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Capitães de Areia NAVIO NEGREIRO Karneval der Kulturen 2007 1 KARNEVAL DER KULTUREN 2007 NAVIO NEGREIRO Die Verschiffung der Sklaven von Afrika nach Brasilien © Capitães de Areia Berlin 2007

Die Verschiffung der Sklaven von Afrika nach Brasilien - Capitaes de Areia · Capitães de Areia NAVIO NEGREIRO Karneval der Kulturen 2007 7 Mit dem Verbot des Sklavenhandels verschlechterten

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Capitães de Areia NAVIO NEGREIRO Karneval der Kulturen 2007

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KARNEVAL DER KULTUREN 2007

NAVIO NEGREIRO

Die Verschiffung der Sklaven von Afrika nach Brasilien

© Capitães de Areia Berlin 2007

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NAVIO NEGREIRO

Die Geschichte der Verschiffung der Sklaven von Afrika nach Brasilien

Die Anfänge

Im 14. und 15. Jahrhundert stieg Portugal zur führenden Handels- und

Seemacht auf und erwarb u.a. Kolonien in Brasilien und Afrika, von Anfang an waren die Portugiesen die Pioniere im Sklavenhandel. Mit Beginn der Plan-

tagenwirtschaft in Brasilien erreichte der Sklavenhandel zwischen Afrika und Brasilien enorme Ausmaße.

Bereits 1481 wurden an der Küste Westafrikas die ersten Forts errichtet. Dies

war den Portugiesen allerdings nur durch Überredung der Afrikanischen Herrscher und durch Geschenke möglich. Doch schon bald befanden sich

zahlreiche Forts und Handelsfaktoreien in Angola, im Kongo, in Ghana und sogar in Mosambik an der Ostküste Afrikas.

Beschaffung von Sklaven

Da sich die Macht der Portugiesen zum größten Teil auf die Küstenregion be-

schränkte, mussten sie mit afrikanischen Zwischenhändlern zusammen-

arbeiten. Gegen Tausch von beliebten Waren, wie Alkohol und Schusswaffen, waren diese aber durchaus dazu bereit, ihre eigenen Landsleute zu kidnappen

und an die Portugiesen zu verkaufen. Für Angola wurde der Handel mit Sklaven sogar zur wirtschaftlichen Grundlage.

Es wurden regelrechte Sklavenjagden veranstaltet, bei denen oft Hunderte von Afrikanern gefangen genommen wurden. Aneinandergekettet wurden sie

in großen Märschen zur Küste geführt und dort in die Verliese der Sklavenhändler gesteckt. Dort warteten sie bis zur Verschiffung.

Die Ketten, die den Sklaven am Tag ihrer Gefangennahme angelegt wurden,

nahmen sie bis zu ihrem Tod nicht mehr ab.

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Widerstand

Die Portugiesen mussten täglich mit Angriffen rechnen und den ersten Sklavenjägern war es nur mit Waffengewalt gelungen, sich an der afrika-

nischen Küste festzusetzen. Die Afrikaner versuchten oft genug die von den Eroberern erbauten Forts und Handelsfaktoreien zu zerstören. So wurde 1578

das Fort Accra (Ghana) durch eine List zerstört. Die Afrikaner täuschten vor,

mit den Portugiesen Handelsbeziehungen eingehen zu wollen und wurden von ihnen im Fort empfangen. Als man sie aber eingelassen hatte, erhoben sie die

Waffen und gingen zum Angriff über. Das Fort wurde vollständig nieder-gebrannt. Je länger die Eroberer im Land waren und die menschlichen

Ressourcen des Landes ausbeuteten, desto härter und erbitterter kämpften die Einwohner und versuchten sich von ihren Unterdrückern zu befreien.

Im Kongo wurde der Widerstand einmal so groß, dass der König, Antonio I.,

1665 zum Kampf aufrief und mit 900.000 Mann in die Schlacht zog. Er hatte jedoch keine Chance gegen die Portugiesen.

