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Discussion Paper No. 19 Europäische Integration aus der Perspektive der neo-gramscianischen Internationalen Politischen Ökonomie von Aram Ziai Oktober 2006 http://www.ipw.rwth-aachen.de/for_paper.html ISSN 1862-8079 Institut für Politische W issenschaft

Discussion Paper No. 19 · Präzisierung ist die Kritik durchaus berechtigt – werden jedoch von den meisten Integrationstheorien daher auch nicht berücksichtigt. 3 „… neo-functionalist

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Discussion Paper

No. 19

Europäische Integration aus der Perspektive der neo-gramscianischen Internationalen Politischen Ökonomie

von Aram Ziai

Oktober 2006

http://www.ipw.rwth-aachen.de/for_paper.html

ISSN 1862-8079

Institut für Politische W issenschaft

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Europäische Integration aus der Perspektive

der neo-gramscianischen Internationalen Politischen Ökonomie

Europäische Integration aus der Perspektive der neo-gramscianischen Internationalen

Politischen Ökonomie ............................................................................................................ 1

1. Einleitung: warum neo-gramscianische Perspektiven auf den Integrationsprozess?..... 3

2. Konzepte und Grundbegriffe......................................................................................... 7

2.1. Wissenschaftstheoretische Grundlegung................................................................. 7

2.2. Hegemonie, erweiterter Staat, historischer Block................................................... 8

2.3. Historische Strukturen, Weltordnungen, passive Revolution ............................... 10

2.4. Macht..................................................................................................................... 11

3. Globalisierung .............................................................................................................. 12

3.1. Internationalisierung der Produktion und des Staates ........................................... 13

3.2. Disziplinärer Neoliberalismus und neuer Konstitutionalismus............................. 14

4. Europäische Integration: empirische Studien............................................................... 16

4.1. EWS und Binnenmarkt als hegemoniale Projekte ................................................ 16

4.2. Integration und transnationale Klassenformierung ............................................... 19

4.3. Beitrittsprozesse: Schweden und Österreich im Vergleich ................................... 21

4.4. Wirtschafts- und Währungsunion.......................................................................... 23

4.5. Osterweiterung ...................................................................................................... 25

5. Epistemologie, Ontologie und Methode....................................................................... 29

5.1. Epistemologie........................................................................................................ 29

5.2. Ontologie ............................................................................................................... 31

5.3. Methode................................................................................................................. 32

6. Fazit .............................................................................................................................. 33

Literatur ............................................................................................................................ 35

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1. Einleitung: warum neo-gramscianische Perspektiven auf den Integrationsprozess?

Zwar ist der europäische Integrationsprozesses durch die Ablehnung der EU-Verfassung in

Frankreich und den Niederlanden ins Stocken geraten, er stellt jedoch immer noch eine

aktuelle und relevante Thematik für die Politikwissenschaft dar.1 Dieses Paper versucht, die

spezifische Perspektive neo-gramscianischer Ansätze der Internationalen Politischen

Ökonomie auf den Prozess der europäischen Integration darzustellen und zu beurteilen. Diese

auf die Konzepte des italienischen Marxisten Antonio Gramsci (und ihre Anwendung auf die

internationale politische Ökonomie der Nachkriegszeit durch den kanadischen Politologen

Robert Cox (1981, 1983)) rekurrierenden Ansätze fristen ein eher randständiges Dasein in der

Integrationsforschung. Ein kürzlich erschienener Sammelband zum Stand der internationalen

Forschung (Wiener/Diez 2004) beleuchtet die europäische Integration nicht nur aus der

Perspektive der dominierenden Paradigmen des (Neo-)Neo-Funktionalismus und des liberalen

Intergouvernementalismus, sondern berücksichtigt auch (u.a.) föderalistische,

institutionalistische, netzwerktheoretische, sozialkonstruktivistische, diskursanalytische und

geschlechterspezifische Zugänge. Die Abwesenheit neo-gramscianischer Ansätze, die gerade

zum Bereich der europäischen Integration eine Fülle an aktuellen und relevanten Studien

aufweisen können,2 in einer ansonsten sehr umfassenden Dokumentation des

Forschungsstands ließe sich möglicherweise durch deren mangelnde Überzeugungskraft oder

Wissenschaftlichkeit erklären. Hier soll jedoch eine entgegen gesetzte These vertreten

werden: nämlich dass die neo-gramscianischen Ansätze wichtige alternative Sichtweisen auf

ihren Gegenstandsbereich erlauben und interessante empirische Studien hervorgebracht

haben. Eine eingehende Auseinandersetzung mit neo-gramscianischen Ansätzen der

Internationalen Politischen Ökonomie führt zu dem Ergebnis, dass sie keinesfalls, wie

bisweilen marxistisch orientierten Ansätzen unterstellt wird, behaupten, die Außenpolitik der

BRD würde beispielsweise von Daimler-Chrysler bestimmt, sondern durchaus ein wenig

differenzierter argumentieren.

Im weiteren Verlauf der Einleitung soll die Sinnhaftigkeit (oder gar Notwendigkeit) einer

neo-gramscianischen Sichtweise auf europäische Integration weiter diskutiert werden, bevor

im zweiten Abschnitt die Konzepte und Grundbegriffe dieser Theorierichtung dargelegt

1 Vgl. die als Reaktion auf die Volksabstimmungen erschienenen Beiträge in der ZIB 12 (2) zum Thema

„Europäische Integration – wieder osbsolet?“. 2 Siehe v.a. die Sammelbände von Bieling/Steinhilber 2000a; Bieler/Morton 2001a; Cafruny/Ryner 2003a sowie

die Monographien von Holman 1996, Bieler 2000 und Apeldoorn 2002.

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werden. Danach (Abschnitt 3) ist es angebracht, ihre spezifische Sichtweise auf

Globalisierungsprozesse kurz zu erläutern, bevor schließlich im vierten Abschnitt einige

empirische Studien bestimmter Aspekte des Integrationsprozesses aus dieser Perspektive

darzustellen sind. Auf dieser Grundlage soll die spezifische Epistemologie, Ontologie und

methodische Vorgehensweise neo-gramscianischer Ansätze untersucht werden (Abschnitt 5),

um am Ende zu einem abschließenden Fazit zu gelangen (6.).

Die VertreterInnen neo-gramscianischer Integrationsforschung begründen die Notwendigkeit

ihres Ansatzes auf unterschiedliche Weise, zumeist jedoch mit postulierten Defiziten der

„herkömmlichen“ Theorien europäischer Integration. Bieling und Steinhilber kritisieren eine

„eingeengte Perspektive“, die ausschließlich die institutionellen Prozesse innerhalb der EU

betrachte: „Im Vordergrund steht zumeist der langfristige institutionelle und regulative

Wandel, nicht jedoch die spezifische Konfiguration, die ihn ermöglicht, antreibt oder auch

behindert. Die europäischen Entwicklungen werden nur selten systematisch mit den

Problemen und Konflikten in den nationalen Gesellschaften oder mit den Krisen in der

globalen kapitalistischen Reproduktion in Verbindung gebracht.“ (Bieling/Steinhilber 2000b:

12) Des weiteren werfen sie Mainstream-Ansätzen eine „Ausblendung von Macht- und

Herrschaftsstrukturen“ (ebd.) vor. Diese Vorwürfe sind jedoch zumindest ungenau, wenn

nicht gar unzutreffend. Denn nicht wenige der hier kritisierten Ansätze beschäftigen sich

durchaus mit den Macht- und Herrschaftsstrukturen innerhalb der EU, akzeptieren sie jedoch

als mehr oder weniger demokratisch legitimiert oder schlichtweg als gegebene Größe. Genau

dies wird ihnen von Bieler explizit vorgeworfen.3 Auch werden bisweilen europäische

Entwicklungen durchaus mit Konflikten der nationalen Gesellschaften in Verbindung

gebracht – so z.B. in der Interpretation des niederländischen Referendums als Denkzettel an

die Regierung Balkenende oder als ablehnende Reaktion auf erwartete Zuwanderung durch

die Osterweiterung angesichts einer angespannten gesellschaftlichen Situation in diesem

Politikfeld. Zutreffend ist jedoch, dass europäische Integration i.d.R. nicht mit Krisen der

globalen kapitalistischen Reproduktion in Beziehung gesetzt wird – im konzeptuellen

Inventar der meisten Mainstream-Theorien sind solche Begriffe nicht auffindbar. Mit der

kapitalistischen Reproduktion zusammenhängende Machtstrukturen – und bei dieser

Präzisierung ist die Kritik durchaus berechtigt – werden jedoch von den meisten

Integrationstheorien daher auch nicht berücksichtigt.

3 „… neo-functionalist and intergovernmentalist approaches alike are unable to account for structural change,

because they take existing social and power structures as given.“ (Bieler 2002: 577)

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Bieler und Morton kritisieren die neo-funktionalistischen Ansätze wegen ihrer „ahistorischen“

Konzeption der rationalen, nutzenmaximierenden Individuen, wegen ihrer teleologischen

Konzeption des Integrationsprozesses (die politische Kämpfe ausblende), und wiederum

wegen der fehlenden Einbettung der Integrationsdynamik in internationale Prozesse. Diese

Einbettung würde von den rivalisierenden intergouvernementalistischen Ansätzen zwar

berücksichtigt, aber dabei blieben diese staatszentriert und könnten strukturelle

Veränderungen der Weltwirtschaft (zusammengefasst unter dem Stichwort „Globalisierung“)

nicht erfassen. Auch die theoretische Weiterentwicklung Moravcsiks (1998), der liberale

Intergouvernementalismus, könne beispielsweise die wirtschaftspolitische Wende Mitterrands

und generell die Umorientierung vieler sozialdemokratischer Parteien in den 1980ern nicht

erklären. Zwar würden die Aktivitäten von Lobbygruppen wahrgenommen, aber durch ihre

Verortung im nationalen gesellschaftlichen Gefüge nur unzureichend theoretisiert. Sowohl der

Einfluss neoliberaler Ideen als auch der transnationaler gesellschaftlicher Akteure auf die

Integrationsdynamik bleibe so außen vor. Darüber hinaus mahnen sie an, weniger die

Integrationsverhandlungen selbst, sondern mehr die zu ihnen führenden gesellschaftlichen

Prozesse und die Auseinandersetzungen um ihre Ratifizierung zu untersuchen (vgl.

Bieler/Morton 2001b: 13-17). Auch wenn es im Fall des liberalen Intergouvernementalismus

möglicherweise noch haltbar sein mag: der Vorwurf einer mangelnden Berücksichtigung

ideeller Faktoren in der Integrationsforschung ist im Hinblick auf die Konjunktur

sozialkonstruktivistischer Ansätze zumindest in der europäischen Diskussion kaum plausibel

(siehe Christiansen et al. 1999 sowie der Rest des special issue des Journal of European

Public Policy 6 (4)). Und in neo-funktionalistischen Ansätzen werden bisweilen auch

transnationale gesellschaftliche Akteure berücksichtigt. Auch hier erscheint es nicht

vollständig einsichtig, warum die diagnostizierten Defizite nicht durch „Brückenschläge“

bzw. Synthesen zwischen den einzelnen Mainstream-Integrationstheorien behoben werden

könnten.

Apeldoorn behauptet ebenfalls, dass die etablierten Theorien die Macht von Ideen und

Ideologien im Kontext des Integrationsprozesses nicht hinreichend berücksichtigen. Er

gesteht zwar zu, dass neofunktionalistische (bzw. „supranationalistische“) Theorien auch die

Rolle transnationaler gesellschaftlicher Akteure anerkennen, kritisiert aber dabei, dass ihre

Eigenständigkeit unterschätzt und ihre Einbettung in die globale kapitalistische Ökonomie

ausgeblendet wird. Darüber hinaus moniert er, „conventional integration theories tend to

focus largely on the institutional form of the integration process, thus ignoring the question of

its socioeconomic content, or the ‚social purpose’ underlying European order“ (Apeldoorn

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2000a: 158). (Dieser Vorwurf wird von Bieler (2002: 577), Holman (2004: 717f) und Bohle

(2006: 61) wiederholt.) Dieser Vorwurf ist insoweit zutreffend, als dass bei vielen

Darstellungen der europäischen Integration der Fokus auf die Prozesse und die

Verhandlungen über strittige Punkte eine Betrachtung der Politikinhalte und die unstrittigen

Zielsetzungen oft in den Hintergrund drängt. Allerdings suggeriert die Rede vom „Zweck“

eine Einheitlichkeit und Zielgerichtetheit des Einigungsprozesses, die so nicht gegeben ist. Zu

viele unterschiedliche Zielsetzungen der Akteure bestimmen den Prozess, als dass ihm ein

singulärer Zweck zugeschrieben werden könnte.

