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Dipl. Päd. Treiber Cornelia
AVWSAuditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung
Dipl. Päd. Treiber Cornelia
Inhalte
Grundlagen des Hörens Zentral auditive Teilfunktionen Grundlagen der AVWS Diagnose der AVWS Therapie der AVWS AVWS und andere Störungsbilder
Dipl. Päd. Treiber Cornelia
Grundlagen des Hörens
Wir hören nicht nur mit den Ohren!Das Hörsystem wird in zwei Teile untergliedert: 1. peripherer Teil: äußeres Ohr Mittelohr Innenohr
Ganglion spirale (1. Neuron) = die Schnittstelle2. zentraler Teil: zentrale Hörbahn subkortikale Hörzentren kortikale Hörzentren
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Aufbau des Ohres
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Die Cochlea – Das eigentliche Hörorgan
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Das Cortische Organ
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Das periphere Hören und seine Testverfahren
1. Außenohr Richtungsabbildung durch
Vorfilterung2. Mittelohr Reizleitungsorgan Lautstärkenbegrenzung
(Stapediusreflex, ca. 15 dB) 3. Innenohr Reizverteilungsorgan (Schnecke
u. Basilarmembran) Cochleärer Verstärker (äußere
Haarzellen, erste Lautunter- scheidung und Lautstärkenanpassung – Regelber. ca. 40 dB)
Wandelorgan (Innere Haarzellen)
Tonaudiogramm Sprachaudiogramm Tympanometrie prüft
Beeinträchtigungen des Mittelohrs
Stapediusreflexmessung prüft die Reflexschleife zw. Innenohr, Stammhirn, Fazialisnerv und Stapedius-Muskel
Otoakustische Emissionen prüft die Funktion der Haarzellen im Innenohr
BERA (Brainstem Evoked Response Audiometry) zeigt die Fortleitung des Schallreizes über den Hörnerv und die Neuronenkette des Stammhirns
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Schalldruckpegelbeispiele
Kinderpistolen am Ohr 180Raketenstart in der Nähe 160Startender Düsenjet 140 akute, nichtreversible in der Nähe Schädigung des GehörsLautes Händeklatschen (1 m) 130 Rockkonzert, Trillerpfeife (1 m) 120 Schmerzschwelle Eisenbahn, Walkman 100 Babyglockenring (25 cm) 95 Lauter Messwert/Arbeitsplatz 80-90 Gefährdung des Gehörs Laute Radiomusik/Straßenlärm 70-80 UnbehaglichkeitsschwelleRuhiges Geräusch (1 m) 50-60 Kommunikation
beeinträchtigt Ruhiges Wohngebiet 40 Blätterrascheln, Flüstern 20
Nach Rosenköter, Henning (2003). Auditive Wahrnehmungsstörung
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Tonaudiogramme
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Hörstörungen
Schall-Leitungsstörungen sind Störungen deren Ursache im Außenohr oder im Mittelohr liegt z. B.: Fehlbildung der Ohrmuschel, des Gehörganges, Mittelohrentzündungen, Tubenbelüftungsstörung, Pauken-höhlenerguss, Fehlbildungen der GehörknöchelchenketteKann medikamentös oder operativ behoben werden
Schallempfindungsstörung sind Störungen deren Ursache im Innenohr od. Hörnerv liegt. Risikofaktoren bei Neugeborenen z. B.: Geburtsgewicht unter 1500 g, Langzeitbeatmung, Hirnblutung, Schwerhörigkeit in der Familie, Diabetes u/o Alkoholkrankheit der Mutter
Störung der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung
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Die Wahrnehmungsdynamik
Hörschwelle - Unbehaglichkeitsschwelle Wenn die Hörschwelle um mehr als 20 dB abweicht und/oder die Unbehaglichkeitsschwelle deutlich angehoben ist (= Hyperakusis), liegt eine Beeinträchtigung des Dynamik-Bereiches vor
eine Unbehaglichkeitsschwelle unter 65 dB führt zu Begrenzungen in der Sprachwahrnehmung
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Einteilung der Hörschädigung aus med. Sicht
über 20 bis 40 dB – gering gradige Schwerhörigkeit
über 40 bis 60 dB – mittel gradige Schwerhörigkeit
über 60 bis 80 dB – hochgradige Schwerhörigkeit
über 80 dB – hochgradige, an Taubheit grenzende - Resthörigkeit (tiefe Geräusche u. Sprachlaute werden mit Hörgerät erkannt)
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Das Sprachaudiogramm
Der am häufigstenverwendete Test ist derFreiburger Wörtertest, dabeiwerden Zahlwörter undeinsilbige Hauptwörterangeboten. Zahlwörter (1.Kurve) können vomNormalhörenden schon zu50 % ab 20 dB verstandenwerden, die Einsilber (2.Kurve) erst ab 30 dB.
