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Universität LeipzigOstasiatisches InstitutJapanologie
Die Situation der Arbeitnehmer im AKW/KKW Fukushima Daiichi
Felix Jawinski M.A.Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand
source: Watanabe Hiroyuki (2011) : Genpatsu rôdô no shitauke kôzô [The Subcontract Structure in nNuclear Labor]. In Hiroyuki no katsudô nisshi [HiroyukisActivities Diary]. URL: http://jcphiro.exblog.jp/14749598; translated by FJ
Subunternehmensstruktur der Atomindustrie am Bsp. AKW Fukushima Daiichi
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Zahlen der AKW-Arbeiter (insgesamt, 1970-2009)
3
SubunternehmensarbeiterAngestellte der Energiefirmen
Jahr
Fukushima Daiichi
2015: 65.233 AKW-Arbeiter insgesamt→ 55.109 Subunternehmensarbeiter
Fiskal-jahr
TEPCO SUB-U. Man-Sv Verhältnis TEPCO – SUB-U nach
Man-Sv
2008 1096 9260 1 : 8,5 0,75 : 14,05 18,73-fach
2009 1108 9195 1 : 8,3 0,85 : 14,00 16,47-fach
2010 1936 12127 1 : 6,3 53,66 : 59,14 1,10-fach
2011 2903 16993 1 : 5,9 32,01 : 145,54 4,55-fach
2012 1623 12117 1 : 7,5 7,30 : 71,51 9,80-fach
2013 1693 13053 1 : 7,7 5,48 : 71,95 13,13-fach
2014 1688 19042 1 : 11,3 3,88 : 100,69 25,95-fach
2015 1697 16499 1 : 9,7 3,14 : 74,52 23,73-fach
2016 1678 14157 1: 8,4 2,13 : 43,78 20,55-fach
2017 1530 12413 1 : 8,1 1,76 : 35,76 20,32-fach
Quelle: eigene Zusammenstellung auf der Grundlage der vom CNIC veröffentlichten Zahlen http://www.cnic.jp/english/?cat=5
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1096 1108 1936 2903 1623 1693 1688 1697 1678 1530
9260 9195
12127
16993
12117 13053
1904216499
1415712413
0
5000
10000
15000
20000
25000
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
ZAHL DER ARBEITER IN FUKUSHIMA DAIICHI
TEPCO SUB-U.
Unfall passierte noch in
Fiskaljahr 2010!
5
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Sub. in Man-Sv 14,05 14 59,14 145,54 71,51 71,95 100,69 74,52 43,78 35,76
TEPCO in Man-Sv 0,75 0,85 53,66 32,01 7,3 5,48 3,88 3,14 2,13 1,76
0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
200
Verhältnis der Kontamination in Personensievert
TEPCO in Man-Sv Sub. in Man-Sv
Unfall passierte noch in
Fiskaljahr 2010!
Unterschied(lich)e AKW-Arbeiter
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1. Angestellte der Betreiberfirma
7
source: http://www.zeit.de/wissen/2016-03/fukushima-atomkatastrophe-jahrestag-ruine-arbeiter-fs
• Unbefristet angestellt, hohe soziale Absicherung
• Sehr/ relativ geringe Strahlendosen
• Arbeitsinhalt:
– Ingenieure, Überwachung, Kontrollfunktion
→ keine Ausführung von tatsächlichen
Wartungs- und Reparaturarbeiten
– Einsatzgebiet: alle Bereiche des Werks, aber
meist außerhalb der Kontrollzonen
Devise „So viel wie nötig, so wenig wie
möglich!“
source: http://www.spreadnews.de/fukushima-aktuell-heraufpumpen-von-kontaminiertem-grundwasser-begonnen/1147344/
2. Spezialisten und Facharbeiter
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• unbefristet angestellt, aber in Subfirmen
• geringere aber auch teils hohe Strahlenbelastung
• Einsatzgebiet:- vorrangig qualifizierte Tätigkeit mit mehrjähriger
Berufserfahrung und Spezialwissen
- Meist weniger kontaminierte Bereiche
