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Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter: Rezeption und Transformation. Akten der 14. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 4.–6. Oktober 2011 in Trier

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Page 1: Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter: Rezeption und Transformation. Akten der 14. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 4.–6. Oktober 2011 in Trier

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter

Philosophie der Antike

Veroumlffentlichungen derKarl und Gertrud Abel-Stiftung

Herausgegeben vonWolfgang Kullmannin Verbindung mit

Jochen Althoff und Georg Woumlhrle

Band 35

De Gruyter

Die Metaphysik des Aristotelesim Mittelalter

Rezeption und Transformation

Herausgegeben vonGerhard Krieger

Akten der 14 Tagung der Karl undGertrud Abel-Stiftung

vom 4ndash6 Oktober 2011in Trier

De Gruyter

ISBN 978-1-5015-1105-9e-ISBN (PDF) 978-1-5015-0322-1e-ISBN (ePUB) 978-1-5015-0304-7

ISSN 0943-5921

Library of Congress Cataloging-in-Publication DataA CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie detaillierte bibliografische Daten sind im Internetuumlber httpdnbdnbde abrufbar

copy 2016 Walter de Gruyter Inc BostonBerlinSatz Meta Systems Publishing amp Printservices GmbH WustermarkDruck und Bindung Hubert amp Co GmbH amp Co KG Goumlttingen

Gedruckt auf saumlurefreiem PapierPrinted in Germany

wwwdegruytercom

Inhaltsverzeichnis

Autorenverzeichnis XIII

Zur Einfuumlhrung

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter ndash Rezeption undTransformation 3Gerhard Krieger

I Zur Themenstellung 3II Zur Gliederung und zu den einzelnen Beitraumlgen 6

1 Selbstverstaumlndnis und Gestalt des metaphysischenDenkens in der Metaphysik 6

2 Die Metaphysik und metaphysisches Denken ambdquoVorabendldquo der Aristoteles-Rezeption 8

3 Metaphysikentwuumlrfe im 13 Jahrhundert 94 Metaphysikentwuumlrfe und Metaphysikkritik im

Spaumltmittelalter 13III Zu den Ergebnissen 16IV Zur Genese des Bandes und seiner redaktionellen Gestaltung 18V Danksagung 19Literatur 19

Selbstverstaumlndnis und Gestalt des metaphysischen Denkensin der Metaphysik

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion einesDenkwegs 23Emil Angehrn

I Die Frage nach der Herkunft 23II Der Anfang der Metaphysik 27III Das aristotelische Modell ndash Fluchtlinien metaphysischen

Denkens 291 Von der Ontologie zur Ousiologie 312 Metaphysik als Theologie 36

VI Inhaltsverzeichnis

IV Metaphysik und Metaphysikkritik 381 Jenseits von Substanz und Wesen 392 Pluralitaumlt Kontingenz Negativitaumlt 41

Literatur 42

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik im Lichtesprachanalytischer Ontologie 45Benedikt Strobel

Einleitung 45I Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie in

der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen zubezeichnen 511 Das Argument am Ende von Buch Beta 512 Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie

in der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formenals Universalien verstanden zu bezeichnen 61

3 Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategoriein der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formenals Particularia verstanden zu bezeichnen 64

II Paradoxe Konsequenzen der These dass jedes Universaleτοίόνδε ist 69

Literatur 77

Die Metaphysik und metaphysisches Denken am bdquoVorabendldquoder Aristoteles-Rezeption

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 81Tiana Koutzarova

I Was ist Metaphysik 82II Kritik 84III Methode und Grenzen der Metaphysik Avicennas 92

1 Wie verfaumlhrt eine uns moumlgliche Metaphysik 932 Die Grenzen der uns moumlglichen Metaphysik 95

Literatur 100

Inhaltsverzeichnis VII

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo ndash Zur Rezeption des Aristotelesund seiner Metaphysik in der mittelalterlichen juumldischen Philosophie 103Frederek Musall

I Hinfuumlhrung 103II Die Entwicklung des Bezugs zu Aristoteles bis Maimonides 104III Das Verhaumlltnis zu Aristoteles bei Maimonides 115IV Die weitere Verbreitung der aristotelischen Lehren bis zum

15 Jahrhundert 118V Fazit 122Literatur 123

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des DominicusGundissalinus (ca 1150) 131Alexander Fidora

I Einfuumlhrung 131II Dicitur metaphysica id est post naturam 132III Materia huius scientiae est ens 138IV Ceterae scientiae sunt sub scientia de ente 145V Konklusion 149Literatur 150

Metaphysikentwuumlrfe im 13 Jahrhundert

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformationder Metaphysik bei Albertus Magnus 155Hannes Moumlhle

I Alberts Metaphysik im Kontext der Aristoteles-Paraphrase 155II Einfache oder zweigeteilte Metaphysik 158III Die Voraussetzungslosigkeit des esse 163IV Die Transzendentalitaumlt des Seinsbegriffes 165V Zwischen zwei Tradition von Metaphysik 170VI Ganzheits- und reihentheoretischer Ansatz der Metaphysik 173VII Die Ambivalenz der resolutiven Methode 174VIII Ergaumlnzung der Metaphysik als Fokussierung ihrer

Perspektive 177IX Erweiterung der aristotelischen Metaphysik und deren

Verhaumlltnis zur Theologie 184Literatur 187

VIII Inhaltsverzeichnis

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 191Eleonore Stump

I Introduction 191II Difficulties raised by the doctrine of simplicity 192III Agnosticism about Godrsquos nature 195IV Esse and id quod est 198V Quantum metaphysics 200VI Simplicity contingency and divine free will 204VII Conclusion 208Literatur 209

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 211Olivier Boulnois

I La dimension critique 214II Premiegravere solution scotiste lrsquoanalogie vers la substance 219

1 Lrsquouniteacute du sujet de la meacutetaphysique 2202 La structure de la science 2213 Le sujet de la meacutetaphysique 222

III La deuxiegraveme solution scotiste lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant 2241 Lrsquouniteacute de lrsquoobjet de lrsquointellect 2252 La structure de la preacutedication 2283 Lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant 231

IV La troisiegraveme solution scotiste lrsquoattribution du multiple agraveDieu 2371 Une nouvelle structure de la science lrsquoagreacutegation 2372 Le sujet de la meacutetaphysique 2403 Lrsquoarticulation fondamentale de la meacutetaphysique 243

V Deux questions en suspens 2471 Lrsquoambiguiumlteacute de la res 2472 Lrsquohypothegravese drsquoun Dieu non-existant 248

Literatur 253

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelischeOntologie 257Rolf Schoumlnberger

I Vorbemerkungen 257II Der Begriff des Seins 260III Denken und Leben 269

Inhaltsverzeichnis IX

IV Schlussbemerkungen 279Literatur 280

Metaphysikentwuumlrfe und Metaphysikkritik im Spaumltmittelalter

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 285Matthias Kaufmann

I Was ist Metaphysik was tut der Metaphysiker 285II Die sprachliche Erschlieszligung des Seienden 290III Der Umgang mit Universalien und Transzendentalien 295

1 Was gibt es und wie finde ich das heraus 2952 Ockhams Methode am Beispiel der Quantitaumlt 2983 Die Rolle der Transzendentalien 301

IV Elemente der Erkenntnistheorie 302Literatur 304

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation derMetaphysik im Denken des Johannes Buridan 307Gerhard Krieger

I bdquoSeinldquo im Verstaumlndnis der Metaphysik Buridans ndashGegenstaumlndlichkeit und faktische Existenz 3081 Gegenstaumlndlichkeit statt Seiendsein 3082 Faktische Existenz als Realitaumltsmodus des

Gegenstaumlndlichen 3123 Gegenstand und faktische Existenz ndash Der Sinn des Seins

in Buridans Verstaumlndnis des Transzendentalen 317II Wahrnehmung als Bedingung der Gegenstaumlndlichkeit 318

1 Sensus communis und imaginatio bei Aristoteles 3182 Sensus communis und imaginatio bei Buridan 319

III Vernunft als Bedingung gegenstaumlndlicher Bestimmtheit 3231 Die Kritik an Aristoteles 3252 Das Identitaumltsprinzip als bdquoerstes Prinzipldquo 326

IV Die transzendentale Wende als Element der Geschichte derMetaphysik des Aristoteles im Mittelalter 329

Literatur 331

X Inhaltsverzeichnis

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 333Gerhard Krieger

I Hinfuumlhrung Zu den Voraussetzungen der Uumlberlegungenzum methodischen Vorgehen und zu einer ersten Erlaumluterungder intendierten Deutung 3331 Zu den Voraussetzungen und zum methodischen

Vorgehen 3332 Eine erste Erlaumluterung der intendierten Deutung

coniectura als Entwurf 335II Sinnliche Erkenntnis Vermittelte Unmittelbarkeit dank

imaginativer Vergegenwaumlrtigung sinnlicher Gehalte 339III Die Erkenntnis der Vernunft (ratio) kategorial logisch

modal 342IV Die Entwurfsgestalt der Erkenntnis des menschlichen Geistes 348

1 Der Ausgangspunkt Die Hypothese der Faktizitaumlt vonVorkommnissen 348

2 Die Basis der Erkenntnis Der Begriff des menschlichenGeistes 348

3 Die Entwurfsgestalt menschlicher Erkenntnis in denWissenschaften und in der Wesenserkenntnis 352

4 Die Steigerung der Entwurfsgestalt menschlicherErkenntnis zur Perfektion in der Gotteserkenntnis 356

V Metaphysik als Entwurf ndash Ein Fazit 357Literatur 361

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 363Wilhelm Schmidt-Biggemann

I Plotin Das Eine als Ungrund und erster Grund 363II Das metaphysische Dispositiv von Kausalitaumlt bei Aristoteles 364III Die Unerkennbarkeit des ersten Grundes Dionysius

Areopagita Liber de Causis 365IV Avicenna Das Reich des Moumlglichen und die Vehementia

essendi 366V Duns Scotus Die Verwirklichung des Rationalen als

irrationaler Willensakt 369VI Nikolaus von Kues Modaltheologie des ersten Prinzips 371

1 Theogonie und Ursprung der Kraft 3722 Spekulative Mathematik 375

VII Leibniz Cur potius aliquid quam nihil 376Literatur 379

Inhaltsverzeichnis XI

Register 383

1 Stellenregister 3832 Namenregister 393

Autorenverzeichnis

Prof em Dr Emil AngehrnPhilosophisches SeminarUniversitaumlt BaselSteinengraben 5CH minus 4051 Baselemilangehrnunibasch

Prof Dr Olivier BoulnoisEacutecole Pratique des Hautes EacutetudesSciences religieuses52 rue PerronetF minus 92200 Neuillyboulnoisoliviergmailcom

Prof Dr Alexander FidoraICREA-Universitat Autogravenoma deBarcelonaMRAE minus 08193 Bellaterra (Barcelona)alexanderfidoraicreacat

Prof Dr Matthias KaufmannInstitut fuumlr PhilosophieMartin-Luther-UniversitaumltSchleiermacherstr 106114 Hallematthiaskaufmannphiluni-hallede

Dr Tiana KoutzarovaInstitut fuumlr PhilosophieLehrstuhl Prof KobuschUniversitaumlt BonnAm Hof 1D- 53113 Bonntkoutzaruni-bonnde

Prof Dr Gerhard KriegerTheologische Fakultaumlt TrierLehrstuhl fuumlr Philosophie IUniversitaumltsring 1954296 Trierkriegerguni-trierde

Prof Dr Hannes MoumlhleAlbertus-Magnus-InstitutAdenauerallee 1753111 Bonnmoehlealbertus-magnus-institutde

JProf Dr Frederek MusallHochschule fuumlr Juumldische StudienHeidelbergLandfriedstr 1269117 Heidelbergfrederekmusallhfjsuni-heidelbergde

Prof Dr Wilhelm Schmidt-BiggemannInstitut fuumlr PhilosophieFreie Universistaumlt BerlinHabelschwerdter Allee 3014195 Berlinschmibigzedatfu-berlinde

Prof Dr Rolf SchoumlnbergerInstitut fuumlr PhilosophieUniversitaumlt RegensburgUniversitaumltsstr 3193040 Regensburgrolfschoenbergerpskuni-regensburgde

JProf Dr Benedikt StrobelUniversitaumlt TrierFachbereich I ndash Philosophie54286 Trierstrobeluni-trierde

Prof Dr Eleonore StumpSt Louis UniversityHumanities Building 2023800 Lindell BlvdUSA minus St Louis MO 63108stumpepsluedu

Zur Einfuumlhrung

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter ndashRezeption und Transformation

Zur Einfuumlhrung

Gerhard Krieger

I Zur Themenstellung

Der vorliegende Band widmet sich mit seiner Themenstellung der Geschichtedes mit dem Namen bdquoMetaphysikldquo angesprochenen Textes des Aristotelesim Mittelalter In der Verwendung des Ausdrucks bdquoMittelalterldquo orientiert sichder Band dabei an demjenigen Verstaumlndnis das diesen Terminus in der Ein-schraumlnkung auf das bdquolateinischeldquo Mittelalter bezieht1 Vor diesem Hinter-grund versteht sich die Ausrichtung des vorliegenden Bandes auf die im Titelangesprochene Rezeption und Transformation als Untersuchung der Uumlber-nahme und Weitergabe eines uumlberlieferten antiken Textes Uumlbernahme undWeitergabe realisieren sich dabei in einem aktiven Vollzug was sich schon inder Uumlbersetzung der antiken (ebenso wie der arabischen und hebraumlischen)Texte zeigt Die Geschichte der Metaphysik des Aristoteles steht im Zusam-menhang des Verhaumlltnisses des lateinischen Mittelalters zur Antike welchesVerhaumlltnis in seiner Gestalt von Uumlbernahme und Weitergabe aktiver Naturist In diesem Sinne realisiert sich in der Rezeption und Transformation deraristotelischen Metaphysik im Mittelalter das Fortleben der Antike das nichtbloszlig gewachsenes Weiterleben ist

Wonach bestimmen sich diese Uumlbernahme und Weitergabe in ihrem akti-ven Charakter Ohne Zweifel ist das christliche Selbstverstaumlndnis hier maszlig-geblich Hinsichtlich der Bedeutung dieser Maszliggabe ist zu bedenken dassmit der Metaphysik ein philosophischer Text angeeignet wird In dieser Hin-sicht orientiert sich das Konzept des vorliegenden Bandes daran dass die an-gesprochene Aneignung der Metaphysik zu sehen ist im Zusammenhang der

1 Vgl zu diesem Verstaumlndnis und zum Hintergrund der folgenden Uumlberlegungen insgesamtW Kluxen Charakteristik einer Epoche zur Gesamtinterpretation der Philosophie des latei-nischen Mittelalters in Ders Aspekte und Stationen der mittelalterlichen Philosophiehrsg v L Honnefelder u H Moumlhle Paderborn 2012 401ndash410

4 Gerhard Krieger

Hinwendung zur Philosophie die als Element und Teil der eigenen christlichenTradition und nicht als fremdes Gut und auszligerchristliche Realitaumlt betrachtetwird2 Die Philosophie und damit das Prinzip der Rationalitaumlt haben im Mit-telalter einen legitimen Platz im christlichen Selbst- und Weltverstaumlndnis

Diese Stellung und Bedeutung der Philosophie hat fuumlr die Frage nach denbestimmenden Hinsichten der Uumlbernahme und Weitergabe der Metaphysikim Mittelalter zur Folge dass diese ihrerseits eine Herausforderung fuumlr daschristliche Selbstverstaumlndnis darstellt Wie sich diese Einschaumltzung im Beson-deren versteht zeigt sich im Blick darauf dass sich die Uumlbernahme und Wei-tergabe der aristotelischen Metaphysik im Zusammenhang der fuumlr gewoumlhn-lich als bdquomittelalterliche Aristoteles-Rezeptionldquo bezeichneten Wiederentde-ckung des corpus aristotelicum im lateinischen Westen vollzieht3 DieserVorgang erfolgt vor dem Hintergrund der Kenntnis aristotelischer Auffassun-gen aus der Logik und im Rahmen eines umfassenderen RezeptionsvorgangsSoweit es die angesprochene Kenntnis bereits bekannter Schriften betrifftwird Aristoteles weder gesteigerte Aufmerksamkeit entgegengebracht nochgar als besondere Herausforderung empfunden Dies gilt auch noch fuumlr denab dem 11 Jahrhundert allmaumlhlich zunehmenden im 12 Jahrhundert sichzu einem bis dahin ungekannten Ausmaszlig steigernden Wissenstransfer der zuBeginn vornehmlich auf Medizin und Naturwissenschaft ausgerichtet ist Indiesem Zusammenhang gelangen weitere aristotelische Schriften insbesonde-re aus Naturkunde und Naturphilosophie in den lateinischen Westen DieseSchriften erweitern das betreffende Wissen sie werden aber nicht als Teileeines Gesamtcorpus rezipiert Entsprechend werden die Metaphysik und an-dere Schriften des Stagiriten in dieser Zeit zwar ebenfalls uumlbersetzt und liegeninsoweit vor sie werden aber nicht weiter abgeschrieben bleiben also ungele-sen und damit unbeachtet Aristoteles bleibt (noch) nur einer unter vielen

Bekanntlich aumlndert sich das bis zur Mitte des 13 Jahrhunderts grundle-gend Innerhalb eines knappen halben Jahrhunderts avanciert Aristoteles zur

2 Vgl dazu naumlher G Krieger Herausforderung durch Religion Begegnungen der Philosophiemit Religionen in Mittelalter und Renaissance Eine philosophiehistorische Hinfuumlhrung inreligionsphilosophischer Absicht in Ders (Hrsg) Herausforderung durch Religion Be-gegnungen der Philosophie mit Religionen in Mittelalter und Renaissance Wuumlrzburg 201117ndash39 im Besonderen 19ndash25 G Krieger Christliches Heil und antikes Denken Zur philo-sophischen Bedeutung der Zeit Konstantins in Ders u a (Hrsg) Konstantin der GroszligeDer Kaiser und die Christen ndash die Christen und der Kaiser hrsg v M FiedrowiczG Krie-gerW Weber Trier 32007 267ndash292 im Besonderen 272ndash281

3 Vgl dazu im Einzelnen B G Dod Aristoteles-Latinus in N Kretzmann u a (Hrsg) TheCambridge History of Later Medieval Philosophy Cambridge 1982 45ndash79 C Lohr TheMedieval Interpretation of Aristotle in N Kretzmann u a (Hrsg) The Cambridge Histo-ry ebd 80ndash98

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 5

maszliggeblichen philosophischen Autoritaumlt Das erwaumlhnte Desinteresse an be-reits vorliegenden uumlbersetzten Texten zeigt dass diese Entwicklung nicht aufdie bis zum genannten Zeitpunkt erfolgte Kenntnisnahme des aristotelischenSchrifttums zuruumlckgefuumlhrt werden kann Insoweit besteht eine Differenz zwi-schen dieser Rezeption der Schriften auf der einen Seite und der Aneignungder aristotelischen Philosophie als solcher auf der anderen Seite Im Zusam-menhang der hier zu bearbeitenden Aufgabe kann freilich die Erklaumlrung da-fuumlr offen bleiben4 Festzuhalten bleibt dass die letztgenannte Aneignung zuverstehen ist im Sinne des Interesses an der bdquoaristotelischen Philosophie alsganzerldquo5 Aristoteles repraumlsentiert die Philosophie als rationale und insoweiteigene Dimension umfassender Weltorientierung und menschlicher Selbstver-staumlndigung In seiner Metaphysik tritt dem mittelalterlichen Denken die Phi-losophie im Sinne dieser Orientierung in zweifacher Hinsicht entgegen zumeinen als philosophische Grundlagendisziplin welche das Seiende als Seien-des oder im Ganzen untersucht zum anderen als Wissenschaft vom erstengoumlttlichen Seienden6 Die Metaphysik stellt also in diesen beiden Hinsichteneine Herausforderung fuumlr das christliche Denken dar Diese Herausforderungschlieszligt nicht allein die Frage ein wie das Verstaumlndnis des metaphysischenDenkens im Sinne der aristotelischen Betrachtung im Sinne also der Hinsichtdes Seins in seiner Begegnung mit der christlichen Auffassung rezipiert undtransformiert wird Da die Philosophie und damit das Prinzip der Rationali-taumlt im Mittelalter einen legitimen Platz im christlichen Selbst- und Weltver-staumlndnis haben schlieszligt dessen Herausforderung durch die Metaphysikdurchaus auch die Frage ein wie und inwieweit die aristotelische Sicht inkritischer Weise aufgenommen und weiter gegeben wird Insoweit sich daschristliche Denken im Modus wissenschaftlicher Theologie realisiert ist dieDisziplin der Metaphysik deswegen dasjenige Feld in dem diese im Sinne derskizzierten Herausforderung unmittelbar (offenbarungs-) theologisch bedeut-sam wird (was im vorliegenden Band nicht selbst thematisch wird) Umge-kehrt besagt dies dass im Mittelalter im Besonderen (Offenbarungs-) Theolo-gen bedeutsame Beitraumlge zur Rezeption und Transformation der Metaphysikleisten Die angesprochene Anerkennung der Selbstaumlndigkeit der Philosophieim christlichen Selbstverstaumlndnis laumlsst daruumlber hinaus die Moumlglichkeit ihrer

4 Ein nach wie vor bedenkenswerter Versuch ist der Beitrag von G Wieland Plato oderAristoteles Uumlberlegungen zur Aristoteles-Rezeption des lateinischen Mittelalters Tijd-schrift voor Filosofie 47 1985 605ndash630

5 J R Soumlder Hochmittelalter Die Wiederentdeckung des Politischen in C HornA Nesch-ke-Hentschke (Hrsg) Politischer Aristotelismus Die Rezeption der aristotelischen sbquoPolitiklsquovon der Antike bis zum 19 Jahrhundert Stuttgart 2008 51ndash76 hier 57

6 Vgl dazu G Krieger Substanz in Neues Handbuch philosophischer Grundbegriffe Bd 3FreiburgndashMuumlnchen 2011 2146ndash2158 hier 2146ndash2152

6 Gerhard Krieger

eigenstaumlndigen Realisierung unabhaumlngig von der (Offenbarungs-) Theologiezu wie es bei Johannes Buridan der Fall ist insofern dieser in der Artes-Fakultaumlt verbleibt

Die Themenstellung des vorliegenden Bandes bestimmt sich somit nachzwei Hinsichten Zum einen stellt die Geschichte der aristotelischen Meta-physik im Mittelalter einen aktiven Prozess dar der als solcher nach denAspekten der Rezeption und der Transformation der Uumlbernahme und derWeitergabe unterschieden werden kann zum anderen schlieszligt die Themen-stellung des Bandes ein dass sich dem christlichen Denken im Mittelalter mitder Metaphysik im Besonderen die Fragen nach der Gestalt und der Reich-weite des metaphysischen Denkens nicht nur im Sinne der Hinsicht des Seinssondern durchaus auch in kritischer Haltung dazu und damit in anderer Wei-se stellen Der vorliegende Band versammelt seine Beitraumlge in der Absichtdie skizzierte Themenstellung zum einen in den Aspekten dieser Beitraumlgeselbst naumlher zu beleuchten Daruumlber hinaus ist angezielt die Wirkungsge-schichte der Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter gemaumlszlig diesem Zusam-menhang von Rezeption und Transformation ebenso in ihrer Bedeutung fuumlrdas metaphysische Denken selbst d h im Blick auf sein aristotelisches Ver-staumlndnis und auf dessen Kritik zu beleuchten wie auch in Hinsicht auf dessenVerhaumlltnis zum christlichen Selbstverstaumlndnis

II Zur Gliederung und zu den einzelnen Beitraumlgen

1 Selbstverstaumlndnis und Gestalt des metaphysischen Denkensin der Metaphysik

Zu Beginn erfolgt eine Vergegenwaumlrtigung des metaphysischen Denkens derMetaphysik selbst und zwar zum einen im Blick auf gegenwaumlrtige philoso-phische Auseinandersetzungen um das Anliegen und die Gestalt des metaphy-sischen Denkens als solchen und deren Verhaumlltnis zur Metaphysik des Aristo-teles Im Beitrag bdquoDie Entstehung der Metaphysik Zur Rekonstruktion einesDenkwegesldquo zeigt E Angehrn auf dass die Problematisierungen zum einendie Grunduumlberzeugung betreffen dass es in den Dingen ein festes Wesen gibtund dass Erkennen und Sprechen nur in Abstuumltzung auf diese letzten Be-stimmtheiten moumlglich ist Zum anderen erfolgt eine Distanzierung in Bezugauf die tragende Grundhaltung aus der heraus bdquoErste Philosophieldquo ihr Zielformuliert und ihre konzeptionellen Grundlagen erarbeitet Geht es in dererstgenannten Auseinandersetzung um die besondere Grunduumlberzeugung derMetaphysik des Aristoteles erscheint in der letztgenannten Diskussion dasProjekt des metaphysischen Denkens als solchen fragwuumlrdig In diesen Ausei-

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 7

nandersetzungen scheinen Weichenstellungen auf die die Entstehungsge-schichte und den Gang der Metaphysik selbst bestimmen und deren fruumlheProfilierung sich in den Schriften des Aristoteles findet Insofern erweist sichdie aristotelische Metaphysik als ein Gruumlndungsdokument der europaumlischenDenkgeschichte par excellence Der Weg des Denkens den sie eroumlffnet indemsie sich ihrer Vorgeschichte vergewissert und sich in sie einschreibt bleibtoffen im Blick sowohl auf die unabgeschlossene Arbeit des Denkens als auchauf die reflexive Selbstaufklaumlrung und kritische Befragung

Die zweite Hinsicht unter der im Blick auf die gegenwaumlrtige Philosophieeine Vergegenwaumlrtigung des metaphysischen Denkens in der Metaphysikselbst erfolgt richtet das Augenmerk auf gegenwaumlrtige philosophische Ausei-nandersetzungen soweit diese ihren sachlichen Anspruch nicht historischvermittelt verstehen und zur Geltung bringen In diesem Feld sind es im Be-sonderen Bemuumlhungen die sich der sogenannten sprachanalytischen Philoso-phie zurechnen die im Bezug zur Metaphysik des Aristoteles Ontologie be-treiben metaphysisches Denken also im Sinne jener Hinsicht realisieren inder Aristoteles selbst das Seiende als solches untersucht Im Sinne der zuvorangesprochenen Uumlberlegungen im Beitrag Angehrns betrachtet handelt es sichum Bemuumlhungen die in die Richtung der Grunduumlberzeugung der Metaphysikzielen dass es in den Dingen ein festes Wesen gibt und dass Erkennen undSprechen nur in Abstuumltzung auf diese letzten Bestimmtheiten moumlglich ist7

Der Beitrag von B Strobel bdquoProbleme der Theorie der οὐσία der Metaphysikim Lichte der sprachanalytischen Philosophieldquo stellt sich in diesem Sinne dieFrage was generelle Terme der Substanz-Kategorie bezeichnen Diese Frageversteht sich konkret im Bezug auf Ausdruumlcke wie bdquoMenschldquo oder bdquoBaumlrldquosoweit diese dazu dienen zu sagen was ein X ist Der Beitrag will im Blickauf die Metaphysik zeigen dass das was mit solchen Ausdruumlcken bezeichnetwird ein Universale ist dass das Universale seinerseits kein τόδε τι sondernein τοιόνδε ist und dass Ausdruumlcke die ein Universale bezeichnen Ausdruumlckealso wie die genannten auf mehrere Einzeldinge referieren koumlnnen Daruumlberhinaus sucht der Beitrag deutlich zu machen dass Aristoteles und Frege darinuumlbereinstimmen dass ein τόδετι nur von singulaumlren Termen wie z B Eigenna-men bezeichnet werden kann waumlhrend Universalien nicht von derartigenTermen bezeichnet werden koumlnnen Anders gesagt Ausdruumlcke wie die ge-nannten bdquoMenschldquo oder bdquoBaumlrldquo haben eine Bedeutung die durch Ausdruumlckewie die genannten bezeichnet werden koumlnnen Weiter koumlnnen derartige Be-deutungen mit Hilfe von Ausdruumlcken wie den genannten auf mehrere Einzel-dinge bezogen und von diesen ausgesagt werden Insoweit zeigt sich dassBedeutungen im Unterschied zu Einzeldingen allgemeiner Natur sind Deswe-

7 Vgl dazu ebd 2155 f

8 Gerhard Krieger

gen koumlnnen Bedeutungen auch nicht durch Eigennamen bezeichnet werdenDeswegen kann gesagt werden dass Sokrates Mensch aber nicht der Menschist

2 Die Metaphysik und metaphysisches Denken am bdquoVorabendldquoder Aristoteles-Rezeption

In diesem Teil richtet sich der Blick auf die Uumlberlieferung der Metaphysik imarabischen und juumldischen Zusammenhang und auf das metaphysische Den-ken im christlichen Bereich vor der ersten lateinischen Uumlbersetzung des aris-totelischen Textes Im Sinne der Rezeption stehen damit Uumlberlieferungszu-sammenhaumlnge im Blick die ihrerseits im Bezug zur Metaphysik des Aristote-les im Besonderen wie zu philosophischer und wissenschaftlicher Literaturim Allgemeinen im Verhaumlltnis zu Texten stehen die sich in Kategorien grie-chischen Ursprungs entwickelt hatten Insoweit gibt es fuumlr alle drei Uumlberliefe-rungszusammenhaumlnge eine gemeinsame Basis Eine zweite Gemeinsamkeit istdarin gegeben dass alle drei Traditionen auf diese gemeinsame Basis im Hori-zont eines religioumlsen Selbstverstaumlndnisses Bezug nehmen Vor diesem Hinter-grund richtet sich der Blick in den Beitraumlgen dieses Teils auf je ein Beispielaus den genannten drei Traditionszusammenhaumlngen

In ihrem Beitrag bdquoAvicenna uumlber die Moumlglichkeit Methode und Grenzender Metaphysikldquo stellt T Koutzarova ebenso das Konzept des genanntenarabischen Denkers dar wie sie einige zentrale Veraumlnderungen im Verhaumlltniszu demjenigen des Aristoteles hervorhebt Von zentraler Bedeutung ist fuumlrAvicenna die Fokussierung der metaphysischen Betrachtung auf den Begriffdes Seienden als solchen der den schlechthin gemeinsamen Kern jeder Er-kenntnis eines bestimmten Seienden ausmacht und seinem Gehalt nach dasanspricht bdquodem es nicht widerstreitet denkunabhaumlngige Realitaumlt zu habenldquoAuf diese Weise verfolgt Avicenna einen gegenuumlber der aristotelischen Vorla-ge neuen Weg der Explikation des Seienden uumlber die Unterscheidung vonSubstanz und Akzidens hinaus Alles Seiende ist entweder ein durch sichselbst extramental Bestehendes oder ein solches dem an sich selbst betrachtetweder reale Existenz noch Nichtexistenz widersprechen Die Betrachtung desersten ausgezeichneten Seienden realisiert Avicenna durch die modale Expli-kation des Begriffs des Seienden Insofern erweist sich ihm das goumlttliche Sei-ende in seiner Notwendigkeit als der Inbegriff der Seiendheit Avicenna ent-wickelt auf diese Weise ein Konzept der Metaphysik das im Mittelalter ins-besondere bei Duns Scotus aufgegriffen und vermittels der Rezeption seinesDenkens uumlber das Mittelalter hinaus wirksam wird

F Musall macht in seinem Beitrag bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphy-sikldquo ndash Zur Rezeption des Aristoteles und seiner Metaphysik in der mittelalter-

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 9

lichen juumldischen Philosophieldquo deutlich dass sich der juumldische Bezug insbeson-dere zur Metaphysik im Verhaumlltnis zu arabisch-islamischer Kommentarlitera-tur und Paraphrasen vollzieht die dann spaumlter auch vom Arabischen insHebraumlische uumlbertragen wurden Im Denken des Maimonides realisiert sichein Aristotelismus der sich an Averroistischem Denken orientiert und einemaszliggebliche Rezeptionslinie der Metaphysik initiiert8 Seit der Mitte des13 Jahrhunderts kommt es zudem zu Uumlbersetzungen sowohl der Metaphysikaus dem Lateinischen als auch von Kommentaren lateinischer Autoren insHebraumlische Daruumlber hinaus entsteht im 13 Jahrhundert in Spanien mit derKabbalah ein insbesondere mit dem Aristotelismus des Maimonides konkur-rierendes juumldisches Denken das in den folgenden Jahrhunderten zunehmendan Bedeutung gewinnt

Die besondere Weichenstellung die Dominicus Gundissalinus fuumlr die Re-zeption der Metaphysik im 13 Jahrhundert vornimmt erfolgt wie A Fidorain seinem Beitrag bdquoOmnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des DominicusGundissalinusldquo darlegt in den betreffenden Partien in De divisione philoso-phiae Diese Weichenstellung vollzieht sich in der Abkehr vom boethianisch-chartresischen Konzept der Metaphysik als Theologik hin zu einer Metaphy-sik verstanden als Ontologie indem Dominicus den Ausdruck metaphysicaexplizit im Unterschied zu theologi(c)a zur Bezeichnung einer Wissenschaftund nicht eines Buches einfuumlhrt und das ens als deren eigentuumlmliche materiabestimmt In diesem ontologischen Konzept orientiert sich Gundissalinus ander uumlber die arabische Tradition vermittelten aristotelischen Wissenschafts-theorie

3 Metaphysikentwuumlrfe im 13 Jahrhundert

In der Metaphysik tritt dem mittelalterlichen Denken die Philosophie zumeinen als philosophische Grundlagendisziplin entgegen welche das Seiendeals Seiendes oder im Ganzen untersucht zum anderen als Wissenschaft vomersten goumlttlichen Seienden Im Zuge der Aristoteles-Rezeption realisiert sichmittelalterliches Denken zugleich im Modus wissenschaftlicher Theologie sodass die Disziplin der Metaphysik dasjenige Feld darstellt in dem diese (of-

8 Im Blick auf die Auffassung des Maimonides sei uumlber den vorliegenden Beitrag hinausergaumlnzend auf deren Rezeption bei christlichen Denkern hingewiesen in der sich zeigt dassder juumldische Denker als gleichartiger Diskussionspartner angenommen wird und nicht ohneEinfluss im christlichen Raum bleibt Vgl dazu W Kluxen Maimonides und die Hochscho-lastik Maimonides und die philosophische Orientierung seiner lateinischen Leser Eineinterpretatorische Reflexion in Ders Aspekte und Stationen (wie Anm 1) 284ndash298299ndash311

10 Gerhard Krieger

fenbarungs-) theologisch bedeutsam wird Im Zusammenhang dieser Ausei-nandersetzung haben uumlber die bereits angesprochenen arabischen und juumldi-schen Uumlberlieferungszusammenhaumlnge philosophischer Literatur der Antikehinaus auch Texte eine Bedeutung die von Byzanz aus in das Mittelaltergelangen und ihrerseits antiken Ursprungs sind Im Besonderen gilt das fuumlrTexte des Pseudo-Dionysius die vor allem bei Albertus Magnus und MeisterEckhart in die Auseinandersetzung mit der Metaphysik einbezogen werden

Die in diesem Teil versammelten Beitraumlge betreffen insgesamt Denkerdie wissenschaftliche Theologen sind und fuumlr die die genannten Kennzeichenmetaphysischen Denkens zu bestimmenden Hinsichten ihrer Rezeption undTransformation der Metaphysik werden Das geschieht in so unterschiedli-cher Weise dass im Ergebnis so wenig von einer einzigen Gestalt der Meta-physik gesprochen werden kann wie zugleich die mittelalterliche Wirkungs-geschichte der Metaphysik in ihrer Dynamik und innovativen Kraft und Be-deutung hervortritt

H Moumlhle befasst sich unter der Frage bdquoMetaphysik als Theologikldquo mitder bdquoRezeption und Transformation der Metaphysik bei Albertus MagnusldquoEr hebt hervor dass sich Albert mit der Kommentierung der Metaphysikdes Aristoteles und des neuplatonischen Liber de causis zum Ziel setzt denLateinern Aristoteles verstaumlndlich zu machen d h in den Kontext der christ-lichen Lehre zu integrieren und seine Schriften dem universitaumlren Lehrbetriebeinzufuumlgen Daraus resultiert die Aufgabe das Werk des Aristoteles und denLiber de causis einer einheitlichen Deutung zuzufuumlhren die was ihre Inhaltebetrifft mit der christlichen Lehre in Einklang zu bringen ist und die in wis-senschaftstheoretischer Hinsicht ein Nebeneinander der Disziplinen der Ers-ten Philosophie und der christlichen Theologie erlaubt Im Besonderen be-stimmt Albert den Gegenstand der Metaphysik als das Seiende und betontdass dieses das erste Prinzip von allem ist allerdings in der Beschraumlnkungauf das geschaffene Sein das als Geschaffenes nicht das erste Prinzip bzwGott als Voraussetzung der Schoumlpfung mit umfassen kann Das begriffslogi-sche Verfahren gelangt demnach bis zu einem primum creatum naumlmlich demdurch den Begriff esse Beschreibbaren und damit nicht bis zu Gott als demersten Prinzip selbst In einem in Auseinandersetzung mit Dionysius entwi-ckelten kausaltheoretischen Vorgehen innerhalb der Metaphysik gelingt wei-ter uumlber den Ursachenbegriff noch eine eingeschraumlnkte Erfassung des Erstendas dadurch in den Blick kommt dass man es als erste Ursache begreiftAn diesem Punkt gelangt die kausaltheoretisch argumentierende Metaphysikzugleich an eine Schnittstelle an der die metaphysisch ausweisbaren Begriffeder Verursachung und der Einformung vom offenbarungstheologischen Be-griff der Schoumlpfung uumlberboten und in ihrer Begrenzung als philosophischeGrundbegriffe erkennbar werden In Hinsicht auf das metaphysische Denkenbei Albert zeigt sich also zum einen dass die ganzheitstheoretische Betrach-

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 11

tungsweise die von einem allgemeinen Begriff des Seins ausgeht reihentheo-retisch ergaumlnzt wird Weiter wird offenbar dass er von einer urspruumlnglichenEinheit in der Sache ausgeht die sich praumldikationslogisch oder kausaltheore-tisch erfassen laumlsst Dabei scheint das Verhaumlltnis beider Betrachtungsweisendas einer vertiefenden Fokussierung des ganzheitstheoretischen Verfahrensdurch die kausal orientierte und an den Substanzbegriff anknuumlpfende Be-trachtung zu sein Die Deutung Alberts wird somit davon getragen dass dasSeiende als Gegenstand der Metaphysik eben auch als Substanz und darananschlieszligend unter dem Aspekt der Ursache verstanden werden kann DieRede von einer Metaphysik als Theologik duumlrfte deshalb in Bezug auf Albertnicht angemessen sein

Wie ist die goumlttliche Freiheit gemaumlszlig der Identitaumlt von esse und essentiain Gott zu deuten In dieser Frage richtet E Stump im Beitrag bdquoSimplicityand Aquinasrsquos Quantum Metaphysicsldquo ihr Augenmerk auf die Gotteslehredes Thomas von Aquin Sie geht dabei von der Annahme aus dass die besag-te Identitaumltsthese nahelegt dass Gott tatsaumlchlich das tut was er tun kannInsoweit scheint goumlttliches Handeln notwendiger Natur zu sein Die Interpre-tin setzt in ihrer Deutung daran an dass sich die Identitaumltsthese bei Thomasdoch nicht im Sinne einer strikten Bestimmung des goumlttlichen Wesens ver-steht Gottes quid est ist fuumlr den Menschen unbegreifbar gleichwohl wird esihm zugeordnet ein quid est zu haben Gottes Sein sprengt die Unterschei-dung zwischen den beiden Begriffen deshalb ist er in seinem Handeln freiund diese Freiheit kommt nicht bloszlig als eine Eigenschaft hinzu In Parallelezur Quantenphysik die sich mit dem Licht befasst und ihm Attribute zuweist(z B Wellen) auch wenn diese das Objekt letztlich nicht in perfekter Weisezu beschreiben vermoumlgen spricht Stump von einer bdquoQuantenmetaphysikldquodie uumlber Gott nachdenkt ndash beiden ist eine gewisse Unangemessenheit ihrerSprache zur Erfassung ihres Gegenstandes zu eigen beide sind aber auf dieseSprache angewiesen Fuumlr Thomas von Aquin ist der letzte Grund der Realitaumltwie bei Aristoteles ein Seiendes doch ist dieses im Unterschied zur betreffen-den aristotelischen Einschaumltzung eine Entitaumlt der die Faumlhigkeit zukommtschoumlpferisch taumltig zu sein zu wissen und zu lieben

Die beiden Hinsichten unter denen dem mittelalterlichen Denken in derMetaphysik die Philosophie entgegentritt ndash als philosophische Grundlagen-disziplin welche das Seiende als Seiendes oder im Ganzen untersucht undals Wissenschaft vom ersten goumlttlichen Seienden ndash erscheinen in den Quaesti-ones des Johannes Duns Scotus nach ihrer ersten Edition in der Ambivalenzzweier Themen und Dimensionen der Metaphysik Diese Ambivalenz nimmtO Boulnois zum Ausgangspunkt seines Beitrags bdquoDuns Scot et la refondationde la metaphysiqueldquo um die Haltung des mittelalterlichen Denkers dazu zubestimmen Sieht es in den Quaestiones nach der genannten Edition so ausals ob Scotus nicht zu einer Loumlsung gelangt zeigt ein Nachtrag in der neu

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erschienenen Edition dass er die Univozitaumlt des Seins aufzeigen will Im Lich-te dieses Ergebnisses eroumlrtert Boulnois weiter die Haltung des Scotus in derFrage nach dem subiectum der Metaphysik Im Besonderen werden dazu dreiThesen eroumlrtert Erstens Der fragliche Gegenstand ist die Substanz dieseThese findet sich in ersten Ausgabe der Quaestiones Zweitens ist nach dentheologischen Schriften der Begriff des Seienden der infrage stehende Gegen-stand Schlieszliglich ist der gesuchte Gegenstand das erste Seiende Gott imSinne der Zuordnung zum Sein diese These findet sich in den Quaestionesin ihrer neuen kritischen Ausgabe die den besagten Nachtrag enthaumllt Inder Einschaumltzung seines Interpreten kommen hier verschiedene Facetten derHaltung zu jener Ambivalenz zum Ausdruck in der Scotus die beiden Hin-sichten der Metaphysik wahrnimmt Im Lichte der besagten Univozitaumltsthesebetrachtet ergibt sich fuumlr seinen Interpreten dass Scotus diese Schwierigkei-ten bzw diese Ambivalenz mit den beiden letztgenannten Thesen bewaumlltigt

R Schoumlnberger knuumlpft in seinem Beitrag bdquoMeister Eckhart AristotelischeMetaphysik ohne aristotelische Ontologieldquo daran an dass die erste Propositi-on im Opus propositionum das Sein mit dem beruumlhmten Satz bdquoesse est deusldquobestimmt Eckhart begruumlndet diesen Satz unter Berufung auf die Kategorien-schrift des Aristoteles kommt aber zu einem entgegengesetzten ErgebnisEckharts Seinsbegriff weicht in seiner Struktur ebenso wie in der Weise seinerGewinnung ungeachtet von Eckharts Berufungen und Inanspruchnahmen aufmarkante Weise vom aristotelischen Begriff des Seins ab Er macht sich aufdiese Weise die Metaphysik im Sinne der Wissenschaft vom houmlchsten Seien-den zu eigen Weiter untersucht Schoumlnberger Eckharts Seinsbegriff im Blickauf die Triade von Sein ndash Leben ndash Denken Es zeigt sich dass Eckhart zwi-schen dem Sein einerseits und Leben und Denken andererseits unterscheidetWaumlhrend Sein das Moment der Erschaffbarkeit enthaumllt kann dies von Lebenund Denken seiner Auffassung nach nicht behauptet werden Eckhart ver-steht sowohl Leben als auch Erkennen als etwas Unableitbares von innenher Bestimmtes Eckhart denkt also auf der einen Seite im Opus proposito-num Gott als Sein und damit Seinverleihendes auf der anderen Seite stellter Leben und Denken als urspruumlngliche Verhaumlltnisse in eine Differenz zumerschaffbaren Sein Liegt hier ein Widerspruch vor oder doch nur eine Unter-scheidung des Seins nach einer Hinsicht die durchaus im Zusammenhangmit dem goumlttlichen Sein gedacht werden kann Im Blick auf Eckharts Bezug-nahme auf philosophische auctoritates hebt Schoumlnberger schlieszliglich hervordass diese nicht Gegenstand kommentierender Aneignung sondern Quelleder Inspiration und Material der Inanspruchnahme sind In den Augen Eck-harts selbst liegt wohl keinerlei Beliebigkeit vor denn er sieht sie in demSinne in der er sie versteht zugleich als wahr an Wenn ein Satz inhaltlichals wahr anerkannt werden muss ist nicht mehr entscheidend ob sein Sinnim historischen Sinne zutreffend bestimmt ist Das wiederum heiszligt dass die

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 13

Bedeutung eines Satzes auf die Intention des Autors festgelegt werden kann ndashoder um es im Sinne Eckharts zu formulieren reduziert werden darf

4 Metaphysikentwuumlrfe und Metaphysikkritik im Spaumltmittelalter

Der folgende Teil widmet sich der Rezeption und Transformation der Meta-physik im Blick auf Autoren des Spaumltmittelalters Die Differenz zur Betrach-tung der im vorangegangen Teil versammelten Beitraumlge ist aber nicht lediglichaumluszligerer Natur Eine wesentliche Hinsicht in der Betrachtung der Uumlberlegun-gen der in diesem vierten Teil in der Blick genommenen Denker ist die derMetaphysikkritik und zwar zunaumlchst im Sinne der Frage wie und inwieweitmetaphysisches Denken wie es den hier angesprochenen Denkern in der Me-taphysik entgegentritt in die Kritik geraumlt und wie und inwieweit sich aufdiese Weise ihre Transformation bestimmt Wie sich zeigt besagt die Ant-wort dass sich diese Kritik soweit es Johannes Buridan und Nikolaus vonKues betrifft im Verzicht auf die Hinsicht des Seins realisiert bei Wilhelmvon Ockham erscheint es in der Sicht des vorliegenden Beitrages zumindestfraglich dass er diese Hinsicht uumlber die formale Analyse ihrer Vermittlungim Modus sprachlicher Gestalt hinaus thematisiert und bestimmt Weiter legtsich nahe den Aspekt der Vermittlung umfassender Weltorientierung undmenschlicher Selbstverstaumlndigung ndash sei es in sprachlicher Gestalt wie bei Ock-ham sei es im Modus sinnlicher und vernunftbestimmter Erkenntnis bzwder sinnlichen rationalen und intellektiven Vollzuumlge des menschlichen Geis-tes wie bei Buridan bzw Nikolaus von Kues ndash und deren Analyse als dasjeni-ge Moment anzusehen das den hier vorgestellten drei Metaphysikentwuumlrfenaus dem Spaumltmittelalter gemeinsam ist und sie in je eigener Weise praumlgt Vonhier aus und im Lichte des angesprochenen metaphysikkritischen Aspektesbetrachtet macht die Realisierung umfassender Weltorientierung undmenschlicher Selbstverstaumlndigung unter der Hinsicht des Seins dann das ver-bindende Moment aus das die Rezeption und Transformation der Metaphy-sik in den hier beleuchteten Entwuumlrfen des 13 Jahrhunderts insgesamt praumlgtund bestimmt

In der Sicht des Beitrages von M Kaufmann bdquoMetaphysik als Ontologieund Sprachanalyse bei Wilhelm von Ockhamldquo befasst sich dieser mit Frage-stellungen und Problemen die man traditionell der Metaphysik zuordnetindem er dabei eine uumlbereilte Identifikation der Metaphysik mit der natuumlrli-chen Theologie vermeidet eine besondere Ontologie voraussetzt und seinesprachanalytische Methode zur Anwendung bringt Ockhams Methodik sei-ner metaphysischen Reflexionen bringt die Metaphysik in beachtliche Naumlhezu Logik und Sprachphilosophie einerseits zur Erkenntnistheorie anderer-seits Die Verbindung der Metaphysik zur Sprachphilosophie und zur Er-

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kenntnistheorie ergibt sich aus der Korrespondenz zwischen den Gegenstaumln-den der Welt und den Termini die sich auf sie beziehen Durch die Erkennt-nistheorie werden Ontologie und Sprachphilosophie miteinander verbundenda sie zeigt wie wahre Saumltze uumlber das Seiende gebildet werden koumlnnen Eszeigt sich insgesamt eine fundamentale Rolle formaler Analyse der sprachli-chen Vermittlung des Bezugs auf Seiendes insofern die Fokussierung auf dieVermittlung als wichtigstes Merkmal der Transformation angesehen werdenkoumlnnte der die aristotelische Metaphysik in Ockhams Werk unterliegt Mankoumlnnte allerdings auch annehmen dass Ockham lediglich die authentischearistotelische Auffassung richtig darzustellen versucht

In seinem Beitrag bdquoSubjekt und Metaphysik Rezeption und Transfor-mation der Metaphysik im Denken des Johannes Buridanldquo verdeutlichtG Krieger zunaumlchst dass Buridan in seiner Stellungahme zum Gegenstandder Metaphysik die Hinsicht des Seins auf die Erfassung der Realitaumlt in ihrerfaktischen Existenz begrenzt und die metaphysische Betrachtung dahin ge-hend wandelt dass sie primaumlr Erkenntnis in ihrer gegenstaumlndlichen Be-stimmtheit in den Blick nimmt Gemaumlszlig dieser Aufgabenstellung so zeigt sichweiter untersucht Buridan die Bedingungen fuumlr diese gegenstaumlndliche Be-trachtung die sich ihm als Bedingungen des Subjektes erweisen so dass dieBedingungen der Erkenntnis in ihrer sinnlichen Bestimmtheit und in ihrerVernunftbestimmtheit die der erkannten Gegenstaumlnde sind In Hinsicht aufdie Sinnlichkeit zeigt sich diese bdquosubjektiveldquo Bedingtheit im Verstaumlndnis vonsensus communis und imaginatio Sinnliche Wahrnehmung ist fuumlr Buridannicht eine sich unmittelbar ergebende Abbildung von Reizkonstellationensondern eine in vermittelter Unmittelbarkeit zustande kommende und inso-weit gestaltete Sinneseinheit Buridan versteht damit das Verhaumlltnis von inne-rem sensus communis und aumluszligeren Sinnen gemaumlszlig der Differenz zwischeninnerem Grund der Gestalt der Wahrnehmung und aumluszligerem Ursprung ihrersinnlichen Gehalte Zugleich steht der sensus communis im Verhaumlltnis ur-spruumlnglicher Gestaltung der Wahrnehmung zu aufbewahrender Reprodukti-on des Wahrgenommenen in der imaginatio Hinsichtlich Buridans Auffas-sung zu den bdquosubjektivenldquo Bedingungen der Vernunfterkenntnis untersuchtKrieger dessen Haltung in der Frage des bdquoersten Prinzipsldquo des Wissens Eszeigt sich dass Buridan den Versuch einer eigenen bdquoLetztbegruumlndungldquo desWissens als solchen unternimmt Buridan uumlbt ebenso Kritik daran dassNichtwiderspruchsprinzip als das infrage stehende Prinzip anzusehen wie erzugleich das Identitaumltsprinzip zum bdquoersten Prinzipldquo erklaumlrt und als urspruumlng-liches Vernunftprinzip begruumlndet Insoweit anerkennt Buridan zwar die Rela-tivitaumlt unserer theoretischen Kompetenz im Verhaumlltnis zu deren GegenstandDoch diese Kompetenz erfaumlhrt nicht eine Sinnbestimmung uumlber das Ziel derErfassung gegenstaumlndlicher Bestimmtheit selbst hinaus

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 15

Im Beitrag bdquoMetaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysikldquolegt G Krieger dar dass das Konzept der Metaphysik des Kardinals im Sinneder Rezeption und Transformation der Metaphysik des Aristoteles verstan-den werden kann soweit sich dieses Konzept zum einen nach Maszliggabe desMotivs der Ruumlckbindung aller geistigen Erkenntnis an sinnliche Erfahrungversteht Weiter bietet dieses Konzept eine Deutung menschlicher Weltorien-tierung im Modus wissenschaftlicher Erkenntnis die im Grundriss und inihrer Gliederung der aristotelischen Konzeption entspricht Schlieszliglich laumlsstsich dieses Konzept im Sinne der Rezeption und Transformation auf die Me-taphysik des Aristoteles vermittels des Verhaumlltnisse dieser Konzeption zu Bu-ridans Auffassung beziehen soweit diese ihrerseits die Metaphysik transfor-miert Im Besonderen beschraumlnkt Cusanus mit Buridan die Hinsicht des Seinsauf die Erfassung der Realitaumlt in ihrer faktischen Existenz Weiter anerkenntCusanus wie Buridan die Relativitaumlt unserer theoretischen Kompetenz imVerhaumlltnis zu ihrem Gegenstand Anders als Buridan gibt Cusanus dieserKompetenz zugleich eine eigene Sinnbestimmung indem er sie in ihrem Ent-wurfscharakter kennzeichnet Dies tut der Kardinal im Verstaumlndnis sowohlder sinnlichen Erkenntnis als auch geistiger Erkenntnis in ihrer rationalenebenso wie in ihrer intellektiven Gestalt Sinnliche Wahrnehmung verstehtsich bei Cusanus im Sinne einer aktiven Nachgestaltung der Wirklichkeitsoweit die sinnlichen Gehalte tatsaumlchlich wahrgenommen werden Dabei stif-tet die imaginatio die Integration der gemaumlszlig den verschiedenen Sinnesorga-nen aufgenommenen Sinneseindruumlcke zu einer einheitlichen Wahrnehmungim Sinne vermittelter Unmittelbarkeit im Verhaumlltnis zum Sinnlichen Es zeigtsich auf der sinnlichen Ebene eine eigene Sinnbestimmtheit der Vermittlungdie der Mensch in und kraft seiner Geistigkeit zur Steigerung zu bringenvermag indem die geistige Vergegenwaumlrtigung selbst zum Ziel menschlicherWeltorientierung wird Da menschliche Erkenntnis in ihrer sinnlichen ebensowie in ihrer geistigen Bestimmtheit ihren Sinn in entwerfender Vergegenwaumlrti-gung findet gewinnt Metaphysik (oder metaphysisches Denken) bei Cusanusim Verhaumlltnis der Rezeption und Transformation der Metaphysik des Aristo-teles die Gestalt des Entwurfs

W Schmidt-Biggemanns Beitrag bdquoGrund und Ungrund Zur Metaphysikdes Moumlglichenldquo bildet den Abschluss der in diesem vierten Teil versammeltenBeitraumlge wie des vorliegenden Bandes insgesamt insofern der Beitrag sich alsVersuch ansehen laumlsst die zur Debatte stehende Rezeption und Transformati-on der Metaphysik im Mittelalter der Entwicklung metaphysischen Denkensim Ausgang des Gedankens des bdquoEinenldquo bei Plotin zuzuordnen Die ange-sprochene Zuordnung kann zunaumlchst im Sinne der Untersuchung von Bedin-gungen der infrage stehenden Rezeption gesehen werden Dazu eroumlffnet dieBetrachtung des Verstaumlndnisses des Einen einen ersten Aspekt insofern dieHinsicht des Seins in der Unterscheidung von Sein und Nichts in der Be-

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stimmtheit ihrer Differenzierung gegenuumlber dem unbestimmten Einen sekun-daumlr ist Nicht mehr ist Sein das allgemeinste Praumldikat sondern das Eine wirdzur Bedingung des Seins Zugleich veraumlndert sich das Verstaumlndnis der Kausa-litaumlt Das Eine ist erste Ursache von Sein indem es das Nichtsein zugleichdefiniert Im Corpus Dionysiacum und im Liber de Causis tritt die Auffas-sung hinzu dass das Eine als causa essendi zugleich Grund des Erkennensist der an sich selbst unerkennbar ist Schlieszliglich widmet sich der Beitragdem (offenbarungs-) theologisch motivierten Problem wie die GedankenGottes in ihrer Moumlglichkeit gefasst werden koumlnnten in dessen Diskussion beiAvicenna zwei unterschiedliche Begriffe von Welt konzipiert werden die vonGott konzipierte Idealwelt des Moumlglichen und die erfahrbare reale Welt diedurch die vehementia essendi im Sinne metaphysischer Notwendigkeit zu-stande kommt Vor dem Hintergrund der Untersuchung dieser Entwicklungdie in der Perspektive der Themenstellung des Bandes betrachtet im Sinneeiner Entwicklung von Rezeptionsbedingungen der Metaphysik anzusehenist wenden sich die Uumlberlegungen des Beitrages dem mittelalterlichen Denkenzu im Blick auf Johannes Duns Scotus und Nikolaus von Kues was wieder-um in der angesprochenen Perspektive betrachtet im Sinne der Eroumlrterungder infrage stehenden Transformation zu sehen ist Leitender Gesichtspunktist dabei der Aspekt der Moumlglichen Insofern so Schmidt-Biggemann derfreie Schoumlpfungsakt Gottes im Verstaumlndnis des Scotus ein Willkuumlrakt ist wirdim Interesse der Vermeidung des Nezessitarismus Avicennas das Moumlglichezum Irrationalen Im Unterschied dazu kommt es in der Sicht des Beitragsbei Nikolaus von Kues zu einer Modaltheologie des ersten Prinzips die imlogischen und im metaphysischen Moumlglichkeitsbegriff besondere Modi vonSein fasst das Sein der Moumlglichkeit und das der Realitaumlt welche Modi Gottgleichermaszligen zukommen insofern er als Possest alles Moumlgliche und Wirkli-che umfasst Der Beitrag weitet schlieszliglich den Blick uumlber das mittelalterlicheDenken hinaus indem er sich Leibnizlsquo Gedanken der bdquobesten aller moumlglichenWeltenldquo zuwendet Insofern es scheint dass Leibniz mit diesem Gedankenseinerseits den Nezessitarismus Avicennas nicht zu vermeiden vermag ist die-ser Gedanke in der Einschaumltzung Schmidt-Biggemans bdquoeher erbaulicher Na-turldquo Im Ergebnis kann wohl festgehalten werden dass der Beitrag in seinerBetrachtung den Verzicht auf die Hinsicht des Seins in der Rezeption undTransformation der Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter aufzeigt

III Zu den Ergebnissen

In der Skizzierung der Themenstellung des vorliegenden Bandes wurde he-rausgestellt dass der vorliegende Band seine Beitraumlge in der Absicht versam-

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 17

melt die Rezeption und Transformation der Metaphysik im Mittelalter zumeinen in den Aspekten dieser Beitraumlge selbst naumlher zu beleuchten Insoweitsei in Bezug auf die betreffenden Ergebnisse auf die vorangegangene Zusam-menfassung der einzelnen Beitraumlge und natuumlrlich auf diese selbst verwiesenDaruumlber hinaus ist mit dem vorliegenden Band angezielt die Wirkungsge-schichte der Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter gemaumlszlig dem Zusam-menhang von Rezeption und Transformation ebenso in ihrer Bedeutung fuumlrdas metaphysische Denken selbst d h im Blick sowohl auf sein aristoteli-sches Verstaumlndnis als auch auf dessen Kritik zu diskutieren wie auch inHinsicht auf dessen Verhaumlltnis zum christlichen Selbstverstaumlndnis Dazu kannfestgehalten werden zunaumlchst dass soweit es die Metaphysik und metaphy-sisches Denken am bdquoVorabendldquo der Aristoteles-Rezeption betrifft die Hin-sicht des Seins allen drei hier in jeweils einem Beitrag in den Blick genomme-nen Uumlberlieferungszusammenhaumlngen gemeinsam ist wenn gleich in durchausunterschiedlicher Gestalt Weiter dass die Metaphysik ebenso in ihren Ent-wuumlrfen aus dem 13 Jahrhundert wie in denen aus dem 14 Jahrhundert(soweit diese in den Beitraumlgen dieses Bandes im Einzelnen in Betracht bezogenwurden) in bedeutsamer Weise im Zusammenhang (offenbarungs-) theologi-scher Konzepte rezipiert und transformiert wird ausgenommen davon ist dieMetaphysik des Johannes Buridan insoweit als dieser Philosoph bleibt undnicht in die theologische Fakultaumlt wechselt Schlieszliglich dass die hier naumlheruntersuchten Metaphysikentwuumlrfe aus dem 14 Jahrhundert ihren Fokus aufdie Vermittlung umfassender Weltorientierung und menschlicher Selbstver-staumlndigung ndash sei es in ihrer sprachlichen Gestalt wie bei Ockham sei es imModus sinnlicher und vernunftbestimmter Erkenntnis bzw der sinnlichenrationalen und intellektiven Vollzuumlge des menschlichen Geistes wie bei Buri-dan bzw Nikolaus von Kues ndash und deren Analyse richten und im Zuge dieserAusrichtung auf die Hinsicht des Seins verzichten In diesem Lichte betrachtetmacht die Realisierung umfassender Weltorientierung und menschlicherSelbstverstaumlndigung unter der Hinsicht des Seins dann das verbindende Mo-ment aus das die Rezeption und Transformation der Metaphysik in den hierbeleuchteten Entwuumlrfen des 13 Jahrhunderts insgesamt praumlgt und bestimmt

Was wiederum das Verhaumlltnis dieser Wirkungsgeschichte der Metaphysikzur Praumlsenz ihres metaphysischen Denkens selbst betrifft soweit dieses imBeitrag von E Angehrn in Betracht gezogen wird legt sich zunaumlchst eineFeststellung im Blick darauf nahe dass die Problematisierungen des Denkensder Metaphysik in diesen Auseinandersetzungen die Grunduumlberzeugung be-treffen dass es in den Dingen ein festes Wesen gibt und dass Erkennen undSprechen nur in Abstuumltzung auf diese letzten Bestimmtheiten moumlglich istDie im vorliegenden Band thematisierte Wirkungsgeschichte der Metaphysikbietet zu diesen Auseinandersetzungen ebenso im Blick auf die angesprocheneGrunduumlberzeugung wie auch hinsichtlich ihrer Problematisierungen insoweit

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Beitraumlge als die Metaphysikentwuumlrfe im 13 Jahrhundert im erstgenanntenSinne und die im 14 Jahrhundert im letztgenannten Sinne in Betracht gezo-gen werden koumlnnen Im Rahmen dieser Zuordnung kann weiter im Blick aufden Beitrag von B Strobel gesagt werden dass dessen Uumlberlegungen in einerNaumlhe zu dem stehen was im Beitrag von M Kaufmann zu Ockhams Meta-physik gesagt wird Insofern es in der Sicht dieses Beitrages zumindest frag-lich erscheint dass Ockham die Hinsicht des Seins uumlber die formale Analyseihrer Vermittlung im Modus sprachlicher Gestalt hinaus thematisiert und be-stimmt stellt sich eben diese Frage auch im Zusammenhang des naumlherenVergleichs der Auffassung Ockhams mit den im Beitrag von B Strobel entwi-ckelten Uumlberlegungen Die letzte Feststellung im jetzigen Zusammenhang desFazits sei schlieszliglich im Blick darauf getroffen dass in der Perspektive An-gehrns gesehen der Weg des Denkens den die Metaphysik des Aristoteleseroumlffnet im Blick sowohl auf die unabgeschlossene Arbeit des Denkens alsauch auf die reflexive Selbstaufklaumlrung und kritische Befragung offen bleibtDie Auseinandersetzung mit der Rezeption und Transformation der Meta-physik im Mittelalter mag sich ihrerseits das sei dazu festgehalten als Teildieser unabgeschlossenen Arbeit des Denkens und reflexiven Selbstaufklauml-rung gezeigt haben bzw zeigen

IV Zur Genese des Bandes und seiner redaktionellen Gestaltung

Der vorliegende Band geht auf die internationale Tagung zuruumlck die zumgleichen Thema 2011 an der Theologischen Fakultaumlt Trier und der Universi-taumlt Trier durchgefuumlhrt wurde Uumlber Beitraumlge aus dieser Tagung hinaus habenT Koutzarova bdquoAvicenna uumlber die Moumlglichkeit Methode und Grenzen derMetaphysikldquo und F Musall bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysik ndash Zur Re-zeption des Aristoteles und seiner Metaphysik in der mittelalterlichen juumldi-schen Philosophieldquo ihren Beitrag zur Aufnahme im vorliegenden Band zurVerfuumlgung gestellt In seiner redaktionellen Gestaltung folgt der Band denRichtlinien die fuumlr die Reihe der bdquoPhilosophie der Antike Veroumlffentlichun-gen der Karl und Gertrud Abel-Stiftungldquo insgesamt maszliggeblich sind Im Be-sonderen gilt dass Kursivierungen im Haupttext nur bei lateinischen hebraumli-schen und arabischen Texten und Werktiteln vorgenommen wurden Daruumlberhinaus wurden Hervorhebungen nur vorgenommen sofern sie auf die Auto-ren der Beitraumlge selbst zuruumlckgehen In den Anmerkungen werden die Quel-len und sonstige Literatur beim ersten Mal vollstaumlndig angefuumlhrt an spaumltererStelle mit einem betreffenden Kurztitel und Verweis auf die Anmerkung inder sie vollstaumlndig erscheinen Die bibliographischen Angaben zu den im je-weiligen Beitrag insgesamt herangezogenen Werken des Albertus Magnus

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 19

des Thomas von Aquin des Johannes Duns Scotus Meister Eckharts undWilhelms von Ockham finden sich in der Anmerkung in der zum ersten Malauf ein Werk des jeweiligen Autors verwiesen wird Zu jedem Beitrag istzudem ein vollstaumlndiges Literaturverzeichnis mit den Angaben zu den Quel-len und zu sonstiger Literatur angefuumlgt

V Danksagung

Der erste Dank gilt den Beitraumlgerinnen und Beitraumlgern sowohl dafuumlr dasssie ihren Beitrag fuumlr diesen Band zur Verfuumlgung gestellt haben als auch fuumlrihre Geduld mit der sie die Erstellung des Bandes begleitet haben Weiterist der KARL UND GERTRUD ABEL-STIFTUNG im Stifterverband fuumlr dieDeutsche Wissenschaft zu danken sowohl fuumlr die wirklich groszligzuumlgige Unter-stuumltzung der genannten Tagung als auch fuumlr die Finanzierung dieses BandesAuch moumlchte ich mich bei meinem Trierer Kollegen Herrn Professor Dr GWoumlhrle dafuumlr bedanken dass seine Initiative und sein Engagement den An-stoszlig dafuumlr gegeben haben dass die ABEL-Stiftung fuumlr die Unterstuumltzung derTagung und der vorliegenden Publikation interessiert werden konnte Einweiterer Dank richtet sich an den Herausgeber der Reihe bdquoPhilosophie derAntikeldquo Herrn Professor Dr W Kullmann dafuumlr dass er sich zur Aufnahmedes Bandes in diese Reihe bereit erklaumlrt hat Schlieszliglich gilt mein Dank FrauH Mockenhaupt-Hardt und Frau Dr A Ansari ohne deren unermuumldlichesund beharrliches Engagement und nie nachlassende Unterstuumltzung und Mit-wirkung weder die Tagung zustande gekommen noch dieser Band zum Er-scheinen gebracht worden waumlre

Literatur

Dod B G Aristoteles-Latinus in N Kretzmann u a (Hrsg) The Cam-bridge History of Later Medieval Philosophy Cambridge 1982 45ndash79

Kluxen W Charakteristik einer Epoche zur Gesamtinterpretation der Philo-sophie des lateinischen Mittelalters in Ders Aspekte und Stationen dermittelalterlichen Philosophie hrsg v L Honnefelder u H MoumlhlePaderborn 2012 401ndash410

Kluxen W Maimonides und die Hochscholastik Maimonides und die phi-losophische Orientierung seiner lateinischen Leser Eine interpretatori-sche Reflexion in Ders Aspekte und Stationen der mittelalterlichenPhilosophie hrsg v L Honnefelder u H Moumlhle Paderborn 2012 284ndash298 299ndash311

20 Gerhard Krieger

Krieger G Christliches Heil und antikes Denken Zur philosophischen Be-deutung der Zeit Konstantins in Ders u a (Hrsg) Konstantin derGroszlige Der Kaiser und die Christen ndash die Christen und der Kaiser hrsgv M FiedrowiczG KriegerW Weber Trier 32007 267ndash292

Krieger G Herausforderung durch Religion Begegnungen der Philosophiemit Religionen in Mittelalter und Renaissance Eine philosophiehistori-sche Hinfuumlhrung in religionsphilosophischer Absicht in Ders (Hrsg)Herausforderung durch Religion Begegnungen der Philosophie mit Reli-gionen in Mittelalter und Renaissance Wuumlrzburg 2011 17ndash39

Lohr C The Medieval Interpretation of Aristotle in N Kretzmann u a(Hrsg) The Cambridge History of Later Medieval Philosophy Cam-bridge 1982 80ndash98

Soumlder J R Hochmittelalter Die Wiederentdeckung des Politischen inC HornA Neschke-Hentschke (Hrsg) Politischer Aristotelismus DieRezeption der aristotelischen sbquoPolitiklsquo von der Antike bis zum 19 Jahr-hundert Stuttgart 2008 51ndash76

Wieland G Plato oder Aristoteles Uumlberlegungen zur Aristoteles-Rezeptiondes lateinischen Mittelalters Tijdschrift voor Filosofie 47 1985 605ndash630

Selbstverstaumlndnis und Gestaltdes metaphysischen Denkens in der Metaphysik

Die Entstehung der Metaphysik ndashZur Rekonstruktion eines Denkwegs

Emil Angehrn

I Die Frage nach der Herkunft

Metaphysik ist nicht ein zeitloses Gebilde Sie ist eine kulturelle Groumlszlige diein der europaumlischen Denkgeschichte ihren bestimmten Ort hat und ihre be-sondere Stellung einnimmt Sie hat sich in einer historischen Konstellationherausgebildet und einen rekonstruierbaren Verlauf genommen der sich inder Gegenwart fortsetzt oder ndash je nach Wahrnehmung ndash laumlngst an sein Endegekommen ist Waumlhrend noch vor wenigen Jahrzehnten das Ende der Meta-physik vielfach diagnostiziert worden ist scheint diese in neueren Diskussio-nen nicht zuletzt der analytischen Philosophie wieder zur selbstverstaumlndlichenGroumlszlige geworden zu sein Natuumlrlich haumlngen solche Einschaumltzungen davon abwie wir den Begriff verwenden was wir als leitende Fragen der Metaphysikdefinieren und wie wir ihre Geschichte beschreiben Nun steht im Folgendennicht die generelle Frage nach dem Status und historischen Schicksal der Me-taphysik zur Diskussion Es geht um die Ruumlckbesinnung auf ein konkretesherausragendes Modell dessen praumlgende Kraft fuumlr die Denkgeschichte aller-dings von eminenter Bedeutung ist Bevor ich die charakteristischen Grund-zuumlge dieses Modells ins Auge fasse will ich zwei prinzipielle Fragen einersolchen Ruumlckbesinnung ansprechen Die erste betrifft das allgemeine Interes-se und die Funktion der Beschaumlftigung der Philosophie mit ihrer eigenen Ge-schichte Die zweite gilt dem logischen Problem das sich mit der Besinnungauf die Herkunft einer Tradition verbindet der wir selbst zugehoumlren und ausder heraus wir nach dem Anfang fragen

Solche Fragen konfrontieren uns mit dem eigentuumlmlichen Geschichtsbe-zug der Philosophie1 Zu den auffallenden Merkmalen der Philosophie zaumlhltderen spezifischer Bezug zur eigenen Geschichte Es macht die typische Ar-

1 Zum Folgenden vgl E Angehrn Wozu Philosophiegeschichte in E AngehrnB Baertschi(Hrsg) Philosophie und Philosophiegeschichte (studia philosophica 61) BernndashStuttgartndashWien 2002 37ndash66 (auch in Ders Wege des Verstehens Hermeneutik und Geschichtsden-ken Wuumlrzburg 2008 111ndash134)