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Tympanometrie – Überprüft die Beeinträchtigung des Mittelohrs
1. Bild - Normales Tympanogramm
2. Bild - Unterdruck im Mittelohr (z.B. Tubenkatarrh)
3. Bild - Flüssigkeit im Mittelohr (z.B. Paukenerguss)
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Die Wahrnehmung ( Definition)
Wahrnehmung: wara neman (altd.) einer Sache Aufmerksamkeit schenken
Perzeption: perception (engl. und franz.) merken, auffassen, begreifen, lernen
Wahrnehmung (Perzeption) = die Verarbeitung von physikalischen und chemischen Reizen, die von den Sinnesorganen empfangen werden.
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Die auditive Wahrnehmung
Auditive Wahrnehmung ≠ das Hören an sich, sondern ein Prozess der Erfassung des Gehör-ten und seiner Verarbeitung durch das Gehirn.
Auditive Wahrnehmung = die Erfassung, die Weiterleitung, die Verarbeitung und die Bewertung von auditiven Informationen. (Rosenkötter)
Phonologische Bewusstheit = die Wahrnehmung auf der Ebene von Silben, Signalgruppen, Reimen und Wörtern ► Sprachverständnis.
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Verarbeitung und Wahrnehmung
Sprachverständnis
Phonologische Bewusstheit
Wahrnehmung sprachlicher Reize
Verarbeitung akustischer Reize
Akustisches Signal
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Wahrnehmungsfunktionen
Geräuschlokalisation und Seitenzuordnung
Lautheitsempfindung Lautstärkenunterscheidung, Unbehaglichkeitsschwelle
Lautdiskrimination Wahrnehmungstrennschärfe, Lautunterscheidung
Lautmustererkennung Rhythmus, Tonhöhenunterscheidung
Zeitliche Verarbeitung Lückenerkennung, Maskierung, Ordnung von Sequenzen
Unterscheidung konkurrierender Signale
Erkennung unvollständiger, veränderter oder abgeschwächter akustischer Signale
Nach ASHA (American Speech-Language-Hearing-Association) (19969
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Vorraussetzungen auditiver Wahrnehmung
Peripheres Hörvermögen
Aufmerksamkeit (generelle Wachheit, selektive
Aufmerksamkeit, Vigilanz)
Speicherfähigkeit
Emotion bzw. Motivation
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Auditive Verarbeitungsprozesse
Bottom-up-Prozess (Daten-gesteuert) ↑ beginnt mit der akustischen Stimulation und führt über die Empfindung, Wahrnehmung, Klassifikation bis zu weiteren mentalen Prozessen.
Top-down-Prozess (Konzept-gesteuert) ↓ hierbei beeinflussen höhere mentale Funktionen wie Erwartung, Wissen und Motivation das Wahrnehmungsergebnis.
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Divergenz - laterale HemmungBei der Informationsweiterleitung spielen diese beiden Mechanismen eine entscheidende Rolle. Sie wirken auf allen Ebenen.
Divergenz Die Divergenz ermöglicht, dass neuronale Informationen von einem Neuron an mehrere Neuronen der nächst höheren Ebene weitergegeben werden. So können auch schwache Reize eines od. weniger Rezeptoren weitergegeben werden und die Störanfälligkeit der Informationsvermittlung reduziert werden.
Laterale Hemmung Die laterale Hemmung verhindert, dass sich Impulse zu stark ausbreiten. Durch diese negative Rückkoppelung werden wesentliche Informationen besser wahrgenommen und unwichtige Informationen unterdrückt.
