher unerreichtes Niveau erzielt. AUDI Q5 Audi Q5 66 Fahrwerk | Dynamiklenkung

Dynamiklenkung im Audi Q5

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Page 1: Dynamiklenkung im Audi Q5

Dynamiklenkung im Audi Q5Ein sportliches Fahrerlebnis und hohe Fahrsicherheit sind bereits heute Kerneigenschaften der Fahrzeuge von Audi. Mit der neuen Dynamiklenkung, die erstmals im A4 und A5 zum Einsatz kam, wird in diesen Disziplinen auch bei Geländefahrzeugen wie dem Audi Q5 ein neues, bisher unerreichtes Niveau erzielt.

Audi Q5

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1 Einleitung

Die Audi-Dynamiklenkung verändert die Lenkübersetzung in Abhängigkeit zur Fahrzeuggeschwindigkeit und löst damit den bisher durch die reine Mechanik vor-gegebenen Kompromiss einer konstan-ten Lenkübersetzung ab. Bei hohem Auto-bahntempo bietet sie durch eine indi-rektere Übersetzung größtmögliche Ruhe und einen hervorragenden Geradeaus-lauf.

Unterstützt wird dieser Komfort- und Sicherheitsgewinn durch eine gezielte Anhebung des Lenkmomentes über die Servotronic. Ist der Fahrer hingegen auf kurvenreichen Strecken im niedrigen und mittleren Geschwindigkeitsbereich unterwegs, dann steht eine direktere Übersetzung zugunsten der Lenkpräzisi-on und der schnellen Reaktionsmöglich-keit zur Verfügung. Im Parkierbereich ermöglicht die direkte Übersetzung ma-ximalen Komfort, da hierbei das erfor-derliche Lenkmoment über die Servo-tronic deutlich abgesenkt wird.

Die Dynamiklenkung ist Teil des Ei-genschaftssystems Audi drive select. Je nach Modusauswahl – Comfort, Auto oder Dynamic – wird lenkungsseitig die passende Kennlinie für die Übersetzung (Lenkwinkelbedarf) und die Unterstüt-

zung (Lenkmomentenbedarf) aktiviert. Im Bezug auf die aktive Sicherheit er-schließen sich dem elektronischen Stabi-litätsprogramm (ESP) mit der Dyna-miklenkung völlig neue Möglichkeiten der Fahrzeugstabilisierung, da ein kom-binierter Brems- und Lenkeingriff deut-lich schneller und komfortabler unge-wünschten Gierreaktionen entgegenwir-ken kann. Durch die Position des Stellers innerhalb der Lenksäule konnten unab-hängig von dem Achs- und Antriebskon-zept alle wesentlichen Bauteile des Sys-tems aus dem A4 übernommen werden. Fahrzeugspezifische Bauteile, wie bei-spielsweise die Konsole der Lenksäule, wurden in das Audi Q5-Basismodell inte-griert, Bild 1.

2 Funktionen der Dynamiklenkung

Als wichtigste Bedienschnittstelle zwi-schen Fahrer und Fahrzeug ist die Len-kung maßgeblich verantwortlich für Fahr-spaß, Fahrkomfort und Fahrsicherheit. Zur Optimierung dieser Eigenschaften muss der Lenkaufwand bezüglich Lenk-winkelbedarf (Betätigungswinkel) und Lenkmomentenbedarf (Betätigungskraft) für alle Fahrsituationen frei einstellbar sein. Die Dynamiklenkung ermöglicht

Die Autoren

Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Dick ist Projektleiter dynamik­lenkung innerhalb der Entwicklung Fahrwerk­regelsysteme bei der Audi AG in ingolstadt.

Bild 1: Systemüberblick Dynamiklenkung im neuen Audi Q5

Dipl.-Ing. Marnix Lannoije ist Teilprojektleiter Steuer­gerät und Software dyna­miklenkung innerhalb der Abteilung Fahrwerkregel­systeme bei der Audi AG in ingolstadt.