24 Emil Angehrn

beitsweise der Philosophie wie sie sich in Forschung Lehre und Publikatio-nen dokumentiert mit aus dass zwischen systematischen und historischenUntersuchungen vielfache Verbindungen bestehen ohne dass die Befassungmit der eigenen Geschichte fuumlr die Philosophie gleichsam als Zusatz oderSonderthema (wie die Medizingeschichte in der medizinischen Ausbildungund Forschung) erscheint Philosophie praumlsentiert sich weithin als eine histo-rische Disziplin Allerdings ist ihre Geschichtsverwiesenheit alles andere alsklar und unstrittig auch Autoren die sich durchaus als Teil einer Geschichteverstehen haben ihren Vorbehalt gegenuumlber der historischen Orientierungphilosophischer Arbeit artikuliert Bei den Konzepten die sich in grundsaumltz-lich affirmativer Weise auf die Geschichte beziehen koumlnnen wir unterschied-liche Stoszligrichtungen unterscheiden nach denen sie den sbquoNutzen der Historielsquofuumlr die Philosophie bestimmen schematisch seien drei Hauptrichtungen ge-nannt deren dritte fuumlr die folgenden Uumlberlegungen im Zentrum stehen soll

Zum einen kann man das Interesse des Geschichtsbezugs darin sehendass die Philosophie auf einen Fundus von Theorien Methoden und Begriff-lichkeiten zuruumlckgreift deren Kenntnis der heutigen Arbeit an philosophi-schen Problemen zugute kommt Aktuelle Debatten koumlnnen sich auf histori-sche Exempel zur Illustration aber auch zur Exploration eines Themenfeldesund Erprobung von Loumlsungen abstuumltzen sie koumlnnen sich am Beispiel fruumlhererArgumentationsstrategien und Aporien uumlber Praumlmissen Schwierigkeiten oderAussichten bestimmter Denkwege orientieren Dabei fungieren vergangeneKonzepte nicht nur als Ressourcen heutiger Begriffsarbeit als Materialien imSteinbruch der Ideen In anspruchsvollerer Weise koumlnnen sie als Positionen inden Streit der Argumente einbezogen werden so dass sich der philosophischeDiskurs nicht nur als synchroner idealiter grenzenloser Diskurs sondernebenso als Gespraumlch uumlber die Zeiten und Generationen hinweg vollzieht Inemphatischen Versionen wird dieses Gespraumlch geschichtsphilosophisch unter-mauert sei es dass die Kontinuitaumlt und Identitaumlt der Begriffe und Theoremestatuiert wird sei es dass daruumlber hinaus deren gerichtete Weiterentwick-lung gegebenenfalls der Fluchtpunkt einer abschlieszligenden Wahrheit festge-halten wird Doch auch ganz abgeloumlst von solcher geschichtsphilosophischerEinordnung bleibt die Idee der bdquoPhilosophiegeschichte als Argumentationsge-schichteldquo2 ein moumlglicher Leitfaden historischer Reflexion in der PhilosophieDie Auseinandersetzung mit ihrer Vorgeschichte interessiert die Philosophiein ihrem Bemuumlhen um Begruumlndung und Wahrheit

2 J Mittelstraszlig Die Philosophie und ihre Geschichte in H J Sandkuumlhler (Hrsg) Geschicht-lichkeit der Philosophie Theorie Methodologie und Methode der Historiographie der Phi-losophie Frankfurt am MainndashBern 1991 25

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 25

Eine andere Interessenrichtung ist die der historischen Rekonstruktionund Erinnerung als solcher Philosophie die in Geschichte wurzelt und inGeschichte eingeht hat eine Zielbestimmung darin Vergangenes lebendig zuerhalten und das Gespraumlch der Menschen in die Zukunft hinein fortzusetzenPhilosophiehistorie ist darin Teil der allgemeinen historischen Kultur zu de-ren Leitideen das Bewahren und Erinnern als solches die Kultur des Gedaumlcht-nisses und das Festhalten des Gewesenen gegen sein Vergehen zaumlhlen Diephilosophische Bibliothek versammelt die fluumlchtigen Versuche der Welt- undSelbsterkenntnis der Menschen vereint sie ndash so Jaspers3 ndash als Zeugnisse einesuumlber das Vergaumlngliche hinaus strebenden Erkennens Nach Benjamin undDerrida hat das Denken das sich vom Vergangenen ansprechen laumlsst einunabgeschlossenes Projekt weiterzufuumlhren und ein Ungedachtes Ungesagteszur Sprache zu bringen Richard Rorty bezeichnet es als letzte Aufgabe derPhilosophie das Gespraumlch der Menschheit nicht abbrechen zu lassen4 Inmarkanten Auspraumlgungen ist Philosophie darauf gerichtet an einer Geschich-te teilzuhaben und sich aus einer Geschichte heraus zu verstehen welche dieGeschichte einer Denkform des abendlaumlndischen Denkens oder der Mensch-heit als ganzer sein kann Philosophisches Denken hat an der Reflexivitaumlt desHistorischen teil worin sich das faktische Gewordensein mit der Kultur desGedaumlchtnisses verschraumlnkt

Eine dritte Stoszligrichtung historischer Besinnung die mit dem Interessedes Erinnerns eng zusammenhaumlngt und die im vorliegenden Kontext von be-sonderem Gewicht ist ist die hermeneutische Ihr Ziel ist die Verstaumlndigunguumlber sich selbst Philosophie ist nicht einfach eine Disziplin die einen vorge-gebenen Gegenstand untersucht zu ihrem eigensten Anliegen gehoumlrt die Ver-staumlndigung daruumlber was sie ist und was sie will welches die sie leitendenFragen sind welche Wissensform sie erstrebt und welche Funktion sie fuumlr dieMenschen erfuumlllt Solche Verstaumlndigung uumlber das eigene Sein Tun und Wol-len ist eine teils begriffliche teils anthropologische Reflexion in signifikantenFaumlllen vollzieht sie sich in praumlgnanter Weise als historische Besinnung

Dabei laumlsst sich die Selbstaufklaumlrung uumlber Geschichte ihrerseits unterzwei verschiedenen Aspekten beleuchten Auf der einen Seite kann uns histo-rische Rekonstruktion dazu verhelfen unser faktisches Handeln und Soseingenauer kennenzulernen und besser zu verstehen Im Falle der philosophi-schen Arbeit bedeutet dies die verwendeten Begriffe die bearbeiteten Frage-stellungen die leitenden Intuitionen in ihrem Gehalt und ihrer Bedeutung zu

3 K Jaspers Weltgeschichte der Philosophie Einleitung aus dem Nachlass hrsg von H Sa-ner MuumlnchenndashZuumlrich 1982 20 f

4 R Rorty Der Spiegel der Vernunft Eine Kritik der Philosophie Frankfurt am Main 1981427

26 Emil Angehrn

erfassen Sich geschichtlich verstehen heiszligt sich jenseits introspektiver Selbst-erforschung auch von auszligen in seinem Gewordensein von seinem Kontexther verstehen So kann es im philosophischen Diskurs wichtig sein die ver-borgenen Tiefenschichten von Begriffen die kulturellen Praumlmissen einerTheorie die Implikationen einer Sichtweise aufzudecken die Problemlagein welcher ein Argument entwickelt worden ist freizulegen oder die fiktiveEinheitlichkeit einer Problemgeschichte aufzuloumlsen In alledem geht es da-rum sich daruumlber klar zu werden was wir wirklich meinen und womit wiruns auseinandersetzen in ontologischen ethischen politischen anthropologi-schen Theorien und Debatten

Auf der anderen Seite dient Selbstverstaumlndigung nicht nur der gleichsamretrospektiven Aufhellung dessen was man faktisch tut und getan hat Siedient ebenso der prospektiven Selbstfindung dem Sichklarwerden daruumlberwas man sucht und worauf man hinaus will Nicht nur die Durchdringungder bisherigen Antworten sondern die Klaumlrung der Fragen und das Findendes Wegs auf dem wir unterwegs sind ist hier das treibende Motiv Auchdafuumlr stellt die historische Reflexion eine Grundlage dar Philosophie findetzu ihren Fragen und gibt sich ihr Thema nicht im leeren Raum und rein aussich heraus sondern typischerweise im Umgang mit Zeugnissen der Vergan-genheit indem sie sich in eine Tradition stellt und in einen Dialog mit fruumlhe-ren Denkern begibt In herausgehobener Weise findet solche Selbstvergewis-serung in der Besinnung auf den Anfang einer Tradition statt In einer praumlg-nanten Gestalt hat Husserl dieses Motiv in der bdquoKrisisldquo ausformuliert indemer die historische Besinnung als eine fasst die auf eine sbquoUrstiftunglsquo zuruumlckgeht(und idealiter auf eine sbquoEndstiftunglsquo vorausgreift) um sich dessen zu versi-chern worauf das philosophische Projekt an das wir anschlieszligen und andem wir selbst arbeiten hinaus will5 Doch auch wo nicht ein identifizierba-rer erster Anfang den Bezugspunkt bildet kann die Selbstvergewisserung desDenkens ein zentrales Anliegen historischer Reflexion bilden

Es ist nun in unserem Zusammenhang ein bemerkenswerter Tatbestanddass gerade die aristotelische Metaphysik welche den Boden und Ausgangs-punkt unserer Tradition bildet in paradigmatischer Form eine solche histori-sche Selbstverortung und Selbstvergewisserung durchfuumlhrt Es macht ein cha-rakteristisches Kennzeichen dieses herausragenden Gruumlndungsdokuments derabendlaumlndischen Philosophie aus dass es nicht einfach mit Untersuchungenuumlber den Kosmos uumlber Gott oder den Menschen einsetzt sondern zunaumlchstdie Frage nach sich selbst stellt und systematisch eroumlrtert bdquoDie gesuchte Wis-senschaftldquo ndash so lautet ein bezeichnendes Stichwort der Eingangsbetrachtun-

5 E Husserl Die Krisis der europaumlischen Wissenschaften und die transzendentale Phaumlnome-nologie Den Haag 1962 sectsect 6 7 9 15

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 27

gen6 Zur ersten Aufgabe der Metaphysik gehoumlrt die Verstaumlndigung uumlber ih-ren Begriff zumal sie sich im Gegensatz zu anderen Wissenschaften ndash wiePolitik Geometrie Naturphilosophie ndash nicht uumlber einen bestimmten vorgege-benen Gegenstand sondern uumlber eine bestimmte Form des Wissens definiertZielpunkt des ersten Kapitels ist die vorlaumlufige Definition der Ersten Philoso-phie als Erforschung der ersten Ursachen und Gruumlnde Es ist eine Definitiondie in den weiteren Kapiteln des ersten Buches expliziert und beglaubigt wirdwobei diese Bestaumltigung sich wesentlich uumlber einen Ruumlckblick auf die Vorge-schichte vollzieht Ausfuumlhrlich referiert Aristoteles die Ansaumltze der Vorsokra-tiker mit dem Ziel des zweifachen Nachweises dass erstens alle fruumlherenDenker nach Gruumlnden und Prinzipien geforscht haben und dass sie zweitensdiese Forschung im Rahmen der von Aristoteles konzipierten vier Ursachen-typen betrieben haben Aufschlussreich und von tiefer Einsicht ist dabei dieabschlieszligende Bemerkung dass die Vorgaumlnger an dem von Aristoteles aufden Begriff gebrachten Projekt gearbeitet haumltten ohne es selbst schon genauzu kennen und praumlzise bestimmen zu koumlnnen bdquoUumlber allesldquo so heiszligt es imSchlusskapitel des Eingangsbuches bdquoschien die Erste Philosophie nur zustammeln als sie noch jung war und am Beginn standldquo7 Erst undeutlichund dunkel ohne begriffliche Klarheit haben die fruumlhen Denker von demgehandelt was sich im Nachhinein als ihr Gegenstand und eigentliches Anlie-gen herausstellte Es war meint Aristoteles die Sache bzw die Wahrheitselbst die ihnen den Weg wies und ihre Forschungen lenkte8 Philosophieversichert sich hier ihres Wegs nicht im Ruumlckblick auf einen idealen Stiftungs-akt sondern im Gespraumlch mit einem seiner selbst noch unsicheren Gang desDenkens einem tastenden Anfangen das erst in der Fortschreibung seineklare Ausrichtung und reflexive Begruumlndung erhaumllt Solches Gespraumlch traumlgtdem Paradox des Anfangens Rechnung welches einen Weg einschlagen mussdessen Bestimmtheit und Ausgang noch nicht vor Augen liegen Erst die Ge-schichte fuumlhrt zur Ausformulierung des Projekts zum Finden seines Begriffsder nach Hegel der Entwicklung nicht vorausliegt sondern als Resultat ausihr hervorgeht

II Der Anfang der Metaphysik

Das aristotelische Paradigma der Ruumlckbeziehung auf die Vorgeschichte kannin gewisser Weise als Modell fuumlr unsere Beschaumlftigung mit Aristoteles dienen

6 Met Α 2983 a 21 vgl 982 a 47 Met Α 10993 a 15 f ψελλιζομένῃ γαρ ἔοικεν ἡ πρώτη φιλοσοφία περὶ πάντων8 Met A 3984 b 18 f 984 b 10 f A 10993 a 13ndash15

28 Emil Angehrn

Diese nimmt im Horizont philosophiehistorischer Forschung einen besonde-ren Rang ein Es geht nicht einfach um eine historische Selbstsituierung ge-genwaumlrtigen Denkens und um die Aufhellung bestimmter Begriffe und Prob-lemkonstellationen aus ihrer Herkunft und ihrem Kontext Solches findet inder philosophischen Reflexion vielfach statt und es ist fuumlr die Selbsttrans-parenz des fachlichen Diskurses von groszliger Bedeutung Leitbegriffe wiesbquoMenschlsquo sbquoStaatlsquo sbquoFreiheitlsquo sbquoLebenlsquo sind nicht transzendentale Gegebenhei-ten oder apriorische Konstrukte Sie gewinnen ihre Bedeutung in real- undideengeschichtlichen Zusammenhaumlngen von denen auch ihre Verwendungim aktuellen Diskurs nicht abgeloumlst ist Doch meint die uns hier interessieren-de Ruumlckschau Spezifischeres als diese generelle historische Selbstaufklaumlrungdes Denkens Es geht um die Ruumlckbesinnung auf einen Anfang der fuumlr dasaus ihm Kommende und die Ruumlckbesinnung auf ihn selbst konstitutiv ist

Nun scheint eine Ursprungsreflexion dieser Art mit grundsaumltzlichenProblemen behaftet Sie zeigen sich bereits im Blick auf die Herkunftsbesin-nung der aristotelischen Metaphysik selbst Wie koumlnnen wir uns dessen ver-gewissern dass die Vorgeschichte auf die sich Aristoteles zuruumlck beziehttatsaumlchlich den Weg markiert und die Spuren anlegt die Aristoteles in ihrerkennt die er in seinem Werk aufnimmt und weiterverfolgt Das Problemliegt darin dass uns aus dieser fruumlhen Periode nur Bruchstuumlcke uumlberliefertsind die zudem in einer Tradierung auf uns gekommen sind deren erste undin houmlchstem Maszlige praumlgende Station Aristoteles selbst ist Jeder Versuch dieZeugnisse in ihrem eigenen Anliegen und originaumlren Gehalt zum Reden zubringen hat sich zuallererst mit dieser aristotelischen Perspektivierung ausei-nanderzusetzen Deren Auswirkung tangiert nicht nur die Uumlberlieferung desTextbestandes sondern ebenso den Denkhorizont innerhalb dessen wir unsbewegen und das Vorverstaumlndnis von Metaphysik das als heuristischerSchluumlssel die historische Herkunftsforschung unweigerlich bestimmt DieFrage wieweit die vorsokratischen Formen des Denkens und Forschens wirk-lich die Vorgeschichte des metaphysischen Denkens bilden ndash und nicht viel-mehr noch gar keinen Bezug zu Spaumlterem haben und erst kontingenterweisezu diesem in ein Verhaumlltnis zu stehen gekommen sind vielleicht Anfaumlnge vonanderem waren das sich anderswo oder nur fragmentarisch ausgebildet hatDiese an sich berechtigte Frage ist in gewisser Hinsicht auch kuumlnstlich DieWahrnehmung des Anfangs ist eine nachtraumlgliche Fruumlhere Ereignisse werdenim Nachhinein zum Beginn einer Geschichte Der Anfang einer Traditionwird von nachfolgenden Generationen die sich von ihm ansprechen lassenund in ihm eigene Fragen und Anliegen erkennen als solcher aufgefasst undzum Anfang gemacht9

9 Vgl H-G Gadamer Der Anfang der Philosophie Stuttgart 1996

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 29

Gewiss gibt es Anfangsformationen die von sich aus prospektiv als initi-ale Gruumlndung angelegt sind und nicht erst im Nachhinein zum Ursprungeiner mit ihnen einsetzenden Geschichte oder einer aus ihnen hervorgehendenGestalt werden In dieser Hinsicht unterscheidet sich unser Ruumlckblick aufAristoteles von dessen eigener Rekonstruktion des noch im Unbestimmtensich bewegenden vorsokratischen Denkens Aristotelesrsquo eigene Schrift ver-steht sich durchaus als Gruumlndungsdokument als Beginn und reflektierte Be-stimmung einer bestimmten Wissensform Dennoch ist Aristotelesrsquo Bezug aufdie stammelnde Vorgeschichte auch fuumlr unseren Ruumlckblick auf ihn lehrreichAuch seine Schrift tritt ndash ganz unabhaumlngig von Fragen der Entstehung undtextuellen Komposition ndash nicht als ein geschlossenes System auf sondernals Dokument einer Suche nach dem eminenten Wissen die unterschiedlicheAnlaumlufe nimmt Uumlberlegungen verfolgt und Orientierungen vereinigt Zumherausragenden Referenzpunkt der Tradition wird sie durch die Wirkungsge-schichte in welcher sich Rezeption Interpretation Profilgebung und Weiter-bildung durchdringen Sie integriert selbst eine mehrdimensionale Vor- undEntstehungsgeschichte in welche neben den Stroumlmungen der Vorsokratik vorallem eine durchgehende Auseinandersetzung mit der platonischen Philoso-phie eingeht und sie erarbeitet auf dieser Grundlage ein Konzept von Meta-physik das zum Referenzpunkt der weiteren Entwicklung wird Die aristote-lische Metaphysik bildet eine Grundlage fuumlr die Selbstverstaumlndigung der Phi-losophie und einen privilegierten Anknuumlpfungspunkt ihrer Entwicklung Umgenauer zu fassen worin sie fuumlr das philosophische Denken eine Basis derWeiterbildung aber auch der Distanzierung abgibt sind die sie charakterisie-renden Grundzuumlge herauszustellen

III Das aristotelische Modell ndashFluchtlinien metaphysischen Denkens

Das Eingangskapitel der Metaphysik will den Nachweis erbringen dass diesogenannte Weisheit eine Wissenschaft der ersten Ursachen und Prinzipienist10 Beide Begriffe sind fuumlr das Verstaumlndnis der gesuchten Wissenschaft glei-chermaszligen grundlegend der Begriff der ἀρχή wie der Begriff des Ersten Zumeinen gilt dass nur Prinzipienkenntnis wirkliches Wissen (im Gegensatz zumbloszligen Erfahrensein) begruumlndet und dazu befaumlhigt zu lehren Zum anderengeht es nicht nur um Prinzipienkenntnis als solche sondern wie Aristotelesin II2 spezifiziert darum nach jeder der vier Ursachentypen das letzte bzw

10 Met A 1981 b 28 ndash 982 a 3

30 Emil Angehrn

erste Prinzip zu kennen da ohne diese Letztbegruumlndung das Wissen ins Un-endliche progredieren wuumlrde und keine wirkliche Erkenntnis (wie in der Rea-litaumlt keine seinsmaumlszligige Fundierung und Zweckausrichtung) zustande kaumlmeIm Begriffskatalog des 5 Buches verschraumlnkt Aristoteles beide Ideen indemer den Begriff der ἀρχή bzw der αἰτία als ein Erstes (πρῶτον) expliziert bdquovonwelchem das Sein oder die Entstehung oder die Erkenntnis eines Dinges aus-gehtldquo11 Prinzip und Erstheit explizieren sich gegenseitig wobei beides in derMehrdimensionalitaumlt des Seins- Entstehungs- und Erkenntnisgrunds thema-tisch wird Der Begriff des Ersten den Aristoteles wiederum nach der dreifa-chen Hinsicht des dem Begriff der Erkenntnis oder der Zeit nach Erstendifferenziert12 markiert den Fluchtpunkt der (ihrerseits mehrschichtigen) Re-lation von Fruumlher und Spaumlter13 Diese Relation ist fuumlr alles seinsmaumlszligige Be-gruumlnden wie fuumlr alles Verstehen konstitutiv welches immer eines von einemanderen her das ihm gegenuumlber das Fruumlhere ist erfasst in letzter Instanzvon einem absolut Fruumlheren Unbedingten her hinter welches nicht weiterzuruumlckgegangen werden kann Metaphysik ist Wissenschaft vom Ersten undLetzten Nicht irgendwelche Gruumlnde will sie ausfindig machen sondern dasunhintergehbar Erste das allen anderen Fundamenten vorausliegt und selbstkeine weitere Voraussetzung hat sondern sbquovoraussetzungsloser Anfanglsquo (ἀρχηἀνυπόθετος) ist14 Diese Bestimmung charakterisiert das allgemeine Konzeptder von Aristoteles ins Auge gefassten Wissenschaft

Nun bleibt in solcher Umschreibung offen auf welchem Weg die Ursa-chenforschung vorangehen in welcher Dimension nach welcher Hinsicht siedas Erste suchen soll Ersichtlich ist es ja nicht so dass die Metaphysik etwaentsprechend der auch in der Physik statuierten Vier-Ursachen-Lehre das Ers-te in jeder dieser Ursachenketten ergruumlndete Erkennbar sind zwei Haupt-stoszligrichtungen nach denen Aristoteles selbst die Frage nach den Prinzipienausformuliert Das eine ist die ontologische Fragerichtung die Aristoteles imBuch Γ als Frage nach dem Seienden als Seienden exponiert und dann in denBuumlchern Ζ Η Θ als Frage nach der Substanzialitaumlt vertieft das andere dietheologische Forschungsrichtung welche (in Buch Ε) die Frage nach demhoumlchsten Seienden dem Goumlttlichen stellt und (in Buch Λ) die Existenz undLebensform des ersten Bewegers und dessen Funktion fuumlr die Ordnung desGanzen beschreibt Damit sind zwei Richtungen angezeigt nach denen Aris-toteles die metaphysische Tradition begruumlndet die auf der einen Seite die

11 Met Δ 11013 a 17ndash19 πασῶν μὲν οὖν κοινὸν τῶν ἀρχῶν το πρῶτον εἶναι ὅθεν ἢ ἔστιν ἢγίγνεται ἢ γιγνώσκεται

12 Met Z 11028 a 32 f13 Met Δ 1114 Met Γ 31005 b 14 vgl Platon Resp 510 b 7 511 b 6 533 c 8

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 31

allgemeinsten Formen des Seins bzw die Kategorien unseres Sprechens uumlberWirklichkeit uumlberhaupt analysiert auf der anderen Seite das houmlchste Seiendeund die Welt im Ganzen betrachtet Wenn man so will ist hier die Zweiglei-sigkeit der Metaphysik angelegt die deren Folgegeschichte durchzieht undetwa in der neuzeitlichen Unterteilung von allgemeiner und spezieller Meta-physik begegnet wobei Aristoteles die Zusammengehoumlrigkeit beider For-schungsrichtungen behauptet15 ohne indes ihre Verbindung letztlich zu klauml-ren ohnehin ist klar dass sich das unter dem spaumlteren Titel der Metaphysikzusammengefasste Konvolut von Untersuchungen nicht problemlos auf diesespaumltere Systematisierung abbilden laumlsst und es ist eine offene (von Aristotelesselbst als erste Aporie16 thematisierte) Frage wieweit sich das aristotelischeKonzept uumlberhaupt einheitlich fassen laumlsst Festzustellen ist zunaumlchst nurdass Metaphysik nach beiden genannten Hinsichten in der Geschichte strittiggeworden ist im Blick auf die mit der speziellen Metaphysik verbundenenTotalisierungen und Weltbilder wie mit Bezug auf die allgemeinen ontologi-schen Bestimmungen sowohl hinsichtlich ihrer spezifischen Praumlgung wie dervon ihnen beanspruchten Objektivitaumlt und Universalitaumlt Im Folgenden sollenaus den komplexen und vielschichtigen Untersuchungen der aristotelischenMetaphysik Eckpfeiler herausgestellt werden welche die Wirkungsgeschichtepraumlgen und nicht zuletzt Angelpunkte des Streits um die Metaphysik definie-ren Dabei soll der Schwerpunkt auf der ersten Forschungsrichtung liegen

1 Von der Ontologie zur Ousiologie

Es ist die Forschungsrichtung die auf die bdquoersten Ursachen des Seienden alssolchenldquo17 zielt und die allgemeinsten Merkmale dessen was uumlberhaupt istbestimmen will Sie hat fuumlr die Folgegeschichte vielleicht die groumlszligte Praumlge-kraft gehabt Aristoteles konzipiert eine Untersuchung die sich durch ihrenAbstraktheitsgrad jenseits der Fachwissenschaften ansiedelt Sie interessiertsich fuumlr das was ein Seiendes als solches ausmacht unabhaumlngig davon obes sich um ein Lebewesen ein Dreieck einen Menschen oder einen Gotthandelt Ihr Gegenstand sind Formbestimmungen die unser Denken undSprechen strukturieren und unser allgemeines Wirklichkeitsverstaumlndnis be-stimmen die aber nach dem Selbstverstaumlndnis der Metaphysik nicht nur sub-jektive Auffassungsweisen sondern identischerweise objektive Seinsformensind Dazu zaumlhlt ganz Verschiedenes Untersuchungen uumlber die Einheit und

15 Vgl Met E 11026 a 29ndash3216 Vgl Met Β 1995 b 5 f ἔστι δ᾽ ἀπορία πρώτη μὲν περὶ ὧν ἐν τοĩς πεφροιμιασμένοις διηπορήσα-

μεν πότερον μιᾶς ἢ πολλῶν ἐπιστημῶν θεωρῆσαι τας αἰτίας17 Met Γ 11003 a 31 τοῦ ὄντος ἧ ὂν τὰς πρώτας αἰτίας

32 Emil Angehrn

ihre Gegenbegriffe (Verschiedenheit Unaumlhnlichkeit Ungleichheit GegensatzDifferenz)18 daruumlber hinaus bdquodas Fruumlher und Spaumlter Gattung und Art Gan-zes und Teil und anderes dergleichenldquo19 sowie die allgemeinsten Denkgesetzedie Aristoteles stellvertretend am Beispiel des ausgeschlossenen Widerspruchsuntersucht In alledem geht es um Grundbegriffe und Formen des Denkensdie von den anderen Wissenschaften in Anspruch genommen aber nicht re-flektiert und systematisch erarbeitet werden

Die Durchfuumlhrung dieser Aufgabe der Ersten Philosophie nimmt Aristo-teles nun in einer ganz spezifischen Fokussierung vor Genauer handelt essich um einen zweifachen Schritt eine zweifache Engfuumlhrung die dem meta-physischen Projekt seine charakteristische Praumlgung verleiht Die erste fuumlhrtvom Sein zur Substanz die zweite von der Substanz zur Wesensform in ge-wissem Sinn kann man daran die dritte Engfuumlhrung anschlieszligen die zurhoumlchsten goumlttlichen Substanz fuumlhrt und damit in die andere Hauptrichtungder Prinzipienforschung einmuumlndet

Die beiden Schritte die hier nur schematisch zu benennen sind sind fuumlrden aristotelischen Gedankengang von schlechthin fundamentaler Bedeu-tung Ihr Ausgangspunkt ist die Analyse des Worts ὄν das nach der beruumlhm-ten (aber uneindeutigen)20 Formel in vielfacher Bedeutung ausgesagt wirdaber stets bdquoin Beziehung auf Einesldquo (πρὸς ἓν)21 Die πρὸς ἓν-Analogie unter-stellt die basale Differenz zwischen einer primaumlren eigentlichen Wortverwen-dung und den sekundaumlren gleichsam indirekten Verwendungen die immernur im Ruumlckbezug auf die erste verstehbar sind ndash eine Differenz die dasParadigma des Praumldikats sbquogesundlsquo plastisch vor Augen stellt Die Kleidungdie nicht selbst gesund ist kann so heiszligen mit Bezug auf den Organismusder an ihm selbst gesund oder krank sein kann Die Uumlbertragung dieser Rela-tion auf das Verstaumlndnis von ὄν ist nun allerdings keine triviale Analogiesemantischer Strukturen Vielmehr beinhaltet sie eine gewichtige ontologi-sche These Sie steht fuumlr die Uumlberzeugung dass es Entitaumlten gibt die im ei-gentlichen Sinn durch sich selbst bestehen und andere die nur in Abhaumlngig-keit von anderem oder mit Bezug auf anderes sind Man kann darin eine

18 Met Γ 21004 a 8ndash2219 Met Γ 21005 a 16ndash18 προτέρου καὶ ὑστέρου καὶ γένους καὶ εἴδους καὶ ὅλου καὶ μέρους καὶ

τῶν ἄλλων τῶν τοιούτων20 Die Formel wird von Aristoteles in zwei unterschiedlichen Weisen verwendet einerseits (in Γ

2) als Unterscheidung gemaumlszlig den Kategorien anderseits (in Λ 7 und E 2) als Unterscheidungzwischen dem akzidentell ausgesagten Sein dem Sein gemaumlszlig den Kategorien dem Sein imSinne des Wahrseins und dem Sein dem Vermoumlgen und der Verwirklichung nach Vgl dazuE Tugendhat Uumlber den Sinn der vierfachen Unterscheidung des Seins bei Aristoteles (Meta-physik Λ 7) in Ders Philosophische Aufsaumltze Frankfurt am Main 1992 136ndash144

21 Met Γ 21003 a 33 πρὸς ἓν

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 33

Erbschaft der zwar anders angelegten doch im weiten Sinn verwandten pla-tonischen Grunduumlberzeugung der bdquozwei Arten von Seiendenldquo22 sehen derentiefste Seinsdifferenz (neben veraumlnderlich-ewig sichtbar-unsichtbar etc) diezwischen selbstaumlndiger und unselbstaumlndiger Existenz ist Im engeren Sinnwird die Differenz als die zwischen dem substantiell und dem akzidentellSeienden ausgearbeitet die fuumlr Aristoteles schlieszliglich zur Folgerung fuumlhrtdass das primaumlr Seiende die Substanz das in der Untersuchung eigentlichAufzuhellende sei wie dies der emphatische Satz in Z 1 festhaumllt Da bdquodie vonalters her und jetzt und fuumlr immer uns umtreibende Frage was das Seiendesei nichts anderes meint als die Frage was die ousia seildquo hat die Erste Philo-sophie bdquohauptsaumlchlich und zuerst und sozusagen einzig zu betrachten wasdas in diesem Sinne Seiende istldquo23

Innerhalb dieser Betrachtung kommt dann die zweite Fokussierung zumTragen welche die unterschiedlichen Kandidaten fuumlr substantiell Seiendes (Z2) und die verschiedenen Begriffsbestimmungen von οὐσία (Z 3) analysiertund sich schlieszliglich auf die Frage zentriert ob eher der Stoff oder die Formdas Wesentliche wahrhaft Seiende in den Dingen ausmacht Es ist die Alter-native die Aristoteles schon im Bericht uumlber die Vorsokratiker als die basaleFrontstellung des anfangenden Denkens herausstellt wobei er festhaumllt dassbdquovon den ersten Philosophen die meisten nur die stoffartigen Prinzipien fuumlrdie Prinzipien aller Dingeldquo gehalten haben in welchen sie in der Tat so etwaswie deren Substanz erkannten als dasjenige bdquoworaus etwas urspruumlnglichentsteht und wohin es zuruumlckkehrtldquo und welches zugleich das Beharrlicheist das im Wandel der Eigenschaften konstant bleibt und ihm zugrundeliegt24 Die naumlhere Analyse der οὐσία fuumlhrt dann allerdings zur Verwerfungdieser Sichtweise nach welcher bdquoder Stoff Substanz istldquo da diesem die dis-tinktiven Kennzeichen der οὐσία selbstaumlndig (χωριστόν) und ein Bestimmtes(τόδε τι) zu sein abgehen25 Die Gegenvariante besteht darin die Form (εἶδος)bzw Wesensbestimmtheit (τί ἦν εἶναι) als dasjenige zu definieren was letztlichdie Substantialitaumlt des primaumlr Seienden ausmacht Die Argumente und Uumlber-legungen die Aristoteles in dieser Grundthese des Essentialismus zusammen-schlieszligt sind vielschichtig-komplex und bilden einen der Hauptgegenstaumlndeder exegetischen Bemuumlhung um die Metaphysik Daraus seien nur wenige

22 Phd 79 a δύο εἴδη των ὄντων23 Met Z 11028 b 3ndash7 καὶ δὴ καὶ το πάλαι τε καὶ νῦν καὶ ἀεὶ ζητούμενον καὶ ἀεὶ ἀπορούμενον

τί τὸ ὄν τοῦτό ἐστι τίς ἡ οὐσία [hellip] διὸ καὶ ἡμĩν καὶ μάλιστα καὶ πρῶτον καὶ μόνον ὡς εἰπεĩνπερὶ τοῦ ὅυτως ὄντος θεωρητέον τί ἐστιν

24 Met A 3983 b 6ndash18 τῶν δὴ πρώτων φιλοσοφησάντων οἱ πλεĩστοι τας ἐν ὕλης εἴδει μόναςῲήθησαν ἀρχας εἶναι πάντων [hellip] καὶ ἐξ οὗ γίγνεται πρώτου καὶ εἰς ὃ φθείρεται τελευταĩον

25 Met Z 31029 a 27 οὐσίαν εἶναι τὴν ὕλην

34 Emil Angehrn

Aspekte genannt die nicht zuletzt fuumlr die kritische Auseinandersetzung umdas aristotelische Konzept von Belang sind

Der Rahmen der Argumentation ist durch die Zusammenfuumlhrung vonepistemologischer und ontologischer Betrachtung bestimmt welche die Krite-rien des in houmlchster Weise Seienden zugleich als die des am meisten Erkenn-baren fasst Es geht um ein Erstes das in sich in eminenter Weise sowohl istwie erkannt wird und darin nach beiden Hinsichten Voraussetzung undGrundlage fuumlr anderes ist Die Herausforderung besteht darin zu zeigen dassbeide Seiten nicht auseinanderfallen sondern dass Seiendes gerade durch daswas es in sich begreifbar macht sowohl Selbstaumlndigkeit erlangt wie anderemals Fundament dient Zugrunde liegt die Intuition dass etwas kraft seinerBestimmtheit die Aristoteles als Artbestimmung (bdquoArt einer Gattungldquo26)fasst und die es letztlich identifizierbar und in dem was es ist erkennbarmacht eigenstaumlndiges Sein besitzt Zwischen dem Seienden und seiner Spezi-esbestimmtheit gibt es kein Auseinanderfallen Es gibt nicht ein leeres Etwasdem zusaumltzlich die Wesensbestimmtheit Pferd oder Baum zukaumlme Vielmehrso die aristotelische Formulierung sind bdquodas ti en einai und das einzelnedasselbeldquo27 wie es exemplarisch fuumlr die platonischen Ideen das Verhaumlltniszwischen dem Guten selbst und dem Gutsein gilt sonst bdquowuumlrde es von demeinen [dem Seienden] keine Wissenschaft geben und das andere [das ti eneinai] wuumlrde nichts Seiendes seinldquo28 Etwas begreifen heiszligt auf der einen Seitees in seiner Bestimmtheit erfassen auf der anderen Seite waumlre ein Begreifendieser Bestimmtheit das diese nicht als seiend erfasst kein wirkliches Erken-nen nicht von einer leeren Konstruktion zu unterscheiden Die Ideen sindModell eines eminenten Seienden das mit seiner Bestimmtheit unmittelbaridentisch ist das durch sie verkoumlrperte Verhaumlltnis aber soll gelten bdquoauchwenn es keine Ideen gibtldquo29

Kraft seiner Wesensbestimmtheit ist Seiendes eines in der zweifachen Be-deutung der inneren Einheit welche mehr als bloszlige Kontinuitaumlt oder aumluszligereVerbindung meint und der Individualitaumlt des einen unter anderen30 Andersals in der spaumlteren Tradition in welcher die causa formalis die allgemeineWesensnatur darstellt die den Exemplaren einer species gemeinsam ist undder gegenuumlber der Stoff als Individuationsprinzip fungiert hat Aristoteles

26 Met Z 41030 a 12 γένους εἰδῶν27 Met Z 61031 a 15 f πότερον δὲ ταὐτόν ἐστιν ἢ ἕτερον τὸ τί ἦν εἶναι καὶ ἕκαστον σκεπτέον28 Met Z 61031 b 3 f τῶν μὲν οὐκ ἔσται ἐπιστήμη τὰ δ᾽ οὐκ ἔσται ὄντα29 Met Z 61031 b 14 κἂν μὴ ᾖ εἴδη30 Zum Zusammenhang zwischen Wesensbestimmung und Individuation vgl das bdquoPrinzip der

Sortaldependenz der Identitaumltldquo das Christof Rapp als Angelpunkt der aristotelischen Sub-stanzlehre herausarbeitet Chr Rapp Persistenz und Substantialitaumlt Untersuchungen zumVerhaumlltnis von sortalen Termen und aristotelischer Substanz FreiburgndashMuumlnchen 1995 15

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 35

hier die inwohnende Form vor Augen die zusammen mit dem Stoff das kon-krete Einzelwesen konstituiert31 Die Form ist die strukturierend-synthetischeKraft die das materiale Substrat zum bestimmten Einzelwesen bildet so wirdnicht im eigentlichen Sinn die Wesensform vom Stoff ausgesagt da sie ihnvielmehr erst zu dem Einen macht dem Bestimmungen zugesprochen werdenkoumlnnen32 Sie verleiht dem Gegenstand seine spezifische Gestalt die ihn nachauszligen unterscheidet und nach innen zusammenhaumllt kraft ihrer hat Seiendesals Individuiertes Bestand kraft ihrer ist es nicht nur bestimmt sondern istes Ich will an dieser Stelle nicht dieses schwierige Theorem der aristoteli-schen Substanzlehre das in der Literatur auch unter dem Titel der individuel-len Form diskutiert worden ist33 fuumlr sich vertiefen Erhellend fuumlr den Sach-verhalt ist das Beispiel das fuumlr Aristoteles als Paradigma der οὐσία dient dasModell des Lebewesens Menschen Tiere Pflanzen stehen stellvertretend fuumlrdas bdquowas wir am meisten als ousia bezeichnenldquo34 die bdquonatuumlrlichen Wesenldquosind die allgemein anerkannten unkontroversen Substanzen35 ja vielleichtbdquohat nichts von dem was nicht von Natur besteht zu den Substanzen zuzaumlhlenldquo36 Lebewesen verkoumlrpern exemplarisch jene Doppelseitigkeit vonEinzelheit und Essentialitaumlt sie sind von sich aus individuiert und spezifiziertAnders als bei Artefakten ist sowohl ihr εἶδος eindeutig bestimmt das nichteiner Aggregierung von Elementen gleichsam von auszligen zugewiesen (sonderndurch Zeugung von einem Wesen gleicher Art uumlbertragen) wird wie auchihre Zahl und Individuiertheit feststeht (waumlhrend sie bei Artefakten und un-belebten Koumlrpern schwankend sein kann) Die Stufen des Lebendigen sindzugleich Stufen der Individuation und Selbstbezuumlglichkeit Das Lebewesenexemplarisch in seiner houmlchsten personalen Gestalt steht fuumlr das Urmodellder Substanz ndash und ist in der Ideengeschichte als gleichermaszligen vorausset-zungsreich kontrovers diskutiert worden

Zwei Fluchtlinien dieser Zusammenfuumlhrung von Bestimmtheit und Seinwerden in den Buumlchern Θ und Λ der Metaphysik weiter ausgezogen Die erstehat ihren Fluchtpunkt in der These bdquodass die ousia und das eidos Verwirkli-chung (energeia) sindldquo37 Im Kontext der allgemeinen Eroumlrterung des Verhaumllt-

31 Met Z 111037 a 29 f32 Vgl E Tugenhat Ti kata tinos Eine Untersuchung zu Struktur und Ursprung aristotelischer

Grundbegriffe FreiburgndashMuumlnchen 1958 84 ff33 Vgl M FredeG Patzig Aristotelesrsquo bdquoMetaphysik Zldquo Text Uumlbersetzung und Kommentar

2 Bde Muumlnchen 198834 Met Z 71032 a 19 ἃ δὴ μάλιστα λέγομεν οὐσίας εἶναι35 Met H 11042 a 7 f αἱ φυσικαί36 Met H 31043 b 21 f ἴσως μὲν οὖν οὐδ᾽οὐσίαι εἰσιν οὔτ᾽ αὐτα ταῦτα οὔτε τι τῶν ἄλλων ὅσα

μὴ φύσει συνέστηκεν37 Met Θ 81050 b 2 f ὥστε φανερον ὅτι ἡ οὐσία καὶ τὸ εἶδος ἐνέργειά ἐστιν

36 Emil Angehrn

nisses von δύναμις und ἐνέργεια entwickelt Aristoteles die These vom Primatdes Akts gegenuumlber dem Moumlglichsein die er dann mit der ontologischen Re-lation von Stoff und Form verschraumlnkt Das wahrhaft Seiende auf welchesdie Ousiologie hinzielt ist wesentlich als Vollzug als aktual Seiendes gedachtIn eminenter Weise trifft dies fuumlr das houmlchste Seiende zu Das Goumlttliche Ewi-ge existiert als reine Wirklichkeit jedes Verfuumlgen uumlber Potentialitaumlt waumlre eineEinbruchstelle des Nichtseinkoumlnnens der Sterblichkeit und der KontingenzDas Ewige ist ein notwendig Seiendes das jede Moumlglichkeit des Nicht- undAndersseins aus sich ausschlieszligt Der reine Akt ist nicht einfach nur die eineSeite eines Gegensatzes sondern gewissermaszligen die Vereinigung beider Sei-ten durch die gaumlnzliche Absorption der einen durch die andere Von solcherSeinsmaumlchtigkeit ist der erste Beweger daruumlber hinaus aber alles was in ewi-ger Bewegung ist bdquoDie Sonne die Gestirne und der ganze Himmel sind stetsin Verwirklichung und man braucht keine Angst zu haben dass sie einmalstill stehen wie dies die Naturphilosophen befuumlrchtenldquo38 Die Form die sichals vereinheitlichend-strukturierende Kraft gezeigt hat ist generell das Prinzipder Verwirklichung dem der Stoff als Dimension des Moumlglichen und Potenti-ellen gegenuumlbersteht Das εἶδος ist an ihm selbst nicht bloszlige Instanz der Iden-tifizierbarkeit sondern als vereinheitlichende Gestaltung zugleich Macht desWirklichwerdens und Offenbarens39 Beide Vollzuumlge sind zwei Seiten dersel-ben ἐνέργεια das Heraustreten aus dem Formlos-Potentiellen und die Zusam-menfuumlgung zur Einheit bis hin zur strikten Individualisierung das Aktualseinund das Einssein Die strukturelle Bestimmung der οὐσία als τί ἦν εἶναι findetihren Abschluss aber auch ihren Grund in der dynamischen Uumlberformungdes εἶδος als ἐνέργεια Verwirklichung kommt nicht als ein Anderes zur Formhinzu sondern erweist sich als deren eigenste Seinsweise Von da her wirddie Eingangsthese der Fundierung des Seins im Wesen eingeholt die sbquoessentia-listischelsquo These dass die Wesensform der wahre Seinsgrund40 der Dinge seiSie ist Grund des Was und Dass zugleich weil das Was gar nicht in Abstrakti-on vom Prozess seiner Verwirklichung konsequent zu Ende gedacht werdenkann Wahrhaftes Sein heiszligt Wesensverwirklichung

2 Metaphysik als Theologie

Die andere Fluchtlinie fuumlhrt diese Idee weiter aus in der Beschreibung deshoumlchsten Seienden welches als Ursache der Bewegtheit und der Ordnung

38 Met Θ 81050 b 22ndash24 διὸ ἀεὶ ἐνεργεĩ ἥλιος καὶ ἄστρα καὶ ὅλος ὁ οὐρανός καὶ οὐ φοβερὸνμή ποτε στῇ ὃ φοβοῦνται οἱ περὶ φύσεως

39 Tugendhat Ti kata tinos (wie Anm 32) 68 9040 Met Δ 81017 b 14ndash16 ἄλλον δε τρόπον ὃ ἂν ᾖ αἴτιον τοῦ εἶναι ἐνυπάρχον ἐν τοĩς τοιούτοις

ὅσα μὴ λέγεται καθ᾽ ὑποκειμένου οἷον ἡ ψυχη τῷ ζῴῳ Ferner Z 171041 b 28

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 37

aller Dinge in den Blick kommt Der Beweis der Existenz des unbewegtenBewegers verlaumluft wesentlich uumlber die genannten Merkmale der EwigkeitSingularitaumlt Notwendigkeit und reinen Aktualitaumlt welche die Bewegung desAlls auszeichnen und zugleich fuumlr emphatische Merkmale des eminent Seien-den stehen Als Prinzip der ewig-notwendigen Bewegung kann nur eines inFrage kommen bdquodessen Wesen Verwirklichungldquo und das selbst bdquoohne Stoffldquoist41 Die Kennzeichnung des ersten Ursprungs als einer potenzfreien reinenAktualitaumlt stellt die frontale Antithese zur mythischen Ursprungserzaumlhlungdar welche das All aus dem Chaos und der Nacht hervorgehen laumlsst42 Gegensolche genealogische Herleitung haumllt Metaphysik am strengen Grundsatz festdass das Houmlhere nicht aus dem Niedrigeren das Bestimmte nicht aus demUnbestimmten verstaumlndlich gemacht werden kann Nur das in sich Intelligi-belste das gleichzeitig das in houmlchster Weise Seiende ist kann Seins- undErkenntnisgrund fuumlr Anderes sein Seine letzte Uumlberhoumlhung hat dieses Ersteund Goumlttliche schlieszliglich darin dass sein Sein nicht nur reiner Vollzug undVerwirklichung sondern Lebendigkeit bdquobestes und ewiges Lebenldquo ist43 Esrealisiert sich als reines Denken dessen Vollzug Aristoteles als houmlchste Taumltig-keit und houmlchste Erfuumlllung als Lustvollstes (ἥδιστον) auszeichnet Gezeichnetist eine Vollkommenheit die zugleich Vollendung fuumlr das taumltige Subjekt selbstist Im Bild des goumlttlichen Lebens kommen die beiden Leitideen des wahrhaf-ten Seins und des Gluumlcks in ihren houmlchsten Steigerungen zur Konvergenz

Nur stichwortartig sei der weitere Horizont benannt in welchem Aristo-teles das Prinzip aller Dinge im Schlusskapitel des XII Buchs eroumlrtert unddas Themenfeld der Metaphysik gleichsam nach der komplementaumlren Haupt-stoszligrichtung eroumlffnet Das erste Prinzip steht hier nicht nur als Bewegungsur-sprung sondern als Ordnungsprinzip des Alls in Frage wobei Aristoteles dieFrage in zweierlei Hinsicht spezifiziert und dadurch uumlber die bdquoUnmoumlglichkei-ten und Ungereimtheitenldquo44 der vorsokratischen Welterklaumlrungen hinausge-langt Zum einen geht es nicht einfach darum irgendwelche Gesetzmaumlszligigkei-ten im Werden und Vergehen im Wechselspiel der Elemente oder der Aggre-gierung der Atome ausfindig zu machen sondern es geht um das houmlchsteOrdnungsprinzip das zugleich das eminente Prinzip des Seins ist um dasGute das bdquounter allem am meisten Prinzip istldquo45 Zum anderen geht es da-rum dieses Prinzip das ein immanentes Strukturprinzip des Wirklichen istzugleich als erstes transzendentes Prinzip jenseits der sinnlich erfahrbaren

41 Met Λ 61071 b 20 f ἧς ἡ οὐσία ἐνέργεια hellipἄνευ ὕλης42 Met Λ 61072 a 7 f43 Met Λ 71072 b 28 ζωὴ ἀρίστη καὶ ἀΐδιος44 Met Λ 101075 a 25 ἀδύνατα συμβαίνει ἢ ἄτοπα45 Met Λ 101075 a 37 καίτοι ἐν ἅπασι μάλιστα τὸ ἀγαθὸν ἀρχή

38 Emil Angehrn

Dinge zu setzen Es ist letztlich die Herrschaft des Einen mit der Aristotelesdie metaphysische Untersuchung abschlieszligt46 Ohne dass es naumlher ausgefuumlhrtwuumlrde ist bemerkenswert dass Aristoteles zum Schluss das Thema der Ord-nung des Alls zur Sprache bringt das in der Substanzlehre so nicht Themaist und das auch im Theorem des unbewegten Bewegers nur am Rande auf-scheint Bedeutsam ist ebenso dass dieses Ordnungsprinzip als erster Ur-sprung konzipiert ist der wiederum als houmlchste Substanz und houmlchste Gestaltdes Seienden gefasst ist so dass das Grundkonzept hier Gedankenlinien zu-sammenfuumlhrt die sowohl in der vorausgehenden Entstehungsgeschichte derMetaphysik auf getrennten Wegen ausgebildet werden wie sie auch in derspaumlteren Tradition in verschiedenen Straumlngen der Metaphysik ndash als Ontolo-gie Theologie Kosmologie ndash ihre Ausarbeitung finden Die Frage nach demSeienden als Seienden konvergiert an ihrem Kulminationspunkt mit der Lehrevom houmlchsten Wesen das seinerseits fuumlr die Bewegung und Ordnung des AllsPrinzipienfunktion ausuumlbt Die Erforschung der ersten Ursachen soll gleich-zeitig eine Erkenntnis dessen was die Seiendheit alles Seienden ausmacht einWissen vom houmlchsten Seienden und ein Begreifen der Wirklichkeit im Ganzenermoumlglichen Allerdings ist die innere Einheit dieser Konstellation bei Aristo-teles nicht systematisch reflektiert Fuumlr ihn stellt weder die Unterschiedlich-keit der Fragerichtungen der Metaphysik einen Irritationspunkt noch ihreZusammengehoumlrigkeit ein Problem dar In gewisser Weise geht die Unterbe-stimmtheit dieser Konstellation in die Wirkungsgeschichte seines Werks wiein die Problemgeschichte der Metaphysik ein In welcher Weise sie darin mitdem Streit um metaphysischen Thesen und Praumlmissen interferiert waumlre imEinzelnen zu zeigen

IV Metaphysik und Metaphysikkritik

Die Geschichte der Metaphysik ist keine homogen-lineare Entwicklung Sieist die Geschichte einer vielschichtigen auf unterschiedlichen Wegen und inimmer neuen Ansaumltzen operierenden Selbstverstaumlndigung des metaphysischenDenkens in welcher dieses sich zugleich im Spiegel seiner Kritik uumlber dieeigenen Fragen Wege und Denkformen verstaumlndigt Wie die Fortschreibungund Neuinterpretation die Konturen des metaphysischen Denkens schaumlrferhervortreten laumlsst so behauptet dieses seine Identitaumlt im Medium der KritikDie Auseinandersetzung laumlsst Weichenstellungen und Probleme erkennen die

46 Die anschlieszligenden Buumlcher M und N sind wiederum dem eher speziellen Thema der plato-nisch-pythagoreischen Lehre der Prinzipien Ideen und Idealzahlen gewidmet Buch Λ ent-haumllt umgekehrt einen Gesamtabriss der Ersten Philosophie

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 39

in ihm verhandelt werden Kant sieht in der Metaphysik einen Kampfplatzendloser Streitigkeiten die durch die Unabweisbarkeit aber auch Unbeant-wortbarkeit ihrer Fragen hervorgerufen werden (vgl KrV A VII f) Die Be-harrlichkeit der Kritik welche die Metaphysik wie einen Schatten begleitetgehoumlrt zu deren auffallenden Merkmalen Tatsache ist dass analoge Streit-punkte die Auseinandersetzung um die Metaphysik vom Anfang bis in neues-te Diskussionen hinein praumlgen Daraus seien nur einige Aspekte genannt diedem Profil der umrissenen Entstehungsgeschichte korrespondieren

Die beiden ersten entsprechen den zwei Hauptrichtungen unter denendie Herausbildung des metaphysischen Denkens bei Aristoteles in den Blickgekommen ist einerseits als Frage nach dem was einen Gegenstand in sichbegreifbar macht mit den Fluchtlinien der Substantialitaumlt und Wesensbe-stimmtheit andererseits als Frage nach dem houmlchsten Seienden und der Ord-nung des Ganzen Ergaumlnzend ist drittens die Grundhaltung zu nennen welchedem metaphysischen Denken als Suche nach objektiver Wahrheit zugrunde-liegt und die letztlich auf eine affirmative Fundierung unseres Selbst- undWeltverstaumlndnisses zielt Nach allen drei Hinsichten sind der Metaphysik imLaufe ihrer Geschichte Gegenstroumlmungen erwachsen die ihre Leitideen inFrage stellen

1 Jenseits von Substanz und Wesen

Die erste Problematisierung betrifft die Grunduumlberzeugung dass es in denDingen ein festes Wesen gibt und dass Erkennen und Sprechen nur in Abstuumlt-zung auf letzte Bestimmtheiten moumlglich sind In der aristotelischen Theoriewurde diese Sichtweise in zwei Schritten herausgearbeitet deren erster zurAbhebung des substantiellen vom akzidentellen Sein fuumlhrte waumlhrend derzweite die Substantialitaumlt uumlber die Formbestimmtheit definierte Beide Schrit-te bilden in der Folgegeschichte herausragende Kristallisationspunkte der Kri-tik Einerseits wird die zentrale Bezugnahme auf ein ansichseiendes Wesenals Grundlage konsistenten Sprechens und Erkennens suspendiert anderer-seits wird die Bindung der Substantialitaumlt an die essentielle Form in Fragegestellt Gegen diese Bindung rehabilitieren Ansaumltze der fruumlhen Neuzeit dieaumllteste materialistische Antithese zur platonisch-idealistischen SichtweiseNach Thomas Hobbes ist es der Koumlrper als solcher welcher die Kriterien derSubstanz erfuumlllt (vgl De corpore VIII) Die Formursache die nach Aristotelesin den Naturphaumlnomenen die Entstehung die Wesensbestimmung und dieZweckausrichtung begruumlndet verliert in der neuzeitlichen Wissenschafts-theorie ihre leitende Erklaumlrungsfunktion Noch tiefer geht die Infragestellungwelche die prinzipielle Ebenendifferenz zwischen einem Ansichseienden undeinem ihm Zukommenden zwischen einem Absoluten und einem Relationa-

40 Emil Angehrn

len unterlaumluft Nicht das In-sich-Bestimmte und Identische gilt als das ur-spruumlnglich Intelligible sondern die Relation die Struktur die Funktion unddie Differenz

Unterschiedliche Stroumlmungen des modernen Denkens artikulieren dieseAntithese zur metaphysischen Option Gegen die essentialistische Zentrie-rung auf das Wesen unterstreicht der Existentialismus den Vorrang der Exis-tenz Nicht in einer zugrundeliegenden Essenz sondern in der Weise des Exis-tierens liegt die Wahrheit uumlber den Menschen Hegels Logik ersetzt die Subs-tanzontologie durch eine Theorie absoluter Relationalitaumlt Kein Erstes undUnmittelbares sondern die absolute Vermittlung und das Verhaumlltnis von Ver-haumlltnissen bilden das Fundament von Sein und Erkenntnis Anstelle des festenRelats macht das Strukturdenken die Kombinatorik der Relationen zur Basisvon Intelligibilitaumlt der Funktionalismus verschaumlrft diese Wendung indemer ndash emphatisch bei N Luhmann ndash den Primat des Moumlglichen gegen dasWirkliche der Bestimmbarkeit gegen das Bestimmte behauptet Nicht dasEinfache sondern das Komplexe nicht das aktual Seiende sondern der Spiel-raum des Moumlglichen eroumlffnet den Raum des Verstehens In noch andererAkzentsetzung stellt das Differenzdenken die formalste Auszeichnung desSeins sein Fuumlr-sich-Sein und Mit-sich-Identischsein in Frage Dabei soll dieRehabilitierung der Relation und Funktion der Potentialitaumlt und Differenznicht einfach thematische Schwerpunkte verschieben oder begriffliche Hie-rarchien umkehren sondern grundlegende ontologische Raster unterlaufenPostuliert ist ein Denken das ohne die fundamentalistische Ausrichtung tra-ditionellen Denkens ohne Suche nach ersten Gruumlnden und letzten Referenzenauskommt In direkter Umkehrung der Argumente mit denen Platon undAristoteles das Festhalten an einem Nichtrelationalen als Grundlage allerRede behaupten wird der Verzicht auf solche Fixierung zur Voraussetzungeines angemessenen Verstehens erklaumlrt In profilierten Konstellationen ver-binden sich Gegenentwuumlrfe zur ontologischen Weichenstellung mit Ansaumltzenmoderner Metaphysikkritik Stellvertretend sei auf die Kritik Heideggers ver-wiesen dessen Destruktion der Ontologie die urspruumlngliche Falschheit desmetaphysischen Programms aufweisen will die er nicht erst in der Zentrie-rung auf die substantiale Wesensform sondern vorgaumlngig in der Frage nachdem Seienden als Seienden sieht welche die ontologische Differenz zwischenSein und Seiendem nivelliert und das von der Metaphysik eigentlich zu be-denkende Sein unbefragt laumlsst Darin erkennt er nicht nur einen Kategorien-fehler sondern einen fundamentalen Irrweg des Denkens der dem nihilisti-schen Grundzug verwandt ist den Nietzsche in der Metaphysik wahrnimmtHeideggers Ansatz ist fuumlr Autoren wie Derrida und dessen Kritik an einerMetaphysik der Praumlsenz maszliggeblich geworden auch wenn Heideggers Ideeeiner Seinsgeschichte in Derridas Augen selbst der metaphysischen Suchenach dem Ersten verhaftet bleibt

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 41

2 Pluralitaumlt Kontingenz Negativitaumlt

Die zweite Hauptstoszligrichtung der Auseinandersetzung stellt jene Punkte insZentrum die im gaumlngigen Verstaumlndnis am entschiedensten der Kritik verfal-len sind metaphysische Weltbilder die aufs Ganze des Wirklichen ausgreifenund dieses von letzten Prinzipien her begreifen Totalitaumltssuppositionen undumfassende inhaltliche Deutungen ndash des Kosmos der Ordnung der Kreatu-ren der Menschheitsgeschichte ndash haben in der modernen Kultur weithin ihreGlaubwuumlrdigkeit verloren Zum Stein des Anstoszliges werden Leitbegriffe wieEinheit Transzendenz Universalitaumlt Totalitaumlt die fuumlr das wissenschaftlicheErkennen Grenzwerte benennen in radikalerer Problematisierung werden er-kenntniskonstitutive Bestimmungen wie Identitaumlt und Ordnung zur Disposi-tion gestellt In vielfaumlltigen Konstellationen werden gegenlaumlufige Leitkonzep-te zur herrschenden Diskursordnung rehabilitiert Pluralitaumlt und Partikulari-taumlt Offenheit und Unabgeschlossenheit Irrationalitaumlt und Kontingenz

Doch erschoumlpft sich die Infragestellung der Metaphysik nicht in der Revi-sion der leitenden formalen und inhaltlichen Konzepte Prinzipieller gilt dieDistanzierung der tragenden Grundhaltung aus der heraus Erste Philosophieihr Ziel formuliert und ihre konzeptuellen Grundlagen erarbeitet Nicht dieUneinholbarkeit ihrer Thesen sondern die Fragwuumlrdigkeit ihres Projektswird zum Gegenstand der Kontroverse Problematisiert wird auf der einenSeite die prinzipielle Ausrichtung auf Wahrheit und Objektivitaumlt auf der an-deren das Absehen auf eine affirmative Wirklichkeitsdeutung Unverkennbarist Letzteres vielfaumlltig mit den theoretischen Leitbegriffen der Vernunft Ein-heit und Ordnung verschraumlnkt Philosophie soll nicht nur auf das Ganze aus-greifen sondern dessen Sinn und Rationalitaumlt erkunden und dadurch so He-gel mit der Wirklichkeit versoumlhnen Der begriffliche Streit um Einheit undVielfalt Identitaumlt und Differenz ist nicht von der normativen Besetzung derBegriffe abzuloumlsen die Diskreditierung der groszligen Erzaumlhlungen und identifi-zierenden Festschreibungen versteht sich nicht nur als kategoriale Korrektursondern als Absage an uumlberhoumlhte Sinnpostulate Dagegen wird der Ansprucherhoben ohne letzte Begruumlndung und abschlieszligendes Telos auszukommenKontingenz auszuhalten und sich im Vielfaumlltigen und Offenen im Leben wieim Denken orientieren zu koumlnnen Vielleicht in stringentester Weise wider-spricht ein sbquonegativistischeslsquo Denken das auf der Unversoumlhntheit der Weltbeharrt und seine Wahrheit aus dem Widerstand gegen das Negative gewinntden Praumlmissen metaphysischen Denkens ndash auch wenn es in solchem Wider-stand zugleich das spekulative Moment und darin das Erbe der Metaphysikbewahrt47

47 T W Adorno Negative Dialektik Frankfurt am Main 1967 46

42 Emil Angehrn

Die komplexe Konstellation der neueren Auseinandersetzungen um dieMetaphysik ist hier nicht zu entfalten Zu zeigen war nur inwiefern darinWeichenstellungen aufscheinen die den Gang der Metaphysik bestimmenund deren fruumlhe Profilierung sich in den Schriften des Aristoteles findetNicht nur im Blick auf die Tradierung Weiterentwicklung und Neuschrei-bung sondern auch auf die Problematisierung und kritische Auseinanderset-zung stellt die aristotelische Metaphysik ein Gruumlndungsdokument der euro-paumlischen Denkgeschichte par excellence dar Der Weg des Denkens den sieeroumlffnet indem sie sich einer tastenden Vorgeschichte vergewissert und sichin sie einschreibt bleibt offen sowohl im Blick auf die unabgeschlosseneArbeit des Erkennens wie auf die reflexive Selbstaufklaumlrung und kritischeBefragung Die Verschraumlnkung von Metaphysik und Metaphysikkritik bleibtunaufgeloumlst Sich uumlber die Gruumlnde dieser Unabschlieszligbarkeit zu verstaumlndigengehoumlrt zu den weiterfuumlhrenden letzten Fragen die an die Metaphysik selbstgestellt sind

Literatur

QuellenAdorno T W Negative Dialektik Frankfurt am Main 1967Aristotelesrsquo Metaphysik griech-dt in d Uumlbers v H Bonitz neu bearb mit

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Wuumlrzburg 2008Ders Wozu Philosophiegeschichte in DersB Baertschi (Hrsg) Philoso-

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Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 43

Mittelstraszlig J Die Philosophie und ihre Geschichte in H J Sandkuumlhler(Hrsg) Geschichtlichkeit der Philosophie Theorie Methodologie undMethode der Historiographie der Philosophie Frankfurt am MainndashBern1991 25

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Tugendhat E Uumlber den Sinn der vierfachen Unterscheidung des Seins beiAristoteles (Metaphysik Λ 7) in Ders Philosophische Aufsaumltze Frankfurtam Main 1992 136ndash144

Tugendhat E Ti kata tinos Eine Untersuchung zu Struktur und Ursprungaristotelischer Grundbegriffe FreiburgndashMuumlnchen 1958

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysikim Lichte sprachanalytischer Ontologie

Benedikt Strobel

Einleitung

Wer vorhat einen klassischen Text der Philosophiegeschichte im Lichte philo-sophischer Diskussionen der Gegenwart zu betrachten mag im Sinn habenden Text als Beitrag zu Fragen zu verstehen um die sich philosophischeDiskussionen der Gegenwart drehen oder er mag im Sinn haben Theorienund Konzeptionen die in philosophischen Diskussionen der Gegenwart einewichtige Rolle spielen als Licht zu verwenden um den Sinn dessen was indem Klassiker geaumluszligert wird aufzuhellen

Fuumlr die folgenden Uumlberlegungen zu Problemen der Theorie der οὐσία derMetaphysik habe ich beides im Sinn Ich moumlchte zum einen die Metaphysikals Beitrag zu Fragen verstehen die in der sprachanalytischen Ontologie derGegenwart eine wichtige Rolle spielen Zum anderen moumlchte ich das was inder Metaphysik zu diesen Fragen gesagt wird mit sprachanalytischen Mittelnzu klaumlren versuchen

Zu den zentralen Fragen mit denen sich Philosophen die Ontologiesprachanalytisch betreiben beschaumlftigen gehoumlren Fragen des folgenden TypsAuf die Annahme von Dingen welcher ontologischen Kategorien lege ichmich dadurch fest dass ich behaupte der-und-der Satz sei wahr Welche derAusdruumlcke die in dem Satz vorkommen (einschlieszliglich des Satzes selbst)stehen unter der Annahme seiner Wahrheit in bestimmen semantischen Rela-tionen zu bestimmen Dingen Um welche semantische Relation handelt essich jeweils Handelt es sich darum dass der Ausdruck etwas bezeichnet(eine bestimmte Referenz hat) Handelt es sich darum dass er einen be-stimmten von seiner Referenz zu unterscheidenden Sinn ausdruumlckt den erbesitzen muss um eine Referenz zu haben Wie sind die Entitaumlten (sei es aufder Referenz- sei es auf der Sinn-Ebene) ontologisch zu charakterisieren umverstaumlndlich zu machen dass die Ausdruumlcke die in einer semantischen Rela-tion zu ihnen stehen genau diese Relation zu ihnen unterhalten

Die Frageintention laumlsst sich beispielsweise an einem singulaumlr praumldikati-ven Satz wie Sokrates ist ein Menschlsquo erlaumlutern Dass der Ausdruck Sokra-

46 Benedikt Strobel

teslsquo etwas das Einzelding Sokrates bezeichnen muss falls der Satz wahr seinsoll scheint selbstverstaumlndlich1 aber unterhaumllt der Ausdruck Sokrateslsquo aucheine semantische Relation zu etwas das festlegt worauf er Bezug nimmtnaumlmlich zu etwas das man mit Frege2 den Sinn des Ausdrucks nennen kannWenn ja wie ist dieser Sinn ontologisch zu charakterisieren Und wie stehtes mit dem Rest des Satzes ist ein Menschlsquo Bezeichnet auch dieser Ausdrucketwas Oder eher nur sbquoein Menschlsquo (ohne die Kopula istlsquo) Oder keiner derbeiden Ausdruumlcke Wenn ist ein Menschlsquo (oder ein Menschlsquo) etwas bezeich-net handelt es sich hier um dieselbe semantische Relation wie die die Sokra-teslsquo zu Sokrates unterhaumllt oder ist mit Bezeichnenlsquo eine andere semantischeRelation gemeint Und wie ist das von ist ein Menschlsquo (oder ein Menschlsquo)Bezeichnete ontologisch zu charakterisieren v a in seiner Beziehung zu demEinzelding Sokrates Hat ferner auch der Ausdruck ist ein Menschlsquo (oderein Menschlsquo) einen von seiner Referenz verschiedenen Sinn der seine Refe-renz festlegt Wie verhaumllt es sich schlieszliglich mit dem Satz Sokrates ist einMenschlsquo insgesamt Hat er ebenfalls eine bestimmte Referenz Wenn ja wasbezeichnet er Einen Wahrheitswert (wie Frege3 dachte) Oder vielmehr eineTatsache Was ist eine Tatsache Wie verhaumllt sich die Tatsache zu dem Einzel-ding und dem Universale Ist sie aus beiden zusammengesetztlsquo Zudem Hatder Satz nicht auch einen von seiner Referenz verschiedenen Sinn Wenn jawie verhaumllt sich dieser Sinn die von dem Satz ausgedruumlckte Proposition zurReferenz des Satzes Wie sind Tatsachen und Propositionen ontologisch zucharakterisieren

Auch wenn Aristoteles in der Metaphysik keinen Beitrag zur neuerenDiskussion dieser (und aumlhnlicher) Fragen zu leisten gedachte (und gedenkenkonnte) sagt er hier vieles was so rekonstruiert werden kann dass es fuumlr sierelevant ist Allerdings ist der semantische Gehalt seiner Aumluszligerungen in demWerk weniger transparent als etwa in der Kategorienschrift deren σκοπόςdarin gesehen werden kann zu klaumlren Dinge welcher ontologischen Katego-rien die ndash von den spaumlteren Kommentatoren so genannten ndash einfachen Aus-druumlcke (ἁπλαῖ λέξεις ἁπλαῖ φωναί) bezeichnen4 Aristoteles knuumlpft in der Me-taphysik in manchen Punkten an die in den Kategorien entwickelte Theorie

1 Vgl G Frege Sinn und Bedeutung in Ders Kleine Schriften hrsg v I Angelelli Hildes-heimndashZuumlrichndashNew York 21990 143ndash162 hier 154 bdquoWenn man etwas behauptet so istimmer die Voraussetzung selbstverstaumlndlich dass die gebrauchten einfachen oder zusam-mengesetzten Eigennamen eine Bedeutung habenldquo

2 Vgl z B ebd 144 ff3 Vgl z B ebd 1494 Vgl hierzu B Strobel Von einem Subjekt ausgesagt werden und an einem Subjekt vorliegen

zur Semantik genereller Terme in der aristotelischen Kategorienschrift Phronesis 54 200940ndash75 hier 48

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 47

der Referenz der einfachen Ausdruumlckelsquo an scheint sie aber in anderen Punk-ten einer tiefgreifenden Revision zu unterwerfen Einerseits ist von Entitaumltendie Rede die in den Kategorien noch keine Rolle spielen naumlmlich von Formund Materie und es ist unklar wie sich diese Entitaumlten in die in den Kategori-en entwickelte Theorie der Referenz der einfachen Ausdruumlckelsquo integrierenlassen andererseits scheinen die in den Kategorien eingefuumlhrten Substanzenim sekundaumlren Sinne also die Arten und Gattungen der Substanzen im pri-maumlren Sinne von der ontologischen Bildflaumlche verschwunden zu sein (jeden-falls ist nicht mehr von zweiten Substanzenlsquo die Rede) Jedoch spielt diesemantische Analyse der Ausdruumlcke denen in den Kategorien (52 b 30) zu-geschrieben wird zweite Substanzen zu bezeichnen ndash es handelt sich z B umalltagssprachliche Ausdruumlcke des Typs ἄνθρωποςlsquo (ein Menschlsquo) oder desTyps βοῦςlsquo (ein Rindlsquo) ndash auch fuumlr die Theorie der οὐσία in der Metaphysikeine wichtige Rolle ohne dass unmittelbar klar waumlre was ndash der Metaphysikzufolge ndash solche Ausdruumlcke bezeichnen Vor allem ist unklar ob sie ndash derMetaphysik zufolge ndash substantielle Formen bezeichnen oder nicht und ob sieUniversalien bezeichnen oder nicht

Unter Ausdruumlckenlsquo verstehe ich hier und im folgenden nicht Ausdrucks-typen sondern Ausdrucksvorkommnisse (d h sinnlich wahrnehmbare Zei-chen) und lege fest dass jeder Ausdruck genau einen (Fregeschen) Sinn hatalso nicht mehrdeutig ist5 (Ebenso verfahre ich wenn ich von Termenlsquo ge-