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Die zentrale Hörbahn
1. Außenohr2. Mittelohr3. Cochlea4. Cochleariskern5. Laterale Schleife6. Vierhügel7. Kniehöcker im Thalamus8. Akustische Rinde
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Zentral auditive Teilfunktionen
1. Aufmerksamkeit – generelle Wachheit, selektive Aufmerksamkeit, Vigilanz
2. Speicherfähigkeit – auditive Merkspanne, Sequenz3. Lokalisation – Horizontalebene, Medianebene4. Selektion – Nutzschall – Störschall - Filterung5. Diskrimination – Dauer, Lautstärke, Tonhöhe; Akzent,
Intonation,Phoneme6. Analyse – Einzellaute, Silben aus Worte, Worte aus Sätzen7. Synthese – von einzelnen Elementen zu einer komplexen
Gestalt8. Ergänzung – Ergänzungen von Fragmenten zu einem
sinnvollen Ganzen
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1. Aufmerksamkeit
Generelle Wachheit oder Aktivierung tonische Wachheit = physiologischer Organismuszustand phasische Wachheit = durch einen Warnreiz plötzlich verstärkte
Aufmerksamkeit
Selektive Aufmerksamkeit = kurzzeitige, mehrere Minuten dauernde aktive Hinwendung und Einschränkung der Aufmerksamkeit
automatisch z. B. spontane Kopfdrehung zur Schallquelle kontrolliert z. B. bewusstes Hinwenden zum Gesprächspartner
Vigilanz = länger anhaltende Aufmerksamkeit bei unregelmäßigen Stimuli
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2. Speicherung und Sequenz
Sensorischer Speicher: Haltedauer 1- 2 s, nahezu unbegrenzte Kapazität
Kurzzeitspeicher (Arbeitsgedächtnis): durchschnittlich 7 Items (± 2) werden bis zu 20 s gehalten
Langzeitspeicher: fünf Langzeitgedächtnissysteme:- Prozedurales Gedächtnis - erlernt Bewegungsabläufe - Priming („Bahnung“) - Wiedererkennung eines Reizes- Perzeptuelles Gedächtnis - Bekanntheit und Familiarität- Wissenssystem - Faktengedächtnis, z. B. Schulwissen- Episodisches Gedächtnis - speichert singuläre Ereignisse
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5. Diskrimination
Taxonomie zeitlichen Erlebens (nach Pöppel, 1997) 1. Das Erleben von Gleichzeitigkeit gegenüber Ungleichzeitigkeit 2. Das Erleben der Aufeinanderfolge oder der zeitlichen Ordnung 3. Das Erleben der Gegenwart oder des Jetzt (Dauer von 3 s.) 4. Das Erleben von Dauer Sprach- und Zeitverarbeitung (nach Kegel, 1998) Zeitverarbeitung Taktrate Sprachverarbeitung
Ordnungsebene 20 bis 60 ms Merkmale und Laute Strukturierungsebene einige 100 ms Silben und Wörter Integrationsebene etwa 3 Sekunden Teilsätze und Sätze
Zeitverarbeitung Binaurale Summation (Fusion = ein Reiz, > 3 ms), Zeitauflösung (Gap detection = Lückenerkennung), Ordnungsschwelle – sensorische Wahrnehmung bei 120km/h ca. alle 1m
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Ordnungsschwelle: - bei gesunden Erwachsenen: 20 – 40 ms - bei Schulanfängern: 60 – 80 ms
(Kegel, 1991) 88 – 118 ms
(Barth, 1999) - bei 10-11-jährigen: 20 – 40 ms
(Kegel, 1991) 70 – 85 ms
(Rosenkötter, 2003)
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Auswirkungen einer verlangsamten Reizverarbeitung:
In der visuellen Verarbeitung: - gute Reizverarbeitung wichtig für rasche ReaktionBeispiel: Profi: ca. 5 mssonst ist meist eine visuelle Überprüfung (2. Blick) möglich
In der auditiven Verarbeitung: - in der Regel keine Überprüfung möglich, daher größere Auswirkung als im visuellen Bereich
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Sonagramm „tickt“
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Entwicklung der Hörschwelle