Auch in Angola gab es viele mutige Versuche die Portugiesen

zurückzudrängen. Als die Königin Nzinga Mbundi Ngola 1624 an die Macht kam, begann für die Portugiesen eine harte Zeit, es ging sogar so weit, dass

die Kolonien das Mutterland um Hilfe bitten mussten, da sie gegen die vielen

Angriffe nicht mehr ankamen. Mit dem Auftreten Paulo Dias de Novais begann 1578 die Periode der „angolanischen Kriege“, in der die mutige Königin mit

ihren Truppen zahlreiche Siege gegen die Eroberer erzielte. Ihr größter Triumph war 1643, als sie die Portugiesen in eine Falle lockte und ihnen einen

vernichtenden Schlag versetzte. Nach dieser Niederlage schickte Portugal 1648 eine Flotte nach Angola, um gegen die Königin anzutreten. Ihre Macht

war so groß geworden, dass die Wege des Sklavenhandels blockiert wurden und der Nachschub von Sklaven nicht mehr gewährleistet werden konnte. Ihre

Abwehrkämpfe verhinderten ein weiteres Vordringen der Portugiesen ins Landesinnere und schafften es, dass der Sklavenhandel in Angola gänzlich

zum Erliegen kam. 1657 holten die Portugiesen jedoch zum entscheidenden Schlag aus. Die Angolaner traten mit Bogen, Lanzen, Äxten und Hackmessern

bewaffnet gegen ihre Feinde an. Die meisten hatten geschworen, nicht eher nach Hause zu kommen, bis die Eindringlinge vertrieben waren, doch der

Widerstand wurde niedergeschlagen.

Noch heute werden Geschichten über die einstige Stärke der Kriegerkönigin

erzählt. Durch ihren Mut und ihre Taten wurde sie auch die „Afrikanische Jeanne d’Arc“ genannt. Sie wurde von ihrem Volk glühend verehrt und starb

im hohen Alter von 84 Jahren.

Durch die Kriege war das Land so geschwächt, dass es endgültig in kleine Territorien zerfiel und einige Stämme die Landarbeit völlig aufgaben, um

schwächere Stämme zu überfallen und an die Portugiesen zu verkaufen.

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Das Haupthindernis eines erfolgreichen Widerstandes war also nicht nur die waffentechnische Unterlegenheit der Afrikaner, sondern auch die Uneinigkeit

unter den Stämmen, denn die afrikanischen Zwischenhändler, die aus der Sklaverei Gewinn machten, waren nicht daran interessiert, ihre

portugiesischen Geschäftspartner zu bekämpfen. Obwohl der Widerstand meist nur regionalen Charakter hatte und nur zeitweilig erfolgreich war, hat er

eine große geschichtliche Bedeutung.

Verschiffung

Nachdem die gekidnappten Menschen oft tagelang in den Verliesen ver-

brachten, kam der Tag der Verschiffung. Männern wie Frauen wurden die Köpfe rasiert. Zu zweit aneinander gekettet, wurden sie auf kleinen Beibooten

zu den großen Schiffen gebracht.

Die meisten Gefangenen sahen an diesem Tag zum ersten Mal Wasser und ahnten, dass sie ihr Mutterland, das sie gerade verließen, nie wieder sehen

würden. Aus Panik sprangen viele über Bord und wählten lieber den Tod als

ein Leben in ewiger Gefangenschaft. Auf den Schiffen angekommen, wurden die Sklaven in die Laderäume gesperrt. Die Bedingungen auf den Schiffen

waren menschenunwürdig. Auf Schamgefühle wurde keinerlei Rücksicht genommen. Nackt und aneinandergekettet saßen die Menschen dicht an dicht

gedrängt auf dem Boden. Es war so wenig Platz, dass es für die Menschen nicht einmal möglich war sich hinzulegen. Für die Notdurft gab es für

Hunderte von Menschen nur einen einzigen großen Eimer, der einmal am Tag ausgeleert wurde.

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Durch die unerträgliche Hitze unter Deck herrschte ein fürchterlicher Gestank. Tote lagen neben Frauen, die gerade ein Kind zur Welt gebracht hatten. Die

Gefangenen bekamen nur das Nötigste an Nahrung. Es gab für jeden Sklaven nur eine Hand voll Grütze und eine Kelle Wasser. Schnell brachen Epidemien

aus, da die Hygiene an Bord katastrophal war.