Auf der meta-theoretischen Ebene kritisieren argumentieren neo-gramscianische Ansätze oft,

dass die traditionellen Integrationstheorien (Neo-Funktionalismus und Intergouverne-

mentalismus) einem positivistischen Fundament verhaftet seien, und daher „are formulated in

terms of general, universal, and objective propositions that are held to be affirmed or falsified

as universal truths about the ‚order of things’.“ (Apeldoorn et al. 2003: 19). Dabei postulierten

sie aufgrund eines szientistischen Wissenschaftsideals eine Trennung von Subjekt und Objekt

der Sozialwissenschaften und versuchten, kausale Gesetzmäßigkeiten der sozialen

Wirklichkeit zu „entdecken“, was aber aufgrund der unterschiedlichen Charakteristika der

Gegenstandsbereiche von Sozial- und Naturwissenschaften verfehlt sei. Andererseits betonen

sie trotz der meta-theoretischen Gemeinsamkeiten die methodologischen und theoretischen

Differenzen zu gängigen konstruktivistischen Ansätzen, die v.a. auf den Elementen der

historisch-materialistischen Tradition beruhen (ebd.: 29-34). Auf die alternative

Epistemologie, Ontologie und Methodologie der neo-gramscianischen Ansätze (bisweilen als

„kritischer Konstruktivismus“ bezeichnet) wird in Abschnitt 5 noch genauer einzugehen sein.

Zusammengefasst sind die wichtigsten Kritikpunkte der neo-gramscianischen Ansätze

gegenüber den anderen Theorien europäischer Integration, dass sie erstens Macht- und

Herrschaftsstrukturen, zweitens den Einfluss von Ideen und Ideologien, und drittens

transnationale gesellschaftliche Akteure nicht oder nicht hinreichend berücksichtigen würden

und daher schwerwiegende Defizite aufweisen würden. Der Vorwurf der

Nichtberücksichtigung dieser Aspekte ist jedoch kaum haltbar. Sowohl Machtstrukturen als

auch ideelle Faktoren und transnationale Akteure sind von Mainstream-Theorien

konzeptionalisiert worden. Der entscheidende Punkt ist der Zusammenhang dieser Aspekte

mit kapitalistischen Produktionsverhältnissen. Machtstrukturen, die innerhalb dieser

Verhältnisse liegen oder sich aus ihnen ergeben, sind tatsächlich in den kritisierten Theorien

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kaum auffindbar.4 Ähnliches gilt für den Zusammenhang von Ideen und

Produktionsverhältnissen: für welche gesellschaftlichen Gruppen sind bestimmte

Gedankengebäude vorteilhaft, wessen Interessen werden dort repräsentiert, und inwieweit

funktionieren sie als Herrschaftsinstrument? Diese Fragen werden von traditionellen Ansätzen

selten theoretisch angegangen. Und auch dass und wie auf transnationaler Ebene die Bildung

bestimmter gesellschaftlicher Gruppen eng mit bestimmten Produktionsverhältnissen

zusammenhängen könnte (und diese dann bestimmte Ideen zu verbreiten versuchen), bildet

keinen Untersuchungsgegenstand herkömmlicher Theorien. Das, was man das „marxistische

Erbe“ der neo-gramscianischen Ansätze bezeichnen könnte, macht also ihre spezifische

Perspektive aus. Allerdings ist ihnen eine bisweilen mangelhafte Auseinandersetzung mit

nicht-marxistischen Ansätzen der Internationalen Politischen Ökonomie anzukreiden (vgl.

Schirm 2004, Rotte 2005). Dass sie dabei trotz dieser Theorietradition nicht in den

ökonomischen Determinismus eines (viel zu oft als für „den Marxismus“ repräsentativ

angesehenen) simplen Basis-Überbau-Modells verfallen und die zentrale Rolle der begrenzten

Autonomie ideeller Faktoren berücksichtigen, verdanken sie ihrem „gramscianischen Erbe“.

Auf die Konzepte Gramscis und ihre Anwendung im Bereich der internationalen Politik wird

daher im nächsten Abschnitt einzugehen sein.

2. Konzepte und Grundbegriffe

2.1. Wissenschaftstheoretische Grundlegung

In seinem programmatischen Aufsatz von 1981 bezeichnet der als Begründer der neo-

gramscianischen Ansätze angesehene kanadische Politikwissenschaftler Robert Cox das Ziel

seiner Ausführungen „to sketch a method for understanding global power relations“ (1981:

87). Dabei ist er skeptisch gegenüber dem Anspruch einer wissenschaftlichen „Objektivität“:

„Theory is always for someone and for some purpose. All theories have a perspective.

Perspectives derive from a position in time and space, specifically social and political time

and space.“ (ebd., H.i.O.) Dies erscheint als eine zumindest sozialkonstruktivistische Position.

Cox führt in dieser Grundlegung eine zentrale Unterscheidung zwischen „problemlösender“

und „kritischer“ Theorie ein: während erstere innerhalb der gegebenen gesellschaftlichen

Verhältnisse nach Lösungen sucht, fragt letztere nach der Machtbedingtheit und Historizität

jener Rahmenbedingungen, mithin auch nach den Möglichkeiten ihrer Veränderung: „It is

directed toward an appraisal of the very framework for action, or problematic, which

4 Vgl. hierzu besonders den Unterabschnitt 2.4.

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problem-solving theory accepts as its parameters.“ (89) Des weiteren ist sich die kritische

Theorie ihrer eigenen Perspektivität und Relativität bewusst (97). Natürlich kann auch die

solchermaßen charakterisierte kritische Theorie nicht auf problemlösende Theorie verzichten,

geht jedoch über die inhärent konservative „realpolitische“ Beschränkung auf die bestehende

Ordnung hinaus.

Eine Beschränkung dieser kritischen Theorie sieht Cox darin, dass sie aus der historischen

Betrachtung keinesfalls das „Wesen“ oder die „Essenz“ des Staates oder des Menschen

ableiten und ihr so universelle, überhistorische Gültigkeit verleihen darf (94).

Konsequenterweise müsste dies auch für die Analyse des Kapitalismus gelten, doch auch

wenn Cox auf einen solchen Verweis verzichtet, wird hier die Abgrenzung zu einem

geschichtsphilosophischen Marxismus deutlich. Die Abgrenzung zur realistischen Theorie der

Internationalen Beziehungen ergibt sich aus folgenden Punkten (95f): Zum einen wird die

Analyse von Machtverhältnissen um die vertikale Dimension erweitert: auch solche innerhalb

einer Gesellschaft bzw. eines Staates werden in die Analyse miteinbezogen.

Dementsprechend wird auch das Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft untersucht. (Auch

hier ist eine Distanz zu einem deterministischen Marxismus festzustellen.) Zweitens wird

natürlich der Produktionsprozess und die sich daraus ergebenden Machtverhältnisse als

wichtiges Element zur Erklärung historischer Strukturen und Formen auf dem Gebiet der

Internationalen Politik herangezogen.

2.2. Hegemonie, erweiterter Staat, historischer Block

Zentraler Begriff innerhalb der neo-gramscianischen Konzeption ist der der Hegemonie.

Damit wird im Anschluss an Gramsci eine Art von Herrschaft bezeichnet, die weniger auf

Zwang, sondern primär auf Konsens gegründet ist, auf „intellektuelle und moralische

Führung“. Hintergrund war die historische Erfahrung der Dritten Internationale, dass die

bürgerliche Klassenherrschaft durch materielle Zugeständnisse auch Teile der Arbeiterklasse

Westeuropas einzubinden vermochte. Hegemonial wird eine Herrschaft dann, wenn es ihr

gelingt, ihr Weltbild als gesunden Menschenverstand und ihren Bestand als im allgemeinen

Interesse darzustellen. Während also in Russland die Herrschaft nicht hegemonial, sondern

lediglich auf Zwang begründet war und deshalb revolutionär (nach Gramsci in einem

„Bewegungskrieg“) überwunden werden konnte, stellte sich die Situation in Gesellschaften,

in denen die bürgerliche Herrschaft fest in der Zivilgesellschaft, also in der Presse, den

Schulen, den Kirchen und anderen Institutionen, verankert war, völlig anders dar: Hier ist

nach Gramsci eine gesellschaftliche Umwälzung aussichtslos, bevor nicht in einem

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langwierigen „Stellungskrieg“ eine „Gegenhegemonie“ der untergeordneten Klassen

geschaffen wird (Gramsci 1967).

Hegemoniale Klassenherrschaft kann beschrieben werden als „Konsens, gepanzert mit

Zwang“: Die Anwendung von Gewalt zu Zwecken der Herrschaftssicherung wird allerdings

in dem Maße überflüssig, „to the extent that the weak accept the prevailing power relations as

legitimate. This the weak may do if the strong see their mission as hegemonic and not merely

dominant or dictatorial, that is, if they are willing to make concessions that secure the weak

acquiescence in their leadership and if they can express this leadership in terms of universal or

general interests, rather than just as serving their own particular interests.“ (Cox 1981: 99)

D.h. einerseits wird die Herrschaft vom Staat im Zweifelsfall auch gewaltsam

aufrechterhalten, andererseits wird die Gewaltanwendung auch von der Notwendigkeit der

Absicherung der Hegemonie eingeschränkt. Aus der Verschränkung von Staat und

Zivilgesellschaft in der Aufrechterhaltung einer gesellschaftlichen Ordnung ergibt sich in der

gramscianischen Sichtweise das Konzept des „erweiterten Staates“: „When the

administrative, executive, and coercive apparatus of government was in effect constrained by

the hegemony of the leading class of a whole social formation, it became meaningless to limit

the definition of the state to those elements of government. To be meaningful, the notion of

the state would also have to include the underpinnings of the political structure in civil society

... the church, the educational system, the press, all the institutions which helped to create in

people certain modes of behavior and expectations consistent with the hegemonic social

order.“ (Cox 1983: 126)5

Als „historischen Block“ bezeichnet Gramsci das Ensemble aus Staat und Zivilgesellschaft,

Basis und Überbau, materiellen und ideellen Kräften, in das durch die Propagierung einer

gemeinsamen Kultur und Identität auch Mitglieder der unterworfenen Klassen integriert

werden. Die Aktivitäten von organischen Intellektuellen der hegemonialen Klasse spielen

hierbei eine wichtige Rolle. Ein neuer historischer Block kann entstehen, wenn eine

untergeordnete Klasse (z.B. ArbeiterInnen) Hegemonie über andere untergeordnete Gruppen

(z.B. KleinbäuerInnen, Landlose) erreicht (Cox 1983: 131f; Gill/Law 1993: 94). Im Hinblick

auf die Nachkriegsperiode kann von einem stabilen fordistischen Block gesprochen werden,

der auf industrielle Massenproduktion und Massenkonsum gestützt war (Bieling/Steinhilber

2000c: 105).

5 In der letzten Formulierung wird die Parallele zu Foucaults Konzept der Gouvernementalität deutlich: Fokus ist

das Regieren durch das Prägen von Subjekten im Hinblick auf ihre freiwillige Zustimmung zur bestehenden

Ordnung.

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2.3. Historische Strukturen, Weltordnungen, passive Revolution

Der neo-gramscianische Ansatz versucht, historische Strukturen zu identifizieren. Darunter

versteht er „a particular combination of thought patterns, material conditions, and human

institutions which has a certain coherence among its elements“ (1981: 97). Diese Strukturen

können menschliches Handeln zwar nicht determinieren, aber sie „constitute the context of

habits, pressures, expectations, and constraints within which action takes place“ (ebd.).

Materielle Bedingungen können dabei auch produktives und destruktives Potential beinhalten,

gedankliche Muster umfassen nicht nur intersubjektive Bedeutungen, sondern auch kollektive

Bilder gesellschaftlicher Ordnung. Institutionen sind hierbei als „particular amalgams of ideas

and material power which in turn influence the development of ideas and material

capabilities“ zu verstehen (ebd.: 99).