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Entwicklung auditiver Teilfunktionen
Aufmerksamkeit - überselektiv / zu grob (bis Schuleintritt) - überinklusiv / zu feingliedrig (bis 12. Lebensjahr) - selektiv (ab 12. Lebensjahr) Zunahme der Vigilanzfähigkeit
Speicherung / Sequenz größter Leistungszuwachs im Kindergarten- und Grundschulalter; im Alter von 4 – 7 Jahren gilt: Lebensalter minus 1-2 = Speicherkapazität von Silben/Zahlen 4 Jahre = 3 Items 5 Jahre = 4 Items 6 Jahre = 4-5 Items 7 Jahre = 5 Items bis zum 14. Lj. weitgehend abgeschlossen (7±2 Items)
Nach Lauer, Norina (2006)
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Lokalisation - 4.- 7. Lebensmonat: Lokalisation seitlich platzierter
Signale - 16.-21. Lebensmonat: Lokalisation unter- und oberhalb platzierter Signale - innerhalb des 1. Lebensjahr zunehmende Genauigkeit der Richtungsbestimmung der Schallquelle - Erkennen der räumlichen Entwicklung von Geräuschen bis ins Vorschulalter problematisch
Diskrimination beginnt direkt nach der Geburt; von einer ersten groben außer- sprachlichen Diskrimination bis hin zur Diskrimination von Sprachlauten
Nach Lauer, Norina (2006)
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SelektionAusdifferenzierung auf der Basis von Diskrimination und selektiver Aufmerksamkeit; 5.-6. Lebensjahr: mindestens 70 % Leistung beim Verstehen von Wörtern (65 dB) /Störgeräusch (60 dB)
AnalyseLautidentifikation ab ca. 5. Lebensjahr Positionsbestimmung von Lauten in Wörtern ab ca. 7. Lebensj.
Synthese Entwicklung v. a. im Rahmen des Schriftspracherwerbs ( ab 7. Lj.)
Ergänzung Aus- und Inlautergänzung im Vorschulalter z. T. möglich, im frühen Grundschulalter auch Anlautergänzung
Nach Lauer, Norina (2006)
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Grundlagen der AVWS
Synonyme für AVWS
auditive Teilleistungsstörungen Fehlhörigkeit Hörwahrnehmungsstörung Lautagnosie minimale zerebrale Dysfunktion Perzeptionsstörung Spezifische Sprachentwicklungsstörung Teilleistungsschwäche Teilleistungsstörung Wahrnehmungsstörung zentrale Fehlhörigkeit u.v.m.
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Definition von AVWS
Eine Auditive Verarbeitung- und/oder Wahrnehmungsstörung (AVWS) liegt vor, wenn bei normalem Tonaudiogramm
zentrale Prozesse des Hörens gestört sind.
Zentrale Prozesse ermöglichen u. a. die vorbewusste und bewusste Analyse, Differenzierung und Identifikation von Zeit-, Frequenz- und Intensitätsveränderungen akustischer oder auditiv-sprachlicher Signale sowie Prozesse der binauralen Interaktion (z. B. zur Geräuschlokalisation, Lateralisation,Störgeräuschbefreiung, Summation) und der dichotischen Verarbeitung. (Konsensus-Statement 2006)
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Leitdefizite:Es ist bisher weder eine einheitliche Ursachegefunden noch eine einheitlich Symptomkonstellation beschrieben worden.
Deshalb sollte man den Begriff AVWS nicht als Diagnose im engeren Sinne, sondern mehr als defizitorientierte Leistungsbeschreibung des auditorischen Systems gesehen werden. (Ptok et al., 2004, S. 67; nach Bamiou et al., 2001) Diese defizitorientierte Leistungsbeschreibung erfolgt in Form von Leitdefiziten:
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Auditive Aufmerksamkeitsstörung Definition: Fähigkeit sich auditiven Stimuli zuzuwenden und diese bewusst wahrzunehmen.Beispiel: Kind nimmt auditive Stimuli nicht od. nur teilweise wahr.
