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DMP-Trainer: Herzinsuffizienz bei Patienten im DMP KHK
Lehrtext
2
Herausgeber:
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns
Elsenheimerstraße 39
80867 München
www.kvb.de
Autor:
Dr. med. Nico Görlitz, MPH
Redaktion, Grafik und Layout:
CoC DMP, Stabsstelle Kommunikation
Bilder:
iStockphoto.com (Titelbild, Seite 4, 8, 12, 14, 16)
Hinweis:
Wenn aus Gründen der Lesbarkeit die männliche Form eines Wortes ge-
nutzt wird („der Arzt“), ist selbstverständlich auch die weibliche Form („die
Ärztin“) gemeint.
Stand: Oktober 2010
3
Inhalt
1. Einleitung 4
2. Definition, Ätiologie, Diagnosestellung und Einschreibung 5
2.1 Definition der Herzinsuffizienz 5
2.2 Ursachen der Herzinsuffizienz 6
2.3 Diagnosestellung 7
2.3.1 Symptomatik und körperliche Untersuchung 7
2.3.2 Apparative Diagnostik 7
3. Therapie 8
3.1 Therapieziele 8
3.2 Allgemeine Maßnahmen und Verhaltensempfehlungen 9
3.3 Medikamentöse Therapie 9
3.3.1 ACE-Hemmer 10
3.3.2 AT1-Blocker 12
3.3.3 Betablocker 13
3.3.4 Aldosteron-Antagonisten 14
3.3.5 Diuretika 15
3.3.6 Herzglykoside (Digitalis) 15
3.3.7 Orale Antikoagulationstherapie 16
3.4 Spezielle interventionelle Maßnahmen 16
4. Monitoring 17
5. Kooperation der Versorgungssektoren 18
5.1 Überweisung zu einem besonders qualifizierten Arzt 18
5.2 Einweisung in ein Krankenhaus 18
5.3 Veranlassung einer Rehabilitationsmaßnahme 19
Weiterführende Literatur 19
4
(KHK) ins Leben gerufen, in welches in Bayern seit
2007 Patienten eingeschrieben werden können.
Auf Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschus-
ses (G-BA) wurde dieses strukturierte Behandlungspro-
gramm inzwischen um das Modul „Chronische Herz-
insuffizienz“ erweitert. Dieses steht den Patienten seit
1. Juli 2010 zur Verfügung. Hiermit wird den unter-
schiedlichen Risikogruppen innerhalb der Patienten
im DMP KHK Rechnung getragen und eine noch dif-
ferenziertere Behandlungsempfehlung gegeben.
1. Einleitung
In Deutschland sind kardiovaskuläre Erkrankungen
seit Jahrzehnten die häufigste Todesursache. In der
Todesursachenstatistik belegten in den Jahren 1998
bis 2008 die vordersten drei Plätze jeweils die chro-
nisch ischämische Herzkrankheit, der akute Myokard-
infarkt und die Herzinsuffizienz. Um dem entgegen-
zuwirken und die Versorgung von Patienten mit kar-
diovaskulären Erkrankungen zu verbessern, wurde
zunächst ein strukturiertes Behandlungsprogramm,
auch Disease Management Programm (DMP) ge-
nannt, für Patienten mit koronarer Herzerkrankung
5
2. Definition, Ätiologie, Diagnosestellung und Ein-schreibung
Die Herzinsuffizienz ist ein progressives, klinisches
Syndrom, das durch verschiedene kardiale Erkran-
kungen oder Systemerkrankungen verursacht sein
kann. Dabei ist das Herz nicht mehr in der Lage,
den Organismus mit ausreichend Blut und damit mit
genügend Sauerstoff zu versorgen, um den Stoff-
wechsel unter Ruhe- oder unter Belastungsbedingun-
gen zu gewährleisten.
Die Herzinsuffizienz wird eingeteilt in eine Links-
herzinsuffizienz, Rechtsherzinsuffizienz oder globale
Herzinsuffizienz. Klinisch äußert sich dies in typi-
schen Symptomen wie beispielsweise Dyspnoe, Mü-
digkeit mit Leistungsminderung und/oder Flüssig-
keitsretention. Je nachdem, unter welchen Vorausset-
zungen diese Symptome auftreten (zum Beispiel bei
alltäglicher Belastung oder in Ruhe) erfolgt eine
funktionelle Klassifikation nach den Empfehlungen
der New York Heart Association (NYHA).
(siehe Tabelle 1)
2.1 Definition der Herzinsuffizienz
Aber auch bei asymptomatischen Patienten kann
eine Herzinsuffizienz vorliegen und eine Einschrei-
bung in das Modul „Chronische Herzinsuffizienz“
sinnvoll sein. Dies ist dann der Fall, wenn mittels
Echokardiographie, Ventrikulographie oder Kardio-
Magnetresonanztomographie (MRT) eine systolische
Dysfunktion mit einer linksventrikulären Ejektionsfrak-
tion (LVEF) unter 40 Prozent nachgewiesen wurde.
Klassifikation Symptome
NYHA I (asymptomatisch) Herzerkrankung ohne körperliche Limitation. Alltägliche körperliche Belastung verursacht keine inadäquate Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris.
NYHA II (leicht) Herzerkrankung mit leichter Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Keine Beschwerden in Ruhe. Stärkere körperliche Belastung verursacht Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris (zum Beispiel Bergaufgehen und Treppensteigen).
NYHA III (mittelschwer) Herzerkrankung mit höhergradiger Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei gewohnter Tätigkeit. Keine Beschwerden in Ruhe. Geringe körperliche Belastung verursacht Erschöpfung, Rhythmus-störungen, Luftnot oder Angina pectoris (zum Beispiel Gehen in der Ebene).
NYHA IV (schwer) Herzerkrankung mit Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten und in Ruhe. Bettlägerigkeit
Stadieneinteilung der Herzinsuffizienz nach NYHA
Tabelle 1 Quelle: The Criteria Committee of the New York Heart Association. Nomenclature and Criteria for Diagnosis of Diseases of the Heart and Great Vessels. 9th ed. Boston, Mass: Little, Brown & Co; 1994:253-256.