source: http://www.zeit.de/wissen/2016-03/fukushima-atomkatastrophe-jahrestag-ruine-arbeiter-fs
source: http://saigaijyouhou.com/img/20140901134732ioiioioio.jpg/
3. Wegwerfarbeiter/ „AKW-Zigeuner“
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•Befristet angestellt (Tagelöhner) in Subsubsubfirmen
• Hohe Strahlenbelastung
• Einsatzgebiet:
• vorrangig Einfacharbeit und ungelernte Tätigkeit
• Oft hochkontaminierte Bereiche
source: http://japanfocus.org/-Arkadiusz-Podniesi__ski/4388/article.html
seit 2011
Source and © Higuchi Kenji
Alltägliche Probleme der Wegwerfarbeiter
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• Gisô ukeoi – Scheinwerkvertragsarbeit
• Pinhane – Schwindelprofit
• kankôrei – Schweigepflichtserklärungen
• Schwierigkeit der Anerkennung von arbeitsbedingten Erkrankungen
• Lange Arbeitszeiten
• Psychischer Stress durch Dosimeter
• Fehlende gewerkschaftliche Unterstützung
Leiharbeitsfirma Arbeiter
Entleihende Firma
Regulärer
Arbeitsvertrag
Weisungsbefugnis
KEINE
Weisungsbefugnis
Werkvertrag
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Gisô ukeoi – Scheinwerkvertragsarbeit
Erteilt Weisungen
Problem
Arbeiter werden behandelt wie Leiharbeiter, erhalten aber weniger Bezahlung
Pinhane – Schwindelprofit
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source: http://t.co/OXxL6izEtW
Die Verschwiegenheitsserklärung
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Im "Vertrag für die Wiederaufbauarbeiten innerhalb des Geländes des Atomkraftwerkes Fukushima Daiichi von Tôkyô Electric Power Company" (Tôkyô denryoku fukushima daiichi genshiryoku hatsudensho kônai fukkyû sagyô muke keiyakusho) gibt es folgende Passage:
"Artikel 4 (Verschwiegenheit): Zweitens zählt für den diesmaligen Dienst, dass alle Informationen (ganz gleich ob Geschriebene, Gesprochene oder Gesehene), die innerhalb oder außerhalb des Geländes des Atomkraftwerkes Fukushima Daiichi der Tôkyô Electric Power Company erfahren werden, strengster Geheimhaltung unterliegen. Außerdem ist es für Recherchen gleich welchen Mediums untersagt Dienstinformationen zur Verfügung zu stellen und weiterzugeben."
Quelle: Watanabe Hiroyuki (2011): Genpatsu rōdōsha no shitauke kōzō: Iwaki-shi no seikatsu sōdan kara
(tokushū: rōdōsha no jōtai to nihon shakai). [Die Subkontraktstruktur der AKW-Arbeiter - Bericht von der
Sozialberatung der Stadt Iwaki (Sonderausgabe: Die Lage der Arbeiter und die japanische Gesellschaft)].
Keizai (12). S 51.
Dekontaminationsarbeiter (Philippino, 50)
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“ Bei der Vertragsunterzeichnung sagte der Boss eigentlich nur zwei Dinge.
Erstens, dass wir mehr kontaminiert werden, wenn wir Mikrowellenessen essen als bei unserer Arbeit in der Sperrzone. Wir sollten uns also darüber schon mal keine Sorgen machen.
Zweitens, dass es uns verboten sei Fotos bei und von der Arbeit zu machen, wir mit niemanden über unsere Arbeit sprechen dürften, und dass wir alle eine Schweigepflichterklärung unterschreiben müssten. Die wiederum hatte die Klausel, dass wir bei Zuwiderhandlung mit einer Geldstrafe von bis zu 50.000.000 Yen (ca. 500.000 €) zu rechnen hätten.”