Auditive Speicherung und Sequenz Definition Speicherung: die Fähigkeit, auditive Stimuli zu speichern (auditive Merkspanne).Beispiel: Kind fragt häufig nach
Auditive Lokalisation Definition: Richtung und Entfernung auditiver Stimuli werden festgestellt.Beispiel: Kind findet versteckten Wecker nicht
Auditive Diskrimination Definition: Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen auditiven Stimuli, insbesondere Phoneme, werden erkannt.Beispiel: Minimalpaar-Unterscheidungen werden nicht erkannt /d/-/g/, /f/-/k/
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Auditive Selektion (Nutzschall-Störschall-Diskrimination, Figur-Hintergrund-Wahrnehmung) Definition: Fähigkeit zur Unterscheidung bedeutungsvoller Informationen von Umgebungsgeräuschen (Störgeräuschen). Auch als Störlärmunterdrückung beziehungsweise Figur-Hintergrund-Unterscheidung bezeichnet. Beispiel: Kind wird durch auditive Reize leicht abgelenkt.
Auditive Analyse Definition: Fähigkeit, Wörter in Silben und/oder Sätze in Wörter zu zerlegen bzw. einzelne Elemente aus einer akustischen Gestalt herauszuhören (phonologische Bewusstheit, Metalinguistik). Beispiel: Kind gelingt es selten, einzelne Laute in Wörtern zu erkennen und zu lokalisieren.
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Auditive Synthese Definition: Fähigkeit, aus einzelnen Elementen eine komplexe akustische Gestalt zusammenzusetzen.Beispiel: Kind kann schwer einzelne Buchstaben zu einem Wort zusammensetzen
Auditive Ergänzung Definition: Fähigkeit, fragmentarische auditive Gebilde zu sinnvollen Informationen zu vervollständigen. Beispiel: Kind kann akustisch fragmentarische Äußerungen, z. B. Wort- oder Satzfragmente nicht zu sinnvollen bzw. verstehbaren Äußerungen ergänzen.
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Organische Belastungszeichen
o Schwerhörigkeit hat(te) häufig Mittelohrentzündungen o besonders in den ersten Lebensjahren o hat(te) häufig Ohrausfluss o wurde an den Polypen u/o Mandeln operiert o bestimmte Geräusche werden nicht gehört o bestimmte Geräusche werden als schmerzhaft empfunden o wiederholtes Klagen über Kopfschmerzen
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Belastungszeichen Sprache
o verspäteter Sprachbeginn; nicht altersgerechter Sprachstando verwechselt ähnliche Laute/Wörter o spricht langsam, versteht schnelles sprechen nicht o versteht falsch, häufiges Nachfragen o undeutliche Aussprache, Nuscheln, Babysprache o spricht monoton o sprachliche/allgemeine Passivität o sprachliche Überaktivität („Sprechdurchfall“) o geringer Wortschatz o geringe Sprach-Gedächtnis-Leistung
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Belastungszeichen Konzentration
o ist durch Geräusche leicht ablenkbaro auffallender Leistungsabfall im Laufe des Vormittags o schwache akustische Merkfähigkeit beim Kopfrechnen u/o
Diktatschreiben o klagt über Lärm in der Klasse o Diktate gelingen zu Hause besser als in der Schule o Schwierigkeiten beim Auswendiglernen o beobachtet erst die anderen um Anweisungen folgen zu o können o Angst bei plötzlichen Geräuschen o blockiert Außenreize bei hohem Interesse
(Hyperfokussierung)
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Belastungszeichen Verhalten
o kann Schallquellen schlecht orteno unruhig, überaktiv, kann nicht lange still sitzen o fehlende Mitarbeit, geistige Abwesenheit, Träumerei o reagiert unsicher, wenn es gerufen wird o versteht öfters Informationen falsch o allgemeine Lärmempfindlichkeit o fühlt sich in größeren Gruppen nicht wohl
geht z. B. nicht gerne auf Geburtstagsparty
