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Modul 1
Die Philosophie der ICF-CY EINFÜHRUNG
Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung (Mitteilung) trägt allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben
Lernziele des Moduls 1: Die Lernenden …
• Haben Grundkenntnisse über die Philosophie der ICF-CY
• Verstehen Gesundheit und Krankheit im Rahmen der WHO-Definition
• Kennen die ICF-CY als Teil der „WHO-Familie“ von Kategorisierungssystemen
• Haben Basiskenntnisse über Ziele und Geltungsbereiche der ICF-CY
• Verstehen die Struktur der ICF-CY
• Können die ICF-CY zusammenfassend die Bedeutung in Bezug auf Frühförderung, Sozialpädiatrie und Integrative Kindergärten oder ähnliche Dienste einschätzen
ICF-CY
„Was versteckt sich hinter diesem Kürzel?“
„Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und
Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen“
(übersetzt und hrsg. Von Hollenweger und Kraus de Camargo, 2011)
Die ICF(-CY) ist Teil der WHO-Familie von Diagnosen/Kategoriensystemen
zur Beschreibung gesundheitsrelevanter Aspekte für
Menschen.
https://www.google.de/search?q=ICD+10+buch&client=firefox-b-ab&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwidtKTjpZfTAhXIDsAKHWJDDCcQ_AUICCgB&biw=1366&bih=659#imgrc=eRUazfqBLOa0vM:
Kritikpunkte an einer rein ICD-10 orientierten Beschreibung der Menschen:
● Kaum Aussagen über Fähigkeiten/Fertigkeiten von Menschen mit Behinderung
● Beschreibungssystem, das vor allem ausschließlich vom ärztlichen System verwendet wird
● Menschen werden kaum in ihrer Interaktion mit relevanten Umwelten beschrieben
● ICD-10 Klassifikationen sind häufig defizitorientiert
Zwischenschritte zur ICF: ICIDH - Klassifikation der Folgen von Krankheit International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps
Funktionsverlust
http://www.diabsite.de/aktuelles/nachrichten/2012/120321c.html
http://www.schule-und-familie.de/ausmalbild-drucken/malvorlage-fussballspiel.html
(Strukturelle) Schädigung
Behinderung
→
→
→ http://de.freepik.com/freie-ikonen/silhouette-eines-mannes-zu-fuss_703031.htm#term=spaziergang&page=1&position=33
Die ICF-CY als Beschreibungsmöglichkeit der Lebenswirklichkeit eines Kindes mit einem
„Gesundheitsproblem“
Die ICF-CY ermöglicht dabei vor allem die Beschreibung der Teilhabe unter Berücksichtigung der
Lebensumwelt eines Menschen.
Was bedeutet Teilhabe für Sie?
Murmelrunde
https://www.google.de/search?q=Murmeln&client=firefox-b-ab&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwjjsdr4ppfTAhUmI8AKHXU8BywQ_AUICCgB&biw=1366&bih=659#imgrc=3KbhRG-Pd08kIM:
Was verstehen wir unter Teilhabe?
Einbezogen sein und das tun zu können, was Kinder des selben Alters und deren Familie tun können:
● Aktiv seine Umwelt gestalten (gemeinsam mit den Eltern, den Tisch decken ...)
z.B. Sich verständigen
z.B. Auf den Spielplatz gehen, Spielen
z.B. An Aktivitäten in der Kita teilhaben (Teil des Morgenkreises zu sein…)
z.B. Selbständig sein (an- und ausziehen)
Übung:
1. Welche Teilhabeziele wurden verfolgt, wenn Sie an einzelne Kinder/Familien denken?
2. Welche Erfahrung haben Sie mit Teilhabezielen gemacht?
3. Was bedeuten Teilhabeziele für Eltern?
Die ICF-CY als Beschreibungsmöglichkeit der Lebenswirklichkeit eines Kindes mit einem
„Gesundheitsproblem“
Die ICF-CY ermöglicht dabei vor allem die Beschreibung der Teilhabe unter Berücksichtigung der
Lebensumwelt eines Menschen.