Dr.-Ing. Jürgen Schuller ist Safetymanager inner­halb der Abteilung Fahr­werkregelsysteme bei der Audi AG in ingolstadt.

Dipl.-Ing. Mirko Reuter ist Teilprojektleiter Aktuator dynamiklenkung innerhalb der Abteilung Lenksysteme bei der Audi AG in ingolstadt.

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erstmals beide Freiheitsgrade. Gegenüber der bekannten Servotronic werden damit im Audi Q5 neue Funktionen wie die vari-able Lenkwinkelübersetzung und ver-schiedene Möglichkeiten zur aktiven Fahr-zeugstabilisierung umgesetzt.

2.1 Variable Lenkübersetzung Zur optimalen Lenkübersetzungsausle-gung wurde die Lenkaufgabe für die drei charakteristischen Fahrgeschwindig-keitsbereiche Parkieren, Fahren im nied-rigen bis mittleren Geschwindigkeitsbe-reich (Stadt und Überland) und Fahren im hohen Geschwindigkeitsbereich (Autobahn) betrachtet, Bild 2. Auslegungs-ziel beim Parkieren ist es, dem Fahrer das Rangieren durch wenig Lenkwinkelbe-darf zu erleichtern. Um das Lenkrad vom einen zum anderen Anschlag zu drehen, sollte der Fahrer möglichst selten umgrei-fen müssen. Die Lenkübersetzung muss in diesem Geschwindigkeitsbereich somit sehr direkt gewählt werden. Beim Fahren in der Stadt und über Land sollte das Ab-biegen und die Kurvenfahrt, auch auf Passfahrten, ohne Umgreifen möglich sein. Für die meisten Fahrer handelt es sich hierbei um den Bereich kleiner ± 90° am Lenkrad. Dies ist auch der Lenkwinkel-bedarf, mit dem der Normalfahrer in Grenzsituationen, zum Beispiel bei Aus-weichmanövern, in der Lage ist, durch Gegenlenken korrigierend einzugreifen. Die Annahme, dass auch im niedrigen bis mittleren Geschwindigkeitsbereich eine möglichst direkte Lenkübersetzung anzu-streben ist, liegt zunächst nahe. Eine ho-he Direktheit, wie sie im Parkierbetrieb vorteilhaft ist, führt aber mit steigender Geschwindigkeit zu Fahrzeugnervosität, so dass die Dynamiklenkung die Lenk-übersetzung unter Einhaltung der genann-ten Auslegungsziele geschwindigkeitsab-hängig anhebt.

Für mittlere bis hohe Geschwindig-keiten mit geringen Kurvenradien muss die Lenkübersetzung so gewählt werden, dass der Fahrer das Fahrzeug möglichst feinfühlig führen kann. Dies erfordert eine deutlich indirektere Übersetzung als die im niedrigen bis mittleren Ge-schwindigkeitsbereich eingestellte.

Basierend auf den Erfahrungen aus dem A4 und A5 wurden die Kennlinien für Lenkübersetzung und Lenkmoment für den Audi Q5 entsprechend den be-sonderen Anforderungen und dem brei-

ten Nutzspektrum des Fahrzeugtyps an-gepasst. Hierbei standen speziell das An-lenkverhalten, die Progression und der Übergang zu hohen Radeinschlagswin-keln im Vordergrund. Über die Integrati-on der Dynamiklenkung in Audi drive select kann der Fahrer modusabhängig Kennlinien auswählen und so das Fahr-zeugverhalten beeinflussen.