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UrsachenGenetische Ursachen Hirnreifeverzögerungen Frühkindliche Hirnschädigung z. B. während der
Schwangerschaft durch Unterversorgung oder während der Geburt durch Sauerstoffmangel
Risikofaktoren Dr. med. Reinhard Schydlo (2000), Auditive Wahrnehmung und Hörtraining
Pränatale Risikofaktoren - vorzeitige Wehen, Wehenhemmer - Blutungen, Diabetes - starker Stress der Mutter - unerwünschte Schwangerschaft, Abortversuche- Nikotin, Alkohol, Drogen, Medikamente
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Perinatale Risikofaktoren - Frühgeburt oder Übertragung - Nabelschnurumschlingung, Sauerstoffmangel, niedrige
Apgarwerte - Wehenschwäche, Saugglocken- od. Zangenentbindung
Kaiserschnitt, Mehrfachgeburten Postnatale Risikofaktoren - schwere Neugeborenen-Gelbsucht - schwere Infektionen (Sepsis, Meningitis, Encephalitis) - Ernährungsstörungen mit Toxikose (auch Zwangernährung) -
Lärmtrauma (z. B. im Inkubator) - Schädeltrauma - ototoxische Medikamente (die das Gehör schädigen) - Impfschäden
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Chronische Mittelohrentzündungen, Polypen, Mandeln führt zu einer Reduktion der Schallübertragung bis zu 30 dB
Paukenergüsse
Unentdeckte periphere Hörbehinderungen vor allem in der sprachsensiblen Phase
Mangelhaftes Lernangebot
Lärmeinwirkung elektronische Spielzeuge mit schriller Klangqualität irritiert den Aufbau der Filterleistung
Reizüberflutung viel höhere Lärmbelastung als früher (Radio, TV, PC), diverse Grundgeräusche (z. B. PC-Lüfter), „Diskman-Syndrom“
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Häufigkeit Die Häufigkeit einer Störung der auditiven Wahrnehmung wird in derLiteratur unterschiedlich eingeschätzt, nicht zuletzt auch wegen der divergierenden Definitionen.
Erwachsene 10 bis 20 %, Kinder 2 bis 3 % (Zorowka, 2001)
7 bis 11 % aller Sechs- bis Siebenjährigen erreichen nicht die Anforderungen der „Rhythmischen Differenzierung“ und der „Melodischen Differenzierung“ (Breuer-Weuffen; Zöllner, 1999)
Zählt man jene Kinder hinzu, bei denen AVWS nicht nur eine isolierte Teilleistungsstörung darstellt, sondern Anteil einer komplexen Lern- und Wahrnehmungsstörung (z. B. Lernstö-rung, LRS) ist, dann liegt die zu vermutende Häufigkeit mindestens bei 15 %. Manche Autoren gehen sogar von 60 - 70 % aller Kinder mit Lern- und Sprachstörungen aus (Eggert, 1992).
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Diagnose der AVWS
Aufmerksamkeit Speicherfähigkeit Lokalisation Selektion Diskrimination Analyse Synthese Ergänzung
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Therapie der AVWS
Hörwahrnehmungstraining Das Hörwahrnehmungstraining = ein neuronales Aufbautraining, das durch eine spezielle akustische Stimulation erreicht wird. Das Training erfolgt mit hochtonreicher Musik und wird bei Bedarf noch mit einem Sprachtraining ergänzt.
Die 3 Wirkprinzipien des Hörwahrnehmungstrainings: Hochtonfilterung Lateralisation Sprach-Feedback
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Hochtonfilterung Die Hochtonfilterung wirkt aber einer frei bestimmbaren Eckfrequenz und Intensität.
Trainiert folgende Teilfunktionen: Lautunterscheidung (Diskrimination) Störschall-Nutzschall-Filterfähigkeit (Selektion) Geräuschüberempfindlichkeit (Hyperakusis) Tonhöhenunterscheidung Zeitliche Verarbeitung (Ordnungsschwelle) Kurzzeitgedächtnis (Arbeitsgedächtnis)
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Lateralisation Bei der Lateralisation werden die hohen Töne eines Schallereignisses zwischen den beiden Ohren hin und her bewegt.