Das WHO-Verständnis funktionaler Gesundheit Eine Person ist funktional gesund, wenn vor dem
Hintergrund ihrer Kontextfaktoren
● ihre körperlichen Funktionen und Strukturen jenen eines gesunden Menschen entsprechen
● Wenn sie all das tut oder tun kann, wie es von einem Menschen ohne gesundheitsbedingte Beeinträchtigungen zu erwarten ist
● Wenn sie ihr Dasein in allen Lebensbereichen, die ihr wichtig sind in der Weise entfalten kann, wie es von einem Menschen ohne Gesundheitsproblem zu erwarten ist.
Was bedeutet Behinderung für Sie?
Murmelrunde
https://www.google.de/search?q=Murmeln&client=firefox-b-ab&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwjjsdr4ppfTAhUmI8AKHXU8BywQ_AUICCgB&biw=1366&bih=659#imgrc=3KbhRG-Pd08kIM:
Der Behinderungsbegriff der ICF-CY
„Behinderung wird verstanden als Interaktion zwischen einer Person und seiner Umwelt. Behinderung ist dabei
ein Oberbegriff zu jeder Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit eines Menschen.“
Die Funktionsfähigkeiten werden dabei in den folgenden Bereichen gesehen:
Umwelt
Körperfunktionen
Körperstrukturen
Aktivität und Partizipation
Worauf sehen wir im Rahmen der WHO-Definition?
●Körperstrukturen = Anatomie und Aufbau z.B. das Gehirn, die Leber, die Muskeln...
●Körperfunktionen = Verdauung, Blutkreislauf, Schmerz…
●Aktivitäten/Partizipation = miteinander kommunizieren, anderen helfen, spielen, auf sich achten, sich anziehen, zuhören, eine Aufgabe lösen…
●Umwelt = Brille, Medikamente, Hörgerät, KITA, Kinderarzt, das Wohnviertel, die Familie , Freunde…
Was bedeutet dies für die Frühförderung, Sozialpädiatrie und I-Kitas?
Die ICF-CY basiert auf einem bio-psycho-sozialen Modell (Engel, 1977)
Behinderung kann (im Sinne einer Interaktion zwischen Person und Umwelt) auch daraus entstehen, dass
● Im Sinne der PARTIZIPATION ein Kind nicht mit anderen (unbekannten Menschen) kommuniziert (elektiver Mutismus) oder
● Im Sinne von UMWELTbarrieren über keine notwendigen (sonderpädagogischen) Dienste oder persönliche tägliche Gebrauchsgegenstände (Rollator, Stehbrett, Medikamente..) verfügt.
Die WHO-Graphik der „BIG 5“
● Ein Gesundheitsproblem/eine Gesundheitssorge steht meist am Beginn (Vorliegen einer ICD-10 Diagnose oder Verdachtsdiagnose)
● Die BIG 5 stehen in wechselseitigen dynamischen Abhängigkeiten
● Wo in der ICF-CY-Beschreibung letztendlich begonnen wird, ist nicht von Bedeutung. Denken Sie in der Praxis z.B. am Beginn „UMWELT“
Übung:
Denken Sie an ein Kind mit ADHS, Down Syndrom, Cerebral Parese und Autismus Spektrum Störung
Welcher Teil Ihrer Beschreibung betrifft:
Personenbezogene Faktoren
Aktivität/
Partizipation Körperstrukturen
Körperfunktionen Umwelt
ICF-CY denken als gemeinsame Sprache verschiedener Berufsgruppen
traditionellerweiseÄrzte / Therapeuten??
Traditioneller-weise Ärzte / Therapeuten?
Traditionellerweise Pädagogen / Therapeuten?
Pädagogen Sozialarbeiter Sozialpädagogen?
Die ICF versucht als gemein- same Sprache genau diese „tradi- tionellen“ Zuordnungen aufzuweichen: Auch eine Pädagogin kann etwas zu Struk-turen/Funktionen beitragen
Pausenbedarf?