Die Analyse historischer Strukturen kann nun auf verschiedenen Ebenen ansetzen: auf der

Ebene der Produktionsprozesse (auch im Hinblick auf die hier erzeugten sozialen Kräfte), auf

der Ebene der Formen, die ein erweiterter Staat annehmen kann, sowie auf der Ebene der

Weltordnungen. Gegenüber anderen Theorien internationaler Beziehungen zeichnet sich die

neo-gramscianische Perspektive von Cox demnach durch eine Relativierung und

Differenzierung des Staats als herkömmlicher zentraler Akteur aus: Zum einen richtet sich der

Blick auf soziale Kräfte oder Klassen als auch grenzüberschreitende Akteure, zum anderen

wird zwischen zahlreichen Staatsformen nach den ihrer Staatsmacht zugrunde liegenden

Kräften und den vorherrschenden Produktions- und Verteilungsverhältnissen unterschieden

(vgl. Cox 1987). Auf der Grundlage des Hegemoniekonzepts wird die Stabilität von

Weltordnungen erklärt durch „a coherent conjunction or fit between a configuration of

material power, the prevalent collective image of world order (including certain norms) and a

set of institutions which administer the order with a semblance of universality (that is, not just

as the overt instruments of a particular state’s dominance)“ (Cox 1981: 103).

Eine stabile, hegemoniale Weltordnung identifiziert Cox beispielsweise in der Mitte des 19.

Jahrhunderts unter der Vorherrschaft von Großbritannien („Pax Britannica“), sowie in den

ersten beiden Jahrzehnten der Nachkriegszeit unter der Vorherrschaft der USA („Pax

Americana“). Das Postulat, dass sich Veränderungen einer Weltordnung, also

Verschiebungen im militärisch-strategischen bzw. geopolitischen Gleichgewicht, auf

Veränderungen der Produktionsbeziehungen zurückführen ließen (Cox 1983: 133), verweist

auf die historisch-materialistische Fundierung des Ansatzes. Die vor oder nach diesen Phasen

liegenden nicht-hegemonialen Perioden eröffnen Möglichkeiten struktureller Transformation

der Weltordnung. Die Entstehung einer globalen Hegemonie konzipiert Cox mit Gramsci als

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Expansion einer nationalen Hegemonie. Die mit dieser Hegemonie einer nationalen Klasse

verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Institutionen, die Kultur, die Technologie werden

in anderen Ländern nachgeahmt oder implementiert – in Anlehnung an Gramsci spricht Cox

hier von „passiver Revolution“, einer gesellschaftlichen Umwälzung, die nicht mit einer

Mobilisierung von innergesellschaflichen Kräften verbunden ist, sondern von außen

„importiert“ bzw. aufgezwungen wird (ebd.: 137, 129f).

Eine hegemoniale Weltordnung bzw. eine globale Hegemonie ist demnach „not merely an

order among states. It is an order within a world economy with a dominant mode of

production which penetrates into all countries and links it into other subordinate modes of

production. It is also a complex of international social relationhips which connect the social

classes of the different countries. World hegemony can be described as a social structure, an

economic structure, and a political structure; and it cannot simply be one of these things but

must be all three“ (ebd.: 137). Um hegemonial werden zu können, muss die Weltordnung

jedoch dem Konzept nach eine universelle, dem Gemeinwohl dienende sein, keine der

direkten Vorherrschaft oder Ausbeutung sondern „an order which most other states (or at least

those within reach of the hegemony) could find compatible with their interests“ (ebd.: 136).

Internationale Organisationen nehmen in dieser Ordnung eine wichtige Rolle ein, sie

fungieren als Mechanismen der Hegemonie, und zwar aus folgenden Gründen: Sie verkörpern

Regeln, welche die Expansion der hegemonialen Weltordnung fördern oder erleichtern, auch

wenn sie gleichzeitig Anpassungen ermöglichen, um mit „Problemfällen“ umzugehen; sie

sind das Produkt dieser hegemonialen Weltordnung; sie legitimieren die Normen dieser

Weltordnung auf der ideologischen Ebene; sie kooptieren vorhandene kritische Eliten

peripherer Länder; und sie absorbieren gegenhegemoniale Ideen, indem sie diese mit der

hegemonialen Doktrin kompatibel machen (ebd.: 138f).

2.4. Macht

Wie die Ausführungen zum Hegemoniebegriff zeigen, wird Macht in der neo-

gramscianischen Perspektive hauptsächlich als Kombination von Zwang und Konsens

dargestellt (Cox 1983: 127). Dabei wird jedoch Macht ähnlich wie bei Foucault nicht als

Besitz, sondern als etwas, das in bestimmten sozalen Beziehungen (v.a. kapitalistischen

Produktionsbeziehungen) stetig hervorgebracht wird und ihnen immanent ist, als relational

gedacht: „power is seen as emerging from social processes rather than taken as given in the

form of accumulated material capabilities, that is as the result of these processes (Cox 1981:

105, H.i.O.).

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Die neo-gramscianischen AutorInnen, v.a. Gill und Law, widmen der Macht des Kapitals

große Aufmerksamkeit, ohne jedoch zu unterschlagen, dass diese natürlich von der

Einstellung des Staates zur Unternehmensfreiheit und letztlich seiner Garantierung der

Eigentumsrechte abhängt (Gill/Law 1993: 98f). In ihrer Untersuchung unterscheiden sie

zwischen Aspekten der direkten Macht einzelner Unternehmen (finanzielle Ressourcen,

Expertise, Einfluss auf Regierungen und Medien, eventuelle Marktmacht über Preise und

Löhne) und der strukturellen Macht des Kapitals im allgemeinen (vgl. zum Folgenden ebd.:

99ff). Als normative (man könnte auch sagen ideologische) Aspekte dieser strukturellen

Macht bezeichnen sie z.B. die Priorität, die Wirtschaftswachstum als Politikziel genießt, die

Annahme, dass Wirtschaftswachstum von Privatunternehmen abhängt, und die damit

verbundene Notwendigkeit, ein günstiges Investitionsklima herzustellen, das durch höhere

Steuern verschlechtert würde. Den materiellen Aspekt der strukturellen Macht des Kapitals

verdeutlichen sie an der Gegenüberstellung eines „Arbeitsstreiks“ und eines

„Investitionsstreiks“: während die kollektive Weigerung der LohnarbeiterInnen zu arbeiten

einer umfassenden Organisierung und Vorbereitung bedarf (und zudem individuell

existenzgefährdende Implikationen haben kann), kann die Weigerung von Unternehmen

(aufgrund von ungünstigen Bedingungen wie hohen Löhnen oder Steuern) in einer Region zu

investieren, spontan erfolgen und kann einer Regierung die Finanzierungsgrundlage

entziehen, falls diese nicht zu Maßnahmen monetärer Inflation greift, welche den

Investitionsstreik noch verlängern. Der neo-gramscianischen Perspektive zufolge liegt hierin

die strukturelle Macht des Kapitals begründet „to indirectly discipline the state“ (ebd.: 101).

Diese strukturelle Macht ist besonders hoch, wenn die Welt in politisch nicht koordiniert

handelnde Regionen (Nationalstaaten) unterteilt ist, andererseits das Kapital global agieren

kann und eine hohe Mobilität aufweist (ebd.: 106). Während die relative strukturelle Macht

des international mobilen Kapitals dieser Diagnose zufolge in der Zeit der Weltkriege (1914-

1945) abnahm, war in der von einer liberalen internationalen Ordnung geprägten

Nachkriegszeit eine steigende Tendenz dieser Macht zu verzeichnen. Damit sind wir aber

bereits bei der historischen Betrachtung der Weltordnung in der zweiten Hälfte des 20.

Jahrhunderts und ihrer vielfach mit dem Begriff der Globalisierung bezeichneten

Transformation.

3. Globalisierung

Da ein zentraler Punkt der neo-gramscianischen Theorien europäischer Integration die

Forderung nach einer theoretischen Einbettung des Integrationsprozesses in die globale

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politische Ökonomie ist, sollte ihre spezifische Sichtweise auf das, was gängigerweise als

Globalisierung bezeichnet, kurz ausgeführt werden.

Wie die Ära des Pax Britannica im 19., so war auch die der Pax Americana im 20.

Jahrhundert geprägt von relativ freiem Verkehr von Waren, Kapital und Technologie sowie

von relativ berechenbaren Wechselkursen. Die Hegemonie der Nachkriegszeit war allerdings

stärker institutionalisiert, v.a. über Weltbank und Internationalen Währungsfonds, die über die

weltwirtschaftlichen Normen wachen und finanzielle Hilfen an ihre ihre Einhaltung koppeln

sollten. (Cox 1981: 108) Gill und Law sprechen in diesem Zusammenhang von einem

historischen Block (in regulationstheoretischer Terminologie auch von einem

„Akkumulationregime“), dessen grundlegende Elemente sie wie folgt skizzieren (1993: 95f):

1. die Errichtung einer US-zentrierten ökonomischen, politischen und militärischen Struktur

für die nichtkommunistische Welt, die friedliche Bedingungen in den kapitalistischen Zentren

gewährleistete; 2. die Fähigkeit der USA, ein Wachstum der globalen Nachfrage durch

Handelsbilanzdefizite aufrechtzuerhalten; 3. substanzielle Übereinstimmung von Ideen,

Institutionen und Politiken der führenden kapitalistischen Nationen innerhalb eines Systems

des „eingebetteten Liberalismus“; und 4. billiger und unbeschränkter Zugang zu Rohstoffen,

besonders Öl. Unter anderem die zunehmende Wissensintensität der Produktion und die damit

verbundene zunehmende Bedeutung transnationalen (v.a. Finanz-) Kapitals unterminierten

jedoch die Basis dieses Akkumulationsregimes und trugen zur Herausbildung einer global

integrierten Ökonomie bei, während die politische Regulation auf der nationalen Ebene

verblieb und dort immer höhere Wohlfahrtsausgaben leisten musste. Nachdem die Probleme

des Bretton-Woods-Systems Anfang der siebziger Jahre zu seinem Zusammenbruch führten,

wurden die Tendenzen einer Internationalisierung der Produktion und einer

Internationalisierung des Staates immer deutlicher (ebd.: 97).

3.1. Internationalisierung der Produktion und des Staates

Mit Internationalisierung der Produktion ist primär die Integration von Produktionsprozessen

auf transnationaler Ebene gemeint: verschiedene Verfahren des Prozesses finden in

unterschiedlichen Ländern oder Erdteilen statt. Der materialistischen Grundlage zu Folge,

führt dieser Prozess natürlich auch zur Herausbildung transnationaler Klassen, zuallererst zu

einer transnationalen Managerklasse. Die Arbeiterklasse wird in diesem Prozess der

Internationalisierung der Produktion jedoch gleich an zwei Linien gespalten: in Sektoren der

nationalen und der internationalen Produktion zugehörige, sowie in etablierte

(gewerkschaftlich organisierte und abgesicherte) und nichtetablierte, gering qualifizierte

ArbeiterInnen. Die Internationalisierung der Produktion ermöglicht hierbei die gleichzeitige

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Nutzung von Niedriglohnarbeit in der Peripherie und hochqualifizierter Forschung und

Entwicklung in den Metropolen innerhalb eines Produktionsprozesses (Cox 1981: 109ff).

Im Rahmen dieser Umbrüche verändern sich auch staatliche Strukturen hinsichtlich der als

notwendig oder sogar unausweichlich wahrgenommenen Anpassung an die Bedingungen der

globalen Konkurrenzökonomie: innergesellschaftliche oder öffentliche Ziele und Aufgaben

des Staates werden zunehmend diesen Anforderungen untergeordnet: „state structures in

major capitalist countries have been transformed into different variants of a neo-liberal form,

i.e. more oriented toward to the integration of their economies into the emerging global

system of production and exchange, in which knowledge, finance and information play a

more decisive role, when contrasted with the inter-war period“ (Gill 1993b: 31, vgl. Gill

1995: 84). Zugespitzt formuliert ist die Hautpeigenschaft dieses

Internationalisierungsprozesses „to convert the state into an agency for adjusting national

economic practices to the perceived exigencies of the global economy“ (Cox 2000: 28).

Innerhalb des Staates kommt es im Rahmen dieses Prozesses zu einer Verschiebung der

Kräfteverhältnisse: die Internationalisierung „gives precedence to certain state agencies ...

which are key points in the adjustment of domestic to international economic policy.“ (Cox

1981: 109) Gill beschreibt dies hinsichtlich der Regierungsstrukturen als „a general shift in

the pecking order of ministries, with finance ministries tending to become most important,

and with those responsible for employment and social security subordinated to financial

principles and methods of control imported from commercial life.“ (Gill 1995: 82)

Diese Prozesse auf der ökonomischen und politischen Ebene sind natürlich begleitet gewesen

von Kämpfen und Auseinandersetzungen auf der soziokulturellen oder ideologischen Ebene,

die heute gelegentlich mit dem Begriff der „neoliberalen Konterrevolution“ bezeichnet

werden. Ob derzeit eine neue, hegemoniale Weltordnung existiert, ist eine kontroverse Frage.