Trainiert folgende Teilfunktionen: Raumwahrnehmung Richtungshören beidohrige Hörverarbeitung (dichotisches Hören) auditive Aufmerksamkeit Lateralisation der Gehirnhälften
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Sprach-Feedback Beim Sprach-Feedback erfolgt die Rückkoppelung der eigenen Sprache über Mikrofon und Kopfhörer. Diese Rückkoppelung erweist sich als besonders hilfreich bei der Behandlung von Sprachentwick-lungsstörungen u/o auditiven Anteilen einer LRS. Trainiert folgende Teilfunktionen: Lautunterscheidung Tonhöhenunterscheidung auditive Aufmerksamkeit
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Die Bedeutung der Musik im AUDIVA-Training: Musik ist ... ... eng mit dem limbischen System, dem Sprachzentrum und
der Motorik verbunden, ... regt diese Bereiche ohne Leistungsansprüche an, ... bei „richtiger Musikwahl“ emotional ausgleichend, ... in komplexer Gestaltung Jogging für das Gehirn, ... sprachvorbereitend (das Gehirn verarbeitet Musik bereits
bevor es die Fähigkeit zum sprachlichen Ausdruck entwickelt hat).
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Musik als „Medizin“Beim Hören angenehmer Musik steigt die Dopaminausschüttung, diese verbessert die Konzentration und Lernbereitschaft. AD(H)S wird auf einen reduzierten Gehirnstoffwechsel und auf Dopaminmangel zurückgeführt. Medikamente wie Ritalin wirken hemmend auf den natürlichen Abbau von Dopamin. Durch die Musiktherapie kann die natürliche Produktion von Dopamin angeregt und eine medikamentenfreie Therapie unterstützt werden.
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Musiktherapie (Phase A – 12 Wochen) Ideal ist, 2- bis 3-mal 10 Minuten pro Tag, die Dauer kann auch
länger sein, solange sich das Kind, der Jugendlich/Erwachsene wohlfühlt.
Aktives Zuhören ist nicht notwendig, es kann nebenbei immer etwas getan werden, z. B. Zeichnen, Mandalas malen, Basteln, Spielen, HÜ (Konzentrationshilfe); - nicht geeignet: TV, Computer, Gameboy.
Ein besonders guter Zeitpunkt ist der Morgen und der Abend – möglichst gleichbleibende Zeiten wählen.
Langsame Steigerung der Intensität durch das vor-programmierte Levelprogramm (Stufen 1 bis 6).
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HWT mit Sprache (Phase B) Wesentlich in dieser Trainingsphase ist die Verbesserung der Fremdwahrnehmung durch die Filterung und das „sich selbst hören“ über Mikrofon und Kopfhörer. Dadurch wird das Sprachbewusstsein und die eigene Sprech- und Sprachfähigkeit gefördert: Sprachverständnis Phonologische Bewusstheit Artikulation Grammatik und Wortschatz Phonem-Graphem Koppelung Lesetraining
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Sprachtraining (Phase B – 7. bis 12. Woche) Das Sprachtraining wird mit Hilfe von Hörbüchern u/o speziellen Übungsmaterialien im Levelprogramm oder mit frei gewählten Einstellungen durchgeführt.
Einstellungen für die Verstärkung von Phonemen Filterung: jeweils 60 – 80 % Eckfrequenz Vokalbereich: O-U-A 1000 Hz Vokalbereich: E- I 2000 Hz Konsonanten: b, p, d, t, g, k 3000-4000 Hz Frikative: f, w 5000 Hz Zischlaute: s, sch, x, z 6000 Hz
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SprechgeschwindigkeitDurch das „normale“ Lesetempo werdenEndungen und Sprechpausen ausgelassen.Die langsame Sprechgeschwindigkeit ist gut geeignet bei: stockendem Lesen verlangsamter Verarbeitung mangelhafter Artikulation Leseunlust wegen schlechter Erfahrungen und/oder
Überforderung
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AVWS und andere Störungsbilder
AVWS & Periphere Hörstörungen Störungen der phonologischen Bewusstheit Sprachentwicklungsstörungen Lernschwächen und Lernbehinderungen Spezifische Lernstörungen - im Besonderen LRS Sekundäre Verhaltensstörungen ADS und ADHS