6
2.2 Ursachen der Herzinsuffizienz
Es können eine Reihe von kardialen Erkrankungen
unterschieden werden, auf deren Boden eine Herz-
insuffizienz entsteht. Die mit Abstand häufigste Ursa-
che stellt die koronare Herzerkrankung dar, die in
rund zwei Drittel der Fälle als Ursache anzusehen
ist. Verantwortlich für die Abnahme der systolischen
linksventrikulären Funktion sind meist ein großer
Herzinfarkt oder mehrere Herzinfarkte, die auch
stumm abgelaufen sein können. Bis zu 30 Prozent
aller Patienten entwickeln nach einem Herzinfarkt
eine Herzinsuffizienz. In zirka zehn bis fünfzehn
Prozent liegt der Herzinsuffizienz eine isolierte arte-
rielle Hypertonie zugrunde. Des Weiteren kann die
Herzinsuffizienz Folge einer nicht-ischämischen Kar-
diomyopathie, einer Arrhythmie, eines erworbenen
oder angeborenen Herzklappenfehlers, einer Myo-
kard- oder Perikarderkrankung oder seltener einiger
nicht kardialer Erkrankungen (wie Anämie oder Thy-
reotoxikose) sein. Die Teilnahme am Modul „Chroni-
sche Herzinsuffizienz“ ist allerdings nur dann möglich,
wenn der eingeschränkten linksventrikulären Funktion
eine koronare Herzerkrankung zugrunde liegt.
Die Einteilung der Herzinsuffizienz nach der NYHA-
Klassifikation richtet sich ausschließlich nach den
momentan vorhandenen Symptomen. Somit kann sich
– je nach aktuellem Therapieerfolg – der Schwere-
grad relativ rasch ändern. Daher wurde von den
amerikanischen Fachgesellschaften in Ergänzung
zur NYHA-Klassifikation eine Klassifikation erarbei-
tet, die nicht die Symptomatik abbildet, sondern die
Progression der Erkrankung (siehe Tabelle 2).
Klassifikation Symptome
Stadium A
Patienten, mit hohem Risiko, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln, die gegenwärtig aber weder eine struk-turelle Herzerkrankung noch Symptome aufweisen, zum Beispiel bei Grunderkrankungen wie arterieller Hypertonie, KHK, Diabetes mellitus, Anamnese für kardiotoxische Substanzen oder rheumatisches Fieber oder positiver Familienanamnese für eine Kardiomyopathie.
Stadium B Patienten mit struktureller Herzerkrankung, die jedoch weder Symptome noch klinische Zeichen hierfür aufweisen, zum Beispiel Patienten mit ventrikulärer Dilatation oder Hypokontraktilität.
Stadium C Patienten mit struktureller Herzerkrankung, die aktuell Symptome aufweisen oder zu einem früheren Zeitpunkt aufgewiesen haben, die mit einer Herzinsuffizienz assoziiert sind, zum Beispiel Patienten mit Dyspnoe oder unter Therapie asymptomatische Patienten.
Stadium D Patienten mit refraktärer Herzinsuffizienz, die spezifische Interventionen benötigen, zum Beispiel Patienten mit erheblichen Beschwerden in Ruhe trotz maximaler medikamentöser Therapie.
ACC/AHA-Klassifikation der Herzinsuffizienz
Tabelle 2 Quelle: Circulation 2009 Writing Group to review new evidence and update the 2005 guideline for the Management of Patients with chronic heart failure, writing on behalf of the 2005 heart failure writing committee et al.119(14):1977.
7
Die klinische Diagnose allein ist nicht ausreichend.
Zusätzlich muss eine kardiale Dysfunktion objekti-
viert und mittels eines bildgebenden Verfahrens nach-
gewiesen werden. In der Regel ist dies die Echokar-
diographie. Sie stellt die wichtigste nicht-invasive
Methode zur Dokumentation einer kardialen Dys-
Abbildung 1: Durchführung eines oGTT (nach WHO-Kriterien)
funktion und zur Bestimmung des Schweregrades der
Herzinsuffizienz dar. Neben der Beurteilung der
globalen und regionalen systolischen Funktion, der
Myokarddicke und der diastolischen Funktion kön-
nen hier auch Klappenvitien untersucht werden.
Insbesondere sind hier relative Mitral- und Triskupidal-
2.3 Diagnosestellung
2.3.1 Symptomatik und körperliche Untersuchung
Die meisten Patienten mit Herzinsuffizienz werden
durch Belastungsdyspnoe auffällig. Für die klinische
Diagnosestellung lässt sich, abgeleitet aus den Da-
ten der Framingham-Studie, ein Kriterienkatalog auf-
stellen, der die häufigsten Symptome in Kriterien ers-
Kriterien erster Ordnung Kriterien zweiter Ordnung
Paroxysmale nächtliche Dyspnoe oder Orthopnoe Beidseitige Unterschenkelödeme
Halsvenenstauung Nächtlicher Husten
Pulmonale Rasselgeräusche Belastungsdyspnoe
Kardiomegalie Hepatomegalie
Akutes Lungenödem Pleuraergüsse
Dritter Herzton Tachykardie
Erhöhter zentraler Venendruck (> 16 Zentimeter Wassersäule (cm H²O)) Vitalkapazität vermindert auf weniger als 1/3 des Maximums
Hepatojugulärer Reflux
Gewichtsabnahme über 4,5 Kilogramm in fünf Tagen unter Herzinsuffizienztherapie
Framingham-Kriterien für die klinische Diagnose einer Herzinsuffizienz
Tabelle 3 Quelle: DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR KARDIOLOGIE− HERZ- UND KREISLAUFFORSCHUNG e.V. Leitlinien zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz Zeitschrift für Kardiologie, Band 94, Heft 8 Z Kardiol: 94:488-509 (2005)
2.3.2 Apparative Diagnostik
ter und zweiter Ordnung zusammenfasst (siehe Ta-
belle 3). Für die Diagnose Herzinsuffizienz müssen
zwei Kriterien erster Ordnung oder ein Kriterium
erster Ordnung und zwei Kriterien zweiter Ordnung
vorhanden sein.