Eine der Haupttodesursachen der Sklaven war die Seemannskrankheit "Skorbut". Die Herkunft des Begriffes kommt aus dem Holländischen

"Scheurerbek" (wunder Mund). Skorbut war die häufige Begleiterscheinung

von Unterernährung und Mangel an Vitamin C. Die Symptome waren Zahnausfall, Gelenkentzündung, Muskelschwund bis hin zum Herzstillstand.

Einmal am Tag wurden die Sklaven an Deck gebracht, doch nicht nur zum Luft

schnappen, sondern auch, um das Deck zu schrubben. Dies diente nicht nur dazu, die Sklaven zu beschäftigen sondern auch, um sie zu bewegen und sie

gesund zu halten. Bei dieser Arbeit nutzten viele die Gelegenheit, um über Bord zu springen, es kam auch oft zu Massenselbstmorden. Wurden Sklaven

daran gehindert in die Fluten zu springen und sich selbst zu ertränken, hatten sie mit schlimmen Strafen zu rechnen. Meist wurden sie zur Abschreckung an

Ort und Stelle an einen Mast gehängt und brutal ausgepeitscht.

Im Durchschnitt starb ein Fünftel der Menschen während der Überfahrt, meist sogar ein Drittel. Die Toten wurden dann einfach über Bord geworfen.

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Mit dem Verbot des Sklavenhandels verschlechterten sich die Bedingungen der Überfahrt noch mehr, da kleinere und beweglichere Schiffe verwendet

wurden, in denen noch weniger Platz war. Da das Geschäft aber durch das Verbot noch lukrativer geworden war, wurden die Schiffe voll gestopft. Die

Sklavenhändler profitierten schon, wenn nur die Hälfte der „Ladung“ überlebte. Drohte Gefahr durch ein Kontrollschiff, wurden die Menschen

getötet und einfach über Bord geworfen. Der Verlust wurde von den Händlern einkalkuliert und als in Brasilien für jeden Sklaven ein Zoll von 10$ eingeführt

wurde, wurden auf der Überfahrt meist diejenigen über Bord geworfen, die

diese Summe auf den Sklavenmärkten nicht mehr einbringen würden.

Obwohl die Sklaven auf den Schiffen meist am Ende ihrer Kräfte waren, kam es häufig zu Revolten. Es waren reine Verzweiflungstaten. Wurde eine Revolte

niedergeschlagen, waren schreckliche Bestrafungen wie Schläge, Verstüm-melungen oder Tod die Folge.

Sklaven in Brasilien

Völlig erschöpft und ausgemergelt kamen die Sklaven nach wochenlanger Überfahrt in Brasilien an. Um sie zu einem „marktwürdigen“ Aussehen zu

bringen, wurden sie in so genannte Masthöfe gesteckt, bis sie auf den Sklavenmärkten von Salvador, Recife oder Rio de Janeiro verkauft wurden.

Um die Sklaven zu verkaufen, wurden sie manchmal auch als „Prozession“

durch die Straßen geführt und dabei von den Händlern mit der Peitsche angetrieben. Männer und Frauen mussten sich dann in getrennten Gruppen

aufstellen, jeder Käufer suchte sich aus, was ihm gefiel und danach wurde gehandelt. Männer und Jungen brachten 400–500 Gulden und Frauen, je nach

Aussehen 200–300 Gulden. Junge, schöne Frauen allerdings waren am „wertvollsten“, sie brachten den Händlern bis zu 1000 Gulden ein. Auf den

Sklavenmärkten wurde keine Rücksicht auf Verwandtschaft genommen, Familien wurden ohne weiteres auseinandergerissen, Babys wurden den

Armen ihrer Mütter entrissen. In den Zeitungen waren sogar Verkaufsannoncen geschaltet. Hatte jemand einen Sklaven erworben,

markierte man ihn mit seinem persönlichen Zeichen. Dieses Erkennungszeichen wurde in die Haut des Sklaven eingebrannt. Sklaven

hatten den Status einer Ware und konnten beliebig verkauft, getauscht, vermietet oder verpachtet werden und wenn ein Sklave mehrmals den

Besitzer wechselte, war er übersät mit solchen Brandzeichen.