2.2 Aktive Fahrzeugstabilisierung Bei Fahrzeugen mit Dynamiklenkung stabilisiert das ESP das Fahrzeug in fahr-dynamisch kritischen Situationen nicht nur durch das Bremsen einzelner Räder, sondern greift nun auch mit zusätz-lichen Radlenkwinkeln korrigierend ein, Bild 3. Hierdurch ergeben sich zwei Hauptvorteile: Erstens wird die Gesamt-

stabilität des Fahrzeuges durch gleichzei-tige Brems- und Lenkungseingriffe ver-bessert, das heißt die aktive Sicherheit wird deutlich erhöht. Dies gilt insbeson-dere bei hohen Geschwindigkeiten (>100 km/h), da hier die Dynamiklenkung ih-ren Vorteil der sehr schnellen Reaktions-zeit voll ausspielen kann. Zweitens kann in weniger kritischen Fahrsituationen entweder teilweise oder sogar vollständig auf die Bremseneingriffe verzichtet wer-den, was die Fahrzeugstabilisierung har-monischer und komfortabler macht. Das Fahrzeug fährt sich durch die Reduktion der Bremseneingriffe gerade auf Fahr-bahnen mit niedrigem Reibwert (zum Beispiel Schnee) bei gleicher Fahrstabili-tät spürbar agiler als ein Fahrzeug, das nur über Bremseingriffe stabilisiert wird.

Bild 2: Prinzipverlauf Lenkübersetzung

Bild 3: Fahrzeugstabilisierung durch Bremsen- und Lenkungseingriffe

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Das ESP nutzt die Funktion der Dyna-miklenkung bei übersteuerndem und untersteuerndem Fahrzeug, sowie beim Bremsen auf Fahrbahnen mit unter-schiedlichen Reibwerten (µ-split).

2.2.1 Übersteuerndes FahrzeugBeim Übersteuern stabilisiert das ESP das Fahrzeug über die Dynamiklenkung durch ein gezieltes Gegenlenken, was ein Ausbrechen des Fahrzeughecks verhin-dert. Ein aufwändiges Arbitrierungskon-zept sorgt für eine optimale Aufteilung des erforderlichen Stabilisierungsmo-ments auf Bremse und Lenkung, deren Eingriffe vollständig einander integriert sind. Eine Situation, in der ein Fahrzeug leicht ins Übersteuern gerät, ist das schnelle Ausweichmanöver, auch Fahr-spurwechsel genannt, Bild 4.

Beim Zurücklenken auf der neuen Fahrspur kann das Heck ausbrechen, ins-besondere bei hohen Fahrzeuggeschwin-digkeiten. Der Normalfahrer leitet das er-forderliche Gegenlenken meist zu spät oder gar nicht ein. Die Folge sind starke Bremseneingriffe des ESP, Bild 4 oben. Mit der Dynamiklenkung erfolgt das stabili-sierende Gegenlenken automatisch und vom Fahrer unbemerkt. Dadurch redu-ziert sich der Lenkaufwand für den Fah-rer, der lediglich die in einer vergleich-baren stabilen Fahrsituation notwendigen Lenkwinkel aufbringen muss. Die Brem-seneingriffe des ESP werden ebenfalls deutlich reduziert, da sie das Gierverhal-ten des Fahrzeuges nur noch bedämpfen müssen. So ergibt sich bei einem Spur-wechsel neben der besseren Fahrzeugsta-bilität auch eine höhere Durchfahrge-schwindigkeit, Bild 4 unten.

2.2.2 Untersteuerndes FahrzeugBeim Untersteuern stellt das ESP die Übersetzung der Dynamiklenkung in-direkter, so dass der Fahrer den Punkt des maximalen Kraftschlusses nicht so schnell überlenkt, beziehungsweise ihn selbst besser einstellen kann. Die Agilität des Fahrzeuges verbessert sich hierdurch spürbar.

Bild 5 zeigt das Funktionsprinzip der Untersteuerfunktion. Beim Fahrzeug oh-ne Dynamiklenkung wird der Punkt des maximalen Kraftschlusses an der Vorder-achse durch einen zu großen Lenkwin-kel überschritten. Das Fahrzeug wird über die Vorderräder aus der Kurve he-

Bild 4: Lenk- und Bremseneingriffe bei übersteuerndem Fahrzeug ohne und mit Dynamiklenkung

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rausgeschoben. Im Fahrzeug mit Dyna-miklenkung wird die Untersteuersitua-tion erkannt und durch eine gezielte Übersetzungsänderung der Lenkung ein Überziehen der Lenkung durch den Fah-rer vermieden.