8
3. Therapie
3.1 Therapieziele
Die Überlebenszeit nach Sicherung der Diagnose
Herzinsuffizienz beträgt oft nur wenige Jahre. Auch
die Lebensqualität ist bei Patienten mit manifester
Herzinsuffizienz deutlich vermindert, die Hospitali-
sationsrate stark erhöht. Hieraus ergeben sich die
drei Therapieziele: Steigerung der Lebensqualität
(durch Vermeidung von Krankenhausaufenthalten
und Steigerung der Belastungsfähigkeit), Verlangsa-
mung der Krankheitsprogression und Reduktion der
Sterblichkeit.
klappeninsuffizienzen zu nennen. Mittels näherungs-
weiser Bestimmung des enddiastolischen (EDV) und
des endsystolischen Volumens (ESV) im linken Ventri-
kel lässt sich die linksventrikuläre Ejektionsfraktion
(LVEF) nach der Formel [(EDV - ESV) / EDV] x 100 =
LVEF (%) bestimmen. Auch mittels Ventrikulographie
oder Kardio-MRT ist die Bestimmung möglich.
Erst bei einer Verringerung der LVEF < 40% (Nor-
malwert ≥ 55%) liegt im Sinne des Moduls „Chroni-
sche Herzinsuffizienz“ eine Einschränkung vor, die
für eine Einschreibung des Patienten in das Modul
qualifiziert.
Bei Werten von 40 bis 55 Prozent kommt es sehr
häufig zu einer Krankheitsprogression und Ver-
schlechterung der Auswurffraktion über die Zeit, so-
dass bei diesen Patienten engmaschigere Kontrollen
sinnvoll sind.
Daneben ist auch das Ruhe-Elektrokardiogramm (EKG)
indiziert. Hier können Veränderungen wie typische
Herzinfarktzeichen oder Rhythmusstörungen – insbe-
sondere Vorhofflimmern – die Diagnostik ergänzen
und die Therapieplanung erleichtern. Ein Ruhe-EKG
kann aber niemals das für die Diagnose Herzinsuffi-
zienz unabdingbare bildgebende Verfahren ersetzen.
9
3.2 Allgemeine Maßnahmen und Verhaltensempfehlungen
Eine Verbesserung der Lebensqualität lässt sich nicht
nur mit medikamentösen Interventionen erreichen. Pa-
tienten können durch eine Veränderung des Lebens-
stils und durch Eigeninitiative auch selbst zu einer Ver-
besserung beitragen (siehe Patienteninformation der
Nationalen Versorgungsleilinie: http://www.versor-
gungsleitlinien.de/patienten/pdf/nvl-hi-patienten.pdf).
Empfohlen werden eine Gewichtsnormalisierung, eine
Beschränkung der Kochsalzzufuhr (zumindest ein Ver-
zicht auf Nachsalzen), Nikotinkarenz und eine Be-
grenzung des Alkoholkonsums. Männer sollten nicht
mehr als 30 g Alkohol am Tag konsumieren (entspricht
zirka 0,5 l Bier oder 0,25 l Wein), Frauen nicht mehr
als 20 g (entsprechend 0,3 l Bier oder 0,2 l Wein).
Patienten mit stabiler chronischer Herzinsuffizienz in
den NYHA-Stadien I-III wird ein regelmäßiges körper-
liches Ausdauer-Training empfohlen, wobei Art und
Dauer der Belastung auf die individuelle Situation
des Patienten abgestimmt sein müssen. Belastungen,
die zu Atemnot führen oder den peripheren Wider-
stand stark erhöhen (zum Beispiel stark belastendes
isometrisches Krafttraining) sind eher zu vermeiden.
Für Patienten mit einem frischen Herzinfarkt oder
einer Myokarditis besteht eine Kontraindikation.
Darüber hinaus ist körperliche Schonung und Bettruhe
nur bei akuter beziehungsweise dekompensierter
chronischer Herzinsuffizienz angezeigt. Die Empfeh-
lungen für die Flüssigkeitszufuhr richten sich nach
dem allgemeinen Zustand des Patienten und der
Nierenfunktion (gemäß Serumkreatinin oder glome-
rulärer Filtrationsrate (GFR)). Als grober Richtwert
kann allgemein eine Flüssigkeitszufuhr von 1,5 bis
maximal 2 l pro Tag empfohlen werden. Exzessive
Flüssigkeitsaufnahme von drei oder mehr Litern ist
unbedingt zu vermeiden. Bei schwerer, fortgeschrit-
tener Herzinsuffizienz oder Zeichen der Dekompen-
sation (Stauungszeichen, Hypervolämie und Hypo-
natriämie) sind geringere Flüssigkeitsmengen ange-
zeigt (1 bis 1,5 l pro Tag), wobei immer auch die
Aufnahme von Flüssigkeit über die Nahrung mit zu
berücksichtigen ist.
Die Empfehlungen zur medikamentösen Therapie für
Patienten im Modul „Chronische Herzinsuffizienz“
bauen auf den Therapievorschlägen aus dem struk-
turierten Behandlungsprogramm KHK auf, ergänzen
und erweitern diese jedoch stellenweise. Die medi-
kamentösen Therapieoptionen lassen sich einteilen
in prognoseverbessernde Pharmaka und symptom-
verbessernde Pharmaka. Medikamente der ersten
3.3 Medikamentöse Therapie
Gruppe sollten – soweit keine Kontraindikationen
bestehen – allen Patienten zur Verfügung gestellt
werden. Alle Medikamente, die die Prognose ver-
bessern, lindern auch die Symptome. Einige Medi-
kamente verbessern aber nur die Symptome, nicht
die Prognose. Einen Überblick über die Therapieop-
tionen gibt Tabelle 4.