Einige argumentieren, wir befänden uns in einer Umbruchsituation, in einer nicht-

hegemonialen Periode – den massiven Hegemonialisierungsbestrebungen von neoliberaler

Seite seit den 80er Jahren zum Trotz. Stephen Gill spricht in diesem Zusammenhang von

„disziplinärem Neoliberalismus“ und einem „neuen Konstitutionalismus“.

3.2. Disziplinärer Neoliberalismus und neuer Konstitutionalismus

Unter disziplinärem Neoliberalismus versteht Gill einen umfassenden Diskurs, in dem es

vorrangig darum gehe, „die Eigentumsrechte und Freiheiten der Investoren zu sichern und den

Staat und die Arbeit unter die Disziplin des Marktes zu unterwerfen“ (Gill 2000b: 44). Ziel sei

dabei, das Vertrauen v.a. der Währungs- und Kapitalmärkte zu gewinnen und ein günstiges

Investitionsklima zu erzeugen, um im globalen Standortwettbewerb bestehen zu können.

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Dieser Diskurs sei ein entscheidender Teil in der bereits skizzierten Verschiebung hin zu einer

neoliberalen Weltordnung, in der nicht nur der Einfluss neoliberaler Ideen zunehme, sondern

auch die strukturelle Macht des transnationalen Kapitals ebenso wie die ökonomische

Ungleichheit. Gill kommt zu dem Schluss, dass Machtausübung und Disziplinierung

innerhalb dieses Prozesses immer weniger autoritär über Institutionen wie Staat, Kirche oder

Familie abläuft, sondern zunehmend marktbasiert, und zwar sowohl auf direktem (höhere

Verhandlungsmacht gegenüber Arbeit und Staat) als auch auf indirektem Wege

(Auswirkungen des Standortwettbewerbs) (vgl. Gill 1995: 69). Typische Beispiele dieser

marktbasierten Disziplinierungsprozesse sind die Strukturanpassungsprogramme des IWF in

der Peripherie sowie die Maastricht-Kriterien der EU-Währungsunion.

Mit neuem Konstitutionalismus bezeichnet Gill nun die politisch-rechtliche Dimension dieses

neoliberalen Diskurses, die auf die (quasi-)konstitutionelle Verankerung dieser

Disziplinierungsprozesse auf globaler Ebene abzielt sowie auf die Stärkung von Eigentums-,

Zugangs- und Mobilitätsrechten transnationaler Investoren: „what is occurring is a process

whereby new constitutional and treaty arrangements are put in place to institutionalize the

privileges of capital on a world scale – and in doing so undermine the sovereignty and

political autonomy of individual nation-states – and also macro-regional associations like the

EC“ (Gill 1995: 72). Der neue Konstitutionalismus entsteht als Reaktion auf die

Notwendigkeit institutioneller und politischer Innovation zur Absicherung der

Restrukturierung des globalen Kapitalismus (ebd.: 78). Diese Prozesse werden begleitet von

Machtmechanismen des Zwangs und des Konsenses sowie einer Wandlung der staatlichen

Strukturen weg vom umverteilenden „nationalen Wohlfahrtsstaat“ hin zum

„Wettbewerbsstaat“, der auf Erfolg im globalen Wettbewerb, Attraktivität für mobiles

Investitions- und Finanzkapital sowie einer Neudefinition von Staat und Gesellschaft bzw.

von öffentlichen und privaten Bereichen basiert (ebd.: 81ff). Die zunehmende Betonung von

Effizienz und Wettbewerb führt dabei zu zunehmender Kommodifizierung, Ungleichheit und

Unsicherheit. Die dem zugrundeliegenden ökonomischen Prozesse werden jedoch im Diskurs

des disziplinären Neoliberalismus und neuen Konstitutionalismus systematisch einer

demokratischen Verantwortlichkeit entzogen. „Die entscheidende strategische Bedeutung des

neuen Konstitutionalismus besteht demgegenüber darin, daß er versucht, die Macht des

Kapitals gerade langfristig politisch zu verankern. Erreicht wird dies durch politische und

rechtliche Mechanismen, die nur schwer zu verändern sind.“ (Gill 2000b: 44, H.i.O.) Dies

gelte für die konstitutionellen Umbrüche Osteuropas ebenso wie die GATT-Verhandlungen

oder die Schaffung einer von politischer Kontrolle unabhängigen Europäischen Zentralbank.

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Durch diese Mechanismen bilde sich „eine zusammenhängende liberal konstitutionelle

Struktur.“ (ebd.)

4. Europäische Integration: empirische Studien

Der Prozess der europäischen Integration wird aus neo-gramscianischer Perspektive unter

Anwendung der in Abschnitt 2 beschriebenen Konzepte (Hegemonie, historischer Block,

usw.) und unter Einbettung in den in Abschnitt 3 beschriebenen Rahmen

(Globalisierungsprozesse) analysiert. Im folgenden sollen einige Beispiele empirischer

Studien des Integrationsprozesses skizziert werden.

4.1. EWS und Binnenmarkt als hegemoniale Projekte

Als hegemoniale Projekte bezeichnen Bieling und Steinhilber „politische Projekte, die als

Moment der institutionalisierten (Klassen-)Kompromisse den ‚historischen’ und

‚hegemonialen Block’6 dynamisch stabilisieren bzw. transformieren. [Sie] beeinflussen,

indem sie die Regulationsformen verändern und eine breite politische Unterstützung

herstellen, sowohl die Art und Weise der materiellen als auch der ideologischen

Reproduktion.“ (Bieling/Steinhilber 2000c: 106) In diesen hegemonialen Projekten verbinden

sich ihnen zufolge materiellen Interessen, strategische Orientierungen, kulturelle

Bedeutungen, ideologische Überzeugungen, usw., weshalb sie rationale interessenbasierte

Strategien, Praxen der diskursiven Interaktion und Formen der affektiven Imagination als

Dimensionen dieser Projekte unterscheiden. Hegemoniale Projekte sind dabei Elemente einer

Strategie der sozialen und ökonomischen Reform mit dem Ziel der Einbindung breiter

Bevölkerungsschichten, die als Reaktion auf eine Problemwahrnehmung entstehen. Bieling

und Steinhilber gehen davon aus, dass die neoliberale Hegemonie in Westeuropa, die einen

zunehmenden Druck auf nationale Regulierungssysteme und v.a. den Keynesianischen

Wohlfahrtsstaat ausübte, über die Projekte des Europäischen Währungssystems (EWS), des

gemeinsamen Binnenmarktes, sowie der Wirtschafts- und Währungsunion durchgesetzt wurde

(ebd.: 106-110). Da letztere in Unterabschnitt 4.4. gesondert behandelt wird, stehen hier die

ersten beiden Projekte im Vordergrund.

Das an der Wurzel der EWS liegende Problem war der Zusammenbruch des Bretton-Woods-

Systems, der zu großen Wechselkursschwankungen führte. Die Exportwirtschaft (v.a. die

6 Im Unterschied zum Konzept des historischen Blocks bezieht sich das des hegemonialen Blocks nicht auf die

gesamte soziale Ordnung, sondern auf über einen längeren Zeitraum stabile Allianzen sozialer und politischer

Kräfte (vgl. Bieling/Steinhilber 2000c: 105).

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westdeutsche) sah sich damit konfrontiert, dass die Kalkulationsbasis für

grenzüberschreitende Transaktionen zunehmend unsicherer wurde. Deshalb bestand „das

gemeinsame Ziel der Mitgliedsländer darin, zuverlässige und weniger anfällige

Wechselkursbeziehungen für den intra-europäischen Handel zu schaffen und die

Abhängigkeit des europäischen Exports von der fluktuierenden DM-Dollar-Relation

aufzuheben“ (ebd.: 111). Die französische Regierung erhoffte sich darüber hinaus einen

Zugewinn an Stabilität und Mitbestimmung über eine europäische Geldpolitik, was jedoch an

der zunehmenden Dominanz der Bundesbank innerhalb des EWS scheiterte. Das EWS

ermöglichte den internationalen Kapitalmärkten eine Disziplinierung der

wirtschaftspolitischen Orientierungen der jeweiligen Regierungen und stimulierte einen

neoliberalen Diskurs, der zu massiver Deregulierung und Privatisierung führte. Die

ausgeprägte Nachfragepolitik Frankreichs unter Mitterrand in den frühen 1980ern (staatliche

Investitionsprogramme, Arbeitszeitverkürzungen, Lohnerhöhungen, kontinuierliche

Abwertung des Francs) war mit den neoliberalen Vorgaben der internationalen Finanzmärkte

und den Regeln des EWS nicht zu vereinbaren. Die französische Regierung entschied sich

schließlich, den Franc zu stabilisieren und im EWS zu halten – und den „Keynesianismus in

einem Land“ aufzugeben (ebd.: 112).

Hinsichtlich der diskursiven Interaktion war das EWS (mit Ausnahme Frankreichs) auf einen

Expertendiskurs über internationale Währungsbeziehungen und monetäre Stabilität

beschränkt – es war ein eher technokratisches Projekt, das zwar traditionelle institutionelle

Strukturen aufbrach, aber keine nennenswerten Impulse für den Integrationsprozess

entwickelte. Daher ist für die Dimension der affektiven Imagination seitens der Bevölkerung

auch vorwiegend Desinteresse und Apathie gegenüber europäischen Fragen zu konstatieren

(ebd.: 112, 127). Daher scheint es nur eingeschränkt nachvollziehbar, dass Bieling und

Steinhilber hier von einem hegemonialen Projekt sprechen. Das Ziel der Einbindung breiter

Bevölkerungsschichten in einen hegemonialen Konsens (und so die dynamische

Stabilisierung des hegemonialen Blocks) scheint hier nicht erreicht worden zu sein.

Allerdings ließ sich die entsprechende Reform offenbar auch gegenüber einer eher passiven

und desinteressierten Bevölkerung weitestgehend reibungslos durchsetzen.

Die Problemwahrnehmung zu Beginn des Binnenmarktprojekts war die einer

Wettbewerbsschwäche westeuropäischer Ökonomien gegenüber Nordamerika und

Südostasien, sowie unzureichender Problemlösungskapazitäten national-protektionistischer

Reaktionen auf die Transformation des globalen Kapitalismus. Vorangetrieben und

ausgearbeitet wurde das Binnenmarktprogramm primär von den exportorientierten

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Kapitalfraktionen, wobei es auch von der Kommission und den nationalen Regierungen für

unverzichtbar gehalten wurde. Es bestand im wesentlichen aus der Beseitigung nichttarifärer

Handelshemmnisse zur Förderung des intra-europäischen Wettbewerbs und zur Erleichterung

des Marktzugangs für transnationale Unternehmen. Leitbild war dabei die ökonomische

Integration in Gestalt der sog. „vier Freiheiten“ von Kapital, Waren, Dienstleistungen und

Arbeitskräften. Statt einer supranationalen Harmonisierung von Standards wurde einer

Konkurrenz der politischen und administrativen Regulierungen der Vorzug gegeben, mit dem

Ziel, durch mehr Wettbewerb eine industrielle, ökonomische und soziale Modernisierung

voranzutreiben. Prognosen sprachen von sieben Prozent Wirtschaftswachstum,

Wohlfahrtsgewinnen in Höhe von sechs Prozent, einer Entlastung der öffentlichen Haushalte

um zwei Prozent und 1,8 Mio. neuen Arbeitsplätzen in Europa. Doch auch die deutlich

bescheideneren tatsächlichen Effekte reichten nicht nur zur Legitimierung des Projekts,

sondern auch zur anfänglichen Überdeckung der negativen Seite der Wettbewerbsstrategie:

Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, Rationalisierungsmaßnahmen in den Unternehmen und

Kürzungen in den sozialen Sicherungssystemen (ebd.: 113f).

Legitimiert wurde das Projekt also nicht durch eine vorhergehende breite demokratische

Debatte, sondern durch seinen (erhofften bzw. wahrgenommenen) ökonomischen Erfolg.