5 Dieses Verstaumlndnis von Ausdrucklsquo scheint mir gut zu dem zu passen was Aristoteles unterλεγόμενονlsquo versteht In den Kategorien heiszligt es bdquoVon dem was ohne Verbindung geaumluszligertwird (τῶν κατὰ μηδεμίαν συμπλοκὴν λεγομένων) bezeichnet (σημαίνει) jedes entweder eineSubstanz oder etwas so-und-so Bemessenes oder etwas so-und-so Beschaffenes oder etwasin Bezug auf etwas oder etwas an einem Ort oder etwas zu einer Zeit oder daszlig es liegt oderdaszlig es hat oder daszlig es tut oder daszlig es leidetldquo (Cat 41 b 25ndash27) Aristoteles setzt hiervoraus dass Ausdruumlcke nicht unabhaumlngig von ihrem Sinn individuiert sind dass wir es alsomit verschiedenen Ausdruumlcken zu tun haben wenn Ausdruck A einen anderen Sinn hat alsAusdruck B Dies kann man sich an folgendem Beispiel klarmachen Wenn der AusdruckΣωκράτηςlsquo unabhaumlngig von seinem Sinn individuiert waumlre ndash sagen wir z B nach dem Krite-rium wie er buchstabiert wird (siehe zu den verschiedenen Kriterien fuumlr die Individuierungvon Ausdruckstypen W Kuumlnne Abstrakte Gegenstaumlnde Semantik und Ontologie Frank-furt am Main 22007 229) ndash so waumlre es falsch zu sagen dass er entweder eine Substanzoder etwas so-und-so Bemessenes oder (usw) bezeichnet Wenn er in einem Sinn verwendetwird in dem er eine bestimmte Person bezeichnet bezeichnet er eine Substanz aber wennich ihn ndash ungewoumlhnlicherweise ndash in einem Sinn verwende in dem er die Farbe Weiszlig bezeich-net bezeichnet er in diesem Kontext keine Substanz sondern eine Qualitaumlt Aristotelesscheint sich der Kontextvariabilitaumlt des Bezeichnens von Ausdruumlcken die unabhaumlngig vonihrem Sinn individuiert sind durchaus bewusst gewesen zu sein Vgl F A Lewis Predica-tion Things and Kinds in Aristotlersquos Metaphysics Phronesis 56 2011 350ndash387 hier 356mit Bezug auf De int 116 a 5ndash6 Mit der Voraussetzung dass Ausdruumlcke nicht unabhaumlngigvon ihrem Sinn individuiert sind legt sich Aristoteles nicht auf die Auffassung fest dass essich bei den Ausdruumlcken nicht um Ausdruckstypen sondern um Ausdrucksvorkommnissesinnlich wahrnehmbare Zeichen handelt Denn auch sinnlich wahrnehmbare Zeichen koumln-

48 Benedikt Strobel

nerellen Termenlsquo singulaumlren Termenlsquo Praumldikatenlsquo und Saumltzenlsquo spreche Ge-meint sind jeweils Ausdrucksvorkommnisse mit genau einem Sinn) DieseFestlegung hat auch den pragmatischen Vorteil dass ich wenn ich davonspreche dass ein Ausdruck etwas bezeichnet nicht immer hinzufuumlgen musswenn er in dem-und-dem Sinn gebraucht wirdlsquo

Die Ausdruumlcke denen in den Kategorien zugeschrieben wird zweiteSubstanzen zu bezeichnen werde ich im Folgenden als generelle Terme derSubstanz-Kategorielsquo bezeichnen Mit dieser Redeweise praumljudiziere ich wederAnnahmen daruumlber ob diese Ausdruumlcke laut der Metaphysik Universalienbezeichnen noch daruumlber ob sie laut der Metaphysik Substanzen bezeichnenIch moumlchte hier unter einem generellen Termlsquo einen Ausdruck verstandenwissen dessen Sinn damit vereinbar ist dass der Ausdruck zusammen miteinem Vorkommnis der Kopula ein vollstaumlndiges Praumldikat ergibt (selbst wenner de facto nicht Teil eines Praumldikats ist)6 Unter den generellen Termen gren-ze ich mit dem zusaumltzlichen Genitiv der Substanz-Kategorielsquo diejenigen ausdie einen Sinn haben der es nach aristotelischer Lehre erlaubt mit ihnensolche Fragen des Typs Was ist (τί ἐστι) xlsquo korrekt zu beantworten in denenfuumlr xlsquo der Name einer Substanz eintritt (wobei bewusst offenbleibe ob essich bei der Substanz um eine primaumlre oder sekundaumlre Substanz im Sinne derKategorien oder um eine substantielle Form im Sinne der Metaphysik han-delt) So sind z B alltagssprachliche Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo gene-relle Terme der Substanz-Kategorie da sie einen Sinn haben der es nacharistotelischer Lehre erlaubt mit ihnen solche Fragen des Typs Was ist (τίἐστι) xlsquo korrekt zu beantworten in denen fuumlr xlsquo der Name einer Substanz(z B Sokrateslsquo) eintritt

Die Frage was ndash der Metaphysik zufolge ndash generelle Terme der Substanz-Kategorie bezeichnen wird die Leitfrage der folgenden Uumlberlegungen seinSie haumlngt eng mit der vieldiskutierten Frage zusammen ob Aristoteles in derMetaphysik den primaumlren Kandidaten auf den Titel οὐσίαlsquo den substantiel-

nen zu ein und demselben Zeitpunkt oder zu verschiedenen Zeitpunkten mehr als einenSinn haben und umgekehrt kann auch das Kriterium fuumlr die Individuierung von Ausdrucks-typen so formuliert werden dass aus ihm folgt dass wir es mit verschiedenen Ausdrucksty-pen zu tun haben wenn ein Vorkommnis von Typ A einen anderen Sinn hat als ein Vor-kommnis von Typ B Gleichwohl denke ich dass Aristoteles hier unter Ausdruumlcken sinnlichwahrnehmbare Zeichen also Ausdrucksvorkommnisse verstanden wissen will (so jedochdass fuumlr die Zeichen festgelegt ist dass sie weder zu ein und demselben Zeitpunkt noch zuverschiedenen Zeitpunkten mehrdeutig sind) Ich sehe bei Aristoteles die klare TendenzAusdrucksvorkommnisse als die basalen sprachlichen Entitaumlten zu betrachten um die esder semantischen Theorie primaumlr geht Siehe fuumlr den Fall wahrheitsfaumlhiger Saumltze P CrivelliAristotle on Truth Cambridge 2004 72ndash75 und hier vor allem das erste Argument (72ndash73)

6 Vgl dazu Kuumlnne (wie Anm 5) 328 ff

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 49

len Formen zuschreibt Universalien zu sein oder nicht Denn wenn Aristote-les in der Metaphysik die Auffassung vertraumlte dass das was ein generellerTerm der Substanz-Kategorie bezeichnet sowohl eine substantielle Form alsauch ein Universale ist so waumlre dies ein gewichtiger Grund dafuumlr ihm dieAuffassung zuzuschreiben dass substantielle Formen Universalien sind

Nun gehen bekanntlich die Auffassungen daruumlber ob den Formen in derMetaphysik zugeschrieben wird Universalien zu sein weit auseinander undreichen vom Eingestaumlndnis der Unfaumlhigkeit eine uumlberzeugende Antwort zufinden die auf die Metaphysik als ganze zutraumlfe bis hin zur Entwicklungelaborierter unitarischer Argumente fuumlr oder wider die Universalitaumlt der aris-totelischen Formen7 Auf das Interpretationsproblem trifft zu was SheldonCohen einmal zur Deutung der aristotelischen Materiekonzeption bemerkte

bdquoOn the issues involved here as on so many others Aristotle says somany apparently incompatible things that it is virtually impossible tofind an interpretation against which some text cannot be cited This un-happy situation is aggravated because it is often difficult and sometimesimpossible to tell whether Aristotle is presenting his own view a rivalview or merely trying out an hypothesisldquo8

Ich erhoffe mir von der folgenden Untersuchung der Frage was ndash der Meta-physik zufolge ndash generelle Terme der Substanz-Kategorie bezeichnen keineerschoumlpfende Antwort auf die Frage ob den Formen in der Metaphysik zuge-schrieben wird Universalien zu sein Gleichwohl wird die Untersuchung dererstgenannten Frage ein Nebenresultat haben das eine Antwort auf diezweitgenannte Frage darstellt Denn es wird sich zeigen dass die Annahmenderen sich Aristoteles in der Metaphysik zur Beantwortung der Frage bedientwas generelle Terme der Substanz-Kategorie bezeichnen unvereinbar sindmit der These dass substantielle Formen sofern sie von sprachlichen Ausdruuml-cken bezeichnet werden koumlnnen Universalien sind Dies schlieszligt freilich nichtaus dass Aristoteles in anderen Kontexten der Metaphysik Annahmenmacht die die genannte These implizieren z B wenn er den Formen zu-schreibt definierbar zu sein Somit wird sich aus meinen Uumlberlegungen zwareine Antwort auf die Frage ergeben ob den Formen in der Metaphysik zuge-schrieben wird Universalien zu sein ndash jedoch sicher keine erschoumlpfende Ant-wort

Der erste Teil meiner Uumlberlegungen wird der Frage gewidmet sein obAristoteles in der Metaphysik (einigen) generellen Termen der Substanz-Kate-

7 Vgl dazu den Forschungsuumlberblick bei D Fonfara Die Ousia-Lehren des Aristoteles Unter-suchungen zur Kategorienschrift und zur Metaphysik BerlinndashNew York 2003 149ndash168

8 S Cohen Aristotlersquos Doctrine of the Material Substrate Philosophical Review 93 1984171ndash194 hier 173

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gorie zuschreibt substantielle Formen zu bezeichnen Fuumlr die Beantwortungder Frage werde ich von einem explizit semantischen Argument ausgehendas Aristoteles am Ende des Aporienbuchs (Met Β) anfuumlhrt Aristoteles fuumlhrthier das Argument ohne behauptende Kraft an aber einige Thesen des Argu-ments kehren an spaumlteren Stellen der Metaphysik (insbesondere in Ζ) so wie-der dass sie Aristoteles dort mit behauptender Kraft zu aumluszligern scheint (ichsage bdquoscheintldquo denn auch seine Untersuchung an den spaumlteren Stellen traumlgtaporematische Zuumlge die es dem Interpreten schwer machen zu entscheidenwas Aristoteles an ihnen mit behauptender Kraft aumluszligert und was nicht) DieAnnahme dass Aristoteles das Argument als ganzes akzeptiert9 scheint mirplausibel sie ist jedoch nicht vorausgesetzt fuumlr meine Antwort auf die Frageob Aristoteles in der Metaphysik (einigen) generellen Termen der Substanz-Kategorie zuschreibt substantielle Formen zu bezeichnen fuumlr die Antwortsetze ich nur voraus dass Aristoteles eine der Zwischenkonklusionen desArguments akzeptiert (sowie die Praumlmissen mit denen sie in dem Argumentbegruumlndet wird) naumlmlich die These dass jeder Ausdruck der ein Universalebezeichnet kein τόδε τι sondern τοιόνδε bezeichnet Und dafuumlr dass er dieseThese (sowie die Praumlmissen mit denen sie begruumlndet wird) akzeptiert gibtes wie sich zeigen wird gute Gruumlnde

Im zweiten kuumlrzeren Teil werde ich zu zeigen versuchen dass Aristotelesmit der Behauptung dass jeder Ausdruck der ein Universale bezeichnet keinτόδε τι sondern τοιόνδε bezeichnet den Universalien etwas zuschreibt dasdem aumlhnlich ist was Frege Begriffen zuschreibt wenn er ihnen eine praumldikati-ve Natur zuschreibt10 Und ich werde zu zeigen versuchen dass sich Aristote-

9 Vgl S Menn Aporiai 13ndash14 in M CrubellierA Laks (Hrsg) Aristotle MetaphysicsBeta Symposium Aristotelicum Oxford 2009 211ndash265 hier 234 bdquoAristotle simply acceptsthe argument of B 14 1003a7ndash12ldquo Vgl auch ebd 222

10 Der Vergleich zwischen aristotelischen Universalien und Fregeschen Begriffen ist nicht neuEr wird etwa von H Weidemann ndash in seinem Kommentar zur Einteilung der Dinge (πράγμα-τα) in Universalien und Einzeldinge in De int 717 a 38 ndash b 1 ndash gezogen Weidemann zufolgebdquodeckt sich seine [sc Aristotelesrsquo] Unterscheidung zwischen allgemeinen und einzelnenπράγματα im wesentlichen mit der Unterscheidung die Gottlob Frege unter Berufung aufdie von ihm so genannte sbquopraumldikative Natur des Begriffslsquo [] zwischen einem Begriff alsder sbquoBedeutung eines grammatischen Praumldikatslsquo [] und einem Gegenstand als der Bedeu-tung eines (im Gegensatz zu einem Begriffswort nicht praumldikativ verwendbaren) Eigenna-mens machtldquo H Weidemann Aristoteles Peri Hermeneias (= Aristoteles Werke in deut-scher Uumlbersetzung Bd 1 Teil II) Berlin 1994 209 f Die Verwandtschaft zwischen Frege-schen Begriffen und aristotelischen Universalien betont auch J Kung Aristotle on ThisesSuches and the Third Man Argument Phronesis 26 1981 207ndash247 hier 209 Zwar binich nicht der Auffassung dass sich beide Unterscheidungen bdquoim wesentlichenldquo miteinanderdecken ndash die fuumlr Freges Begriffskonzeption sicher wesentliche Definition des Begriffs alsbdquoFunktion deren Wert immer ein Wahrheitswert istldquo G Frege Funktion und Begriff inDers Kleine Schriften hrsg v I Angelelli HildesheimndashZuumlrichndashNew York 21990 125ndash142 hier 133 hat in der aristotelischen Universalienkonzeption offenkundig kein Entspre-

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 51

les damit ein Problem einhandelt das dem aumlhnlich ist das als Freges Para-doxlsquo in die Annalen der Philosophiegeschichte eingegangen ist

I Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategoriein der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen zu

bezeichnen

1 Das Argument am Ende von Buch Beta

Das Argument von dem ich ausgehen moumlchte ist Teil der letzten Aporie vonBuch Beta (Met Β 61003 a 5ndash17)

bdquoDiese [vorher genannten] Aporien muszlig man nun mit Blick auf die Prin-zipien [des Seienden] eroumlrtern und auch [die Aporie] ob die PrinzipienUniversalien sind oder so wie wir die Einzeldinge auffassen [I] Wenn sienaumlmlich Universalien sind werden sie keine οὐσίαι sein Denn nichts derDinge die gemeinsam sind bezeichnet ein τόδε τι11 sondern τοιόνδε dieοὐσία [bezeichnet] aber τόδε τι Wenn es moumlglich ist das gemeinsam Aus-gesagte als τόδε τι und Eines anzusetzen12 wird Sokrates viele Lebewe-

chungsstuumlck ndash doch sehe ich wie Weidemann auffaumlllige Parallelen sowohl zwischen Frege-schen Gegenstaumlnden und aristotelischen Einzeldingen als auch zwischen Fregeschen Begrif-fen und aristotelischen Universalien

11 Ich lasse bdquoτόδε τιldquo hier und im folgenden unuumlbersetzt da ich mir unsicher bin wie diefolgenden Fragen zu beantworten sind Ist hier bdquoτιldquo wie der unbestimmte Artikel bdquoeinldquo zuverstehen und bdquoτόδε τιldquo im Sinne von bdquoein Diesesldquo So etwa W D Ross Aristotlersquos Meta-physics A Revised Text with Introduction and Commentary Vol I Oxford 1924 248 oderMenn (wie Anm 9) 223 Oder ist bdquoτιldquo im Sinne von bdquo(von) einer Artldquo und bdquoτόδε τιldquo imSinne von bdquoein Dieses einer Artldquo zu verstehen So etwa ndash allerdings ohne definitive Festle-gung ndash M FredeG Patzig Aristoteles Metaphysik Zlsquo Text Uumlbersetzung und KommentarZweiter Band Kommentar Muumlnchen 1988 15 Wie Ross sind auch Frede und Patzig inihren Uumlberlegungen dazu von den Bemerkungen bei J A Smith τόδε τι in Aristotle Classi-cal Review 35 1921 19 abhaumlngig

12 Uumlberliefert ist hier bdquoεἰ δrsquo ἔσται τόδε τι καὶ ἐκθέσθαι τὸ κοινῇ κατηγορούμενονldquo wozu Ross(wie Anm 11) 250 bemerkt bdquoThe manuscript reading would require the rendering lsquoif thecommon predicate is to be a this and it is to be possible to set it out apart from theparticularsrsquo (for the meaning of ἐκθέσθαι cf A 992b 10 n) ndash an intolerable zeugma I hadthought of ἐκθέσθαι ) ἐξέσται and Jaeger proposes ) δεῖ ἐκθέσθαι (to which 999a 30 offersas he remarks a good parallel) but Richardsrsquos ἓν θέσθαι (cf l 12 τόδε τι καὶ ἕν) is betterThe corruption goes back beyond Alexander (cf 236 8)ldquo Wie Ross denke ich dass dieuumlberlieferte Formulierung eine kaum ertraumlgliche sprachliche Haumlrte hat und bin geneigt dieEmendation bdquoἓν θέσθαιldquo zu akzeptieren Andererseits bemerkt Menn (wie Anm 9) 227zugunsten von bdquoἐκθέσθαιldquo mit Recht bdquo[] the reference to ἔκθεσις is entirely agrave proposldquoMenn rechtfertigt die These mit einer erhellenden Explikation des relevanten Sinns vonbdquoἔκθεσιςldquo 228ndash231 Freilich bemerkt Menn (wie Anm 9) 233 auch mit Recht dass fuumlr das

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sen13 sein er selbst und der Mensch und das Lebewesen da ja jeder [derentsprechenden Ausdruumlcke] ein τόδε τι und eines bezeichnet Wenn nundie Prinzipien Universalien sind folgt dieses [II] Wenn sie nicht Univer-salien sind sondern wie die Einzeldinge werden sie nicht wiszligbar seindenn das Wissen von allem ist universal Somit wird es andere Prinzipiengeben vor den Prinzipien naumlmlich die universal ausgesagten wenn esvon ihnen Wissen geben sollldquo14

Die Aporie hat die Gestalt eines Dilemmas mit den folgenden beiden Houmlr-nern Entweder [I] sind die Prinzipien [des Seienden] Universalien oder [II]eine spezielle Sorte von Einzeldingen Tertium non datur Aristoteles ziehtzunaumlchst unerfreuliche Konsequenzen aus der Annahme dass die PrinzipienUniversalien sind sodann aus der gegenteiligen Annahme dass sie eine spezi-elle Sorte von Einzeldingen sind

Es ist unkontrovers dass die von Aristoteles hier bloszlig skizzierte Aporieeines der Hauptprobleme fuumlr seine Untersuchungen in den folgenden Buumlchernder Metaphysik darstellt insbesondere fuumlr die Untersuchungen in Metaphy-sik Z15 manche Interpreten sind sogar der Uumlberzeugung dass es Aristotelesnicht gelungen sei die Aporie zu loumlsen So fuumlhlte sich bereits Eduard Zeller

Verstaumlndnis des Arguments nicht viel davon abhaumlngt ob dem uumlberlieferten bdquoἐκθέσθαιldquo oderder Konjektur bdquoἓν θέσθαιldquo der Vorzug gegeben wird Erwaumlhnt sei auch noch dass Christbdquoκατrsquo ἔκθεσινldquo anstelle von bdquoκαὶ ἐκθέσθαιldquo vorschlaumlgt (vgl W Christ Aristotelis Metaphy-sica Nova impressio correctior Leipzig 1906) und hiermit das syntaktische Problem loumlstzugleich aber auch die Rede von bdquoἔκθεσιςldquo bewahrt gegen den Vorschlag spricht jedochdass die Korruption von bdquoκατrsquo ἔκθεσινldquo in bdquoκαὶ ἐκθέσθαιldquo schwer zu erklaumlren waumlre

13 Christ (wie Anm 12) und W Jaeger Aristotelis Metaphysica Oxford 1957 halten dasentsprechende bdquoζῷαldquo fuumlr zu tilgen aber die Tilgung ist nicht notwendig Aristoteles setztfuumlr den Zusatz von bdquoζῷαldquo die Guumlltigkeit der generellen Aussagen Der Mensch ist einMenschlsquo und Das Lebewesen ist ein Lebewesenlsquo voraus die ja in der Tat trivialerweisewahr sind handelte es sich nun bei den Subjekten der beiden Praumldikationen jeweils um einτόδε τι so waumlre im ersten Fall von einem bestimmten Menschen und im zweiten Fall voneinem bestimmten Lebewesen die Rede in beiden Faumlllen also von bestimmten Lebewesen

14 ταύτας τε οὖν τὰς ἀπορίας ἀναγκαῖον ἀπορῆσαι περὶ τῶν ἀρχῶν καὶ πότερον καθόλου εἰσὶν ἢὡς λέγομεν τὰ καθrsquo ἕκαστα εἰ μὲν γὰρ καθόλου οὐκ ἔσονται οὐσίαι (οὐθὲν γὰρ τῶν κοινῶν τόδετι σημαίνει ἀλλὰ τοιόνδε ἡ δrsquo οὐσία τόδε τι εἰ δrsquo ἔσται τόδε τι καὶ ἓν θέσθαι [ἓν θέσθαιRichards Ross ἐκθέσθαι Hss Alc siehe oben Anm 12] τὸ κοινῇ κατηγορούμενον πολλὰἔσται ζῷα [ζῷα Hss getilgt von Christ und Jaeger siehe oben Anm 13] ὁ Σωκράτης αὐτόςτε καὶ ὁ ἄνθρωπος καὶ τὸ ζῷον εἴπερ σημαίνει ἕκαστον τόδε τι καὶ ἕν) ndash εἰ μὲν οὖν καθόλου αἱἀρχαί ταῦτα συμβαίνει εἰ δὲ μὴ καθόλου ἀλλrsquo ὡς τὰ καθrsquo ἕκαστα οὐκ ἔσονται ἐπιστηταί(καθόλου γὰρ ἡ ἐπιστήμη πάντων) ὥστrsquo ἔσονται ἀρχαὶ ἕτεραι πρότεραι τῶν ἀρχῶν αἱ καθόλουκατηγορούμεναι ἄνπερ μέλλῃ ἔσεσθαι αὐτῶν ἐπιστήμη

15 Vgl A Code The Aporematic Approach to Primary Being in Metaphysics Z CanadianJournal of Philosophy Supplementary Volume 10 1984 1ndash20 hier 4

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 53

gezwungen bdquoan diesem Punkte [] einen houmlchst eingreifenden Widerspruchim System des Philosophen anzuerkennenldquo16

Auf das zweite Horn des Dilemmas werde ich im folgenden nicht naumlhereingehen es sei lediglich bemerkt dass Aristoteles das Argument in Metaphy-sik Μ 101087 a 10ndash25 entkraumlften zu wollen scheint17 ob dieser Versuchaber wirklich den Kern des Problems trifft ist umstritten18 Mein Interessegilt dem ersten Horn und hier insbesondere der These die von Aristoteles ananderen Stellen19 mit behauptender Kraft geaumluszligert wird bdquoDenn nichts derDinge die gemeinsam sind bezeichnet ein τόδε τι sondern τοιόνδεldquo (οὐθὲνγὰρ τῶν κοινῶν τόδε τι σημαίνει ἀλλὰ τοιόνδε ἡ δrsquo οὐσία τόδε τι)20

Das Argument ist enthymematisch mehrere seiner Praumlmissen bleiben un-ausgesprochen ndash ebenso wie seine Schlusskonklusion Ich werde in meinerRekonstruktion das Pferd von hinten aufzaumlumen also mich von der Schluss-konklusion nach vorne zu den Ausgangspraumlmissen vorarbeiten

Die (unausgesprochene) Schlusskonklusion lautet dass die Prinzipiennicht Universalien sind unmittelbar begruumlndet wird sie mit der Feststellungdass die Prinzipien wenn sie Universalien sind nicht οὐσίαι sind nun sindsie aber οὐσίαι ndash diese Praumlmisse wird nicht explizit ausgesprochen ndash also sindsie nicht Universalien

(K3) Wenn die Prinzipien [des Seienden] Universalien sind sind sie nichtοὐσίαι [aus (K2) siehe unten]

(P5) Die Prinzipien [des Seienden] sind οὐσίαι [implizit](K4) Die Prinzipien [des Seienden] sind nicht Universalien [implizit aus (K3)

und (P5)]

(P5) wird von Aristoteles natuumlrlich akzeptiert hauptsaumlchlich aufgrund derUumlberlegung dass nur οὐσίαι die Arten von Prioritaumlt besitzen die den Prinzipi-en des Seienden zukommen21 Der unausgesprochene Grund fuumlr (K3) liegt indem folgenden Prinzip

(K2) Alles was ein Universale ist ist nicht οὐσία [implizit aus (K1) und (P4)siehe unten]

16 E Zeller Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung Zweiter Theilzweite Abtheilung Aristoteles und die alten Peripatetiker Leipzig 31879 312

17 Vgl Ross (wie Anm 11) 25018 Vgl dazu z B R Heinaman Knowledge of Substance in Aristotle Journal of Hellenic

Studies 101 1981 63ndash77 Code (wie Anm 15) 6ndash7 Menn (wie Anm 9) 245ndash24819 Vgl Soph el 22178 b 38 f Met Ζ 81033 b 21 f Ζ 131039 a 1 f 1039 a 15 f in

eingeschraumlnkter Version auch Cat 53 b 13ndash1620 Met Β 61003 a 921 Vgl z B das Argument fuumlr die Prioritaumlt der οὐσία in Met Ζ 11028 a 29 ndash b 2

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Auch dieses Prinzip aumluszligert Aristoteles an anderen Stellen mit wie es scheintbehauptender Kraft22 Das Prinzip wird an der vorliegenden Stelle wiederumdamit begruumlndet dass keines der Dinge die gemeinsam (κοινά) sind ein τόδετι bezeichnet (sondern τοιόνδε) die οὐσία aber ein τόδε τι [bezeichnet]

Hier stellt sich zunaumlchst die Frage was unter den bdquoκοινάldquo zu verstehenist Sind darunter die Universalien selbst zu verstehen Oder vielmehr Aus-druumlcke die ndash in welcher Weise auch immer ndash fuumlr Universalien stehen Denκοινά wird zugeschrieben dass sie etwas bezeichnen (bdquoσημαίνειldquo) Diesspricht auf den ersten Blick dafuumlr sie als Ausdruumlcke zu verstehen Denn stric-to sensu sind es Ausdruumlcke die das-und-das bezeichnen Andererseits ver-wendet Aristoteles bdquoσημαίνεινldquo (bdquobezeichnenldquo) haumlufig so dass er nicht vonAusdruumlcken sondern von den Dingen denen er zuschreibt von Ausdruumlckenbezeichnet zu werden sagt sie bezeichneten das-und-das23 Diese Stellen wer-fen die Frage auf ob Aristoteles wenn er von den Dingen spricht auf die erdie Ausdruumlcke bezieht eigentlich die Ausdruumlcke meint oder aber tatsaumlchlichdie Dinge ndash und nicht die Ausdruumlcke ndash meint aber etwas bezeichnenlsquo imSinne von etwas seinlsquo verwendet Ich denke dass die erste Annahme vorzugs-wuumlrdig ist denn mit ihr laumlsst sich besser erklaumlren warum er uumlberhaupt vonbezeichnenlsquo und nicht einfach von seinlsquo spricht Daraus ergibt sich fuumlr unse-re Stelle dass er mit den bdquoκοινάldquo ndash zumindest eigentlich ndash Ausdruumlcke meintund diesen zuschreibt τοιόνδε und nicht ein τόδε τι zu bezeichnen WelcheAusdruumlcke Nun offensichtlich Ausdruumlcke die Universalien bezeichnen (Icherinnere daran dass ich unter Ausdruumlckenlsquo sinnlich wahrnehmbare Zeichenverstehe die nicht mehrdeutig sind Der Ausschluss von Mehrdeutigkeit istauch hier wichtig da ja ein Ausdruck willkuumlrlich mal in einem Sinn verwen-det werden kann in dem er kein Universale bezeichnet dann wieder in einemSinn in dem er ein Universale bezeichnet)

Der zweite Teil des Satzes bdquoἡ δrsquo οὐσία τόδε τιldquo ist in dieser Hinsichtaumlhnlich zu verstehen wenn man ndash wozu ich neige ndash annimmt dass das Satz-fragment voll ausgesprochen zu bdquoἡ δrsquo οὐσία τόδε τι σημαίνειldquo zu erweiternist24 (auch wenn die alternative Erweiterung zu bdquoἡ δrsquo οὐσία τόδε τί ἐστιldquonicht ausgeschlossen ist25) gemeint ist dass jeder Ausdruck der eine οὐσίαbezeichnet ein τόδε τι bezeichnet

Die Begruumlndung des Prinzips dass alles was ein Universale ist nichtοὐσία ist laumlsst sich demnach folgendermaszligen rekonstruieren

22 Vgl Met Ζ 131038 b 8 f b 35 Ζ 161040 b 23 1041 a 4 Ι 21053 b 16 f23 Vgl z B Cat 53 b 10 πᾶσα δὲ οὐσία δοκεῖ τόδε τι σημαίνειν24 Vgl als Parallele die in der voraufgehenden Anmerkung zitierte Stelle25 Die Erweiterung mit bdquoἐστιldquo ist vorausgesetzt z B fuumlr die Uumlbersetzung bei Menn (wie

Anm 9) 221 bdquowhereas a substance is a thisldquo

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 55

(K1) Jeder Ausdruck der ein Universale bezeichnet bezeichnet nicht ein τόδετι26 [aus (P1) (P2) und (P3) siehe unten]

(P4) Jeder Ausdruck der eine οὐσία bezeichnet bezeichnet ein τόδε τι(K2) Alles was ein Universale ist ist nicht οὐσία [implizit aus (K1) und

(P4)]

Der Schluss von (K1) und (P4) auf (K2) ist nicht guumlltig Denn die Konjunkti-on von (K1) und (P4) ist damit kompatibel dass es Allgemeines gibt dasuumlberhaupt nicht bezeichnet wird (oder bezeichnet werden kann) und ein τόδετι ist Das Argument waumlre guumlltig wenn es ndash unter dem oben erwogenen Ver-staumlndnis von etwas bezeichnenlsquo als etwas seinlsquo ndash so reformuliert werdenwuumlrde

(K1) Alles was ein Universale ist ist nicht ein τόδε τι27 [aus (P1) und (P2)siehe unten]

(P4) Jede οὐσία ist ein τόδε τι(K2) Alles was ein Universale ist ist nicht οὐσία [implizit aus (K1) und

(P4)]

Aus den oben genannten Gruumlnden denke ich aber dass diese Rekonstruktiondem von Aristoteles gewaumlhlten Wortlaut weniger gerecht wird als die vorherangefuumlhrte alternative Rekonstruktion

In der Einleitung habe ich das Argument als ein semantisches bezeichnetDies ist es allemal unabhaumlngig davon welche der beiden Rekonstruktionenman waumlhlt Denn auch wenn in der zweiten Version nicht mehr von bezeich-nenlsquo die Rede ist verweisen die von Aristoteles gewaumlhlten Pronomina bdquoτόδετιldquo und bdquoτοιόνδεldquo jeweils auf bestimmte Typen von Ausdruumlcken fuumlr die diePronomina korrekterweise Pronomina sein koumlnnen d h Aristoteles unter-scheidet zwischen zwei Sorten von Entitaumlten derart dass er zwischen zweiSorten von Ausdruumlcken unterscheidet die jeweils diese Entitaumlten bezeichnenAuf die problematischen Konsequenzen die diese Unterscheidung hat werdeich unten im zweiten Teil ausfuumlhrlicher eingehen

(K1) stellt eine modifizierte ndash naumlmlich allgemeiner gefasste ndash Version deraus der Kategorienschrift bekannten These dar dass jeder Ausdruck der eineοὐσία im sekundaumlren Sinne also ein Universale der Substanz-Kategorie be-zeichnet nicht τόδε τι sondern ποιόν τι bezeichnet Aristoteles bemerkt ander betreffenden Kategorien-Stelle (die bereits Alexander in seinem Kommen-tar zu unserer Metaphysik-Stelle heranzieht28)

26 Ich lasse den Zusatz bdquosondern τοιόνδεldquo weg weil er fuumlr das Argument uumlberfluumlssig ist werdeauf ihn aber unten im zweiten Teil zuruumlckkommen

27 Siehe vorhergehende Anmerkung28 Vgl Alex Aphr In Met 2366 f

56 Benedikt Strobel

bdquoJede Substanz [d h jeder Ausdruck der eine Substanz bezeichnet B S]scheint ein τόδε τι zu bezeichnen Im Fall der ersten Substanzen ist esunumstritten und wahr dass sie ein τόδε τι bezeichnet denn das Bezeich-nete ist unteilbar und eines der Zahl nach Im Fall der zweiten Substan-zen scheint sie auf aumlhnliche Weise bedingt durch die Form des Aus-drucks ein τόδε τι zu bezeichnen wenn von sbquoMenschlsquo29 oder Lebewesenlsquodie Rede ist Dies ist aber nicht wahr sondern sie bezeichnet eher einποιόν τι Denn das Zugrundeliegende ist nicht eines [sc der Zahl nachB S] wie die erste Substanz sondern der Mensch und das Lebewesenwerden von vielen Dingen ausgesagt Andererseits bezeichnet sie auchnicht einfachhin ein ποιόν τι wie etwa das Weiszligelsquo Denn das Weiszligelsquobezeichnet nichts anderes als das ποιόν die Art und die Gattung bestim-men das ποιόν im Bereich der Substanz denn sie bezeichnen jeweils eineso-und-so-beschaffene Substanzldquo30

Aristoteles gibt hier zunaumlchst eine Begruumlndung der These dass jeder Aus-druck der eine Substanz im primaumlren Sinne also ein Particulare der Sub-stanz-Kategorie bezeichnet ein τόδε τι bezeichnet Das von diesen Ausdruuml-cken Bezeichnete ist unteilbar (ἄτομον) und eines der Zahl nach (ἓν ἀριθμῷ)Er nennt damit zwei Bedingungen dafuumlr ein τόδε τι zu sein naumlmlich unteilbarund eines der Zahl nach zu sein Dass es sich bei der Bedingung eines derZahl nach zu sein nicht nur um eine hinreichende sondern auch um einenotwendige Bedingung dafuumlr handelt ein τόδε τι zu sein geht aus der folgen-den Begruumlndung dafuumlr hervor dass jeder Ausdruck der eine οὐσία im sekun-daumlren Sinne also ein Universale der Substanz-Kategorie bezeichnet keinτόδε τι bezeichnet die Begruumlndung lautet bdquoDenn das Zugrundeliegende istnicht eines [sc der Zahl nach] wie die erste Substanz sondern der Menschwird von vielen ausgesagt und das Lebewesenldquo31 Da das von Ausdruumlckendes Typs ein Menschlsquo oder des Typs ein Lebewesenlsquo jeweils Bezeichnete die

29 Strenggenommen muumlsste die Uumlbersetzung lauten bdquowenn von ἄνθρωποςlsquo oder ζῷονlsquo dieRede istldquo Ich fuumlhre aber hier und im Folgenden einfachheitshalber die den von Aristotelesangefuumlhrten griechischen Ausdruumlcken jeweils entsprechenden deutschen Ausdruumlcke an

30 Cat 53 b 10ndash21 πᾶσα δὲ οὐσία δοκεῖ τόδε τι σημαίνειν ἐπὶ μὲν οὖν τῶν πρώτων οὐσιῶνἀναμφισβήτητον καὶ ἀληθές ἐστιν ὅτι τόδε τι σημαίνει ἄτομον γὰρ καὶ ἓν ἀριθμῷ τὸ δηλούμενόνἐστιν ἐπὶ δὲ τῶν δευτέρων οὐσιῶν φαίνεται μὲν ὁμοίως τῷ σχήματι τῆς προσηγορίας τόδε τισημαίνειν ὅταν εἴπῃ ἄνθρωπον ἢ ζῷον οὐ μὴν ἀληθές γε ἀλλὰ μᾶλλον ποιόν τι σημαίνει ndash οὐγὰρ ἕν ἐστι τὸ ὑποκείμενον ὥσπερ ἡ πρώτη οὐσία ἀλλὰ κατὰ πολλῶν ὁ ἄνθρωπος λέγεται καὶτὸ ζῷον ndash οὐχ ἁπλῶς δὲ ποιόν τι σημαίνει ὥσπερ τὸ λευκόν οὐδὲν γὰρ ἄλλο σημαίνει τὸ λευκὸνἀλλrsquo ἢ ποιόν τὸ δὲ εἶδος καὶ τὸ γένος περὶ οὐσίαν τὸ ποιὸν ἀφορίζει ndash ποιὰν γάρ τινα οὐσίανσημαίνει

31 Cat 53 b 16ndash18 οὐ γὰρ ἕν ἐστι τὸ ὑποκείμενον ὥσπερ ἡ πρώτη οὐσία ἀλλὰ κατὰ πολλῶν ὁἄνθρωπος λέγεται καὶ τὸ ζῷον

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 57

Bedingung verfehlt eines der Zahl nach zu sein ist es kein τόδε τι Aristotelessetzt also an der Kategorien-Stelle das Prinzip voraus dass etwas genau dannein τόδε τι ist wenn es eines der Zahl nach ist

An unserer Stelle in der Metaphysik liefert er ebenfalls eine Begruumlndungfuumlr die These dass jeder Ausdruck der etwas Allgemeines bezeichnet keinτόδε τι bezeichnet (also fuumlr (K1)) Prima facie zeigt Aristoteles mit seinerBegruumlndung nur dass einige Ausdruumlcke die Universalien bezeichnen keinτόδε τι bezeichnen Er zeigt naumlmlich nur dass Ausdruumlcke des Typs einMenschlsquo und ein Lebewesenlsquo in Saumltzen des Typs Sokrates ist ein Menschund er ist ein Lebewesenlsquo kein τόδε τι (sondern τοιόνδε) bezeichnen (wobeistillschweigend vorausgesetzt ist dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo undein Lebewesenlsquo in solchen Saumltzen Universalien bezeichnen) Aber fuumlr die Be-gruumlndung von (K1) anhand dieses Beispiels sind unausgesprochen allgemeineAnnahmen vorausgesetzt aus denen sich (K1) ableiten laumlsst

Ich betrachte die Argumentation zunaumlchst anhand des Beispiels das Aris-toteles gibt Die Argumentation laumlsst sich folgendermaszligen verstehen Wenndas mit Ausdruumlcken des Typs ein Menschlsquo in Saumltzen des Typs Sokrates istein Mensch und ein Lebewesenlsquo gemeinsam Ausgesagte (worunter er hiernicht den das Universale bezeichnenden Ausdruck sondern das vom Aus-druck bezeichnete Universale versteht) ein τόδε τι und [explikatives καὶ] einἕν (der Zahl nach) waumlre und das mit Ausdruumlcken des Typs ein LebewesenlsquoAusgesagte ebenso so waumlre Sokrates mehrere Lebewesen (der Zahl nach32)naumlmlich das von Sokrateslsquo bezeichnete τόδε τι das von ein Menschlsquo bezeich-nete τόδε τι und das von ein Lebewesenlsquo bezeichnete τόδε τι Nun ist aberSokrates nicht all dies also ist die Voraussetzung falsch

Fuumlr diese Begruumlndung setzt Aristoteles voraus dass in Saumltzen des TypsSokrates ist ein Mensch und ein Lebewesenlsquo Ausdruumlcke des Typs einMenschlsquo und ein Lebewesenlsquo je verschiedene Dinge bezeichnen33 waumlre nunjedes dieser Dinge ein τόδε τι so wuumlrde ndash dem Argument zufolge ndash mit Saumltzenjenes Typs die Identitaumlt von Sokrates mit zwei von ihm verschiedenen undvoneinander verschiedenen τόδε τι behauptet dem τόδε τι das von einMenschlsquo bezeichnet wird und dem τόδε τι das von ein Lebewesenlsquo bezeich-net wird Warum die Identitaumlt mit den beiden τόδε τι Weil ndash dies setzt Aristo-teles stillschweigend voraus ndash ein τόδε τι nur durch singulaumlre Terme bezeich-net werden kann und singulaumlre Terme wiederum nur so mit einem voraufge-henden istlsquo verbunden sein koumlnnen dass das istlsquo im Sinne von ist identischmitlsquo zu verstehen ist

32 Vgl zu diesem Zusatz Alex Aphr In Met 236933 Vgl Menn (wie Anm 9) 232

58 Benedikt Strobel

Das aristotelische Argument hat eine aufschlussreiche Parallele in FregesAufsatz bdquoUumlber Begriff und Gegenstandldquo (1892) in dem Frege die These dassein grammatisches Praumldikat keinen Gegenstand (bei Frege das Entspre-chungsstuumlck zum τόδε τι an unserer Aristoteles-Stelle) bedeuten oder andersformuliert die Bedeutung eines Eigennamens (unter der Frege einen Gegen-stand versteht) bdquonie als Begriff [d h als Bedeutung eines grammatischen Prauml-dikats] sondern nur als Gegenstand auftreten [kann]ldquo34 damit begruumlndetdass bdquoein Gegenstandsname [] ein Eigenname [] durchaus unfaumlhig [ist]als grammatisches Praumldikat gebraucht zu werdenldquo35 Mit dieser Begruumlndungsetzt Frege fuumlr den Gegenstand ndash aumlhnlich wie Aristoteles fuumlr das τόδε τι ndashstillschweigend voraus dass ein Gegenstand nur durch Eigennamen (in heuti-ger Terminologie singulaumlre Terme) bezeichnet werden koumlnne

Die Unfaumlhigkeit des Eigennamens als grammatisches Praumldikat gebrauchtzu werden erlaumlutert Frege anhand des folgenden Einwands bdquoKann mannicht ebensogut von etwas aussagen es sei Alexander der Groszlige oder es seidie Zahl Vier oder es sei der Planet Venus wie man von etwas aussagenkann es sei gruumln oder es sei ein Saumlugetierldquo36 Freges Antwort darauf lautetbdquoWenn man so denkt unterscheidet man nicht die Gebrauchsweisen desWortes istlsquo In den letzten beiden Beispielen dient es als Kopula als bloszligesFormwort der Aussage [] In den ersten drei Beispielen wird dagegen dasistlsquo wie in der Arithmetik das Gleichheitszeichen gebraucht um eine Glei-chung [Frege meint damit Identitaumlt wie er in der betreffenden Fuszlignote erlaumlu-tert] auszusprechenldquo37 Genau diese Unterscheidung zwischen dem istlsquo alsbdquobloszliges Formwort der Aussageldquo und dem istlsquo der Identitaumlt macht sich Aris-toteles fuumlr seine Argumentation implizit zunutze

Dass Aristoteles annimmt dass ein τόδε τι nur durch singulaumlre Termebezeichnet werden kann haumlngt eng damit zusammen dass er ndash wie die obenzitierte Kategorien-Stelle zeigt ndash annimmt dass etwas nur dann ein τόδε τιist wenn es eines der Zahl nach ist Eines der Zahl nach zu sein bedeutetfuumlr Aristoteles nicht von mehreren Dingen (zutreffend) ausgesagt werden zukoumlnnen38 d h nicht von Ausdruumlcken bezeichnet werden zu koumlnnen die aufmehrere Dinge zutreffen koumlnnen (ohne diese zu bezeichnen) Was eines derZahl ist kann also per definitionem nur durch einen Ausdruck bezeichnetwerden der auf nicht mehr als ein Ding zutreffen kann (das er zugleich be-

34 Vgl G Frege Uumlber Begriff und Gegenstand in Ders Kleine Schriften hrsg v I AngelelliHildesheimndashZuumlrichndashNew York 21990 167ndash178 hier 169

35 Vgl ebd 16836 Vgl ebd37 Vgl ebd38 Dies ist Aristotelesrsquo Definition von bdquoκαθrsquo ἕκαστονldquo in De interpretatione 717 a 40 die

genauso als Definition von bdquoἓν ἀριθμῷldquo gesehen werden kann

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 59

zeichnet) (Vorausgesetzt ist dafuumlr natuumlrlich dass der Ausdruck nicht mehr-deutig ist ndash siehe oben die Einleitung) Aristoteles unterstellt nun fuumlr seinIdentitaumlts-Argument dass die Bedingung auf nicht mehr als ein Ding zutref-fen zu koumlnnen nur von Ausdruumlcken erfuumlllt wird die wir ndash in der heute uumlbli-chen Terminologie ndash als singulaumlre Termelsquo (bei Frege Eigennamenlsquo) bezeich-nen wuumlrden

Diese Unterstellung impliziert ein Verstaumlndnis von singulaumlren Termendas in doppelter Hinsicht kritikwuumlrdig ist Erstens ist es irrefuumlhrend zu sa-gen dass ein singulaumlrer Term des Typs Sokrateslsquo auf Sokrates zutrifft selbstin Saumltzen des Typs Diese Person ist Sokrateslsquo ist der Ausdruck der hierauf das worauf mit einem singulaumlren Term des Typs diese Personlsquo Bezuggenommen wird zutrifft nicht eigentlich Sokrateslsquo sondern ist (ie ist iden-tisch mit) Sokrateslsquo39 Zweitens gibt es Ausdruumlcke die auf nicht mehr als einDing zutreffen koumlnnen und keine singulaumlren Terme sind der Ausdruck istidentisch mit Sokrateslsquo ist ein Beispiel

Auch wenn sich Aristoteles uumlber die Natur singulaumlrer Terme nur unzurei-chend klar geworden ist und die Bestimmung singulaumlrer Terme als Ausdruuml-cke die auf nicht mehr als ein Ding zutreffen koumlnnen problematisch istbleibt festzuhalten dass Aristoteles in der Begruumlndung von (K1) die Annah-me voraussetzt dass ein τόδε τι nur durch singulaumlre Terme bezeichnet werdenkann40 (aumlhnlich wie Frege voraussetzt dass ein Gegenstand nur durch singu-laumlre Terme bezeichnet werden kann) Auf diese Annahme deutet ja uumlbrigensschon die Rede von τόδε τι hin denn Vorkommnisse des Pronomens τόδεfungieren uumlblicherweise als singulaumlre Terme41

Daneben setzt er aber offenkundig auch voraus dass ein Universale nicht(oder zumindest nicht nur42) durch singulaumlre Terme bezeichnet werden kann

39 Vgl Kuumlnne (wie Anm 5) 25 Kuumlnne kritisiert mit diesem Argument nicht direkt Aristotelessondern Autoren die in der aristotelischen Tradition stehen es trifft aber Aristoteles ebenso

40 Menn (wie Anm 9) 229ndash232 weist in seiner Interpretation des Arguments zwar darauf hindass Aristoteles fuumlr seine reductio ad absurdum mit der Ersetzung von Ausdruumlcken diekeine singulaumlren Terme sind (ein Menschlsquo und ein Lebewesenlsquo) durch Ausdruumlcke diesingulaumlre Terme sind und fuumlr die Menn als Platzhalter die Buchstaben Blsquo und Clsquo verwendetoperiert (wobei Menn [wie Anm 9] 229 nicht von singular termslsquo sondern von [logischen]proper nameslsquo spricht) expliziert aber nicht die Praumlmisse die hinter dieser Operation stehtnaumlmlich die Praumlmisse dass jedes τόδε τι nur von singulaumlren Termen bezeichnet werden kann

41 Ich fuumlge das einschraumlnkende bdquouumlblicherweiseldquo hinzu da ich nicht ausschlieszligen moumlchte dasses eine Verwendungsweise von bdquoτόδεldquo gab in der Vorkommnisse des Pronomens nicht alssingulaumlre Terme fungierten Nur unter der Voraussetzung dass alle Vorkommnisse von τόδεsingulaumlre Terme sind kommt es uumlberhaupt in Betracht Aristoteles folgende Auffassungzuzuschreiben bdquoMost generally X is τόδε τι if X can in some context be referred to by apronoun such as τόδε or τοῦτο used either deictically or anaphoricallyldquo Menn (wie Anm 9)223

42 Siehe dazu unten Abschnitt II

60 Benedikt Strobel

sondern (auch) durch Ausdruumlcke die auf mehr als nur ein Ding zutreffenkoumlnnen (Eben dies dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo und des Typs einLebewesenlsquo auf mehr als nur ein Ding zutreffen koumlnnen erklaumlrt dass Saumltzedes Typs Sokrates ist ein Mensch und ein Lebewesenlsquo nicht als Identitaumltssaumltzegelesen werden koumlnnen)

Der Begruumlndung von (K1) liegen also letztlich folgende Annahmen zu-grunde

(P1) Jedes τόδε τι kann nur von singulaumlren Termen bezeichnet werden(P2) Jedes Universale kann von Ausdruumlcken bezeichnet werden die keine

singulaumlren Terme sind43

Daraus ergibt sich dass alles was ein Universale ist nicht ein τόδε τι ist (=(K1) oben) und unter der weiteren Annahme

(P3) Jeder Ausdruck der ein Universale bezeichnet bezeichnet nur dieses

ergibt sich

(K1) Jeder Ausdruck der ein Universale bezeichnet bezeichnet nicht ein τόδετι

Die Beobachtung dass Aristoteles fuumlr die Begruumlndung von (K1) die Praumlmis-sen (P1) und (P2) voraussetzt ist wie wir gleich sehen werden wichtig fuumlrdie Beantwortung der in der Einleitung aufgeworfenen Frage ob Aristotelesgenerellen Termen der Substanz-Kategorie zuschreibt substantielle Formenzu bezeichnen Dieser Frage werde ich mich nun in den folgenden beidenAbschnitten zuwenden wobei ich sie unter kontradiktorischen Hypothesenbetrachte der Hypothese dass substantielle Formen Universalien sind undder dass sie keine Universalien sind (Ich erinnere im uumlbrigen daran dass ichmit der Rede von generellen Termen der Substanz-Kategorielsquo nichts daruumlberpraumljudiziere ob solche Terme Substanzen bezeichnen oder nicht und auchnichts daruumlber ob sie Universalien bezeichnen oder nicht als generelle Termeder Substanz-Kategorielsquo bestimme ich vielmehr wie gesagt diejenigen gene-rellen Terme deren Sinn es nach aristotelischer Lehre erlaubt mit ihnen sol-che Fragen des Typs Was ist (τί ἐστι) xlsquo korrekt zu beantworten in denenfuumlr xlsquo der Name einer Substanz eintritt)

43 Es ist erwaumlgenswert dass fuumlr die Begruumlndung von (K1) nicht (P2) sondern die staumlrkerePraumlmisse (P2) bdquoJedes Universale kann nur von Ausdruumlcken bezeichnet werden die keinesingulaumlren Terme sindldquo vorausgesetzt ist Dafuumlr spricht dass sich aus (P1) und (P2) direkt(K1) folgern laumlsst aus (P1) und (P2) nicht ferner ist Aristoteles in der Tat die Akzeptanzvon (P2) zuzuschreiben (wie wir unten im zweiten Teil sehen werden) Da diese Zuschrei-bung jedoch weiterer Rechtfertigung bedarf ziehe ich es vorlaumlufig vor die Begruumlndung von(K1) unter Einschluss der schwaumlcheren Praumlmisse (P2) zu rekonstruieren

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 61

2 Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategoriein der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen

als Universalien verstanden zu bezeichnen

Um die Antwort auf die Frage ob Aristoteles generellen Termen der Sub-stanz-Kategorie zuschreibt substantielle Formen (ob als Universalien ver-standen oder nicht) zu bezeichnen gleich vorwegzunehmen sie lautetbdquoNeinldquo jedenfalls unter Voraussetzung der Konsistenz der Zuschreibungendie Aristoteles vornimmt Denn

(i) Aristoteles schreibt in der Metaphysik jeder substantiellen Form zu einτόδε τι zu sein44

(ii) er schreibt jedem generellen Term der Substanz-Kategorie zu ein Univer-sale zu bezeichnen45 und

(iii) unter Annahme von (K1) sind beide Zuschreibungen nur damit vertraumlg-lich jedem generellen Term der Substanz-Kategorie zuzuschreiben keinesubstantielle Form zu bezeichnen

These (i) ist unkontrovers Thesen (ii) und (iii) sind es nicht Bevor ich These(ii) ndash im naumlchsten Abschnitt ndash rechtfertige moumlchte ich ndash in diesem Abschnitt ndashThese (iii) verteidigen Sie wird von manchen Interpreten46 ndash mehr oder weni-ger explizit ndash bestritten und zwar so dass diese Interpreten (K1) einen Sinnbeilegen unter dessen Voraussetzung These (iii) in der Tat falsch waumlre Mitder alternativen Deutung von (K1) die diese Interpreten vertreten moumlchteich mich in diesem Abschnitt beschaumlftigen

Die betreffenden Interpreten gehen davon aus dass Aristoteles jedersubstantiellen Form zuschreibe ein τόδε τι zu sein47 und ndash als das τὸ τί ἦνεἶναι48 ndash definierbar49 zu sein Sie schreiben Aristoteles ferner die Auffassungzu dass nur Universalien definierbar seien50 Entsprechend schreiben sie ihmweiter Konsistenz auf seiner Seite vermutend die Auffassung zu dass sub-stantielle Formen Universalien sind51 So sollte Aristoteles ndash unter der Annah-me dass jede substantielle Form ein τόδε τι ist ndash vernuumlnftigerweise auch ge-

44 Vgl z B Met Δ 81017 b 24 f Ζ 31029 a 27ndash30 Θ 71049 a 35 Λ 31070 a 11 f45 Fuumlr diese These argumentiere ich unten I346 Es sind zu viele um sie hier alle aufzuzaumlhlen Ich beziehe mich im folgenden v a auf die

konzise Darstellung bei S M Cohen Substances in G Anagnostopoulos (Hrsg) A Com-panion to Aristotle Oxford 2009 197ndash212 hier 209 f wo sich Referenzen auf fruumlhereVertreter dieser Interpretation finden Weitere Vertreter werden genannt bei Lewis (wieAnm 5) 365 Anm 25

47 Vgl fuumlr Belege fuumlr die Zuschreibung oben Anm 4348 Vgl etwa Met Ζ 71032 b 1 f und Ζ 101035 b 3249 Vgl etwa Met Ζ 41030 a 6 f und Ζ 51031 a 1250 Vgl z B Met Ζ 111036 a 28 f und Ζ 151040 a 5ndash751 Was auch Aristoteles explizit zu konzedieren scheint vgl z B Met Ζ 81034 a 7 f und Ζ

111036 a 28 f

62 Benedikt Strobel

dacht haben dass manche Universalien den Status eines τόδε τι haben Unterder weiteren Annahme dass diese Universalien von Ausdruumlcken bezeichnetwerden sollte er schlieszliglich auch die Auffassung vertreten haben dass esAusdruumlcke gibt die etwas bezeichnen das ein Universale und ein τόδε τι ist

Wie aber laumlsst sich diese Auffassung mit (K1) in Einklang bringen Unterdem von mir vertretenen Verstaumlndnis von (K1) gar nicht denn nach diesemVerstaumlndnis sagt (K1) genau das was (K1) prima facie sagt dass jeder Aus-druck der ein Universale bezeichnet kein τόδε τι bezeichnet Und aus denoben rekonstruierten Praumlmissen die Aristoteles fuumlr seine Begruumlndung von(K1) voraussetzt ergibt sich erst recht dass es keine Ausdruumlcke gibt dieetwas bezeichnen das ein Universale und ein τόδε τι ist denn wir habengesehen dass diese Praumlmissen unvereinbar sind mit der Annahme dass etwasein Universale und ein τόδε τι ist

Unter der alternativen Interpretation von (K1) laumlsst sich dagegen ein Ein-klang herstellen zwischen (K1) und der Auffassung dass es Ausdruumlcke gibt dieetwas bezeichnen das ein Universale und ein τόδε τι ist Die Interpretation besagtnaumlmlich dass die Phrase Jeder Ausdruck der ein Universale bezeichnetlsquo in (K1)enger zu verstehen ist naumlmlich im Sinne einer Phrase der Form Jeder Ausdruckder im Kontext von Saumltzen des-und-des Typs ein Universale bezeichnetlsquo Die Ver-treter dieser Interpretation meinen dass es fuumlr Aristoteles vom jeweiligen Satz-kontext in dem ein genereller Termauftauche abhaumlnge ob er ein τόδε τιbezeich-ne oder nicht So bezeichne z B ein genereller Term des Typs ein Menschlsquo inSaumltzen des Typs Sokrates ist ein Menschlsquo kein τόδε τι (sondern τοιόνδε) wohlaber in Saumltzen des Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist ein Menschlsquo52

In ersteren bezeichne ein Menschlsquo die Art (kind) unter die Sokrates mit der Aumlu-szligerung des Satzes subsumiert werde in letzteren bezeichne ein Menschlsquo dagegeneine substantielle Form (und damit ein τόδε τι) die mit der Aumluszligerung des Satzesvon der Materie dem Haufen Fleisch und Knochen ausgesagt werde53

Die Unterscheidung dieser beiden Typen von Kontexten in denen einAusdruck ein Universale bezeichnen kann geht mit der Unterscheidung vonzwei Sorten von Praumldikation von Universalien einher Praumldikation die eineAntwort auf die Frage τί ἐστι gibt und mit der der Sache von der das Univer-sale praumldiziert wird zugeschrieben wird essentiell das-und-das zu sein undPraumldikation die keine Antwort auf die Frage τί ἐστι gibt und mit der derSache von der das Universale praumldiziert wird zugeschrieben wird akziden-tell das-und-das zu sein Sokrates ist essentiell ein Mensch aber seine Mate-rie dieser Haufen Fleisch und Knochen ist akzidentell ein Mensch

52 Die Beispielsaumltze nach Cohen (wie Anm 46) 209ndash210 Vgl zum zweiten Met Ζ 101035 a18 f 1035 a 33 Met Ζ 111036 b 11

53 Die Auffassung dass die Form von der Materie praumldiziert werde kann sich insbesondereauf Met Θ 61049 a 34ndash36 stuumltzen ὅσα δὲ μὴ οὕτως ἀλλrsquo εἶδός τι καὶ τόδε τι τὸ κατηγορούμε-νον τὸ ἔσχατον ὕλη καὶ οὐσία ὑλική Vgl ferner Met Ζ 171041 b 4ndash9 und Η 21043 a 5 f

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 63

Mithilfe dieser Unterscheidung laumlsst sich angeben um welche Saumltze esAristoteles bei der Aumluszligerung von (K1) geht und die entsprechende Paraphra-se von (K1) lautet

(K1) Jeder Ausdruck der im Kontext eines Satzes ein Universale so bezeich-net dass dieses mit der Aumluszligerung des Satzes von etwas anderem essen-tiell ausgesagt wird bezeichnet kein τόδε τι (sondern τοιόνδε)

An sich waumlre gegen eine solche einschraumlnkende Interpretation von (K1) nichtseinzuwenden aber die Begruumlndung die Aristoteles fuumlr (K1) gibt legt eineandere Lesart von (K1) nahe naumlmlich eine die ohne diese (oder andere)Einschraumlnkungen auskommt Denn die beiden Praumlmissen die Aristoteles sei-ner (exemplarischen) Begruumlndung von (K1) zugrunde legt rechtfertigen (K1)in einem uneingeschraumlnkten Sinn Dies laumlsst sich auch daran erkennen dassAristotelesrsquo reductio ad absurdum mit der er (K1) begruumlndet ebenso auf dieAnnahme dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in Saumltzen des Typs DieserHaufen Fleisch und Knochen ist ein Menschlsquo ein Universale und ein τόδε τιbezeichnen anwendbar ist Denn unter dieser Annahme und der fuumlr die re-ductio vorausgesetzten Annahme dass ein τόδε τι nur durch singulaumlre Termebezeichnet werden kann muumlsste ein Menschlsquo verstanden als Bezeichnungeines τόδε τι salva veritate durch einen singulaumlren Term ersetzbar sein ndash sagenwir die Form Menschlsquo Das Ergebnis der Ersetzung ist nun Dieser HaufenFleisch und Knochen ist die Form Menschlsquo Und dies ist falsch ndash zumindestwenn die Form ein Universale sein soll (ob es auch falsch ist wenn die Formnicht als Universale zu verstehen ist werde ich unten [I3] betrachten) denndieser Haufen Fleisch und Knochen ist gewiss nicht identisch mit der alsUniversale verstandenen Form Mensch Und so wird dieser Haufen Fleischund Knochen mehreres sein ndash dieser Haufen Fleisch und Knochen und dieForm Mensch []lsquo koumlnnte man auch im vorliegenden Fall folgern

Doch mag man einwenden ist es (a) nicht richtig zu sagen Dieser Hau-fen Fleisch und Knochen hat die Form Menschlsquo Und folgt daraus (b) nichtdass in Saumltzen des Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist ein MenschlsquoAusdruumlcke des Typs ein Menschlsquo die Form Mensch bezeichnen Auf diesenEinwand laumlsst sich entgegnen Der Schluss von (a) auf (b) ist unguumlltig unddies sieht man sehr einfach daran dass man etwas Falsches erhaumllt wennman in Saumltzen des Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist ein MenschlsquoAusdruumlcke des Typs ein Menschlsquo durch Ausdruumlcke des Typs die FormMenschlsquo ersetzt

Bisher habe ich die Schwierigkeiten betrachtet in die man geraumlt wenn manAristoteles die Auffassung zuschreibt dass gewisse Ausdruumlcke Universalien

64 Benedikt Strobel

bezeichnen und letztere zugleich den Status eines τόδε τι haben Ich habedafuumlr argumentiert dass (K1) in einem Sinne zu interpretieren ist in dem(K1) eben diese Auffassung ausschlieszligt

Und damit wollte ich zeigen dass von den folgenden drei (bereits obenangefuumlhrten) Thesen die dritte korrekt ist (i) Aristoteles schreibt in der Meta-physik jeder substantiellen Form zu ein τόδε τι zu sein (ii) er schreibt jedemgenerellen Term der Substanz-Kategorie zu ein Universale zu bezeichnenund (iii) unter Annahme von (K1) sind beide Zuschreibungen nur damit kom-patibel jedem generellen Term der Substanz-Kategorie zuzuschreiben keinesubstantielle Form zu bezeichnen

Wie aber steht es mit These (ii) Schreibt Aristoteles den generellen Ter-men der Substanz-Kategorie moumlglicherweise gar nicht zu Universalien zubezeichnen Nimmt er moumlglicherweise an dass Ausdruumlcke des Typs einMenschlsquo die Form Mensch bezeichnen diese Form jedoch kein Universaleist sondern von Mensch zu Mensch verschieden Mit dieser Interpretationderzufolge einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie in der Meta-physik zugeschrieben wird in Wirklichkeit singulaumlre Terme zu sein will ichmich im Folgenden beschaumlftigen

3 Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategoriein der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen

als Particularia verstanden zu bezeichnen

Namhafte Vertreter der Interpretation sind Michael Frede und Guumlnther Pat-zig in ihrem Kommentar zu Metaphysik Zeta sie bemerken zu den ZeilenMet Ζ 101035 b 27ndash3154

bdquoGegenstand der Definition sind Bestimmungen Wenn man nun etwasagt Sokrates ist ein Menschlsquo dann laumlszligt sich Menschlsquo auf zwei Weisenverstehen Es kann so verstanden werden daszlig es die bestimmte ousiabezeichnet welche Sokrates eigentlich ist Es kann aber auch so verstan-den werden daszlig es sich auf die allgemeine Eigenschaft ein Mensch zusein bezieht Wird der Ausdruck auf die letztere Weise verstanden dannhandelt es sich bei dem was er bezeichnet nicht um eine ousialdquo55

Frede und Patzig unterscheiden hier zwischen zwei Arten Ausdruumlcke desTyps ein Menschlsquo zu verstehen entweder versteht man sie so dass sie die

54 ὁ δrsquo ἄνθρωπος καὶ ὁ ἵππος καὶ τὰ οὕτως ἐπὶ τῶν καθrsquo ἕκαστα καθόλου δέ οὐκ ἔστιν οὐσία ἀλλὰσύνολόν τι ἐκ τουδὶ τοῦ λόγου καὶ τησδὶ τῆς ὕλης ὡς καθόλου καθrsquo ἕκαστον δrsquo ἐκ τῆς ἐσχάτηςὕλης ὁ Σωκράτης ἤδη ἐστίν καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων ὁμοίως

55 FredePatzig Bd 2 (wie Anm 11) 191

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 65

partikulare οὐσία dessen bezeichnet worauf sie zutreffen (im Beispielfall diepartikulare οὐσία des Sokrates) oder man versteht sie so dass sie etwas All-gemeines ein Universale bezeichnen Nun sagen hier Frede und Patzig nichtsdazu welcher der beiden Lesarten Aristoteles den Vorzug gibt oder ob er siebeide nebeneinander stehen laumlsst und fuumlr in gleicher Weise akzeptabel haumlltaber eine Seite zuvor hatten sie schon bemerkt

bdquoFerner ist zu bedenken daszlig der Mensch im allgemeinenlsquo wenn er keineousia ist uumlberhaupt nichts Reales sein kann Denn es handelt sich sichernicht um eine Qualitaumlt oder sonst ein Widerfahrnis Es kann also demMenschen im allgemeinenlsquo uumlberhaupt keine Existenz zugesprochen wer-den nicht einmal die Art von abhaumlngiger Existenz welche den Wider-fahrnissen eigen istldquo56

Frede und Patzig lassen also keine Zweifel daran dass die Lesart von Ausdruuml-cken des Typs ein Menschlsquo nach der sie ein Universale naumlmlich den Men-schen im allgemeinenlsquo bezeichnen fuumlr Aristoteles in der Metaphysik inakzep-tabel geworden ist Zwar raumlumen sie ein dass es auch der Metaphysik zufolgebdquoso etwas wie die Explikation des allgemeinen Praumldikats Menschlsquo [gibt]ldquo57Aber bereits in ihrer Einleitung machen sie deutlich dass mit dieser Explikati-on nichts Allgemeines bestimmt werde sondern die Allgemeinheit der Expli-kation lediglich in ihrer Allgemeinguumlltigkeit bestehe

bdquoWas Aristoteles im Auge hat wenn er behauptet eine Definition seiDefinition des Allgemeinen ist nicht dies daszlig es sich bei dem Gegen-stand auf den die Definition zutrifft um etwas Allgemeines handelnmuszlig Vielmehr kommt es allein darauf an daszlig die Definition allgemein-guumlltig ist d h auf alle Gegenstaumlnde einer Art zutrifftldquo58

So weit die von Frede und Patzig vorgeschlagene Interpretation Positiv istzunaumlchst zu werten dass die Auffassung die Frede und Patzig Aristoteleszuschreiben nicht im Widerspruch zu (K1) steht Denn dieser Auffassungnach bezeichnen Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in Saumltzen des Typs Sokra-tes ist ein Menschlsquo kein Universale mithin schlieszligt (K1) nicht aus dass sieein τόδε τι bezeichnen mithin ist (K1) damit vereinbar dass sie eine substanti-elle Form bezeichnen

Fragwuumlrdig ist aber ob Aristoteles in der Metaphysik wirklich die Auf-fassung vertritt dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in Saumltzen des Typs

56 Ebd 19057 Ebd 19158 M FredeG Patzig Aristoteles Metaphysik Zlsquo Text Uumlbersetzung und Kommentar Erster

Band Einleitung Text und Uumlbersetzung Muumlnchen 1988 55

66 Benedikt Strobel

Sokrates ist ein Menschlsquo kein Universale bezeichnen Die von Frede undPatzig kommentierte Stelle (Met Ζ 101035 b 27ndash31 siehe Zitat obenAnm 53) legt genau das Gegenteil nahe sie legt nahe dass Aristoteles hierdie Auffassung vertritt Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in Saumltzen des TypsSokrates ist ein Menschlsquo bezeichneten ein bdquoallgemein verstandenes Konkre-tes aus dieser Formel und dieser Materieldquo Die Vertreter der oben (2) bespro-chenen Interpretation sehen in dieser Formulierung mit Recht ein Indiz dafuumlrdass Aristoteles die Universalien die in der Kategorienschrift als Substanzenim sekundaumlren Sinnelsquo bestimmt werden auch in der Metaphysik annimmtnun jedoch so charakterisiert dass der in den Kategorien noch nicht beruumlck-sichtigten These Rechnung getragen ist dass die Einzeldinge die in den Kate-gorien als Substanzen im primaumlren Sinnelsquo bestimmt werden Konkreta ausForm und Materie sind Auch andere Stellen der Metaphysik legen dies naheetwa Met Ζ 81033 b 19ndash26 wo Aristoteles uumlber Ausdruumlcke des Typs eineKugellsquo in Saumltzen des Typs Dies ist eine Kugellsquo oder Ausdruumlcke des Typs einHauslsquo in Saumltzen des Typs Dies ist ein Hauslsquo bemerkt

bdquoGibt es nun noch irgendeine Kugel neben diesen bestimmten Kugelnoder ein Haus neben den aus Ziegelsteinen bestehenden Oder ist es nichtvielmehr so dass ein Dies von der Art erst gar nicht entstehen koumlnntewenn es so waumlre Vielmehr bezeichnen derlei Ausdruumlcke ein solches daund es handelt sich nicht um ein Dieses und um etwas Bestimmtes son-dern man macht und erzeugt aus diesem ein solches und wenn die Sacheerst einmal erzeugt ist dann ist sie ein Dieses solches Dies bestimmteGanze aber Kallias oder Sokrates entspricht dieser bestimmten ehernenKugel der Mensch und das Lebewesen hingegen entsprechen der ehernenKugel uumlberhauptldquo (Uumlbersetzung FredePatzig59)

Problematisch ist auch dass die semantische Position die Frede und PatzigAristoteles zuschreiben so wenig plausibel ist Sie impliziert dass Ausdruumlckedes Typs ein Menschlsquo in Saumltzen des Typs Sokrates ist ein Menschlsquo etwasAnderes bezeichnen als in Saumltzen des Typs Platon ist ein Menschlsquo naumlmlichin Saumltzen des ersten Typs die partikulare οὐσία des Sokrates in Saumltzen deszweiten Typs die partikulare οὐσία des Platon Sie impliziert weiter dass Aus-druumlcke des Typs ein Menschlsquo in falschen Saumltzen des Typs Fido mein Hundist ein Menschlsquo uumlberhaupt nichts bezeichnen denn die partikulare οὐσία von

59 FredePatzig Bd 1 (wie Anm 58) 87 πότερον ουν ἔστι τις σφαιρα παρα τάσδε ἢ οἰκία παρατας πλίνθους ἢ οὐδrsquo ἄν ποτε ἐγίγνετο εἰ οὕτως ην τόδε τι ἀλλα το τοιόνδε σημαίνει τόδε δὲκαὶ ὡρισμένον οὐκ ἔστιν ἀλλα ποιει καὶ γεννᾷ ἐκ τουδε τοιόνδε καὶ ὅταν γεννηθῇ ἔστι τόδετοιόνδε το δὲ ἅπαν τόδε Καλλίας ἢ Σωκράτης ἐστὶν ὥσπερ ἡ σφαιρα ἡ χαλκη ἡδί ὁ δrsquo ἄνθρωποςκαι το ζῷον ὥσπερ σφαιρα χαλκη ὅλως

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 67

Fido besteht ja nicht darin ein Mensch zu sein sondern ein Hund Sie impli-ziert weiter dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in generellen Saumltzen desTyps Ein Mensch ist ein Lebewesenlsquo ebenfalls nichts bezeichnen denn sielassen sich in Saumltzen eines solchen Typs offenkundig nicht auf irgendeinepartikulare οὐσία beziehen Es hat m E einen hohen Preis Aristoteles einesolche Theorie zuzuschreiben denn sie ist philosophisch fragwuumlrdig warumsollten Ausdruumlcke desselben Typs ndash ein Menschlsquo ndash bald das eine bald dasandere bald gar nichts bezeichnen obwohl keine Verschiedenheit des Sinnszu beobachten ist Ist die Annahme einer solchen Polysemasie nicht wenigglaubhaft

Allerdings haben Frede und Patzig fuumlr ihre Ablehnung der These dassAristoteles die Universalien die in der Kategorienschrift als Substanzen imsekundaumlren Sinnelsquo bestimmt werden in die Metaphysik uumlbernommen habeein gewichtiges Argument Aristoteles beim Wort nehmend wenn er in Meta-physik Z 13 schreibt es sei unmoumlglich dass ein Universale οὐσία sei (1038 b8 f vgl auch 1038 b 35) folgern sie

bdquoFerner ist zu bedenken dass der Mensch im allgemeinenlsquo wenn erkeine ousia ist uumlberhaupt nichts Reales sein kann Denn es handelt sichsicher nicht um eine Qualitaumlt oder sonst ein Widerfahrnis Es kann alsodem Menschen im allgemeinenlsquo uumlberhaupt keine Existenz zugesprochenwerden nicht einmal die Art von abhaumlngiger Existenz welche den Wi-derfahrnissen eigen istldquo60

Frede und Patzig setzen fuumlr ihr Argument folgende Annahmen voraus ers-tens dass der Mensch im allgemeinenlsquo laut der Metaphysik keine οὐσία istzweitens dass der Mensch im allgemeinenlsquo in Aristotelesrsquo Sicht kein Wider-fahrnis ist und drittens dass etwas um fuumlr Aristoteles real zu sein entwedereine οὐσία oder ein Widerfahrnis zu sein hat