2.2.3 Bremsen auf Fahrbahnen mit unterschiedlichen Reibwerten (µ-split)µ-split-Oberflächen sind dadurch gekenn-zeichnet, dass der Fahrbahnreibwert auf einer Fahrzeugseite hoch ist (zum Bei-spiel Asphalt) und auf der anderen Fahr-

zeugseite niedrig (zum Beispiel Eis). Sol-che Fahrbahnen findet man beispielswei-se dann vor, wenn verschneite oder ver-eiste Oberflächen teilweise aufgetaut sind oder wenn nasses Laub auf einer sonst trockenen Fahrbahn liegt. Wird auf einer derartigen Fahrbahn gebremst, dann ziehen die höheren Bremskräfte der Hochreibwertseite das Fahrzeug in diese Richtung (Fahrzeugschiefziehen). Um weiter geradeaus fahren zu können, muss der Fahrer eines Fahrzeugs ohne Dynamiklenkung einen Lenkradwinkel einstellen, der das Schiefziehen kompen-siert. Bei einem Fahrzeug mit Dyna-miklenkung wird dieser Lenkwinkel vom ESP selbständig eingeregelt, so dass der Fahrer das Lenkrad weitgehend in Gera-deausstellung, also der Stellung seiner Wunschfahrtrichtung, belassen kann. Da das ESP den erforderlichen Lenkwin-kel schneller und genauer einstellt, als es der Fahrer normalerweise tut, ergeben sich in dieser Fahrsituation mit Dyna-miklenkung im Durchschnitt kürzere Bremswege als ohne dieses System. Bild 6 zeigt ein solches µ-split-Manöver mit Dy-namiklenkung. Diese Funktion kommt ohne zusätzliche Radbremsdrucksenso-rik aus. Die Stabilisierungsfunktionen der Dynamiklenkung sind an den Taster des ESP gekoppelt (siehe Kapitel ESP).

3 Systemaufbau

3.1 SystemarchitekturDie Funktionen der Überlagerungslen-kung verteilen sich auf eine Vielzahl von mechanischen und elektronischen Kom-ponenten. Bild 7 zeigt die prinzipielle Ar-chitektur, sowie die Systemgrenze der neu entwickelten Bauteile und Software-module.

3.2 Aufbau des ÜberlagerungsstellersDer in der Lenksäule integrierte Steller besteht aus einem elektronisch kommu-tierten Elektromotor mit Lagesensorik, dem Überlagerungsgetriebe und einer Sperre, die den Elektromotor im strom-losen Zustand verriegelt und so den di-rekten Durchgriff zwischen Lenkrad und Lenkgetriebe herstellt. Das in dieser Form eingesetzte sogenannte Wellgetriebe bie-tet für die Anwendung in der Dynamik-lenkung gegenüber anderen Getriebe-prinzipien entscheidende Vorteile:

Bild 5: Funktionsprinzip der Untersteuerfunktion

Bild 6: Lenk- und Bremseneingriffe beim Bremsen auf µ-split

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– kompakte, koaxiale Bauform mit ho-her Übersetzung und hoher Momen-tenkapazität

– geringes Gewicht– hohe Torsionssteifigkeit– Spielfreiheit– sehr geringe Reibung.Das Wirkprinzip des Wellgetriebes ist dem eines Planetengetriebes sehr ähnlich. Zur Überlagerung eines Winkels dreht der Elektromotor den elliptisch ausgeformten Innenläufer (WG). Dieser verformt über ein flexibles Dünnring-Kugellager (FB) das mit der Lenkeingangswelle (lenkradseitig) ver-bundene dünnwandige Sonnenrad (FS). Das Sonnenrad steht an den Hochachsen der Antriebsellipse des Innenläufers im Eingriff mit einem Hohlrad (CS), das mit der Lenkausgangswelle verbunden ist. Auf-grund des Zahnzahlunterschiedes zwi-schen Sonnenrad und Hohlrad (lenkgetrie-beseitig) kommt es beim Rotieren der An-triebsellipse zu einer Überlagerung, Bild 8.