„Auf diese Weise“, so Bieling und Steinhilber, „wurde zwischen den Eliten und der

Bevölkerung ein ‚permissiver Konsens’ über den Fortgang der europäischen Integration

etabliert, der solange aufrechterhalten werden konnte, wie die Projekte ökonomischen Erfolg

zeitigten oder zumindest den sozialen und materiellen Status weiter Teile der Bevölkerung

nicht in Frage stellten“ (ebd.: 114).7 Die große Ausstrahlungskraft des Projekts erlaubte einen

relativ konsensualen Diskurs über Notwendigkeit und Umsetzung einer neoliberalen

Modernisierung. Lediglich über den Charakter flankierender Maßnahmen (marktschaffend

oder marktkorrigierend) gab es kleinere Konflikte. Wo beim vorigen Projekt noch Apathie

dominierend war, überwogen jetzt euphorische Visionen über die Zukunft Europas und

positive Erwartungen hinsichtlich der weiteren ökonomischen und sozialen Entwicklung

(ebd.: 127). Da es gelang, die positiven Visionen diskursiv an eine Erhöhung der

Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen und eine Durchsetzung neoliberaler

Wirtschaftspolitik zu knüpfen, kann hier zurecht von einem hegemonialen Projekt gesprochen

werden.

7 Erst ab Anfang der 1990er Jahre hat die Unzufriedenheit über die Auswirkungen der neoliberalen

Restrukturierung eine Auflösung dieses Konsens bewirkt (Bieling/Steinhilber 2000c: 118).

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4.2. Integration und transnationale Klassenformierung

Der neo-gramscianischen Überzeugung entsprechend, dass nicht nur Staaten, sondern v.a.

auch soziale Kräfte zentrale Akteure der Politik sind, haben einige Arbeiten die Entstehung

einer transnationalen kapitalistischen Klasse8 untersucht, die Folge der ökonomischen

Globalisierungsprozesse ist. Holman und van der Pijl unterscheiden nach Grascmi in diesem

Kontext drei Phasen (bzw. „Momente“) der Klassenformierung: während in der ersten

schlicht das ökonomische Interesse der eigenen Klassenfraktion vertreten wird, geht es in der

zweiten um die Formulierung eines gemeinsamen Klasseninteresses und in der dritten um die

Organisierung der Zustimmung anderer Klassen zur Klassenherrschaft durch Zugeständnisse

und die Formulierung des (solcherart eingeschränkten) Partikularinteresses als

Allgemeininteresse (vgl. Holman/Pijl 2003: 73f). Dabei wird diese Klasse nicht als

einheitlicher Akteur konzipiert, strategische und ideologische Differenzen, die i.d.R. auf

unterschiedliche Kapitalfraktionen zurückgehen, kommen durchaus vor. Entscheidend ist

dabei jedoch, dass diese Differenzen durch politische Organisierung bestimmter Gruppen

zugunsten einer einheitlichen Orientierung überbrückt werden können, um Hegemonie zu

erlangen (vgl. Apeldoorn 2000a: 159). Paradebeispiel für eine solche Gruppe im Prozess

transnationaler Klassenformierung in Europa ist der European Roundtable of Industrialists

(ERT).9

Als Reaktion auf die im letzten Unterabschnitt erwähnte Problemwahrnehmung einer

Bedrohung weiter Teile der europäischen Industrie durch Konkurrenz aus (primär) Japan und

des USA wuchs innerhalb der europäischen „Wirtschaftsführer“ der Ruf nach einer

politischen Initiative, da die offizielle Arbeitgebervertretung auf europäischer Ebene, UNICE,

als ineffektiv empfunden wurde. Auf Initiative von Peer Gyllenhammar, des CEO von Volvo,

8 Holman und van der Pijl definieren die Zugehörigkeit zur kapitalistischen Klasse wie folgt: „The capitalist

class … is composed of those who, on account of their ownership and control of property functioning as capital,

embody capital as a comprehensive social force“ (2003: 72). Damit wollen sie einerseits

Produktionsmittelbesitzer (konsequenterweise bis hin zu „Kleinkapitalisten“, AktieninhaberInnen, die aber

gleichzeitig auch Angestellte sein können) einschließen, andererseits aber auch (durch das Definitionselement

der Kontrolle) Manager, die nicht zwangsläufig KapitalinhaberInnen sind, aber die disziplinären Zwänge der

Profitmaximierung umsetzen (vgl. ebd.: 73). Wichtig ist aus neo-gramscianischer Perspektive generell, dass

Klassenbewusstsein und -interessen nicht automatisch durch die Stellung im Produktionsprozess determiniert,

sondern Resultat von politischen Formierungsprozessen sind. Zu einer anspruchsvollen Argumentation, dass

diese Einsicht Gramscis letztlich zu einer Auflösung oder zumindest radikalen Neuformulierung zentraler

marxistischer Kategorien führen muss vgl. Laclau/Mouffe 1985. 9 Zum Folgenden vgl. v.a. Apeldoorn 2000a, 2000b, 2001, 2002.

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und mit Unterstützung des Europäischen Kommissars für Industriepolitik wurde 1983 der

Roundtable of European Industrialists (später ERT) gegründet. Sein Ziel war, die Stärkung

der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und die ökonomische Integration im

europäischen Binnenmarkt voranzutreiben.

Heute besteht der ERT aus 45 CEOs und Vorstandsvorsitzenden der am meisten

transnationalisierten und größten europäischen Industrieunternehmen. Dabei unterscheidet

sich der ERT von funktionalen Interessenvertretungen wie UNICE, dem europäischen

Dachverband der Arbeitgeberverbände: er hat keinen formellen Status, befindet sich nicht mit

europäischen Gewerkschaften im Dialog, und braucht keine Mitglieder zu vertreten oder

disziplinieren. Ein ERT-Vizevorsitzender hat ihn beschrieben als „a private gathering of

people who discuss themes and then try to arrive at a common opinion“ (zit. nach Apeldoorn

2000a: 164). Dadurch ist der ERT nicht an formale Vorgaben und bürokratische Apparate

gebunden, er ist personalisiert und äußerst flexibel. Der ehemalige EU-Kommissar Peter

Sutherland, auch ERT-Mitglied, stellt klar: „the importance of the ERT is not merely in the

fact that it coordinates and creates a cohesive approach amongst major industries in Europe

but because the persons who are members of it have to be at the highest level of companies

and virtually all of them have unimpeded access to government leaders because of their

position of their companies“ (zit. nach Apeldoorn 2000a: 164).10 Über die regelmäßigen

Treffen der ERT-Mitglieder mit EU-KommissarInnen (und RegierungsvertreterInnen) hinaus

publiziert der ERT communiqués und Berichte zu Themen wie Binnenmarkt, Infrastruktur

oder Bildungspolitik in Europa, die von PolitikerInnen oftmals aufgegriffen und

weiterverwendet werden.11

Vor diesem Hintergrund interpretiert Apeldoorn die Integrationsdynamik des

Binnenmarktprogramms nicht als Konvergenz nationaler Politikpräferenzen oder als Folge

einer verselbstständigten EU-Kommission, sondern als Resultat politischer Kämpfe zwischen

sozialen Kräften um rivalisierende Projekte: ein neoliberales, ein neomerkantilistisches und

ein sozialdemokratisches. Hinsichtlich der ersten beiden standen sich eine global und eine

europäisch orientierte Kapitalfraktion gegenüber, und zwar anfänglich auch innerhalb des

ERT. Die europäisch orientierte Fraktion verlor jedoch seit den 1980ern innerhalb des ERT an

Boden, nicht nur durch den Zugang neuer, global orientierter Unternehmenschefs, sondern

10 Den weit reichenden Einfluss dieser Personen illustriert Henk Overbeek in seiner Darstellung des Rücktritts

Oskar Lafontaines (vgl. Overbeek 2000: 177f). 11 So ist z.B. das „White Paper“ der EU-Kommission zum Binnenmarkt von 1985 maßgeblich geprägt von einem

kurz vorher erschienenen ERT-Bericht zum „European Community Home Market“ (vgl. Apeldoorn 2000a: 168).

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auch durch die dominant werdende neoliberale Ideologie und eine zunehmend globale

Ausrichtung vormals neomerkantilistisch ausgerichteter Konzerne.12 So wurde der ERT in

den 1990ern zum politisch einflussreichen Vorreiter eines neoliberalen

Wettbewerbsdiskurses.13 Allerdings werden im ERT-Diskurs einige Elemente der

rivalisierenden neomerkantilistischen und sozialdemokratischen Projekte inkorporiert: dies

macht deutlich, dass es dem ERT zwar um die Formierung einer Strategie einer

transnationalen kapitalistischen Klasse in Europa, aber nicht primär um offensichtliche und

rücksichtslose Interessenvertretung geht, sondern um eine hegemoniale Strategie, die das

Partikularinteresse als allgemeines im Bewusstsein verankern will und in diesem Rahmen

auch zu begrenzten Zugeständnissen bereit ist. Im gramscianischen Verständnis fungiert der

ERT so nicht nur als Plattform bestimmter Eliten im Prozess der transnationalen

Klassenformierung, sondern gleichzeitig auch als Forum „organischer Intellektueller“ dieser

Klasse.

4.3. Beitrittsprozesse: Schweden und Österreich im Vergleich

Bieler vergleicht die Beitrittsprozesse Schwedens und Österreichs in die Europäische Union

1995 aus neo-gramscianischer Perspektive.14 Erklärungsbedürftig erscheint für ihn v.a., dass,

obwohl in beiden Ländern neben dem Argument der geopolitischen Neutralität die

Gefährdung des sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat durch eine EU-Mitgliedschaft ein

wichtiges Argument gegen Beitrittsbestrebungen war, ihr Beitritt in der Phase einer neoliberal

geprägten Integrationsdynamik stattfand.

Auch er betont die Wichtigkeit, ökonomische Produktionsverhältnisse und

Globalisierungsprozesse in die Analyse der Integration mit einzubeziehen. So konstatiert er

zunächst, dass Österreichs Produktionsstruktur der Nachkriegszeit durch die Abwesenheit

12 Holman und van der Pijl weisen jedoch nach, dass die Transnationalisierung der Industriestruktur und die

globale Vernetzung der Unternehmen dennoch mit einer ausgeprägten europäischen Regionalisierung einherging

(vgl. Holman/Pijl 2003). 13 Auch das vielzitierte White Paper der Delors-Kommission von 1993 zu „Growth, Competitiveness and

Unemployment“ weist den deutlichen Einfluss des ERT auf. Ein weiteres wichtiges Beispiel ist der 1996

erschienene Bericht des Generaldirektoriums für Industrie mit dem Titel Benchmarking the Competitiveness of

European Industry, dessen Argumentation einer umfassenden Ausrichtung sämtlicher Ebenen der EU-Politik an

globaler Wettbewerbsfähigkeit der einer kurz vorher erschienen ERT-Publikation Benchmarking for Policy-

Makers: The Way to Competitiveness, Growth and Job Creation zum Verwechseln ähnlich sieht (vgl. Apeldoorn

2000a: 172, 174f). 14 Zum Folgenden vgl. Bieler 2002; Bieler/Torjesen 2001.

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transnationaler und eine Vorherrschaft kleiner und mittelständischer Unternehmen

gekennzeichnet ist, und dass etwa 50% der inländischen Produktion durch Quoten und

Regulierung vor internationaler Konkurrenz geschützt ist. Schwedens Produktionsstruktur

wird hingegen von transnationalen Unternehmen dominiert, deren Auslandsinvestitionen seit

der zweiten Hälfte der 1980er massiv anstiegen.