Semantisch gewendet laumlsst sich Fredes und Patzigs Argument auch soformulieren Wenn dem oben in der Einleitung (Anm 5) zitierten Prinzipzufolge jeder einfache Ausdrucklsquo entweder eine οὐσία oder etwas der neunuumlbrigen Kategorien bezeichnet so gilt dies auch fuumlr Ausdruumlcke des Typs einMenschlsquo (denn es handelt sich hier um einfache Ausdruumlckelsquo) Wenn nunaber solche Ausdruumlcke etwas Allgemeines bezeichnen so bezeichnen sie (K1)zufolge kein τόδε τι und damit auch keine οὐσία Sie bezeichnen aber offen-kundig auch nicht irgendetwas anderes (von den neun uumlbrigen Kategorien)Also ist die Voraussetzung falsch dass solche Ausdruumlcke etwas Allgemeinesbezeichnen ndash zumindest falls das Prinzip weiterhin gelten soll dass jeder Aus-druck der sinnvollerweise an die Subjekt- oder Praumldikat-Stelle eines Satzestritt entweder eine οὐσία oder etwas der neun uumlbrigen Kategorien bezeichnet

60 FredePatzig Bd 1 (wie Anm 11) 190

68 Benedikt Strobel

Es gibt Grund zur Annahme dass Aristoteles in der Metaphysik an demPrinzip festhaumllt allerdings habe ich den Eindruck dass es eine Doktrin istdie im Rahmen der komplexen οὐσία-Untersuchung der Metaphysik ein allzuholzschnittartiger Fremdkoumlrper ist den Aristoteles nur gewaltsam zu integ-rieren vermochte Man denke nur an die Materie die sich der Einteilung ingewissen Hinsichten entzieht Sie ist fuumlr Aristoteles ohne Zweifel real sie istaber wie er in Ζ 3 begruumlndet in gewissen Hinsichten keine οὐσία (weil siezwei Kriterien fuumlr den οὐσία-Status verfehlt sie ist kein τόδε τι und sie istnicht χωριστόν vgl Ζ 31029 a 26ndash30) und sie ist sicher auch kein Wider-fahrnis

Ich denke also dass wenn man Aristoteles in dieser Sache eine Inkonsis-tenz ersparen moumlchte der Versuch dies zu tun an diesem Prinzip ansetzensollte Dagegen scheint mir die Folgerung die Frede und Patzig ziehen umAristoteles die Inkonsistenz zu ersparen mit einem zu hohen Preis erkauft zusein Denn die Auffassung dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in Saumltzendes Typs Sokrates ist ein Menschlsquo nichts Allgemeines sondern jeweils etwasPartikulares bezeichnen ist nicht nur philosophisch fragwuumlrdig ihr wirdauch von Aristoteles an verschiedenen Stellen explizit widersprochen

Nun sagt aber Aristoteles wie wir oben gesehen haben an diversen Stel-len dass die Form von der Materie praumldiziert werde und so koumlnnte man sichfragen ob Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo zwar nicht in Saumltzen des TypsSokrates ist ein Menschlsquo ndash mit Frede und Patzig als Particularia verstande-ne ndash Formen bezeichnen wohl aber in Saumltzen des Typs Dieser Haufen Fleischund Knochen ist ein Menschlsquo (Ich erinnere daran dass ich oben eine aumlhnli-che Frage mit Bezug auf die Annahme dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquoin Saumltzen des Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist ein Menschlsquo eineals Universale verstandene Form bezeichnen gestellt und dort verneint habeJetzt betrachte ich aber eine etwas andere Frage da es jetzt um eine als Parti-culare verstandene Form geht)

Eine positive Antwort auf diese Frage ist jedenfalls mit (K1) vereinbardenn unter der Annahme dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in Saumltzendes Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist ein Menschlsquo partikulareFormen bezeichnen bezeichnen sie kein Universale und somit ist es mit (K1)vereinbar dass sie ein τόδε τι bezeichnen Aber ist eine positive Antwort aufdie Frage auch mit der Praumlmisse vereinbar die Aristoteles in der Begruumlndungvon (K1) voraussetzt mit der Praumlmisse naumlmlich dass ein τόδε τι nur vonsingulaumlren Termen bezeichnet werden kann Unter dieser Praumlmisse ergaumlbesich dass in Saumltzen des Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist einMenschlsquo Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo als singulaumlre Terme zu verstehenwaumlren mit Saumltzen dieses Typs also die Identitaumlt der Materie mit der partiku-laren Form behauptet werden wuumlrde und die Behauptung dieser Identitaumltscheint jedenfalls nicht so absurd wie die Behauptung der Identitaumlt der Mate-

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 69

rie mit einer als Universale verstandenen Form (s o) Immerhin legt ja Aris-toteles in Metaphysik Η 61045 b 17ndash19 nahe dass die Materie und die Formin gewisser Weise ein und dasselbe sind die eine potentialiter die andereactualiter Andererseits setzt Aristoteles fuumlr die These dass die Form von derMaterie praumldiziert werde offenkundig beider Verschiedenheit voraus Somitist es auch unter der Annahme dass die Form ein τόδε τι aber kein Universaleist schwierig Aristoteles die Auffassung zuzuschreiben dass in Saumltzen desTyps Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist ein Menschlsquo Ausdruumlcke desTyps ein Menschlsquo substantielle Formen bezeichnen

Aber sagt Aristoteles nicht dass die Form von der Materie praumldiziertwird Und schlieszligt das nicht ein dass in Saumltzen des Typs Dieser HaufenFleisch und Knochen ist ein Menschlsquo Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo eineForm bezeichnen Ersteres gebe ich zu letzteres wuumlrde ich gerne bestreitenZum einen ist nicht klar ob Aristoteles wenn er von der Praumldikation derForm von der Materie spricht uumlberhaupt einen Beitrag zur semantischenAnalyse von Saumltzen leisten moumlchte61 und zum anderen mag er ndash wenn erdoch einen solchen Beitrag leisten moumlchte ndash eine andere semantische Relationzwischen Ausdruumlcken des Typs ein Menschlsquo und der (jeweils partikularen)Form im Sinn gehabt haben als die des Bezeichnens In der Kategorienschriftregistriert Aristoteles ndash implizit ndash neben dem Bezeichnen noch eine anderesemantische Relation zwischen generellen Termen und Entitaumlten naumlmlich diedes Konnotierens62 Ausdruumlcke des Typs schreib- und lesekundiglsquo bezeichnenin Saumltzen des Typs Sokrates ist schreib- und lesekundiglsquo zwar nicht dieSchreib- und Lesekundigkeit (denn sonst wuumlrde mit diesen Saumltzen absurder-weise gesagt dass Sokrates mit der Schreib- und Lesekundigkeit identischist) aber sie konnotieren sie insofern gilt dass Sokrates schreib- und lese-kundig genau dann ist wenn er Schreib- und Lesekundigkeit besitzt Koumlnnteman in Bezug auf Saumltze des Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist einMenschlsquo nicht analog sagen Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo bezeichnenhier zwar nicht die Form Mensch (anderenfalls wuumlrde mit diesen Saumltzen ndashwenig plausibel ndash gesagt dass dieser Haufen Fleisch und Knochen mit derForm Mensch identisch ist) konnotieren sie aber

II Paradoxe Konsequenzen der Thesedass jedes Universale τοιόνδε ist

Im vorhergehenden Teil dieses Aufsatzes habe ich versucht die Frage zu be-antworten ob einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie in der Me-

61 Vgl die skeptischen Bemerkungen bei Lewis (wie Anm 5)62 Vgl dazu Strobel (wie Anm 4)

70 Benedikt Strobel

taphysik zugeschrieben wird substantielle Formen zu bezeichnen Dabeihabe ich Gebrauch gemacht von einer bestimmten Interpretation des erstenTeils von Aristotelesrsquo These dass nichts der Dinge die gemeinsam sind einτόδε τι bezeichnet sondern τοιόνδε Diesen ersten Teil habe ich mit (K1) para-phrasiert und zu zeigen versucht welche Praumlmissen Aristoteles fuumlr die Be-gruumlndung von (K1) voraussetzt Der zweite Teil der These ndash paraphrasierbarmit bdquoJeder Ausdruck der ein Universale bezeichnet bezeichnet τοιόνδεldquo ndash istvon mir bisher nicht thematisiert worden (insofern mit gewissem Recht alser fuumlr Aristotelesrsquo Argumentation an der Β-Stelle keine Rolle spielt) Auchhabe ich mich bisher nicht mit der Frage befasst was Aristoteles hier (imRahmen der mit (K1) paraphrasierten Aussage) eigentlich unter einem Uni-versale verstanden wissen moumlchte und was unter einem Ausdruck der einUniversale bezeichnet Die Eroumlrterung dieser Fragen moumlchte ich nun im ver-bleibenden zweiten Teil nachholen zusammen mit der Betrachtung des zwei-ten Teils der aristotelischen These

Ich beginne mit der Frage was Aristoteles hier unter einem Ausdruckverstanden wissen will der ein Universale (und somit kein τόδε τι sondernτοιόνδε) bezeichnet Wie wir oben (I1) gesehen haben knuumlpft Aristoteles dieEinstufung eines Dings als ein τόδε τι an die Bedingung dass das Ding nurvon Ausdruumlcken bezeichnet werden kann die auf nicht mehr als ein Dingzutreffen koumlnnen und wie wir weiter gesehen haben hat er dabei Ausdruumlckeim Blick die wir heute als singulaumlre Termelsquo bezeichnen Als Ergaumlnzungsstuumlckzu der These dass ein τόδε τι nur von Ausdruumlcken bezeichnet werden kanndie auf nicht mehr als ein Ding zutreffen koumlnnen sind nun fuumlr das als τοιόνδεverstandene Universale zwei alternative Thesen in Betracht zu ziehen

(A) Ein Universale kann nicht nur von Ausdruumlcken bezeichnet werden dieauf nicht mehr als ein Ding zutreffen koumlnnen sondern auch von Ausdruuml-cken die auf mehr als nur ein Ding zutreffen koumlnnen

(B) Ein Universale kann nur von Ausdruumlcken bezeichnet werden die aufmehr als nur ein Ding zutreffen koumlnnen

(A) ist damit vereinbar dass ein Universale von einem Ausdruck bezeichnetwerden kann der auf nicht mehr als ein Ding zutreffen kann (B) schlieszligtdies dagegen aus

Bevor ich auf die Frage zu sprechen komme ob Aristoteles eher zu (A)oder eher zu (B) tendiert will ich zunaumlchst auf die Schwierigkeiten hinweisendie mit der einen wie mit der anderen These verbunden sind Ich nehme dafuumlrmit Aristoteles an dass unter Ausdruumlcken die auf nicht mehr als ein Dingzutreffen koumlnnen singulaumlre Terme zu verstehen sind63

63 Vgl zu den Problemen dieser Annahme allerdings oben I1

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 71

Die Schwierigkeiten von (A) Nehmen wir an Ausdruumlcke des Typs einMenschlsquo bezeichnen das Universale Mensch Ausdruumlcke dieses Typs dasUniversale Menschlsquo sind nun singulaumlre Terme und koumlnnen ndash nach dem aristo-telischen Verstaumlndnis von singulaumlren Termen ndash auf nicht mehr als ein Dingzutreffen sie koumlnnen naumlmlich nur auf das zutreffen was sie bezeichnen dasUniversale Mensch Unter der Annahme dass Ausdruumlcke des Typs einMenschlsquo das Universale Mensch bezeichnen haben wir nun einen Fall wieihn (A) fuumlr Universalien generell anzunehmen erlaubt das Universale Menschwird sowohl von Termen bezeichnet die auf nicht mehr als ein Ding zutreffenkoumlnnen (das Universale Menschlsquo) als auch von Ausdruumlcken die auf mehrals nur ein Ding zutreffen koumlnnen (ein Menschlsquo) Und was soll daran nunso schlimm sein Folgendes Die Annahme dass zwei Ausdruumlcke die dasselbebezeichnen in (von indexikalischen Ausdruumlcken freien) singulaumlr praumldikativenSaumltzen des Typs Sokrates ist ein Menschlsquo salva veritate durcheinander ersetz-bar sind scheint auf den ersten Blick plausibel zu sein64 so kann ich z BSokrateslsquo in Sokrates ist ein Menschlsquo salva veritate durch Der Sohn desSophroniskoslsquo ersetzen Der Sohn des Sophroniskos ist ein Menschlsquo DasPrinzip dass Ausdruumlcke die dasselbe bezeichnen in (von indexikalischenAusdruumlcken freien) singulaumlr praumldikativen Saumltzen des Typs Sokrates ist einMenschlsquo salva veritate durcheinander ersetzbar sind ist allerdings einer Ein-schraumlnkung unterworfen es gilt nur unter der Voraussetzung dass die Erset-zung nicht etwas Ungrammatisches zum Resultat hat wenn ich z B in Alki-biades liebt Sokrateslsquo Sokrateslsquo durch Der Sohn des Sophroniskoslsquo ersetzeergibt sich etwas Ungrammatisches und infolgedessen auch nichts Wahrheits-oder Falschheitsfaumlhiges Alkibiades liebt der Sohn des Sophroniskoslsquo DasPrinzip ist entsprechend so einzuschraumlnken Ausdruumlcke die dasselbe bezeich-nen sind in (von indexikalischen Ausdruumlcken freien) singulaumlr praumldikativenSaumltzen salva veritate durcheinander ersetzbar sofern sie salva congruitate(unter Erhaltung der grammatischen Wohlgeformtheit) ersetzbar sind Unddieses Prinzip scheint mir nun tatsaumlchlich plausibel zu sein Aber genau diesesPrinzip wird von der Annahme dass das Universale Mensch sowohl vonAusdruumlcken des Typs ein Menschlsquo als auch von Ausdruumlcken des Typs dasUniversale Menschlsquo bezeichnet wird verletzt denn wenn ich in einem wahrenSatz des Typs Sokrates ist ein Menschlsquo einen Ausdruck des Typs ein Menschlsquodurch einen Ausdruck des Typs das Universale Menschlsquo ersetze erhalte ichzwar etwas grammatisch Wohlgeformtes (Sokrates ist das UniversaleMenschlsquo) aber nichts Wahres Soviel zu den Schwierigkeiten von (A)

Die Schwierigkeiten von (B) sind noch gravierender Nehmen wir anAusdruumlcke des Typs ein Menschlsquo bezeichnen ein Universale wir duumlrften aber

64 Vgl Frege Sinn und Bedeutung (wie Anm 1) 150

72 Benedikt Strobel

um auf dieses Universale Bezug zu nehmen nur Ausdruumlcke verwenden dieauf mehr als nur ein Ding zutreffen koumlnnen und keine die auf nicht mehrals ein Ding zutreffen koumlnnen Genau das ist der Fall den (B) fuumlr Universalienvorsieht Ein sehr unangenehmer Fall Denn wir muumlssten uns aller Aussagender Form Das Universale Mensch ist so-und-solsquo enthalten wuumlrden wir dochim Rahmen solcher Aussagen zur Bezugnahme auf das Universale einen Aus-druck verwenden der auf nicht mehr als ein Ding zutreffen kann (sondernnur auf das Universale Mensch) Wir muumlssten uns also auch der Aussageenthalten dass das Universale Mensch etwas ist das nur von Ausdruumlckenbezeichnet werden kann die auf mehr als nur ein Ding zutreffen koumlnnenUnd wir duumlrften dann auch nicht mehr behaupten Das Universale Menschist ein Universalelsquo (Mancher wird sich hier an Freges Paradoxlsquo erinnert fuumlh-len diese Erinnerung werde ich spaumlter noch einmal wachrufen)

Die Schwierigkeiten die mit der Akzeptanz sowohl von (A) als auch von(B) verbunden sind lassen sich dadurch vermeiden dass man (B) ganz ver-wirft und (A) durch eine modifizierte Fassung ersetzt in der neben der se-mantischen Relation des Bezeichnens noch eine weitere semantische Relationzwischen Ausdruumlcken und Universalien beruumlcksichtigt ist naumlmlich die (be-reits oben erwaumlhnte) des Konnotierens

(A+) Ein Universale kann nicht nur von Ausdruumlcken bezeichnet werden dieauf nicht mehr als ein Ding zutreffen koumlnnen sondern auch von Aus-druumlcken konnotiert werden die auf mehr als nur ein Ding zutreffenkoumlnnen65

Mit (A+) im Gepaumlck kann man sagen dass das Universale Mensch von Aus-druumlcken des Typs das Universale Menschlsquo bezeichnet wird jedoch von Aus-druumlcken des Typs ein Menschlsquo (nicht bezeichnet sondern) konnotiert wird(A+) verletzt nun ndash anders als (A) ndash nicht das Prinzip dass Ausdruumlcke diedasselbe bezeichnen in singulaumlr praumldikativen Saumltzen wie Sokrates ist einMenschlsquo salva veritate durcheinander ersetzbar sind sofern sie salva congrui-tate (unter Erhaltung der grammatischen Wohlgeformtheit) ersetzbar sind

Wie aber sieht Aristoteles die Sache An anderer Stelle habe ich argumen-tiert dass ihm die Unterscheidung zwischen den Relationen des Bezeichnensund des Konnotierens ndash der Sache wenn auch nicht der Terminologie nach ndashnicht fremd ist In der Kategorienschrift ist die Unterscheidung implizit vo-rausgesetzt66 Dennoch bin ich geneigt ihm nicht These (A+) und auch nicht

65 Dieser Loumlsungsvorschlag ist in der Sache wie auch terminologisch angelehnt an den beiKuumlnne (wie Anm 5) 334ndash336 Vgl auch W Kuumlnne Die Philosophische Logik GottlobFreges Ein Kommentar Frankfurt am Main 2010 227ndash235

66 Vgl Strobel (wie Anm 4)

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 73

These (A) sondern These (B) zuzuschreiben Mein Hauptgrund dafuumlr ist sei-ne Charakterisierung des Universale als τοιόνδε

Die Charakterisierung des Universale als τοιόνδε ist nicht so zu verstehenals wuumlrden Universalien nur auf eine der zehn Arten der Praumldikation (γένητῶν κατηγοριῶν Top I 9103 b 20ndash2167) ausgesagt naumlmlich auf die dergemaumlszligetwas als so-und-so-beschaffen (ποιόν τοιόνδε) charakterisiert wird Dennerstens bemerkt Aristoteles in Soph el 22178 b 37 τὸ γὰρ ἄνθρωπος καὶἅπαν τὸ κοινὸν οὐ τόδε τι ἀλλὰ τοιόνδε τι ἢ ποσὸν ἢ πρός τι ἢ τῶν τοιούτων τισημαίνει und diese Bemerkung impliziert dass Universalien gemaumlszlig allen zehnArten der Praumldikation ausgesagt werden Und zweitens schraumlnkt er die in denKategorien formulierte These dass Ausdruumlcke des Typs bdquoἄνθρωποςldquo oder desTyps bdquoζῷονldquo also Ausdruumlcke die ein Substanz-Universale bezeichnen ποιόντι σημαίνει dahingehend ein dass sie οὐχ ἁπλῶς ποιόν τι σημαίνει ὥσπερ τὸλευκόν sondern ποιάν τινα οὐσίαν (Cat 53 b 18ndash21) Es liegt an der besonde-ren Verwendung der Pronomina bdquoτοιόνδεldquo bzw bdquoποιόν τιldquo die es erlaubtnicht nur von Beschaffenheits-Adjektiven sondern z B auch von Termen derersten Kategorie wie bdquoἄνθρωποςldquo oder bdquoζῷονldquo zu sagen sie bezeichneten einτοιόνδεldquo bzw bdquoποιόν τιldquo Denn die Pronomina bdquoτοιόνδεldquo und bdquoποιόν τιldquo las-sen sich anders als z B ποσόν als Pronomina fuumlr beliebige generelle Termeverwenden z B auch fuumlr generelle Terme des Typs bdquoἄνθρωποςldquo und bdquoζῷονldquo

Freilich ist fuumlr meine These dass Aristoteles mit der Charakterisierungdes Universale als τοιόνδε Position (B) voraussetzt eine andere Beobachtungentscheidend ndash naumlmlich die dass bdquoτοιόνδεldquo und bdquoποιόν τιldquo als Pronomina nursolche Ausdruumlcke zu vertreten geeignet sind die auf mehrere Dinge zutreffenkoumlnnen bdquoτοιόνδεldquo und bdquoποιόν τιldquo sind dagegen nicht geeignet als PronominaAusdruumlcke zu vertreten die nicht auf mehrere Dinge zutreffen koumlnnen Sokann ich z B nicht bdquoΣωκράτηςldquo in bdquoΣωκράτης ἄνθρωπός ἐστινldquo durch bdquoτο-ιόνδεldquo vertreten lassen und auch nicht bdquoὁ ἥλιοςldquo in bdquoὁ ἥλιος αἴτιος τῆς γενέ-σεωςldquo Daher scheint sich mir Aristoteles mit der These dass ein Universalekein τόδε τι sondern ein τοιόνδε ist auf (B) festzulegen

Daraus ergeben sich zugleich folgende Antworten auf die eingangs ge-stellten Fragen (i) was Aristoteles in (K1) unter einem Universale verstandenwissen will und (ii) was unter einem Ausdruck der ein Universale bezeichnetDie Antwort auf (i) lautet etwas das nur von Ausdruumlcken bezeichnet werdenkann die auf mehrere Dinge zutreffen koumlnnen die Antwort auf (ii) einenAusdruck der auf mehrere Dinge zutreffen kann

Im ersten Teil hatte ich festgestellt dass Aristotelesrsquo in der Begruumlndungvon (K1) vorausgesetzte Annahme ein τόδε τι koumlnne nur von singulaumlren Ter-

67 Vgl zur Stelle M Frede Categories in Aristotle in Ders Essays in Ancient PhilosophyOxford 1987 29ndash48 hier 32 ff

74 Benedikt Strobel

men bezeichnet werden (= [P1]) eine direkte Parallele bei Frege hat ZumAbschluss dieses zweiten Teils moumlchte ich zeigen dass auch Aristotelesrsquo Fest-legung auf (B) eine direkte Parallele bei Frege hat Die Parallele besteht darindass Aristoteles den Universalien mit (B) etwas zuschreibt das dem aumlhnlichist was Frege den Begriffen zuschreibt wenn er ihnen eine bdquopraumldikative Na-turldquo zuschreibt und dass sich Aristoteles mit dieser Zuschreibung ein aumlhnli-ches Problem einhandelt wie Frege ndash naumlmlich das Problem auf das ich bereitsoben bei der Besprechung von (B) hingewiesen habe

In dem Aufsatz bdquoUumlber Begriff und Gegenstandldquo einer Antwort auf sei-nen Kritiker Benno Kerry in der Frege die These verteidigt die EigenschaftenBegriff zu sein und Gegenstand zu sein schloumlssen einander aus insistiert Fregeauf der bdquopraumldikativen Natur des Begriffesldquo68 Gleich zu Beginn seiner Erwide-rung auf Kerrys Einwaumlnde stellt er fest bdquoDer Begriff ndash wie ich das Wortverstehe ndash ist praumldikativldquo69 Was mit dieser Feststellung gemeint ist erlaumluterter in einer kurzen Fuszlignote bdquoEr [sc der Begriff] ist naumlmlich Bedeutung einesgrammatischen Praumldikatsldquo70 D h wenn ein grammatisches Praumldikat etwasbedeutet dann bedeutet es einen Begriff

Frege versteht hier unter Bedeutunglsquo nicht das was man normalerweiseunter Bedeutunglsquo versteht naumlmlich den linguistisch feststellbaren Sinn einesAusdrucks Vielmehr versteht er unter der Bedeutung eines Ausdrucks daswas der Ausdruck bezeichnet seine Referenz Und unter einem grammati-schen Praumldikatlsquo versteht er hier auch nicht das was man uumlblicherweise untereinem grammatischen Praumldikatlsquo versteht In Saumltzen des Typs Romeo liebtJulialsquo fungieren Ausdruumlcke des Typs Romeolsquo als grammatische SubjekteAusdruumlcke des Typs Julialsquo als grammatische Objekte und Ausdruumlcke desTyps liebtlsquo als grammatische Praumldikate aber Ausdruumlcke des Typs liebtlsquo be-zeichnen laut Frege in solchen Saumltzen keinen Begriff (sondern eine Bezie-hung) in Saumltzen des Typs Der Morgenstern ist nichts anderes als die Venuslsquobezeichnen laut Frege71 Ausdruumlcke des Typs nichts anderes als die Venuslsquoeinen Begriff fungieren aber schwerlich als grammatisches Praumldikat Fregescheint unter einem grammatischen Praumldikatlsquo hier (eher) das verstehen zuwollen was uumlbrigbleibt wenn wir von einem Satz (oder Teil-Satz) dessengrammatisches Subjekt abziehen

Freges These dass der Begriff Bedeutung eines grammatischen Praumldikatsist impliziert nicht dass ein Begriff nur von einem ndash so verstandenen ndash gram-matischen Praumldikat bezeichnet werden kann aber sie impliziert dass jeder

68 Frege Begriff und Gegenstand (wie Anm 34) 17469 Ebd 16870 Ebd 168 Anm 171 Vgl ebd 169

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 75

Begriff faumlhig ist von einem grammatischen Praumldikat bezeichnet zu werdenZwei Beispiele zeigen dies (i) Fuumlr Frege bezeichnen in Saumltzen des Typs Ro-meo liebt Julialsquo Ausdruumlcke des Typs Romeo liebtlsquo einen Begriff Ausdruumlckedieses Typs sind nun aber nicht das was von Saumltzen des Typs Romeo liebtJulialsquo uumlbrigbleibt wenn man das grammatische Subjekt abzieht (was dannuumlbrigbleibt sind Ausdruumlcke des Typs liebt Julialsquo) und somit keine grammati-schen Praumldikate aber der Begriff der von Ausdruumlcken des Typs Romeo liebtlsquobezeichnet wird kann auch von einem grammatischen Praumldikat bezeichnetwerden naumlmlich von einem Ausdruck des Typs wird von Romeo geliebtlsquo(ii) Fuumlr Frege bezeichnen in Saumltzen des Typs Alle Saumlugetiere haben rotesBlutlsquo72 Ausdruumlcke des Typs Saumlugetierelsquo einen Begriff Ausdruumlcke des TypsSaumlugetierelsquo sind nun nicht das was von Saumltzen des Typs Alle Saumlugetierehaben rotes Blutlsquo uumlbrigbleibt wenn man jeweils das grammatische Subjektabzieht (was dann uumlbrigbleibt sind Ausdruumlcke des Typs haben rotes Blutlsquo)aber der Begriff der von Ausdruumlcken des Typs Saumlugetierelsquo in Saumltzen des TypsAlle Saumlugetiere haben rotes Blutlsquo bezeichnet wird kann auch von einem (imeben erlaumluterten Sinne) grammatischen Praumldikat bezeichnet werden naumlmlichvon ist ein Saumlugetierlsquo in Saumltzen des Typs Wenn etwas ein Saumlugetier ist hates rotes Blutlsquo

Fuumlr Frege ist nun darin dass der Begriff Bedeutung eines grammatischenPraumldikats ist eingeschlossen dass er kein Gegenstand ist denn ein Gegen-stand kann nur von singulaumlren Termen bezeichnet werden und singulaumlreTerme koumlnnen niemals als grammatisches Praumldikat fungieren wiewohl sieTeil eines solchen sein koumlnnen73

Frege geht aber noch einen Schritt weiter Er sagt nicht nur dass Gegen-staumlnde nur von singulaumlren Termen bezeichnet werden koumlnnen er meint auchdass singulaumlre Terme nur Gegenstaumlnde bezeichnen koumlnnen Nimmt man nundas vorhin gewonnene Resultat hinzu dass Begriffe keine Gegenstaumlnde sindergibt sich dass Begriffe nicht von singulaumlren Termen bezeichnet werdenkoumlnnen Und daher fuumlhlt sich Frege gezwungen anzuerkennen dass Ausdruuml-cke des Typs Der Begriff Pferdlsquo keinen Begriff bezeichnen und zu behauptenbdquoDer Begriff Pferd ist kein Begriffldquo74

Frege will damit nicht ausschlieszligen dass etwas von einem Begriff ausge-sagt werden koumlnne aber bdquoauch da wo etwas von ihm ausgesagt wirdldquo sagtFrege bdquoverhaumllt sich der Begriff wesentlich praumldikativldquo75 Frege hat dabeiquantifizierte Saumltze der Form Es gibt einen Menschenlsquo oder Alle Saumlugetiere

72 Vgl ebd 17173 Ebd 169 und 17474 Ebd 17075 Ebd 174

76 Benedikt Strobel

haben rotes Blutlsquo im Auge Warum verhaumllt sich der Begriff auch hier wesent-lich praumldikativ Weil die entsprechenden Saumltze sinnwahrend in Saumltze uumlber-setzt werden koumlnnen in denen der Begriff von grammatischen Praumldikatenbezeichnet wird Es gibt etwas das ein Mensch istlsquo Wenn etwas ein Saumluge-tier ist hat es rotes Blutlsquo

Diese Feststellung erlaubt es nun Freges Rede von der praumldikativen Na-tur des Begriffs folgendermaszligen zu explizieren Der Begriff hat eine praumldika-tive Natur weil fuumlr jeden Satz von dem einige seiner Elemente Begriffe be-zeichnen gilt entweder sind alle in ihm enthaltene Begriffsbezeichnungengrammatische Praumldikate oder er laumlsst sich sinnwahrend in einen Satz uumlberset-zen fuumlr den gilt dass alle in ihm enthaltene Begriffsbezeichnungen als gram-matische Praumldikate fungieren

Um nun zu Aristoteles zuruumlckzukehren Frege spricht von grammatischenPraumldikaten Aristoteles von Ausdruumlcken die auf mehrere Dinge zutreffenkoumlnnen Hier liegt ein wichtiger Unterschied Denn nicht alle grammatischenPraumldikate sind Ausdruumlcke die auf mehrere Dinge zutreffen koumlnnen (Fregeselbst weist darauf hin am Beispiel von nichts anderes als die Venuslsquo76) zu-dem versteht Aristoteles unter Ausdruumlcken die auf mehrere Dinge zutreffenkoumlnnen nicht grammatische Praumldikate der Form ist ein Menschlsquo sonderngenerelle Terme der Form ein Menschlsquo (allerdings nimmt es Frege hier selbstnicht so genau siehe wiederum sein Beispiel nichts anderes als die Venuslsquo)Ein weiterer Unterschied Frege spricht nicht davon dass Begriffe nur vongrammatischen Praumldikaten bezeichnet werden koumlnnen sondern davon dassfuumlr jeden Satz der Begriffsbezeichner enthaumllt gilt dass alle seine Begriffsbe-zeichner grammatische Praumldikate sind oder er sich in Saumltze des ersten Typssinnwahrend uumlbersetzen laumlsst Aristoteles legt hingegen nahe dass Universali-en nur von Ausdruumlcken die auf mehrere Dinge zutreffen koumlnnen bezeichnetwerden koumlnnen

Aber diese Unterschiede sollten nicht folgende wichtige Gemeinsamkeitverkennen lassen Frege legt sich (explizit) auf die Auffassung fest dass Be-griffe nicht von singulaumlren Termen bezeichnet werden koumlnnen und Aristote-les legt sich (implizit durch die Charakterisierung des Universale als τοιόνδε)auf die Auffassung fest dass Universalien nicht von singulaumlren Termen be-zeichnet werden koumlnnen

Waumlhrend sich Frege uumlber die Schwierigkeiten dieser Auffassung Rech-nung gibt finden wir bei Aristoteles keine aumlhnlichen Reflexionen Und manwird ohne Zweifel Stellen in seinem Werk finden an denen er ndash unvermeidli-cherweise ndash doch mit singulaumlren Termen auf Universalien Bezug nimmt Aberdies zeigt nicht dass er sich mit der Charakterisierung des Universale als

76 Ebd 169

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 77

τοιόνδε nicht auf die Auffassung festlegt die ich ihm zugeschrieben habe Eszeigt nur dass es sehr schwer ist diese Auffassung zu haben ohne sich inSchwierigkeiten zu verwickeln77

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77 Dieser Aufsatz ist aus verschiedenen Vorgaumlngerversionen hervorgegangen von denen icheine der fruumlheren bei der Tagung bdquoDie Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter ndash Rezeptionund Transformationldquo im Oktober 2011 und eine der spaumlteren im Kolloquium zur antikenPhilosophie an der Universitaumlt Bonn im April 2012 vortragen konnte Gerhard Krieger giltmein Dank fuumlr die Einladung mit einem Vortrag an der Tagung mitzuwirken ChristophHorn fuumlr die Einladung in das Bonner Kolloquium Weiter moumlchte ich Sebastian Gaumlb AnnaSchriefl und Simon Weber fuumlr hilfreiche Bemerkungen danken

78 Benedikt Strobel

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Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzender Metaphysik

Tiana Koutzarova

Mit der Uumlbertragung bedeutender Teile des Kitāb aš-šifāʾ (Buch der Gene-sung) etwa 100 Jahre nach dem Tode Ibn Sīnās (428 AH1037 n Chr) insLateinische haumllt Avicenna ins Abendland Einzug Sein Ansatz bei der Beant-wortung der grundlegenden philosophischen Frage nach dem Seienden (al-mawgūd) weist dabei eine in mehrfacher Hinsicht herausragende Wirkungs-geschichte auf Er markiert naumlmlich nichts Geringeres als die kritische Neube-gruumlndung der aristotelischen Ersten Philosophie als einer an den Kriteriender Zweiten Analytiken gemessenen Wissenschaft und erweist sich zudem inzwei unabhaumlngig voneinander sich entwickelnden Rationalitaumltstraditionenals aumluszligerst einflussreich Neben Albertus Magnus Thomas von Aquin Hein-rich von Gent oder auch Duns Scotus diskutieren naumlmlich Autoren wie z BFahr ad-Dīn ar-Rāzī (gest 6061209) Aṯīr ad-Dīn al-Abharī (gest 6631264) Nagm ad-Dīn al-Kātibī (gest 6751276) Nasīr ad-Dīn at-Tūsī (geb5971201 minus gest 6721273) ʿAdud ad-Dīn al-Īgī (geb um 7001300 minus gest7561355) Saʿd ad-Dīn at-Taftāzānī (7221322 -7931390) as-Sayyid aš-Šarīf al-Gurgānī (7401339ndash8161413) Galāl ad-Dīn ad-Dawānī (8301427ndash9081502ndash3) al-Maybuḏī (gest 9091503ndash4) al-Qūšgī (gest 8791474)Sadr ad-Dīn aš-Šīrāzī (gest 10501640) und Muḥammad Mahdīy b ʾAbīḎarr an-Narāqī (gest 12091794) dieselben von Avicenna zum ersten Malerschlossenen oder zumindest explizit eingefuumlhrten Fragen wie etwa die nachdem ersten Objekt der Erkenntnis (bayyin bi-nafsihī primum cognitum) odernach der Unterscheidung von Sein (wugūd esse) und Wesen (māhīyah essen-tia) etc

Avicennas Kritik an der aristotelischen Metaphysik betrifft ihren episte-mologischen Status Diesen in aller Klarheit herausgearbeitet zu haben undso die Disziplin der Ersten Philosophie zum zweiten mal begruumlndet zu habenhat schon manchen Forscher dazu veranlasst ihn den bdquozweiten Andronikosldquozu nennen1

1 Vgl A Bertolacci The Reception of Aristotlersquos Metaphysics in Avicennarsquos Kitāb al-Sifāʾ AMilestone of Western Metaphysical Thought (Islamic Philosophy Theology and ScienceBd 63) Leiden 2006 480

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Als 1988 D Gutasrsquo Werk Avicenna and the Aristotelian Tradition er-schien konnte man nicht ahnen daszlig es zu einer bedeutenden Wende in derHaltung gegenuumlber der arabischen Philosophie auch auszligerhalb der Arabis-tenkreise oder gar zu einem Sprung in der ihr gewidmeten Forschung in derwestlichen Welt fuumlhren wuumlrde Doch genau das ist eingetreten wie es ZahlQualitaumlt und das beinahe zeitgleiche Erscheinen der seitdem entstandenenArbeiten eindruumlcklich bezeugen Im besonderen Maszlige gilt dies fuumlr die Erfor-schung der avicennischen Ilāhīyāt (Metaphysik) des Kitāb aš-šifāʾ2 Auchwenn die unter der Leitung von I Madkūr zwischen 1952 und 1983 in Kairoerschienene Edition dieses gewaltigen Werkes sicherlich nicht als eine ausrei-chend kritische angesehen werden kann ndash eine solche und zwar des gesamtenKorpus des Avicenna einschlieszliglich vieler bislang unbekannter Schriften wirdzur Zeit in Iran vorbereitet ndash so erlaubt der heutiger Forschungstand zumin-dest differenziertere Fragestellungen Im Folgenden moumlchte ich einige zentraleVeraumlnderungen des Konzepts Avicennas gegenuumlber der aristotelischen Meta-physik skizzieren und sie anschlieszligend im Hinblick auf ihre Moumlglichkeitsbe-dingungen und in bestimmter Hinsicht neu entstehenden Problemen kritischhinterfragen

I Was ist Metaphysik

Verstand Aristoteles die Erste Philosophie als Wissenschaft vom allgemeinenSeienden (Met Γ 1 Ontologie) dessen ausgezeichnete Bedeutung die derSubstanz ist (Met Γ 2) so fuumlhrt die Untersuchung des Seienden als solchenkonsequenterweise zur Analyse der Substanz (Met Ζ Η Θ Ousiologie) an

2 Neben zahlreichen Artikeln und neuen Uumlbersetzungen ndash genannt sei hier nur die englischevon M E Marmura (Avicenna The Metaphysics of The Healing A parallel English-ArabicText Translated [Islamic Translation Series Al-Hikma] Introduced and Annotated by ME Marmura Provo [Utah] 2005) ndash sind auch die folgenden sich ausnahmslos auf diearabischen Originalquellen stuumltzenden Monographien erschienen R Wisnovsky AvicennarsquosMetaphysics in Context Ithaca 2003 Bertolacci Reception of Aristotlersquos Metaphysics (wieAnm 1) T Koutzarova Das Transzendentale bei Ibn Sīnā Zur Metaphysik als Wissen-schaft erster Begriffs- und Urteilsprinzipien (Islamic Philosophy Theology and ScienceBd 79) Leiden 2009 O Lizzini Fluxus (fayd) Indagine sui fondamenti della metafisica edella fisica di Avicenna Bari 2011 Zum Uumlberblick uumlber die Uumlbersetzungen und Forschungs-literatur zur Avicennas Metaphysik vgl J Janssens An Annotated Bibliography on IbnSīnā Leuven 1991 und das sich daran anschlieszligende First Supplement Louvain-la-Neuve1999 sowie A Bertolacci Arabic and Islamic Metaphysics in E N Zalta (Hrsg) TheStanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2012 Edition) Stanford 2012 Erwaumlhnenswertin diesem Zusammenhang ist auch D N HasseA Bertolacci (Hrsg) The Arabic Hebrewand Latin Reception of Avicennarsquos Metaphysics BerlinndashBoston 2012

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deren Anschluss jedoch erneut ein Uumlbergang folgt ein Uumlbergang naumlmlich zueinem bestimmten Seienden das die Prinzipien der Substanz uneingeschraumlnktverwirklicht und darum als Inbegriff von Substantialitaumlt begriffen wird (MetΛ Theologie) Analog koumlnnte man das avicennische Programm wie folgt zu-sammenfassen Beginnend mit einer Neuerung gegenuumlber der Metaphysik desAristoteles naumlmlich mit einer Kritik der Erkenntnis zur Ermoumlglichung einerErsten Philosophie (Kritik) gewinnt Avicenna einen solchen Begriff des Sei-enden dessen Erkenntnis die Erkenntnis eines Anderes nicht nur nicht be-darf sondern diese uumlberhaupt erstlich bedingt (Prinzip aller begrifflichen undvermittels derer auch Urteilserkenntnis) Da dieser Begriff des Seienden soallgemein ist dass er gegenuumlber extramentaler und ausschlieszliglich denkabhaumln-giger Existenz indifferent ist ermoumlglicht er im Rahmen dieser Kritik die Klauml-rung des ontologischen Status der Gegenstaumlnde der Logik3 womit die Meta-physik ndash auch wenn nur vermittels der Kritik und nicht ihrem Subjekt nach ndashdie aristotelische Forderung nach einer houmlchsten Wissenschaft erfuumlllt die of-fengebliebene Fragen hinsichtlich der Gegenstaumlnde aller anderen Disziplinenklaumlrt Als Subjekt (mawḍūʿ) der Metaphysik kann dieser Begriff jedoch nurin der eingeschraumlnkten Bedeutung von bdquoetwas dem es nicht widersprichtdenkunabhaumlngige Realitaumlt zu habenldquo fungieren (Subjektsbestimmung) Diezweiten Intentionen werden somit ebenso wie bdquoChimaumlreldquo oder bdquoBockhirschldquoaus dem Gegenstandsbereich der Ersten Philosophie ausgeschlossen Ausge-hend von einem solch inhaltsarmen erstlich erkannten und nur noch vomschlechthin Nichtseienden abgrenzbaren Begriff wie dem des Seienden alssolchen kann man zur erweiterten Erkenntnis der so-und-so bestimmten Sei-enden nur dann gelangen wenn gezeigt werden kann in welcher Weise dieje-nigen Bestimmungen die das allgemeine Seiende als erste einzuteilen vermouml-gen erfaszligt werden koumlnnen Avicennas Loumlsung hierbei ist revolutionaumlr bdquoNot-wendigldquo und bdquomoumlglichldquo sind nicht nur wesentliche Eigenschaften desSeienden als solchen sondern dass es so ist ist eine Erkenntnis a prioriDamit schlaumlgt er einen gegenuumlber der aristotelischen Vorlage neuen Weg derExplikation des Seienden jenseits von Substanz und Akzidens naumlmlich dender modalen Bestimmung ein Alles Seiende ist entweder ein durch sich selbstextramental Bestehendes oder ein solches dem durch sich selbst weder realeExistenz noch Nichtexistenz widersprechen (modale Explikation) Der Got-

3 Vgl Ibn Sīnā Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt hrsg v G Anawati Saʿīd Zāyid mit Einl vonIbrāhīm Madkūr Kairo al-Hayʾah al-ʿāmmah li-šuʾūn al-matābiʿ al-ʾamīrīyah 1960 I 21017ndash112 (= Avicenna Latinus Liber de philosophia prima sive scientia divina IndashIV Eacutedi-tion critique de la traduction latine meacutedieacutevale par Simone van Riet introdution doctrinalepar G Verbeke LouvainndashLeiden 1977 I 2 1072ndash77) zur engl Uumlbersetzung vgl AvicennaThe Metaphysics of The Healing (wie Anm 2) 722ndash27 Dazu vgl Bertolacci Reception ofAristotlersquos Metaphysics (wie Anm 1) 272 ff und Koutzarova (wie Anm 2) 139 ff

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tesbeweis der im Rahmen der modalen Explikation durchgefuumlhrt wird stellteine weitere Veraumlnderung gegenuumlber der aristotelischen Metaphysik die jaden unbewegten Beweger der Physik (VIII 5) voraussetzt dar Schlieszliglichgeht die avicennische Erste Philosophie zur Explikation bestimmterer Seien-der uumlber und betrachtet sowohl das Moumlglich- wie auch das Notwendigseien-de das sich als Inbegriff an Seiendheit erweist (Theologie)

Auch wenn dieser Uumlberlick aumluszligerst knapp ist so durfte er verdeutlichthaben dass der Schluumlssel zum Verstaumlndnis des avicennischen Konzepts in dererwaumlhnten Kritik zu suchen ist Darum wende ich mich zunaumlchst ihr zu umdann in einem zweiten Schritt einige Probleme im Hinblick auf Methode undGrenzen der neuen Konzeption anzusprechen

II Kritik

Der eigentliche Ort der Kritik ist Buch I der insgesamt zehn Buumlcher umfassen-den ʾIlāhīyāt (Metaphysik) des Kitāb aš-šifāʾ Fuumlhrt man sich allerdings vorAugen dass diese gewaltige summa als eine zusammenhaumlngende Einheit ent-worfen worden ist4 so darf es auch nicht uumlberraschen dass sich Elementeder Kritik auch in anderen Disziplinen wie z B im Madḫal (Isagoge) al-Maqūlāt (Kategorien) oder auch und insbesondere im wissenschaftstheoreti-schen Buch Burhān (Zweite Analytik)5 des Buchs der Genesung finden Hin-weise darauf kann man aber auch auszligerhalb des Werkes ausfindig machenetwa in der beruumlhmten und so oft zitierten biographischen Notiz des Avicen-na oder in Spaumltwerken wie at-Taʿlīqāt (Anmerkungen) Ich fasse nun einigeder vielfaumlltigen und ihrer Natur nach heterogenen Hinweise zusammen

ndash An der houmlchsten Wissenschaft angekommen stoumlszligt Avicenna auf groszlige Ver-staumlndnisschwierigkeiten6 deren Uumlberwindung er explizit der Hilfe al-Fārā-bīs verdankt7

4 Vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 41ndash495 Worauf Avicenna auch selbst hinweist vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 1 51ndash3 (= Liber

de philosophia prima I 1 335ndash37 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing[wie Anm 2] 234ndash37)

6 Vgl The Life of Ibn Sīnā (Studies in Islamic Philosophy and Science) A Critical Editionand Annotated Translation by W E Gohlman New York 1974 321ndash344 Zur englischenUumlbers vgl D Gutas Avicenna and the Aristotelian Tradition Introduction to ReadingAvicennarsquos Philosophical Work (Islamic Philosophy Theology and Science Texts and Stu-dies Vol IV) LeidenndashNew York 1988 8 und Bertolacci Reception of Aristotlersquos Metaphy-sics (wie Anm 1) 44 zur deutschen Uumlbers vgl Koutzarova (wie Anm 2) 13 f

7 Es handelt sich dabei um das Traktat Fī ʾaġrāḍ kitāb mā baʿd aṭ-ṭabīʿah (Uumlber die Zieleder Metaphysik) Zur Edition vgl F H Dieterici (Hrsg) Alfārābīrsquos philosophische Ab-handlungen aus Londoner Leidener und Berliner Handschriften Leiden 1890 [ND Institu-

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ndash Bereits im Madḫal (Isagoge) weist Avicenna auf seine eigene Systematisie-rungen in der Metaphysik des Kitāb aš-šifāʾ hin8

ndash Der epistemologische Status der Prinzipien der Metaphysik kann ndash so wirdschon im Burhān (Zweite Analytik) festgehalten ndash nur noch als bdquodurchsich selbst bekannteldquo (bayyinah bi-nafsihā) aufgefaszligt werden9

ndash Die Notwendigkeit erkenntnisapriorischer Urteile aber auch Begriffe wirdebenfalls im Burhān (Zweite Analytik) behauptet10

ndash Subjekt (mawḍūʿ) der houmlchsten Wissenschaft kann nur ein solches seindessen Gemeinsamkeit (ʿ umūm) sich auf alle Subjekte der uumlbrigen Wissen-schaften erstreckt ein hier im Burhān (Zweite Analytik) nur angenomme-nes Prinzip alles verursachten Seienden kann als eben solches nicht Subjekteiner partikularen Wissenschaft sein da es aber weder Allgemeines (kullī)noch allen anderen Seienden Gemeinsames (ʿ āmm) ist kann es nur Teilnicht aber Subjekt der houmlchsten Wissenschaft sein11

ndash Der aristotelische Gottesbeweis aus Physik (VIII 5)12 behauptet ausschlieszlig-lich ein Prinzip der Bewegung nicht aber des Seins13

te for the History of Arabic-Islamic Science at the Johann Wolfgang Goethe University(Publications of the Institute for the History of Arabic-Islamic Science Islamic PhilosophyBd 12) Frankfurt am Main 1999 34ndash38] zur Uumlbersetzung und ausfuumlhrliche Interpretationvgl Gutas (wie Anm 6) 238ndash254 Bertolacci Reception of Aristotlersquos Metaphysics (wieAnm 1) 65ndash103 und Koutzarova (wie Anm 2) 17ndash38

8 Vgl Ibn Sīnā Kitāb aš-šifāʾ al-Manṭiq I al-Madḫal (Isagoge) hrsg v G Anawati M al-Hudayrī ʾA F al-ʾAhwānī mit Einl von Ibrāhīm Madkūr Kairo 1952 I 1 917ndash104zitiert nach Koutzarova (wie Anm 2) 44 bdquoAlles Schaumltzenswerte das sich in den Buumlchernder Alten findet haben wir in diesem Buch angefuumlhrt Wenn etwas nicht an seinem uumlblichenOrt aufzufinden ist so befindet es sich an einer anderen Stelle die ich fuumlr angemessenerhalte Dem habe ich hinzugefuumlgt was ich selbst erkannt und durch eigene Untersuchunggewonnen habe insbesondere in der Physik der Metaphysik und der Logikldquo

9 Vgl Ibn Sīnā Kitāb aš-šifāʾ al-Manṭiq V al-Burhān (Zweite Analytik) hrsg v ʾAbū l-ʿAlāʾ ʿAfīfī mit Einl von Ibrāhīm Madkūr Kairo 1956 II 10 1843ndash7

10 Vgl Ibn Sīnā Kitāb aš-šifāʾ al-Burhān (wie Anm 9) I 6 771ndash511 Vgl ebd II 7 1653ndash10 Vgl dazu Bertolacci Reception of Aristotlersquos Metaphysics (wie

Anm 1) 119 Anm 23 und Koutzarova (wie Anm 2) 121 ff12 Einen aumlhnlichen Beweis eines unbewegten Bewegers fuumlhrt Avicenna selbst in der Physik

Vgl Kitāb aš-šifāʾ aṭ-Tabīʿīyāt (Physik) I as-Samāʿ aṭ-ṭabīʿī (Physikvorlesung) hrsg vonSaʿīd Zāyid mit Einl von Ibrāhīm Madkūr Kairo 1983 IV 15 329ndash333 Vgl dazu J McGinnes Avicenna (Great Medieval Thinkers) Oxford 2010 151

13 Vgl Ibn Sīnā Šarḥ kitāb ḥarf al-lām in ʿAbdar-RaḥmānBadawī (Hrsg) ʾAristūʿ ind al-ʿarab dirāsah wa-nusūs ġayr manšūrah (dirāsātʾislāmīyah Bd 5) 2al-Kuwayt 1978 2321ndash24 zitiert nach Koutzarova (wie Anm 2) 390 bdquoEr [Avicenna] tadelt Aristoteles und dieKommentatoren mit folgenden Worten Es ist schaumlndlich zum ersten Wirklichen (al-ḥaqqul-ʾawwalu [Gott]) auf dem Weg der Bewegung und dadurch dass Er Prinzip der Bewegungist zu gelangen und es ist vergebliche Muumlhe davon ausgehend es [d h das Prinzip derBewegung] zum Prinzip der Substanzen zu machen Denn diese Leute haben nichts mehrerbracht als den Erweis dass Er Beweger ist nicht aber dass Er Prinzip des Seienden istWie denn auch Wie kann die Bewegung der Weg sein um den Einen und Wahren der

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ndash Die Alten sind der Auffassung dass es keine Seinskontingenz sondern nurSeinsnotwendigkeit gibt14

Es ergeben sich mehrere Themenkomplexe die im Hinblick auf die Konzepti-on der Metaphysik als Wissenschaft und zwar als erste und houmlchste in einemZusammenhang und damit in eine bestimmte Ordnung gebracht werdenmuumlssen was Avicenna auch im Buch I von ʾIlāhīyāt (Metaphysik) tut Dieimmer wieder aufgeworfene Schwierigkeit im Zusammenhang mit der ErstenPhilosophie betrifft ihren Gegenstand ndash ist es das Seiende als Seiendes oderGott oder die letzten Ursachen oder das von der Materie Abgetrennte ndash unddie Antwort darauf bestimmt nicht nur das jeweilige Konzept von Metaphy-sik sondern auch die Verschiebung vieler Fragen aus den partikularen Wis-senschaften wie z B der Physik (etwa die Seele und ihr Verhaumlltnis zum Koumlr-per) in die Erste Philosophie Vor allem aber haumlngt von der Antwort daraufwas Subjekt der Metaphysik ist ab ob entsprechend der jeweils zugrundege-legten Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie von einem metaphysischen Wis-sen oder von Metaphysik als Wissenschaft gesprochen werden kann Da nunAvicenna in einer Tradition steht die die Bedeutung der Analytica posteriorades Aristoteles rasch erkannt hat15 und er auch selbst nicht nur eine solcheSchrift (al-Burhān) verfasst sondern ein gewaltiges Projekt der Darstellungaller theoretischen Wissenschaften und der Logik vollendet (Kitāb aš-šifāʾ)hat so ist seine bdquoZweite Analytikldquo nicht nur Teil des Kitāb aš-šifāʾ sondernnichts Geringeres als die wissenschaftstheoretische Grundlage des gesamtenWerkes16 Dass also auch die Erste Philosophie an dieser Wissenschaftstheoriegemessen werden muss wuszligte Avicenna nicht erst als er bei der letzten Dis-ziplin des Kitāb aš-šifāʾ angekommen war

Prinzip allen Seins ist zu er weisenlsquoldquo Ist aber der Beweis der Physik in seiner Aussagekrafteingeschraumlnkt so kann er doch aus didaktischen Gruumlnden sogar von Nutzen sein Vgl dazuauch Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 1 73ndash6 (= Liber de philosophia prima I 1 591ndash697[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 428ndash34) Uumlbersvon mir bdquoWas dir davon [d h von der Existenz Gottes] bereits im Zuumlge der Physik aufge-schienen ist ist ihr fremd und wurde obwohl es nicht zu ihr gehoumlrt in ihr verwendet Dennes wurde damit beabsichtigt eine gewisse Kenntnis von der Existenz des ersten Prinzipsvorweg zu nehmen damit der starke Wunsch entstehe die Wissenschaften zu erwerben undeben dorthin zu gelangen wo man dies in Wirklichkeit erkennen kannldquo

14 Vgl Ibn Sīnā at-Taʿlīqāt (Anmerkungen) hrsg v ʿAbdar-ar-Raḥmān Badawī (al-Makta-bah al-ʿArabīyah 130) Kairo 13921973 2920

15 Vgl dazu D Black bdquoFarabı ii Logicldquo in E Yarshater (Hrsg) Encyclopaedia IranicaVol IX Fasc 2 New York 1999 213ndash16 und M Maroacuteth Die Araber amp die antikeWissenschaftstheorie (Islamic Philosophy Theology and Science Texts and Studies VolXVII) Uumlbers aus dem Ungar von J Till und G Kerekes LeidenndashNew York 1994 73ndash171

16 Vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 44ndash49

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 87

Weder die Existenz Gottes noch die der letzten Ursachen der Dinge koumln-nen als bekannt vorausgesetzt werden und duumlrfen gemaumlszlig der Wissenschafts-theorie17 allein schon deshalb nicht als Subjekt der Ersten Philosophie aufge-fasst werden Sollte aber uumlberhaupt nach Gott und den letzten Ursachen ge-fragt werden so nur in der Metaphysik so dass beide notwendig den Statuseines bdquoGesuchtenldquo (maṭlūb) erfahren18 Wissenschaftstheoretisch bedeutetdas dass die zunaumlchst nur hypothetisch angenommenen letzten Ursachen derDinge und Gott in einem ganz bestimmten Verhaumlltnis zum Subjekt dieserWissenschaft stehen muumlssen so dass im Zuge seiner Explikation der Weg zusolch bdquoGesuchtemldquo uumlberhaupt gelegt werden kann Das Problem der Gegen-standsbestimmung der Metaphysik ist damit zwar nicht geloumlst seine Aus-gangsvoraussetzung hat sich aber wesentlich veraumlndert zwei der insgesamtdrei urspruumlnglich als moumlgliches Subjekt (mawḍūʿ) angenommenen Kandida-ten haben diesen Status verloren muumlssen aber sollte ihr Existenzerweis uumlber-haupt moumlglich sein zu den wie auch immer gearteten Teile des Subjekts ge-rechnet werden

Der Ausweis des Seienden als Seienden (al-mawgūd min ḥayṯu huwamawgūd) als Subjekt der Ersten Philosophie ist vielschichtig und koumlnnte wiefolgt zusammengefasst werdenndash Das Seiende als solches weist eine maximale Gemeinsamkeit (ʿumūm) auf

die sich sowohl auf Substanz und Akzidens als auch auf disjunktive trans-kategoriale Bestimmungen wie Notwendigkeit und Moumlglichkeit Akt undPotenz erstreckt19 waumlhrend Substanz und Akzidens wissenschaftstheore-tisch als die washeitlich uumlberhaupt erst bestimmten bdquoAls-ob-Artenldquo desSubjekts verstanden werden20 kann den disjunktiven Bestimmungen nur

17 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-Burhān (wie Anm 9) II 10 184718 Vgl ders al-ʾIlāhīyāt I 1 516ndash818 (= Liber de philosophia prima I 1 458ndash839 [wie

Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 320ndash617) Zu denentsprechenden Argumenten und Interpretationen vgl Bertolacci Reception of AristotlersquosMetaphysics (wie Anm 1) 116 ff und Koutzarova (wie Anm 2) 125ndash137

19 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 2 1211ndash1319 (= Liber de philosophia prima I 2 1211ndash1346 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 99ndash1016)Zur Analyse vgl Bertolacci Reception of Aristotlersquos Metaphysics (wie Anm 1) 121 ff undKoutzarova (wie Anm 2) 138ndash173

20 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 2 1314ndash16 (= Liber de philosophia prima I 2 1338ndash41[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 107ndash11) zitiertnach Koutzarova (wie Anm 2) 167 bdquoEinige von diesen Bestimmungen verhalten sich ihm[d h dem Begriff des Seienden] gegenuumlber so als ob sie Arten waumlren wie die Substanz dieQuantitaumlt und die Qualitaumlt Denn um in diese eingeteilt zu werden bedarf das sbquoSeiendelsquokeiner voraufgehenden Einteilung wie die Substanz Einteilungen benoumltigt ehe sie insbquoMenschlsquo und sbquoNicht-Menschlsquo geteilt werden kannldquo

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noch der Status von eigentuumlmlichen Eigenschaften (ʿ awāriḍu ḫāssah) desSeienden als solchen eingeraumlumt werden21

ndash Eine aumlquivoke Gemeinsamkeit waumlre aber Scheingemeinsamkeit und wuumlrdedaher keine Subjektgattung begruumlnden koumlnnen Deshalb verteidigt Avicen-na die Einheit des bdquoSeiendenldquo im Hinblick sowohl auf seine bdquoAls-ob-Teileldquoals auch seine Eigenschaften Die Verhaumlltnisart des bdquoSeiendenldquo beidem ge-genuumlber bestimmt er in al-Maqūlāt (Kategorien) I 2 als taškīk22 die demaristotelischen πρὸς ἕν zwar aumlhnlich mit ihm aber nicht identisch ist23

bdquoSeiendesldquo (das was Bestand haben kann) ist nach Avicenna demnach einsolcher gemeinsamer und fruumlherer Begriff der die einzelnen washeitlichoder modal bestimmten Seienden nur unexplizit erfaszligt da er dem jeweili-gen Grad an Seiendheit Substanz Qualitaumlt Quantitaumlt etc bzw Kontin-genz und Notwendigkeit gegenuumlber indifferent ist24

ndash Schlieszliglich gilt es und das ist der Kernpunkt der Kritik von ʾIlāhīyāt (Me-taphysik) des Kitāb aš-šifāʾ ebenfalls aus wissenschaftstheoretischenGruumlnden die Aprioritaumlt des bdquoSeiendenldquo zu verteidigen bdquoSeiendesldquo wirddabei (ʾ Ilāhīyāt I 5) in seinen beiden Hinsichten dem Was-es-ist (šayʾDingal-wugūdu l-ḫāssdas eigentuumlmliche Sein) und dem Dass-es-ist (al-wugūdul-ʾiṯbātīdas allgemeine Sein)25 als bdquodas was extramental Existenz haben

21 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 2 1316ndash19 (= Liber de philosophia prima I 2 1342ndash46[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 1011ndash16) zitiertnach Koutzarova (wie Anm 2) 169 bdquoEinige davon sind [d h verhalten sich zum sbquoSeiendenlsquo]sbquowie eigentuumlmliche Eigenschaftenlsquo wie das sbquoEinelsquo und das sbquoVielelsquo sbquoAktlsquo und sbquoPotenzlsquo dassbquoUniversalelsquo und das sbquoPartikularelsquo das sbquoMoumlglichelsquo und das sbquoNotwendigelsquo Denn um dieseEigenschaften aufzunehmen und um fuumlr sie aufnahmefaumlhig zu sein bedarf das sbquoSeiendelsquoweder als physisches noch als mathematisches noch als ethisches noch als etwas anderesspezifiziert zu werdenldquo

22 Zur Uumlbersetzung vgl Koutzarova (wie Anm 2) 214ndash21823 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-Manṭiq II al-Maqūlāt (Kategorien) hrsg v Ibrāhīm Madkūr Kairo

1954 I 2 115ndash7 Vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 227 ff24 Zur Taškīk-Gemeinsamkeit des Seienden als solchen gegenuumlber den washeitlich bestimmten

Seienden vgl Kitāb aš-šifāʾ al-Manṭiq II al-Maqūlāt (Kategorien) I 2 1013ndash16 zu denTextstellen die auch das Taškīk-Verhaumlltnis zu den modal bestimmten Seienden belegen vglKoutzarova (wie Anm 2) 289ndash302

25 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 315ndash9 (= Liber de philosophia prima I 5 3454ndash3561[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 2416ndash24) zitiertnach Koutzarova (wie Anm 2) 315 bdquoDas Dinglsquo und das was seinen Platz einnimmt [d hdessen Aumlquivalente als sprachliche Zeichen] koumlnnen in allen Sprachen als Zeichen fuumlr eineandere Bedeutung verwendet werden denn [es verhaumllt sich ja so] Eine jede Sache (ʾ amr)hat ihr Wesen (ḥaqīqah) kraft dessen sie das ist was sie ist So besteht das Wesen desDreiecks darin Dreieck zu sein das Wesen der Weiszlige darin Weiszlige zu sein Und dieses istdas was wir das sbquoeigentuumlmliche Seinlsquo (al-wugūdu l-ḫāss) nennen sollten wobei wir damitnicht das sbquobehauptbare Dass-Seinlsquo (al-wugūdu l-ʾiṯbātī) meinen Denn mit dem sprachlichenAusdruck (lafz) sbquoSeinlsquo (al-wugūd) werden mehrere begriffliche Strukturen (al-maʿānī) be-zeichnet von welchen eine die des Wesens (al-ḥaqīqah) ist durch das das Ding das ist was

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kannldquo expliziert welches dann als bdquonotwendigldquo oder bdquokontingentldquo weiterbestimmt werden kann Dies erreicht Avicenna dadurch dass er zunaumlchstdie auf der vorpraumldikativen Ebene a priori unterschiedenen HinsichtenDing (aš-šayʾ) und Bestand-haben (wugūdu l-ʾiṯbātī) zusammen mit denModi notwendig (aḍ-ḍarūrīy) kontingent (al-mumkin) und unmoumlglich (al-mumtaniʿ) als Moumlglichkeitsbedingungen jedweder begrifflicher Erkenntnis(tasawwur) einfuumlhrt Da der Erweis ihrer Aprioritaumlt nicht erst Ergebniseiner Rechtfertigung sein kann beschreitet Avicenna den Weg einer trans-zendentalen Reflexion auf die Prinzipien aller begrifflichen Erkenntnis imModus eines bloszligen bdquoAufmerkam-Machensldquo (at-tanbīh)26

ndash In einem zweiten Schritt gilt es dann aber den Zusammenhang zwischenden eingefuumlhrten ersten Begriffen zu verdeutlichen Hierfuumlr schlaumlgt Avicen-na die Verknuumlpfung von Ding (aš-šayʾ) und Bestand-haben (wugūdu l-ʾiṯbātī) in der Form eines Aussagesatzes vor bdquoEin Wesen ist entweder imKonkreten oder in der Seele oder schlechthin (muṭlaq) ndash was beide [vorher

es ist (allatīʿalayhā š-šayʾu) so als ob das wodurch das Ding das ist was es ist [d h seinWesen] sein eigentuumlmliches Sein waumlreldquo

26 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 295ndash16 (= Liber de philosophia prima I 5 312ndash3219[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 2219ndash237) zitiertnach Koutzarova (wie Anm 2) 310 f bdquoWir sagen nun Die begrifflichen Strukturen (al-maʿānī) des Seienden (al-mawgūd) des Dinges (aš-šayʾ) und des Notwendigen (aḍ-ḍarūrī)praumlgen sich erstlich in der Seele (an-nafs) ein Diese Einpraumlgung ist nicht derart dass sie derHeranziehung von etwas Bekannterem als sie [d h als die Begriffe des Seienden des Dingesund des Notwendigen] beduumlrfen wuumlrde Denn wie es im Bereich des Urteilens (at-tasdīq)erste Prinzipien gibt die auf Grund ihrer selbst fuumlr wahr gehalten werden und die der Grundfuumlr das Urteilen uumlber anderes sind so dass wenn der auf diese [Prinzipien] hinweisendesprachliche Ausdruck (al-lafz) einem nicht einfaumlllt oder nicht verstanden wird das Fort-schreiten zu der Erkenntnis dessen was durch diese [Prinzipien] [als guumlltig] erkannt wird(yuʿrafu bi-hā) nicht moumlglich sein wird ndash dabei versucht die Bekanntmachung (at-taʿrīf)das Ins-Bewuszligtsein-Rufen dieser [Prinzipien] oder das Verstaumlndlich-Machen derjenigensprachlichen Ausdruumlcke durch die diese [Prinzipien] bezeichnet werden nicht um der Mit-teilung von Wissen willen welches [dem Menschen] gemaumlszlig seiner natuumlrlichen Verfassung(al-ġarīzah) nicht [ohnehin schon] praumlsent waumlre sondern [lediglich] um darauf aufmerksamzu machen was der Sprecher intendiert moumlglicherweise geschieht dies durch etwas was ansich (fī nafsihā) weniger bekannt (ʾ aḫfā) ist als dasjenige dessen Bekanntmachung erstrebtwird was jedoch aus irgendeinem Grunde und wegen eines [allgemein verbreiteten] Sprach-gebrauchs bekannter geworden ist ndash ebenso gibt es im Bereich des begrifflich Erfassbaren(at-tasawwurāt) Bestimmungen (ʾ ašyāʾ) welche Prinzipien des begrifflichen Erfassens (at-tasawwur) sind und durch sich selbst begriffen werden (mutasawwaratun li-ḏawātihā)Wuumlrde man auf diese hinweisen wollen waumlre dies in Wirklichkeit kein Erlaumlutern einesUnbekannten sondern ein Aufmerksam-Machen und ein Zum-Einfallen-Bringen durch einWort (ism) oder ein Zeichen (ʿalāmah) welche vielleicht an sich weniger bekannt als jenes[zu Erlaumluternde] sind es jedoch aus irgendeinem Grunde und dank irgendeines Umstandesdeutlicher (ʾ azhar) bezeichnenldquo

90 Tiana Koutzarova

genannten Seinsweisen] erfaszligt ndash seiendldquo27 Die bdquoWissenserweiterungldquo (ʾ ifā-dah) dieser Verknuumlpfung ist aber keine reale und laumlsst sich daher nur dannverstehen wenn die beiden Begriffe ausschlieszliglich formal logisch betrach-tet werden Wie schon al-Fārābī in aller Deutlichkeit zeigte ist bdquoSeiend-seinldquo kein reales Praumldikat denn es fuumlgt dem jeweiligen Subjekt nichts hin-zu28 Bei dem Vorschlag Avicennas handelt es sich ebenfalls keineswegs umeine reale Praumldikation der Form S ist P sondern nur um ein Experimentbei dem auf die Bedingung fuumlr eine reale Eigenschaftsexplikation eines Snaumlmlich das Gegeben-Sein von bdquoS istldquo als eine radikal von der Begriffslogikunterschiedene Ebene aufmerksam gemacht wird Das bdquoS istldquo ist abernichts anderes als jener Begriff des Seienden den Avicenna bereits als Sub-jekt der Metaphysik bestimmt hat Er meint bdquoetwas was eine extramentaleWirklichkeit haben kannldquo weswegen sich die fuumlr den Verstand a prioriunterschiedenen Gehalte bdquoSeiend-seinldquo (Dass-es-ist) und bdquoDingldquo (Was-es-ist) nur als dessen zwei voneinander nicht trennbare Hinsichten (mutalāzi-mān) zeigen koumlnnen29

ndash Fuumlr die Metaphysik ergibt sich damit notwendigerweise die Einschraumlnkungdes Umfangs der einzelnen Hinsichten bdquoChimaumlreldquo bdquoBockhirschldquo oderselbst das bdquoNichtsldquo das bdquoschlechthin Nichtseiendeldquo (al-maʿdūmu ʿalā l-ʾiṭlāqi) moumlgen als Gedachtes bestehen oder eine Washeit haben koumlnnenaber weder unter das bdquoWas-es-istldquo noch das bdquoDass-es-istldquo als die genann-ten Hinsichten fallen30 Bei den zahlreichen Diskussionen sowohl in derpost-avicennischen Tradition als auch in der heutigen Forschung31 mussalso bedacht werden dass es sich bei der Frage danach welchem der bei-den Erstheit zukaumlme um eine Frage ausschlieszliglich der formal-logischenEbene handelt auf die in al-ʾIlāhīyāt (Metaphysik) I 5 des Kitāb aš-šifāʾ

27 Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 3112ndash13 (= Liber de philosophia prima I 5 3566ndash67 [wieAnm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 2429ndash31) zitiert nachKoutzarova (wie Anm 2) 316

28 al-Fārābī Risālah li-l-muʿallim aṯ-ṯānī fī gawāb masāʾil suʾila ʿanhā in F H Dieterici(Hrsg) Alfārābīrsquos philosophische Abhandlungen Leiden 1890 84ndash103 hier 90 Zur Uumlber-setzung vgl F H Dieterici Alfārābīrsquos philosophische Abhandlungen Leiden 1892 148ndash149 N Rescher Studies in the History of Arabic Logic Pittsburgh 1963 40 ff sowie auchvon F A Shehadi Metaphysics in Islamic Philosophy (Studies in Islamic Philosophy andScience) DelmarndashNew York 1982 56 Koutzarova (wie Anm 2) 206 f

29 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 3110ndash325 und 341ndash10 (= Liber de philosophia primaI 5 3562ndash3683 und 3823ndash3939 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Heal-ing [wie Anm 2] 2425ndash2514 und 2631ndash2716)

30 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 326ndash3311 (= Liber de philosophia prima I 5 3684ndash3814 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 2515ndash2617)

31 Vgl z B die Ausfuumlhrungen in Wisnovsky Avicennarsquos Metaphysics in Context (wie Anm 2)161ndash180

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 91

Avicenna selbst unmissverstaumlndlich eine Antwort gibt bdquoDingldquo (Was-es-ist)und bdquoBestand-habenldquo (Dass-es-ist) sind zwei gleichurspruumlngliche und fuumlrden Verstand nicht nur unterscheidbare sondern voraufgehend zum jegli-chen Erkenntnisakt und darum a priori unterschiedene Gehalte32

ndash Welcher Zusammenhang besteht aber zwischen dem Subjekt der Metaphy-sik und den modalen Begriffen Die ebenfalls auf der formalen Ebene alsApriori begrifflicher Erkenntnis (tasawwur) eingefuumlhrten ModalitaumltenbdquoNotwendigkeitldquo bdquoMoumlglichkeitldquo (Kontingenz) und bdquoUnmoumlglichkeitldquo koumln-nen ja als solche gar nichts und also auch keine der uumlbrigen mit diesemStatus vorgestellten Begriffe explizieren33 Das gilt selbstverstaumlndlich auchumgekehrt eine formal-logische Betrachtungsweise vom bdquoWas-es-istldquo alsbdquoWas-es-istldquo und dem bdquoDaszlig-es-istldquo als bdquoDaszlig-es-istldquo schlieszligt ja an sich jedeExplikation aus Die beruumlhmten avicennischen Beispiele wie etwa bdquoPferd-heitldquo (al-farasīyahequinitas) zeigen ja eindruumlcklich dass ein derart Be-trachtetes weder ein Denkunabhaumlngiges noch ein mentales Seiendes wederEines noch Vieles ist34 Ein solches ist naumlmlich uumlberhaupt kein ontologischVermoumlgendes Nur ein ontologisch Vermoumlgendes aber und zwar im Ver-haumlltnis zu seiner Aktualitaumlt kann uumlberhaupt weiter bestimmt werden An-dererseits kann das was bdquonotwendigldquo und bdquokontingentldquo als Modi unselb-staumlndiger Existenz schlechthin voraussetzen und daher erstlich explizierennicht schon der Zusammenhang zwischen einem Subjekt und seinem Praumldi-kat (S ist P) sein sondern allein jenes bdquoSeiendeldquo (S ist) das Bedingungeiner Eigenschaftsexplikation uumlberhaupt ist35 Dass es sich hierbei um dasSubjekt der Metaphysik handelt zu dessen eigentuumlmlichen Eigenschaften(ʿawāriḍu ḫāssah) die beiden Modi gerechnet werden hat Avicenna ja anfruumlherer Stelle gezeigt36

ndash Die Bedingung fuumlr eine modale Aufteilung des bdquoSeiendenldquo ist eine zweifa-che in formaler Hinsicht besteht sie in der logisch-semantischen fuumlr denVerstand a priori gegebenen Unterscheidung zwischen den beiden Hinsich-ten auf das transzendentale gegenuumlber jeglicher Bestimmung noch gaumlnzlichindifferente bdquoSeiendeldquo (das was extramental Existenz haben kann) naumlm-