3.3 Hydraulik Schon zu Beginn der Entwicklung wurden die erhöhten Anforderungen der Dyna-miklenkung konzeptionell im hydrau-lischen Lenksystem berücksichtigt. Auf-bauend auf dem Modularen Längsbaukas-ten mussten nur wenige Bauteile für den Einsatz im Audi Q5 angepasst werden. Be-dingt durch die größere Kolbenfläche der Zahnstangenlenkung wurden jeweils mo-torspezifisch leistungsfähigere Pumpen, im Wesentlichen elektronisch volumen-stromgeregelte Ausführungen, gewählt. Im Gesamtpaket Audi drive select wurden die ebenfalls geschwindigkeitsabhängigen Servotronic-Kennlinien passend zu den Übersetzungskennlinien abgestimmt und so für den Kunden ein Optimum an Kom-fort und Agilität bereitgestellt. Die Gesam-tüberarbeitung des Lenkungssystems er-möglicht die Erfüllung heutiger Anforde-rungen der Energieeffizienz bei gleichzei-tiger Maximierung des Fahrspaßes.

3.4 ElektronikVor dem Hintergrund der Gewichts- und Bauraumdiskussion ergeben sich auch für die Elektronik erhöhte Anforderungen im Steuergerätedesign. Bei der Dynamik-lenkung ist es gelungen, das elektronische Steuergerät sehr kompakt auszuführen und durch ein kombiniertes Halter- und Entwärmungskonzept auf kleinstem Raum im Fahrzeug zu integrieren. Dabei wird die Verlustleistung direkt über den mechanischen Halter in die Karosse einge-leitet. Um den Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden, wird bei der Dyna-miklenkung auf ein 1-Prozessorkonzept mit einem Smart-Watchdog gesetzt. Kom-biniert mit einem robusten Schaltungsde-sign, einer hohen Diagnose- und Überwa-chungsabdeckung, sowie einer hohen EMV-Festigkeit (EMV = Elektromagnetische Verträglichkeit) bildet das Steuergerät eine leistungsfähige Elektronikplattform für sicherheitsrelevante Anwendungen.

Bild 7: Systemarchitektur

Bild 8: Funktionsprinzip Harmonic Drive

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3.5 SoftwarearchitekturBild 9 zeigt den funktionalen Signalfluss der Steering Controll Unit (SCU). Das Da-tenaufbereitungsmodul bereitet die not-wendigen Eingangsignale wie Lenkrad-winkel und Radgeschwindigkeitsinfor-mationen auf und gleicht eventuell vor-handene kleine Signal-Offset-Fehler aus. Außerdem berechnet es eine Fahrge-schwindigkeit, die sowohl für Front- als auch für quattro-Fahrzeuge die erforder-liche Güte in allen Fahrsituationen si-cherstellt. Die variable Lenküberset-zungsfunktion liest diese Signale ein und berechnet die gewünschte Lenkwin-kelüberlagerung. Zusätzlich ist in diese Funktion eine harmonische Winkelsyn-chronisierung integriert. Eine Asynchro-nität zwischen Lenkrad und Vorderachse kann entstehen, wenn im inaktivem Zu-stand, zum Beispiel bei ausgeschaltetem Verbrennungsmotor, große Lenkradbe-wegungen stattgefunden haben. Die Summe der ersten beiden Signale wird zusammen mit dem verarbeiteten ESP-Lenkeingriff im Koordinator zu einem Gesamt-Sollwinkel addiert. Die zweite Aufgabe des Koordinators ist das Sicher-stellen einer geeigneten Fail-Safe-Reakti-on in Abhängigkeit zum ausgegebenen Status aus der Datenplausibilisierung. Lageregelung und Motorkommutierung haben die Aufgabe, die Sollwinkel mit der erforderlichen Regelgüte an den End-stufentreiber weiterzuleiten. Neben den klassischen Anforderungen ergab die Einbaulage des Überlagerungsgetriebes zwischen Lenkventil und Lenkrad er-höhte Anforderungen an die zulässigen Momentensprünge im Motor.