https://www.google.de/search?q=pausenbedarf+Janosch&client=firefox-b-ab&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwjihYKo093TAhWGjCwKHf-jAtYQ_AUICigB&biw=1525&bih=736#tbm=isch&q=pause++Janosch&imgrc=vpmvjMwieUWlcM:
ICF-CY Komponenten
10.05.2017 © PD Dr. med. Heike Philippi, SPZ Frankfurt
Mitte, vae e.V. | ICF-Arbeitsgruppe der DGSPJ | Gestaltung Impulslabor
28
b für body functions s für body structures d für life domain e für environmental factors
1 Körperfunktionen 2 Körperstrukturen 3 Partizipation/Teilhabe (Lebensbereiche) 4 Kontextfaktoren Umweltfaktoren 5 personenbezogene Faktoren
Folie zur Verfügung gestellt von Heike Philippi, SPZ-Frankfurt Mitte
Kapitel der Körperfunktionen und Strukturen Funktionen Strukturen
Kapitel 1 Mentale Funktionen b1 Strukturen des Nervensystems
s1
Kapitel 2 Sinnesfunktionen und Schmerz
b2 Auge, Ohr etc. s2
Kapitel 3 Stimm- und Sprechfunktionen b3 An der Stimme und am Sprechen beteiligt
s3
Kapitel 4 Funktionen des kardiovaskulären, hämatologischen und Atmungssystems
b4 Strukturen des kardiovaskulären, hämatologischen und Atmungssystems
s4
Kapitel 5 Verdauung, Stoffwechsel, Endokrines System
b5 Strukturen der Verdauung, Stoffwech-sel, Endokrines System
s5
Kapitel 6 Urogenitaltrakt und Reproduktion
b6 Strukturen des Urogeni-taltrakt Reproduktion
s6
Kapitel 7 Neuromuskuläre F. /Bewegung b7 Strukturen mit Bewegung s7
Kapitel 8 Funktionen der Haut ect b8 Strukturen der Haut ect b8
Kapitel der Aktivitäten und Partizipation
Die ICF-CY umfasst alle wichtigen Lebensbereiche des Menschen- im Sinne von 9 Gesundheitsdomänen
Die ICF-CY gilt somit für alle Menschen, nicht nur für Menschen mit Behinderung
Lebensbereiche (Beispiel aus dem Dokumentationsbogen der Arbeitsstelle Bayern)
9 Domänen: D1: Lernen und
Wissensanwendung Zuhören, Reden, Probleme
lösen, Üben
D2: Allgemeine
Aufgaben und Anforderungen
Tägliche Routine durchführen, Stressbewältigung
D3: Kommunikation kSprechen
D4: Mobilität
D5: Selbstversorgung
D6: Häusliches Leben
Körperposition ändern, Feinmotorik, Gehen
sich waschen, sich kleiden, trinken, essen
Anderen helfen
D8: Bedeutende Lebensbereiche
D9: Gemeinschafts- soziales,
staatsbürgerliches Leben
Mit Freunden umgehen, Familienbeziehung
Kita, Spielen
Erholung, Freizeit, Religion
Kapitel der Umwelt Kapitel Code Was ist damit im kindlichen Alltag
gemeint?
1 e1 Produkte und Technologien Spielzeug, Medikamente, Haushaltsgegenstände, Hilfsmittel
2 e2 Natürliche und vom Menschen veränderte Umwelt
Luftgüte, Landschaftsformen, Wetterbedingungen…
3 e3 Unterstützung und Beziehungen
Vorhandensein von Bindungs- und Unterstützungspersonen (Familie, Freunde, Peers, HelferInnen…
4 e4 Einstellungen Einstellungen von Familienmitgliedern, Freunden, Peers, Hilfspersonen
5 e5 Dienste, Systeme Vorhandensein einer entsprechenden Gesundheits/Sozialpolitik, von Diensten wie SPZs, Frühförderung, Kitas…
Etwas vergessen? → Ja, die Personenbezogenen Faktoren!
= der spezielle Hintergrund des Lebens und der Lebensführung eines Menschen
Diese Faktoren können: Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Alter, andere Gesundheitsprobleme, Fitness, Lebensstil, Gewohnheiten, Erziehung, Bewältigungsstile, sozialer Hintergrund, Bildung und Ausbildung, Beruf sowie vergangene oder gegenwärtige Erfahrungen (vergangene oder gegenwärtige Ereignisse), allgemeine Verhaltensmuster und Charakter, individuelles psychisches Leistungsvermögen und andere Merkmale umfassen... All diese Merkmale können in ihrer Gesamtheit oder einzeln bei Behinderung auf jeder Ebene eine Rolle spielen können.
→ Personenbezogene Faktoren sind nicht in der ICF klassifiziert!