Die meisten Sklaven wurden auf den Plantagen der Großgrundbesitzer

eingesetzt. Sie mussten von früh morgens um 5 Uhr bis meist abends oder auch nachts arbeiten. Bei kleinsten Vergehen gab es bis zu hundert Hiebe als

Strafe. Sie bekamen nur wenig zu essen und der Hunger brachte die Menschen dazu, Ratten zu fangen und zu essen.

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Die Sklaven waren nicht nur dafür da, um ihre Arbeitskraft auszubeuten.

Außerhalb des Arbeitsbereiches mussten sie unerträgliche Entwürdigungen ertragen, Männer wie Frauen wurden zu den unvorstellbarsten sexuellen

Handlungen gezwungen, mussten ihre Herren mit afrikanischen Tänzen belustigen oder wurden einfach nur zur Freude der Besitzer ausgepeitscht bis

sie über und über mit Blut bedeckt waren. Wer ihnen helfen wollte, wurde mit Verstümmelung oder Tod bestraft.

Die Sklaven waren der Willkür ihrer Herren ausgesetzt und die schlechte

Behandlung führte dazu, dass die durchschnittliche Lebenserwartung bei nur 35 Jahren lag.

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Widerstand in Brasilien

Auch in Brasilien gab es Widerstand. Die Sklaven arbeiteten absichtlich langsam, liefen fort, setzten Plantagen in Brand, organisierten bewaffnete

Aufstände. Die Frauen versuchten mit allen Mitteln zu verhindern, Kinder zu bekommen, um sie vor diesem schrecklichen Leben in Gefangenschaft zu

bewahren. Die geflüchteten Sklaven errichteten in den Wäldern von Palmares

befestigte Siedlungen, die „Quilombos“. Mitte des 17. Jahrhunderts hatte diese „Schwarze Republik“ bereits über 50.000 Einwohner, die sich mit aller

Kraft gegen die Portugiesen stellten und über 20 bewaffnete Angriffe abwehrten.

Capoeiristas bereiten sich auf den Kampf vor

Erst 1697 nach mehrjähriger Belagerung konnten die Quilombos von

Portugiesen niedergeschlagen werden.

Abschaffung des Sklavenhandels

1807 wurde im britischen Parlament ein Gesetz beschlossen, das den Sklavenhandel in britischen Besatzungen verbot. Das Gesetz trat am 1. Januar

1808 in Kraft. Die Briten wollten den Sklavenhandel gänzlich aus der Welt

schaffen, aus Angst wirtschaftlich nicht mehr mit anderen Nationen, die Sklaverei betrieben, mithalten zu können. Zunächst kontrollierten die

britischen Kriegsschiffe nur die Küsten und später auch die Seewege. In Brasilien wurde der Sklavenhandel 1850 eingestellt. Doch erst 1888 folgte die

endgültige Abschaffung der Sklaverei und die letzten 700.000 Menschen wurden freigelassen.

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Nach den USA war Brasilien die zweitgrößte Sklavennation, im frühen 19. Jahrhundert waren von 4 Millionen Einwohnern ungefähr die Hälfte Sklaven.

Schätzungen zufolge wurden insgesamt etwa 12 Millionen Menschen von Afrika nach Brasilien deportiert.

Die Rückkehr

Manche Sklaven wurden von den Kontrollschiffen gerettet und wieder zurück

nach Afrika gebracht. Viele von ihnen starben trotzdem an den Folgen der Umstände auf den Schiffen. Nicht nur die physischen Belastungen wie die

lange Einsperrung, der Mangel an Luft, die mangelnde Hygiene an Bord, die Veränderung der Kleidung, Nahrung, Lebensweise und des Klimas raffte sie

dahin, auch die psychischen Belastungen wie die Angst, nie wieder nach Hause zurückzukehren, waren unerträglich und überschritten die Grenze des

Zumutbaren.

ANHANG - AUGENZEUGENBERICHTE

Es war der schlimmste Ort auf Erden, der Bauch der Bestie, das lukrativste

aller Warenlager, das am besten zu verkaufende Handelsgut.

In den Laderäumen der Sklavenschiffe, die vor mehr als 300 Jahren den

Atlantik überquerten – von der Westküste Afrikas zur Nordküste Brasiliens – traten mehr als 3 Millionen Afrikaner eine Reise ohne Wiederkehr an, die

unvorstellbare Reichtümer hervorbrachte, Familienimperien entstehen ließ und eine ganze Nation gebar.