4 Sicherheitskonzept

Das Steuergerät muss neben der Erfül-lung von funktionalen Anforderungen, wie zum Beispiel die Überlagerung und Ansteuerung des Anteils der variablen Lenkübersetzungsfunktion und des ex-tern berechneten Stabilisierungsanteils, auch Fehlfunktionen elektronisch ver-hindern. Die abgeleiteten Sicherheitsan-forderungen an die SCU für die zu ver-hindernden Fehlfunktionen sind:– Vermeiden von reversiblen und irrever-

siblen Stellfehlern, die durch die SCU, den Elektromotor oder den Motorlage-sensor verursacht werden können

Bild 9: Steuergerät SCU mit Software-Architektur

Bild 10: Das Drei-Ebenen-Prinzip der SCU

Bild 11: Überprüfung der Lageregelung

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6-08

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– Überwachen der extern berechneten, stabili-sierenden Eingriffe und das Einleiten von ge-eigneten Maßnahmen, damit die maximalen Stellfehler nicht erreicht werden

– Sicherstellen, dass im Fehlerfall der maximal tolerierbare Übersetzungssprung nicht auf-tritt.

Bild 10 zeigt das gewählte Drei-Ebenen-Prinzip der SCU. In Ebene 1 sind alle notwendigen Software-module integriert, die aus funktionaler Sicht not-wendig sind, einschließlich der Signalplausibili-sierung und der Fehlerstrategie. Alle kritischen Pfade, die zu einer Fehlfunktion führen können, werden in Ebene 2 diversitär gerechnet, Bild 11. Hierdurch wird sichergestellt, dass systematische Fehlerursachen (zum Beispiel Programmierfeh-ler) oder sporadische RAM-Fehler nicht zu einer Fehlfunktion führen können. Die dritte Ebene stellt beispielsweise den Programmablauf und ein korrektes Ausführen des Befehlsatzes sicher. Um eine hohe Verfügbarkeit zu gewährleisten, muss in Abhängigkeit des aufgetretenen Fehlers eine schrittweise Degradierung der Systemfunktio-nalität vorgenommen werden:– Ansteuern einer konstanten Lenkübersetzung

bei fehlender Fahrgeschwindigkeitsinforma-tion

– Sperrung externer stabilisierender Eingriffe bei absehbarer geringer Performanz, zum Beispiel durch Bordnetzschwankungen

– Systemdeaktivierung im Nulldurchgang bei Fehlerverdacht, um ein schiefes Lenkrad zu vermeiden

– vollständige Systemdeaktivierung.Weiterhin kann die Verfügbarkeit auch nach schwerwiegenden externen Fehlern, wie zum Beispiel nach einem schlagartigen Spannungs-verlust, durch eine Initialisierungsphase wieder hergestellt werden, ohne dass eine Werkstatt aufgesucht werden muss. Neben dem Verhin-dern von Fehlfunktionen muss die SCU auch kontinuierlich sicherheitsrelevante Signale für die restlichen Fahrzeugsysteme liefern. Für jedes gesendete Signal wird das erforderliche Sicher-heitsniveau eingehalten.

5 Zusammenfassung

Mit der Dynamiklenkung ist es gelungen, basie-rend auf dem aus dem A4 und A5 bekannten Konzept aus Aktuatorik, Steuergerät, Sensorik und Vernetzungskomponenten eine fahrzeug-gerechte Implementierung darzustellen, ohne wesentliche Komponenten verändern oder neu entwickeln zu müssen. Zudem verbindet das System maximalen Kundennutzen mit hoher Kosteneffizienz. n

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