32 Vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 339ndash34633 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 353ndash366 (= Liber de philosophia prima I 5 4054ndash

4182 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 2732ndash2832) Vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 362ndash373

34 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt V 1 19610ndash13 (= Liber de philosophia prima V 1 22832ndash22938 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 14921ndash27)

35 Vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 373ndash38036 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 2 1316ndash19 (= Liber de philosophia prima I 2 1342ndash46

[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 1011ndash16)

92 Tiana Koutzarova

lich bdquodas Was-ldquo und bdquoDass-Seinldquo Erst hierbei kann uumlberhaupt von einerfuumlr den Verstand unterscheidbaren bdquoZweiheitldquo gesprochen werden derenBeziehung dann anhand des Kriteriums der bdquoAn-sichldquo-Inhaumlrenz als bdquonot-wendigldquo bzw bdquobeilaumlufigldquo (ʿaraḍī akzidentell kontingent) disjunktiv be-stimmbar waumlre Soll aber etwas das von sich selbst her keine Wirklichkeithat als ein im Unterschied zum Ersten Seienden (Gott) auf eine auszligerhalbseiner selbst liegende Ursache notwendig Angewiesenes (muḥtāgBeduumlrfti-ges) begriffen werden so muss auch eine andere Bedingung erfuumlllt werdenes darf naumlmlich keineswegs ausschlieszliglich in seiner Washeitsbestimmungbetrachtet werden sondern insofern es extramentale Aktualitaumlt habenkann Sein Wirklichkeitsmodus kann daher im Unterschied zu dem desErsten Seienden (Gott) vom Verstand als eine Zusammensetzung von We-senheit (Was-es-ist) und Sein (Dass-es-ist) nach dem Schema von Kontin-genz durch sich selbst und Notwendigkeit durch ein anderes erfasst wer-den ohne damit eine reale Verschiedenheit von Wesenheit und Sein imaktualen Seienden zu behaupten37

Mit all den genannten Schritten die fuumlr die Klaumlrung des epistemologischenStatus der Metaphysik einerseits und fuumlr die Moumlglichkeit der Durchfuumlhrungeiner nun in dieser Weise konzipierten Wissenschaft andererseits notwendigsind vollendet Avicenna seine Kritik Diese selbst erweist sich dabei als einerster und zugleich im houmlchsten Grade konstitutiver Bestandteil der ErstenPhilosophie als Wissenschaft Denn der aristotelische Wissenschaftsbegriffverpflichtet nicht nur zur Pruumlfung ihrer Moumlglichkeit sondern bestimmt auchden systematischen Ort fuumlr solch eine Pruumlfung Eine Reflexion uumlber ersteBegriffs- und Urteilsprinzipien kann darum nur Sache der Metaphysik sein

III Methode und Grenzen der Metaphysik Avicennas

Waumlhrend nun die Subjektsbestimmung als Ausweis aller von den ZweitenAnalytiken geforderten Merkmale viele der beruumlhmten Thesen Avicennas ndashwie die Aprioritaumlt und Einheit des bdquoSeiendenldquo sowie die transzendentaleRechtfertigung beider ndash geradezu erzwingt wirft die faktische Durchfuumlhrungeiner so konzipierten Ersten Philosophie viele Fragen auf insbesondere imHinblick auf ihre Methode und Grenzen denen ich mich im Folgenden zu-wende

37 Das wird eindruumlcklich gezeigt in Avicenna Šarḥ laquoKitābʾuṯūlūgīyāraquo al-mansūbʾilāʾArisṭūin Abd ar-Raḥmān Badawī (wie Anm 13) 35ndash74 hier 6018ndash19 6116ndash22 Vgl dazuKoutzarova (wie Anm 2) 277ndash288 373 ff

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 93

1 Wie verfaumlhrt eine uns moumlgliche Metaphysik

Der von Avicenna erhobene Anspruch an die von ihm in der oben eroumlrtertenWeise konzipierte Metaphysik lautet

bdquoDu solltest wissen daszlig es in Wirklichkeit einen Weg gibt um als Ziel(al-ġaraḍ) dieser Wissenschaft den Erweis [der Existenz] eines Prinzipszu setzen allerdings nur nachdem [zuvor] ein anderes gewusst wird (ʾ illābaʿda ʿilmin āḫara) Denn es wird dir im Folgenden ein Hinweis daraufdeutlich werden daszlig es uns moumlglich ist auf die Existenz des ersten Prin-zips [Gott] nicht von den sinneswahrnehmbaren Dingen sondern vonden ersten allgemeinen Verstandespraumlmissen zu schlieszligen die [einerseits]dazu zwingen daszlig das Seiende ein notwendigseiendes Prinzip hat unddie [andererseits] ausschlieszligen daszlig dieses ein in irgendeiner Weise Veraumln-derliches oder sich Vervielfaumlltigendes ist und die ferner erzwingen daszligdieses [Prinzip] Prinzip von allem sein soll und daszlig alles durch es [d hdurch dieses Prinzip] in der Ordnung des Ganzen notwendig wird AufGrund der Schwaumlche unserer Seelen [d h der Begrenztheit des menschli-chen Verstandes] vermoumlgen wir jedoch den Weg des Beweises der ja vonden Prinzipien zu den durch diese Prinzipiierten und von der Ursachezum Verursachten fuumlhrt nicht zu beschreiten Wir koumlnnen [auf diesemWege] lediglich einige Grundzuumlge der [kausal durch das Verhaumlltnis vonUrsache und Wirkung bestimmten] Ordnung der Seienden (marātibul-mawgūdāti) nicht jedoch die Einzelheiten [dieser Ordnung] erken-nenldquo38

Was die uumlblicherweise vorgetragene Interpretation des Zusatzes des erstenSatzes ndash ʾillā baʿda ʿilmin āḫara ndash von der von mir vorgeschlagenen unter-scheidet39 ist der Blickwinkel Verstehen die uumlbrigen Uumlbersetzungen darunter

38 Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 3 211ndash8

(= Liber de philosophia prima I 3 2329ndash2441 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysicsof The Healing [wie Anm 2] 1617ndash31) zitiert nach Koutzarova (wie Anm 2) 391 f

39 Die lateinische Uumlbersetzung (Liber de philosophia prima I 3 2329ndash2441 [wie Anm 3])verzeichnet hier nisi postquam probatum fuerit in alia scientia Marmuras (Avicenna TheMetaphysics of The Healing [wie Anm 2] 1618ndash19) bdquowithout [requiring first] anotherscienceldquo Bertolacci Reception of Aristotlersquos Metaphysics (wie Anm 1) 129 Anm 46 bdquolsquothegoalrsquo (al-ġaraḍ) of metaphysics is described as lsquoa determination [of reality] that does notbegin after another sciencersquoldquo

94 Tiana Koutzarova

bdquoohne dass hierfuumlr eine andere Wissenschaft vorauszusetzen waumlreldquo so leseich statt dessen bdquoallerdings nur nachdem [zuvor] ein anderes gewusst wirdldquoSie haben das Verhaumlltnis zwischen der Zielsetzung der Metaphysik und denanderen Wissenschaften im Blick ich hingegen das Verhaumlltnis zwischen derin al-ʾIlāhīyāt I 5 vorgetragenen Kritik und der Setzung des Ziels der ErstenPhilosophie Sachlich koumlnnte der Unterschied minimal erscheinen denn dieerwaumlhnte Zielsetzung der Gottesbeweis darf nach der expliziten Eroumlrterungder Wissenschaftstheorie im Burhān II 7 (Zweite Analytik)40 tatsaumlchlich keinin anderen Wissenschaften gewonnenes Wissen voraussetzen Doch heiszligt dasnicht dass der Gottesbeweis und damit die Erkenntnis eines besonderenSeienden keine Voraussetzungen uumlberhaupt hat Waumlre dem so waumlre eine derSubjektsetzung und der faktischen Durchfuumlhrung der Metaphysik voraufge-hende Kritik uumlberfluumlssig Auch wenn diese Kritik Bedingungen unserer Er-kenntnis eines Seienden uumlberhaupt betrifft und daher nur im Modus desbdquoAufmerksam-Machensldquo (tanbīh) moumlglich ist so liefert sie nichts Geringeresals die Fundierung einer uns moumlglichen Ersten Philosophie mithin also auchdie Begruumlndung dafuumlr dass das goumlttliche Seiende kein Subjekt (mawḍūʿ) son-dern nur im Zuge der Explikation des Subjekts erreichbares Ziel (maṭlūb)sein kann Das Verhaumlltnis zwischen dem auf Grund dieser Kritik erhobenenAnspruch einer metaphysischen Gotteserkenntnis und dem faktischen Wegden Avicenna dorthin beschreitet ist recht komplex und kann in diesem Rah-men adaumlquat wohl kaum erlaumlutert werden Hier wende ich mich wie schonangekuumlndigt nur der Methode der avicennischen Metaphysik zu

Der zitierte Text aus al-ʾIlāhīyāt I 3 zeigt deutlich dass die Metaphysikdie Avicenna intendiert zweifach abgegrenzt wird weder setzt sie den Got-tesbeweis der Physik voraus so dass sie dann jenes besondere Seiende dasals unbewegter Beweger erwiesen worden ist zum Gegenstand haumltte nochkann sie dem Ideal der Wissenschaftstheorie folgen und deduktiv verfahrenDer Grund hierfuumlr ist aber ausschlieszliglich die bdquoSchwaumlche unserer Seelenldquodenn selbst wenn die Existenz des ersten Seienden (Gott) als ein von derPhysik Bewiesenes angesehen werden koumlnnte muumlsste eine Metaphysik dieGott zum Subjekt hat auch sein bdquoeigentuumlmliches Seinldquo sein Wesenswas dis-tinkt erfaszligt haben Dieser Text ist nicht nur Teil der Kritik sondern bleibtihrem Geiste auch treu denn er verdeutlicht dass es bei dem Unternehmender Ersten Philosophie nicht um eine Metaphysik an sich sondern nur umeine uns moumlgliche gehen kann die aber gerade deswegen deduktiv nicht vor-gehen kann

40 Vgl dazu oben die Anm 11

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 95

2 Die Grenzen der uns moumlglichen Metaphysik

Es ist also klar dass die Methode der Metaphysik ganz und gar von denGrenzen unserer Erkenntnis abhaumlngig ist so dass zu fragen ist wo diese nachAvicenna zu ziehen sind Auskunft daruumlber findet man an einer meines Wis-sens kaum beachteten Stelle aus dem Spaumltwerk at-Taʿlīqāt

bdquoDas Wesen der Dinge ist dem Menschen nicht zugaumlnglich wir erkennennur die propria (al-ḫawāss) die notwendigen Attribute (al-lawāzim) unddie Akzidentien (al-aʿrāḍ) der Dinge Wir kennen nicht fuumlr ein jeglichesDing die es konstituierende differentia specifica welche auf sein Wesenverweist So erkennen wir weder das Wesen des Ersten noch des Intel-lekts noch der Seele noch der Sphaumlre noch des Feuers noch der Luftnoch des Wassers noch der Erde Ebenso wenig erkennen wir das Wesender Akzidentien Beispiel hierfuumlr ist es dass wir das Wesen von Substanznicht erkennen vielmehr erkennen wir etwas mit dieser Eigentuumlmlich-keit naumlmlich sbquonicht in einem Zugrundeliegenden seinlsquo was jedoch nichtsein Wesen istldquo41

An anderen Stellen derselben Schrift heiszligt es

bdquoDa nun der Mensch die Wesenheiten der Dinge insbesondere der einfa-chen (al-basāʾiṭ) nicht zu erkennen vermag wohl aber Attribute oderProprien [der Wesen] und das Erste [Seiende d h Gott] das einfachste(ʾ absaṭu) aller Dinge ist besteht hierbei das Maximum (al-ġāyah) des fuumlrden Menschen Erkennbaren in dem Attribut sbquoNotwendigkeit des Seinslsquo(wugūbu l-wugūdi) denn dies ist das eigentuumlmlichste seiner Attribute(ʾ aḫassu lawāzimihī)ldquo42

bdquoUnd desgleichen erkennen wir das Wesen des Ersten nicht Was wir aberin Bezug auf es [d h das erste Seiende] zu erkennen vermoumlgen ist sbquodassihm das Sein notwendig istlsquo oder eben sbquodass es das ist dem das Seinnotwendig istlsquo Und dies [sbquodass ihm das Sein notwendig istlsquo] ist freilichnicht sein Wesen sondern eines seiner Attribute Vermittels dieses Attri-

41 Ibn Sīnā at-Taʿlīqāt (wie Anm 14) 3417ndash22

42 Ebd 9ndash11

96 Tiana Koutzarova

butes erkennen wir dann andere Attribute wie die Einzigkeit und dieuumlbrigen Eigenschaftenldquo43

Die bekannte These Avicennas dass uns die Erkenntnis des goumlttlichen Wesensverwehrt bleibt wird zwar angesichts der zitierten Stellen nicht im geringstenerschuumlttert Was aber dadurch ganz und gar erschuumlttert scheint ist der episte-mische Optimismus der uns bekannten Werke Avicennas hinsichtlich unseresZugangs zu den Wesenheiten der Dinge dieser Welt Sind sie uns epistemischvollkommen unzugaumlnglich so muss der Anspruch die Dinge an sich erken-nen zu koumlnnen gaumlnzlich aufgehoben werden Dies hieszlige aber dass die Exten-sion eines solchen Philosophieverstaumlndnisses eingeschraumlnkt werden muumlssteauf die Dinge insofern sie erkannt werden Dafuumlr scheint die folgende Stelleaus al-Madḫal (Isagoge) zu sprechen

bdquoWollen wir uumlber die [realen] Dinge nachdenken und sie erkennen sokommen wir nicht umhin ihnen [d h den Dingen] Eingang in in dasDenken (tasawwur) zu gewaumlhren wodurch ihnen dann notwendig Merk-male zukommen werden die [dem Sein] im Denken (tasawwur) [eigen-tuumlmlich] sind Auf die Betrachtung der Merkmale die ihnen im Denkenzukommen sind wir aber notwendig insbesondere dann angewiesenwenn wir das Ziel verfolgen ausgehend vom Bekannten Unbekanntesdurch Uumlberlegen zu erfassenldquo44

All dies mutet doch seltsam kantisch an und fuumlhrt unvermeidlich zu der Fra-ge warum Avicenna angesichts dieses moumlglicherweise erst spaumlt gewonnenenVerstaumlndnisses seine bis dahin unkritisch durchgefuumlhrte und der realistischenAuffassung verpflichtete Philosophie die sich nicht nur auf Seiendes im Den-ken (al-mawgūdu fī l-ʿaqli) sondern auch auf das von seinem Gedacht- undErkanntwerden unabhaumlngige reale Seiende an sich erstreckt nicht revidiertWie sind also die angefuumlhrten Stellen zu deuten

Zur Gewinnung einer Antwort versuche ich diejenigen Grundlinien deravicennischen Metaphysik festzuhalten die ich fuumlr nicht bezweifelbar halte

1 Die Kritik in al-ʾIlāhīyāt I gruumlndet in einer transzendentalen nicht-empiri-schen Erhebung apriorischer Begriffe und Urteile deren Verteidigung im-mer nur a posteriori in Form eines Aufmerksam-Machens (tanbīh) moumlg-

43 Ebd 355ndash8

44 Vgl auch Kitāb aš-šifāʾ al-Manṭiq I al-Madḫal (Isagoge) (wie Anm 8) I 2 159ndash12

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 97

lich ist45 Hinsichtlich der Frage ob damit die Dinge an sich erreicht wer-den koumlnnen oder nicht ist sie als solche aber indifferent

2 Gegenstand der Metaphysik ist allerdings ein Begriff der gegenuumlber einernaumlheren washeitlichen Bestimmung ganz und gar unterbestimmt (etwaswas extramental sein kann) ist und aller inhaltlich-sachhaltigen Erkennt-nis deswegen nur noch voraufgehen und sie zugleich erst ermoumlglichenkann so dass im Zuge seiner Explikation maximal heterogene Teile wieNotwendigseiendes Substanz und Akzidens erreicht werden Gegenstandder Metaphysik ist darum nicht ein bestimmtes Seiendes wie z B Gottdie Substanz oder bestimmte Substanzen46 sondern jenes Seiende als sol-ches durch das wir alles Seiende uumlberhaupt erst erkennen koumlnnen

3 Die Gemeinsamkeit des bdquoSeiendenldquo ist keine washeitliche Seine Einheitwird im Ruumlckgriff auf den Nichtwiderspruchssatz und den Satz vom aus-geschlossenen Mittleren in al-Maqūlāt (Kategorien) II 1 des Kitāb aš-šifāʾtranszendental verteidigt und in Folge dessen als die eines notwendigenAttributs (lāzim) begriffen Jedwedes so-und-so Bestimmtes ist (mawgūd)oder ist nicht47

4 Der Begriff des Seienden (al-mawgūd) erfasst fuumlr Avicenna aber nicht nurGedachtes sondern auch Wirklichkeit an sich In al-ʾIlāhīyāt (Metaphy-sik) I 2 wird er als nicht leer (maʿnan muḥaqqaq)48 und sogar als ein apriori auf Realitaumlt an sich beziehbarer Begriff verstanden Denn dort be-hauptet Avicenna dass nicht nur das Wissen um sein bdquoWas-Seinldquo sondernauch das um sein bdquoDass-Seinldquo nicht erst erworben werden muss49 womit

45 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 295ndash16 (= Liber de philosophia prima I 5 312ndash3219[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 2219ndash237)

46 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 8 549ndash15 (= Liber de philosophia prima I 8 634ndash6414[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 4357ndash444) zitiertnach Koutzarova (wie Anm 2) 423 Anm 79 bdquoWendet man sich ferner keiner anderenWissenschaft zu und wird das Subjekt dieser Wissenschaft [d h der Metaphysik] selbst inSubstanz und in ihre eigentuumlmlichen Eigenschaften eingeteilt so wird jene Substanz dieSubjekt irgendeiner [partikularen] Wissenschaft oder Substanz schlechthin ist nicht Subjektdieser Wissenschaft sein sondern Teil ihres Subjektes und wird damit der Natur ihresSubjektes welches naumlmlich das sbquoSeiendelsquo ist in irgendeiner Weise zukommen da ja dieNatur des sbquoSeiendenlsquo ohne die Vermittlung eines anderen vermag sich mit jener Substanzzu verbinden bzw sie zu sein Das sbquoSeiendelsquo ist naumlmlich eine Natur die von allem ausgesagtwerden kann (yasiḥḥu ḥamluhā) ob dies nun Substanz oder etwas anderes ist Denn wiedir im Vorangegangenen bereits klar geworden ist ist etwas nicht auf Grund seines Seiend-Seins Substanz eine bestimmte Substanz oder ein bestimmtes Subjektldquo

47 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-Manṭiq II al-Maqūlāt (Kategorien) (wie Anm 23) II 1 596ndash614Zur Uumlbersetzung und Analyse vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 230ndash246 und 255ndash258

48 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 2 1212ndash14 (= Liber de philosophia prima I 2 1214ndash18[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 911ndash15)

49 Vgl ebd 138ndash10 (= Liber de philosophia prima I 2 1230ndash32 [wie Anm 3] AvicennaThe Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 931ndash35)

98 Tiana Koutzarova

wohl kaum die Existenz des bdquoSeiendenldquo als bloszlig Gedachtes sondern al-lein seine tatsaumlchliche Exemplifizierbarkeit an den Dingen gemeint seinkann

Was laumlsst sich aber auf Grund dieser Punkte im Hinblick auf die genannteFrage antworten Mir erscheint es berechtigt folgendes zu behaupten Selbstwenn die Wesenheiten der Dinge uns epistemisch unzugaumlnglich bleiben soverfuumlgen wir nach Avicenna uumlber einen maximal sicheren und auf reale Seien-de beziehbaren Begriff der aber gegenuumlber aller washeitlichen oder modalenBestimmung indifferent ist Einer prinzipiellen Grenze unserer Erkenntnis imHinblick auf die Wesenheiten der Dinge wuumlrde Avicenna mit seinem Subjektder Metaphysik ein Maximum an Gewissheit gegenuumlberstellen das allerdingsnur noch ein Minimum an washeitlicher Bestimmtheit ndash naumlmlich ein Etwas(al-wugūdu l-ḫāss) das Sein haben kann (al-wugūdu l-ʾiṯbātī) ndash beinhaltetso dass dann die Frage nach der Moumlglichkeit seiner Entfaltung zu stellenwaumlre Die avicennische Antwort darauf ist ja bekannt Die erste Aufteilungdes uns moumlglichen Subjekts der Ersten Philosophie ist eine modale und dieseErkenntnis ist uns unmittelbar mit der Erkenntnis des bdquoSeienden als solchenldquozugaumlnglich Auch die Einteilung in Substanz und Akzidens ist nach Avicennaeine uns unmittelbar mit dem Begriff des Seienden gegebene Mit den beidennur die apriorische Erkenntnis des Seienden voraussetzenden und fuumlr unsdaher maximal sicheren Bestimmungsverfahren lassen sich so mehrere Begrif-fe ndash etwa notwendig und kontingent Seiendes wie auch Seiendes nicht bzwin einem Zugrundeliegenden ndash gewinnen die dann die jeweiligen Teilmengendes Seienden etwas naumlher aber eben nur von den genannten Attributen herund keineswegs wesenhaft erfassen koumlnnen Auch wenn dieses Verfahreneiner vom Prinzip zu dem durch es Konstituierten fortschreitenden Dedukti-on nicht genuumlgen kann die neben der Existenz des Prinzips sowohl die Ein-sicht in sein Wesen als auch in das Wesen alles anderen erfordert so stellt esfuumlr Avicenna die an den Grenzen unserer Erkenntnis gemessen einzig moumlgli-che Methode dar

Das von Aristoteles erhobene Ideal einer deduktiv verfahrenden Meta-physik kann fuumlr Avicenna wie die folgende Stelle ebenfalls aus at-Taʿlīqātdeutlich belegt nur einem ersten Seienden vorbehalten sein

bdquoDie Weisheit (al-ḥikmah) ist die Erkenntnis des Notwendigseiendennaumlmlich des Ersten [Seienden d h Gott] Da nun kein Verstand es [d hdas Notwendigseiende] so erkennt wie dieses sich selbst ist es nur dasErste das wirklich weise ist [Denn] unter sbquoWeisheitlsquo (ḥikmah) verstehenja die Philosophen das vollkommene Wissen Das vollkommene Wissenauf der Seite des Begriffs (tasawwur) ist das Erfassen [einer Sache] in[ihrer] Wesensdefinition Auf der Seite des Urteils (tasdīq) wiederum be-

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 99

steht das vollkommene Wissen darin etwas von seinen Gruumlnde her zuwissen sofern es denn Gruumlnde hat Was das angeht was keinen Grundhat so wird es durch sich selbst erfasst und durch sich selbst erkanntwie das sbquoNotwendigseiendelsquo denn es [d h das Notwendigseiende] hat

keine Definition und wird durch sich selbst erfaszligt in seinem Erfasst-

Werden ist es schlechthin voraussetzungslos [woumlrtlich bedarf es keiner

Sache] denn es ist ein Ersterfassbares (ʾ awwalīyu t-tasawwuri) und es

wird durch sich selbst erkannt da es ja keine Ursache hat [hellip] Das Not-

wendigseiende kennt jegliches Ding von seinen Gruumlnden her denn es

weiszlig ein jegliches nicht vermittels auszligerhalb seiner liegender Dinge son-

dern durch sein Selbst da es ja der Grund fuumlr alles ist In diesem Sinne

ist es weise und seine Weisheit ist sein Wissen durch sich selbstldquo50

Hier zeigt sich wohl besonders deutlich die oben angesprochene bdquoSchwaumlche

unserer Seelenldquo Steht alles Intelligible nicht bloszlig einem abgetrennten Intel-

lekt sondern einem goumlttlichen Vermoumlgen immer schon zur Verfuumlgung so

steht es notwendigerweise und unmittelbar auch in der Ordnung vom Ersten

her Das Sich-in-Bezug-Setzen zum Ersten wuumlrde zwar das menschliche Er-

kenntnisvermoumlgen gemeinsam mit den abgetrennten Intellekten aufweisen

allerdings nicht durch sich selbst sondern erst als Ergebnis seiner Aktualisie-

rung Durch sich selbst ist das menschliche Erkenntnisvermoumlgen kein taumltiger

Intellekt sondern wesentlich komplexere weil auf externes Material ange-

wiesene Seele Als solche verfuumlgt sie uumlber kein Wissen weder von sich selbst

noch von einem anderen51 und ist nichts mehr als eine bloszlige Wahrnehmung

ihrer selbst (šuʿūr bi-ḏāt)52 Wissen kann fuumlr die menschliche Seele nur erwor-

50 Ibn Sīnā at-Taʿlīqāt (wie Anm 14) 2023ndash21 2

51 Vgl dazu z B at-Taʾlīqāt (wie Anm 14) 107 bdquoDie Seele erkennt sich selbst nicht solangesie mit Materie verbunden ist Wuumlrde sie sich naumlmlich selbst erkennen waumlre sie vollkommenwie die [abgetrennten] Intellekte die ja ihr Selbst erkennenldquo

52 Vgl Ibn Sīnā at-Taʿlīqāt (wie Anm 14) 161 bdquoDie Wahrnehmung unseres Selbst ist unserSein selbst (šuʿūruna bi-ḏatina huwanafsuwugudina) [hellip] Die Selbst-Wahrnehmung ist demSelbst seiner Natur nach gegeben (ġarızī) denn es ist sein Sein selbst so dass wir keinesAumluszligeren beduumlrfen um das Selbst zu erfassen sondern es ist vielmehr das Selbst selbstdurch das wir das Selbst erfassenldquo

100 Tiana Koutzarova

ben sein53 Mag nun die aristotelische Theorie der Zweiten Analytiken zwei-felsohne auch fuumlr Avicenna die beste Anweisung zum Erwerb von Wissensein54 so kann sie ihre Ausgangsbedingung die Potentialitaumlt des menschli-chen Erkenntnisvermoumlgens nicht aufheben und vermag daher allenfalls dieBestform eines uns moumlglichen Wissens zu garantieren Erreicht unsere Er-kenntnis der seienden Dinge sogar ihr Prinzip und vermag sie daher einedaran ausgerichtete Ordnung des Seienden aufzustellen so ist sie in ihrerQualitaumlt aumluszligerst defizitaumlr Auch wenn ihr alles Seiende zugaumlnglich ist so dochnur von den a priori erkannten Attributen her Die unterstellten Traumlger dieserAttribute bleiben jedoch letztlich auszligerhalb ihrer Reichweite

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53 Vgl Ibn Sīnā at-Taʿlīqāt (wie Anm 14) 116 23ndash25 bdquoDas Wissen des Ersten ist nicht vonden seienden Dingen gewonnen sondern durch sein Selbst Denn sein Wissen ist die Ursachefuumlr das Sein der Seienden so dass keine Veraumlnderung in seinem Wissen moumlglich ist UnserWissen hingegen ist von aussen seine Ursache ist also das Sein der Dingeldquo

54 Vgl dazu Ibn Sīnā Kitāb aš-šifāʾ al-Burhān (wie Anm 9) I 1 5315ndash18 zitiert nach Koutz-arova (wie Anm 2) 112 bdquoWenn wir des Zieles dieses Buches naumlmlich der Bestimmung derWege [d h der Methoden] die zum gewissen Urteil (at-tasdīqu l-yaqīnī) und zur wirklichenBegriffsbildung (at-tasawwuru l-ḥaqīqī) fuumlhren eingedenk sind dann ist der Nutzen diesesBuches offensichtlich naumlmlich die Erlangung des gewissen Wissens (al-ʿilmu l-yaqīnī) undder wirklichen Begriffe die fuumlr uns nuumltzlich ja notwendig sind wenn wir daran gehen dasWerkzeug der Logik anzuwenden und sowohl die theoretischen als auch die praktischenWissenschaften an ihrem [d h der Logik] Maszligstab zu messenldquo

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 101

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bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo ndash Zur Rezeptiondes Aristoteles und seiner Metaphysik in der

mittelalterlichen juumldischen Philosophie

Frederek Musall

I Hinfuumlhrung

Im litauischen Vilnius einem der Zentren rabbinischer Gelehrsamkeitgibt es eine Jeshivah eine Talmudakademie aus der die groumlszligten Gelehr-ten ihrer Zeit hervorgegangen sind Nur einer ist ein wirklich hoffnungs-loser Fall und der Rosh Jeshivah der Leiter der Talmudakademie istgelinde gesagt verzweifelt da es ihm nicht zu gelingen vermag diesen anirgendeine Gemeinde zu vermitteln Eines Tages erreicht ihn schlieszliglichein Schreiben aus einer kleinen galizischen Gemeinde die ganz dringendeinen Rabbiner sucht sbquoGalizien da leben nur Bauernlsquo denkt sich derLeiter der Talmudakademie taucht seine Feder in das Tintenfass uumlber-legt kurz und verfasst folgende Zeilen bdquoLiebe Gemeinde die Zeit EuresWartens hat ein Ende Ich werde Euch einen meiner Schuumller schickender ist wie Moses wie Salomon und wie Aristotelesldquo Im weit entferntenGalizien ist die Freude natuumlrlich entsprechend groszlig Was fuumlr ein TalmidChakham ndash ein Gelehrter ndash und Gadol ba-Torah ndash ein Riese des Torah-Studiums ndash wird da in ihre Gemeinde kommen Doch Vorfreude ist be-kanntlich die schoumlnste Freude aber sie waumlhrt haumlufig nicht lange nachnoch nicht einmal zwei Wochen nach Ankunft des neuen Rabbiners(wenn man den damaligen Postweg bedenkt also quasi postwendend)erreicht den Leiter der Talmudakademie ein wuumltender Brief bdquoRosh Jeshi-vah Du bist ein Luumlgner Der Mann den Du uns geschickt hast ist einNarr obwohl Du uns versprochen hast er sei wie Moses Salomon undAristoteles Du bist ein gemeiner und hinterlistiger Luumlgner erklaumlre DichldquoDer Leiter der Talmudakademie ist erschuumlttert und erbost zugleich ndash erein Luumlgner Das will das kann er nicht auf sich sitzen lassen und setztsogleich sein Antwortschreiben auf bdquoWie koumlnnt Ihr Schmoumlcke es wagenmich der Luumlge zu bezichtigen Seid Ihr denn voumlllig von Sinnen DerMann welchen ich Euch geschickt habe er ist wie Moses wie Salomon

104 Frederek Musall

und wie Aristoteles Er stottert wie Moses ist hinter den Weibern herwie Salomon und er kann genauso gut Hebraumlisch wie Aristotelesldquo

Zugegeben dieser einleitende Witz hat keinerlei besondere didaktische Poin-te aber hoffentlich sind trotzdem zwei grundlegende Dinge deutlich gewor-den Erstens dass der nichtjuumldische Philosoph Aristoteles von dem Leiter derTalmudakademie als bedeutend genug eingestuft wird um in eine Reihe mitden Meistern der juumldischen Weisheit dem Propheten Moses und Koumlnig Salo-mon gestellt zu werden und zweitens dass Aristoteles kein Hebraumlisch konn-te was gewissermaszligen die zuvor nahegelegte Behauptung sogleich wiederrelativiert Was Aristoteles letzten Endes repraumlsentiert liegt folglich im Augedes Betrachters Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden diesesambivalente Aristoteles-Bild im Rahmen der mittelalterlichen juumldischen Phi-losophie auf Basis der Rezeption seiner Schriften insbesondere der Metaphy-sik praumlzisierend zu umreiszligen In diesem Zusammenhang ist das hier verwen-dete Kompositum bdquojuumldische Philosophieldquo eher als eine Art Arbeitsbegriff zuverstehen denn was man eigentlich genau unter bdquojuumldischer Philosophieldquo zuverstehen vermag ndash einen Fremdimport wie Julius Guttmann konstatiert1

oder einen philosophischen Kommentar zur Traditionsliteratur wie ColletteSirat im Bezug auf die mittelalterliche juumldische Philosophie feststellt2 umhier nur zwei Zugangsweisen anzufuumlhren ndash ist Gegenstand einer bis heuteandauernden Debatte3

II Die Entwicklung des Bezugs zu Aristoteles bis Maimonides

Unter alexandrinischen Juden existierte scheinbar die Legende dass Aristote-les tatsaumlchlich ein Schuumller des Hohepriesters Simon dem Gerechten (hebrShimon ha-Tzaddik um 310ndash291 bzw 300ndash273 v Z) gewesen sei4 So ist

1 Vgl J Guttmann Philosophie des Judentums Berlin 1933 hier 92 Vgl C Sirat A History of Jewish Philosophy in the Middle Ages Cambridge 1985 hier 53 Vgl E L FackenheimR Jospe (Hrsg) Jewish Philosophy and the Academy MadisonNew

Jersey 1996 A W HughesE R Wolfson (Hrsg) New Directions in Jewish PhilosophyBloomingtonIndiana 2010 siehe zusammenfassend auch A B Kilcher Zum Begriff derjuumldischen Philosophie in A B KilcherO Fraisse (Hrsg) unter Mitarbeit von Y SchwartzMetzler Lexikon Juumldischer Philosophen Stuttgart 2003 VIIIndashXVIII Musall F JuumldischePhilosophie Philosophische Rundschau 53 2006 332ndash344 bezuumlglich der in diesem Beitragthematisierten mittelalterlichen juumldischen Philosophie siehe ferner Y Schwartz Mittelalterli-ches Philosophieren Zur Saumlkularisierung der interreligioumlsen Problematik in E Goodman-Thau (Hrsg) Zeit und Welt Denken zwischen Philosophie und Problematik Heidelberg2002 185ndash205

4 Vgl Sirat Jewish Philosophy (wie Anm 2) 7 Im Babylonischen Talmud Traktat Joma 69awird von einer Begegnung zwischen Simon dem Gerechten und Aristotelesrsquo Schuumller Alexan-

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 105

es auch nicht verwunderlich dass der hellenistisch-juumldische Philosoph Aristo-bolus von Paneas (vermutlich aus Alexandrien stammend um 160 v Z) derals erster juumldischer Autor Aristoteles namentlich erwaumlhnt konstatiert dassAristotelesrsquo philosophisches Denken ndash wie im Uumlbrigen auch das seiner Vor-laumlufer Pythagoras Sokrates und Plato ndash im Wesentlichen auf griechischenUumlbersetzungen der biblischen Offenbarung beruhe5 folglich bestehe auchkein prinzipieller Unterschied zwischen griechischer Philosophie und juumldi-scher Tradition und die offensichtlich zwischen den beiden bestehenden Wi-derspruumlche (etwa das Problem der Anthropomorphismen) muumlssen nur ent-sprechend allegorisch umgedeutet werden Allerdings laumlsst sich das Denkenund Werk des Aristobolus nur fragmentarisch rekonstruieren6 und nicht alleWiderspruumlche lassen sich so einfach mittels hermeneutischer Interpretationharmonisieren wie spaumlter Philon von Alexandrien (um 1510 v Z ndash nach40) deutlich macht dessen Denken vor allem von mittelstoischen und mittel-platonischen Konzeptionen beeinflusst ist und die aristotelische Philosophieeher eklektisch aufgreift Auch Philon sieht die grundlegende Uumlbereinstim-mung zwischen griechischer Philosophie und juumldischer Tradition etwa in denplatonisch-aristotelischen Gottesvorstellungen und dem juumldischen Monothe-ismus Doch sowohl in seinen exegetischen (De opificio mundi) als auch inseinen philosophischen Schriften (De aeternitate mundi De providentia) arti-kuliert Philon wiederholt Kritik an der mit dem biblischen Schoumlpfungsnarra-tiv unvereinbaren aristotelischen Lehre von der Ewigkeit der Welt Philonsetzt dieser das auf Platons Timaeus basierende Konzept eines staumlndigenSchoumlpfungsprozesses entgegen wonach Gott immerwaumlhrend die intellegiblenFormen denkt wodurch er die intelligible Welt des Logos des goumlttlichenUrbildes hervorbringt was sich wiederum auf deren schattenhaftes Gegen-bild die sinnlich-wahrnehmbare Welt staumlndig aktualisierend auswirkt7

der dem Groszligen berichtet das Motiv dass Aristoteles ein Schuumller von Simon dem Gerechtenwar wird spaumlter vom litauischen Rabbiner und Kabbalisten Jechiel Heilprin (1660ndash1746)in seinem historiographischen Werk Seder ha-Dorot (bdquoBuch der Generationenldquo) noch weiterausgefuumlhrt Demnach sei Aristoteles sogar zum Judentum konvertiert Dagegen schreibtnach Josephus Flavius Gegen Apion (lat Contra Apionem) I 22 Aristoteles laut seinemSchuumller Klearchos von Soli den Juden folgende Herkunft zu bdquoDie Juden stammen von denindischen Philosophen ab sie werden von den Indern sbquoCalamilsquo und von den Syrern sbquoJudaeilsquogenannt und nehmen ihren Namen von dem Land in welchem sie wohnen was sbquoJudaealsquoheiszligt aber der Name ihrer [Haupt-]Stadt der ist sonderbar denn sie nennen sie sbquoJerusa-lemlsquoldquo

5 Vgl P Kershenbaum Jews in Egypt The Special Case of Septuagint in A T Levenson(Hrsg) The Wiley-Blackwell History of Jews and Judaism Chichester 2012 121ndash141 hier127

6 Vgl C R Holladay (Hrsg) Fragments from Hellenistic Jewish Authors (Bd 3) Aristobu-lus AtlantaGeorgia 1995

7 Vgl Philon von Alexandrien prov 1 7 Op 7 Aet 83ndash84

106 Frederek Musall

Anders als noch sein Vorgaumlnger Aristobolus setzt sich Philon also kritischmit den grundsaumltzlichen Problemfaumlllen ndash wie Schoumlpfungslehre goumlttliche Vor-hersehung das jenseitige Leben ndash auseinander in denen sich aristotelischeLehre und juumldische Tradition widersprechen Damit nimmt er in gewisserWeise jene Diskurse vorweg die die mittelalterliche juumldische Philosophie we-sentlich bestimmen Doch ausgerechnet Philon der eine paradigmatischeStellung im Denken der Patristik einnimmt und nach Hegel aufgrund seinerLogos-Theologie einen Wendepunkt in der europaumlischen Philosophiege-schichte markiert8 spielt in diesen Diskursen keinerlei einflussgebende Rolle9

Mit dem aufkommenden Christentum verlieren die hellenistisch-juumldischenDiaspora-Gemeinden wie Alexandria allmaumlhlich an Bedeutung und mit ihnendas von ihnen repraumlsentierte Modell einer moumlglichen kulturellen Synthesezwischen Hellenismus und Judentum Die sich auf die religioumlse Tradition be-rufenden philosophischen Weltdeutungen eines Aristobolus oder Philons ver-moumlgen zwar dem Fruumlhchristentum eine weiterfuumlhrende Perspektive zu eroumlff-nen aber im Vergleich zu den alternativen rabbinischen Weltdeutungsmodel-len die in den beiden anderen juumldischen Zentren Palaumlstina und Babylonienartikuliert werden und beispielsweise in der reichhaltigen Midrash-Literaturzum Ausdruck kommen erweisen sie sich als zu wenig eigenstaumlndig abgrenz-bar von aumluszligeren Einfluumlssen Trotz seines Fokus auf der Kommentierung derschriftlichen und muumlndlichen Lehre ist auch im Rahmen des rabbinischenJudentums eine Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie spuumlr-bar so legen etwa die in Mishnah und Talmud vorkommenden logischenArgumentationsregeln durchaus eine gewisse Vertrautheit mit vergleichbarenaristotelischen Modellen und Methoden nahe wenngleich deren Redakteurees aber bewusst vermeiden auf moumlgliche Einflussgeber auszligerhalb der eigenenTradition zu verweisen Stattdessen wird in Verarbeitung der als konstitutivesKrisenmoment wahrgenommenen hellenistischen Zeit in aller Deutlichkeit alljenes verdammt was als bdquogriechische Weisheitldquo (hebr chokhmat jevanit wo-mit ein eben spezifisches kulturelles Wissen gemeint ist) als suspekt gilt10

Auszligerhalb des kulturellen Referenzrahmens des hellenistischen Juden-tums stellt die griechische Philosophie keine weltdeuterische Option dar undfolglich befindet sich auch Aristoteles zunaumlchst einmal auszligerhalb des Juden-tums Umso bemerkenswerter ist seine triumphale wenn auch nicht unum-strittene Ruumlckkehr ndash dieses Mal allerdings nicht in ein Himation sondern in

8 Siehe hierzu ausfuumlhrlich D Westerkamp Die philonische Unterscheidung ndash AufklaumlrungOrientalismus und Konstruktion der Philosophie Muumlnchen 2009

9 Philons Schriften werden erst wieder von den beiden italienisch-juumldischen Renaissance-Phi-losophen Azariah dei Rossi (1511ndash1578) und Jehudah Moscato (vor 1530ndashum 1593) aufge-griffen

10 Vgl Babylonischer Talmud Sotah 49b Menachot 64b vergl auch Bava Kamma 82andashb

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 107

eine Galabija verpackt Denn die mittelalterliche juumldische Philosophie ist inihrer formativen Phase in die arabisch-islamische11 Philosophie eingebettetderen Problem- und Fragestellungen sie aufnimmt reflektiert und verarbeitetund an deren Diskursen sie sich beteiligt12 Der aumlgyptische Wissenschaftshis-toriker A(bdelhamid) I Sabra hat den Wissenstransfer im arabisch-islami-schen Mittelalter in zwei konstitutive Phasen unterteilt In der ersten Phaseerfolgt die Aneignung des antiken Wissens (darunter eben auch die Philoso-phie) insbesondere durch die Uumlbersetzung der Schriften aus dem Griechi-schen ins Arabische und in der anschlieszligenden zweiten Phase wird das er-worbene Wissen bdquonaturalisiertldquo bzw bdquoislamisiertldquo d h den religioumls-kulturel-len Beduumlrfnissen angepasst13 Uumlbertraumlgt man nun Sabras Modell auf diejuumldische Philosophie im arabisch-islamischen Kulturraum ergeben sich wei-tere Differenzierungen naumlmlich die Aneignung bzw bdquoJudaisierungldquo der uumlber-setzten Originalschriften oder aber die Aneignung bzw bdquoJudaisierungldquo derbdquoislamisiertenldquo Verarbeitungen Charakteristisches Merkmal dieser bdquojudai-siertenldquo Verarbeitungen ist dass die meisten Texte in arabischer Sprache inhebraumlischen Lettern verfasst sind weswegen man sie aufgrund ihrer spezifi-schen sprachlichen Aumluszligerungen manchmal auch als bdquojudaumlo-arabische Philo-sophieldquo bezeichnet Zwar vermoumlgen arabisch-juumldische Denker beispielsweisedie auf Arabisch verfassten Werke muslimischer oder christlicher Denker zurezipieren umgekehrt aber ist der Adressatenkreis ndash bis auf wenige Ausnah-men die hebraumlische Lettern lesen koumlnnen ndash auf ein juumldisches Publikum be-schraumlnkt

Wie in der arabisch-islamischen Philosophie nimmt auch in den unter-schiedlichen Denkstroumlmungen der judaumlo-arabischen Philosophie der bdquoersteLehrerldquo (arab muʽallīm al-awwal) Aristoteles eine Schluumlsselstellung ein

11 Bezuumlglich der Verwendung der Bezeichnung bdquoarabisch-islamischldquo P AdamsonR C TaylorIntroduction in Dies (Hrsg) The Cambridge Companion to Arabic Philosophy Cam-bridge 2005 1ndash9 hier 3 f bezuumlglich der alternativen Bezeichnung bdquoPhilosophie im Islamldquowelche in einem noch staumlrkeren Ausmaszlig andere religioumlse Traditionen und sprachliche Arti-kulationen einbeziehen moumlchte siehe T-A Druart Philosophy in Islam in A S McGrade(Hrsg) The Cambridge Companion to Medieval Philosophy Cambridge 2003 97ndash120hier 97ndash100

12 Vgl S M Wasserstrom The Islamic social and cultural context in D H FrankO Leaman(Hrsg) History of Jewish Philosophy London 1997 93ndash114 J L Kraemer The Islamiccontext of medieval Jewish Philosophy in D H FrankO Leaman (Hrsg) The CambridgeCompanion to Medieval Jewish Philosophy Cambridge 2003 38ndash68 Zonta M Influenceof Arabic and Islamic Philosophy on Judaic Thought The Stanford Encyclopedia of Philo-sophy (Spring 2011 Edition) Stanford 2011

13 Vgl A I Sabra The Appropriation and Subsequent Naturalization of Greek Science inMedieval Islam History of Science 25 1987 223ndash243 [nachgedruckt in F Jamil Ragepu a (Hrsg) Tradition Transmission Transformation Proceedings of Two Conferences onPre-modern Science Held at the University of Oklahoma Leiden 1996 3ndash27]

108 Frederek Musall

nicht zuletzt da bereits im 10 Jh fast das gesamte Korpus des Aristoteles(mit Ausnahme der Politik) in arabischer Uumlbersetzung vorlag und daruumlberhinaus durch dessen Kommentatoren wie Alexander von Aphrodisias (2 Jh)Porphyrius (233ndash3015) Themistius (um 317ndash388) und Proklos (412ndash485)ergaumlnzt wurde14 Aber auch pseudoaristotelische Werke wie das von Gerhardvon Cremona (1114ndash1187) ins Lateinische uumlbersetzte Liber de Causis (arabKitāb al-īḍāḥ [li-Arisṭūṭālis] fī l-ḫayr al-maḥd oder bdquoBuch der Erklaumlrung [desAristoteles] uumlber das reine Guteldquo)15 das sich im Wesentlichen aus den Ele-mente(n) der Theologie des Proklos zusammensetzt oder die sogenannteTheologie des Aristoteles (arab Uṯūlūğiyyāʼ Arisṭū)16 welche auf Plotins En-neaden IVndashVI basiert praumlgten das Aristoteles-Verstaumlndnis nachhaltig so dassman in diesem Zusammenhang eher von einem neuplatonisch gepraumlgten Aris-totelismus sprechen muss der je nach Denker zwischen neuplatonischen oderaristotelischen Positionen oszilliert Klare Trennlinien zwischen Platon undAristoteles wie sie das Denken der lateinischen Scholastik kennt existierenin der arabisch-islamischen Philosophie (und damit auch in der judaumlo-arabi-schen Philosophie) nicht was aber auch auf die vorhandene Textgrundlagezuruumlckgefuumlhrt werden kann da sich das arabisch vorliegende Korpus desPlaton im Wesentlichen auf Timaios Politeia Nomoi und Teilen des Sympo-sium beschraumlnkte17

14 Vgl R Walzer Greek into Arabic Essays on Islamic philosophy CambridgeMassachusetts1962 D Gutas Greek Wisdom Literature in Arabic Translation A Study of Graeco-ArabicGnomologia New HavenConnecticut 1975 ders Greek Thought Arabic Culture TheGraeco-Arabic Translation Movement in Baghdad and Early lsquoAbbasid Society (2ndndash4th 8thndash10th centuries) London 1998 ders Greek Philosophers in the Arabic Tradition Alder-shot 2000 siehe zusammenfassend ferner auch C drsquoAncona Costa Greek Sources in Arabicand Islamic Philosophy in E N Zalta The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter2011 Edition) Stanford 2011

15 Vgl C drsquoAncona Costa Recherches sur le Liber de causis Paris 2002 C drsquoAncona CostaR C Taylor Le Liber de causis in R Goulet u a (Hrsg) Dictionnaire des philosophesantiques Ergaumlnzungsband Paris 2003 599ndash647

16 Vgl M Aouad La Theacuteologie drsquoAristote et autres textes du Plotinus Arabus in R Gouletu a (Hrsg) Dictionnaire des philosophes antiques Bd 1 Paris 1989 541ndash570 PS Adamson Arabic Plotinus A Philosophical Study of the lsquoTheology of Aristotlersquo London2002 ders The Theology of Aristotle in E N Zalta (Hrsg) The Stanford Encyclopediaof Philosophy (Winter 2012 Edition) Stanford 2012 bezuumlglich ihrer hebraumlischen Uumlberset-zung und Rezeption im Mittelalter siehe ferner P Fenton The Arabic and Hebrew Versionsof the Theology of Aristotle in J KrayeC B SchmittW F Ryan (Hrsg) Pseudo-Aristotlein the Middle Ages The sbquoTheologylsquo and Other Texts London 1986 241ndash264

17 Vgl F Rosenthal On the Knowledge of Platorsquos Philosophy in the Islamic World IslamicCulture 14 1940 387ndash422 R Walzer Platonismus in der islamischen Philosophie (Arabi-sche Uumlbersetzung aus dem Griechischen) in W P EckertP Wilpert (Hrsg) Antike undOrient im Mittelalter Vortraumlge der Koumllner Mediaevistentagungen 1956ndash1959 (MiscellaneaMediaevalia Bd 1) Berlin 1962 179ndash195 D Gutas Platorsquos Symposion in the Arabic tradi-tion Oriens 31 1988 36ndash60 ders Platon Tradition arabe in R Goulet u a (Hrsg)

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 109

Aus dem aristotelischen Diktum dass alle Menschen von Natur aus nachWissen (εἰδέναι) streben18 ziehen auch juumldische Denker die Konsequenz ihresPhilosophierens Doch es stellt sich diesbezuumlglich auch die grundlegende Fra-ge auf welchen Wissensquellen19 das erstrebte Wissen letztlich beruht Aufder Vernunft oder auf der Offenbarung ndash auf den Werken des Aristotelesoder auf der Torah Schlieszligen die beiden als unterschiedliche Erkenntniszu-gaumlnge zur Wahrheit einander aus oder ist eine Form der Synthese (hierar-chisch komplementaumlr) moumlglich

An einer Synthese von aristotelischer und neuplatonischer Philosophie inmuslimischer Verarbeitung und juumldischer Tradition versucht sich der insbe-sondere von dem muslimischen Philosophen Al-Kindī (um 800ndash873) demAutor des Buch(es) uumlber die Erste Philosophie (arab Kitāb fī ʾl-falsafa al-ūlā) beeinflusste Isaak Israeli (um 84050ndash932) der im Allgemeinen als dererste juumldischer Neuplatoniker gilt Seine beiden spaumlter von Gerhard von Cre-mona (um 1114ndash1187) ins Lateinische uumlbertragenen philosophischen Haupt-werke das Buch der Definitionen und Beschreibungen (arab Kitāb al-ḥudūdwa-ʾr-rusūm hebr Sefer ha-gevulim we-ha-reshumim lat Liber definito-rum) das konzeptionell und strukturell von der Zweiten Analytik beeinflusstist und das Buch der Elemente (arab Kitāb al-usṭuqusāt hebr Sefer ha-jesodot lat Liber elementorum) in welchem Isaak Israeli ausfuumlhrlich diearistotelische Elementenlehre diskutiert spiegeln einen durch neuplatonischeund pseudo-aristotelische Schriften gefilterten Aristotelismus wieder IsaakIsraeli der sich intellektuell in der Tradition der al-qudamāʾ der bdquoantikenPhilosophenldquo verortet geht von einer ontologischen Hierarchie des Kosmosaus die von der vollkommenen Gottheit bis hinunter in die unvollkommenesublunare Welt reicht Allerdings emanieren im Gegensatz zur klassischenneuplatonischen Vorstellung die bdquoerste Materieldquo und die bdquoerste Formldquo nichtungewollt und unzeitlich aus Gott sondern werden von ihm ex nihilo er-schaffen wodurch Isaak Israeli den Schoumlpfungsgedanken in seine Emanati-onslehre integriert20

Obwohl Moses Maimonides spaumlter zahlreiche bereits von Isaak Israelithematisierte Fragestellungen und Probleme aufgreift kritisiert er seine philo-

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18 Vgl Met Α 1980 a 119 Vgl Y Elkana Anthropologie der Erkenntnis Die Entwicklung des Wissens als episches

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Israeli siehe A AltmannS M Stern Isaac Israeli A Neoplatonic Philosopher of the EarlyTenth Century 2 Aufl Chicago 2009 85 f

110 Frederek Musall

sophische Unschaumlrfe zwischen neuplatonischen und aristotelischen Ansichtenund bezeichnet ihn im Hinblick auf seine eigentliche Profession polemischbdquoals Arztldquo (und eben nicht als ernstzunehmenden Philosophen)21 dagegenwerden Isaak Israelis Schriften spaumlter von christlichen Denkern wie Domini-cus Gundisalvi (um 1110ndashnach 1181) Albertus Magnus (um 1200ndash1280)Thomas von Aquin (um 1225ndash1274) oder Nikolaus von Kues (1401ndash1464)durchaus positiv rezipiert

Einen etwas anderen Ansatz der das Verhaumlltnis von Vernunfterkenntnisund goumlttlicher Offenbarung zum Gegenstand hat verfolgt Saʽadiah ben JosefGaon (882ndash942) der Vorsteher der Talmudakademie von Sura mit dem Isa-ak Israeli waumlhrend der gemeinsamen Zeit in Aumlgypten korrespondierte ver-mutlich lassen sich Saʽadiah Gaons Konzeption der bdquoVernunftgesetzeldquo (arabʽaqliyyāt hebr sikhlijot) nicht nur auf entsprechende muʽtazilitische Modellesondern auch auf den Einfluss Isaak Israelis zuruumlckfuumlhren22 Saʽadiah Gaonszeigt in seinem philosophischen Hauptwerk Buch der Glaubenslehren und-meinungen (arab Kitāb al-ʼamānāt wa-ʾl-iʽtiqādāt hebr Sefer emunot we-deʽot) eine grundsaumltzliche Vertrautheit mit der aristotelischen Lehre23 undteilt deren zentrale Positionen etwa bezuumlglich der Logik oder der allgemeinenSprachauffassung dass die Sprache des Menschen konventionell ist24 Auchim Rahmen der Diskussion der Schoumlpfungslehre und seiner daraus gefolger-ten vier Beweisfuumlhrungen fuumlr die Erschaffenheit der Welt ex nihilo (1 dieWelt ist endlich 2 die Welt ist aus Teilen zusammengesetzt 3 alle Gegen-staumlnde veraumlndern ihre akzidentiellen Eigenschaften 4 die Zeit ist nicht un-endlich) greift er auf aristotelische Argumentationsmuster zuruumlck um diesegegen die Atomtheorie des Kalām zu richten welche er strikt ablehnt aller-dings bezieht er im vierten Beweis ndash naumlmlich dass Zeit nicht unendlich ist ndashdann explizit gegen die Meinung des Aristoteles Stellung

Mit der Zeit entwickelten Philosophen des Ostens der islamischen Weltallen voran Al-Fārābī (um 872ndash9501) und Avicenna (um 980ndash1037) weg-weisende kosmologische Modelle in denen sie aristotelische Ursachenmeta-physik plotinische Emanationskosmologie und ptolemaumlische Astronomiemiteinander zu verbinden versuchen25 Im muslimischen Westen legt der an-

21 Vgl A Marx Texts By and About Maimonides Jewish Quarterly Review 25 1934ndash35371ndash428 hier 378

22 Vgl AltmannStern Isaac Israeli (wie Anm 20) 21723 In einem zuvor verfassten Werk seinem Kommentar zum Sefer Jetzirah (bdquoBuch der Schoumlp-

fungldquo) hat Saʽadiah Gaon bereits die aristotelische Kategorienlehre ausfuumlhrlich behandelt24 Vgl S Stroumsa Saadya and Jewish kalam in FrankLeaman Medieval Jewish Philosophy

(wie Anm 12) 71ndash90 hier 84 f25 Vgl D Reisman Al-Farabi and the Philosophical Curriculum in AdamsonTaylor Arabic

Philosophy (wie Anm 11) 52ndash71 hier 56 bezuumlglich dieser kosmologischen Modelle siehe

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 111

dalusische Dichter und Neuplatoniker Salomon ibn Gabirol (10212ndash10578) in seiner als Lehrer-Schuumller-Gespraumlch verfassten Lebensquelle (arab Jan-būʼ al-ḥayāt hebr Meqor chajim lat Fons Vitae) ein eigenstaumlndiges kosmo-logisches Modell vor26 welches den goumlttlichen Schoumlpfungsakt als Emanati-onsprozess beschreibt und damit die neuplatonische Emanationslehre und dieErschaffenheit der Welt ex nihilo miteinander zu verbinden versucht wasnicht von ungefaumlhr an Isaak Israeli erinnert der als einer seiner Einflussgeberausgemacht werden kann27 Ibn Gabirol uumlbernimmt in der Lebensquelle zwarden grundsaumltzlichen aristotelischen MaterieForm-Dualismus doch seine ei-gene hylemorphistische Konzeption geht von der Annahme einer universellenMaterie aus d h im Gegensatz zu Aristoteles fuumlr den allein die koumlrperlicheWelt aus Materie und Form zusammengesetzt ist ist fuumlr Ibn Gabirol diesauch bezuumlglich der seelisch-geistigen Welt der Fall worin sich der deutlicheEinfluss pseudo-aristotelischer Schriften wie des Liber de Causis ndash also Pro-klos ndash zeigt Anders als die meisten juumldischen Denker vor und nach ihmversucht sich Ibn Gabirols Lebensquelle nicht an einer philosophischen Apo-logie des Judentums sondern vertritt eine radikale universalistische Perspek-tive die letzten Endes keinerlei Ruumlckschluumlsse auf eine bestimmte religioumlseVerortung mehr zulaumlsst Seit der Scholastik wurde der unter dem NamenAvicebron oder Avencebrol bekannte Verfasser der Fons vitae irrtuumlmlich fuumlreinen christlichen augustinisch gepraumlgten Denker gehalten bis ihn derdeutsch-franzoumlsische Orientalist Salomon Munk 1846 anhand einer vonShem-Tov ben Josef ibn Falaquera angefertigten hebraumlischen Uumlbersetzungvon Auszuumlgen aus der arabischen Originalfassung der Lebensquelle mit demjuumldischen Dichter Salomon ibn Gabirol identifizierte28 Wenngleich andereneuplatonisch orientierte juumldische Denker wie Moses ibn Ezra (um 1055ndash1138) Josef ibn Tzaddik (um 1075ndash1149) und Abraham ibn Ezra (1089ndash1164) durchaus mit seinem Denken vertraut waren verlieren die neuplatoni-schen Erklaumlrungsmodelle im Verlauf des 12 Jahrhunderts nach und nach anBedeutung und werden von aristotelischen zuruumlckgedraumlngt Zudem bestim-men andere Fragestellungen den philosophischen Diskurs wie etwa das Ver-haumlltnis von Vernunft und Glauben29

ausfuumlhrlich I R Netton Allah Transcendent ndash Studies in the Structure and Semiotics ofIslamic Philosophy Theology and Cosmology London 1995

26 Vgl S Pessin Solomon Ibn Gabirol [Avicebron] in E N Zalta (Hrsg) The StanfordEncyclopedia of Philosophy (Spring 2013 Edition) Stanford 2013

27 Siehe hierzu auch H A Wolfson The meaning of ex nihilo in Isaac Israeli Jewish QuarterlyReview 50 1959 1ndash12 (nachgedruckt in I TwerskyG H Williams [Hrsg] Harry AustrynWolfson Studies in the History of Philosophy and Religion Bd 1 Cambridge 1973 222ndash33)

28 Vgl S Munk Meacutelanges de philosophie juive et arabe Paris 1955 hier 152 f29 Vgl Sirat Jewish Philosophy (wie Anm 2) 80

112 Frederek Musall

Dieses ist zentraler Gegenstand in dem Buch des Chazaren(koumlnigs) (arabKitāb al-ḥuğğah wa-d-dalīl fī nusr al-dīn aḏ-ḏalīl oder Buch des Beweisesund des Argumentes fuumlr den geringgeschaumltzten Glauben hebr Sefer ha-Kuza-ri) des andalusischen Arztes und Dichters Jehudah ha-Lewi (1075ndash11412)der eine grundsaumltzliche Differenz zwischen dem seiner Schoumlpfung und Ge-schoumlpfen gegenuumlber indifferenten Gott der Philosophen (womit Aristotelesim Allgemeinen und Al-Fārābī Avicenna und Ibn Bāğğa im Speziellen ge-meint sind) und dem Gott Abrahams Isaaks und Jakobs (Israels) der sichin der Geschichte offenbart konstatiert30 Ha-Lewis Aristoteles-Kritik erin-nert an die seines muslimischen Vorlaumlufers Al-Ġazālīs (10589ndash1111)31 dochwaumlhrend dieser sich mit seinen beiden Werken Absichten der Philosophen(arab Maqāsid al-falāsifa) welches im Wesentlichen die Lehren der Philoso-phen zusammenfasst und Inkohaumlrenz der Philosophen (arab Tahāfut al-fa-lāsifa) in welchem er eine Widerlegung der neuplatonisch-aristotelischenLehren auf Basis demonstrativer Beweisfuumlhrung vornimmt dem Problem sys-tematisch annaumlhert32 verfolgt Jehudah ha-Lewi die primaumlr apologetische Ab-sicht die Uumlberlegenheit eines auf Erfahrung basierenden religioumlsen Glaubensuumlber die Vernunft darzustellen Da letztere seiner Uumlberzeugung nach den Wegzur religioumlsen Vervollkommnung behindert ndash schlieszliglich widersprechen dieunterschiedlichen Philosophen nicht nur der Offenbarung sondern auchnoch einander was zusaumltzliche epistemologische Verwirrung stiftet ndash ver-sucht Ha-Lewi die Philosophen bewusst aus dem Bereich der Religion hinaus-zudraumlngen33 Die aristotelische Elementenlehre weist er als unzureichendesErklaumlrungsmodell fuumlr die Entstehung der koumlrperlichen Dinge zuruumlck und ver-wirft ndash aumlhnlich wie Al-Ġazālī ndash die aristotelische Metaphysik da diese sichauf Hypothesen anstatt auf demonstrative Beweise stuumltze Das hindert ihnjedoch nicht daran bestimmte Elemente der aristotelischen Philosophie ndash wiebeispielsweise die Seelenlehre die er jedoch um eine weitere Stufe naumlmlichdie der bdquoprophetischen Seeleldquo erweitert ndash in seine Argumentation aufzuneh-men Trotz seiner grundsaumltzlichen wenn auch im Rahmen des Werkes nicht

30 Vgl Y Silman Philosopher and Prophet Judah Halevi the Kuzari and the Evolution ofHis Thought Albany 1995 3ndash13 siehe ferner auch H Kreisel Judah Halevirsquos KuzariBetween the God of Abraham and the God of Aristotle in R MunkF J Hoogewoud(Hrsg) Joodse filosofie tussen rede en traditie Kampen 1993 24ndash34

31 Vgl B S Kogan Al-Ghazali and Halevi on Philosophy and the Philosophers in J Inglis(Hrsg) Medieval Philosophy and the Classical Tradition Richmond 2002 64ndash80 N SinaiMenschliche oder goumlttliche Weisheit ndash Zum Gegensatz von philosophischem und religiouml-sem Lebensideal bei al-Ghazali und Yehuda ha-Levi Wuumlrzburg 2003

32 Zu dem Verhaumlltnis der beiden Werke (Absichten der Philosophen und Inkohaumlrenz der Philo-sophen) zueinander siehe auch F Griffel Al-Ghazali in E N Zalta (Hrsg) The StanfordEncyclopedia of Philosophy (Fall 2008 Edition) Stanford 2008

33 Vgl D Schwartz Central Problems in Jewish Philosophy Leiden 2005 hier 171ndash175

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 113

sonderlich tiefbegruumlndeten Ablehnung der aristotelischen Lehre von der(Ur-)Ewigkeit der Welt-Elemente verarbeitet er in seiner Diskussion bezuumlg-lich der Frage der Erschaffenheit der Welt platonische aristotelische und stoi-sche Positionen34

Wenn man so will formuliert Jehudah ha-Lewi im Buch des Chaza-ren(koumlnigs) eine philosophische Kritik an der Philosophie um angesichts deraktuellen existenziellen wie spirituellen Krise des andalusischen Judentumseine genuin juumldische Alternative zu eroumlffnen Der bdquogeringgeschaumltzte Glau-benldquo mag sich historisch-politisch als unbedeutend und schwach erweisenaber aufgrund seiner spezifischen religioumlsen Erfahrungsinhalte ist er der ver-nunftbegruumlndeten Philosophie sowohl bdquowissenschaftlichldquo als auch spirituelluumlberlegen Bereits 1167 wird das Buch des Chazaren(koumlnigs) von Jehudahibn Tibbon (um 1120ndashum 1190) dessen Familie ebenfalls aus Andalusienfliehen musste aus dem Arabischen ins Hebraumlische uumlbersetzt allerdings wirdes rezeptionsgeschichtlich erst ab der Renaissance bedeutsam35

Als Gegenentwurf zu Jehudah ha-Lewis religioumlsem Partikularismus undals explizite Kritik an der neuplatonischen Philosophie Ibn Gabirols kanndas philosophische Hauptwerk Buch des Erhabenen Glaubens (arab Kitābʽaqīda rafīʽa hebr Sefer Emunah Ramah) des ebenfalls aus Andalusien stam-menden Abraham ibn Daud (1110ndash1180) verstanden werden Es ist der erstesystematische Versuch aristotelische Philosophie und juumldische Traditionenmiteinander zu verbinden weshalb Abraham ibn Daud noch vor seinem juumln-geren Zeitgenossen Maimonides als der erste Repraumlsentant eines juumldischenAristotelismus gilt36 Der eigentliche Zweck des Werkes ist das Problem derWillensfreiheit zu ergruumlnden doch Abraham ibn Daud gibt einleitend zu ver-stehen dass dies ohne ein grundlegendes Verstaumlndnis der physikalischen Weltunmoumlglich sei Von daher dient der erste Teil des Buches als eine ausfuumlhrlicheEinfuumlhrung in die zentralen aristotelischen Lehren und deren Begrifflichkei-ten wie beispielsweise die Substanz- die Kategorien- die Hylemorphismus-und die Bewegungslehre Anders als sein Vorgaumlnger Jehudah ha-Lewi folgertAbraham ibn Daud dass es kein spezifisches Verstaumlndnis der Wahrheitengeben kann Religioumlse und wissenschaftliche Wahrheitsanspruumlche unterliegenbeide dem gleichen Kriterium d h ihre Wahrheiten muumlssen demonstrativ

34 Vgl H A Wolfson The Platonic Aristotelian and Stoic Theories of Creation in Halleviand Maimonides in I EpsteinE LevineC Roth (Hrsg) Essays in Honour of the VeryRev Dr J H Hertz on the Occasion of his 70th Birthday London 1942 427ndash442

35 Zur vielschichtigen Rezeptionsgeschichte siehe ausfuumlhrlich A Shear The Kuzari and theShaping of Jewish Identity 1167ndash1900 Cambridge 2008

36 Vgl T A M (Resianne) Fontaine In Defence of Judaism Abraham Ibn Daud Sources andStructure of ha-Emunah ha-Ramah Leiden 1990 A Eran From Simple Faith to SublimeFaith Ibn Daudrsquos Pre-Maimonidean Thought Tel Aviv 1998 (hebr)

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nachgewiesen werden Widerspricht der Offenbarungstext einer demonstra-tiv bewiesenen wissenschaftlichen Erkenntnis muss der Offenbarungstextentsprechend uminterpretiert werden

Es ist bemerkenswert dass ausgerechnet Moses Maimonides (1138ndash1204) Abraham ibn Daud in seinem epochemachenden Wegweiser fuumlr dieVerwirrten37 (arab Dalālat al-hāʼirīn hebr Moreh nevuchim lat Dux Neu-trorum) an keiner Stelle erwaumlhnt obwohl ndash oder gerade vielleicht weil ndash sichihre philosophischen Projekte in zentralen Punkten gleichen Wie schon seinVorgaumlnger beabsichtigt Maimonides zu erklaumlren denjenigen eine Orientie-rung zu geben die aufgrund der scheinbaren Widerspruumlchlichkeiten von Ver-nunfterkenntnis und Offenbarungswissen in einen Zustand der Verwirrunggeraten sind Dabei macht er bereits in der Einleitung zum ersten Buch desWegweiser(s) fuumlr die Verwirrten die grundsaumltzliche Uumlbereinstimmung von re-ligioumlser und Vernunftwahrheit deutlich indem er die bdquoLehre vom Schoumlp-fungswerkldquo (hebr marsquoaseh bereshit) mit der (aristotelischen) Physik und diebdquoLehre von der Thronwagen[-vision Ezechiels]ldquo (hebr marsquoaseh merkavah)mit der aristotelischen Physik bzw Metaphysik identifiziert Er leitet dadurcheine Uumlbersetzung von der Bildsprache der Bibel hin zur wissenschaftlichenBegriffssprache der Philosophie ein wobei Physik und Metaphysik fuumlr ihndie semantischen Schluumlssel sind um die bdquoGeheimnisse des Gesetzesldquo (hebrsitrei torah) zu entschluumlsseln38 Zudem bezeichnet er Aristoteles als dasbdquoHaupt der Philosophenldquo der bezuumlglich seiner Erkenntnisfaumlhigkeit nur vondem bdquoMeister derer die wissenldquo naumlmlich dem Propheten Moses uumlbertroffenwird Mit seiner wegweisenden Erlaumluterung der 25 bzw 26 aristotelischenPraumlmissen mit denen er das zweite Buch und damit die Diskussion um die(Ur-)Ewigkeit der Welt versus ihrer Erschaffenheit ex nihilo einfuumlhrt machtMaimonides deutlich dass Aristoteles hinsichtlich der Erkenntnis der physi-kalischen (sublunaren) Welt das beste wissenschaftliche Erklaumlrungsmodellbietet wohingegen bezuumlglich der metaphysischen Erkenntnis Grenzen gesetztsind die nur durch die Prophetie zugaumlnglich ist Trotz seiner hohen Wert-schaumltzung fuumlr Aristoteles hat Daniel H Frank ndash in Anlehnung an RalphMcInernys Deutung von Thomas von Aquin ndash treffend angemerkt dass Mai-

37 Warum hier anstatt des gebraumluchlichen auf die Uumlbersetzung von Adolf Weiss zuruumlckgehen-den Titels bdquoFuumlhrer der Unschluumlssigenldquo vom bdquoWegweiser fuumlr die Verwirrtenldquo die Rede istsiehe F Musall (Aus-)Wege aus der Wuumlste Moses Maimonides zwischen Philosophie und(Religions-)Gesetz in G Krieger (Hrsg) Herausforderung durch Religion Begegnungender Philosophie mit Religionen in Mittelalter und Renaissance Wuumlrzburg 2011 70ndash83

38 Vgl A Ravitzky The Secrets of Maimonides Between the Thirteenth and the TwentiethCenturies in Ders History and Faith Amsterdam 1997 246ndash303 hier 272

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 115

monides ihn letzten Endes fuumlr seine eigenen Zwecke gebraucht39 was auchseine zahlreichen auf Avicenna basierenden Positionen verdeutlichen40