In Österreich wurde die Debatte um die EU-Mitgliedschaft von der Vereinigung

Österreichischer Industrieller (VÖI) angestoßen. Dieser gab zunächst eine völkerrechtliche

Studie in Auftrag, die zu dem Schluss kam, dass die Mitgliedschaft grundsätzlich kompatibel

mit dem neutralen Status des Landes sei, und zwei weitere Studien, die die ökonomischen und

verfassungsrechtlichen Aspekte ausloteten. Unterstützt wurden die Bestrebungen primär

durch das international orientierte Kapital. V.a. die Textilindustrie drohte mit der Verlagerung

von Produktionsstätten sollte Österreich langfristig außerhalb der EU bleiben. Diese

Kapitalfraktion konnte sich in der österreichischen Handelskammer durchsetzen, so dass

letztere ab 1987 eine EU-Mitgliedschaft forderte. Die Gewerkschaften taten sich schwerer mit

dieser Forderung, doch auch hier konnte eine international orientierte Fraktion die

Unterstützung der Verbände gewinnen – v.a. angesichts der prognostizierten

Wohlfahrtsgewinne. Die beiden internationalen Fraktionen konnten während der 1980er Jahre

nacheinander die ÖVP und die SPÖ für ihr Vorhaben der EU-Mitgliedschaft gewinnen, v.a.

mit dem Argument, dass die Marktöffnung der bisher abgeschirmten Sektoren notwendig sei,

um die wirtschaftliche Rezession zu überwinden. Die Lobbyisten dieser Sektoren

(Lebensmittelverarbeitung, Landwirtschaft, usw.) protestierten, blieben aber in der

Minderzahl. Kritik an der Freihandelsagenda der EU v.a. im Hinblick auf die Konsequenzen

für ökologische und soziale Standards wurde innerhalb der Grünen Alternative laut.

Überraschenderweise reihte sich auch die rechtspopulistische FPÖ in die Reihen der

KritikerInnen ein, was die Opposition gegen die EU-Mitgliedschaft in ein trübes Licht rückte

und letztlich unterminierte. Das Referendum entschieden die Befürworter schließlich mit

einer klaren Mehrheit von 66,6 zu 33,4% für sich.

In Schweden wurde eine Debatte über die Mitgliedschaft von 1987 bis 1990 durch einen

Beschluss der sozialdemokratischen Partei, dass eine solche mit dem Status der Neutralität

inkompatibel sei, verhindert. Das Ende des Kalten Krieges erlaubte hier eine alternative

Sichtweise. Die massiven Auslandsinvestitionen schwedischer TNK in die EU in diesem

Zeitraum (die 1990 einen Spitzenwert von 70,4% aller ausländischen Direktinvestitionen von

schwedischen Unternehmen erreichten) lassen sich durch die Befürchtungen einer

ökonomischen Abschottungspolitik der EU gegenüber Nichtmitgliedern erklären. Aufgrund

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von Produktionsverlagerungen, Kapitalflucht, Abwertungsdruck und steigender

Arbeitslosigkeit machte die schwedische Regierung (angeführt von Finanzministerium und

Premierminister) eine Kehrtwende, in der Hoffnung durch eine EU-Mitgliedschaft

ökonomische Stabilität wiederzuerlangen. Die SAP blieb in dieser Frage allerdings gespalten,

ebenso wie die Gewerkschaften. In einigen wichtigen von ihnen setzte sich jedoch die Ansicht

durch, dass Deregulierung im Gefolge der Globalisierungsprozesse unvermeidbar und

europaweite Kooperation den Verlust an nationaler Kontrolle über das Kapital ersetzen

könnte – die globalen und exportorientierten Kräfte gewannen gegenüber den national

orientierten Sektoren die Oberhand. Nicht nur letztere fürchteten bei einem Beitritt um den

Bestand des schwedischen Wohlfahrtsstaats. Das Referendum in Schweden im November

1994 fiel denkbar knapp aus: 52,7% befürworteten den EU-Beitritt, 47,3% lehnten ihn ab.

Die Unterschiede in den Beitrittsprozessen und Referenda deutet Bieler wie folgt: während in

Österreich mit dem VÖI ein Forum des international orientierten Kapitals bestand, das den

Beitritt als hegemoniales Projekt betrieb und soziale Kräfte von international orientierten

Kapital- und Arbeitsfraktionen zu einem hegemonialen Block15 verbinden konnte, existierte in

Schweden keine Plattform organischer Intellektueller, die ein vergleichbares Projekt

formulieren und lancieren konnte bzw. wollte. Dies erklärt sich zumindest zum Teil durch die

unterschiedliche Produktionsstruktur: die transnationalen schwedischen Unternehmen hatten

die Möglichkeit der Verlagerung von Investitionen und Produktionsstätten in die EU, um

einer möglichen Abschottung zu begegnen. Aufgrund seiner ungleich weniger

transnationalisierten Produktionsstruktur stand dem international orientierten Kapital in

Österreich keine vergleichbare Option zur Verfügung, weswegen ihr Interesse an der EU

existentiell war. Auch verhinderte die unterschiedliche Motivation innerhalb der

schwedischen Beitrittsbefürworter ein engeres und stabileres Bündnis: während die eine

Fraktion damit einen neoliberalen Kurs durchsetzen und festschreiben wollte, sah die andere

in der Mitgliedschaft die einzig effektive Möglichkeit eines Abweichens von diesem Kurs.

Daher war zwar in Schweden eine Allianz sozialer Kräfte zu diagnostizieren, diese ist

allerdings nicht als hegemonialer Block zu bezeichnen.

4.4. Wirtschafts- und Währungsunion

Bereits vor Vollendung des Binnenmarktes, in einem Bericht von 1991 mit dem Titel

Reshaping Europe, betonte der ERT die Wichtigkeit einer Währungsunion als nächster Schritt

15 Bieler benutzt die Bezeichnung „historical bloc“, in der hier verwendeten Terminologie wird damit jedoch die

gesamte soziale Ordnung bezeichnet, weshalb „hegemonialer Block“ der passendere Ausdruck ist.

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einer Integration Europas (vgl. Apeldoorn 2000a: 169). Zahlreiche Mitglieder aus den Reihen

des ERT nutzten in den nächsten Jahren ihren Einfluss, um das Projekt weiter voranzutreiben

– auch wenn der ERT selbst in der Frage eher gespalten war. Vor dem Hintergrund der

ökonomischen Globalisierungsprozesse kann aus neo-gramscianischer Perspektive auch die

Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) als Teil einer Strategie weltmarktorientierter

Kapitalfraktionen angesehen werden, auf Umstrukturierungsprozesse in der Weltwirtschaft zu

reagieren, und gleichzeitig als weiterer Teil dieser Umstrukturierung.

Die bei der WWU beteiligten Regierungen waren sich zwar einig im Ziel, „die durch erhöhte

Kapitalmobilität induzierte Instabilität im EWS aufzufangen und die Transaktionskosten im

intra-europäischen Handel zu reduzieren“ (Bieling/Steinhilber 2000c: 115), hatten darüber

hinaus jedoch unterschiedliche Motive. Nach der geopolitischen Verschiebung von 1989/90

war v.a. die französische Regierung bestrebt, die stärker gewordene BRD enger in die

Strukturen der EU einzubinden, während die südeuropäischen Länder nach mehr Einfluss auf

die europäische Geldpolitik strebten, um nicht mehr in diesem Maße den Vorgaben der

Bundesbank ausgeliefert zu sein. Letztere war eher skeptisch gegenüber dem Projekt, konnte

aber die politische Zustimmung durch die Kohl-Regierung nicht aufhalten und verlegte sich

auf das Insistieren auf strikten Stabilitätskriterien (vgl. ebd.: 115f). Zwar befürchteten einige

kommerzielle Banken Verluste durch die ausbleibenden Währungstransaktionen bei einer

einheitlichen Währung, die großen Finanzmarktakteure unterstützten das Projekt ebenso wie

die transnationalen Unternehmen, das World Economic Forum, die EU-Kommission, und

viele andere Akteure, so dass es von einer breiten Allianz getragen wurde (vgl. Gill 2001:

54f).

Als zentrale Prinzipien der WWU identifiziert Gill u.a. die folgenden: gesunde Finanz- und

Wirtschaftspolitik und unabhängige Zentralbanken, Schuldentragfähigkeit und

Überwachungsmechanismen. Im neoliberalen Verständnis ist eine gesunde Finanz- und

Wirtschaftspolitik eine monetaristische, die Geldpolitik und zu einem gewissen Grad auch

Finanzpolitik von innenpolitischen Einflüssen isoliert und die Inflationsbekämpfung zur

primären Zielsetzung erhebt. Umgesetzt wurde dies durch die verbriefte Unabhängigkeit der

Europäischen Zentralbank von politischer Einflussnahme und die Festschreibung anti-

inflationärer Politik (die eine Korrektur der Zahlungsbilanz durch das simple Drucken von

Geldscheinen verunmöglicht). Die Schuldentragfähigkeit, die den mittlerweile bekanntesten

Teil der Konvergenzkriterien umfasst, beinhaltet den Zwang zur Haushaltskonsolidierung, der

das Risiko von Staatsbankrotten minimieren soll und Kürzungen bei öffentlichen

Dienstleistungen nach sich zieht, sowie den Verzicht auf eine anti-zyklische, keynesianische

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Wirtschaftspolitik des deficit spending, die ökonomische Krisen durch öffentliche

Investitionen und Nachfragepolitik zu überwinden versucht. Dabei werden bestimmte

Überwachungsmechanismen eingerichtet, um die Regierungspolitik transparenter zu machen

und von Institutionen wie dem IWF, der OECD oder der Bank für Internationalen

Zahlungsausgleich kontrollieren zu lassen. Letztlich läuft die WWU demnach darauf hinaus,

die Grenze zwischen dem Ökonomischen und dem Politischen zu verschieben, indem

bestimmte wirtschaftspolitische Prinzipien vor politischer bzw. demokratischer

Einflussnahme „geschützt“ und langfristig verankert werden sollen. Der momentane

neoliberale Kurs soll so gegen potenziell wechselnde Mehrheiten zukünftiger Regierungen

abgeschirmt und quasi in den Verfassungsrang erhoben werden, weshalb Gill von einem

„neuen Konstitutionalismus“ spricht, der Marktprinzipien und Eigentumsrechte zur nicht

hinterfragbaren Grundlage der Politik macht (vgl. Gill 2001).

Da die mit der WWU eingehenden sozialen Einschnitte in hohem Maße unpopulär waren und

erhoffte positive legitimatorische Effekte hinsichtlich der als Hauptproblem

wahrgenommenen Massenarbeitslosigkeit auf sich warten ließen, rückten die

Zwangselemente des Integrationsprozesses in den Vordergrund. Bieling und Steinhilber

konstatieren, das WWU-Projekt „beschleunigte den Wandel von einem eher konsensualen zu

einem stärker disziplinierenden Neoliberalismus“ (2000c: 116). Unter diesen Umständen kann

allerdings folgerichtig nicht mehr von einer neoliberalen Hegemonie gesprochen werden.

Daher spricht Gill von einer zunehmenden „Politik der Vorherrschaft“ („supremacy“): „Mit

dieser Situation ist die Herrschaft eines nicht-hegemonialen Blocks von Kräften gemeint, die

gegenüber einer augenscheinlich fragmentierten Bevölkerung solange dominant ist, wie keine

kohärente Opposition entsteht…“ (2000: 41). Apeldoorn hingegen behauptet, dass es den neo-

liberalen Kräften immer noch gelinge, durch (marginale) Inkorporierung neo-

merkantilistischer und sozialdemokratischer Elemente in die europäische Ordnung die

Hegemonie eines abgemilderten, „eingebetteten Neoliberalismus“ („embedded neo-

liberalism“) aufrechtzuerhalten (vgl. Apeldoorn 2001).

4.5. Osterweiterung

Im Hinblick auf die Osterweiterung der EU, auf den Beitritt von acht osteuropäischen Staaten

zur EU im Mai 2004, argumentiert Bohle (2006), dass auch dieses Projekt nur im Kontext der

Kämpfe um Hegemonie sozialer Kräfte zu verstehen ist, und dass der „Export“ des radikalen

neo-liberalen Modells nach Osteuropa der Aufrechterhaltung dieses eingebetteten

Neoliberalismus in den alten EU-Staaten dient.

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Dieser „Export“ wird deutlich sichtbar in den mit den Beitrittskandidaten seit 1997

abgeschlossenen „accession partnerships“:16 die EU machte weit reichende Liberalisierungen

und Deregulierung der jeweiligen Ökonomien zur Bedingung eines erfolgreichen

Beitrittsprozesses.17 Im Gegensatz zur Süderweiterung, bei der der Beitritt in ähnlicher Weise

an Marktliberalisierung geknüpft war, wurde den jetzigen Kandidaten eine Marktöffnung

bereits vor ihrer Mitgliedschaft abverlangt, die dazu noch keinerlei formale Ansprüche auf

eine Mitgliedschaft beinhaltete.18 Auf der anderen Seite gab es wenig Zugeständnisse an die

osteuropäischen Länder in den Politikbereichen, die ihnen den Transitionsprozess erleichtert

hätten, wie z.B. bei Finanztransfers, Arbeitskraftmobilität oder Agrarliberalisierung. Diese

Asymmetrie erstreckte sich nicht nur auf die Phase vor dem eigentlichen Beitritt. Bei den

Verhandlungen in Kopenhagen im Dezember 2002 wurde festgelegt, dass die neuen

Mitglieder auf absehbare Zeit in wichtigen Bereichen lediglich eine „Mitgliedschaft zweiter

Klasse“ erhalten, die sich z.B. darin äußert, die Bewegungsfreiheit von ArbeitnehmerInnen

die nächsten sieben Jahre massiv einzuschränken und die Finanztransfers für

strukturschwache Gebiete auch nur in deutlich geringerem Ausmaß als den alten

Mitgliedsstaaten zu gewähren. Dies läuft Bohle zufolge darauf hinaus, in den osteuropäischen

Ländern ein neoliberales Modell mit deutlich geringerer sozialer Abfederung zu

implementieren (vgl. Bohle 2006: 69f).