10
3.3.1 ACE-Hemmer
Unabhängig vom Schweregrad der Herzinsuffizienz
sollten alle Patienten mit systolischer Dysfunktion einen
Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitor (ACE-Hemmer)
erhalten, sofern keine Kontraindikationen bestehen.
Hierdurch werden nachgewiesenermaßen die Sympto-
matik und Belastungstoleranz verbessert, die Progressi-
on der Erkrankung wird verlangsamt und die Hospitali-
sationsrate vermindert sowie die Sterblichkeit reduziert
(letzteres nur für NYHA II-IV).
Die Therapie sollte mit Diagnosestellung begonnen
werden, auch nach Myokardinfarkt mit akuter Herzin-
suffizienz ist ein Therapiebeginn indiziert. Allerdings
wird empfohlen, mit einer niedrigen Erstdosis (zum Bei-
spiel Ramipril 1 mal 1,25 bis 2,5 mg, Enalapril 1 mal
2,5 mg oder Lisinopril 1 mal 2,5 mg) zu beginnen
und je nach Verträglichkeit die gegebene Wirkstoff-
menge alle zwei bis vier Wochen zu verdoppeln. So-
fern dies vom Patienten toleriert wird, sollte eine Dosis-
steigerung bis zur Erreichung der für die jeweiligen
Substanzen in Studien effektiven Dosis (Zieldosis zum
Beispiel für Ramipril 2 mal 5 mg oder 1 mal 10 mg,
für Enalapril 2 mal 10 bis 20 mg und für Lisinopril 1
mal 20 bis 35 mg) erfolgen. Treten nicht tolerable Ne-
Arzneimittel NYHA I NYHA II NYHA III NYHA IV
ACE-Hemmer Indiziert Indiziert Indiziert Indiziert
Betablocker Bei Hypertonie oder nach Myokardinfarkt Indiziert Indiziert Indiziert
Schleifendiuretika Bei Flüssigkeitsretention Indiziert Indiziert
Thiazid-Diuretika Bei Hypertonie Bei Flüssigkeitsretention Indiziert Indiziert
Aldosteron-Antagonisten Nach Myokardinfarkt Bei persistierender Symptomatik
Bei persistierender Symptomatik
AT1-Rezeptorblocker Bei ACE-Hemmer-Intoleranz
Bei ACE-Hemmer-Intoleranz
Bei ACE-Hemmer-Intoleranz
Bei ACE-Hemmer-Intoleranz
Herzglykoside Bei chronischem, tachyarrhythmischem Vorhofflimmern. Bei Sinusrhythmus nur als Reservemittel in NHYA III und IV
Antikoagulanzien Bei Vorhofflimmern, intrakavitären Thromben, Ventrikelaneurysma oder Indikationen aus anderen Fachgebieten
Amlodipin und Felodipin Nur bei therapierefraktärer arterieller Hypertonie oder Angina pectoris. Kurzwirksame Kalziumantago-nisten vom Nifedipin-Typ, vom Verapamil-Typ und Diltiazem sind kontraindiziert.
Pharmakotherapie der systolischen Herzinsuffizienz (modifiziert nach Nationaler VersorgungsLeitlinie (NVL) Chronische Herzinsuffizienz)
Tabelle 4 Quelle: Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz – Langfassung. Version 1.2.2010
11
benwirkungen auf, sollte die höchste für den Patienten
noch vertretbare Dosis gewählt werden.
Es sind einige Kontraindikationen für den Einsatz von
ACE-Hemmern zu beachten. Sie sollten bei Angio-
ödem oder anderen Hypersensitivitätsreaktionen auf
ACE-Hemmer in der Anamnese nicht eingesetzt wer-
den. Ebenso nicht bei beidseitiger Nierenarterienste-
nose (NAST) beziehungsweise einseitiger NAST bei
Einzelniere, hypertroph-obstruktiver Kardiomyopathie
(HOCM), Herzklappenstenosen, Schwangerschaft
oder symptomatischer Hypotension.
Wegen des kaliumretinierenden Effektes der Substan-
zen ist ein Therapiebeginn oder eine Dosissteigerung
bei einem Serum-Kalium-Wert über 5,5 mmol/l nicht
angezeigt. Bei Patienten mit chronischer Niereninsuffi-
zienz ab Stadium IV (GFR < 30 ml/min) ist eine Thera-
pie allenfalls unter engmaschigen Kontrollen durch ei-
nen in dieser Therapie Erfahrenen möglich. Die Dosie-
rung der ACE-Hemmer muss aber in der Regel in allen
Stadien der Niereninsuffizienz angepasst werden.
Die häufigste zu beobachtende Nebenwirkung ist eine
Hypotonie. Insbesondere bei dehydrierten Patienten
führen ACE-Hemmer zu Blutdruckabfall, daher sollte
nach Erstgabe eine Überwachung erfolgen. Bei systoli-
schen Blutdruckwerten unter 90 mmHg ist eine Erstga-
be von ACE-Hemmern nicht indiziert, jedoch können
unter Therapie bei asymptomatischen Patienten solch
niedrige Werte toleriert werden.
Eine an und für sich harmlose, für den Patienten je-
doch oft quälende Nebenwirkung ist der ACE-Hem-
mer-assoziierte Husten, der bei etwa 5 bis10 Prozent
der Patienten zu beobachten ist. Wird dieser vom Pa-
tienten nicht toleriert, ist eine Umstellung der Therapie
auf einen AT1-Blocker notwendig. Allerdings ist zu be-
achten, dass bei Patienten mit Herzinsuffizienz häufig
zusätzliche pulmonale Erkrankungen vorliegen oder
sich entwickeln können (Lungenödem, COPD, Asth-
ma). Vor einer Beendigung der ACE-Hemmertherapie
wegen Husten sind diese Komplikationen unbedingt
auszuschließen oder im Falle einer Bestätigung umge-
hend spezifisch zu behandeln.