Komponente
Max läuft während der Untersuchungseinheit umher und sitzt wenige Momente (ca. 10 Sekunden)
Max ist dabei in der Lage, Dinge durch Ausprobieren zu lernen (Ein-Aus-Knopf)
Max ist motivierbar zu einem Puzzle, wenn er von der Fachkraft mit Worten oder Berührungen unterstütz wird
Max beherrscht den Zahlenraum 2
Komponente
Max untersucht in der Einheit eine Videokamera
Beim Erkennen und Zuordnen von Formen benötigt Max 3-4 Wiederholungen, um sich zu diese zu merken
Max richtet seine Aufmerksamkeit für wenige Sekunden (ungefähr 15) auf jene Aufgaben, die ihn interessieren (Dinos)
Die Eltern versuchen Max so gut wie möglich zu fördern
Komponente
Max verwendet große Stifte zum Malen
In einer Frustrationssituation (aufgefordert aufzuräumen) reagiert Max mit einem Wutausbruch (wird mehrmals berichtet)
Max nimmt Ergotherapie in Anspruch
ICF-Wording Positiver/negative Begriffe
Körperstrukturen „Etwas funktioniert“ oder es gibt eine wesentliche Abweichung/Schädigung
Teil 1: Funktionsfähigkeit
versus Behinderung
Körperfunktionen (=physiologischen Funktionen)
Aktivitäten (=Durchführung einer Handlung)
Eine Person kann an für sie wesentlichen Bereichen teilhaben (+)oder Sie ist in der Teilhabe Aktivitäten beeinträchtigt (-)
Partizipation (=Einbezogensein in einer Lebenssituation)
Umwelt Kann eine Barriere sein (-) oder Ein Förderfaktor (+)
Teil 2: Kontextfaktoren
Personenbezogene Faktoren
Was heißt das für die Frühförderung, Sozialpädiatrie und I-Kitas?
1. Kann als Beschreibungsinstrument des (Hilfe)-Bedarfes (was brauchen unsere Kinder und Familien als Ausdruck von individuellen „Bildern“) verwendet werden
2. Kann als pädagogisches Instrument zur Förder- und Behandlungsplanung eingesetzt werden
3. Kann als Reflexionsinstrument im „Team around the Child“ eingesetzt werden
4. Prä-/Postevaluation
5. Statistische Kennwerte --> Transparenz
ICF-CY: Beschreibt die Wirklichkeit eines Kindes
umfassend
Welche Rolle spielt die Umwelt?
Was ist das Kind in der Lage zu tun?
(Aktivität/Partizipation)
Spezifischer Hilfebedarf
Darum geht es in der ICF-(CY) NICHT:
• Um das Stellen von Diagnosen
• Um personenbezogene Faktoren (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit…) Die ICF klassifiziert das Gesundheitsproblem des Menschen, nicht das Individuum
• um Stigmatisierung von Menschen (mit einem Gesundheitsproblem)
Was resultiert daraus für Frühförderung, Sozialpädiatrie und I-Kita?
Ein Blick auf den Menschen (das Kind) als GANZES
Mit dem Fokus, was es kann bzw. wo Ressourcen in der Umwelt (Familie) liegen
Vor dem Hintergrund seiner alterstypischen Entwicklung/Kulturnormen
Ziele der ICF-CY
Gemeinsame Sprache Qualitätssicherungs-
system
Abstrakte Metasprache
Ressourcenorientierter Blick auf den
Menschen
Take-Home-Message: ICF-CY.. • ..dient als Beschreibungsinstrument
• .. beruht auf einem bio-psycho-sozialen-Modell der Krankheit und Gesundheit
• .. versteht Behinderung als Interaktion zwischen einer Person und ihrer Umwelt
• .. basiert auf den „Big five“
Literatur und Links • www.dimdi.de (deutsche Entwurfsversion der ICF):
http://www.dimdi.de/dynamic/de/klassi/downloadcenter/icf/endfassung/icf_endfassung-2005-10-01.pdf
• www.icf-training.eu • www.icfcy-Meduse.eu • Lit: Hollenweger, J., Kraus de Camargo, O. (2011). ICF-CY.
Die internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen. Bern: Huber
• Kraus de Camargo, O., Simon, L. (2013). Die ICF-CY in der Praxis. Hogrefe
• Pretis, M. (2016). ICF-basiertes Arbeiten in der Frühförderung. München: Reinhardt