Es war der Schiffsbauch des Todes eines merkantilistischen Raubtieres; eine Maschine, die Menschen zermahlte und die dazu diente, die Plantagen,

Zuckermühlen und Herrenhäuser fortwährend mit neuen Arbeitern und Dienern zu versorgen.

Das Leben an Bord der Sklavenschiffe wurde von Augenzeugen detailgenau

geschildert, vor allem britische Berichte enthüllen ein schreckliches Szenario.

Seit dem 7. November 1831 war der Menschenhandel illegal in Brasilien und Schiffe patrouillierten vor der brasilianischen Küste, um zu überwachen, dass

das Verbot eingehalten wurde. Es gibt ein Beispiel aus dem Jahre 1841, in dem das britische Schiff Fawn an

der brasilianischen Küste das Sklavenschiff Dois de Fevereiro gefangen nahm: Nach Sichtung des Schiffes notierte der britische Kapitän folgende

grauenhafte Szenen in sein Logbuch: „Die Lebenden, Toten und die Todgeweihten bilden eine einzige Masse. Einige der Unglücklichen befinden

sich in einem beklagenswerten Zustand der Pockenkrankheit.

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Es gibt Menschen mit entzündeten Augen, andere schon erblindet. Wieder

andere nur mehr wandelnde Skelette, die sich kaum auf den Beinen halten, geschweige denn ihr eigenes Körpergewicht tragen konnten.

Mütter mit kleinen Kindern an der Brust, nicht fähig, ihnen auch nur einen Tropfen Milch zu geben. Dass sie bis zu diesem Zeitpunkt überlebt haben,

scheint wie ein Wunder [...]. Im unteren Teil ist der Gestank unerträglich. Es scheint gänzlich unmöglich, dass Menschen unter diesen Umständen

überleben konnten.“ In der Tat überlebte nur jeder fünfte Sklave die Reise nach Brasilien.

Sie waren im wahrsten Sinne des Wortes „verderbliche Ware“. Jene, die das Ziel lebend erreichten, überlebten im Durchschnitt noch sieben Jahre. Doch

sie waren billige Arbeitskräfte und ersetzbar: es gab unzählige andere, die nach ihnen kamen.

Das älteste Zeugnis über den Import von afrikanischen Sklaven nach Brasilien

ist ein Dokument, das in São Vicente am 3. März 1533 niedergeschrieben wurde und in welchem Pero de Góis den König um 17 Sklaven zum Preis von

50.000 Réis bittet. Sechs Jahre später wiederholt der Empfänger Duarte Coelmo die Bestellung und besteht zudem auf steuerliche Befreiung.

Die afrikanischen Sklaven wurden für sämtliche Arbeiten eingesetzt. Sie

arbeiteten in den Zuckermühlen, als Holzfäller, Fischer, Minen- und Feldarbeiter, Handwerker und Hausangestellte, Laufburschen und

Leibwächter. Einige von ihnen arbeiteten auch als Aufseher der anderen

Sklaven. Sie wurden überall gebraucht: in den Städten, auf Feldern, in Wäldern, auf Märkten, in Herrenhäusern und Palästen. Sie selbst lebten in

einfachen Hütten.

Die versklavten Menschen waren die Lasttiere der Gesellschaft: sie trugen Koffer, Truhen, Körbe, Kisten, Holz, Stein, Gold und selbstverständlich

Tabletts mit Speisen für ihre reichen Herren. Ihre Herren selbst wurden von ihnen in Hängematten und Sänften getragen.

Doch sie waren nicht nur die Schultern, Rücken und Beine Brasiliens, sondern auch die Augen und Hände der Minenbesitzer.

Sie verhalfen erst einer Kolonie und später einem ganzen Imperium zum Gehen.

Sie waren der Leib, der die riesige Bevölkerung Brasiliens aller Couleur gebar und der Busen, der die Kinder der Herren nährte.