Bei den meisten Patienten ist unter Therapie mit einem
ACE-Hemmer ein Kreatininanstieg um zirka 10 bis 15
Prozent des Ausgangswertes zu beobachten. In den
meisten Fällen jedoch stabilisieren sich die Retentions-
parameter oder gehen im weiteren Verlauf wieder auf
die Ausgangswerte zurück. Bei Serum-Kreatinin-Wer-
ten ab 2,3 mg/dl oder bei Verschlechterung der Nie-
renfunktion um mehr als 30 Prozent (bei vorbestehen-
der Einschränkung) beziehungsweise 50 Prozent (bei
initial normaler Nierenfunktion) gegenüber dem Aus-
gangswert sollte keine weitere Dosissteigerung oder
sogar eine Dosisreduktion erfolgen. Es ist dann eine
Kooperation mit einem Spezialisten zu erwägen.
Es sollte ein regelmäßiges Monitoring von Kalium,
Harnstoff, Kreatinin und Blutdruck erfolgen. Diese soll-
ten vor Therapiebeginn sowie einige Wochen nach
Therapiebeginn, nach jeder Dosissteigerung und spä-
ter – bei unproblematischem Verlauf – in sechsmonati-
gen Intervallen bestimmt werden. Bei Niereninsuffizi-
enz oder Elektrolytstörungen können auch häufigere
Bestimmungen notwendig sein, die stets sowohl im
Langzeitverlauf als auch im Vergleich zu den letzten
Bestimmungen zu bewerten sind.
12
AT1-Blocker sind in der Therapie der chronischen
Herzinsuffizienz als Alternative zu ACE-Hemmern zu
sehen, wenn eine Unverträglichkeit vorliegt. Zwar
ist ihr Nutzen in großen randomisierten Studien be-
legt, doch sollten sie wegen der höheren Kosten und
der fundierteren Daten für ACE-Hemmer in der Regel
nur bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeiten zum Einsatz
kommen. Aufgrund der Studienlage werden Cande-
sartan und Valsartan empfohlen. Eine Zulassung be-
steht in Deutschland auch für Losartan (für Patienten
über 60 Jahre, wenn eine ACE-Hemmer-Unverträg-
lichkeit besteht).
Ähnlich wie bei ACE-Hemmern ist eine langsame Tit-
ration auf die volle Wirkdosis notwendig (32 mg
Candesartan oder 2x160 mg Valsartan). Eine Kom-
bination von ACE-Hemmern mit AT1-Blockern kann
in Einzelfällen sinnvoll sein, wenn Patienten trotz op-
timaler Therapie weiterhin symptomatisch sind. Zu-
gelassen für eine solche Kombinationstherapie sind
Candesartan und Valsartan. Da unter der Kombina-
tion vermehrt Hyperkaliämien und eine Verschlechte-
rung der Nierenfunktion auftreten können, ist hier
ein noch engeres Monitoring der Laborparameter
erforderlich.
Die Indikationsstellung und Durchführung einer Kom-
binationstherapie mit ACE-Hemmer und AT-1-Blocker
sollte nur in Kooperation mit einem Spezialisten
(Kardiologen/Nephrologen) erfolgen.
3.3.2 AT1-Blocker
13
Allgemein wird in den Leitlinien für Patienten mit
Herzinsuffizienz eine Therapie mit Beta-Rezeptoren-
blockern dann empfohlen, wenn sie klinisch stabil
und symptomatisch (NYHA II-IV) sind. Abweichend
hiervon wird für alle Patienten im Modul „Chronische
Herzinsuffizienz“ eine Therapie mit Beta-Rezeptoren-
blockern empfohlen. Dies ergibt sich aus den Thera-
pieempfehlungen für das strukturierte Behandlungs-
programm KHK, welches ja die Grundvoraussetzung
für die Teilnahme am Modul „Chronische Herzinsuf-
fizienz“ ist. Derzeit können als Substanzen Bisopro-
lol, Carvedilol und Metoprololsuccinat (nicht -tartrat)
empfohlen werden. Patienten über 70 Jahre können
laut Nationaler Versorgungsleitlinie alternativ auch
Nebivolol erhalten.
Auch bei der Therapie mit Betablockern ist – analog
zur Therapie mit ACE-Hemmern – eine einschleichen-
de Dosierung mit niedriger Startdosis und langsamer
Steigerung notwendig. Die Startdosis (Bisoprolol 1
mal 1,25 mg, Carvedilol 2 mal 3,125 mg, Metop-
rololsuccinat 1 mal 12,5 bis 25 mg) liegt jeweils
bei zirka 1/10 der maximalen Zieldosis (Bisoprolol
1 mal 10 mg, Carvedilol 2 mal 25 bis 50 mg, Met-
oprololsuccinat 1 mal 200 mg). Eine Dosissteige-
rung sollte nur sehr langsam in etwa 14-tägigen In-
tervallen erfolgen. Es sind jeweils Herzfrequenz und
Blutdruck vor der nächsten Dosissteigerung zu kont-
rollieren und anamnestisch nach Symptomver-
schlechterung und Gewichtszunahme zu fragen so-
wie auf Zeichen der Flüssigkeitsretention zu achten.
Ergeben sich Zeichen einer Verschlechterung der
Herzinsuffizienz beziehungsweise Hinweise auf in-
tolerable Nebenwirkungen sollte von einer Dosisstei-
gerung abgesehen werden.
3.3.3 BetablockerDer Patient sollte über die möglicherweise längere
Dauer bis zu einer spürbaren Symptomverbesserung
informiert werden. Diese tritt häufig erst drei bis
sechs Monate nach Therapiebeginn auf. Ein eigen-
mächtiges Absetzen und vor allem abruptes Been-
den der Therapie durch den Patienten sollte auf je-
den Fall vermieden werden. Kontraindiziert ist der
Einsatz von Beta-Rezeptorenblockern bei manifester
Hyper- oder Hypovolämie, höhergradiger atriovent-
rikulärer (AV)-Blockierung ohne Schrittmacherversor-
gung und symptomatischen Bradykardien. Auch Pati-
enten mit Asthma bronchiale sollten keine Betablo-
cker-Therapie erhalten. Hingegen stellt eine chro-
nisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) keine
Kontraindikation dar. Von Patienten mit COPD wird
eine Betablocker-Therapie meist gut vertragen. Es
sollten jedoch die kardioselektiven Substanzen Biso-
prolol, Metoprolol und Nebivolol bevorzugt werden.