Bohle erklärt dies durch die spezifische Zusammensetzung des transnationalen historischen

Blocks: die transnationalen Kapitalfraktionen waren zwar in hohem Maße an der

Erschließung und Erleichterung neuer Investitionsmöglichkeiten interessiert,19 allerdings

nicht an einer Verbreitung der sozialstaatlichen Aspekte des westeuropäischen Modells, da 16 Erste Bedingungen für einen erfolgreichen Beitrittsprozess wurden allerdings bereits 1993 durch den

Europäischen Rat in Kopenhagen formuliert (vgl. Holman 2001: 178). 17 Auch Holman kommt zu dem Schluss: „it is no exaggeration to conclude that the Commission’s pre-accession

strategy is basically about disciplining the candidate members in terms of free market integration“ (Holman

2001: 181). Die Auflagen der „pre-accession strategies“ wurden von der Europäischen Kommission

ausgearbeitet, mit Unterstützung des ERT. Eine wichtige Rolle dabei spielte auch die Einrichtung von Business

Enlargement Councils in den betreffenden Ländern unter der Regie des ERT (vgl. Bieler 2002: 590). 18 Holman bemerkt treffend: „If these governments are successful in transforming their economies and adjusting

their legal structures to the exigencies of the acquis communautaire, European business will profit from the

widening of the Internal Market. If these governments are unsuccessful, the EU can indefinitely postpone their

entrance. In short, the EU cannot lose…“ (Holman 2001: 182). 19 Der ERT sprach bereits 1991 im Hinblick auf die Revolutionen und das Ende des Staatssozialismus in

Osteuropa von einer „einzigartigen Gelegenheit“ und legte schon 1997 einen ausgearbeiteten Plan zur EU-

Osterweiterung vor (vgl. Holman 2001: 174).

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gerade die Unterschiede im Hinblick auf Löhne, Sozial- und Umweltstandards usw. einen

Anreiz für Investitionen darstellen. Die bisher von Finanztransfers hauptsächlich

profitierenden südlichen EU-Mitgliedsstaaten hatten deutlich gemacht, dass sie eine

Erweiterung nur unterstützen, wenn sie nicht die finanzielle Bürde dafür tragen müssen. Die

Gewerkschaften haben sich explizit gegen die Bewegungsfreiheit für Arbeitskräfte

ausgesprochen, und einige sozialdemokratische Regierungen haben diese Position

übernommen – die Osterweiterung wurde als Bedrohung des Kompromissmodells eines

eingebetteten Neoliberalismus und der Verhandlungsmacht der ArbeitnehmerInnen gesehen.

Während also eine starke Lobby auf die ökonomische Erweiterung der EU nach Osten

drängte, hatte die Ausdehnung sozialer Aspekte in diesem Rahmen so gut wie keine

Unterstützung bei den relevanten Akteuren. Die sozialen Kräfte der neuen Mitgliedsstaaten

waren angesichts der (zunächst) äußerst populären Idee einer „Rückkehr nach Europa“ in den

Verhandlungen allenfalls in der Lage, bestimmte eigene Interessen zu schützen, ohne den

neoliberalen Charakter der Erweiterung in Frage stellen zu können (ebd.: 73f).

Dass der EU-Beitritt in den betreffenden Ländern i.d.R. ein kaum hinterfragtes Politikziel

darstellte, sieht Bohle als Folge ihrer spezifischen Inkorporierung in den transnationalen

historischen Block durch einen Prozess, den Gramsci als „passive Revolution“ beschrieben

hatte: ein grundlegender sozialer Wandel, vorangetrieben von Eliten, dessen Grundgedanken

jedoch nicht aus der dortigen sozialen Situation hervorgehen, sondern Transformationen auf

der internationalen Ebene reflektieren. Der Neoliberalismus entwickelte sich in den

industriekapitalistischen Staaten als Antwort auf die Krise des Fordismus und wurde von

Intellektuellen und „reformorientierten Eliten“ in den entsprechenden Regierungen in

Osteuropa als radikalste Alternative zum Staatssozialismus importiert, ohne dass er sich auf

einheimische soziale Kräfte (wie eine global orientierte Kapitalfraktion) stützen konnte,

lediglich auf externe Akteure (unter denen anfangs auch Weltbank und IWF eine wichtige

Rolle spielten). Zudem verkörperten die EU-Staaten für weite Teile der Bevölkerung ein

erstrebenswertes Modell: stabile und wohlhabende Demokratien. Dies ermöglichte, die

Beitrittsperspektive als mobilisierenden und legitimierenden Faktor den sozialen Härten der

neoliberalen Politik gegenüberzustellen (vgl. Bohle 2006: 75f, Bieler 2002: 589f).

In den Reformprozessen der osteuropäischen Staaten haben ausländische Investoren (z.T.

ermöglicht durch das Fehlen einer einheimischen Unternehmerklasse) einen erheblichen

Einfluss ausgeübt, besonders in den Bereichen Unternehmensbesteuerung und Arbeitsrecht.

Bieler formuliert dies wie folgt: „Transnational forces of capital have become internalized

within the CEE [Central and Eastern European] forms of state through their cooperation with

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state elites and their participation in the transnationalization of these countries production

structure via FDI [Foreign Direct Investment].“ (Bieler 2002: 591) Der Einfluss externer

Akteure (transnationale Kapitalfraktionen, EU-Kommission) auf den politischen Prozess

verdeutlicht das Phänomen der Internationalisierung des Staates (vgl. Holman 2001: 177f).

Die Gewerkschaften gingen aus den Transitionsprozessen extrem geschwächt hervor und

konnten dem neoliberalen Umstrukturierungsprojekt keine Gegenposition entgegensetzen.

Die einzigen ernsthaften Gegner der EU-Integration sind nationalistische und rassistische

Kräfte, die es wie in Polen sogar bis in die Regierung brachten. Ihre Stärke erklärt sich durch

das Versagen des neoliberalen Kurses, die drängenden Probleme zu lösen, die dieser Prozess

mit sich gebracht hat: Massenarbeitslosigkeit, soziale Polarisierung und eine semi-periphere,

duale Wirtschaftsstruktur, in der strategische und profitable Sektoren privatisiert und von

ausländischen Investoren übernommen worden sind, aber nur ein sehr geringer Teil der

Bevölkerung an den Gewinnen teilhat und die weniger wettbewerbsfähigen industriellen

Sektoren sich selbst überlassen werden (vgl. Bohle 2006: 72, 74, 77f; Bieler 2002: 592).

In dieser Konstellation ist die Entstehung eines gegenhegemonialen Projekts

unwahrscheinlich: nachdem die WWU zwar bereits soziale Proteste ausgelöst hat, eröffnet die

Osterweiterung eine neue Konfliktlinie, wobei sie dem transnationalen Kapital neue

Bewegungsspielräume ermöglicht, aber die schwächsten Elemente des bestehenden

historischen Blocks (die gering qualifizierte Arbeiterschaft der alten Länder) gegen die

osteuropäischen ArbeiterInnen ausspielt (vgl. Bohle 2006: 79). Das Versprechen auf EU-

Mitgliedschaft hat eine neoliberale Umstrukturierung legitimiert, die den Interessen

einheimischer Eliten und transnationaler Investoren entsprach (vgl. Bieler 2002: 590). Otto

Holman spricht in diesem Kontext davon, dass die asymmetrische Regulation in der EU

(supranationale Integration im ökonomischen Bereich aber Deregulierung des Sozialen auf

nationaler Ebene) durch die Osterweiterung noch konsolidiert wird:20 eine Harmonisierung

der Sozialstandards ist durch die Osterweiterung in noch weitere Ferne gerückt als bisher.

Bemerkenswert ist, dass das dafür mitverantwortliche große Wohlstandsgefälle zwischen

europäischen Regionen durch die Auflagenpolitik der EU im Rahmen der

Beitrittsverhandlungen noch verschärft wurde (Holman 2004: 731).

20 Dabei sind EU-weite Regulierung im ökonomischen Bereich und nationale Deregulierung im sozialen Bereich

eng miteinander verknüpft: letztere ist Konsequenz ersterer (vgl. Holman 2004: 716).

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5. Epistemologie, Ontologie und Methode

Auf der Grundlage der untersuchten empirischen Studien soll in diesem Abschnitt eine

Auseinandersetzung mit der Epistemologie, Ontologie und Methode der neo-gramscianischen

Ansätze erfolgen, also mit den erkenntnistheoretischen Grundlagen und Ansprüchen, den

Gegenständen, die den untersuchten Bereich konstituieren, und der Vorgehensweise in der

Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse.

5.1. Epistemologie

Das vermutlich am häufigsten verwendete Zitat von Robert Cox, dem Gründervater der neo-

gramscianischen Ansätze, ist sein Diktum „Theory is always for someone and for some

purpose. All theories have a perspective. Perspectives derive from a position in time and

space, specifically social and political time and place. The world is seen from a standpoint

definable in terms of nation or social class, of dominance or subordination, of rising or

declining power, of a sense of immobility or present crisis, of past experience, and of hopes

and expectations“ (Cox 1981: 87). Hier scheint ein klares Bekenntnis zur Perspektivität allen

(zumindest allen sozialwissenschaftlichen) Wissens zu liegen: es ist niemals objektiv und

losgelöst vom erkennenden Subjekt, sondern stets geprägt von dessen Wahrnehmung und

Werten. Sowohl Marxismus als auch Wissenssoziologie haben stets auf der Verbindung

zwischen dem sozialen Kontext und dem Inhalt von Wissen insistiert. Allerdings fährt Cox

fort: „There is … no such thing as theory in itself, divorced from any standpoint in time and

space. When any theory so represents itself, it is the more important to examine it as ideology,

and to lay bare its concealed perspective“ (ebd.). Die Rede von der Ideologie befindet sich

jedoch in einem gewissen Spannungsverhältnis zur angestrebten Relativierung von

Wissensansprüchen. Denn wenn Ideologie hier als fälschlicherweise mit dem Anspruch auf

Objekivität auftretendes Wissen entlarvt werden soll, so stellt sich im gleichen Atemzug die

Frage nach der Möglichkeit unideologischen Wissens. Durch diese Hintertür schleicht sich

doch wieder ein Anspruch auf objektives oder zumindest objektiveres Wissen ein.

Mit dem gleichen Dilemma werden wir in der theoretischen Grundlegung von Apeldoorn et

al. konfrontiert. Einerseits kritisieren sie die Mainstream-Theorien, sie seien „steeped …in the

scientistic and positivist tradition [und] formulated in terms of general, universal, and

objective propositions that are held to be affirmed or falsified as universal truths about ‚the

order of things’“ (Apeldoorn et al. 2003: 19). Andererseits betonen sie: „Theoretical

frameworks … help us make sense of the nature and interconnections of reality. At the same

time, insofar as hermeneutics … is correct to argue that observation cannot be separated from

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conception, theoretical frameworks can also distort reality and prevent us from seeing things

or even asking the important questions“ (ebd.). Die Kritik am Positivismus geht hier

offensichtlich Hand in Hand mit dem erkenntnistheoretischen Anspruch, verzerrte von

unverzerrter Realitätswahrnehmung unterscheiden zu können.

An dieser Stelle erscheint es angebracht, den Begriff des Positivismus näher zu erläutern.