Interview von Felix Jawinski in Nagoya (Juli 2016)
Anerkennung von arbeitsbedingten Erkrankungen
• Anerkannte Fälle von berufsbedingten Erkrankung aufgrund ionisierender Strahlung (z.B. Leukämie und Leberkrebs) bis 2011: 13 Arbeiter; seit 2011: 5 weitere anerkannte Fälle
• Eingereichte Fälle 2011-2015: 8
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Probleme bei Anerkennung: • Lange Prozessdauer
• Hohe Kosten
• Unterstützervereinigungen notwendig (momentan:
Arakabu-saiban)
• Unterschiedliche Grenzwerte für Anerkennungsmöglichkeit
je nach Krankheit:
❖ Leukämie: 5 mSv
❖ Allein in 2011: mehr als 10.000 mit Belastung höher als 5
mSv
❖ Bis Okt.2015: mehr als 23.000 Arbeiter!
→ mehr als die Hälfte aller Arbeiter in Fukushima Daiichi
❖ ABER: für Magenkrebs liegt die Mindestdosis bei 100 mSvQuelle: http://www.tokyo-np.co.jp/s/article/2015102190071957.html
Druck und Stress durch Dosimeter
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Umeda, Ryûsuke (ehem. AKW-Arbeiter)
Umeda: Man kommt nicht wirklich voran, wenn es piept.
F: Was haben Sie also gemacht?
Umeda: Ich hab‘s abgenommen und so einem „Onkel“ gegeben.
F: Einem „Onkel“?
Umeda: Ja, einem Typen, der nichts anderes macht.
F: Es gibt also jemanden, der nichts anderes macht als Dosimeterzu halten?
Umeda: Ja, er war schon alt. Er verdiente genauso viel wie wir.Wir nannten ihn ‚Piep-Killer‘. Er bringt die Dosimeter zumSchweigen. Diese Art Jobs existierte damals (1979)wahrscheinlich in jedem AKW. Wenn ich ihm mein Dosimetergab, zeigte es 2 oder 3 mSv. Schaute ich dann aber in meinenStrahlenpass, stand da nicht mehr als 0,8 mSv. Das haben wireinen „Trick“ genannt.
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=wuvwO1RlIVo
Im März 2011 in Fukushima Daiichi An manchen Tagen hatten bis zu 180 Arbeiter kein eigenes Dosimeter und
bekamen folglich dieselbeStrahlendosis in den Pass
geschrieben, wie ihre Vorarbeiteroder andere (oftmals weniger
belastete) Kollegen.
(Unzureichende) gewerkschaftliche
Unterstützung
Hirai Norio
• Ehemaliger Ingenieur und Spezialist für Bau von Kernkraftwerke
• Deckte Kontaminationsskandal in den 1980er Jahren auf, den er mit vertuschen sollte
• Ging damit Ende der 80er an die Presse, wurde zur Strafe von AG nach Nigeria versetzt
• Aktivitäten: • Ende der 80er bis zu seinem Tod 1996 unterstützte er Gerichtsprozesse von
erkrankten AN als Experte
• Leiter des 1990 gegründeten 原発被曝労働者救済センター(„Unterstützungszentrum für AKW-Arbeiter“)
• Nach seinem Tod: Es gab keinen Nachfolger→ Diese Unterstützungsvereinigung war bis 2011 die letzte ihrer Art!
Hibaku Rôdô o kangaeru nettowâku
• 2012 gegründet (Nachfolger von Hibaku RôdôMondai Project (April 2011!)
• Zusammenarbeit von Gewerkschaftlern, Arbeitsnormenbüros (労働基準局), Zentren für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Medizinern, Wissenschaftlern, Journalisten, Aktivisten, Anwälte + momentane/ehemalige AKW-Arbeiter
• Aktivitäten• Beratungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer• Konferenzen• Info-Veranstaltung• Publikationen• Unterstützung bei Gerichtsprozessen und anderen
AG-AN-Verhandlungen
Fazit
• Unterschiedliche „Typen“ von AKW-Arbeitern unterscheidbar nach Beschäftigungsverhältnis
• Diskrepanz in Anzahl und Strahlenbelastung zwischen Betreiberangestellten und Subunternehmensarbeitern
• Vor allem die Arbeiter am Ende der Auftragskette leiden unter mannigfaltigen Problemen
• Lange Zeit haben sich nur wenige Akteure für diese Probleme interessiert, erst nach Fukushima stieg das Interesse und die Situation konnte wenigstens analysiert und teilweise verbessert werden