Während der Therapie und vor allem vor einer Dosis-
steigerung ist ein regelmäßiges Monitoring des Pa-
tienten, vor allem der Herzfrequenz, erforderlich.
Vor und ein bis zwei Wochen nach Therapiebeginn,
sowie nach Erreichen der Zieldosis sollten Serum-
Elektrolyte, Harnstoff und Kreatinin (oder GFR) kon-
trolliert werden. Bei Niereninsuffizienz ist die Dosis
von Bisoprolol anzupassen. Zudem kann bei höher-
gradiger Niereninsuffizienz eine Dosisanpassung
von Carvedilol und Metoprolol erforderlich sein.
Sollte eine symptomatische Hypotonie eine Therapie-
umstellung erfordern, sollte vor einer Reduktion von
Betablockern oder ACE-Hemmern zunächst eine Re-
duzierung der sonstigen blutdrucksenkenden Medi-
kation erfolgen, insbesondere der Dosis der Diureti-
ka unter täglicher Gewichtskontrolle.
14
3.3.4 Aldosteron-Antagonisten
Aldosteron-Antagonisten wie Spironolacton sind
dann indiziert, wenn trotz optimaler Therapie mit
ACE-Hemmer, Betablocker und Diuretikum Be-
schwerden bei geringer körperlicher Belastung oder
in Ruhe bestehen (NYHA III-IV). Da es unter Thera-
pie mit Spironolacton zu einer Hyperkaliämie kom-
men kann, sollten vor Therapiebeginn das Serum-
Kreatinin unter 2,0 mg/dl und das Serum-Kalium un-
ter 5 mmol/l liegen. In der Regel wird eine niedrige
Dosierung angestrebt. Zur Prognoseverbesserung
sind 12,5 bis 50 mg Spironolacton ausreichend.
Während der Therapie sollte die orale Kalium-Belas-
tung reduziert werden. Trockenobst, Nüsse, Kartof-
felchips, getrocknete Hülsenfrüchte, Tomatenmark,
Weizenkeime und Weizenkleie sollten gemieden
werden.
Im ersten Jahr der Therapie sind engmaschigere Ka-
lium-Kontrollen angezeigt (anfangs vierwöchentlich,
dann vierteljährlich). Im Verlauf sind halbjährliche
Kontrollen ausreichend. Bei Patienten mit frischem
Myokardinfarkt und Herzinsuffizienz ist statt Spirono-
lacton der Einsatz von Eplerenon möglich (Dosis wie
bei Spironolacton ebenfalls 1 mal 12,5 bis 50 mg).
15
3.3.5 Diuretika
Diuretika sind bei allen Patienten, die Stauungszei-
chen (zum Beispiel periphere Ödeme, Lungenstauung)
aufweisen oder wegen einer Herzinsuffizienz schon
einmal solche Symptome hatten, indiziert. Sie führen
zu einer raschen Besserung der stauungsbedingten
Symptome. Dabei ist bei milder bis mäßiggradiger
Flüssigkeitseinlagerung die Therapie mit einem Thia-
ziddiuretikum (zum Beispiel Hydrochlorothiazid) in
der niedrigsten effektiven Dosis indiziert. Bei schwe-
rer Herzinsuffizienz oder eingeschränkter Nieren-
funktion (GFR < 30 ml/min) ist einem Schleifendiu-
retikum (zum Beispiel Furosemid, Torasemid) der Vor-
zug zu geben. Bei therapieresistenten Ödemen kann
die Kombination der beiden Substanzklassen erfolg-
reich sein. Allerdings ist hier eine engmaschige
Überwachung des Patienten erforderlich. Die Dosie-
rung erfolgt nach Klinik, es sollte stets die niedrigste
erforderliche Dosis verwendet werden. Übermäßige
diuretische Therapie senkt die kardiale Vorlast zu
stark und führt daher zu einem niedrigen Schlagvo-
lumen und einer oft symptomatischen Hypotonie.
Zur Verlaufskontrolle wird das tägliche Wiegen und
eine Dokumentation des Gewichtsverlaufes durch
den Patienten selbst empfohlen. Der intravaskuläre
Volumenstatus kann auch gut anhand der Füllung
der Halsvenen abgeschätzt werden. Neben regel-
mäßigen klinischen Kontrollen des Flüssigkeitsstatus
sollten die Serumelektrolyte und Retentionsparame-
ter bestimmt werden. Wegen des kaliumsenkenden
Effektes, vor allem der Schleifendiuretika, sollte die
diuretische Therapie mit einem ACE-Hemmer kombi-
niert werden. Kommt es hierunter zu einer Hypokali-
ämie besteht die Möglichkeit eines Ausgleichs mit-
tels kaliumsparender Diuretika wie Aldosteronanta-
gonisten oder oraler Kaliumsubstitution.