III Das Verhaumlltnis zu Aristoteles bei Maimonides

Dass sich der Wegweiser fuumlr die Verwirrten und damit der juumldische Aristote-lismus als Paradigma juumldischen Philosophierens etablieren konnte haumlngtauch mit der herausragenden Uumlbersetzungsarbeit von Salomon ibn Tibbon(um 1160ndashum 1232) zusammen der das Werk 1204 ins Hebraumlische uumlber-traumlgt41 Dadurch werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse der arabisch-islamischen Philosophie erstmals den Juden in Lateineuropa zugaumlnglich Al-lerdings stand Samuel ibn Tibbon vor der besonderen Herausforderung ei-nen wissenschaftlich-philosophischen Text in eine Sprache zu uumlbersetzen dieuumlber keinerlei dementsprechende Terminologie verfuumlgte Deshalb stand erwaumlhrend des Uumlbersetzungsprozesses in Kontakt mit Maimonides42 In einemepochemachenden Brief formuliert Maimonides schlieszliglich eine Liste jenerBuumlcher die er maszliggeblich fuumlr das Studium der (aristotelischen) Philosophieund damit zum Verstaumlndnis seines eigenen Werkes erachtet Wie Steven Har-vey aufgezeigt hat definiert Maimonides damit nicht nur ein wissenschaft-lich-philosophisches Curriculum sondern uumlbt auch Einfluss auf die Auswahlder Texte aus die in den naumlchsten Jahren aus dem Arabischen ins Hebraumlischeuumlbersetzt werden43 Ausgangspunkt bilden die Physik und die Meteorologiedes Aristoteles nicht zuletzt da laut Maimonides darin dessen grundlegendephilosophische Begriffe und Kategorien definiert werden44 Nicht von unge-

39 Vgl D H Frank Maimonides and medieval Jewish Aristotelism in FrankLeaman Medie-val Jewish Philosophy (wie Anm 12) 136ndash156 hier 143 f

40 Siehe hierzu exemplarisch M Zonta Maimonidesrsquo Knowledge of Avicenna Some TentativeConclusions About a Debated Question in G Tamer (Hrsg) The Trias of MaimonidesDie Trias des Maimonides Jewish Arabic and Ancient Culture of KnowledgeJuumldischearabische und antike Wissenskultur Berlin 2005 211ndash222

41 Zum Uumlbersetzungsprozess des Werkes aus dem Arabischen ins Hebraumlische siehe C Fraen-kel From Maimonides to Samuel Ibn Tibbon The Transformation of the Dalālat Al-HāʼirīnInto the Moreh Ha-Nevukhim Jerusalem 2007 (hebr)

42 Vgl A Ravitzky Samuel ibn Tibbon and the Esoteric Character of the Guide of the Per-plexed in Ders History and Faith (wie Anm 38) 204ndash245 hier 243

43 Vgl S Harvey Did Maimonidesrsquo Letter to Samuel ibn Tibbon Determine Which Philoso-phers Would be Studied by Later Jewish Thinkers Jewish Quarterly Review 83 1992 52ndash70

44 Man beachte auch die besondere semantische Bedeutung die Maimonides der Meteorologiein Bezug auf die Schoumlpfungsfrage beimisst in Wegweiser fuumlr die Verwirrten II 30 siehehierzu auch R Fontaine Meteorology and Zoology in medieval Hebrew Science in G

116 Frederek Musall

faumlhr uumlbersetzt Samuel ibn Tibbon 1210 die Meteorologie als ersten Text desAristoteles aus dem Arabischen ins Hebraumlische was sich allerdings aufgrundder schlechten arabischen Vorlage als schwieriges Unterfangen erweist undnur unter Hinzuziehung der entsprechenden Kommentarliteratur (Alexandervon Aphrodisias Avicenna und Averroes) vollendet werden kann45

In dem Vermittlungsprozess der antiken griechischen bzw arabisch-isla-mischen Philosophie und Wissenschaften kommt den hebraumlischen Uumlberset-zern eine zentrale Rolle zu46 Da Maimonides aristotelische Philosophie zumParadigma des Philosophierens erklaumlrt hat besteht das vornehmliche Interes-se der Uumlbersetzer darin die Werke des Aristoteles oder seiner Kommentato-ren ndash wie Alexander von Aphrodisias Themistius und schlieszliglich Averroes ndasheinem hebraumlisch-sprachigen Publikum zugaumlnglich zu machen47 Dagegen fin-den interessanterweise andere zentrale Schriften der arabisch-islamischenPhilosophietradition wie etwa Avicennas Buch der Genesung (arab Kitābaš-šifāʼ lat Liber de philosophia prima sive scientia divina) anfangs kaumBeachtung

1255 uumlbersetzt schlieszliglich Moses ben Samuel ibn Tibbon (um 1200ndash1283) Samuel ibn Tibbons Sohn Themistiusrsquo Kommentar zum 12 Buch(Lambda) der Metaphysik aus dem Arabischen ins Hebraumlische ferner exis-tiert eine Uumlbersetzung von Al-Fārābīs Kommentar Buch bezuumlglich der Ab-sichten des Aristoteles im Buch der Metaphysik (arab Kitāb fi aghrāḍ Aristofī kitāb mā baʽd at-tabī ʽa) die anonym unter dem Titel Be-khavvanot Aristobe-sifro mah she-akhar ha-tevaʽ erschien

Wenngleich Maimonides in seinem Brief an Ibn Tibbon angibt die Schrif-ten seines Landsmannes und Zeitgenossen Averroes (1126ndash1198) nur ober-flaumlchlich rezipiert zu haben dieser aber als die beste Quelle zum Verstaumlndnisder aristotelischen Schriften gilt etabliert sich im Zuge der Uumlbersetzung ausdem Arabischen ins Hebraumlische jenes Phaumlnomen welches man allgemeinhin

Freudenthal (Hrsg) Science in Medieval Jewish Cultures Cambridge 2012 217ndash229 hier224ndash226

45 Vgl A Ravitzky Aristotlersquos Meteorology and the Maimonidean Modes of Interpreting theAccount of Creation Aleph 8 2008 361ndash400 urspruumlnglich erschienen auf Hebraumlisch inJerusalem Studies in Jewish Thought 9 2 1990 The Shlomo Pines Jubilee Volume 225ndash250 [nachgedruckt in A Ravitzky Maimonidean Essays Jerusalem 2006 139ndash156]

46 Siehe hierzu u a A L Ivry Philosophical Translations from the Arabic into Hebrew duringthe Middle Ages in J HarmesseM Fattori (Hrsg) Rencontres de cultures dans la philoso-phie medieval Louvain-la-Neuve 1990 167ndash186 G Freudenthal Les sciences dans lescommunauteacutes juives meacutedieacutevales de Provence Leur appropration leur rocircle Revue des Etu-des Juives 152 1993 29ndash136

47 Vgl S Harvey Arabic into Hebrew The Hebrew Translation Movement and the Influenceof Averroes upon Jewish Thought in FrankLeaman Medieval Jewish Philosophy (wieAnm 12) 258ndash280 hier 262

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 117

als bdquojuumldischen Averroismusldquo bezeichnet48 So liegen etwa von Averroesrsquo Mitt-lere(m) Kommentar zur Metaphysik gleich drei hebraumlische Versionen vor1258 uumlbersetzt durch Moses ibn Tibbon 1284 von dem Maimonidianer Ze-rachiah ben Shealtiel Chen (vor 1290) in Rom unter dem Titel Mah she-achar ha-tevaʽ und schlieszliglich 1317 von Kalonymus ben Kalonymus aus Ar-les (1286-nach 1328) Dessen Lehrer Moses Lewi ben Salomon von Beau-caire (1 Haumllfte 14 Jh) hat wiederum eine Uumlbersetzung von Averroesrsquo LangerKommentar zur Metaphysik erstellt von der allerdings nur einige wenigehebraumlische Fragmente existieren49

Die besondere Attraktivitaumlt die die averroistische Lehre fuumlr mittelalterli-che juumldische Denker ausmacht erklaumlrt sich durch die fuumlr Averroes moumlglicheVereinbarkeit von Vernunft und religioumlser Erkenntnis was sich in besondersradikaler Form in Isaak Albalags (2 Haumllfte 13 Jh) Buch der Berichtigungder Glaubensmeinungen (hebr Sefer tikkun ha-deʽot) zum Ausdruckkommt50 Das Werk ist im Grunde genommen ein Kommentar zu Al-ĠazālīsAbsichten der Philosophen das Albalag aus dem Arabischen ins Hebraumlischeuumlbersetzte und welches fuumlr ihn die wahre Meinung Al-Ġazālīs repraumlsentiertAlabalag vertritt darin allerdings weniger die Lehre bdquodoppelter Wahrheitldquowie ihm haumlufig zugeschrieben wird sondern beabsichtigt in letzter Konse-quenz eine radikale Trennung von Philosophie und Religion herbeizufuumlhrenso dass die intensiv gefuumlhrten Auseinandersetzungen bezuumlglich Vernunft- undOffenbarungswissen welche wesentlich den philosophischen Diskurs im mit-telalterlichen Judentum ausmachen und praumlgen im Grunde genommen philo-sophisch voumlllig irrelevant sind51 Nach Albalags Verstaumlndnis ist die Aufgabeder Philosophie die theoretischen Wahrheiten zu ergruumlnden waumlhrend dieReligion die praktische Lebensfuumlhrung zum Gegenstand hat Folglich hat Al-balag als bdquojuumldischer Philosophldquo auch keinerlei Schwierigkeiten damit gegenMaimonides fuumlr die Ewigkeit der Welt zu argumentieren52

Eine gemaumlszligigtere Haltung nimmt Lewi ben Gershon (lat Gersonides1288ndash1344) ein53 Dessen Kriege des Herrn (hebr Milchamot ha-Shem) kann

48 O Leaman Jewish Averroism in S H NasrO Leaman (Hrsg) History of Islamic Philo-sophy London 1996 769ndash780

49 Vgl A S HalkinA Saacuteenz-Badillos Translation and Translators in M BerenbaumF Skol-nik (Hrsg) Encyclopaedia Judaica 2nd edition Bd 20 Detroit 2007 94ndash102 hier 97

50 Vgl G Vajda Isaac Albalag ndash Averroiste juif traducteur et annotateur drsquoAl-Ghazali Paris1960

51 Vgl S Feldman An Averroist Solution to a Maimonidean Perplexity Maimonidean Studies4 2000 15ndash30

52 E Schweid The Classic Jewish Philosophers From Saadia Through the Renaissance Leiden2008 321

53 Vgl G Freudenthal (Hrsg) Studies on Gersonides A Fourteenth-Century Jewish Philoso-pher-Scientist Leiden 1992 S Feldman Gersonides Judaism Within the Limits of ReasonPortlandOregon 2010

118 Frederek Musall

als ein kritischer Kommentar zu Maimonidesrsquo Wegweiser fuumlr die Verwirrtenverstanden werden Auch Lewi ben Gershon versucht sich an einer Synthesevon aristotelischer Philosophie und juumldischen Glaubensvorstellungen jedocherweist er sich in vielen Punkten als konsequenterer Aristoteliker als seinVorbild Maimonides Anders als Isaak ist Albalag jedoch auch kein radikalerAverroist was ihm erlaubt durchaus eigenstaumlndige Positionen zu vertretenBeispielsweise versucht er die widerspruumlchlichen Ansichten des Aristotelesund des Maimonides bezuumlglich der goumlttlichen Vorhersehung (nach Aristotelesist es unmoumlglich dass Gott Kenntnis uumlber die Einzeldinge haben kann waumlh-rend eben dies nach der in eine allgemeine und eine spezielle Vorhersehungunterteilten Vorhersehungslehre des Maimonides durchaus moumlglich ist) da-durch nahezubringen indem er argumentiert dass Gott die Einzeldinge auf-grund ihrer Ordnung kennen kann54

Ein weiterer prominenter Vertreter dieser Stroumlmung ist schlieszliglich MosesNarboni (um 1300ndash1362)55 der in seinem Kommentar zum Wegweiser fuumlrdie Verwirrten (hebr Biʼur le-moreh nevukhim) Maimonides konsequent imSinne des Averroes interpretiert und sich insbesondere gegen die neuplato-nisch-avicennistischen Tendenzen im maimonidischen Denken richtet56

IV Die weitere Verbreitung der aristotelischen Lehrenbis zum 15 Jahrhundert

Es sind aber nicht nur Uumlbersetzungen und Kommentarliteratur die zu einerweiten Verbreitung der aristotelischen Lehren beitragen Im Verlauf des13 Jahrhunderts finden Bestrebungen statt mittels wissenschaftlicher Enzy-klopaumldien das philosophische Wissen zu popularisieren57 Jehudah ben Salo-

54 Vgl N M Samuelson Gersonidesrsquo Account of Godrsquos Knowledge of Particulars Journalof the History of Philosophy 10 1972 399ndash416 T M Rudavsky Divine OmniscienceContingency and Prophecy in Gersonides in Dies (Hrsg) Divine Omniscience and Omni-potence in Medieval Philosophy Dordrecht 1984 161ndash181 S Klein-Braslavy Determi-nism Possibility Choice and Foreknowledge in Ralbag Darsquoat 22 1989 4ndash53 C H Man-kin On the Limited-Omniscience Interpretation of Gersonidesrsquo Theory of Divine Knowl-edge in E R WolfsonA L IvryA Arkush (Hrsg) Perspectives on Jewish Thought andMysticism Amsterdam 1998 135ndash170

55 Vgl M-R Hayoun La Philosophie et la theacuteologie de Moiumlse de Narbonne Tuumlbingen 198956 Vgl H A Davidson Averroes and Narboni on the material intellect AJS Review 9 1984

175ndash18457 Vgl S Harvey (Hrsg) Mediaeval Hebrew Encyclopedias of Science and Philosophy Am-

sterdam 2007 bezuumlglich der Rezeption der Metaphysik im Rahmen dieser enyklopaumldischenProjekte siehe darin M Zonta The place of Aristotelian metaphysics in the thirteenth-century 414ndash426

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 119

mon ha-Kohen Matkah (1 Haumllfte 13 Jh) praumlsentiert in seiner Erlaumluterungder Wissenschaft (hebr Midrash ha-chokhmah) eine erste systematische Dar-stellung der aristotelischen Physik und Metaphysik in averroistischer Deu-tung58 Um 1270 legt der spanische Maimonides-Kommentator und Uumlberset-zer Shem Tov ben Josef ibn Falaquera (um 1225ndashum 1295) unter dem TitelMeinungen der Philosophen (hebr Deʽot ha-filosofim) eine enzyklopaumldischeTextsammlung vor die eigens von ihm aus dem Arabischen ins Hebraumlischeuumlbersetzte Auszuumlge aus den naturwissenschaftlichen und metaphysischenWerken von Aristoteles und seinen Kommentatoren (u a Alexander vonAphrodisias Themistius Al-Fārābī Avicenna Averroes) enthaumllt und damitals umfassendes Kommentarwerk zur aristotelischen Philosophie fungiert59

Ein aumlhnliches bdquoaufklaumlrerischesldquo Vorhaben verfolgt auch Lewi ben Abrahamben Chajim von Villefranche (1235-nach 1305) mit seinem enzyklopaumldischenWerk Strophen uumlber Broschen und Anhaumlnger (hebr Battei ha-nefesh ve-le-chashim) in welchem er sich in zehn Buumlchern mit Fragen der Ethik LogikbdquoSchoumlpfungs[-werk]ldquo (hebr maʽaseh bereshit) Psychologie bdquoThronwagen[-vision]ldquo (hebr maʽaseh merkavah) Prophetie Mathematik Physik Astrono-mie und Astrologie sowie Metaphysik im Sinne des Maimonides auseinander-setzt60

Zudem finden die auf der aristotelischen Philosophie basierenden wissen-schaftlichen Erkenntnisse auch in den mittelalterlichen juumldischen Bibelkom-mentaren Niederschlag wie etwa bei Zerachiah ben Shealtiel Chen Immanu-el ben Salomon von Rome (1261ndashnach 132835) oder Jehuda Romano61 (um1293ndashnach 1330) in Italien oder auch bei eher der aufkommenden Kabbalahzugewandten Denkern wie Isaak ibn Latif (um 1210ndash1280) und Moses benNachman (lat Nachmanides 1194ndash1270)62

58 Vgl R Fontaine The first survey of the Metaphysics in Hebrew in R FontaineR GlasnerR LeichtG Veltri (Hrsg) Studies in the History of Science and Culture A Tribute to GadFreudenthal Leiden 2011 265ndash282 dies The early reception of Aristotle through Averroesin medieval Jewish philosophy the case of the Midrash ha-Hokhmah in A M I VanOppenraaij (Hrsg) The Letter before the Spirit The importance of text editions for thestudy of the reception of Aristotle (Aristoteles Semitico-Latinus) Leiden 2012 211ndash226

59 Vgl S Harvey Shem-Tov Falaquerarsquos Deʽot ha-filosofim Its Sources and Use of Sourcesin Ders (Hrsg) Mediaeval Hebrew Encyclopedias of Science and Philosophy Amsterdam2007 191ndash210

60 Vgl W Z Harvy Levi ben Abraham of Villefranchersquos Controversial Encyclopedia inS Harvey (Hrsg) Mediaeval Hebrew Encyclopedias of Science and Philosophy Amster-dam 2007 171ndash178

61 Vgl C Rigo The Beʽurim on the Bible of Rabbi Jehudah Romano ndash The PhilosophicalMethod which comes out of them their Sources in Jewish Philosophy and in ChristianScholasticism Dissertation 2 Bde Jerusalem 1996

62 Vgl J T Robinson Philosophy and Science in Mediaeval Jewish Commentaries on theBible in Freudenthal Science in Medieval Jewish Cultures (wie Anm 44) 454ndash475

120 Frederek Musall

Mit dem Aufkommen der sogenannten bdquohebraumlischen Scholastikldquo die imVerlauf des 14 und 15 Jahrhunderts in Italien und Spanien entsteht und denauf den Kommentaren des Averroes basierenden juumldischen Aristotelismus alszentrales Modell des juumldischen Philosophierens abloumlst entwickelt und etab-liert sich ein auf anderen philosophischen Voraussetzungen gruumlndender Zu-gang zur aristotelischen Philosophie63 Thomas von Aquin und William vonOckham treten hier nun an die Stelle von Maimonides und insbesondereAverroes Vorlaumlufer dieser Bewegung ist Hillel ben Samuel ben Elazar vonVerona (um 122030ndash1295) dessen Buch vom Lohn der Seele (hebr Sefertagmulei ha-nefesh) von christlichen Philosophen wie Dominicus GundisalviAlbertus Magnus und Thomas von Aquin beeinflusst ist64 Hillel verteidigtzwar waumlhrend des Maimonides-Streits von 1289ndash90 die philosophische Leh-re des Maimonides tritt zugleich aber als ein entschiedener Gegner der aver-roistischen Position auf wie sie von seinem Freund Zerachiah ben ShealtielChen aus Rom vertreten wird65

Ein verstaumlrktes Interesse an den philosophischen Diskursen der lateini-schen Scholastik fuumlhrt zu einer zweiten Uumlbersetzungsbewegung diesmal ausdem Lateinischen ins Hebraumlische66 Unter den zahlreichen Schriften die Jehu-da Romano aus dem Lateinischen ins Hebraumlische uumlbersetzt67 befindet sichauch der Metaphysikkommentar von Alexander Bonini von Alessandria (um1270ndash1314)68 Der Spanier Elijah ben Josef Chabillo (oder Habillo taumltig um

63 Vgl M Zonta Hebrew Scholasticism in the Fifteenth Century A History and Source Book(Amsterdam Studies in Jewish Thought) Dordrecht 2006 1 siehe auch T M RudavskyThe Impact of Scholasticism upon Jewish Philosophy in the fourteenth and fifteenth centu-ries in FrankLeaman Medieval Jewish Philosophy (wie Anm 12) 345ndash370

64 Vgl Y Schwartz Die Seelenlehre des Hillel aus Verona Aristotelische Psychologie zwischenMaimonismus und Thomismus in M Lutz-BachmannA FidoraP Antolic (Hrsg) Er-kenntnis und Wissenschaft Probleme der Epistemologie in der Philosophie des MittelaltersKnowledge and Science Problems of Epistemology in Medieval Philosophy Berlin 2004253ndash264 ders Einleitung in Y Schwartz (Hrsg u Uumlbers) Hillel von Verona Die Vollen-dung der SeeleTagmule ha-nefesh Freiburg i Br 2009 9ndash48

65 Vgl A Ravitzky The Thought of R Zerahiah b Isaac b Shealtiel Hen and the Maimoni-dean-Tibbonian Philosophy in the 13th Century Dissertation Jerusalem 1977

66 Vgl G Freudenthal Arabic and Latin Cultures as Resources for the Hebrew TranslationMovement Comparative Considerations Both Quantitative and Qualitative in DersScience in Medieval Jewish Cultures (wie Anm 44) 74ndash105 Siehe ferner auch die Arbeitender internationalen Forschergruppe bdquoLatin into Hebrew ndash Intercultural Networks in 13th

and 14th Century Europeldquo unter httpgrupsderecercauabcatlatintohebrew67 Vgl W Z Harvey Knowledge of God in Aquinas Judah Romano and Crescas Jerusalem

Studies in Jewish Thought 14 1998 223ndash238 S Pines Scholasticism after Thomas Aqui-nas and the Teachings of Hasdai Crescas and His Predecessors Proceedings of the IsraelAcademy of Science and Humanities I 10 1967 1ndash101

68 Vgl C Rigo Yehudah b Mosheh Romano traduttore degli Scolastici latini Henoch 171995 141ndash170 insb 161ndash164

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 121

1465ndash1480) uumlbersetzt die Quaestiones super XII libros Metaphysicorum desDuns Scotus-Schuumllers Antonius Andreas (um 1280ndash1320) und besorgt eineUumlbersetzung des Buches I (Alpha major) der Metaphysik auf Grundlage derlateinischen Uumlbersetzung von William von Moerbeke (1215ndash1286) Um 1485fertigt schlieszliglich Baruch b Jaʽish (taumltig um 1480ndash1490) ebenfalls eine aufdem Text von William von Moerbeke basierende hebraumlische Uumlbersetzung derBuumlcher IndashXII der Metaphysik fuumlr Samuel Sarfati (gest 1519) Gemeindevor-stand der juumldischen Gemeinde von Rom und Leibarzt Papst Clemens VII(reg 1523ndash1534) an69 Und Thomas von Aquins Commentarii in Metaphysi-cam Aristotelis wird schlieszliglich 1490 von Abraham Nechemiah ben Josef(Ende 15 Jh) ins Hebraumlische uumlbertragen Neben den Uumlbersetzungen entste-hen auch von der lateinischen Scholastik gepraumlgte Kommentare wie das vondem spanisch-juumldischen Philosophen Abraham ben Shem Tov Bibago (oderBibag taumltig um 1446ndash1489) verfasste Kommentar zu Averroesrsquo Mittlere(m)Kommentar zur Metaphysik welcher wiederum auf der hebraumlischen Uumlberset-zung von Kalonymus ben Kalonymus beruht70

Mit dem Aufkommen der verstaumlrkt wieder neuplatonische Elemente auf-greifenden Kabbalah etabliert sich eine weitere intellektuelle juumldische Alter-native die mit dem juumldischen Aristotelismus (insbesondere averroistischerPraumlgung) in Konkurrenz tritt71 Dieser Diskurs spiegelt sich exemplarischauch in dem komplexen dogmatischen Werk Licht des Herrn (hebr Or Ha-shem) von Chasdai Kreskas (um 1340ndash141011) wieder der in seinem Den-ken sowohl aristotelische scholastische und kabbalistische Elemente verar-beitet72 Kreskasrsquo erklaumlrte Absicht ist es die juumldische Religion von dem aristo-telischen Weltbild zu befreien an das sie seiner Meinung nach Maimonidesin dem einleitenden Buch der Erkenntnis (hebr Sefer ha-maddaʽ) seines Reli-gionskodex Wiederholung der Lehre (hebr Mishneh Torah) gebunden hatTrotz seiner innovativen Kritik der aristotelischen Physik in der er die Exis-

69 Vgl M Steinschneider Die hebraumlischen Uumlbersetzungen des Mittelalters und die Juden alsDolmetscher Berlin 1893 (Neudruck Graz 1956) 157 f zu Baruch ibn Jaʽish siehe auchZonta Hebrew Scholasticism (wie Anm 63) 109ndash115

70 Vgl Steinschneider Die hebraumlischen Uumlbersetzungen (wie Anm 69) 168ndash171 Zonta He-brew Scholasticism (wie Anm 63) 36

71 Vgl H Tirosh-Samuelson Kabbalah and Science in the Middle Ages Preliminary Remarksin Freudenthal Science in Medieval Jewish Cultures (wie Anm 44) 476ndash510

72 Vgl H A Wolfson Crescas Critique of Aristotle CambridgeMassachusetts 1929 W ZHarvey Physics and Metaphysics in Hasdai Crescas Amsterdam 1998 J T RobinsonHasdai Crescas and anti-Aristotelianism in FrankLeaman Medieval Jewish Philosophy(wie Anm 12) 391ndash413 bezuumlglich seiner kabbalistischen Einfluumlsse siehe W Z HarveyKabbalistic Elements in Crescasrsquo Light of the Lord Jerusalem Studies in Jewish Thought 21982 75ndash109 N Ophir The Secret of the Kaddish ndash A Kabbalistic Text Attributed to RavHasdai Crescas Daʽat 46 2001 13ndash28

122 Frederek Musall

tenz des Vakuums beweist erweist sich Kreskas bezuumlglich der Methoden sei-ner Kritik als noch zu tief im juumldischen Aristotelismus verwurzelt um dieintendierte Abkehr davon zu vollziehen

Als letzter bedeutender Vertreter eines juumldischen Aristotelismus gilt derjuumldische Renaissance-Philosoph Elijah Delmedigo (ca 1458ndash93)73 der alsPrivatlehrer und Uumlbersetzer in Diensten von Giovanni Pico della Mirandola(1463ndash1494) stand Allerdings konnte er dessen Revitalisierung der platoni-schen Philosophie sowie den diesbezuumlglichen Harmonisierungsbestrebungenmit der aristotelischen Philosophie nur wenig abgewinnen

Allerdings wird sein von Averroesrsquo Maszliggebliche(r) Abhandlung (arabFasl al-maqāl) beeinflusstes philosophisches Hauptwerk Pruumlfung des Glau-bens (hebr Bechinat ha-dat) welches die Frage der Vereinbarkeit von Philo-sophie und juumldischem Religionsgesetz zum Gegenstand hat spaumlter von Ba-ruch Spinoza (1632ndash1677) aufgegriffen74

V Fazit

Zusammenfassend laumlsst sich festhalten dass die Metaphysik des Aristotelestiefe Spuren in der mittelalterlichen juumldischen Philosophie hinterlassen hatwenngleich sie meistens in Form von Kommentarliteratur und Paraphrasenrezipiert wurde die dann spaumlter auch vom Arabischen ins Hebraumlische uumlber-tragen wurden Erst mit dem Aufschwung der bdquohebraumlischen Scholastikldquokommt es verstaumlrkt zu direkten Uumlbersetzungen aus dem Lateinischen diehaumlufig als Auszuumlge in die mittelalterlichen juumldischen Enzyklopaumldien eingear-beitet werden Wenngleich Maimonides als maszliggeblicher Initiator und seinUumlbersetzer Samuel ibn Tibbon als Katalysator eines juumldischen Aristotelismusausgemacht werden koumlnnen existieren seit dem Ende des 13 Jahrhundertszwei unterschiedliche Rezeptionslinien der aristotelischen Philosophie eine

73 Vgl A L Ivry Remnants of Jewish Averroism in the Renaissance in Cooperman B D(Hrsg) Jewish Thought in the Sixteenth Century CambridgeMassachusetts 1983 243ndash265 A L Motzkin Elia del Medigo Averroes and Averroism Italia 6 1987 7ndash20 K PBland Elijah Del Medigo Unicity of Intellect and Immortality of Soul Proceedings of theAmerican Academy for Jewish Research 61 1995 1ndash22 C Fraenkel Reconsidering theCase of Elijah Delmedigorsquos Averroism and its Impact on Spinoza in A A AkasoyGGiglioni (Hrsg) Renaissance Averroism and its Aftermath Arabic Philosophy in EarlyModern Europe Dordrecht 2013 213ndash236

74 Vgl C Fraenkel Der Status der Theologie Von der Magd der Philosophie zu einer unab-haumlngigen Disziplin im Renaissance-Averroismus und bei Spinoza in H Busche (Hrsg)Departure for Modern Europe A Handbook of Early Modern Philosophy (1400ndash1700)Hamburg 2011 564ndash576

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 123

die sich an den Kommentaren des Averroes orientiert und die andere an denAutoren der lateinischen Scholastik Jedoch entsteht im 13 Jahrhundert inSpanien mit der Kabbalah ein konkurrierendes und dem Selbstanspruch nachgenuines Modell juumldischen Philosophierens das in den folgenden Jahrhun-derten zunehmend an Bedeutung gewinnt Auch die juumldischen Renaissance-Philosophen nach Elijah del Medigo wenden sich anderen philosophischenStroumlmungen hin75

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Zonta M Maimonidesrsquo Knowledge of Avicenna Some Tentative Conclusi-ons About a Debated Question in G Tamer (Hrsg) The Trias of Mai-monidesDie Trias des Maimonides Jewish Arabic and Ancient Cultureof KnowledgeJuumldische arabische und antike Wissenskultur (Studia Ju-daica Bd 3) Berlin 2005 211ndash222

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Zonta M Hebrew Scholasticism in the Fifteenth Century A History andSource Book (Amsterdam Studies in Jewish Thought) Dordrecht 2006

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritikdes Dominicus Gundissalinus (ca 1150)

Alexander Fidora

I Einfuumlhrung

Fuumlr die Geschichte der Metaphysik am Vorabend der Aristoteles-Rezeptionist Dominicus Gundissalinus aus zwei Gruumlnden von zentraler Bedeutung

Zum einen uumlbersetzte der Toledaner Gelehrte in der Mitte des 12 Jahr-hunderts eine Reihe metaphysisch hoch relevanter Texte aus dem Arabischenins Lateinische namentlich Ibn Gabirols Fons vitae al-Ġazālīs Summa theo-ricae philosophiae d h die Maqāsid al-falāsifa sowie vor allem AvicennasLiber de philosophia prima sive scientia divina aus dessen Kitāb aš-šifāʾ

Zum anderen befasste sich Gundissalinus auch in seinen eigenstaumlndigenWerken mit spezifischen metaphysischen Fragen so z B in seiner Schrift Deprocessione mundi die in Auseinandersetzung mit lateinischen und arabisch-juumldischen Autoren einen beeindruckenden kosmologischen Entwurf vorlegt1

sowie ferner in dem lange Zeit dem Boethius zugeschriebenen KurztraktatDe unitate et uno in dem Gundissalinus in Orientierung an Ibn Gabirol seineLoumlsung des Form-Materie-Problems entwickelt2

Die systematischste Behandlung der Metaphysik qua Wissenschaft findetsich freilich in seiner wirkmaumlchtigen Enzyklopaumldie De divisione philosophi-ae3 die ausdruumlcklich zwischen theologischem und philosophischem Wissen

1 Nicht von Ungefaumlhr hat De processione mundi in den vergangenen Jahren viel Aufmerksam-keit erfahren und liegt unterdessen in einer kritischen Edition mit spanischer Uumlbersetzungvon M J Soto Bruna und C Alonso del Real (De processione mundi Pamplona 1999)sowie in einer englischen Uumlbersetzung von J A Laumakis (The Procession of the WorldMilwaukee 2002) vor

2 Eine deutsch-lateinische Ausgabe des Textes findet sich in A FidoraA Niederberger VomEinen zum Vielen ndash Der neue Aufbruch der Metaphysik im 12 Jahrhundert Frankfurt amMain 2002 66ndash79

3 Dominicus Gundissalinus De divisione philosophiae ndash Uumlber die Einteilung der Philosophie(Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters Bd 11) hrsg v A FidoraD WernerFreiburg i Br 2007

132 Alexander Fidora

unterscheidet um sich exklusiv Letzterem zu widmen4 Auch fuumlr diese Schriftbilden arabisch-juumldische Quellen den Hintergrund namentlich al-Fārābī Avi-cenna und al-Ġazālī die mit den maszliggeblichen Quellen der lateinischen Tra-dition v a boethianischer Provenienz zusammengebracht werden Dabeigruumlndet die philosophiegeschichtliche Bedeutsamkeit von De divisione philo-sophiae v a darin dass das Werk mit seiner Synthese eine Vielzahl neuerWissenschaften in die lateinische Philosophie einfuumlhrt etwa die Politik aberv a die Metaphysik die Gundissalinus als erster (lateinischer) Denker alsTitel einer Disziplin und nicht eines Werkes versteht Charakteristisch fuumlrseine Darstellung der Wissenschaften zumal der Metaphysik ist sein dezi-diertes Interesse daran wie sich Selbstaumlndigkeit und wechselseitiger Zusam-menhang der verschiedenen Disziplinen zugleich denken lassen5

Die folgenden Ausfuumlhrungen strukturieren sich entsprechend in drei Tei-le ein erster begriffsgeschichtlicher Anlauf soll zeigen wie Gundissalinus dieMetaphysik erstmalig als Titel einer Disziplin interpretiert ein zweiter Schrittanalysiert die wissenschaftstheoretische Grundlegung der Metaphysik alsselbstaumlndiger Wissenschaft im Metaphysik-Kapitel von De divisione philoso-phiae mit einem besonderen Blick auf Gundissalinusrsquo Kritik an der Theolo-gik des 12 Jahrhunderts ein dritter Schritt ruumlckt schlieszliglich einen zentralenwenngleich kaum beachteten Text aus der Divisionsschrift in den Fokus desInteresses naumlmlich eine von Gundissalinus in sein Werk inkorporierte Uumlber-setzung aus Avicennas Kitāb al-burhān worin die diffizile Frage der Unter-ordnung der uumlbrigen philosophischen Disziplinen unter die Metaphysik ver-handelt wird

II Dicitur metaphysica id est post naturam

Wie allgemein bekannt wurde der Titel μετὰ τὰ φυσικά von Andronikos vonRhodos in seiner um die Mitte des 1 Jahrhunderts vor Christus besorgtenEdition des aristotelischen Corpus eingefuumlhrt um jene Buumlcher zu bezeichnenderen Inhalt Aristoteles selbst unter den Begriff der Weisheit oder der ersten

4 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 54 Honesta autem scientia alia est divina aliahumana Divina scientia dicitur quae Deo auctore hominibus tradita esse cognoscitur []Humana vero scientia appellatur quae humanis rationibus adinventa esse probatur ut om-nes artes quae liberales dicuntur

5 Vgl zu Gundissalinusrsquo Wissenschaftstheorie wie sie in De divisione philosophiae entwickeltwird A Fidora Die Wissenschaftstheorie des Dominicus Gundissalinus ndash Voraussetzungenund Konsequenzen des zweiten Anfangs der aristotelischen Philosophie im 12 JahrhundertBerlin 2003

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 133

Philosophie bzw Theologik stellte μετὰ τὰ φυσικά bezeichnete so zunaumlchstden bibliographischen Ort eines Textzusammenhangs den Andronikos vonRhodos nach den Buumlchern der Physik edierte

Die spaumltantike griechische Tradition von Alexander von Aphrodisiasuumlber Themistius bis Ammonios blieb dieser bibliographischen Traditiontreu Mehr noch Auch auszligerhalb des griechischen Schrifttums sollte die Be-zeichnung μετὰ τὰ φυσικά im Sinne dessen was in der editorischen Dispositi-on nach der Physik kommt dominant bleiben dies gilt sowohl fuumlr den latei-nischen Kulturraum als auch fuumlr die arabische falsafa6

Bei Boethius etwa dem fuumlr die fruumlhe lateinische Metaphysik-Traditionmaszliggeblichen Autor tritt der Ausdruck μετὰ τὰ φυσικά vier Mal in Erschei-nung davon zwei in seinem Kommentar zu De interpretatione und zwei inseinem Kategorien-Kommentar In allen vier Faumlllen wird die Bezeichnung desAndronikos von Rhodos den Boethius verehrungsvoll als bdquogenauen undsorgfaumlltigen Richter und Sammler der Buumlcher des Aristotelesldquo apostrophiert7

bdquoagrave la lettreldquo uumlbernommen und zwar nicht im Sinne des Namens einer Diszip-lin sondern als rein bibliographische Sammelbezeichnung fuumlr die metaphysi-schen Buumlcher8

Dort wo Boethius hingegen die Metaphysik als Wissenschaft adressiertbedient er sich konsequent eines anderen Begriffs naumlmlich desjenigen derTheologie So heiszligt es etwa in seinem Porphyrios-Kommentar dass es dreitheoretische Wissenschaften gibt naumlmlich die Naturwissenschaft die Mathe-matik sowie eine dritte welche sich mit der speculatio dei und der considera-tio animi befasst quam partem graeci θεολογiacuteαν nominant9 Letztere Bezeich-nung im Porphyrios-Kommentar in griechischen Buchstaben findet sich lati-

6 Die folgenden Ausfuumlhrungen zur Genealogie des Begriffs der Metaphysik schlieszligen eng andie leider viel zu wenig bekannten Arbeiten von I Peacuterez Fernaacutendez an vgl I Peacuterez Fernaacuten-dez Verbizacioacuten y nocionizacioacuten de la metafiacutesica en la tradicioacuten siro-aacuterabe Pensamiento31 1975 245ndash271 ders Verbizacioacuten y nocionizacioacuten de la metafiacutesica en la tradicioacutenlatina Estudios filosoacuteficos 24 1975 161ndash222 sowie zusammenfassend ders Influjo delaacuterabe en el nacimiento del teacutermino latino-medieval metaphysica in S Goacutemez Nogales(Hrsg) Actas del V Congreso Internacional de Filosofiacutea Medieval 2 Bde Madrid 1979hier Bd 2 1099ndash1107

7 Boethius Commentarii in librum Aristotelis ΠΕΡΙ HERMENEIAΣ hrsg v C Meiser Leip-zig 18761880 I 11 exactum diligentemque Aristotelis librorum et iudicem et repertorem

8 Vgl Boethius In Categorias Aristotelis (MPL 64) III 252 u 262 Quae vero hic desuntin libros qui μετὰ τὰ φυσικά inscribuntur [Aristoteles] apposuit und De omnibus [praedi-camentis] quidem altius subtiliusque in his libris quos μετὰ τὰ φυσικά vocavit exquiriturSowie Boethius Commentarii in librum Aristotelis ΠΕΡΙ HERMENEIAΣ (wie Anm 7) II5 102 (1880) Et de eo disputat [Aristoteles] in his libris quos μετὰ τὰ φυσικά inscripsitquod est opus philosophi primum I 5 74 (1876) Quae autem causa sit ut una sit ipse[Aristoteles] discere distulit sed in libris eius operis quod μετὰ τὰ φυσικά inscribitur expe-diet

9 Boethius In Isagogen Porphyrii commenta hrsg v S Brandt Leipzig 1906 ed prima I 3 8

134 Alexander Fidora

nisiert in Boethiusrsquo Opuscula sacra wieder genauerhin in der bekanntenEinteilung der theoretischen Wissenschaften aus dem Trinitaumltstraktat wo esheiszligt [hellip] tres sint speculativae partes naturalis [hellip] mathematica [hellip]theologica10

Ganz klar zeigt sich so bei Boethius dass der Ausdruck μετὰ τὰ φυσικάin einem strikt bibliographischen Kontext seine Verwendung findet waumlhrendfuumlr die sachliche Diskussion der Gegenstaumlnde der metaphysischen Buumlcher deraristotelische Begriff der Theologie bzw Theologik reserviert ist Es ist dieseNomenklatur aus den Opuscula sacra die fuumlr die lateinischen Philosophenund Theologen der folgenden Zeit bis hin zur ersten lateinischen Uumlbersetzungder metaphysischen Buumlcher im 12 Jahrhundert durch Jakob von Venedig ndashund sogar noch daruumlber hinaus ndash Geltung behalten sollte Zu nennen sindhier vor allem die Chartreser Autoren ndash also Gundissalinusrsquo unmittelbareZeitgenossen ndash die in ihrer Boethius-Kommentierung ausfuumlhrlich auf die Me-taphysik als Wissenschaft eingehen dabei befleiszligigen sich Thierry von Char-tres Gilbert von Poitiers und Clarembald von Arras der boethianischen Ter-minologie und sprechen durchweg von theologi(c)a11

Diese hier nur skizzenhaft durchgefuumlhrte begriffsgeschichtliche Rekons-truktion der lateinischen Tradition weist erstaunliche Parallelen mit der ter-minologischen Entwicklung im arabischen Raum auf Aristotelesrsquo metaphysi-sche Buumlcher wurden fruumlher als im lateinischen Westen uumlbertragen Die ersteUumlbersetzung fertigte Astāt im 9 Jahrhundert im Auftrag al-Kindīs an einJahrhundert spaumlter folgte die Uumlbersetzung Ishāq ibn Hunains vermutlich aufder Grundlage der von seinem Vater angefertigten syrischen UumlbertragungAuf den Titel der Schrift beziehen sich die arabischen Autoren entweder intransliterierter Form als matātāfusīyqā oder aber in Uumlbersetzung als mā baʿdat-tabīʿa also das was nach der Natur ist Letztere Bezeichnung findet sichetwa in dem auch und gerade fuumlr die lateinische Tradition auszligerordentlichbedeutsamen Werk Kitāb ihsāʾ al-ʿulūm des al-Fārābī das von Gundissalinusins Lateinische uumlbersetzt wurde und explizit auf Aristotelesrsquo Kitāb fimā at-tabīʿa Bezug nimmt12 Zugleich jedoch und hierin liegt die bemerkenswerteParallele zwischen lateinischer und arabischer Tradition gelingt es diesenAdaptationen des griechischen μετὰ τὰ φυσικά nicht sich als Bezeichnung der

10 Boethius Die theologischen Traktate uumlbers eingel u mit Anm versehen v M ElsaumlsserHamburg 1988 tr I II 6 u 8

11 Vgl Thierry von Chartres Commentaries on Boethius by Thierry of Chartres and HisSchool hrsg v N M Haumlring Toronto 1971 bes II 27 163 Gilbert von Poitiers TheCommentaries on Boethius by Gilbert of Poitiers hrsg v N M Haumlring Toronto 1966bes II 9 80 sowie Clarembald von Arras Life and Works of Clarembald of Arras ATwelfth-Century Master of the School of Chartres hrsg v N M Haumlring Toronto 1965bes II 16 112

12 Vgl al-Fārābī Cataacutelogo de las ciencias hrsg v a Gonzaacutelez Palencia Madrid 21953 87

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 135

Wissenschaft zu etablieren von der die metaphysischen Buumlcher des Aristote-les handeln Hier setzt sich allmaumlhlich uumlber al-Kindī al-Fārābī bis zu Avicen-na der Begriff al-lsquoilm al-ilāhī durch also eben die Wissenschaft von den goumltt-lichen Dingen im Sinne von Aristotelesrsquo Theologik bzw der theologi(c)a derlateinischen Autoren So bezieht sich al-Fārābīs Kitāb ihsāʾ al-ʿulūm zwarwie soeben erwaumlhnt auf Aristotelesrsquo Kitāb fimā at-tabīʿa also auf das Buchdessen was nach der Natur kommt bezeichnet die entsprechende Wissen-schaft allerdings als al-lsquoilm al-ilāhī als Wissenschaft von den goumlttlichen Din-gen13

Die lateinische und arabische Rezeptionsgeschichte von Aristotelesrsquo Ers-ter Philosophie teilen damit das Geschick eines zweifachen Bezugs auf dieMetaphysik je nachdem ob es sich um Aristotelesrsquo so genannte Schrift han-delt oder aber um die in dieser entfaltete Wissenschaft Die Gruumlnde hierfuumlrkoumlnnen nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein allerdings gilt es anzu-merken dass in der aristotelischen Architektonik der Wissenschaften die bib-liographische Einordnung der metaphysischen Buumlcher nach der Physik unbe-friedigend oder doch zumindest kontingent ist denn die systematische Klassi-fikation der Wissenschaften anhand ihrer Objektbereiche positioniert dieMetaphysik klarerweise nach der Mathematik nicht nach der Physik Sogesehen ist es wahrscheinlich kein schierer Zufall dass sowohl die lateinischeals auch die arabische Tradition dem Begriff der Theologik trotz all seinerAmbivalenz zunaumlchst den Vorzug geben wenn es darum geht die Metaphy-sik als Wissenschaft anzusprechen

Dies ist der intellektuelle Hintergrund vor dem Gundissalinus um 1150seine Divisionsschrift verfasst ndash und nicht nur der passive Hintergrund viel-mehr sind die genannten Autoren und Diskussionszusammenhaumlnge nament-lich die Boethius-Rezeption der Chartreser einerseits sowie al-Fārābī und Avi-cenna andererseits die direkten Bezugsgroumlszligen in Auseinandersetzung mitdenen er seine Wissenschaftseinteilung entwickelt14

Umso bemerkenswerter ist es dass De divisione philosophiae den Ur-sprung der Metaphysik als Bezeichnung einer Wissenschaft markiert dennals solche findet sie sich weder in der griechischen noch in der lateinischenoder arabischen Tradition Es ist das Verdienst des Toledaner Gelehrten den

13 Ebd 8714 Gundissalinusrsquo Abhaumlngigkeit von arabischen Quellen ist unumstritten Weniger bekannt

ist seine Verbindung mit dem Chartreser Kontext bzw allgemein mit dem franzoumlsischenintellektuellen Milieu Und dies obwohl N M Haumlring hierauf schon vor geraumer Zeithingewiesen hat Thierry of Chartres and Dominicus Gundissalinus Mediaeval Studies 261964 271ndash286 vgl ferner meinen Beitrag Le deacutebat sur la creacuteation Guillaume de Conchesmaicirctre de Dominique Gundisalvi in B ObristI Caiazzo (Hrsg) Guillaume de ConchesPhilosophie et science au XIIe siegravecle Florenz 2011 271ndash288

136 Alexander Fidora

bibliographischen Titel μετὰ τὰ φυσικά so ins Lateinische gebracht zu habendass er zu einem weiblichen Substantiv des Singulars wird womit er sichden Bezeichnungen der uumlbrigen Wissenschaften wie Physik (physica) oderMathematik (mathematica) annaumlhert

So heiszligt es gleich zu Beginn seiner Divisionsschrift in deren Prolog

bdquoDer erste Teil der Einteilung aber heiszligt Physik (physica) oder Naturwis-senschaft (naturalis) welcher der erste und unterste ist der zweite [Teil]heiszligt Mathematik (mathematica) oder lernmaumlszligige Wissenschaft (discipli-nalis) welcher der mittlere ist der dritte [Teil] heiszligt Theologie (theolo-gia) erste Wissenschaft (scientia prima) erste Philosophie (philosophiaprima) oder Metaphysik (metaphysica) Und deswegen sagt Boethiusdass die Physik nicht abstrakt und mit Bewegung [verbunden] ist dieMathematik abstrakt und mit Bewegung [verbunden ist] die Theologiejedoch abstrakt und ohne Bewegung istldquo15

Ganz klar greift Gundissalinus hier die boethianische Einteilung der Wissen-schaften aus dessen Trinitaumltstraktat auf die er mit seiner Avicenna-Lektuumlreverbindet wie der Begriff der prima philosophia suggeriert den er aus seinerUumlbersetzung der Ersten Philosophie aus Avicennas Šhifārsquo uumlbernimmt16 Dochbringt er nicht nur beide Traditionsstraumlnge zusammen sondern uumlberbietetsie eben indem er den Begriff metaphysica als ein substantivum femininumformuliert

Dass es Gundissalinus mit der Bezeichnung der Ersten Philosophie alsmetaphysica im nicht-bibliographischen sondern sachlichen Sinne ernst istbestaumltigt ein Blick in das Metaphysik-Kapitel seiner Divisionsschrift Zwarsteht dieses unter dem traditionellen Titel De scientia divina doch heiszligt esauch hier hinsichtlich des Namens dieser Wissenschaft unmissverstaumlndlichwie folgt

bdquoWarum [diese Wissenschaft] so benannt ist Diese Wissenschaft wird aufviele Weisen benannt Sie heiszligt naumlmlich sbquogoumlttliche Wissenschaftlsquo (scientiadivina) von ihrem wuumlrdigeren Teil her weil sie von Gott fragt ob erexistiert und beweist dass er existiert Sie heiszligt sbquoerste Philosophielsquo (phi-losophia prima) weil sie die Wissenschaft von der ersten Ursache des

15 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 68 Prima autem pars divisionis dicitur scientiaphysica sive naturalis quae est prima et infima secunda dicitur scientia mathematica sivedisciplinalis quae est media tertia dicitur theologia sive scientia prima sive philosophiaprima sive metaphysica Et ob hoc dicit Boethius quod physica est inabstracta et cummotu mathematica abstracta et cum motu theologia vero abstracta et sine motu

16 Vgl Avicenna Liber de philosophia prima sive scientia divina hrsg v S van Riet 2 BdeLouvainndashLeiden 1977ndash1980 hier I 1 215 Et haec est philosophia prima quia ipsa estscientia de prima causa esse

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 137

Seins ist Sie heiszligt auch sbquoUrsache der Ursachenlsquo (causa causarum) weiles in ihr um Gott geht der die Ursache von allem ist Sie heiszligt auchsbquoMetaphysiklsquo (metaphysica) also sbquonach der Physiklsquo weil sie von demhandelt was nach der Natur kommtldquo17

Hier faumlllt nicht nur erneut der Begriff der metaphysica als Wissenschaft viel-mehr liefert Gundissalinus wiederum in Anlehnung an Avicenna18 auch dieentsprechende Begriffserklaumlrung die Metaphysik handelt von dem was nachder Natur kommt Klarerweise ist hierbei mit bdquonach der Naturldquo nicht derbibliographische Ort gemeint sondern der charakteristische Untersuchungs-bereich der Metaphysik Dass diese Begriffserklaumlrung letztlich fragwuumlrdig istund Gundissalinus besser daran getan haumltte seine Metaphysik als Antephysikzu deklarieren wie Th Kobusch zu Recht bemerkt hat19 braucht an dieserStelle nicht zu stoumlren Wichtig ist dass Gundissalinus den Begriff metaphysicadezidiert als Denomination einer Wissenschaft und nicht eines Buches ein-fuumlhrt und sich zugleich bemuumlht ihm eine angemessene Interpretation zu geben

Wie Gundissalinus zu dieser fuumlr die Geschichte der Metaphysik wegwei-senden Neubenennung der theologi(c)a kommt ist fraglich Die kurz vorseiner Divisionsschrift entstandene erste lateinische Uumlbersetzung der Meta-physik durch Jakob von Venedig duumlrfte ihm kaum bekannt gewesen seinund selbst wenn ist der handschriftliche Befund im Hinblick auf ihren Titelkeinesfalls eindeutig20 Naumlher liegt es zu vermuten dass Gundissalinus denBegriff der Metaphysik aus seiner Lektuumlre der boethianischen Kommentarezu den Kategorien und De interpretatione adaptierte21

17 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 102 Quare sic vocatur Multis modis haec scien-tia vocatur Dicitur enim sbquoscientia divinalsquo a digniori parte quia ipsa de Deo inquirit an sitet probat quod sit Dicitur sbquophilosophia primalsquo quia ipsa est scientia de prima causa esseDicitur etiam sbquocausa causarumlsquo quia in ea agitur de Deo qui est causa omnium Dicituretiam sbquometaphysicalsquo ie sbquopost physicamlsquo quia ipsa est de eo quod est post naturam

18 Vgl Avicenna Liber de philosophia prima (wie Anm 16) I 1 324 ipsa est de eo quod estpost naturam

19 Vgl Th Kobusch Die Philosophie des Hoch- und Spaumltmittelalters Muumlnchen 2011 15720 sbquoMetaphysicalsquo scheint zunaumlchst von Jakob von Venedig als neutrum pluralis verstanden

worden zu sein Vgl G Vuillemin-Diem Praefatio Wilhelm von Moerbekes Uumlbersetzungder aristotelischen Metaphysik (Aristoteles latinus XXV 31) Leiden 1995 31

21 Moumlglicherweise begegnete ihm der Titel in seinem Boethius-Manuskript schon in der unshier interessierenden kondensierten Form als metaphysica Wie naumlmlich mehrere Boethius-Handschriften aus der Zeit des Gundissalinus bezeugen hatten die Kopisten ihre Not mitdem Ausdruck meta ta physica Einige hielten den bestimmten Artikel fuumlr eine fehlerhafteDopplung und verkuumlrzten meta ta physica zu meta physica In diese Tradition gehoumlrt auchAbaelard der in seiner Dialectica sowie in seinen Glossen zu den Kategorien Boethiusrsquo zweioben erwaumlhnte Bezugnahmen auf die Buumlcher der meta ta physica aus dem Kategorien-Kommentar zitiert dabei allerdings den Ausdruck als metaphysica wiedergibt Ganz ohneAnknuumlpfungspunkt in der Tradition ist Gundissalinusrsquo Nomenklatur mithin nicht gleich-

138 Alexander Fidora

III Materia huius scientiae est ens

Mit Gundissalinusrsquo nomineller Abwendung von der Ersten Philosophie alstheologi(c)a und seiner Hinwendung zur metaphysica stellt sich freilich auchin verschaumlrfter wenn nicht sogar in gaumlnzlich neuer Weise die Frage nachihrem wissenschaftstheoretischen Status

Die Etablierung der Metaphysik als Wissenschaft in De divisione philo-sophiae gehorcht dem Schema das der Toledaner Gelehrte auch zur Bestim-mung der uumlbrigen Wissenschaften verwendet So wird die Metaphysik eben-so wie die weiteren Wissenschaften am Leitfaden der sogenannten διδασκα-λικά oder auch κεφάλαια entfaltet das sind Fragen die in der Tradition derspaumltantiken Aristoteles-Kommentare die Darstellung der einzelnen Wissen-schaften strukturieren22

Die fuumlr den lateinischen Raum maszliggebliche Version der διδασκαλικά gibtBoethius in seiner Schrift De topicis differentiis Diese werden hier als Struk-turmerkmale der artes eingefuumlhrt so heiszligt es dass in Bezug auf jede Disziplinzunaumlchst folgende Fragen zu behandeln seien de generis artis speciebus etmateria et partibus et instrumento instrumentique partibus opere etiamofficioque actoris et finis23

Diese Fassung der διδασκαλικά sollte im 12 Jahrhundert groszliges Gewichterhalten und zwar zunaumlchst und v a im Umkreis der Schule von ChartresDabei sind es diesmal nicht die Boethius-Kommentare in denen sich dasInteresse an den boethianischen διδασκαλικά kristallisiert sondern vorwie-gend die den Triviums-Wissenschaften gewidmeten Chartreser Glossen24

etwa zu Cicero und Priscian25

Das Chartreser accessus-Schema so die nahezu einhellige Meinung derbisherigen Forschung26 ist auch das Vorbild fuumlr Gundissalinus gewesen In

wohl gilt es zu betonen dass der Ausdruck in der Boethius-Uumlberlieferung und -Exegese einestrikt bibliographische Referenz bleibt

22 Eine tabellarische Uumlbersicht der κεφάλαια bei den einschlaumlgigen spaumltantiken Autoren gibtE A Quain The Medieval accessus ad auctores Traditio 3 1945 215ndash264

23 Vgl Boethius De topicis differentiis (MPL 64) IV 120724 Vgl R W Hunt The Introductions to the Artes in the Twelfth Century in Studia Mediae-

valia in Honor of R J Martin Bruumlgge 1948 85ndash11225 Hier ist vor allem der vielleicht bekannteste Chartreser accessus zu nennen der aus der

Feder Thierrys von Chartres stammt und sich in seinem Kommentar zu Ciceros De inventio-ne findet The Latin Rhetorical Commentaries by Thierry of Chartres hrsg v K M Fred-borg Toronto 1988 49 Circa artem rhetoricam decem consideranda sunt quid sit genusipsius artis quid ipsa ars sit quae eius materia quod officium quis finis quae partes quaespecies quod instrumentum quis artifex quare rhetorica vocetur

26 Vgl hierzu u a K M Fredborg in ihrer Einleitung zu Thierry von Chartres The LatinRhetorical Commentaries by Thierry (wie Anm 25) 15ndash20 sowie C Burnett A New

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 139

De divisione philosophiae werden die Fragen des Chartreser accessus-Sche-mas gleich zu Anfang des Werkes programmatisch als Leitfaden der Analysealler Wissenschaften eingefuumlhrt27 So beginnt die Divisionsschrift mit der An-kuumlndigung

bdquoHinsichtlich eines jeden [Teils der Philosophie] ist [] Folgendes zu un-tersuchen naumlmlich was er ist welches sein Genus ist was seine Materieist welche seine Spezies sind welche seine Teile sind was seine Aufgabeist was sein Ziel ist was sein Instrument ist wer der Kuumlnstler ist warumer [d i der Teil] so genannt wird in welcher Anordnung er zu lesenistldquo28

Wissenschaftstheoretisch besonders interessant sind hierbei die Fragen nachgenus und species einer Wissenschaft aber auch und vor allem nach derenmateria also dem spezifischen Untersuchungsobjekt das die Selbstaumlndigkeiteiner jeden Wissenschaft verbuumlrgt

Den fundamentalen Begriff des Untersuchungsobjektes versteht Gundis-salinus ganz im Sinne des Aristoteles und verbindet ihn systematisch mit des-sen Lehrstuumlck von der Unbeweisbarkeit des einer jeden Wissenschaft zugrun-deliegenden Gegenstandes So heiszligt es etwa im Logik-Kapitel aus De divisio-ne philosophiae bdquoDie These ist nicht die Materie dieser Kunst [d h derLogik] wie einige meinen Nach Aristoteles in den Analytiken beweist naumlm-lich keine Wissenschaft ihre Materie aber die Logik beweist jede Theseldquo29

Denselben Grundsatz des Aristoteles den Gundissalinus hier ausdruumlck-lich mit den Analytica posteriora in Verbindung bringt formuliert er nunauch fuumlr die Metaphysik

bdquoAls Materie dieser Kunst haben einige die vier Ursachen die Material-und Formal- Wirk- und Zielursache bezeichnet Andere behauptetenGott sei die Materie dieser Kunst All diese taumluschten sich Nach demZeugnis des Aristoteles ermittelt naumlmlich keine Kunst ihre eigene Mate-

Source for Dominicus Gundissalinusrsquos Account of the Science of the Stars Annals ofScience 47 1990 361ndash362

27 Ausnahmen sind die Kapitel De aspectibus De ponderibus De ingeniis und die praktischePhilosophie die nicht am Leitfaden der Fragen diskutiert werden

28 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 74 Circa unamquamque autem earum haec in-quirenda sunt scilicet quid ipsa sit quod genus est quae materia quae partes quae speciesquod officium quis finis quod instrumentum quis artifex quare sic vocetur quo ordinelegenda sit

29 Ebd 152 Non est autem thesis materiam huius artis sicut quidam putant Dicente enimAristotele in sbquoAnalyticislsquo nulla scientia probat materiam suam Sed logica probat omnemthesim

140 Alexander Fidora

rie Doch in dieser Wissenschaft wird ermittelt ob Gott existiert Alsoist Gott nicht ihre Materie Genauso wenig die Ursachenldquo30

Der aristotelische Grundsatz von der Unbeweisbarkeit des spezifischen Ge-genstandes einer jeden Wissenschaft aus den Analytica posteriora I 171 a 1ndash11 und passim wird hier zur Grundlage einer scharfen Kritik an der philoso-phischen Tradition weder die Ursachen noch Gott sind der spezifische Ge-genstand der Metaphysik wer dies behauptet hat sich getaumluscht Denn gera-de weil in der Metaphysik Gottes Existenz bewiesen wird eine Wissenschaftjedoch nach Aristoteles niemals ihre Materie beweisen kann ist Gott folglichnicht materia der Metaphysik Daher und weil keine andere Wissenschaftdie materia der Metaphysik grundlegen kann bleibt als deren Gegenstandeinzig das Allgemeinste und Offenbarste

bdquoWeil nun aber dasjenige was in jeder Wissenschaft als Materie gesetztwird notwendigerweise in einer anderen bewiesen wird nach dieser [alsoder Metaphysik] jedoch keine Wissenschaft mehr uumlbrig ist in der ihreMaterie bewiesen wird ist die Materie dieser Wissenschaft notwendiger-weise dasjenige was allgemeiner und offensichtlicher (communius et evi-dentius) ist als alles andere naumlmlich das Seiende (ens) wovon man janicht fragen muss ob oder was es ist so als muumlsste man sich dessen ineiner anderen Wissenschaft nach dieser vergewissernldquo31

Eine ganz aumlhnliche Argumentation findet sich schon bei Avicenna in seinervon Gundissalinus uumlbersetzten Prima philosophia aus dem Kitāb aš-šifāʾ diedem Toledaner Gelehrten zweifelsohne als Ausgangspunkt seiner Bestim-mung des Gegenstandes der Metaphysik als ens dient32 Gleichwohl fehlt beiAvicenna an dieser Stelle der emphatische Verweis auf Aristoteles und seineAnalytia posteriora vor allem aber auch die zugespitzte Kritik an denen diesich in der Bestimmung des Gegenstandes der Metaphysik taumluschen indemsie ihn im Sinne einer Theologik konzipieren

30 Ebd 100 Materiam huius artis quidam dixerunt esse quattuor causas materialem et for-malem efficientem et finalem Alii vero materiam huius artis dixerunt esse Deum Quiomnes decepti sunt Teste enim Aristotele nulla scientia inquirit materiam suam sed in hacscientia inquiritur an sit Deus Ergo Deus non est materia eius Similiter de causis

31 Ebd 100 Sed quia in omni scientia id quod materia ponitur necessario in alia probaturpost hanc autem nulla restat scientia in qua materia eius probatur ideo necessario materiahuius scientiae est id quod communius et evidentius omnibus est scilicet ens quod siqui-dem non oportet quaeri an sit vel quid sit quasi in alia scientia post hanc debeat hoccertificari

32 Vgl Avicenna Liber de philosophia prima (wie Anm 16) I 1 15 Postquam inquiritur inhac scientia [= philosophia prima] an [deus] sit tunc non potest esse subiectum huius scien-tiae [hellip] Nulla enim scientiarum debet stabilire esse suum subiectum Statt auf Aristotelesverweist Avicenna in einem vorangehenden Passus auf seinen Kitāb al-burhān

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 141

Wen hat Gundissalinus aber mit dieser Kritik im Visier Es ist unwahr-scheinlich dass er sich auf die diesbezuumlgliche Kontroverse zwischen Avicennaund Averroes bezieht zumal sich von Letzterem keine Spur in seinem Werknachweisen laumlsst Viel wahrscheinlicher scheint mir indessen dass der spani-sche Philosoph hier Positionen aus seiner eigenen lateinisch-christlichen Tra-dition attackiert genauerhin die Reflexionen aus der Chartreser Boethius-Kommentierung Denn in der Tat definieren die Chartreser mit deren WerkenGundissalinus wie bereits betont vertraut war die boethianische theologicapraumlzise in dem von ihm kritisierten Sinn So beschreibt etwa Thierry vonChartres in seinen Lectiones in Boethii librum De Trinitate die theologiafolgendermaszligen

bdquoUnd nun zur dritten spekulativen Disziplin die ohne Bewegung ist d hohne Veraumlnderbarkeit denn sie betrachtet die goumlttliche Einfachheit undEwigkeit [] Das naumlmlich was sie betrachtet ist Gott ohne den wederMaterie noch sonst etwas sein kann [hellip] die Ursache also und den Seins-grund von allem aus dem das Sein von allen Dingen kommtldquo33

Gundissalinus setzt sich so nicht nur nominell von der boethianischen Be-schreibung der Metaphysik als theologica ab sondern distanziert sich auchinhaltlich von der auf Boethius folgenden Tradition weder die erste Ursachenoch Gott die Thierry und mit ihm die restlichen Chartreser zum Gegen-stand ihrer theologi(c)a erklaumlren sind die materia der gundissalinischen me-taphysica Diese ist vielmehr das ens34

Dieser zunaumlchst recht eindeutige Befund wird deutlich komplexer wennman sich den beiden weiteren zuvor genannten wissenschaftstheoretisch ein-schlaumlgigen Kategorien zuwendet die Gundissalinusrsquo Darlegung der Metaphy-sik strukturieren genus und species So heiszligt es naumlmlich zum genus der Meta-physik in scheinbar widerspruumlchlicher Weise

bdquoDas Genus dieser Kunst aber ist es dass sie abstrakt und ohne Bewe-gung ist Waumlhrend die uumlbrigen Wissenschaften naumlmlich davon handeln

33 Thierry von Chartres Commentaries on Boethius (wie Anm 11) II 38 163ndash167 Ecce detertia parte speculativae quae est sine motu ie sine mutabilitate quia considerat divinamsimplicitatem [et] aeternitatem [hellip] Id enim quod ipsa considerat est deus sine quo materianec aliud potest esse [hellip] causa scilicet et origo essendi omnium rerum et ex qua est esseomnium rerum

34 Gundissalinusrsquo Kritik wird spaumlter u a in Alberts des Groszligen Metaphysik-Kommentar auf-gegriffen Metaphysica Opera omnia Ed Coloniensis XVI 1 Muumlnster 1960 l I tr 1 c2 Albert verwirft hier zuerst die Kausalitaumlt als Gegenstand der Metaphysik an zweiterStelle Gott um schlieszliglich das Seiende als ihren eigentuumlmlichen Gegenstand zu praumlsentierenMit dieser Argumentationsfolge (Ursache Gott Seiendes) steht Albert Gundissalinus letzt-lich naumlher als Avicenna den W Senner als seine Quelle anfuumlhrt Vgl W Senner Alberts desGroszligen Verstaumlndnis von Theologie und Philosophie Muumlnster 2009 38

142 Alexander Fidora

was in der Materie ist z T davon abstrahierend wie die lernmaumlszligigeWissenschaft [also die Mathematik] z T ohne davon zu abstrahierenwie die Naturwissenschaft ist diese die einzige die daruumlber handelt wasvoumlllig ndash der Daseinsweise und der Definition nach ndash von Bewegung undMaterie getrennt ist Sie handelt naumlmlich von den ersten Ursachen desnatuumlrlichen und mathematischen Seins und davon was von jenen ab-haumlngt und von der Ursache der Ursachen und dem Prinzip der Prinzipi-en welches der erhabene Gott istldquo35

Hier bringt Gundissalinus in affirmativer Form die von ihm soeben striktabgelehnte Bestimmung der Metaphysik als Theologik in Anschlag das ge-trennte und unbewegliche Sein also Gott und die ersten Ursachen werdennun von ihm als genus der Metaphysik ausgewiesen Und dies in offenbarnaiver Uumlbernahme der boethianisch-chartresischen Diktion

Wie ist dieser scheinbare Widerspruch zu deuten Zwar ist immer wiederauf den patchwork-Charakter von Gundissalinusrsquo Divisionsschrift hingewie-sen worden um moumlgliche Ungereimtheiten in seinem Wissenschaftsentwurfzu erklaumlren gleichwohl bleibt eine solche Erklaumlrung des vermeintlichen Wi-derspruchs der zwei Bestimmungen der Metaphysik vordergruumlndig zumaldie beiden zitierten Abschnitte im Text unmittelbar aufeinander folgen

Mir scheint vielmehr dass Gundissalinus hier an eine immanente Schwie-rigkeit der aristotelischen Metaphysik selbst ruumlhrt und ihr so paradox dieszunaumlchst erscheinen mag eine systematische Loumlsung zu geben versucht DieSchwierigkeit auf die ich mich beziehe haumlngt mit Aristotelesrsquo Einsicht zu-sammen dass das Seiende keine Gattung darstellt Anders als Platon naumlmlichder das Seiende unter die μέγιστα γένη also die groumlszligten Gattungen zaumlhlterklaumlrt Aristoteles wiederholt sowohl in der Metaphysik als auch in den Ana-lytica posteriora dass das Seiende kein γένος darstellt36 Gleichwohl bestimmtAristoteles aber den Untersuchungsgegenstand der Metaphysik in Buch Γ 1als τὸ ὂν ῃ ὂν (1003 a 21) also als das Seiende als Seiendes Damit ergibtsich freilich eine nicht geringe Spannung zwischen der in den Analytica poste-riora I 7 formulierten Anforderung an eine jede Wissenschaft uumlber ein ὑπο-κείμενον γένος (75 a 42) eine zugrundeliegende Gattung zu verfuumlgen undder Tatsache dass das zugrundeliegende genus der Metaphysik eben gerade

35 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 98ndash100 Genus autem huius artis est quod ipsaest abstracta et sine motu Cum enim ceterae scientiae agant de his quae sunt in materiased aliquando abstractis ut disciplinalis aliquando inabstractis ut naturalis haec sola estquae agit de his quae omnino sunt separata a motu et a materia secundum existentiam etdefinitionem Agit enim de primis causis naturalis et disciplinalis esse et de eo quod pendetex his et de causa causarum et de principio principiorum quod est Deus excelsus

36 Siehe Platon im Soph 254D sowie Aristoteles in Met Β 2998 b 22 und passim

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 143

kein genus ist Aristoteles selbst loumlst die so entstehende Spannung nicht aufliefert allerdings eine Alternative wenn er in Buch Ε 1 der Metaphysik dasgenus derselben als das immaterielle und unbewegliche Seiende bestimmt sogesehen handelt die Metaphysik von der obersten Gattung des Seienden περὶτὸ τιμιώτατον γένος (1026 a 21) Prima facie hat die Metaphysik damit beiAristoteles aber einen doppelten Gegenstand einmal naumlmlich das Seiende alsihr eigentuumlmliches Untersuchungsobjekt zum anderen ein bestimmtes Seien-des als ihre Gattung

Die spaumltantiken Kommentatoren des Aristoteles versuchten diese Span-nung durch eine intelligente Lektuumlre eines Passus aus Buch Γ 2 der Metaphy-sik zu loumlsen wo es heiszligt dass das Seiende nicht schlechthin aumlquivok ausge-sagt werde sondern πρὸς ἕν (1003 a 33) also auf ein Eines hin37 WaumlhrendAristoteles mit diesem Einen die ουϛσία im Auge hatte interpretierten diespaumltantiken Kommentatoren das πρὸς ἕν im Hinblick auf die oberste Klassedes Seienden so lassen sich beide Gegenstandsbestimmungen aus MetaphysikΓ 1 und Ε 1 kompatibilisieren der Gegenstand der Metaphysik ist in der Tatdas Seiende das allerdings in Relation zur Gattung des obersten Seiendenausgesagt wird

Mir scheint dass Gundissalinus dieser Interpretation nicht fern steht dieMaterie bzw den Gegenstand der Metaphysik versteht er klar als das enswaumlhrend er ihre Gattung mit Aristoteles und seinen Kommentatoren als dasoberste Seiende bestimmt Interessant dabei ist sein Versuch begrifflicherTrennschaumlrfe so scheidet Gundissalinus letztlich den aristotelischen Begriffdes ὑποκείμενον γένος in zwei separate Aspekte zum einen die zugrundelie-gende materia auch subiectum genannt die das ens darstellt zum anderendas genus naumlmlich die oberste Klasse des Seienden

In dieser Hinsicht kann Gundissalinus tatsaumlchlich ohne Widerspruch be-haupten dass die materia der Metaphysik einzig und allein im ens bestehtund dass es falsch ist Gott oder die erste Ursache als materia der Metaphysikzu bezeichnen obwohl Letztere die Gattung derselben ausmachen insofernnaumlmlich das ens im Hinblick auf dessen oberste Klasse praumldiziert wird dieals solche eine Gattung darstellt

Gundissalinusrsquo Einlassungen lassen sich somit in ihrer Differenzierungvon materia bzw subiectum einerseits und genus andererseits als ein auf-schlussreicher Versuch interpretieren den ontologischen Primat des Meta-physik-Begriffs mit den epistemologischen Anforderungen an die Metaphysikqua Wissenschaft in Einklang zu bringen

37 Vgl J Owens The Doctrine of Being in the Aristotelian Metaphysics Toronto 1951 9ndash15 sowie S D Dumont Scotusrsquos Doctrine of Univocity and the Medieval Tradition ofMetaphysics in J A AertsenA Speer (Hrsg) Was ist Philosophie im Mittelalter Berlin1998 197