Doch welche Konsequenzen hat dieses Vermächtnis? John Luccock notierte 1808 während eines Besuches in Brasilien, dass sich die

Weißen als „zu vornehm, um zu arbeiten“, fühlten. Ähnliches berichtet Thomas Ewbank ein halbes Jahrhundert später: „...ein [weißer] Junge wäre

lieber verhungert, als ein Handwerk zu erlernen [...]. Durch die Sklaverei ist Arbeit zu etwas Entehrendem geworden. Was sich daraus ergibt, ist

katastrophal, verändert die natürliche Ordnung und zerstört die Harmonie der Zivilisation.“

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Der Portugiese Luís Vilhena sah Brasilien sogar als „Wiege der Faulheit“.

„Brasilien wurde von einem Sklavenleib geboren.“ Tatsächlich war in kaum einer Kolonie der Kontakt zwischen den Herren und ihren Sklavinnen so eng

wie in Brasilien. Als die Zahl der nach Brasilien kommenden Afrikanerinnen zunahm, wurden

sie nicht mehr nur für schwere Arbeiten, sondern zunehmend als Hausangestellte eingesetzt. Dort arbeiteten die gesündesten und kräftigsten

als Ammen und Kinderfrauen. Denn in Portugal, wie auch in Brasilien stillten

die weißen Mütter ihre Kinder nicht selbst, sondern überließen dies den schwarzen Ammen.

Gilberto Freyre schrieb in seinem historiografischen Klassiker „Casa grande e

senzala“ („Herrenhaus und Sklavenhütte“) jedoch auch über eine andere Konsequenz, die der Einzug der Sklavinnen in die Herrenhäuser mit sich

brachte: „[...] an erster Stelle steht das eigentliche wirtschaftliche Interesse des Herren eine größtmögliche Anzahl von Kindern zu besitzen.“

Es war aber nicht nur der bloße Wunsch neue Diener zu „produzieren“, weswegen die Herren sexuellen Kontakt mit ihren Sklavinnen hatten.

Die pure Perversion war mitunter ein Bestandteil dieser Beziehungen. So berichtete ein gewisser João de Azevedo Macedo noch im Jahre 1869, dass es

gegen Syphilis kein besseres Mittel gäbe, als mit einer schwarzen Jungfrau zu schlafen.

Noch bis vor drei Jahrzehnten galt in der brasilianischen Historiografie die Überzeugung, dass sich die Sklaven gut an das tyrannische System

„angepasst“ hätten. Heute weiß man allerdings, dass es immer wieder Aufbegehren seitens der Sklaven gegeben hat. Tausende von Schwarzen

kämpften in verschiedensten Formen für ihre Freiheit. Sie flüchteten – manche allein, andere in Gruppen. Doch dies war nicht die einzige Form der

Rebellion: einige Sklaven töteten ihre Aufseher, griffen ihre Herren an oder brannten ihre Hütten nieder. Andere „befreiten“ sich durch Selbstmord.

Wo Sklaverei herrschte, gab es immer Widerstand, der mit Hilfe der Capoeira waffenlos aufrecht erhalten wurde. Die Sklaven, denen die Flucht gelungen

war, gründeten versteckt im brasilianischen Urwald kleine Gemeinden, sogenannte Mocambos und Quilombos (Bantu für „versteckt“). Wie viele

Menschen in den Verstecken lebten, ist nicht bekannt, jedoch, dass einige über ein Jahrhundert bestehen konnten – das bekannteste von ihnen war das

Quilombo dos Palmares - ohne von ihren ehemaligen Besitzern entdeckt zu

werden.

Es hätte wahrscheinlich noch über das Jahr 1831 hinaus Sklaventransporte von Afrika nach Brasilien gegeben, wenn es aus bloßen wirtschaftlichen

Gründen kein solch lukratives Geschäft mehr gewesen wäre. Obwohl die Sklaverei in Brasilien schon ab 1858 geächtet wurde, wurde sie

erst 1888 offiziell von König Dom Pedro II. abgeschafft. Brasilien war die letzte Kolonie, die das Verbot durchsetzte.

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Quellen: www.wikipedia.de <http://www.wikipedia.de/> Heinrich Loth: "Das Sklavenschiff" und "Das portugiesische

Kolonialreich" Susanne Everett: "Geschichte der Sklaverei"

Eduardo Bueno: "Brasil: uma História"