3.3.6 Herzglykoside (Digitalis)
Während die vorgenannten Substanzklassen die
Prognose von Patienten mit Herzinsuffizienz verbes-
sern, gehören Herzglykoside zu den symptomver-
bessernden Medikamenten. Sie sind indiziert bei
Patienten mit chronischem Vorhofflimmern, die trotz
Therapie mit einem Betablocker tachykard sind. Bei
Patienten im Sinusrhythmus stellen Herzglykoside le-
diglich ein Reservemedikament dar, wenn trotz Aus-
schöpfung aller vorgenannter Therapieoptionen Be-
schwerden unter alltäglicher Belastung oder in Ruhe
bestehen. Digitalispräparate haben eine geringe
therapeutische Breite und ein relativ hohes proarrhyth-
misches Potential. Dies muss bei Indikationsstellung
und Therapieüberwachung berücksichtigt werden. Je
nach Schweregrad einer eventuell begleitend vorliegen-
den Niereninsuffizienz (Digoxin) oder Leberinsuffizienz
(Digitoxin) besteht eine relative oder absolute Kontra-
indikation. Die Dosis ist an die jeweilige Organfunk-
tionsstörung anzupassen. Generell werden als Erhal-
tungsdosis niedrige Dosen empfohlen, zum Beispiel
0,05 bis 0,07 mg Digitoxin oder 0,1 mg Digoxin pro
Tag. Hierunter sind schwere Nebenwirkungen selten.
Dennoch ist bei einigen Patienten – vor allem in der
Anfangsphase der Therapie – eine engmaschige
Kontrolle mit Bestimmung des Serumspiegels ange-
zeigt.
16
3.3.7 Orale Antikoagulationstherapie
Eine chronische Herzinsuffizienz allein stellt noch
keine Indikation für eine Therapie mit oralen Anti-
koagulantien dar. Jedoch findet sich häufig ein chro-
nisches oder paroxysmales Vorhofflimmern, bei dem
eine orale Antikoagulation (Ziel-INR 2-3) zur Reduk-
tion thrombembolischer Ereignisse in der Regel indi-
ziert ist. Als Entscheidungshilfe dient nach den Emp-
fehlungen der aktuellen Leitlinien der European
Society of Cardiology der CHA2DS2-VASc-Score,
der das Risiko-Profil eines Patienten abbildet (siehe
Tabelle 5). Besteht kein Risiko kann eine Prophylaxe
mit Acetylsalicylsäure alleine erfolgen oder auf eine
Prophylaxe verzichtet werden. Patienten die nach die-
sem Score nur ein geringes Risiko für ein thrombem-
bolisches Ereignis haben (1 Punkt) können entweder
mit Acetylsalicysäure oder oralen Antikoagulantien
therapiert werden, es sollten jedoch OAD (oral anti-
coagulant drug) bevorzugt werden. Da die Patien-
ten im Modul „Chronische Herzinsuffizienz“ jedoch
immer mindestens zwei Punkte aufweisen, ist eine
Therapie mit OAD bei diesen auch indiziert – es sei
denn es liegt eine Kontraindikation vor (zum Bei-
spiel Unverträglichkeit, schwere Thrombozytopenie,
schwerer Leberschaden etc.). Laut Anlage 5a der Ri-
sikostrukturausgleichsverordnung sollte bei oraler
Antikoagulation (in Deutschland üblicherweise mit
Phenprocoumon) in der Regel die wegen einer KHK
durchgeführte Thrombozytenaggregationshemmung
(TAH) beendet werden. Sollte zum Beispiel nach
Stent-Implantation eine gleichzeitige Therapie mit
TAH und Phenprocoumon erforderlich sein, ist dies
in Kooperation mit einem qualifizierten Arzt bezie-
hungsweise einer qualifizierten Einrichtung zu ent-
scheiden.
Risikofaktor Punkte
Herzinsuffizienz (Congestive Heart Failure) 1
Hypertonus 1
Alter ≥ 75 Jahre 2
Diabetes mellitus 1
Schlaganfall/TIA 2
Vaskuläre Erkrankung (Herzinfarkt, pAVK ...) 1
Alter 65 bis 74 Jahre 1
Geschlecht (sex) weiblich 1
Der CHA2DS2-VASc-Score zur Ermittlung der Indikation für eine OAD
Tabelle 5 Quelle: ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation, The Task Force for the Management of Atrial Fibrillation of the European Society of Cardiology. European Heart Journal
(2010) 31, 2369–2429
17
Essentieller Bestandteil der Teilnahme eines Patien-
ten am Modul „Chronische Herzinsuffizienz“ ist die
regelmäßige Überprüfung des klinischen Status des
Patienten durch den koordinierenden Arzt. Aber
auch das Selbstmonitoring des Patienten ist unver-
zichtbar. Hier ist vor allem eine regelmäßige (am
besten tägliche) Gewichtskontrolle zu empfehlen.
Der Patient soll angehalten werden, bei raschen Ge-
wichtsanstiegen (zum Beispiel > 1 kg in 24 Stunden
oder > 2,5 kg pro Woche) kurzfristig eine ärztliche
Konsultation einzuholen.
Routine-Besuche sollten viertel- bis halbjährlich erfol-
gen. Dabei sollte der behandelnde Arzt die Medika-
tion, die Dokumentation von Gewicht, Puls und Blut-
druck durch den Patienten selbst und den klinischen
Status überprüfen. Im Rahmen der körperlichen Un-
tersuchung sollte vor allem auf Stauungszeichen (Ju-
gularvenenfüllung, periphere Ödeme, Zeichen der
pulmonalen Stauung), den Ernährungszustand, den
Blutdruck im Liegen und im Stehen und auf Herzrhyth-
mus und -frequenz geachtet werden. Ruhe-EKG-Auf-
zeichnungen sind darüber hinaus oft erforderlich zur
Optimierung der Therapie. In mindestens halbjährli-
chen Abständen sind Natrium, Kalium und die Nie-
renfunktion (Serum-Kreatinin und eGFR) zu überprüfen.
4. Monitoring
3.4 Spezielle interventionelle Maßnahmen
Als spezielle interventionelle Maßnahmen kommen
für Patienten mit Herzinsuffizienz vor allem die Im-
plantation eines Herzschrittmachers zur kardialen
Resynchronisationstherapie (CRT) beziehungsweise
die Versorgung mit einem implantierbaren Kardio-
verter-Defibrillator (ICD) in Frage. Eine CRT ist vor
allem bei hochgradig symptomatischen Patienten im
Sinusrhythmus mit einer linksventrikulären Ejektions-
fraktion unter 35 Prozent indiziert, wenn entweder
ein kompletter Linksschenkelblock oder eine ventriku-
läre Dyssynchronie mit breiten QRS-Komplexen (≥
120 ms) vorliegt.