144 Alexander Fidora

Dass fuumlr Gundissalinus die ontologische Deutung der Metaphysik aus-schlaggebend ist zeigt sich schlieszliglich auch in seiner Bestimmung ihres drit-ten Strukturmerkmals naumlmlich ihrer species Denn auch wenn das genus derMetaphysik im eigentlichen Sinne die oberste Klasse des Seienden darstelltbestimmt er ihre species im Ausgang von ihrer materia bzw ihrem subiectumSo heiszligt es im Metaphysik-Kapitel der Divisionsschrift weiter

bdquoDie Spezies dieser Kunst aber sind das was das Seiende begleitet inwelche das Seiende naumlmlich unterteilt wird Das eine Seiende ist naumlmlichSubstanz das andere Akzidens das eine Allgemeines das andere Beson-deres das eine Ursache das andere Verursachtes das eine in Moumlglich-keit das andere in Wirklichkeit und so weiter woruumlber in derselben Wis-senschaft hinreichend gehandelt wirdldquo38

Gundissalinus greift hier den Begriff der consequentia entis aus seiner Uumlber-setzung von Avicennas Prima philosophia auf39 Die detaillierte Aufzaumlhlungdieser das Seiende begleitenden Eigenschaften findet sich allerdings in dieserForm nicht bei Avicenna sondern geht auf Gundissalinus zuruumlck Dabei istinsbesondere das Begriffspaar bdquoUrsache und Verursachtesldquo hervorzuhebendas es Gundissalinus und auch der spaumlteren Tradition insbesondere Thomasvon Aquin erlauben sollte die Theologik in ihre ontologische Metaphysik-Deutung systematisch zu integrieren denn gerade als ens causatum d h inseiner Geschaffenheit verweist das Seiende als Gegenstand der Metaphysikauf seine Ursache also Gott der damit auch innerhalb einer primaumlr ontolo-gisch ausgelegten Metaphysik seinen Platz bekommt

Die Metaphysik muss von dem ausgehen was allgemein und durch sichselbst evident ist und dies ist das Seiende Doch gerade indem sie dieses undseine Ursachen untersucht gelangt sie zur ersten Ursache selbst naumlmlichGott den Gundissalinus wie seine weiteren Ausfuumlhrungen zeigen aus seinerMetaphysik nicht verbannt

Aufs Ganze gesehen stellen diese Reflexionen aus dem Metaphysik-Kapi-tel von Gundissalinusrsquo Divisionsschrift den Versuch dar die boethianisch-chartresische Theologik-Tradition im Lichte des uumlber Avicenna vermitteltenAristotelismus kritisch zu revidieren und zu transformieren Ziel dieserTransformation ist es die Metaphysik qua Ontologie im lateinischen Raum

38 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 100 Species vero huius artis sunt consequentiaentis in quae scilicet dividitur ens Ens enim aliud est substantia aliud accidens aliuduniversale aliud particulare aliud causa aliud causatum aliud in potentia aliud in actu etcetera de quibus sufficienter tractatur in eadem scientia

39 Vgl Avicenna Liber de prima philosophia (wie Anm 16) Bd 1 13 Ideo primum subiec-tum huius scientiae est ens inquantum est ens et ea quae inquirit sunt consequentia entis

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 145

auf einem wissenschaftstheoretisch soliden Fundament als eigenstaumlndige Wis-senschaft zu etablieren

IV Ceterae scientiae sunt sub scientia de ente

Komplementaumlr zu Gundissalinusrsquo Uumlberlegungen im Metaphysik-Kapitel ver-haumllt sich ein weiteres Kapitel am Ende seiner Divisionsschrift Geht es imMetaphysik-Kapitel naumlmlich um die Etablierung der Metaphysik als einerWissenschaft mit einem eigenem Gegenstandsbereich so stellt sich Gundissa-linus spaumlter die schwierige Frage nach dem Verhaumlltnis dieses Gegenstandsbe-reiches zu den Gegenstandsbereichen der uumlbrigen Wissenschaften

Er tut dies in einem Kapitel das den Titel bdquoSumma Avicennae de conveni-entia et differentia subiectorumldquo traumlgt Dabei handelt es sich um die Uumlberset-zung eines Abschnitts aus dem Kitāb al-burhān des Avicenna also jenemTeil seines Kitāb aš-šifāʾ der die Beweistheorie enthaumllt und den Analyticaposteriora entspricht Gundissalinusrsquo Uumlbersetzung umfasst das 7 Kapitel des2 Buches des Kitāb al-burhān das Lateinisch allein in der Divisionsschriftuumlberliefert ist Im Zentrum dieses Kapitels steht die bereits von Aristotelesaufgeworfene Frage nach der Unterordnung bzw Subordination und Binnen-differenzierung der Wissenschaften

Tatsaumlchlich bietet Aristoteles in seinen Analytica posteriora zwei ver-schiedene Modelle zur Erklaumlrung der Unterordnung verschiedener Wissen-schaften So behauptet er in den Analytica posteriora I 7 dass zwei Wissen-schaften denselben Gegenstand in verschiedener Hinsicht betrachten koumlnnennaumlmlich absolut (ἁπλως) oder in qualifizierter Weise (ἢ πῃ) (75 b 8ndash9) Waumlh-rend die absolute Betrachtung der uumlbergeordneten Wissenschaft entsprichtcharakterisiert die qualifizierte bzw relative Betrachtung die untergeordneteWissenschaft In Kapitel 9 der Analytica posteriora I wird hingegen ein zwei-ter Vorschlag entwickelt hier erklaumlrt Aristoteles dass die Harmonik derArithmetik untergeordnet sei weil Erstere allein das Dass (ὅτι) der Phaumlnome-ne kenne waumlhrend Letztere auch um ihr Warum (διότι) wisse (76 a 11ndash15)

Wie R McKirahan gezeigt hat40 sind diese beiden Modelle letztlich alter-native Loumlsungen des Problems der Subordination der Wissenschaften die sichnicht ohne Weiteres ineinander uumlberfuumlhren lassen Avicenna und mit ihmsein Uumlbersetzer Gundissalinus greift Aristotelesrsquo erstes Modell auf um esin systematisch anspruchsvoller Weise zu erweitern So erklaumlrt die Summa

40 Vgl R McKirahan Aristotlersquos Subordinate Sciences The British Journal for the History ofScience 11 1978 197ndash220

146 Alexander Fidora

Avicennae41 in einem ersten Schritt dass es der Fall sein kann dass eineWissenschaft ein subiectum x betrachtet waumlhrend eine zweite Wissenschaftein Subjekt xrsquo betrachtet das sich zu x so verhaumllt wie die species zum genusDieses Verhaumlltnis zwischen dem subiectum x und dem derivativen Subjektxrsquo etabliert eine klare Hierarchie zwischen den beiden in Frage stehendenWissenschaften insofern die mit x befasste Wissenschaft umfassender ist alsjene die xrsquo betrachtet In einem zweiten Schritt unterscheidet die SummaAvicennae daraufhin mindestens zwei Arten auf die eine Wissenschaft dasderivative Subjekt xrsquo betrachten kann Im ersten Fall betrachtet sie das deri-vative Subjekt xrsquo in absoluter Weise und wird daher als Teil bzw pars dermit x befassten Wissenschaft bezeichnet Ein Beispiel hierfuumlr ist die Biologiein ihrem Verhaumlltnis zur Physik beide Wissenschaften befassen sich mit demKoumlrper jedoch betrachtet die Physik das genus sbquoKoumlrperlsquo waumlhrend die Biolo-gie dessen species sbquolebendiger Koumlrperlsquo betrachtet und zwar in absoluter Wei-se Die Biologie ist daher eine pars bzw ein Teil der Physik bzw Naturphilo-sophie Der zweite Fall liegt dann vor wenn eine Wissenschaft allein gewisseAkzidenzien des derivativen Subjekts xrsquo betrachtet eine solche Wissenschaftsteht dann unter der Wissenschaft die x betrachtet ist dieser also subordi-niert Die Medizin z B ist kein konstitutiver Teil der Physik bzw der Natur-philosophie sondern ist dieser subordiniert beide sind mit dem genus sbquoKoumlr-perlsquo befasst doch die Medizin betrachtet dessen species sbquolebendiger Koumlrperlsquound dies lediglich im Hinblick auf einige seiner eigentuumlmlichen Akzidenziennaumlmlich Krankheit und Gesundheit also nicht absolut wie die BiologieFolglich unterscheidet die Summa Avicennae zwei Arten auf die eine Wissen-schaft in einer anderen enthalten sein kann entweder als konstitutiver Teilderselben wie die Biologie in Bezug auf die Naturphilosophie oder aberals eine ihr untergeordnete Wissenschaft wie die Medizin hinsichtlich derNaturphilosophie

Diese allgemeinen wissenschaftstheoretischen Uumlberlegungen muumlnden inder Summa Avicennae schlieszliglich in die Frage nach dem Status der Metaphy-sik Wie verhaumllt sich die Metaphysik zu den restlichen Wissenschaften odervielmehr umgekehrt wie verhalten sich die uumlbrigen Wissenschaften zur Meta-physik Die Summa Avicennae gibt eine eindeutige Antwort auf diese Frage

bdquoDie Wissenschaft von jenen Dingen aber die unter dem sind dessenAllgemeinheit so ist wie die Allgemeinheit von Seiendem und Einemkann kein Teil der Wissenschaft von diesen sein [] Das Allgemeinere

41 Vgl fuumlr die folgenden Ausfuumlhrungen den Text der Summa Avicennae in Gundissalinus (wieAnm 3) 236ndash244 Eine ausgezeichnete Interpretation der schwierigen Passage bietet HHugonnard-Roche La classification des sciences de Gundissalinus et lrsquoinfluence drsquoAvicennein J JolivetR Rashed (Hrsg) Eacutetudes sur Avicenne Paris 1984 54ndash57

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 147

findet sich naumlmlich nicht im weniger Allgemeinen und auch nicht umge-kehrt Daher sind die Einzelwissenschaften notwendigerweise keine Teileder Wissenschaft vom Seienden sondern weil das Seiende und das Eineallgemeiner sind als alle Gegenstaumlnde ist es notwendig dass die uumlbrigenWissenschaften unter der Wissenschaft sind die diese behandeltldquo42

Jedwede Wissenschaft die unter der Allgemeinheit der scientia de ente derWissenschaft vom Seienden steht kann nicht als pars derselben verstandenwerden so wie die Biologie ein Teil der Naturphilosophie ist Vielmehr muumls-sen die Partikularwissenschaften als subordinierte Wissenschaften aufgefasstwerden weil und insofern ihr Gegenstand letztlich nicht gattungskonstitutivfuumlr das Wesen des Gegenstandes der Metaphysik ist

Gleichwohl ergibt sich hieraus in der Summa Avicennae nicht zwangslaumlu-fig das Konzept einer Metaphysik als master science Denn auch wenn dieanderen Wissenschaften der Metaphysik subordiniert sind so ist der Er-kenntnisweg doch nicht der eines Abstiegs von den Wahrheiten der Metaphy-sik zu jenen der Partikularwissenschaften vielmehr handelt es sich um einenrekursiven Prozess der von den Partikularwissenschaften ausgeht die in derMetaphysik ihr letztes Fundament erhalten

bdquoNachdem wir aber behauptet haben dass von den Prinzipien der Wis-senschaften einige nicht an sich bekannt sind ist es notwendig dass sieim Rahmen einer anderen Wissenschaft geklaumlrt werden entweder in ei-ner genauso partikularen wie sie selbst oder in einer allgemeineren alssie selbst und in diesem Fall wuumlrde man damit sicher bis zu einer Wissen-schaft kommen die allgemeiner ist als alle anderen Daher muss mansich uumlber die Prinzipien der uumlbrigen Wissenschaften innerhalb dieser Wis-senschaft Gewissheit verschaffen Das wird aber [zunaumlchst] so sein alsob alle Wissenschaften durch miteinander verbundene hypothetische Ar-gumente bewiesen wuumlrden z B Wenn der Kreis ist ist das Dreieck sooder so Wenn man aber [endlich] zur ersten Philosophie gelangt seinwird so wird das Sein der Voraussetzung klar werden wenn [naumlmlich]bewiesen werden wird dass dem Prinzip naumlmlich dem Kreis Sein zu-kommt und dann wird auch der Beweis der Folge vollendet werden koumln-nen dass ihr [naumlmlich] Sein zukommt und so weiter weil keine Partiku-

42 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 244 Scientia vero de rebus quae sunt sub eocuius communitas est sicut communitas entis et unius non potest esse pars scientiae de eis[] Communius enim non invenitur in minus communi nec e contrario Unde oportet utscientiae particulares non sint partes scientiae de ente sed quia ens et unum communia suntomnibus subiectis oportet tunc ut ceterae scientiae sint sub scientia quae tractat de eis

148 Alexander Fidora

larwissenschaft ohne hypothetische Argumentation bewiesen werdenkannldquo43

So betrachtet sind die restlichen Wissenschaften der Metaphysik subordi-niert weil diese ihre Prinzipien verbuumlrgt es ist die Metaphysik die die zu-naumlchst hypothetisch angenommenen Untersuchungsbereiche der Partikular-wissenschaften authentifiziert und ihnen ihre Geltung verleiht

Das hier zum ersten Mal in der lateinischen Welt formulierte Konzeptvon Metaphysik als subordinierender Wissenschaft sollte in den folgendenJahrhunderten houmlchst kontrovers diskutiert werden Es seien hier nur zweiAutoren genannt Robert Kilwardby und Johannes Duns Scotus

Der englische Dominikaner Robert Kilwardby widmet in seinem starkvon Gundissalinus abhaumlngigen Werk De ortu scientiarum das 32 Kapitel derFrage nach dem Verhaumlltnis der Metaphysik zu den anderen WissenschaftenZwar konstatiert er zunaumlchst dass die Metaphysik das Seiende schlechthinbetrachte die anderen Wissenschaften hingegen nur Teile desselben doch seidies noch kein Grund von Subordination bzw Subalternation zu sprechenVielmehr seien fuumlr ein solches Verhaumlltnis drei Kriterien zu erfuumlllen erstensmuumlsse die subalternierte Wissenschaft dem Subjekt der subalternierendenWissenschaft etwas hinzufuumlgen zweitens duumlrfe diese Hinzufuumlgung nicht indie Gattung des Subjekts der subalternierenden Wissenschaft fallen und drit-tens muumlsse die Beweisrichtung von der subalternierenden zur subalterniertenWissenschaft fuumlhren Keine dieser drei Bedingungen jedoch so Kilwardbytreffe in vollem Umfang auf das Verhaumlltnis der Metaphysik zu den uumlbrigenWissenschaften zu44

43 Ebd 244ndash246 Postquam autem posuimus quod de principiis scientiarum quaedam suntquae non sunt manifesta per se tunc oportet ut manifestentur in alia scientia aut in parti-culari qualis ipsa sit aut in communiore quam ipsa sit et sic perveniet hoc sine dubio adcommuniorem omnibus scientiis Oportet igitur principia ceterarum scientiarum certificen-tur in hac scientia Hoc autem sic erit quasi omnes scientiae probentur argumentationibushypotheticis coniunctis verbi gratia si circulus est talis vel talis triangulus est Cum autempervenerimus ad philosophiam primam tunc manifestabitur esse antecedentis cum proba-bitur quod principium scilicet circulus habet esse et tunc complebitur probatio consequen-tis quod habet esse et ita quia nulla scientiarum particularium probetur sine hypothetica

44 Robert Kilwardby De ortu scientiarum hrsg V A G Judy LondonndashToronto 1976 c 32115 Quaeritur enim an [metaphysica] subalternat sibi omnes alias speculativas [hellip] Etvidetur quod sic [hellip] Sed haec [argumenta] solvuntur per hoc quod sicut supra dictum estquod ad subalternationem tria requiruntur unum est quod subiectum subalternatae sit exappositione respectu subiecti subalternantis aliud quod illud adiectum sit res alterius gene-ris in natura [hellip] tertium quod descendat demonstratio a subalternante ad subalternatamPrimum aliquo modo est in metaphysica et aliis speculativis non tamen omnino [hellip] Secun-dum non est illic [hellip] Tertium etiam non Eine sehr aumlhnliche Argumentation findet sich ineinem von G Gaacutel edierten anonymen Metaphysik-Kommentar der stark von Kilwardbyabhaumlngig ist auch wenn Kilwardby nicht ndash wie Gaacutel behauptet ndash als dessen Autor in Frage

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 149

Kilwardby erteilt damit der von Avicenna und Gundissalinus vorgebrach-ten Konzeption eine klare Absage Anders Johannes Duns Scotus in seinerPariser Reportatio Hier erklaumlrt Duns Scotus dass ein Wissen um die Prinzi-pien auf zweierlei Weise vorliegen kann entweder weiszlig man um die Prinzipi-en in Form einer notitia confusa wie es der Fall bei der Sinneswahrnehmungund der Erfahrung ist oder man weiszlig um die Prinzipien in Form einer notitiadistincta wie es der Fall des metaphysischen Wissens ist Und daher so kon-kludiert er omnes scientiae possunt dici sibi subalternatae scilicet metaphysi-cae45

Es ist hier nicht der Ort um auf Kilwardby und Duns Scotus weitereinzugehen entscheidend ist allein dass die Idee von Metaphysik als sub-alternierender Wissenschaft wie sie in Gundissalinusrsquo Avicenna-Adaptationaufscheint in der Folge eine lebhafte Diskussion nach sich zog Diese Diskus-sion selbst geht uumlber die simplen textuellen Abhaumlngigkeiten und direkten Fili-ationen hinaus Kilwardby der Gundissalinus sonst sehr nahe steht wendetsich gegen die Idee der Subordination waumlhrend Duns Scotus den historischnichts mit dem spanischen Gelehrten verbindet sie affirmativ reformuliert

V Konklusion

Gundissalinusrsquo Verdienst innerhalb der Geschichte der Metaphysik be-schraumlnkt sich bei Weitem nicht auf die Bereitstellung metaphysischer Schluumls-seltexte in lateinischer Uumlbersetzung wie etwa Avicennas Prima philosophia

Wie die vorangegangenen Analysen zeigen wollen stellt Gundissalinusdaruumlber hinaus entscheidende begriffliche wie auch systematische Weichenfuumlr die Rezeption der aristotelischen Metaphysik im 13 Jahrhundert Dennbegrifflich wie auch systematisch vollzieht sich bei Gundissalinus die Abkehrvom boethianisch-chartresischen Konzept der Metaphysik als Theologik hin

kommt Vgl die Fragmente in G Gaacutel Robert Kilwardbyrsquos Questions on the Metaphysicsand Physics of Aristotle Franciscan Studies 13 1953 7ndash28

45 Vgl Johannes Duns Scotus The Examined Report of the Paris Lecture Reportatio I-ALatin Text and Engl Translation by A B Wolter O Bychkov St Bonaventure (NY) 2004q 2 sect 157 56ndash57 Ad auctoritatem Philosophi dico quod principia dupliciter possuntesse nota Uno modo notitia confusa ut si termini confuse apprehendantur per sensum etexperientiam et hoc sufficit ad scientiam terminorum in scientia qualibet speciali ut quodlinea sit longitudo ignorando utrum quiditas eius sit substantia quantitas vel qualitas etcAlio modo possunt cognosci notitia distincta sciendo ad quod genus pertinet quiditas eo-rum cum definitiones terminorum distincte cognoscuntur ex evidentia terminorum et hoccontingit per scientiam metaphysicalem dividendo et componendo Et sic omnes scientiaepossunt dici sibi subalternatae scilicet metaphysicae

150 Alexander Fidora

zu einer Metaphysik verstanden als Ontologie diese Abkehr kuumlndigt sich mitder Einfuumlhrung des Begriffs der metaphysica als Gegenbegriff zur theologi(c)aan und gelangt mit der Bestimmung des ens als deren eigentuumlmlicher materiain ihr Ziel Seinen Weg von der Theologik zur Ontologie findet Gundissalinusin der uumlber die arabische Tradition vermittelten aristotelischen Wissenschafts-theorie diese erlaubt es ihm den fuumlr die lateinische Welt neuen Metaphysik-Begriff auf der Grundlage eines soliden epistemologischen Fundaments einzu-fuumlhren ndash ein Fundament das der Frage nach der Selbstaumlndigkeit der Meta-physik und ihrem Zusammenhang mit den anderen Wissenschaften gleicher-maszligen Rechnung traumlgt

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Metaphysikentwuumlrfe im13 Jahrhundert

Metaphysik als TheologikRezeption und Transformation der Metaphysik

bei Albertus Magnus

Hannes Moumlhle

I Alberts Metaphysik im Kontext der Aristoteles-Paraphrase

Mit dem Physikkommentar beginnt Albertus Magnus zu Beginn der 50erJahre des 13 Jahrhunderts ein philosophisches Groszligprojekt in dessen Rah-men auch die Auseinandersetzung mit der aristotelischen bzw der fuumlr aristo-telisch gehaltenen Metaphysik faumlllt Mit der Abfassung seines Kommentarszum Liber de causis (abgeschlossen 1267) haumllt Albert dieses Projekt wasden metaphysischen Teil betrifft fuumlr abgeschlossen Der erste bzw je nachSichtweise der letzte Teil der Realphilosophie ist nach der Kommentierungder Metaphysik des Aristoteles (um 1264) und der anschlieszligenden Kommen-tierung des Liber de causis den Albert fuumlr eine Kompilation aus aristoteli-schen Texten haumllt vollstaumlndig bearbeitet Damit folgt Albert den im zweitenViertel des 13 Jahrhunderts in Paris uumlblichen Vorgaben wonach der Teildis-ziplin der natuumlrlichen Philosophie naumlmlich der Metaphysik drei Werke zu-grunde zu legen sind Wie der zwischen 1230 und 1240 in Paris entstandeneStudienfuumlhrer zeigt der als Leitfaden des uumlblichen Lehrbetriebs gelten kannund damit einen gemeinsam geteilten Hintergrund repraumlsentiert gehoumlrt zumStudium der Metaphysik die Lektuumlre der Metaphysica vetus der Metaphysicanova also des aristotelischen Werkes der Metaphysik sowie des Liber decausis der eine arabische Kompilation aus der Elementatio theologica desProklos darstellt und dessen wahre Herkunft Albert noch unbekannt war1

Das Aristoteles-Projekt ist aber fuumlr Albert nicht nur ein zeitlicher Rah-men sondern bedeutet vor allem eine sachliche und methodische Einheit die

1 Vgl C Lafleur bdquoGuide de lrsquoeacutetudiantldquo drsquoun maicirctre anonyme de la faculteacute des arts de Parisau XIIIe siegravecle Queacutebec 1992 sect 10 33 Vgl hierzu A de Libera Structure du corpus scolairde la meacutetaphysique dans la premiegravere moitieacute du XIIIe siegravecle in C LafleurJ Carrier (Hrsg)Lrsquoenseignement de la philosophie au XIIIe siegravecle Autour du bdquoGuide de lrsquoeacutetudiantldquo du msRipoll 109 (Studia Artistarum V) Turnhout 1997 61ndash88

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ihre besonderen Ziele und Anspruumlche hat Auf den ersten Blick nimmt sichdas von Albert genannte Ziel dieses Projektes wenig spektakulaumlr und eherbescheiden aus Er will alle Teile der Philosophie die er weitgehend durcharistotelische Schriften bearbeitet sieht den Lateinern verstaumlndlich machennostra intentio est omnes dictas partes [philosophiae] facere Latinis intelligi-biles2 Betrachtet man z B die Auseinandersetzung die Albert bereits sehrfruumlh mit David von Dinant fuumlhrt und in der er versucht Aristoteles von denFehldeutungen zu befreien fuumlr die er David verantwortlich macht so er-scheint das zuruumlckhaltende facere intelligibiles in einem ganz anderen LichtDavid und die von ihm betriebene Aristoteles-Exegese waren beispielhaft da-fuumlr verantwortlich dass die Lektuumlre aristotelischer Schriften vor allem dernaturphilosophischen und der metaphysischen an der Pariser Universitaumlt ver-boten wurde3 Aristoteles zu erklaumlren bedeutet damit fuumlr Albert ihn so zudeuten dass er in den Kontext der christlichen Lehre zu integrieren und seineSchriften dem universitaumlren Lehrbetrieb einzufuumlgen waren

Fuumlr die von Albert angestrebte Deutung der Metaphysik ergibt sich da-raus die Aufgabe das unter diesem Titel bekannte Werk des Aristoteles undden Liber de causis einer einheitlichen Deutung zu zufuumlhren die was ihreInhalte betrifft mit der christlichen Lehre in Einklang zu bringen ist unddie was ihren wissenschaftstheoretischen Status angeht ein Nebeneinander

2 Die Werke des Albertus Magnus werden in folgender Weise angegebenAlberti Magni Physica I l 1ndash4 Opera Omnia Editio Coloniensis IV1 Muumlnster 1987[= Op om IV1]Alberti Magni Metaphysica I l 1ndash5 Opera Omnia Editio Coloniensis XVI1 Muumlnster1960 [= Op om XVI1]Alberti Magni De causis et processu universitatis a prima causa Opera Omnia EditioColoniensis XVII2 Muumlnster 1993 [= Op om XVII2]Alberti Magni Summa de mirabili scientia dei I (q1ndash50A) Opera Omnia Editio Colonien-sis XXXIV1 Muumlnster 1978 [= Op om XXXIV1]Alberti Magni Super Dionysium de divinis nominibus Opera Omnia XXXVII1 Muumlnster1972 [= Op om XXXVII1]Alberti Magni Super Dionysium mysticae theologiae Opera Omnia XXXVII2 Muumlnster1972 [= Op om XXXVII2]Alberti Magni Logicae secunda pars Editio Borgnet 2 Paris 1890 [= Ed Bor 2]Alberti Magni Commentarii in I Sententiarum (d IndashXXV) Editio Borgnet 25 Paris 1893[= Ed Bor 25]Alberti Magni Commentarii in I Sententiarum (d XXVIndashXLVIII) Editio Borgnet 26 Paris1893 [= Ed Bor 26]Die angegebene Stelle findet sich Op om IV1 48ndash49

3 Vgl H DenifleAe Chatelain Chartularium Universitatis Parisiensis IndashIII Paris 1889ndash1894 I n 20 Hierzu H Anzulewicz David von Dinant und die Anfaumlnge der aristotelischenNaturphilosophie im Lateinischen Westen in L Honnefelder u a (Hrsg) Albertus Mag-nus und die Anfaumlnge der Aristoteles-Rezeption im lateinischen Mittelalter (Subsidia Alberti-na Bd 1) Muumlnster 2005 71ndash112

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 157

der Disziplinen der Ersten Philosophie und der christlichen Theologie er-laubt

Das Intelligibel-Machen der aristotelischen Philosophie das Albert alsseine primaumlre Intention zu Beginn seines Physikkommentars bezeichnet solldiejenige Ignoranz beseitigen die der Aufnahme des Aristoteles in den christ-lichen Kontext im Wege steht Blickt man auf das Ende seiner Auseinander-setzung mit der aristotelischen Metaphysik gemeint ist auf das Ende seinesKommentars zum Liber de causis dann stellt Albert den Bezug zu seinerurspruumlnglich formulierten Intention wieder her denn was die Metaphysikbetrifft ist seine Intention erst jetzt d h nach der Kommentierung des Liberde causis und der Anknuumlpfung der dort erwogenen Lehren an das elfte Buch4

der aristotelischen Metaphysik erfuumlllt Woumlrtlich bringt Albert die von ihmunterstellte Einheit des aristotelischen Werkes der Metaphysik und des Liberde causis zum Ausdruck wenn es dort heiszligt

bdquoIn diesem Buch also sind wir zum Ziel unserer Intention gelangt Wirhaben naumlmlich die erste Ursache und die Ordnung der zweiten Ursachengezeigt und auf welche Weise das Erste Prinzip des umfassenden Seins ist(primum universi esse principium) und wie das Sein von allem entspre-chend der Auffassung der Peripatetiker aus dem Ersten flieszligt Und wenndiese [Lehren] dem elften Buch der Ersten Philosophie angefuumlgt sein wer-den dann erst ist das Werk vollendetldquo5

Diese von Albert verfolgte Intention ist kein Sonderweg sondern entsprichtdem geistigen Klima in Paris waumlhrend der 40er Jahre des 13 Jahrhundertswie de Libera vor allem mit Blick auf die zeitgenoumlssische Einleitungsliteraturzur Philosophie an der Pariser Artistenfakultaumlt betont6 Um das Verhaumlltnisvon Metaphysik Buch 11 und den Lehren des Liber de causis zu bezeichnenverwendet Albert nicht den unspezifischen Ausdruck der Hinzufuumlgung son-dern den der inneren Verbindung er spricht nicht von addita sondern adi-

4 Da die von Albert kommentierte lateinische Vorlage der Metaphysik nicht das nach heutigerZaumlhlung elfte Buch enthaumllt entspricht das heute als Buch 12 gezaumlhlte Buch Lambda inAlberts Metaphysik dem Buch XI Vgl G Vuillemin-Diem Praefatio in Aristoteles LatinusXXV 2 Leiden 1976 ixndashlxix vor allem xiindashxiii

5 Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 191 In hoc ergo libro ad finem intentionispervenimus Ostendimus enim causam primam et causarum secundarum ordinem et quali-ter primum universi esse est principium et qualiter omnium esse fluit a primo secundumopiniones Peripateticorum Et haec quidem quando adiuncta fuerint XI Primae philoso-phiae tunc primo opus perfectum est

6 Compleacuteter les Livres de meacutetaphysique drsquoAristote par un autre livre ndash le Livre des causes ndashpour arriver agrave la science meacutetaphysique complegravete crsquoest-agrave-dire agrave la theacuteologie de lrsquoeacutemanation[] voilagrave le geste philosophique qui sous-tend le programme scolaire parisien des anneacutees1240 Vgl de Libera (wie Anm 1) 76ndash77

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uncta offensichtlich um die innere Einheit des metaphysischen Unterneh-mens zu unterstreichen Den Lateinern ist demnach Aristoteles mit seinemEntwurf einer ersten Philosophie nur dann intelligibel zu machen und d hvon den Fehldeutungen zu befreien die seinerzeit zur Verurteilung des Aristo-teles und seiner Metaphysik gefuumlhrt haben wenn es gelingt die innere Ein-heit der Schriften der Metaphysik und des Liber de causis aufzuzeigen

II Einfache oder zweigeteilte Metaphysik

Aber genau das ist das groszlige Problem der Metaphysikkonzeption Alberts desGroszligen Wie verhalten sich die aristotelische Metaphysik im engeren Sinneund die neuplatonischen Lehren des Liber de causis zu einander Bilden diesebeiden Ansaumltze uumlberhaupt eine moumlgliche Einheit und wenn ja wie sind sieim Einzelnen zu deuten damit man zusammengenommen eine innere Verbin-dung unterstellen kann Liegt auf den ersten Blick eine Zweistufentheorienahe wie sie Alain de Libera vertritt7 wonach Alberts Kommentar zum Li-ber de causis einen die genuin aristotelische Metaphysik ergaumlnzenden unduumlberhoumlhenden Neuanfang mit neuplatonischen Mitteln darstellt so steht die-ser Interpretation allein schon das Wort adiuncta im Wege Aber der Verweisauf eine einzige Stelle wird so lange nicht uumlberzeugen bis es gelingt diesystematische Stringenz aufzuzeigen die die aristotelische und die neuplato-nische Metaphysik in der Perspektive Alberts des Groszligen verbindet

Aber auch ein anderes Modell wie es etwa Jan Aertsen vertritt laumlsstdurchaus Fragen offen Aertsen widerspricht zunaumlchst der Deutung von deLibera und betont die Einheit von Alberts Metaphysik Der Kerngedanke isthierbei dass Albert die Metaphysik durchgaumlngig als Transzendentalwissen-schaft konzipiert die im Anschluss an Met I und IV ihren Gegenstand imSeienden als Seienden hat

Die Deutung dass Albert den Gegenstand der Metaphysik im Anschlussan den aristotelischen Text als das ens inquantum ens versteht und damit denCharakter dieser Fundamentalwissenschaft daran festmacht dass ihr Gegen-stand sich durch die Allgemeinheit eines uumlbergeordneten Praumldikates auszeich-net scheint im Grundsatz kaum bestreitbar zu sein Hierzu sind Alberts Aumlu-szligerungen vor allem im ersten Buch seines Metaphysikkommentars viel zuklar8 Nicht ein ausgezeichnetes Erstes sondern ein Ersterkanntes das sich

7 Vgl A de Libera Albert le Grand et Thomas drsquoAquin interpregravetes du Liber de causis Revuedes Sciences Philosophiques et Theacuteologiques 74 1990 347ndash378 Ders Meacutetaphysique etnoeacutetique Albert le Grand Paris 2005 insbes 69ndash74

8 Vgl etwa Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 3ndash5

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 159

als letztes Glied einer Begriffsresolution erweist ist Gegenstand dieser Wis-senschaft und der Grund fuumlr ihren fundamentalen Charakter9 In diesem Sin-ne ist das Sein der erste aller Begriffe ndash wobei Albert soweit erkennbar indiesem Kontext nicht strikt zwischen den Begriffen bdquoSeinldquo und bdquoSeiendesldquobdquoesseldquo und bdquoensldquo unterscheidet Der so verstandene Seinsbegriff ist deshalbder erste weil er als Endpunkt eines Verfahrens hervortritt in dem alle Be-griffe auf die jeweils zugrundeliegenden Begriffselemente zuruumlckgefuumlhrt wer-den wie Albert bereits in seinem Kommentar zu De divinis nominibus fest-stellt10 Aus diesem Primat des Seinsbegriffs resultiert dann die Grundlegungs-funktion der Metaphysik anderen wissenschaftlichen Disziplinen gegenuumlber

bdquoDeshalb scheint es angemessen in Uumlbereinstimmung mit allen Peripate-tikern die die Wahrheit sagen zu behaupten dass das Subjekt [der Metaphy-sik] das Seiende ist insofern es Seiendes ist und dass die Bestimmungen dieaus dem Seienden folgen insofern es Seiendes ist und nicht insofern es diesesSeiende ist seine Eigenschaften sind wie es Ursache [und] VerursachtesSubstanz und Akzidens Getrenntes und Nicht-Getrenntes Moumlglichkeit undWirklichkeit und derartiges sind Denn da diese die erste Wissenschaft unterallen ist ist es notwendig dass sie vom Ersten handelt Das ist aber dasSeiendeldquo11

Der Charakter der Metaphysik als der allen anderen Wissenschaften vor-geordneten Disziplin ergibt sich daraus dass die Grundannahmen aller Ein-zelwissenschaften letztlich auf die fundamentalen Prinzipien zuruumlckgefuumlhrtwerden koumlnnen die sich aus diesem Gegenstand der Metaphysik naumlmlichdem Seienden als Seienden ergeben wobei das Seiende selbst von Albertausdruumlcklich als erstes Prinzip von allem bezeichnet wird

9 Vgl A Zimmermann Ontologie oder Metaphysik Diskussion uumlber den Gegenstand derMetaphysik im 13 und 14 Jahrhundert Texte und Untersuchungen (Recherches de Theacuteolo-gie et Philosophie meacutedieacutevales Biblioteca Bd 1) Leuven 21998 186ndash198

10 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 314 Dicendum quod esse simplicitersecundum naturam et rationem est prius omnibus aliis est enim prima conceptio intellectuset in quo intellectus resolvens ultimo stat

11 Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 4 Ideo cum omnibus Peripateticis vera dicenti-bus dicendum videtur quod ens est subiectum inquantum ens et ea quae sequuntur ensinquantum est ens et non inquantum hoc ens sunt passiones eius sicut est causa ltetgtcausatum substantia et accidens separatum et non-separatum potentia et actus et huius-modi Cum enim sit prima ista inter omnes scientia oportet quod ipsa sit de primo hocautem est ens Der deutsche Text folgt der Uumlbersetzung von S Donati in Albertus MagnusInstitut (Hrsg) Albertus Magnus und sein System der Wissenschaften Schluumlsseltexte inUumlbersetzung Lateinisch-Deutsch uumlbersetzt und fuumlr den Druck vorbereitet von H Moumlhleu a Muumlnster 2011 301 Zu Alberts Haltung gegenuumlber den Peripatetikern vgl die Bemer-kung in seinem Kommentar zum Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 192 Liberde causis Ea enim quae dicta sunt secundum Peripateticorum rationes determinata sunt etnon assertionibus nostris inducta et assiduis postulationibus sociorum nostrorum potiusextorta quam impetrata

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bdquoUnd [da] sie die Prinzipien aller Einzelwissenschaften sowohl die zu-sammengesetzten als auch die einfachen stuumltzt und diese nur durch ih-nen vorgeordneten [Prinzipien] gestuumltzt werden koumlnnen und nur das Sei-ende und die Prinzipien des Seienden insofern es Seiendes ist ihnen vor-geordnet sind allerdings nicht Prinzipien die das Seiende begruumlndetenda das Seiende das erste Prinzip aller Dinge ist sondern Prinzipien dieaus dem Seienden folgen insofern es Seiendes ist ist es notwendig dassdie Prinzipien aller [Einzelwissenschaften] durch diese Wissenschaft ge-stuumltzt werden deswegen weil sie vom Seienden handelt das die ersteGrundlage aller Dinge ist das seinerseits in uumlberhaupt nichts was ihmvorgeordnet waumlre begruumlndet istldquo12

Bei diesen Uumlberlegungen zum Gegenstand der Metaphysik ist allerdings zubedenken ndash so hebt Aertsen mit Recht hervor ndash dass Albert aufgrund derVorgaben des Liber de causis den Begriff des Seienden bzw des Seins auf dasgeschaffene Sein reduziert13 Diese fuumlr das Verstaumlndnis von Alberts Metaphy-sik folgenreiche Beschraumlnkung auf den Bereich des Kreatuumlrlichen ergibt sichaus der zentralen These des Liber de causis wonach das Sein zwar das ersteGeschaffene aber eben ein Geschaffenes ist und deshalb nicht das erste Prin-zip bzw Gott als Voraussetzung der Schoumlpfung mit umfassen kann bdquoDaserste von den geschaffenen Dinge ist das Sein und kein anderes Geschaffenesist vor ihm sbquoPrima rerum creatarum est esse et non est ante ipsum creatumaliudlsquoldquo14

Betrachtet man diesen Begriff des Seins in einer praumldikationslogischenPerspektive wie es aufgrund der Vorgaben von Alberts Metaphysikkommen-tar und der dort getroffenen Entscheidung hinsichtlich des Gegenstandes die-ser Wissenschaft naheliegt dann ergibt sich folgendes Bild Die Beschraumlnkungdieses Seinsbegriffes betrifft zunaumlchst den Bereich der durch ihn bezeichnetenGegenstaumlnde er kann also nicht extensional umfassend sein Aus diesemGrund muss sein Bedeutungsgehalt etwas enthalten das die Anwendung aufGott bzw auf das erste Prinzip verhindert Offensichtlich konnotiert dieserSeinsbegriff das Geschaffensein so dass er auch in intensionaler Perspektive

12 Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 4 Uumlbersetzung nach Albertus Magnus Institut(wie Anm 11) 301 [E]t bdquocumldquo stabiliat omnium particularium principia tam complexaquam incomplexa nec stabiliri possint nisi per ea quae sunt ipsis priora et non sint eisaliqua priora nisi ens et entis secundum quod ens principia non quidem quae ens principi-ent cum ipsum sit principium omnium primum sed principia quae sunt ex ente secundumquod est ens oportet quod omnium principia per istam scientiam stabiliantur per hoc quodipsa est de ente quod est primum omnium fundamentum in nullo penitus ante se fundatum

13 Vgl auch G Wieland Untersuchungen zum Seinsbegriff im Metaphysikkommentar Albertsdes Groszligen (Beitraumlge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters NeueFolge Bd 7) Muumlnster 21992 57ndash66

14 Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 88

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 161

nicht wirklich alles umfasst und in diesem Sinne auch kein erstes weil allge-meinstes Praumldikat sein kann Allerdings findet diese Beschraumlnkung des Be-griffs des Seins bei Albert nicht erst im Kommentar zum Liber de causisErwaumlhnung sondern wird auch ausdruumlcklich zu Beginn des Metaphysikkom-mentars hervorgehoben wenn es dort bereits unter Anspielung auf den Wort-laut des Liber de causis und auf dem Hintergrund gleichlautender Vorgabenaus dem Guide de lrsquoeacutetudiant15 heiszligt

bdquoDeswegen wird diese Wissenschaft sbquojenseits der Physiklsquo [transphysica]genannt weil dasjenige was eine durch die Quantitaumlt oder die Gegen-saumltzlichkeit bestimmte Natur ist durch die Prinzipien des Seins schlecht-hin begruumlndet wird die jedes sogenannte bdquoPhysischeldquo uumlbersteigen [trans-cendunt] Aber sie wird auch goumlttlich genannt da alle Dinge die vondieser Art sind goumlttlich und vorzuumlglich und die ersten sind und alleanderen Dinge bezuumlglich des Seins vollenden Das Sein naumlmlich das dieseWissenschaft betrachtet wird nicht als auf dieses oder jenes verengt auf-gefasst sondern eher insofern es das erste Hervorflieszligen Gottes [primaeffluxio dei] und das erste Geschaffene [creatum primum] ist dem keinanderes Geschaffenes vorangeht Diese Dinge werden allerdings im Fol-genden genauer untersuchtldquo16

Das Seiende das Gegenstand der Metaphysik ist ist einerseits nicht auf etwasbestimmtes beschraumlnkt ndash so wie die Gegenstaumlnde der Physik aufgrund ihrerMaterialitaumlt immer nur bestimmte sind ndash doch ist das Sein der Metaphysikals Hervorgang aus Gott auf das beschraumlnkt was man in einer theologischenSprache als Geschaffenes bezeichnet

Aertsen selbst macht in Anschluss an die Uumlberlegungen von Beroald Tho-massen17 auf das sich hieraus ergebende Folgeproblem aufmerksam wenn er

15 Et dicitur a sbquomethalsquo quod est sbquotranslsquo et sbquophisislsquo quod est sbquonaturalsquo quasi sbquotranscendens phisimlsquoin eo quod de maxime transcendentibus naturam considerat scilicet de divinis Lafleur LebdquoGuide de lrsquoeacutetudiantldquo (wie Anm 1) sect 9 33 Diese Formulierung nimmt die Deutung der Me-taphysik in ihrer besonderen Beziehung zu den transcendentia die Aertsen genuin AlbertsAnsatz zuschreibt vorweg Vgl J A Aertsen Medieval Philosophy as TranscendentalThought From Philip the Chancellor (ca 1225) to Francisco Suaacuterez Leiden 2012 206

16 Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 2 f Uumlbersetzung nach Albertus Magnus Insti-tut (wie Anm 11) 293 Propter hoc ista scientia transphysica vocatur quoniam quod estnatura quaedam determinata quantitate vel contrarietate fundatur per principia esse simpli-citer quae transcendunt omne sic vocatum physicum Vocatur autem et divina quia omniatalia sunt divina et optima et prima omnibus aliis in esse praebentia complementum Esseenim quod haec scientia considerat non accipitur contractum ad hoc vel illud sed potiusprout est prima effluxio dei et creatum primum ante quod non est creatum aliud De hisautem in CONSEQUENTIBUS perquiretur subtilius

17 Vgl B Thomassen Metaphysik und Lebensform Untersuchungen zur Grundlegung derMetaphysik im Metaphysikkommentar Alberts des Groszligen (Beitraumlge zur Geschichte derPhilosophie und Theologie des Mittelalters Neue Folge Bd 27) Muumlnster 1985 71ndash82

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nun fragt ob das Seiende als solches das Gegenstand der Metaphysik istnicht seine Transzendentalitaumlt und die Metaphysik ihren Status als Funda-mentalwissenschaft verlieren18 Denn offensichtlich meint esse weder ein Ers-tes im strengen Sinne noch besitzt der so interpretierte Begriff eine uneinge-schraumlnkte extensionale Allgemeinheit Zudem ergibt sich von der Sache herdie Schwierigkeit zu erklaumlren wie es vereinbar ist einerseits das Sein ausdem Liber de causis als verursacht zu denken und anderseits im Metaphysik-kommentar als Grund fuumlr Subjektcharakter dieses Begriffs hinsichtlich derMetaphysik darauf zu verweisen dass das Seiende alles Nachfolgende fun-diert selbst aber in nichts was ihm vorausliegt selbst fundiert ist19 Wiekann es sich um ein und denselben Begriff des Seienden handeln wenn ereinmal als verursacht und ein anderes Mal als nicht in etwas anderem fun-diert gedacht werden soll

Aertsen sieht diese Schwierigkeiten und fuumlhrt zwei Argumente an mitdenen er die genannten Bedenken beheben moumlchte Zum einen beruft er sichdarauf dass das Sein auch als Geschaffenes in einem hinreichenden Maszligevoraussetzungslos ist Das ist der Fall weil das Sein durch sein Geschaffen-sein zwar den Schoumlpfer voraussetzt aber was seine konstituierenden Bestim-mungen betrifft unabhaumlngig von diesem ist Analysiert man alles was dasWesen eines Geschaffenen ausmacht so gelangt man als letzte Bestimmungzum esse und nicht noch uumlber dieses hinaus Als Beleg dient folgende Stelleaus Buch II des Liber de causis

bdquoWenn man sagt dass das Erste nichts voraussetzt meint man dass esnichts von sich [nihil sui] voraussetzt d h nichts mit Blick auf die Be-stimmungen die in sein Wesen eingehen und es innerlich konstituierenUnd so ist das Sein ein Erstes das nichts voraussetzt Weil [das Sein] aberein Hervorgang oder ein Ausfluszlig vom Ersten ist ist es notwendig dasses den Schoumlpfer voraussetzt Aber dieser ist nichts von ihm [nihil sui]Das erste Prinzip geht naumlmlich nicht wesentlich in die Konstitution ir-gend eines Dinges ein Deshalb gelangt die Aufloumlsung des Seienden [reso-lutio entium] nicht bis zum ersten Prinzip wenn die Aufloumlsung in We-sensmerkmale geschiehtldquo20

18 Vgl J A Aertsen Die Frage nach dem Ersten und Grundlegenden in W Senner u a(Hrsg) Albertus Magnus Zum Gedenken nach 800 Jahren Neue Zugaumlnge Aspekte undPerspektiven (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens Neue Fol-ge Bd 10) Berlin 2001 91ndash112 109 Hierzu auch Aertsen Medieval Philosophy (wieAnm 15) 202ndash204

19 Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 4 [O]portet quod omnium principia peristam scientiam stabiliantur per hoc quod ipsa est de ente quod est primum omnium funda-mentum in nullo penitus ante se fundatum

20 Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 81 Cum enim dicitur quod primum nihilsupponit ante se intelligitur quod nihil sui supponit ante se hoc est de essentiantibus et

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 163

Zum anderen argumentiert Aertsen dafuumlr dass der transzendentale Charak-ter des Seinsbegriffes auch dann erhalten bleibt wenn er sich allein auf denBereich des Kreatuumlrlichen bezieht Denn wenn bdquotranszendentalldquo die univer-selle Praumldizierbarkeit eines Begriffes und nicht die Voraussetzungslosigkeiteines Gegenstandes meint dann haumlngt die Kennzeichnung der Metaphysikals Transzendentalwissenschaft zunaumlchst davon ab ob ens ein universell prauml-dizierbarer Begriff ist auch wenn er auf das Geschaffene begrenzt ist Diesscheint der Fall zu sein da Albert dem Begriff des Seins eine Allgemeinheitzuspricht die wie Aertsen sagt zwar von einer anderen Art als die der Uni-versalien ist die aber gleichwohl als unbegrenzt gelten kann Als Beleg fuumlhrtAertsen ebenfalls eine Aussage Alberts aus dem zweiten Buch des Liber decausis an allerdings aus dem Kontext einer Frage die das Verhaumlltnis desSeins als dem ersten Geschaffenen und der seienden Dinge im Einzelnen be-trifft Auf dieses Argument und den besonderen Kontext in den es einzuord-nen ist wird noch einzugehen sein

Diese beiden Argumente betreffen den Status der Metaphysik da sichbeide auf die Interpretation des Begriffes des Seins und damit auf den fuumlr dieMetaphysik zentralen Gegenstand beziehen Die Frage die sich mit Blick aufdie unterschiedliche Deutung der Metaphysik Alberts durch de Libera undAertsen ergibt betrifft den Zusammenhang der in diesem Argument im Vor-dergrund stehenden Grundbestimmungen des Seins naumlmlich die der Voraus-setzungslosigkeit und die der umfassenden Praumldizierbarkeit Wie verhaltensich diese Momente zueinander und welche Bedeutung kommt ihnen jeweilsin der Gegenstandsbestimmung der Metaphysik Alberts zu Zunaumlchst istnach dem Argument hinsichtlich der Voraussetzungslosigkeit des Seins zufragen (III) in einem naumlchsten Schritt steht dann die Frage nach dem trans-zendentalen Charakter des Seinsbegriffes im Vordergrund (IV)

III Die Voraussetzungslosigkeit des esse

Was den Aspekt der Voraussetzungslosigkeit des Seins betrifft differenziertAlbert in seinem Argument zwischen zwei Formen der Abhaumlngigkeit bzwder Voraussetzungslosigkeit Das Sein ist in einer anderen Weise von einemersten Prinzip abhaumlngig als alles das was dem Sein nachfolgt eben von die-

intrinsece constituentibus ipsum Et sic esse primum est quod nihil ante se supponit Quiatamen est processus sive effluxus a primo necesse est quod supponat ante se creatoremSed ille nihil sui est Primum enim principium non ingreditur essentialiter constitutionemrei alicuius Propter quod resolutio entium non devenit usque ad primum principium quan-do in essentialia fit resolutio

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sem abhaumlngig ist Fuumlr die Abhaumlngigkeit des Seins vom ersten Prinzip verwen-det Albert die Ausdruumlcke processus effluxus oder creatio Creatio meint eineVerursachung besonderer Art naumlmlich eine causatio ex nihilo Eine solchecausatio ist nicht nur voraussetzungslos sondern sie teilt dem folgenden alsodem esse keinerlei Bestimmungsmoment mit denn von sich her ist das essenichts nur durch das Vermoumlgen und die Kraft des ersten Prinzips ist es Nonenim secundum seipsum est sed a potentia et virtute primi Secundum autemseipsum nihil est21

Der Gegenbegriff zur creatio ist der der informatio22 Alles was nachdem Sein ist ist nicht im engeren Sinne geschaffen sondern informiert Infor-matio setzt eine Unterscheidung zwischen dem Akt des Seins und der je eigen-tuumlmlichen Auspraumlgung des Seienden voraus So ist beispielsweise das Lebendie besondere Weise in der bestimmten Seienden naumlmlich den Lebewesendas Sein eigen ist Den sinnenbegabten Wesen ist wiederum eine bestimmteWeise zu eigen wie ihnen das Lebendigsein zukommt Informatio meint alsoeinen Prozess fortschreitender Bestimmung und Konkretion die als solcheeben nicht voraussetzungslos ist Das Sein ist das Anfangsmoment einer jedenBestimmungsreihe und wird deshalb in Bezug auf alles Folgende als incohatioaufgefasst23

Alles was ist laumlsst sich also in die zugrundeliegenden Bestimmungsmo-mente zerlegen Am Ende einer solchen Resolution gelangt man zum esse alsdem Moment das nicht weiter zu zerlegen ist da es als einfach zu gelten hatwenngleich es von der Einfachheit der ersten Ursache ausgeschlossen ist24

Als Konsequenz dieses Ansatzes dass das esse seinerseits als geschaffen mitBlick auf alles Geschaffene aber als das Erste zu verstehen ist ergibt sich eineInterpretation des Seins die dieses sowohl als Akt wie auch als Potentialitaumltdeutet Albert behauptet sowohl dass das Sein Akt des Seienden ist25 wieauch dass es von sich aus im Status der Potentialitaumlt ist26 Gemeint ist offen-sichtlich eine jeweils unterschiedliche Blickrichtung Gegenuumlber dem erstenPrinzip ist das Sein in potentia ja sogar eine nihil wie Albert ausdruumlcklichsagt Als Erklaumlrungsgrund der seienden Dinge aber ist das Sein Akt d hdasjenige Moment das die je eigentuumlmlichen Bestimmungsmomente die je-des Seiende kennzeichnet verwirklicht Das Sein kann also fuumlr Albert gleich-zeitig als geschaffen und doch als erstes gelten als im weitesten Sinne verur-sacht und doch als voraussetzungslos insofern Sein eben beides ist Erstes

21 Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 8122 Vgl Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 31423 Vgl Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 8124 Vgl ebd25 Ebd [E]sse actus est entium26 Ebd Et secundum seipsum in potentia est

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 165

und Zweites Akt und Potenz nichts und nichts seiner selbst voraussetzend[nihil et nihil sui supponens]

Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass die durch den Liber de causisbedingte Neigung zur negativen Theologie sich dem Seinsbegriff der aristote-lischen Metaphysik insofern anschlieszligt als hier eine Lehre von disjunktivenpassiones entis einen geeigneten Anknuumlpfungspunkt bietet Allerdings solltehierbei nicht die Differenz missachtet werden die man annehmen muss zwi-schen einem allgemein praumldizierbaren Seinsbegriff sowie den ihn explizieren-den disjunktiven Praumldikaten auf der einen Seite und dem Sein als einer onto-logischen Instanz die sowohl dem uumlbergeordneten Prinzip als auch den un-tergeordneten Seienden gegenuumlber in einer Kausalrelation steht

Nicht nur die Bestimmungen die Albert vom Sein gibt scheinen dieseneinander widerstreitenden Charakter zu haben sondern der Seinsbegriffselbst scheint in seiner Anwendbarkeit nicht klar zuzuordnen zu sein Denneinerseits scheint er fuumlr das primum creatarum bzw primum causatum vor-behalten zu sein doch wendet ihn Albert eben auch auf die erste Ursachebzw das erste Prinzip selbst an wenn er vom esse dictum de primo principiospricht Albert traumlgt damit der Intuition Rechnung dass auch das erste Prin-zip in gewisser Weise ist Er selbst hat bereits im ersten Buch seines Kommen-tars zum Liber de causis unter Ruumlckgriff auf die Metaphysik Algazalis unddie dort aufgefuumlhrten zwoumllf Eigenschaften des Ersten eben dieses nicht nurals Sein sondern als notwendiges Sein apostrophiert27 Die Frage wie dieseVerwendungsweise des Begriffs esse zu rechtfertigen ist laumluft auf eine Unter-suchung der Einheit des Begriffs und damit auf die Frage nach der univokenoder aequivoken bzw analogen Praumldikation des Begriffs des Sein hinaus Die-se Frage nach der Einheit des Seinsbegriffes betrifft damit unmittelbar daszweite Grundsatzproblem der Metaphysik naumlmlich die Frage inwiefern dieMetaphysik eine Transzendentalwissenschaft genannt werden kann

IV Die Transzendentalitaumlt des Seinsbegriffes

Wenn transzendental eine jede Wissenschaft ist die transkategoriale Begriffezum Gegenstand hat dann kann man Alberts Analyse an den Schluumlsselstellenseines Kommentars zum Liber de causis tatsaumlchlich als Beleg dafuumlr ansehendass die Metaphysik mit ihrem Gegenstand des ens inquantum ens durchgaumln-gig als Transzendentalwissenschaft zu begreifen ist Denn Albert wendet sichausdruumlcklich gegen die Annahme dass durch die Anwendung des Seinsbegrif-

27 Vgl ebd 17 f

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fes sowohl auf das erste Prinzip als auch auf das primum creatum die Einheitdes esse als eines transkategorialen Begriffes in Frage gestellt wuumlrde Zwarist es so dass esse in den beiden genannten Verwendungsweisen nicht mehrdasselbe meinen kann also keine univoke Praumldikation vorliegen kann dochhebt dies nicht die Einheit einer uumlberkategorialen Aussage dieses Begriffesauf In einem ersten Schritt stellt Albert die nicht-univoke Bedeutung des esseexplizit fest bdquoAus dem zuvor gesagten folgt dass Sein wenn es vom erstenPrinzip ausgesagt wird und Sein wenn es von den zweiten ausgesagt wirdnicht univok ist Etwas univok Ausgesagtes ist naumlmlich wesentlich in allenDingen von denen es ausgesagt wirdldquo28

Diese These wird erlaumlutert und begruumlndet indem Albert die Moumlglichkeiteinen Begriff univok zu verwenden ganz auf das Praumldikationsschema derkategorialen Begriffe reduziert Eine univoke Aussage ist immer die einerGattung von den darunter fallenden Dingen Albert spricht explizit nur vonder Aussage eines genus was der Sache nach auf die Art- und Differenzbegrif-fe zu erweitern waumlre Die Aussage eines Gattungsbegriffes so argumentiertAlbert beinhaltet aber immer eine essentielle Gemeinsamkeit mit den durchdie Gattung konstituierten Gegenstaumlnden Dass das erste Prinzip in diesemSinne eine wesentliche Gemeinsamkeit mit dem Nachfolgenden haben koumlnn-te die im Begriff esse ausgesagt wuumlrde haumllt Albert fuumlr eine absurde Annah-me29 Soll sich der Zusammenhang von erstem Prinzip nachfolgendem Seinund den konkreten Einzelgegenstaumlnden nicht vollends aufloumlsen bleibt aufdieser Grundlage nur die Moumlglichkeit eine Gemeinsamkeit aufgrund einesanalogen Verhaumlltnisses anzunehmen

bdquoWenn also das erste Prinzip Sein genannt wird und das Geschaffenebzw Verursachte Sein genannt werden dann handelt es sich in diesemFall nur um eine Gemeinsamkeit aufgrund von Analogie Diese Gemein-samkeit besteht in dem einen durch sich und im eigentlichen Sinne inden anderen aber durch eine Nachahmung von jenem wie im viertenBuch der Ersten Philosophie bewiesen wurdeldquo30

28 Ebd 82 Ex quo sequitur quod esse dictum de primo principio et esse dictum de secundisnon sit univocum Univocum enim in omnibus his est essentialiter de quibus praedicatur

29 Ebd Sequitur etiam ulterius quod esse dictum de primo principio et esse dictum de secun-dis nec unum genus sit entium nec in uno genere Si enim esset unum genus cum naturaquae genus est secundum essentiam sit in his quorum genus est et essentialiter constituensea sequeretur quod esse primi principii essentialiter constitueret entia quod impossibileest Si vero esset in uno genere cum esse aliorum sequeretur quod aliquid esset prius primoprincipio et simplicius eo quod absurdum est

30 Ebd Cum ergo primum principium esse dicitur et creata sive causata esse dicuntur nonest ibi communitas nisi per analogiam Quae communitas in uno est per se et proprie inaliis autem per imitationem illius sicut in IV PRIMAE PHILOSOPHIAE probatum est

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 167

Dieses Argument ist fuumlr die im Raume stehende Frage nach der Einheit vonAlberts Metaphysikkonzeption von besonderer Bedeutung Offensichtlich istes Alberts Absicht die Metaphysik wie sie sich einerseits in Metaphysik Αund Ζ darstellt und wie sie andererseits auf der Grundlage der Ausfuumlhrungenzum ersten Prinzip und zum Sein als dem ersten Geschaffenen im Liber decausis entfaltet wird in einer Einheit zu begreifen Diese Einheit ergibt sichnicht aus einer wesentlichen Gemeinsamkeit all dessen was Seiendes genanntwird sondern aus der Bezogenheit jeder Verwendung des Seinsbegriffes aufein erstes von woher sich eine analog gemeinsame Praumldikation des metaphy-sischen Grundbegriffes esse ergibt Der Seinsbegriff auf den man stoumlszligt wennman eine Resolution aller von den seienden Dingen aussagbaren Bestimmun-gen durchfuumlhrt ist deshalb nur auf das Sein des primum creatum anwendbarund dieser wird eben nicht univok vom schlechthin Ersten wie es im Liberde causis thematisiert wird also vom ersten Prinzip ausgesagt31

Dieser Aspekt von Alberts Praumldikationstheorie der das Verhaumlltnis desersten Prinzips zum Sein als dem Ersterschaffenen betrifft geht nicht in dieUumlberlegungen ein die Aertsen hinsichtlich der Transzendentalitaumlt der Meta-physik anstellt Aertsen beantwortet die Frage nach der Einheit des Seinsbe-griffes und der davon abhaumlngenden Transzendentalitaumlt unter Ruumlckgriff aufein Argument das Albert als Antwort auf eine andere Frage entwickelt Dieresolutive Analyse des konkreten Seienden fuumlhrt zu einem ersten Begriff dereben nicht das erste Prinzip einschlieszligt Er mag transkategorial sein wirdaber wohl nicht im Sinne einer Fundamentalwissenschaft als transzendentalgelten koumlnnen

Ist fuumlr Albert mit den bisher genannten Uumlberlegungen die Frage nach derUnivokation des Begriffs des Seins in Bezug auf das erste Prinzip und dasprimum creatum beantwortet und zwar negativ beantwortet harrt die Fragenach der Einheit des Seinsbegriffes hinsichtlich des primum creatum und al-lem Seienden das diesem nachgeordnet ist noch einer Klaumlrung Im Ergebnisgeht Albert von einer Einheit des Seinsbegriffes aus die sich aber nicht alsEinheit eines kategorialen Begriffes ergibt so dass esse in dem Sinn ein ein-heitlicher Begriff waumlre wie es die Begriffe Mensch oder Lebewesen sindGleichwohl ist der Begriff des esse einheitlich wie einfach und zeichnet sichzudem durch die groumlszligte moumlgliche Allgemeinheit aus

bdquoDie umfassendste Praumldikation ist die die in allem vorkommt Das Seinaber als erstes Geschaffenes ist durch keine Differenz bestimmt Der Um-fang seiner Praumldikation ist also durch nichts beschraumlnkt Es folgt also

31 Ebd Est ergo esse quod primum est in entium compositione et in resolutione ultimumnon simpliciter primum sed primum creatum

168 Hannes Moumlhle

dass [dem Sein] die umfassendste Allgemeinheit zu eigen ist obwohl sei-ne Allgemeinheit weder die einer Gattung einer Differenz einer Art ei-nes Propriums noch die eines Akzidens ist sondern die eines ersten Prin-zips das in das Sein aller Dinge eingeht und durch eine Analogie aufalles Seiendes bezogen ist Das Sein ist also ein erstes Geschaffenes eineseinfach und ein im Sinne der umfassendsten Allgemeinheit allgemei-nesldquo32

Zu beachten ist allerdings dass die hier genannte umfassendste Allgemeinheitinsofern einer Einschraumlnkung unterliegt als Albert mit diesem Ausdruck aufdie urspruumlngliche Frage antwortet ob der Begriff des Seins allgemeiner istund weiter reicht als alles Seiende das dem Sein nachfolgt universalius etlatius omnibus entibus se sequentibus33 Der Superlativ latissima universalitaszur Kennzeichnung des Seinsbegriffes ist also einzuschraumlnken auf die kompa-rativische Verwendung zu Beginn des Kapitels wo von einer groumlszligeren Allge-meinheit des Seinsbegriffes im Vergleich zu den Begriffen die konkret Seien-des bezeichnen die Rede ist Diese gegenuumlber den seienden Dingen weitrei-chendere Allgemeinheit kommt dem Begriff des Seins aufgrund seinerAnnaumlherung zum ersten Prinzip zu In Nachahmung der Einheit des Erstendie das Sein als creatum primum nicht selbst erreicht besitzt es eine in Relati-on gesehen groumlszligere Allgemeinheit als die anderen Seienden bdquoDas Sein alsdas erste Geschaffene ist aufgrund seiner Annaumlherung zu jenem [ersten Prin-zip] und durch die Nachahmung von [dessen] Einheit in einem houmlheren Maszligeeines als alles Nachfolgende wenngleich es keine reine Einheit besitztldquo34

Dies liegt an seinem transgenerischen Charakter der allerdings nichtgleichbedeutend ist mit einer uneingeschraumlnkten Allgemeinheit wie sie einemuneingeschraumlnkt und univok praumldizierbaren Seinsbegriff zukaumlme

Albert erlaumlutert mit Blick auf das Sein den Grund weshalb sich die Ein-heit des Seins gegenuumlber den nachfolgenden Seienden auszeichnet Nach Al-bert ist es die Art und Weise wie sich Akt und Potenz im Sein bzw denkonkreten Dingen verhalten Alles was dem Sein nachfolgt ist durch eineZusammensetzung oder Vereinigung von Akt und Potenz gekennzeichnet die

32 Ebd 83 Latissima enim praedicatio est quae est in omnibus Esse autem primum creatumnulla differentia determinatum est Ambitus ergo suae praedicationis a nullo restrictus estSequitur ergo quod latissimae universalitatis est quamvis universalitas sua non sit generisvel diffentiae vel speciei vel proprii vel accidentis sed principii primi ingredientis in essererum omnium quod per analogiam refertur ad entia Est igitur esse creatum primumunum simplex universale latissimae universalitatis

33 Ebd 82 Ex praeinductis accipitur quod esse unicius sive simplicius est et per consequensuniversalius et latius omnibus entibus se sequentibus

34 Ebd Esse autem creatum primum ex accessu ad illud per unitatis imitationem unicius[Fauser liest unius] est omnibus sequentibus sed non vere unum purum

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 169

darin besteht dass sich nicht ein und dasselbe in Akt und Potenz befindetSeiendes in diesem Sinne enthaumllt sowohl aktuierte Momente als auch dasVermoumlgen dass andere Bestimmungen erst noch aktualisiert werden DasGegenmodell zu einer solchen congregatio aus Akt und Potenz besteht darindass sich ein und dasselbe in Akt und Potenz befindet Albert denkt hieroffenbar an einen einheitlichen und das Ganze betreffenden Uumlbergang voneinem Anfangszustand den er incohatio nennt zu einem Endzustand dener als perfectio bezeichnet35 Diese Beschreibung einer zwar dem konkretenSeienden uumlberlegenen Einheit die aber gleichwohl eingeschraumlnkt bleibt trifftoffensichtlich auf das Sein zu Denn dieses ist wie bereits gesehen fuumlr Albertsowohl Akt als auch Potenz allerdings nicht in Gestalt einer Zusammenset-zung aus aktuellen und noch in Potenz befindlichen Teilen sondern als eineVermittlung von Anfang und Vollendung die sich jeweils auf ein und dassel-be bezieht und nicht nur Teile eines Ganzen betrifft Anders ausgedruumlcktkann man vielleicht sagen Das Sein ist als Ganzes dynamisch da es gegen-uumlber dem ersten Prinzip im Status der Moumlglichkeit ist waumlhrend es mit Blickauf die Vielheit des Seienden das Moment des Wirklichseins beinhaltet

Das Sein als Ganzes in seiner Dynamik von Akt und Potenz zu deutenhat im Liber de causis selbst kein Vorbild sondern geht offensichtlich aufAlberts durch die aristotelischen Vorgaben gepraumlgtes Verstaumlndnis zuruumlck Mitdieser Dynamik ist eine Grundstruktur gemeint wie sie immer schon voraus-gesetzt werden muss wenn man etwa das Sinnesvermoumlgen eines Tieres alsdie Weise verstehen will in der sich das Lebendigsein der Tiere verwirklichtoder die Vernunft als das begreifen will worin sich die besondere Ausprauml-gung der Sinnlichkeit des Menschen zeigt

Albert deutet das Sein nicht nur als Einheit von Akt und Potenz sondernauch als Einheit von Endlichkeit und Unendlichkeit das Sein ist naumlmlichauf gewisse Weise beides endlich und unendlich36 Vieleicht liegt in dieserEigenschaft des Seins widersprechende Bestimmungen wie Akt und PotenzEndlichkeit und Unendlichkeit in sich zu enthalten auch ein Hinweis dasesse des Liber de causis deutlicher in einer praumldikationslogischen Weise zuverstehen Die genannten Bestimmungen sind dann nicht als Eigenschafteneiner ontologischen Instanz sondern als moumlgliche begriffliche Entfaltungen

35 Ebd 82 f Sequentia vero unitatem non habent nisi compositionis potentiae et actus quaeunitas non esset sed congregatio si idem et unum non esset in potentia et actu Idem enimet unum est cuius esse secundum incohationem est in potentia et secundum perfectionemest in actu

36 Ebd 143 Ens autem creatum primum quod est intelligentia non simpliciter est infinitumquid Et si dicitur esse infinitum non est infinitum secundum seipsum et proprie loquendonec simpliciter est finitum nec simpliciter infinitum sed quodam modo finitum et quodammodo infinitum

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eines uumlbergeordneten allgemeinen Praumldikates naumlmlich dem des Seiendenauszufassen

V Zwischen zwei Traditionen von Metaphysik

Der Seinsbegriff bietet Albert die Gelegenheit die durch den Liber de causisvorgegebene Lehre vom processus bzw effluxus des Alls aus einem erstenPrinzip mit der aristotelischen Doktrin vom Seienden als dem ausgezeichne-ten Gegenstand der Metaphysik zu verbinden Albert hat beide Ansaumltze dieer zumindest einer einheitlichen Schultradition zugeschrieben hat mehrfachin seinem Werk als einen in sich stimmigen und einheitlichen Ansatz vonMetaphysik zu begreifen versucht Albert steht mit diesem Vorgehen ganz inder Pariser Tradition des Guide de lrsquoeacutetudiant der ganz selbstverstaumlndlich denGegenstand der Metaphysik als erstes Seiendes bezeichnet um diesen dannunmittelbar folgend als den Begriff des Seienden aufzufassen der in allgemei-ner Weise von allen Prinzipien der Dinge aussagbar ist37 Erstheit im Sinneeiner Fundierung des Emanationsprozesses und Erstheit im Sinne der allge-meinen Praumldizierbarkeit verbinden sich in dieser Tradition des Studienfuumlhrersmit Blick auf den Gegenstand der Metaphysik ganz selbstverstaumlndlich undohne eine weiter gehende Problematisierung hervorzurufen Fuumlr den Guidede lrsquoeacutetudiant verbindet sich im Gegenstand der Metaphysik ganz offensicht-lich ein Begriff des Seienden der als Ursprung eines Emanationsprozessesgedacht wird mit einem praumldikationslogisch allgemeinsten Begriff dessenPrinzipiencharakter davon abhaumlngt dass er als Begriffsgehalt in allen ande-ren Begriffen enthalten ist

Neben dieser bei Albert erkennbaren Tendenz die Einheitlichkeit der bei-den Deutungsmoumlglichkeiten zu betonten ist allerdings auch auf Alberts Auf-fassung zu verweisen wonach es sich hierbei tatsaumlchlich um sich ausschlie-szligende Konzeptionen handelt In besondere Weise wird dies im zweiten Kapi-tel von Alberts Einleitung zum Metaphysikkommentar deutlich Es ist nichtzu bestreiten dass hier explizit die Unvereinbarkeit einer Deutung des Gegen-standes der Metaphysik im Sinne eines praedicatum commune das einheit-lich von den disjunktiven Bestimmungen ausgesagt wird auf der einen Seiteund einer causa prima auf die alle kategorialen Bestimmungen zuruumlckgefuumlhrtwerden auf der anderen Seite ausgeschlossen wird Gerade in dieser Diffe-

37 Lafleur Le bdquoGuide de lrsquoeacutetudiantldquo (wie Anm 1) sect 12 34 Subiectum uero methaphisicepotest dici primum ens eo quod est illud a quo omnia alia exeunt in esse et a quo conseru-antur Et potest dici subiectum eius ens communiter dictum ad omnia uniuersalia principiarerum

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 171

renzierung liegt Alberts Hauptargument gegen die von ihm fuumlr falsch gehalte-nen Interpretationen des Gegenstandes der Metaphysik Alberts zentrale The-se besteht ausdruumlcklich darin dass das Subjekt der Metaphysik nicht dieUrsache sein kann insofern sie als Ursache oder insofern sie als ein Erstesbegriffen wird38