Obwohl der Begriff des Positivismus in der Debatte unterschiedlich weit gefasst wird und die

beträchtlichen Differenzen beispielsweise zwischen dem logischen Positivismus des Wiener

Kreises und dem Kritischen Rationalismus Karl Poppers oft sträflich vernachlässigt werden,

lassen sich die zentralen Gemeinsamkeiten wie folgt umreißen: 1. Positivisten halten an der

methodologischen Einheit der Wissenschaft fest und wollen daher sozialwissenschaftliche

Methoden am Vorbild der Naturwissenschaften ausrichten und nach sozialen

Gesetzmäßigkeiten suchen (Naturalismus). 2. Positivisten unterscheiden im Anschluss an

Weber streng zwischen Tatsachen und Werten bzw. Werturteilen, konzipieren Tatsachen

dabei als wertneutral und halten am Ideal einer werturteilsfreien, nicht-normativen

Wissenschaft fest (Werturteilsfreiheit). 3. Positivisten sehen objektives Wissen als prinzipiell

möglich an, definieren Wahrheit als Übereinstimmung mit der Realität und sehen die Rolle

der Wissenschaft darin, Hypothesen empirisch auf ihre Entsprechung in der Realität zu

überprüfen und so zu objektivem Wissen zu gelangen (Objektivismus, Empirizismus) (vgl.

Smith 1996; Mayer 2003; Neufeld 1995, Kap.2+3).

Trotz der scharfen Kritik am Positivismus scheinen die neo-gramscianischen Ansätze diese

Prinzipien zwar nicht uneingeschränkt zu akzeptieren, aber auch keinesfalls umstandslos

zurückzuweisen. Der Naturalismus, die Ausrichtung am Vorbild der Naturwissenschaften und

die Suche nach allgemeinen Gesetzmäßigkeiten, wird von ihnen unter Verweis auf die

Historizität und Perspektivität des Wissens abgelehnt. Dass Sozialwissenschaft jedoch

Theoriebildung zur Erklärung sozialer Phänomene betreiben soll, scheinen sie hingegen zu

akzeptieren. Auch die Werturteilsfreiheit und das Ideal einer nicht-normativen Wissenschaft

halten sie aufgrund der Verstrickung von (neutraler) Beobachtung und (subjektiver)

Wahrnehmung für illusorisch, wobei sie dennoch die Existenz von (intersubjektiv gültigen)

Tatsachen behaupten. Dies hängt damit zusammen, dass sie durchaus zwischen der Geltung

und das heißt oft: Realitätsentsprechung rivalisierender Theorien unterscheiden, und für ihre

eigenen Theorien zwar keine vollkommene Objektivität, aber zumindest den Anspruch auf

vergleichsweise objektiveres Wissen vertreten.

Mit welcher Legitimation sie dies tun, offenbart ein weiteres Zitat von Robert Cox:

„sophisticated theory is never just the expression of a perspective. The more sophisticated a

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theory is, the more it reflects upon and transcends its perspective; but the initial perspective is

always contained within a theory and is relevant to its explication“ (Cox 1981: 87).

Unterscheidungsmerkmal zwischen guten und schlechten Theorien wäre demnach der Grad

an Selbstreflexion, den sie gegenüber der eigenen Perspektivität an den Tag legen. Durch

diese Selbstreflexion, so die hier vertretene epistemologische Position, kann die

Perspektivität, die Gebundenheit des Wissens an den eigenen Standort, überwunden werden,

was nicht intersubjektives oder wenigstens in höherem Maße intersubjektives Wissen möglich

macht. Das Unterscheidungskriterium zwischen Theorien ist in diesem Fall nicht die

Überprüfung an der empirischen Realität, sondern das Bewusstsein über die Verbindung

zwischen Theorie und wahrgenommener Realität. Für die neo-gramscianischen Ansätze ist

demnach allenfalls ein gegenüber positivistischen Ansätzen deutlich bescheidener

Objektivismus und Empirizismus zu konstatieren, insgesamt könnten sie als moderat

postpositivistisch bezeichnet werden.

5.2. Ontologie

Leicht vereinfacht lassen sich die Unterschiede zwischen der neo-gramscianischen und

anderen Integrationstheorien wie folgt skizzieren: während die maßgeblichen Akteure im

Intergouvernementalismus die Staaten selbst sind, im Neofunktionalismus supranationale

Akteure eine wesentliche Rolle spielen, und konstruktivistische Ansätze den Einfluss ideeller

Faktoren betonen, finden sich in der Ontologie der neo-gramscianischen Theorien sowohl

Staaten als auch supranationale Akteure und ideelle Faktoren. Das unterscheidet sie jedoch

noch nicht unbedingt von Weiterentwicklungen und anspruchsvolleren Varianten der

jeweiligen Ansätze, ebenso wenig die Berücksichtigung der wechselseitigen Einflüsse

zwischen diesen Elementen. Die Unterschiede liegen hierbei im Detail: Die neo-

gramscianischen Ansätze sprechen nicht von Lobbygruppen auf nationaler oder

internationaler Ebene, sondern von sozialen Kräften oder Klassen, um den Zusammenhang zu

den kapitalistischen Produktionsverhältnissen deutlich zu machen. Sie betrachten weniger den

Staat als vielmehr den „erweiterten Staat“, also das Gefüge aus Staatsapparat und

Zivilgesellschaft als grundlegende Einheit der internationalen Politik. Die Koexistenz der

Staaten erscheint ihnen weniger als Anarchie, sondern eher als – je nach Situation

hegemoniale oder nicht-hegemoniale – Weltordnung. Sie sehen das Feld ideeller Faktoren

weniger als liberale Öffentlichkeit auf dem Weg zum herrschaftsfreien Diskurs, sondern als

vermachtetes Terrain, auf dem mit ungleichen Mitteln um Hegemonie gekämpft wird. Mithin

unterscheidet sich ihre Ontologie von der herkömmlichen v.a. durch die zentrale Rolle von

etwas, das Marx als „kapitalistische Produktionsverhältnisse“ bezeichnet hat – Kapitalismus.

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Dessen zentrale Rolle ergibt sich aus der Eigenschaft, dass diese Produktionsverhältnisse

Machtstrukturen implizieren und hervorbringen, die den primären Fokus der neo-

gramscianischen Analysen darstellen. Generell betrachten die Ansätze historische Strukturen

als veränderbar und fragen nach den Bedingungen ihrer Entstehung und gegenwärtigen und

zukünftigen Transformation.

Dies wird deutlich in der näheren Betrachtung sowohl der empirischen Studien als auch des

programmatischen Aufsatzes von Robert Cox. In diesem skizziert er die Untersuchung von

Kräftekonstellationen, die aus drei Elementen bestehen, zwischen denen ein wechselseitiger

Einfluss vorhanden ist: materielle Fähigkeiten (produktive und destruktive Potenziale), Ideen

(intersubjektive Bedeutungen und kollektive Vorstellungen einer Gesellschaftsordnung),

sowie Institutionen (Cox 1987: 98f). Als Analyseebenen unterscheidet er Staatsformen,

Produktionsverhältnisse und v.a. die sich aus ihnen ergebenden sozialen Kräfte, und

Weltordnungen (ebd.: 100f). Als übergreifende Zielsetzung seiner Theorie bezeichnet Cox „to

sketch a method for understanding global power relations“ (ebd.: 87). Als „kritische Theorie“

zeichnet sie sich dadurch aus, dass sie „does not take institutions and social power relations

for granted but calls them into question by concerning itself with their origins and how and

whether they might be in the process of changing“ (ebd.: 89). Das entscheidende Element in

der neo-gramscianischen Ontologie wird identifiziert als „the realm of social forces shaped by

production relations“ (ebd.: 105). Die Entstehung und Transformation dieser sozialen Kräfte

(bisweilen auch als Klassen bezeichnet) und ihr Ringen um Hegemonie macht einen zentralen

Gegenstandsbereich der neo-gramscianischen Analysen aus, der sie von anderen Ansätzen

deutlich unterscheidet. Insgesamt lässt sich ihre Ontologie als historisch-materialistisch

bezeichnen.

5.3. Methode

Generell suchen die neo-gramscianischen Ansätze der europäischen Integration nach

Beziehungen zwischen sozialen Kräften, Staatsformen und Weltordnungen bzw. historischen

Blöcken. Ihre Vorgehensweise ist dabei i.d.R. historisch, d.h. sie stellen Untersuchungen über

einen längeren Beobachtungszeitraum an und vergleichen verschiedene Zeitpunkte oder

analysieren Prozesse, sowie holistisch, d.h. sie stellen Segmente der sozialen Wirklichkeit in

den umfassenden Kontext sozialer Ordnung, anstatt sie isoliert zu betrachten. In dieser

Betrachtungsweise werden Veränderung auf einer Ebene oft mit Veränderungen auf einer

anderen erklärt, so z.B. die zunehmende neoliberale Hegemonie seit den 1970ern (ideelle

Faktoren) durch die Krise des Fordismus (Ebene der Produktionsverhältnisse), wie auch die

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abnehmende Hegemonie seit Mitte der 1990er durch die offensichtlicher werdenden sozialen

Konsequenzen des neoliberalen Modells.

Ihre Vorgehensweise in den empirischen Studien ist unterschiedlich. Hinsichtlich der

strategischen Zielsetzungen der von ihnen untersuchten transnationalen Kapitalfraktionen

stützen sie sich meist auf die Analyse von Dokumenten. Was deren konkrete

Einflussmöglichkeiten angeht, greifen sie oft auf ExpertInneninterviews (mit VertreterInnen

dieser Kräfte oder EU-PolitikerInnen) zurück, z.T. aber auch auf die Analyse

programmatischer Schriften (im engeren Sinne) politischer Akteure. Dabei gilt ihnen der

Nachweis einer Deckungsgleichheit der strategischen Absichten der transnationalen

Kapitalistenklasse und späterer offizieller Dokumente politischer Akteure als Nachweis eines

kausalen Zusammenhangs. Den Einfluss persönlicher Kommunikation zwischen

UnternehmenführerInnen und PolitikerInnen versuchen sie durch diesbezügliche Äußerungen

der beteiligten Personen in Interviews zu belegen, bisweilen auch durch Zeitungsartikel über

derartige Gespräche.

Generell ist die methodische Vorgehensweise überwiegend qualitativ orientiert, was im Sinne

ihrer epistemologischen Grundlegung (die die Existenz universeller Gesetzmäßigkeiten

zurückweist) auch kohärent erscheint. Einbezogen werden allerdings auch statistische Daten

über den Ausgang von Abstimmungen, über die nationale, europäische und globale

Orientierung von Unternehmen, sowie über die Einkommensverteilung in der Folge

neoliberaler Reformen. In letzterem Fall wird neben einer chronologischen Abfolge auch ein

kausaler Zusammenhang plausibel zu machen versucht, z.B. durch die Kette Auflagenpolitik

der EU – von Regierungen vorgenommene Kürzungen im Bereich öffentlicher Versorger und

Leistungen – Verschlechterung der Lebensbedingungen unterer Schichten. Die

Argumentation der neo-gramscianischen Analysen beruht dabei oft auf der historischen

Rekonstruktion von sozialen, politischen und ökonomischen Phänomenen, die in Beziehung

gesetzt werden zu Prozessen und Phänomenen auf anderen Ebenen, auch wenn keine für die

Perspektive typische Methode festzustellen ist. Die entsprechenden Beziehungen werden

dabei mehr oder weniger stichhaltig am Einzelfall belegt, ohne aber den

Kausalitätsanforderungen einer quantitativen Wissenschaft genügen zu können. Dabei werden

verschiedene qualitative Methoden (Interviews, Dokumentenanalyse, usw.) miteinander

kombiniert.

6. Fazit

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die neo-gramscianischen Perspektiven auf den Prozess der

europäischen Integration mit einer kohärenten theoretischen Grundlage und einer Fülle von

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darauf aufbauenden empirischen Studien aufwarten können, die wichtige alternative

Sichtweisen auf den Gegenstandsbereich erlauben. Ihre Merkmale sind eine moderat-

postpositivistische Epistemologie, eine historisch-materialistische Ontologie, und ein

qualitativer Methodenmix, sowie generell eine normativ-kritische Orientierung, die dem

status quo misstrauisch gegenübersteht und nach Perspektiven jenseits einer neoliberal-

kapitalistischen europäischen Sozialordnung fragt (auch wenn sie diese momentan nicht eben

als besonders chancenreich einschätzt). Auch wenn in einigen Punkten (z.B. in der

Auseinandersetzung mit konkurrierenden Theorien) eine präzisere und stringentere

Argumentation der Ansätze wünschenswert wäre, handelt es sich bei ihnen doch um wichtige

Beiträge zu einer skeptischen Sozialwissenschaft.

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