Die Implantation eines ICD kann sowohl zur Primär-
als auch zur Sekundärprävention einer lebensbe-
drohlichen Herzrhythmusstörung sinnvoll sein. Zur
Primärprävention ist ein ICD bei Patienten indiziert,
die unter optimaler medikamentöser Therapie mit ei-
ner LVEF unter 30 bis 35 Prozent im NYHA-Stadium
II-III noch symptomatisch sind, nach einem Myokard-
infarkt frühestens nach 40 Tagen.
Zur Sekundärprävention eines erneuten Ereignisses
ist ein ICD indiziert bei Patienten mit überlebtem
Herzkreislaufstillstand, Kammerflimmern oder Auftre-
ten von Kammertachykardien, sowie Patienten mit
einer LVEF unter 40 Prozent nach einer Synkope oh-
ne EKG-Dokumentation, wenn andere Ursachen als
eine ventrikuläre Tachykardie für das Ereignis aus-
geschlossen werden können.
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5.1 Überweisung zu einem besonders qualifizierten Arzt
5.2 Einweisung in ein Krankenhaus
Eine Überweisung zu einem besonders qualifizierten
Arzt im Rahmen des strukturierten Behandlungspro-
grammes ist grundsätzlich nach Ermessen des koor-
dinierenden Arztes jederzeit möglich. Neben den
Indikationen, die für Patienten im strukturierten Be-
handlungsprogramm KHK formuliert wurden (zum
Beispiel zunehmende oder erstmalige Angina pecto-
ris, neu aufgetretene Herzinsuffizienz oder Rhyth-
musstörungen, Indikationsstellung/Durchführung in-
vasiver Diagnostik und Therapie etc.), bestehen für
Patienten im Modul „Chronische Herzinsuffizienz“
folgende besondere Indikationen zur Überweisung:
Fortschreiten der Herzinsuffizienz trotz individuell �
angepasster Therapie
Indikationen zur stationären Behandlung sind insbe-
sondere akute Dekompensationen der Herzinsuffizi-
enz, akute maligne oder ambulant nicht beherrschba-
re Rhythmusstörungen und die Implantation eines
Schrittmachers oder CRT/ICD beziehungsweise die
Optimierung der medikamentösen Therapie und �
Unverträglichkeit der Standardtherapie, Durchfüh-
rung komplexer Therapien
Bei relevanter Verschlechterung des klinischen �
Zustandes zur Kontrolle mittels Echokardiographie
Abklärung der Indikation für CRT, ICD, linksventri- �
kuläres Assist-Device oder Herztransplantation
Kontrolle von Schrittmachern und CRT, AICD �
(automatic implantable cardioverter defibrillator)
Aktuelle klinische Befunde, Medikamente und Labor-
werte sollten dem besonders qualifizierten Arzt mit-
geteilt werden.
Durchführung einer Herztransplantation. Vielfach ist
auch die Progression der KHK oder ein erneutes
akutes Koronarsyndrom ein Grund zur dringlichen
stationären Einweisung.
5. Kooperation der Versorgungssektoren
Über die Empfehlungen im strukturierten Behand-
lungsprogramm KHK hinaus ergeben sich für Patien-
ten, die in das Modul „Chronische Herzinsuffizienz“
eingeschrieben werden, einige weitere Indikationen
zur Überweisung zu einem besonders qualifizierten
Arzt, zur Einweisung in ein Krankenhaus oder die
Veranlassung einer Rehabilitationsmaßnahme.
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5.3 Veranlassung einer Rehabilitationsmaßnahme
Zur Erlangung und Aufrechterhaltung der individuell
bestmöglichen physischen und psychischen Gesund-
heit sowie der sozialen Integration kann die Einlei-
tung einer Rehabilitationsmaßnahme auch bei Patien-
ten mit chronischer Herzinsuffizienz sinnvoll sein.
Indikationen zur Veranlassung einer Rehabilitations-
maßnahme sind vor allem durch die chronische Herz-
insuffizienz bedingte, den Alltag limitierende Sympto-
me, die trotz konservativer, interventioneller und/
oder operativer Maßnahmen persistieren.
Daneben gelten die weiteren Indikationen zur Reha-
bilitation aus dem strukturierten Behandlungspro-
gramm KHK (akuter Myokardinfarkt, Zustand nach
koronarer Revaskularisation, Symptompersistenz bei
stabiler Angina pectoris trotz adäquater Therapie).
Weiterführende Literatur:
1. Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz, Version 1.0 Dezember 2009
http://www.herzinsuffizienz.versorgungsleitlinien.de
2. PatientenLeitlinie zur Nationalen VersorgungsLeitlinie Herzschwäche (Herzinsuffizienz) Konsultationsfassung
Version Konsultation 1.0 vom 07. Juli 2010
http://www.versorgungsleitlinien.de/patienten/pdf/nvl-hi-patienten.pdf
3. U.C. Hoppe, M. Böhm, H. Drexler, G. Hasenfuß, B. Lemke, A. Osterspey, M. Pauschinger:
Kommentar zu den ESC-Guidelines for the Diagnosis and Treatment of Acute and Chronic Heart Failure 2008
4. Leitlinien zur Therapie der chronischen und akuten Herzinsuffizienz: Was ist neu?
Kardiologe 2008
http://leitlinien.dgk.org/images/pdf/leitlinien_volltext/2008-13_kommentar.pdf
5. ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure 2008
The Task Force for the Diagnosis and Treatment of Acute and Chronic Heart Failure 2008 of the European
Society of Cardiology. Developed in collaboration with the Heart Failure Association of the ESC (HFA) and
endorsed by the European Society of Intensive Care Medicine (ESICM) European Heart Journal (2008) 29,
2388–2442
http://www.escardio.org/guidelines-surveys/esc-guidelines/GuidelinesDocuments/guidelines-HF-FT.pdf