Gleichwohl versucht Albert offensichtlich in Metaphysik IV die drohendeSpannung zu beheben die daraus resultiert dass man den Gegenstand derMetaphysik einerseits aus der Prioritaumlt eines allgemeinsten Praumldikats ableitetoder andererseits auf der Prioriaumlt in einem Fundierungsgefuumlge und damit ineiner dem Sein eigentuumlmlich zukommenden Voraussetzungslosigkeit gruumlndetDas entscheidende Interpretament ist hierbei die aus dem Liber de causisherruumlhrende These wonach das Sein insofern das Erste ist als es kein anderesSeiendes voraussetzt Das Sein selbst ist in diesem Sinne voraussetzungsloswas daher kommt dass es nicht durch Einformung die ein Seiendes bereisvoraussetzt sondern durch Schoumlpfung die unabhaumlngig von jedem Seiendenist hervorgebracht wird39

Die Ausfuumlhrungen im Liber de causis zeigen dass hierzu gewisse Modifi-kationen notwendig sind die Albert bereits in seinem Metaphysikkommentar

38 Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 3 Ex his igitur et huiusmodi talem isti accepe-runt opinionem Sed quod errent non difficile est ostendere quoniam subiectum est inscientia ad quod sicut ad commune praedicatum reducuntur partes et differentiae quarumquaeruntur proprietates in ipsa et ad quod consequuntur passiones quae inesse subiectodemonstrantur Certo autem certius est quod substantia quantitas qualitas et huiusmodinon reducuntur ad causam sicut ad praedicatum commune cum tamen de modis et proprie-tatibus talium omnium in hac scientia determinetur Similiter autem per se esse et per acci-dens potentia et actus unum et multum idem et diversum conveniens et contrariumseparatum et non-separatum et huiusmodi quae sunt passiones quae subiecto istius scien-tiae universaliter et ubique probantur inesse non sequuntur causam inquantum causa autinquantum est prima Et cum passio immediata sit subiecto in scientia omni non potestesse causa subiectum scientiae istius

39 Ebd 163 Ens enim est subiectum habens accidentia multa quae accidunt ei per se quaelicet realem ad ipsum non habeant differentiam habent tamen differentiam in modo Quodpatet per hoc quia cum ens nihil habeat ante se patet quod non procedit in esse sicut formaalicui addita praecedenti sed sicut subiectum in quo informata sunt omnia sequentia Vitaenim est ex additione formae cuiusdam se habens ad ens et similiter substantia et sensus etratio et intellectus Nec dicitur esse subiectum sicut species quae subicitur generi differentiaconstitutiva sed dicitur subiectum sicut id quod praesupponitur in omnibus sequentibus etomnibus substat eis Et sic patet quod licet sequentia realem ad ipsum non habeant diffe-rentiam habent tamen ad ipsum differentiam in modo et haec differentia sufficit scientiaeprimae philosophiae Sic enim omnia sequentia enti demonstrantur inesse ut entia per infor-mationem esse habentia insunt enti per creationem solam esse habenti eo quod nihil penitusante se habeat reliqua autem ad minus sibi praesupponunt ipsum ens Sic enim intelligiturquod in LIBRO DE CAUSIS dicitur quod sbquoprima rerum creatarum est esse et non est anteipsum creatum aliudlsquo Omnia autem alia sunt per informationem ut bonum et omnia alia

172 Hannes Moumlhle

andeutet wenn er die Metaphysik dort als scientia transphysica und ebensoals scientia divina bezeichnet Die Frage die sich jetzt stellt betrifft die Span-nungen die zwischen den unterschiedlichen Deutungsweisen einer erstenWissenschaft bestehen und die sich aus Alberts eigenen Ausfuumlhrungen erge-ben Behaumllt der von Albert in den verschiedenen Kontexten der Auseinander-setzung mit Aristoteles mit dem Liber de causis und mit dem Werk des Dio-nysius Ps Areopagita entworfene Seinsbegriff eine hinreichende Einheitlich-keit um als Gegenstand der alle anderen Wissenschaften fundierendenMetaphysik dienen zu koumlnnen

Die allgemeine Praumldizierbarkeit des Seinsbegriffes so wie sie von Aristo-teles zumindest in Metaphysik I und auch in IV zum Ausdruck gebracht wirdkann mit Blick auf den Liber de causis nur bedingt aufrecht erhalten werdenda in der dort vorgetragenen Reihung von primum principium esse und entiadas Sein eben nicht an erster Stelle steht so dass ein entsprechender Begriffdes Seins in praumldikationslogischer Hinsicht nicht alles umfassend sein kannGelegentlich finden sich Andeutungen den Seinsbegriff auch auf das erstePrinzip auszudehnen was naheliegt da man eben davon sprechen kann dassdas principium primum ist Albert schraumlnkt diese Praumldikation aber dahinge-hend ein dass der Seinsbegriff in diesem Fall nur in Analogie nicht aber ineiner univoken Bedeutung verwandt wird Ebenfalls haumllt Albert die Anwen-dung des transkategorialen Seinsbegriffes auf das kategorial Aussagbare auchfuumlr einen Fall analoger Praumldikation Albert gelangt zwar zu einer Interpretati-on der umfassenden Allgemeinheit des Begriffes esse und damit zu einer kor-respondierenden Einheit der Aussage allerdings ist er nicht der Meinungdass diese Einheit des Begriffs zu einer univoken Praumldikation des esse fuumlhrtStatt einer strikt praumldikationslogischen Deutung greift Albert deshalb auf dieeher metaphorische Beschreibung einer imitatio40 des jeweiligen Analogonzuruumlck Wenn man also Alberts Ansatz der Metaphysik mit Aertsen alsTranszendentalphilosophie bezeichnen moumlchte sollte man im Blick behaltendass der zentrale Begriff dieser Metaphysik in seinem Umfang eingeschraumlnktist bzw seine Aussage aufgrund der Analogielehre einen Rest metaphorischenSprechens nicht ablegen kann Fuumlr Albert schwingt im Ausdruck transcende-re eben immer die Konnotation auf die transphysica mit weshalb die Meta-physik nicht eine Transzendentalwissenschaft ist die einer scientia divina ge-genuumlbersteht sondern die mit dieser zusammenfaumlllt oder zumindest auf dieseausgerichtet ist Wobei der von Aristoteles her uumlbernommene Begriff der goumltt-lichen Wissenschaft nicht ein grenzuumlberschreitendes weil goumlttlich offenbartesWissen meint

40 Vgl Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 82

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 173

Der tiefere Grund dieses Befundes scheint darin zu bestehen dass Albertin seiner Metaphysik tatsaumlchlich zwei unterschiedliche Ansaumltze zu verbindensucht L Honnefelder spricht deshalb davon dass Albert den Versuch unter-nimmt ein ganzheitstheoretisches Modell einer transzendentalen Metaphysikmit einem reihentheoretichen Ansatz eines am Leitfaden der Kausalitaumltsver-haumlltnisse orientierten Entwurfs der ersten Philosophie zu verbinden41 Albertschlieszligt auf diese Weise die Metaphysik mit der aus dem Liber de causisgewonnen Lehre von Gott als dem Ursprung aller Dinge ab42

Die sachliche Differenz unterschiedlicher Ansaumltze im Werk Albertsscheint ebenso evident zu sein wie der Versuch Alberts diese zu vereinenLetzteres wird von de Libera unterschaumltzt wenn er zwei voumlllig losgeloumlsteAnsaumltze Alberts konstatiert ersteres wird nicht ausreichend gewuumlrdigt wennAertsen Alberts Metaphysik als ganze und ohne Differenzierung als Trans-zendentalwissenschaft deutet43 Gegenuumlber Honnefelder ist zu fragen woraufsich die Verbindung der beiden Ansaumltze bei Albert im Detail stuumltzt und wieweit sie aufgrund der inneren Spannungen die sich aus der Kombinationzweier unterschiedlicher Paradigmen ergeben tatsaumlchlich reicht

VI Ganzheits- und reihentheoretischer Ansatz der Metaphysik

Honnefelder hebt hervor dass fuumlr diese Verbindung zweier zumindest primafacie heterogener Ansaumltze Alberts Interpretation der Zweiten Analytiken undinsbesondere seine Deutung des Begriffs des Subjektes einer Wissenschaft eineentscheidende Rolle spielen44 Im Gegensatz zu anderen zeitgenoumlssischen In-terpreten der Zweiten Analytiken antwortet Albert auf die Frage was denn

41 Vgl L Honnefelder Metaphysik als bdquoErste Wissenschaftldquo Die kritische Rezeption der ari-stotelischen Metaphysik durch Albert den Groszligen in Ders (Hrsg) Albertus Magnus undder Ursprung der Universitaumltsidee Die Begegnung der Wissenschaftskulturen im 13 Jahr-hundert und die Entdeckung des Konzepts der Bildung durch Wissenschaft Berlin 2011insbes 347

42 Vgl ders Albertus Magnus und die kulturelle Wende im 13 Jahrhundert Perspektiven aufdie epochale Bedeutung des groszligen Philosophen und Theologen (Lectio Albertina Bd 13)Muumlnster 2012 insbes 11

43 Eine gewisse Akzentverschiebung scheint in Aertsens juumlngestem Buch festzustellen zu seinGegenuumlber dem fast gleichlautenden Aufsatz aus dem Jahr 2001 ergaumlnzt er seine urspruumlngli-che Deutung nun um den Hinweis dass Albert zur Begruumlndung der Annahme dass dasSeiende als solches Gegenstand der Metaphysik sei weniger auf bdquocommonness of beingldquoals eher auf seine bdquofirstnessldquo abhebt Vgl Aertsen Medieval Philosophy (wie Anm 15) 204

44 Zum folgenden vgl H Moumlhle Albertus Magnus und die Vielheit der Wissenschaften inHonnefelder Ursprung der Universitaumltsidee (wie Anm 41) 301ndash331 511ndash520 insbes 303ndash314

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unter einem Subjekt einer Wissenschaft zu verstehen ist und wodurch sichdie Einheit der in einer Wissenschaft zugrundegelegten Beweisprinzipien alsodie Einheit eines Wissenschaftsgenus ergibt mit dem Hinweis dass es sichhierbei um einen Kausalzusammenhang handelt45 Die Einheit einer Wissen-schaft ergibt sich nicht auf der Ebene von unter- und uumlbergeordneten Begrif-fen und Saumltzen wie man vermuten koumlnnte wenn man eine Wissenschafts-theorie am Leitfaden der demonstrativ verfahrenden Geometrie betreibt wieAristoteles dies uumlber weite Strecken der Zweiten Analytiken tut Vielmehrsieht Albert die Loumlsung der Frage nach der Einheit einer Wissenschaft durchden Hinweis auf einen jeweils abgrenzbaren und erklaumlrungskraumlftigen Kausal-zusammenhang gegeben46

Fuumlr die Metaphysik scheinen diese beiden Optionen der Gegenstandsbe-stimmung naumlmlich aufgrund der praumldikativen Ordnung allgemeiner und we-niger allgemeiner also uumlber- und untergeordneter Begriffe mit einem allge-meinsten Begriff an der Spitze einerseits und einem System auseinander fol-gender Kausalzusammenhaumlnge andererseits eine entscheidende Rolle zuspielen Doch ist dieser methodische Dualismus tatsaumlchlich ein adaumlquatesMittel sich den Texten Albert in allen ihren Facetten zu naumlhern Wird hiervielleicht eine idealtypische Unterscheidung die aus heutiger Sicht durchauseine sachliche Angemessenheit postulieren kann auf die von Albert vertrete-nen Metaphysikdeutung uumlbertragen die sich der modernen Perspektive nichtfuumlgt und aufgrund der durch mehrere Traditionen bestimmten konkreten his-torischen Situation von Alberts Denken weitaus komplexer ist

VII Die Ambivalenz der resolutiven Methode

Es scheint tatsaumlchlich so dass diese fuumlr die moderne Interpretation der meta-physischen Modelle zum Standard gewordene Unterscheidung im Werk Al-berts weitaus weniger trennscharf ist Dies zeigt sich vor allem in AlbertsDeutung des Begriffs der resolutio die eben nicht nur die Begriffsresolutionmeint sondern auch unmittelbar gleichgesetzt wird mit der Zuruumlckfuumlhrungeiner Kausalkette auf ihr erstes Glied Offensichtlich wendet Albert das reso-

45 Alberti Magni Ed Bor 2 (wie Anm 2) 60 Ex his autem quae dicta sunt ulterius quasi excorollario concluditur quod non est sive contingit ex alio genere descendentem in aliudgenus demonstrare Genus autem hic non dicimus praedicabile unum vel primum secundumordinem praedicati sed dicimus genus quod est generationis principium sicut causa eademenim est per se causa subiecti et per consequens passionis principium quia quod est causacausae est etiam causa causati unde generans subiectum generat per se passiones

46 Vgl Moumlhle Vielheit der Wissenschaften (wie Anm 44) 301ndash331 511ndash520

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 175

lutive Verfahren sowohl im begriffslogischen als auch im kausaltheoretischenKontext an Es bildet damit eine Klammer die die Bezugnahme auf allgemei-ne Begriffe mit der Eroumlrterung kausaler Zusammenhaumlnge verbindet Pro-grammatisch entfaltet Albert diesen Zusammenhang als Grundlage fuumlr seineAuseinandersetzung mit Dionysius Ps Areopagita zu Beginn seines Kommen-tars zu De divinis nominibus Demnach ist eine zweifache Verwendung desBegriffs einer resolutiven Methode zu beachten zum einen die aristotelischeMethode der Begriffsresolution die auf allgemein praumldizierbare Begriffsge-halte zielt und zum anderen die kausalresolutive Methode die Albert entfal-tet und die eine Zuruumlckfuumlhrung der fuumlr uns erkennbaren Wirkungen auf diezugrundeliegende Ursache im Blick hat und in diesem Sinne synthetisierendund nicht analytisch vorgeht47 Albert gibt diese Gleichstellung keineswegsauf wenn er auch an spaumlterer Stelle vom Sein spricht das einerseits der End-punkt der vom Verstand betriebenen Begriffsresolution ist und das aber auchgenau jenes ist das selbst durch Schoumlpfung und nicht durch Einformunghervorgebracht wurde und deshalb als erster der goumlttlichen Hervorgaumlnge zudeuten ist48

Die gleiche Ambivalenz die der Begriff der resolutio zeigt wiederholtsich auch im Blick auf den Begriff der Allgemeinheit Allgemeinheit kannnaumlmlich ebenfalls praumldikationslogisch und kausaltheoretisch gedeutet wer-den Im ersten Fall betrifft die Allgemeinheit ein Praumldikat das eine maximaleExtension hat und sich darin zeigt dass sich kein weiterer Begriff findenlaumlsst der den vorliegenden in sich enthielte49 Im zweiten Fall kann man voneiner mehr oder weniger allgemeinen Kausalitaumlt sprechen je nachdem wel-cher Bereich moumlglicher Verursachung groumlszliger ist Albert scheint diesen Begriff

47 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 2 f Quis autem sit auctor patet per eaquae dicta sunt in principio CAELESTIS HIERARCHIAE et similiter quis habitus regens inhac scientia quia fides secundum quod tradita est in sacra scriptura Modus autem duplexest scilicet modus agendi et modus materiae Modus agendi in omnibus suis libris est resolu-torius Sed videtur quod in hoc libro sit modus compositivus Determinat enim sicut dic-tum est de nominibus significantibus causam secundum exitum causatorum ab ipsa proce-dere autem causatum a causa pertinet ad modum compositionis ergo modus huius libri estcompositivus Et dicendum quod est duplex modus quo proceditur de causa in causatumaut e converso Unus est factivus secundum quod causa producit effectum et hic modusest compositivus quia effectus recedit a simplicitate causae Sed quia nos non possumuscognoscere causam ipsam secundum quod est simplex in se ut per eam accipiamus cogni-tionem causati sed potius e converso ideo est alius modus cognoscitivus quo per causataaccipimus causam et hic est resolutorius et talis est modus huius scientiae non secundumquod fit resolutio in causam prout est ignota propter eminentiam sui ad modum significan-di per nomen quia hoc pertinet ad mysticam theologiam sed secundum quod fit resolutioin causam prout est univoce producens causatum

48 Vgl ebd c 5 n 20 31449 Vgl ebd

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der kausalen Allgemeinheit sogar als Maszligstab und Ursprung praumldikativerAllgemeinheit aufzufassen wenn er explizit davon spricht dass sich die Ord-nung dieser nach jener naumlmlich der kausaltheoretischen bemisst Beide For-men der Allgemeinheit lassen sich aus Alberts Perspektive auf den Begriff desSeins anwenden50

Die Ambivalenz des Begriffes einer Resolution wird auch in Alberts Sen-tenzenkommentar deutlich wenn er mit Blick auf die Frage nach der Einfach-heit des durch die resolutio Erreichten auf eine Inkompatibilitaumlt zweier Ver-fahren aufmerksam macht Das Verfahren einer Begriffsresolution fuumlhrt dem-nach zu einem allgemeinen Begriff des Seienden der hinsichtlich derKennzeichnung als geschaffenes oder ungeschaffenes Seiendes indifferent istDieser Begriff so argumentiert Albert ist aber auf keine Weise identisch miteiner Bestimmung die auf Gott angemessen angewandt werden koumlnnte Diesliegt daran dass erst der durch eine Differenz zusammengesetzte Begriff desens increatum Gott bezeichnen wuumlrde Damit wird aber eine Zusammenset-zung von Teilmomenten naumlmlich Seiendheit und Ungeschaffenheit auf Gottuumlbertragen und so seine schlechthinnige Einfachheit nicht adaumlquat zum Aus-druck gebracht Dies vermag hingegen der Begriff der causa denn diesererlaubt es die Unzusammengesetztheit Gottes und die Vorgaumlngigkeit des Be-griffes ens increatum vor dem Begriff ens die durch das begriffsresolutiveVerfahren nicht abgebildet werden kann zu erfassen51 Im Ergebnis bleibt

50 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 314 [C]ausalitas boni communior estquam causalitas entis quia inquantum est finis extendit se etiam ad non-existentia quaeeam desiderant ut supra dictum est et ideo secundum principium communicationis eiusest ordo nominum

51 Alberti Magni Ed Bor 25 (wie Anm 2) 253 Ad primum quod obiicitur de ente dicendumquod id in quo stat resolutio nostri intellectus est simplex secundum quid et simplicitercompositum Intellectus enim resolvens abstrahit universale a particulari et ulterius magisuniversale a minus universali ndash et ideo non aufert nisi differentias coarctantes et verum estquod secundum ablationem illarum differentiarum ens simplex est et ideo stat in ipsoresolutio sed ulterius compositum est et concretum habitudinibus potentialibus scilicetquod ipsum est post nihil et ideo variabile in nihil et ideo privatio et potentia decidentiaeest in eo nisi contineatur et etiam habet habitudinem ad ea cum quibus est componibilequae habitudo non nihil est in eo sicut supra diximus sed tamen illae habitudines abstrahipossunt ab eo secundum intellectum sed illa quae est potentiae privationis non potestabstrahi ab ente creato quia in ratione eius est per hoc quod ipsum est creatum Si autemobiicitur quod ens abstrahit ab ente creato et increato dicendum quod hoc frivolum estquia ex hoc sequitur quod ens increatum esset compositum si enim ens per unam rationemcommunem conveniret ei et creato oporteret quod ens commune coarctaretur in ipso peraliquam differentiam et sic ab alio haberet esse et hoc esse et hoc supra improbatum estergo ens in quo stat resolvens intellectus non est ens increatum sed ens increatum est anteipsum sicut causa Ad hoc autem quod obiicitur quod unum verum et bonum et aliquidsunt de primis simplicibus dicendum quod hoc frivolum est quia non convertuntur cumente secundum suas intentiones sed secundum sua supposita et ideo non est dubium quinilla sint composita

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 177

festzuhalten dass diese unterschiedlichen Resolutionsverfahren das begriffs-logische und das kausaltheoretische nicht zur Deckung gebracht werdenkoumlnnen ja was gravierender ist offensichtlich zu Spannungen fuumlhren undsich deshalb nicht ohne weiteres einem einheitlichen Ansatz subsumieren las-sen

Diesen Befunden entspricht es dann auch wiederum dass der Begriff derFundierung und damit der Prinzipiencharakter von Begriffen und den darausabgeleiteten Wissenschaften ebenfalls ambivalent wird Das ist naumlmlich inso-fern der Fall als ein Begriff als Fundamentalbegriff verstanden wird weil erder allgemeinste im Sinne der Aussagbarkeit ist gleichwohl aber auch voneinem ersten Begriff deshalb die Rede ist weil er ein Erstes in einem kausalenProzess bezeichnet52 Fundierung geschieht in Alberts Perspektive in beiderleiHinsicht weshalb es kein einseitig ausgerichtetes Fundierungsverhaumlltnis ge-ben kann Diese Mehrdeutigkeit des Fundierungsparadigmas macht dann imUumlbrigen auch die von de Libera mit Blick auf die Pariser Magister der 1240erJahre vertretene These53 in ihrer Anwendung auf Albert zweifelhaft wonacheine genuin aristotelische Metaphysik deren Fundierungsparadigma praumldika-tionslogisch ausgerichtet ist eine darauf folgende neuplatonisch bestimmteTheologie die kausaltheoretisch bestimmt ist fundieren wuumlrde

VIII Ergaumlnzung der Metaphysik alsFokussierung ihrer Perspektive

Trotz dieser Ambivalenzen benutzt Albert die Unterscheidung der begriffs-logischen Methode vom kausalanalytischen Verfahren wiederum fuumlr einekeineswegs in Frage gestellte Differenzierung von theologischer und philoso-phischer Vorgehensweise Wie Albert zu Beginn des fuumlnften Kapitels seinesKommentars zu De divinis nominibus deutlich macht laumlsst sich durch eineUnterscheidung eines begriffslogischen und eines kausalanalytischen Verfah-rens eine theologische Rede uumlber das Sein von einer philosophischen Betrach-tungsweise abheben Waumlhrend der Theologe die kausale Interpretation desSeienden verfolgt richtet sich das Interesse des Philosophen auf die Begriffs-resolution die bei einem ersten allgemeinen Praumldikat zum Stillstand kommtDer Kontext fuumlr diese Feststellung ist die Aussage des Dionysius Pseudo-Areopagita dass er sich nun zu Beginn des fuumlnften Kapitels seiner Schriftuumlber die Gottesnamen dem theologischen Lob des wahrhaft existierendenGottes zuwenden wolle Albert schreibt

52 Vgl Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 2 f ebd 453 Vgl De Libera Structure de corpus scolair (wie Anm 1) 77

178 Hannes Moumlhle

bdquo[Dionysius] sagt also zuerst Gesprochen ist genug uumlber das Gute jetztaber ist uumlberzugehen zum wahrhaft existierenden theologischen Lob deswahrhaft existierenden Gottes d h zur Auslegung des Lobes Gottesdurch das er in diesem Namen sbquowahrhaft Existierenderlsquo gelobt wird und[Dionysius] sagt theologisches [Lob] im Unterschied zur philosophischenBeschaumlftigung mit dem Seienden deren Absicht darin besteht dasjenigeSeiende zu bestimmen bei dem die resolutio des Verstandes wie bei einemersten Begriff zum Halten kommt indem seine Eigenschaften und Teilebezeichnet werden Die Absicht des Theologen besteht aber darin vomSeienden zu handeln insofern uumlber die Ursache eines jeden Seienden ge-sprochen wird wie naumlmlich von ihm alles Existierende herausflieszligtldquo54

Der Begriff des Lobes gehoumlrt natuumlrlich in den Kontext des dionysischen Tex-tes die Unterscheidung einer philosophischen und einer theologischen Redevom Seienden hingegen findet sich ebenso in den im engeren Sinne metaphy-sischen Schriften Alberts wie sich dort auch die inhaltliche Abgrenzung derbeiden Blickrichtungen findet Waumlhrend der philosophische Ansatz die Be-griffsresolution verfolgt steht fuumlr das theologische Verfahren der Kausalitaumlts-leitfaden im Mittelpunkt der sich wie im Liber de causis ndash und auch bereitsim Metaphysikkommentar angekuumlndigt ndash an der Fluxustheorie orientiertWas hier unter Theologie zu verstehen ist bedarf sicher weiterer AnalysenEine Theologie die sich auf die Kenntnis uumlbernatuumlrlich geoffenbarter Prinzi-pien stuumltzt wie sie Albert zu Beginn des Sentenzenkommentars entwirft unddie sich zudem durch Ihren Charakter als scientia affectiva auszeichnet kannin diesem Kontext keinesfalls gemeint sein Jede Form einer im engeren Sinnewasheitlich von Gott handelnden Theologie ist hiervon zu unterscheiden55

Albert weiszlig von Anbeginn seiner akademischen Laufbahn deutlich zwi-schen den Untersuchungsgegenstaumlnden und -methoden der Philosophen undder Theologen zu unterscheiden Dies ist insbesondere der Fall wenn es umdie zentralen metaphysischen Grundbegriffe geht In seinem Sentenzenkom-mentar stellt er mit Nachdruck fest dass Aristoteles aus philosophischer Per-spektive die transzendentalen Begriffe des ens und unum und nicht die siebegleitenden Begriffe des verum und bonum in den Vordergrund der Betrach-

54 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 303 Dicit ergo primo Dictum est suffi-cienter de bono nunc autem transeundum est ad vere existentem laudationem theologicamdei existentis vere idest ad exponendum laudem dei qua laudatur in hoc nomine quod estsbquovere existenslsquo et dicit theologicam ad differentiam philosophici negotii de ente cuius inten-tio est determinare de ente in quod stat resolutio intellectus sicut in primam conceptionemassignando passiones et partes eius theologi autem intentio est determinare de ente secund-um quod dicitur de causa omnis entis prout ab ipso fluunt omnia existentia

55 Vgl etwa Op om XXXVII2 c 1 458 f

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 179

tung stellt was hingegen die Sancti die Kirchenlehrer wobei vor allem Dio-nysius Ps Areopagita gemeint sein duumlrfte tun56 Der Grund hierfuumlr bestehtnach Albert darin dass Aristoteles den Begriff des Seienden als letztes Ergeb-nis eines begriffsresolutorischen Verfahrens und nicht als Bezeichnung einesersten Seienden versteht das Ursprung einer Fluxus-Bewegung ist In diesemletzten Sinne wird das Seiende dann von den Sancti als erstes Seiendes EinesWeises und Gutes betrachtet das jeweils Ursprung einer Kette von Hervor-bringungen ist deren Quellgrund jeweils das Erste ist Dieses Verfahren derSancti naumlmlich ihr Modus der Betrachtung ruumlckt dann andere transzenden-tale Begriffe wie vor allem das bonum in den Blickpunkt der Betrachtung

Im Ergebnis ist an den Eigenheiten der unterschiedlichen Perspektivenfestzuhalten die zwar aufeinander bezogen werden koumlnnen die aber keinEinheitsmodell einer neuplatonisch-aristotelischen Einheitswissenschaft seinkann in der die Sancti ebenso wie die Philosophi das ihnen jeweils Eigentuumlm-liche unter einem gemeinsamen Dach aufgeben muumlssen Dies gilt auch wennman dieses Dach transzendentalphilosophisch konstruieren will Denn I Sentd 46 a 14 macht ja gerade deutlich dass fuumlr Albert die Grenzlinie zwischeneiner universalistisch philosophischen Methode der Begriffsresolution und ei-nes an der Fluxustheorie orientierten Verfahrens der Sancti mitten durch dievermeintlich transzendentalen Begriffsbestimmungen verlaumluft weshalb voneiner theologischen Grundlegung der transcendentia wie mehrfach von Aert-sen behauptet57 nicht die Rede sein kann Denn offensichtlich geht die Be-handlung verschiedener transzendentaler Begriffe Hand in Hand mit einerjeweils grundlegend anderen Methode naumlmlich der praumldikationslogischenBegriffsresolution einerseits und der am Kausalitaumltsleitfaden vollzogenen Flu-xustheorie andererseits Albert traumlgt dieser Differenz zudem dadurch Rech-nung dass er zwischen dem Philosophen Aristoteles der paradigmatisch denersten Weg repraumlsentiert und den Sancti die die zweite Zugangsweise ver-koumlrpern unterscheidet Ausschlaggebend ist bei dieser Vorgehensweise dassAlbert sehr genau zwischen einer Metaphysik die sich des Verfahrens derBegriffsresolution bedient und einer Theorie der Sancti die ihren Ausgangs-punkt vom fluxus ab ente primo nimmt zu differenzieren weiszlig Im Einzelnensind es drei Elemente die Albert als Kennzeichen des philosophisch-metaphy-sischen Verfahrens anfuumlhrt die durch die Begriffsresolution erreichbare Zu-ruumlckfuumlhrung des Spaumlteren auf das Fruumlhere die Reduktion des Zusammenge-setzten auf das Einfache und schlieszliglich die hieraus resultierende Allgemein-heit die alles in sich versammelt (colligit omnia) und die ndash so ist zu er-

56 Vgl hierzu Aertsen Medieval Philosophy (wie Anm 15) 183ndash18657 Vgl ebd184 Ders Die Frage nach dem Ersten (wie Anm 18) 97

180 Hannes Moumlhle

gaumlnzen ndash durch den umfassenden Begriff des Seienden insofern es Seiendesist gegeben ist58

Das von Albert den Sancti zugeschriebene theologische Wissen das sichdes kausalresolutorischen Verfahrens bedient steht aber wie Albert an ande-rer Stelle ausfuumlhrt unter einem deutlich ausgesprochenen Erkenntnisvorbe-halt der dieses zwar einerseits uumlber die Lehre der Philosophen heraushebtes aber gleichwohl an die mit der Endlichkeit des menschlichen Verstandesgegebenen Grenzen bindet

bdquoDie goumlttliche Substanz kann in gewisser Weise von uns erkannt werdenauch an sich allerdings nicht vollkommen Dass etwas vollkommen er-kannt wird sagt man wenn man von etwas weiszlig was es ist und wasseine Eigenschaften sind Dies vermag der geschaffene Verstand abernicht hinsichtlich der goumlttlichen Substanz aufgrund [Gottes] Unendlich-keit [Gott] wird aber erkannt wie der Endpunkt einer Resolution inso-fern wir ihn nach allem Verursachten und nach jeder Einfachheit derKreaturen finden Aber eine solche Erkenntnis richtet sich eher auf daswas er nicht ist als auf das was er ist insofern wir naumlmlich die goumlttlicheSubstanz durch Beiseitelassen alles Geschaffenen erkennen und indemwir so zu ihr gelangen benennen wir sie auch Und deshalb sagt [Diony-sius] dass [Gott] unbekannt und unaussprechlich istldquo59

Gott faumlllt aus der Perspektive einer Seinsmetaphysik die sich an das impliziteVerdikt des Liber de causis haumllt Gott auszligerhalb des Skopus des Seins zu

58 Alberti Magni Ed Bor 26 (wie Anm 2) 449 f Si autem quaeritur secundum quem ordi-nem se habeant ad invicem unum verum bonum et ens dicendum quod secundum Philoso-phum ante omnia sunt ens et unum Philosophus enim non ponit quod verum et bonumsint dispositiones generaliter concomitantes ens nec divisio entis secundum quod est ensest per verum et bonum Quia Philosophus non considerat ens secundum quod fluit ab enteprimo et uno et sapiente et bono sed ipse considerat ens secundum quod stat in ipsointellectus resolvens posterius in prius et compositum in simplex et secundum quod ipsumper prius et posterius colligit omnia Et ideo de vero et bono non determinat per huncmodum sed de bono quod est finis ad quem est motus et ideo dicit quod nec una estdemonstratio in mathematicis per rationem boni Et ideo sic generaliter considerando istaut consideraverunt Sancti dicemus quod inter ista scilicet essentia et ens est primum natu-ra circa quod ut substratum sibi ponuntur alia

59 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 304 Solutio Dicendum quod divinasubstantia aliquo modo a nobis cognosci potest etiam secundum se sed non perfecteperfecte enim cognosci dicitur de quo scitur quid ipsum sit et proprietates eius hoc autemnon potest intellectus creatus in substantia divina propter sui infinitatem Cognoscitur ta-men ut terminus resolutionis secundum quod invenimus ipsum post omnia causata et postomnem simplicitatem creaturarum Sed talis cognitio potius est quid non est quam quidest inquantum scilicet cognoscimus substantiam divinam per remotionem ab omnibus cau-satis et sic devenientes in ipsam etiam nominamus ipsam et propter hoc dicit quod estignotum et ineffabile

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 181

denken heraus Erweitert man aber diesen Ansatz der Metaphysik durch dieFrage nach dem Grund des Seins d h versteht man das Sein als herausragen-des aber doch als Glied einer Kausalreihe wie es der Liber de causis nahe-legt ergibt sich die Moumlglichkeit in einer anderen Weise von einem Ersten zusprechen Die oben angedeutete Theorie einer negativen Theologie erlaubt esnaumlmlich die resolutiv gewonnenen Letztbestimmungen einer Seinsmetaphy-sik in Richtung auf ein quid zu uumlberschreiten von dem man dann zumindestsagen kann was es nicht ist

In Alberts Interpretation des Dionysischen Ansatzes wird diese negativeTheologie begleitet durch eine Abbild- oder Aumlhnlichkeitsmetaphorik DieGrundlage hierfuumlr ist das von Albert beispielhaft im ersten Kapitel von Dedivinis nominibus zugrundegelegte Analogieverstaumlndnis wonach Gott eineder analogen Aussage zugrundeliegende Konvenienz gegenuumlber allem vonihm Verursachten zukommt die einem Urbild-Abbild Verhaumlltnis von Gottund Schoumlpfung entspricht Dieser Analogiekonzeption entspricht dann einesich hieraus ergebende Partizipationslehre die diese Urbild-Abbild Metapherontologisch ausdeutet60 Albert beruft sich fuumlr dieses Vorgehen einer exemp-larursaumlchlich motivierten Deutung die er auf die grundlegenden transzenden-talen Begriffe des Wahren Guten und Seienden anwendet ausdruumlcklich aufPlaton und dessen Begriff des ersten Guten61 Auf diesem Hintergrund laumlsstsich in einem reihentheoretischen Ansatz eine Ursachenfolge als abbildhafteExplikation eines processus aus der goumlttlichen Substanz deuten so dass esdann im fuumlnften Kapitel von De divinis nominibus heiszligt bdquoDie ursprungshaf-te goumlttliche Substanz schreitet in alle Seiende fort wie eine wirkmaumlchtige undformhafte Ursache die in jede Substanz die Aumlhnlichkeit ihrer eigenen Subs-tanz verstroumlmtldquo62

60 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 35 Dicimus quod haec ratio est suffi-ciens ut deus possit nominari ab omnibus causatis quia est causa omnium et bene concedi-mus quod habet convenientiam cum causatis non univocationis sed analogiae non tamentalis analogiae quod aliquid idem participetur a deo per prius et a causatis per posteriusquia sic esset aliquid simplicius et prius deo sed quia deus est secundum substantiam aliquidut vita vel sapientia vel huiusmodi non per participationem et alia participant illud acceden-do ad primum quantum possunt sicut est convenientia exemplatorum ad exemplar ut siintelligeretur aliqua rectitudo per se existens quae imprimeretur diversis lignis quaedamplus participarent rectitudinem secundum quod essent minus nodosa nullum tamen parti-ciparet rectitudinem secundum simplicitatem exemplaris Similiter in exitu rerum ad esseunumquodque tantum participat de esse quantum similatur divino radio secundum for-mam suam et similiter in reditu ad finem unumquodque in tantum est bonum et appetibilequantum habet de similitudine ultimi finis quod est primum bonum et ideo propter talemconvenientiam causatorum ad causam potest deus nominari ex omnibus causatis

61 Vgl Alberti Magni Op om XXXIV1 (wie Anm 2) 18262 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 305 [] divina substantia principalis

procedit in omnia entia sicut causa effectiva formalis profundens in omnem substantiamsimilitudinem suae substantiae

182 Hannes Moumlhle

Die Absicht des Dionysius in diesem Kontext besteht nach Albert darinuumlber das Existierende zu sprechen insofern es in Gott ist bzw von ihmausgeht Dies kann aber nur auf die Weise geschehen dass Gott als Ursachebegriffen wird indem der Hervorgang des Seienden hinreichend durch denHervorgang der goumlttlichen Substanz expliziert wird Der tiefere Grund liegtdarin dass ein Ansatz einer ganzheitstheoretischen Metaphysik zwar mit demBegriff des Seins uumlber das Praumldikat verfuumlgt das umfassender ist als der Begriffder Substanz communior quam intellectus substantiae In der Substanz aberso interpretiert Albert den Text des Dionysius findet sich das Sein zuerst undungetruumlbt primo et simpliciter Die Substanz aber so faumlhrt Albert fort laumlsstsich qua causa und d h reihentheoretisch explizieren

bdquoObwohl der Begriff des Seienden allgemeiner ist als der Begriff der Subs-tanz erfasst man [den Begriffsgehalt des] Seienden erstlich und schlecht-hin im [Begriffsgehalt der] Substanz Anderes insofern es Seiendes isthat eben diese [Bestimmung des Seienden] von der Substanz als einerUrsache Und alles was auf Gott zuruumlckgefuumlhrt wird faumlllt aus dem Be-griffsfeld des Akzidentellen heraus Und weil [Dionysius] hier beabsich-tigt vom Existierenden zu handeln insofern es in Gott in der Weise istin der er Ursache ist wird der Hervorgang des Seienden durch den Her-vorgang der Substanz hinreichend erlaumlutertldquo63

In dieser Passage stellt Albert zwei Leistungsmerkmale die man dem Begriffdes Seienden zuschreiben kann gegenuumlber zum einen die Allgemeinheit zumanderen die grundlegende und uneingeschraumlnkte Bedeutung die diesem Be-griff zukommt Alberts These lautet nun dass beides nicht notwendig zusam-menfaumlllt Der Grund hierfuumlr besteht darin dass die groumlszligte Allgemeinheit desBegriffs des Seienden gerade dadurch zu Stande kommt dass man von derEinschraumlnkung auf den Begriff der Substanz absieht also unter Sein nichtausschlieszliglich das Sein einer Substanz versteht Will man aber auf der ande-ren Seite ndash so argumentiert Albert ndash den Begriff des Seienden erstlich undschlechthin also in grundlegender Weise begreifen dann muss man ihn vomSubstanzsein her denken Dies bedeutet Seiendes kausal zu interpretierenalso von seiner Verursachung her zu verstehen Seiendes soll von der Substanzher verstanden werden insofern diese als Ursache verstanden wird (a sub-stantia sicut a causa) Der substantielle Charakter des Seienden kommt am

63 Ebd 305 Et dicendum quod quamvis intellectus entis sit communior quam intellectussubstantiae ens tamen primo invenitur et simpliciter in substantia Alia autem secundumquod sunt entia et hoc ipsum habent a substantia sicut a causa et omnia reducta in deumcadunt a ratione accidentis Et quia hic intendit determinare de existente secundum quodest in deo per modum quo est causa ideo sufficienter explicatur processus entis per proces-sionem substantiae

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 183

deutlichsten dadurch zustande dass man die Substanz nicht nur irgendwieals Ursache versteht sondern sie bis auf Gott als die eigentliche Ursachezuruumlckfuumlhrt In diesem Fall verliert der Begriff alle Konnotationen des akzi-dentiellen Seins und wird im engeren Sinne als SubstanzUrsache in den Blickgenommen

Was das fuumlnfte Kapitel seines Kommentars zu De divinis nominibus be-trifft scheint Albert tatsaumlchlich von einer einheitlichen Interpretation der Me-taphysik uumlberzeugt zu sein unabhaumlngig davon welcher Methode sie sichbedient Offensichtlich besteht nur eine perspektivische Differenz innerhalbder Metaphysik ob sie den Weg der Begriffsresolution mit dem Zielpunkteines ersten Verstandesbegriffes beschreitet oder ob sie die kausale Rekons-truktion der Emanationsprozesse bis hin zu der grundlegenden Differenz ei-ner nur Gott zukommenden Schoumlpfung und eine alles weitere bestimmendenInformationsprozesses betreibt Die Erstheit des Seinsbegriffes stellt sichnaumlmlich fuumlr Albert in beiden Faumlllen ein sowohl in praumldikationslogischer Per-spektive als auch mit Blick auf die von Gott ausgehenden Emanationsprozes-se innerhalb derer dem Sein wiederum eine entsprechende Erstheit zukommt

bdquoMan muss naumlmlich sagen dass das Sein schlechthin gemaumlszlig der Naturund dem Begriff nach fruumlher als alles andere ist Es ist naumlmlich der ersteBegriffsgehalt des Verstandes und hierin kommt der aufloumlsende Verstandletztlich zu einem Stillstand Nur [das Sein] selbst wird aber auch durchSchoumlpfung hervorgebracht ohne das etwas anderes vorausgesetzt wuumlrdealles andere aber [wird hervorgebracht] durch Einformung naumlmlich uumlberdas vorausexistierende Seiende hinaus wie der Kommentator im Liberde causis sagt Jenes aber ist das Erste das von einem anderen hervor-geht und das nicht hervorgeht indem etwas [anderes] vorausgesetztwird Und so bleibt [als Ergebnis] uumlbrig dass unter allen goumlttlichen Her-vorgaumlngen das Sein das Erste istldquo64

So eng Albert in dieser Passage die genannten Perspektiven mit Blick auf dieErstheit des Seins als Einheit begreift so nachdruumlcklich wird durch diesesVorgehen aber auch die Differenz eines auf das Geschaffene beschraumlnktenSeinsbegriffes zu einem allgemeinsten Praumldikat das Gott und Schoumlpfung um-fasst deutlich Von der Sache her scheinen hier nicht alle Folgeproblemegeloumlst zu sein Entweder fuumlhrt die Begriffsresolution nicht wirklich zu einem

64 Ebd 314 Dicendum quod esse simpliciter secundum naturam et rationem est prius omni-bus aliis est enim prima conceptio intellectus et in quo intellectus resolvens ultimo statIpsum etiam solum per creationem producitur non praesupposito alio omnia autem aliaper informationem scilicet supra ens praeexistens ut dicit Commentator in LIBRO DE CAU-

SIS Illud autem est primum procedens ab alio quod non procedit supposito quodam et itarelinquetur quod inter omnes processiones divinas esse sit primum

184 Hannes Moumlhle

Ersten oder der Seinsbegriff muss sich in einer hier scheinbar ausgeschlosse-nen Weise doch noch auf Gott beziehen lassen

IX Erweiterung der aristotelischen Metaphysikund deren Verhaumlltnis zur Theologie

Im Ergebnis zeigt sich also dass die ganzheitstheoretische Betrachtungsweisedie von einem allgemeinen Begriff des Seins ausgeht reihentheoretisch zuergaumlnzen ist So stellt sich zumindest Alberts Vorgehen dar wenn man esvon seinem in den Aristoteleskommentaren hervortretenden Kernbestand herversteht Der Blick auf die Auseinandersetzung mit Dionysius zeigt aber auchdass Albert hierbei von einer urspruumlnglichen Einheit in der Sache ausgehtdie sich praumldikationslogisch oder kausaltheoretisch erfassen laumlsst In diesemSinne naumlmlich dass eine Wissenschaft vom transzendentalen Seinsbegriff umeine am Leitfaden der Kausalverhaumlltnisse orientierte Betrachtung zu erwei-tern ist koumlnnte man versucht sein in Bezug auf die Metaphysik Alberts voneiner Theologik oder besser von einer Gott als Ursache in den Blick nehmen-den Erweiterung der Metaphysik zu sprechen Die Rede von der Erweiterungunterstellt eine Nachordnung der Inhalte dieses Teils der Metaphysik wasAlbert selbst betont wenn er von den Hervorgaumlngen aus dem goumlttlichen We-sen die hier zur Sprache kommen sagt dass sie in der Erkenntnisordnungnachgeordnet sind weil sie als naumlhere Bestimmungen dem Sein nachfolgendas in epistemologischer Hinsicht das Erste und damit im eigentlichen SinneGegenstand der Metaphysik ist65

Gleichwohl sollte man diese Deutung der Metaphysik die ein inklusivesModell von Theoriestuumlcken mit heterogener Herkunft nahelegt nicht uumlber-spitzt als eine grenzuumlberschreitende Vermischung einer genuin philosophi-schen und einer genuin theologischen Perspektive verstehen Vielmehr scheintdas Verhaumlltnis beider eher das einer vertiefenden Fokussierung des ganzheits-theoretischen Verfahrens durch die kausal orientierte und an den Substanzbe-griff anknuumlpfende Betrachtung zu sein Diese Verbindung der Perspektivenintegriert das kausaltheoretische Vorgehen ohne dass dadurch die Ursacheals solche das eigentliche Subjekt der Metaphysik wuumlrde Diese Position die

65 Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 4 [] processiones illae divinae quas inducitnon sunt primae per hoc quod sunt divinae sed per hoc quod ad entis primi sunt simplicita-tem reductae Et ideo patet quod nulla ipsarum est absolute prima nisi ens et omnes suntad ens consequentes et ideo solum ens simplex est primum et subiectum et alia consequun-tur ad ipsum sicut partes et passiones eius Talia etiam licet sint causata divina et processio-nes simplices non tamen esse habent extra materiam []

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 185

als Gegenstand der Metaphysik eine erste Ursache annaumlhme schlieszligt Albertmit Nachdruck zu Beginn seines Metaphysikkommentars aus66 um demge-genuumlber das Seiende als Seiende ausdruumlcklich als Gegenstand der Metaphysikherauszustellen Diese Deutung Alberts wird davon getragen dass das Seien-de als Gegenstand der Metaphysik eben auch als Substanz und damit alsUrsache verstanden werden kann Mit Blick auf den Anfang von AlbertsMetaphysikkommentar ist hervorzuheben dass diese Einheit insofern vorge-zeichnet ist als die Kennzeichnungen der Ursache und der Substanz als Eigen-schaften (passiones) des allgemeinen Begriffs des Seienden und damit des ei-gentlichen Gegenstandes der Metaphysik verstanden werden67

Die aus der Verbindung unterschiedlicher Verfahren auf die Albert zu-ruumlckgreift resultierenden Spannungen sind Spannungen nicht etwa zwischender Theologie und der Philosophie sondern entstehen innerhalb der Meta-physik selbst Das begriffslogische Verfahren gelangt demnach bis zu einemprimum creatum naumlmlich dem durch den Begriff esse Beschreibbaren unddamit nicht bis zu Gott als dem ersten Prinzip selbst Bei einem kausaltheore-tischen Vorgehen innerhalb der Metaphysik gelingt zumindest uumlber den Ursa-chenbegriff noch eine eingeschraumlnkte Erfassung des Ersten das dadurch inden Blick kommt dass man es als erste Ursache begreift An dieser Stellegelangt allerdings auch die kausaltheoretisch argumentierende Metaphysikan eine Schnittstelle an der die metaphysisch ausweisbaren Begriffe der Ver-ursachung und der Einformung vom theologischen Begriff der Schoumlpfunguumlberboten und in ihrer Begrenzung als philosophische Grundbegriffe erkenn-bar werden68 Die Rede von einer Metaphysik als Theologik scheint deshalbin Bezug auf Albert nicht angemessen zu sein Gegenuumlber einer solchen Ver-mutung unterscheidet Albert viel zu deutlich zwischen dem Goumlttlichen wiees in der Philosophie durch entsprechende Ersatzbegriffe wie den der Ursa-che in den Blick kommt und dem Goumlttlichen das eine auf Offenbarungrekurrierende affirmative oder eine auf bejahende Aussagen verzichtende ne-gative Theologie zum Gegenstand hat

Zwar laumlsst sich Gott als Ursache begreifen so dass sich im Ausgang voneiner kausalen Kette affirmative Aussagen von ihm treffen lassen doch uumlber-steigt Gott diese Ursachenkette wesentlich so dass seine Washeit letztlichauch dem kausalen Zugriff entzogen bleibt69 Soll die geschaffene Welt in

66 Vgl Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 367 Vgl ebd 468 Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 80 f Sicut enim SAEPIUS dictum est creare

ex nihilo producere est Quod autem causat non supposito quodam alio quo causet conse-quenter sequitur quod causet ex nihilo Primum autem causat non supposito quodam alioquo causet Primum ergo causat ex nihilo Causatio ergo ipsius creatio est

69 Alberti Magni Op om XXXVII2 (wie Anm 2) 458 f [E]t dicit quod deus est causaomnium et tamen essentialiter est super omnia Et ideo quamvis causaliter omnium affirma-

186 Hannes Moumlhle

ihrem Verursachtsein verstanden werden koumlnnen ndash was fuumlr die Metaphysikund ihren Gegenstand von ganz zentraler Bedeutung ist insofern das Seindas primum causatum ist ndash so ist vor diesem Hintergrund zu fragen inwie-fern dies auf der Grundlage der geschilderten Transzendenz Gottes moumlglichsein soll Albert beantwortet diese Frage die er sich selbst in Form einesEinwandes im Anschluss an die dionysische Konzeption der negativen Theo-logie stellt70 mit einer spezifischen Analogielehre Gilt einerseits dass dieWasheit Gottes auszligerhalb des kausalen Zugriffes liegt so ist doch anderer-seits eine gewisse Gemeinsamkeit von Gott als Ursache und den verursachtenDingen selbst zu konstatieren Diese Gemeinsamkeit verbindet Ursache undWirkung nicht durch kategorial aussagbare Praumldikate sondern durch eineAnalogie der Nachahmung (analogia imitationis) in der die verursachtenDinge als Bilder oder Aumlhnlichkeiten Gottes erscheinen koumlnnen die in Begrif-fen wie sbquoWeisheitlsquo und sbquoGutheitlsquo ausgedruumlckt werden

bdquoDazu dass eine Wirkung von der Ursache ausgesagt werden kann istes erforderlich dass Ursache und Wirkung auf irgendeine Weise etwasmiteinander teilen Daher sagen wir dass Gott wenngleich er mit denGeschoumlpfen weder der Gattung noch der Art noch der Analogie nachin Gemeinschaft steht wodurch etwas ein sbquoeineslsquo waumlre in ihm und denanderen so steht er doch in einer gewissen Gemeinschaft der Analogieder Nachahmung insofern andere ihn nachahmen soweit sie es koumlnnenEinige aber ahmen ihn nur als von ihm Gedachte nach wie die die nichterstlich in ihm sind wie Esel und Stein in ihrer Gestalt und diese werdenvon Gott nicht wesenhaft ausgesagt sondern nur ursaumlchlich Einige aberahmen ihn nach als Bild oder Aumlhnlichkeit seiner selbst welche erstlichin ihm sind wie Weisheit Gutheit usf und diese werden von Gott we-senhaft und ursaumlchlich ausgesagtldquo71

tiones ponantur in ipso tamen multo magis essentialiter omnia removentur ab ipso et ipsenihil est eorum Et istae negationes non sunt oppositae illis affirmationibus quia non suntsecundum idem sed oportet causam omnium ponere et super negationes et super affirmatio-nes quia per neutrum horum comprehenditur quiditas dei

70 Vgl ebd 45971 Ebd Solutio Dicendum quod ad hoc quod effectus praedicetur de causa oportet quod

causa et effectus sint communicantia aliquo modo unde dicimus quod deus quamvis noncommunicet cum creaturis genere vel specie vel analogia per quam aliquid unum sit in ipsoet aliis communicat tamen quadam analogia imitationis secundum quod alia imitanturipsum quantum possunt Quaedam tamen imitantur ipsum tantum ut ideata sicut quaenon sunt per prius in ipso sicut asinus et lapis in formis suis et ista non praedicantur dedeo essentialiter sed causaliter tantum Quaedam imitantur ipsum ut imago vel similitudoipsius quae per prius sunt in ipso sicut sapientia bonitas etc et ista dicuntur de ipsoessentialiter et causaliter Uumlbersetzung nach Albertus Magnus Institut (wie Anm 11) 473

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 187

Die kausale Deutung des Seinsbegriffes die Albert dem Liber de causis ent-nimmt bietet die Moumlglichkeit den praumldikationslogisch betrachtet allgemei-nen Begriff des ens inquantum ens auf einen Grundbestand seiner Bedeutunghin zu fokussieren die Albert im Substanzcharakter einer wirkmaumlchtigencausa prima erblickt Der Preis dieser Fokussierung ist eine Einschraumlnkungdes Allgemeinheitscharakters des Seinsbegriffes Albert lehnt sich mit seinerKombination eines praumldikationslogischen und eines kausaltheoretischen Vor-gehens insofern an die Moumlglichkeiten der aristotelischen Metaphysik selbstan als Aristoteles die vielfache Aussagbarkeit des Seinsbegriffes auf eine pri-maumlre Bedeutung hin zuspitzt die ebenfalls das substantielle Sein akzentu-iert72 Die neuplatonische Fluxuslehre verbindet sich in Alberts Perspektivemit der aristotelischen Substanzmetaphysik insofern als der Ursachenbegriffdie Bruumlcke zwischen der goumlttlichen Substanz einerseits und den aus ihr her-vorflieszligenden Wirkungen andererseits zu schlagen vermag was Albert unterRuumlckgriff auf Dionysius feststellen kann73 Die aristotelische Analogielehrewiederum findet Aufnahme in eine neuplatonisch inspirierte Urbild-AbbildRelation die Albert im Anschluss an Dionysius als Nachahmungsanalogieversteht Diese Analogie druumlckt die Gemeinsamkeit aus die man zwischenUrsache und Wirkung annehmen muss um dass Hervorgebrachte als Wir-kung letztlich einer ersten Ursache begreifen zu koumlnnen wie es die Lehre desLiber de causis nahelegt

Literatur

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Muumlnster 1987Alberti Magni Metaphysica I l 1ndash5 Opera Omnia Editio Coloniensis XVI

1 Muumlnster 1960Alberti Magni De causis et processu universitatis a prima causa II 5 24

Opera Omnia Editio Coloniensis XVII2 Muumlnster 1993Alberti Magni Summa de mirabili scientia dei I (q1ndash50A) Opera Omnia

Editio Coloniensis XXXIV1 Muumlnster 1978

72 Diesen Zusammenhang der Lehre von der Analogie der Nachahmung zu den entsprechen-den Thesen des Aristoteles stellt Albert ausdruumlcklich her Vgl Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 82

73 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 305 [] divina substantia principalisprocedit in omnia entia sicut causa effectiva formalis profundens in omnem substantiamsimilitudinem suae substantiae

188 Hannes Moumlhle

Alberti Magni Super Dionysium de divinis nominibus Opera Omnia EditioColoniensis XXXVII1 Muumlnster 1972

Alberti Magni Super Dionysium mysticae theologiae Opera Omnia EditioColoniensis XXXVII2 Muumlnster 1972

Alberti Magni Logicae secunda pars Editio Borgnet 2 Paris 1890Alberti Magni Commentarii in I Sententiarum (d IndashXXV) Editio Borgnet

25 Paris 1893Alberti Magni Commentarii in I Sententiarum (d XXVIndashXLVIII) Editio

Borgnet 26 Paris 1893Aristotelesrsquo Metaphysik griech-dt in d Uumlbers v H Bonitz neu bearb mit

Einl u Kommt hrsg v H Seidl griech Text in d Edition v W ChristHamburg 2 verbesserte Aufl 1982

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Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics

Eleonore Stump

I Introduction

Aristotle and Aquinas inhabit vastly different cultures one pagan and oneChristian and their metaphysics are correspondingly different The ultimatefoundation of reality for Aquinas is the triune God and this is obviouslyldquonotrdquo the ultimate foundation of reality for Aristotle As Aristotle sees itthe metaphysical foundation of reality is being which is transcendental toeverything there is and the modes of which are given in the ten categoriesof everything there is On Aquinasrsquos Christian worldview it is also true thatat the metaphysical foundation there is being but this being is a God whocreates knows and loves creatures

The difference in outlook between Aristotlersquos pagan worldview andAquinasrsquos Christian worldview has far-ranging effects in many areas of phi-losophy and most notably in the area of metaphysics which has to do withbeing For Aquinas there is such a thing as subsistent being as distinct fromthe being of the categories1 In this paper I will explore what Aquinas hasto say about subsistent being and the way in which it influences his distinctlynon-Aristotelian understanding of the ultimate foundation of reality

The heart of Aquinasrsquos view of subsistent being is comprised in his under-standing of the doctrine of divine simplicity As Aquinas understands it thedoctrine can be summarized in three claims

The first distinguishes God from material objects2

1 Aquinas has a place for this kind of esse in his metaphysics too of course (See especiallyDe ente et essentia c5) On his view this esse is common to everything there is when it isabstracted by the mind it is a universal in the sense that it is common to many althoughunder different significations What distinguishes the esse which is God from the commonesse is that the divine esse precludes combination with anything else whereas the commonesse is open to combination with form and matter

2 Die Werke Thomas von Aquins werden in folgender Weise angegebenSancti Thomae Aquinitatis Summa theologiae ed Leonina IVndashXII Rom 1888ndash1906 [=ST]In quattuor Libros Sententiarum Stuttgart 1980 [= In Sent]Summa contra gentiles ed Leonina XXXIII Rom 1918 [= SCG]Quaestiones disputatae de potentia Turin 1965 [= QDP]

192 Eleonore Stump

1 It is impossible that God have any spatial or temporal parts that couldbe distinguished from one another as here rather than there or as nowrather than then

The second claims that the standard distinction between an entityrsquos essentialand intrinsic accidental properties cannot apply to God3

2 It is impossible that God have any intrinsic accidental properties

And the third rules out the possibility of components of any kind in theessence that is the divine nature Even when it has been recognized that allGodrsquos intrinsic properties must be essential to him it must be acknowledgedas well that

3 whatever can be intrinsically attributed to God must just be the singleundivided unity that is God

For this reason God is his own essence or nature4 For all things other thanGod there is a real distinction between what they are and that they arebetween their essence and their existence but on the doctrine of simplicitythe essence that is God is not different from Godrsquos existence Therefore un-like all created entities God is his own being

II Difficulties raised by the doctrine of simplicity

There is a large literature attempting to explain and evaluate the claims con-stitutive of the doctrine of simplicity and it is not possible in this short paperto explore all the controversies at issue in this literature Here I will focus onjust one which Norman Kretzmann and I raised in earlier work5 It has todo with the apparent incompatibility of Godrsquos simplicity and Godrsquos free

Quaestiones disputatae de veritate ed Leonina XXII Vol III Rom 1973 [= QDV]De ente et essentia ed Leonina XLIII Rom 1976 [= ENTE]Expositio libri Boetii De ebdomadibus ed Leonina L RomndashParis 1992 [= In De hebd]Die angegebene Stelle in der ST findet sich I q3 a1ndash2 cf also q9 a1 and q10 a1

3 Sancti Thomae Aquinitatis ST (wie Anm 2) I q3 a64 Ebd a35 See N KretzmannE Stump ldquoAbsolute Simplicityrdquo Faith and Philosophy 2 1985 353ndash

382 For further development of our original view and attempts to take account of objecti-ons to it see the chapter on simplicity in E Stump Aquinas LondonndashNew York 2003 92ndash130 Some paragraphs of this paper are taken from that chapter

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 193

choice In my view this is the most challenging difficulty for the doctrine ofsimplicity

On the face of it the doctrine of simplicity seems to entail that the onlythings God can do are the things God does in fact do6 If God could dootherwise than he does then some characteristics of God would be contin-gent not necessary But contingent features of God would be accidents inGod or so it seems In medieval logic an accident is just a characteristic thata thing can have or lack and still be what it is7 Since the doctrine of simplici-ty rules out accidents in God it seems to entail that everything about God isessential to him and therefore necessary for him For this reason on thisinterpretation of divine simplicity God is the same in all possible worlds ascontemporary philosophers would put it Or to put the same point in otherwords on this interpretation of divine simplicity God cannot do other thanhe does

It is perfectly clear however that Aquinas does hold that God can doother than he does In fact Aquinas takes God to be possessed of choice orliberum arbitrium8 and he argues for this claim vigorously in a variety ofplaces But for Aquinas liberum arbitrium is the power for choosing amongalternative possibilities In addition to the standardly cited passage in Summatheologiae I q19 a10 for example Aquinas says in Quaestiones disputataede veritate q24 a3 ldquothere remains to God a free judgment [liberum iudici-um] for willing either this or that as there is also in us and for this reasonwe must say that liberum arbitrium is found in Godrdquo9

In particular Aquinas holds that God was free to create or not to createGodrsquos creating was not brought about in God by any necessity of nature10

6 The question whether God could do what he does not do or refrain from doing what hedoes is a well-recognized problem in the tradition of rational theology Aquinas for in-stance discusses it several times ndash z B Sancti Thomae Aquinitatis Commentarii in librossententiarum [= In Sent] (wie Anm 2) I 43 11ndash2 Sancti Thomae Aquinitatis SCG (wieAnm 2) II c23 26ndash27 Sancti Thomae Aquinitatis QDP (wie Anm 2) q1 a5 SanctiThomae Aquinitatis ST (wie Anm 2) I q25 a5 I discuss this question further later in thispaper

7 See for example Peter of Spain (Petrus Hispanus Portugalensis) Tractatus AfterwardsCalled Summule logicales ed L M de Rijk Assen 1972 23 Accidens est quod adest etabest praeter subiecti corruptionem

8 The notion of liberum arbitrium is not equivalent to our notion of free will but is rather anarrower concept falling under the broader concept of freedom in the will For more expla-nation of Aquinasrsquos understanding of liberum arbitrium see the chapter on freedom inStump Aquinas (wie Anm 5) 277ndash306

9 Sancti Thomae Aquinitatis QDV (wie Anm 2) q24 a3 unde remanet ei liberum iudiciumad volendum hoc vel illud sicut etiam et in nobis est Et propter hoc oportet dicere in Deoliberum arbitrium inveniri [hellip] The translations of Aquinasrsquos texts in this paper are mine

10 See for example Sancti Thomae Aquinitatis SCG (wie Anm 2) II c23

194 Eleonore Stump

And since this is so with regard to creating God could do other than hedid In fact God did create but it was open to God not to create Notcreating is therefore something that God could have done but did not do

Thomists have typically supposed that Aquinasrsquos claim that God has noaccidents is consistent with Aquinasrsquos claim that God could do other thanhe does For example Reginald Garrigou-Lagrange says ldquoGodrsquos free act ofcreation although it would be possible for Him not to act is not an acci-dentrdquo11

And later he says ldquoGod is absolutely immutable although it was in Hispower not to choose that which He freely chooses from eternity For thisfree choice is not even in the least degree a superadded accident in God andit posits no new perfection in Himrdquo12

But how are these positions to be reconciled If God can do other thanhe does then it is possible for God to exist as God and yet act differentlyfrom the way he actually does act In that case however the way God actual-ly acts is not necessary to him Hence that God acts in the way he does is acontingent fact about God For this reason Godrsquos acting in this way certainlydoes appear to be an accident of Godrsquos And yet Aquinas holds not only thatGod has no accidents but even that God is his own nature and so since thenature of God is invariable it seems that God cannot do other than he doesPut in contemporary terms on this interpretation of divine simplicity Godmust be the same in all possible worlds in which he exists

We can put the conundrum this way Since no one whose will is boundto just one set of acts makes real choices among alternative acts it looks asif accepting Godrsquos absolute simplicity as a datum leads to the conclusion thatGod has no alternative to doing what he does If we begin from the otherdirection by taking it for granted that God does make choices among alter-natives then it seems that God cannot be absolutely simple

Furthermore this problem looks particularly intractable because it seemsto show a deep and irreducible difference among those things characterizingGod contrary to the doctrine of simplicity which seems to imply that Godrsquosnature is utterly and indivisibly one If God has free choice then some of thethings characterizing God are things God chooses to be characterized by ndashsuch as his being a God who creates But it makes no sense to suppose thatGod freely chooses all the things that characterize him so that it is up tohim for example whether or not the principle of non-contradiction appliesto him or whether or not he is omnipotent good eternal or simple Consid-erations of this sort evidently require us to draw a distinction between two

11 R Garrigou-Lagrange The One God St LouisndashLondon 1943 190ndash19112 Ebd 511 f

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 195

groups of things characterizing God those that are freely chosen by God andthose regarding which God has no choice

And this apparently real distinction among things characterizing Godcannot be explained as only a reflection of diversity in the temporal effectsbrought about by the single eternal activity which is God or as no morethan different manifestations of a single active goodness Instead on thisinterpretation of divine simplicity this distinction appears to express a radi-cal diversity within the divine nature itself in that some characteristics ofGod ndash such as his existing ndash are not subject to his control while others ndashpresumably such as his creating the world ndash are consequences of his freechoice13

In this paper I will first outline the heart of the doctrine of simplicity byfocusing on Aquinasrsquos connection between Godrsquos simplicity and the quid estor essence of God Then I will argue that these considerations provide acertain resolution of the apparent incompatibility between divine simplicityand divine free will The result is a metaphysics of the ultimate foundationof all reality that is decidedly non-Aristotelian but rich and powerful in itsapplications

III Agnosticism about Godrsquos nature

It is helpful to begin by setting aside one interpretation of Aquinasrsquos positionAquinas places a discussion of Godrsquos simplicity at the start of his treat-

ment of the nature of God in the Summa theologiae14 and he begins thatdiscussion with a short prologue In the prologue he says

13 This apparent diversity is clearly expressed by Aquinas in such passages as these (SanctiThomae Aquinitatis SCG I c80) (wie Anm 2) Deus de necessitate velit suum esse et suambonitatem nec possit contrarium velle (ldquoGod necessarily wills his own being and his owngoodness and he cannot will the contraryrdquo) Sancti Thomae Aquinitatis SCG I c88 (wieAnm 2) [hellip] respectu sui habeat voluntatem tantum respectu autem aliorum electionemElectio autem semper per liberum arbitrium fit Deo igitur liberum arbitrium competit (ldquoinrespect of himself God has only volition but in respect of other things he has selection(electio) Selection however is always accomplished by means of free choice Thereforefree choice is suited to Godrdquo) Ebd Nam liberum arbitrium dicitur respectu eorum quaenon necessitate quis vult sed proprie sponte [hellip] (ldquofree choice is spoken of in respect ofthings one wills not necessarily but of onersquos own accordrdquo) Notice that even though Godrsquosexistence and attributes are conceived of here as being willed by God they are expresslyexcluded from among the objects of Godrsquos free choice This diversity is discussed furtherlater in this paper

14 Sancti Thomae Aquinitatis ST (wie Anm 2) I q3 Cognito de aliquo an sit inquirendumrestat quomodo sit ut sciatur de eo quid sit Sed quia de Deo scire non possumus quid sitsed quid non sit non possumus considerare de Deo quomodo sit sed potius quomodo non

196 Eleonore Stump

ldquoWhen we know with regard to something that it is we still need to askabout its mode of being (quomodo sit) in order to know with regard toit what it is (quid sit) But because we are not able to know with regardto God what he is but [rather] what he is not we cannot consider withregard to God what the mode of being is but rather what the mode ofbeing is not hellip it can be shown with regard to God what the mode ofbeing is not by removing from him those things not appropriate to himsuch as composition and motion and other things of this sortrdquo

This passage and others like it have sometimes been cited as evidence for aninterpretation of Aquinas as committed to the via negativa in a radical waySo for example Leo Elders says ldquoThe comprehension of Godrsquos essence isaltogether excluded This conclusion is presupposed in the Prologue to theThird Question Even if we say that God is perfect good or eternal we mustrealize that we do not know what these terms mean when predicated ofGodrdquo15

Claims such as this can give the impression that for Aquinas becauseof Godrsquos simplicity it is not possible for human beings to have any positiveknowledge of God On this interpretation of Aquinasrsquos views Aquinas main-tains that because God is simple human beings can know what God is notbut they cannot know anything of what God is16

But caution is warranted here It is true that Aquinas explains divinesimplicity in terms of what God is not ndash not a body not composed of matterand form and so on On the other hand however in the course of showingwhat God is not Aquinas relies heavily on positive claims about God Sofor example he argues that God is not a body on the basis of these claimsamong others God is the first mover God is pure actuality God is the firstbeing God is the most noble of beings In arguing that God is not composedof matter and form Aquinas in fact makes a huge substantial positive meta-physical claim about the nature of God He says ldquoa form which is not ableto be received in matter but is subsistent by itself (per se subsistens) is individ-uated in virtue of the fact that it cannot be received in something else AndGod is a form of this sortrdquo17

sit [hellip] Potest autem ostendi de Deo quomodo non sit removendo ab eo ea quae ei nonconvenient utpote compositionem motum et alia hujusmodi

15 E L Elders The Philosophical Theology of St Thomas Aquinas Leiden 1990 14316 For discussion of this position in the secondary literature see the chapter on simplicity in

Stump Aquinas (wie Anm 5) 92ndash13017 Sancti Thomae Aquinitatis ST (wie Anm 2) I q3 a2 ad 3 Sed illa forma quae non est

receptibilis in materia sed est per se subsistens ex hoc ipso individuatur quod non potestrecipi in alio et hujusmodi forma est Deus

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 197

In Summa theologiae I q13 the question about the names of God Aqui-nas explicitly repudiates the sort of agnosticism some scholars attribute tohim Aquinas himself associates such a position with Moses Maimonides andattacks it vigorously In still other texts Aquinas bluntly rejects the viewthat human beings can have no positive knowledge of God In Quaestionesdisputatae de potentia q7 a5 for example he says ldquo[hellip] the understandingof a negation is always based on some affirmation And this is clear fromthe fact that every negation is proved by an affirmation For this reasonunless the human intellect knew something affirmatively about God it wouldbe unable to deny anything of Godrdquo18

For all these reasons it is a mistake to read the prologue to Summatheologiae I q3 as implying a radical agnosticism with regard to knowledgeof God

In my view the problem in interpreting Aquinasrsquos remarks in the pro-logue has to do with the expression lsquoquid estrsquo in the claim that we do notknow of God what he is (quid est)19 The expression lsquoquid estrsquo is a technicalterm of medieval logic For example Peter of Spain the author of a standardscholastic logic text gives the traditional medieval formula for a genus asldquothat which is predicated of many things differing in species in respect ofwhat they are (in eo quod quid)rdquo20 This phrase (lsquoin eo quod quid estrsquo) in aslightly different definition captures the notion of species as well The quidest of something therefore has to do with the genus or species of that thingor more generally with the kind of thing it is So if one cannot know some-thingrsquos quid est one cannot know what kind of thing it is

It is helpful to see in this connection that one can know a great dealabout something even if one does not know (or cannot know) what kind ofthing it is According to quantum physics we do not know what kind ofthing light is The best we can do is sometimes to think of light as a waveand sometimes to think of it as a particle although we recognize that lsquowaversquoand lsquoparticlersquo are not synonymous terms and we certainly understand thatnothing can be at the same time both a wave and a particle So we do notknow the quid est of light and our modes of speaking about light are irredu-

18 Sancti Thomae Aquinitatis QDP (wie Anm 2) q7 a5 intellectus negationis semper fun-datur in aliqua affirmatione quod ex hoc patet quia omnis negativa per affirmativam pro-batur unde nisi intellectus humanus aliquid de Deo affirmative cognosceret nihil de Deoposset negare

19 See in this connection particularly Sancti Thomae Aquinitatis SCG (wie Anm 2) I c1420 Peter of Spain Tractatus (wie Anm 7) 17 Et sic diffinitur genus est quod predicatur de

pluribus differentibus specie in eo quod quid (19) Species est que predicatur de pluribusdifferentibus numero in eo quod quid est

198 Eleonore Stump

cibly imprecise Even so however we have a great deal of positive knowledgeabout light

So it is not accurate to take Aquinas as embracing a radical agnosticismabout Godrsquos nature However we are to understand his version of the doc-trine of divine simplicity it does not imply that we cannot know anythingpositive about God With this worry over agnosticism put to one side wecan now turn again to the doctrine of simplicity

IV Esse and id quod est

On the doctrine of simplicity God is his own essence or quid est and hisessence is being or esse It seems to follow from these claims that God justis identical to esse If God is the ultimate foundation of all reality and Godis esse then Aquinasrsquos position seems at least similar to Aristotlersquos at leastinsofar as it privileges being as foundational in metaphysics

Furthermore in his commentary on Boethiusrsquos treatise De hebdomadi-bus Aquinas makes a careful distinction between esse and an entity or idquod est21 Among the many differences between esse and id quod est thatAquinas introduces he calls attention to the fact that lsquoid quod estrsquo signifiessomething concrete whereas lsquoessersquo does not22 He also highlights the fact thatid quod est is particular23 whereas esse is not In these and other ways Aqui-nas argues for the metaphysical difference between esse and id quod estSince on the doctrine of simplicity God is esse and esse is distinct from idquod est in these ways some scholars conclude that for Aquinas God is nota concrete particular in fact God is not an entity at all24

It is an advantage of this interpretation of Aquinasrsquos view of divine sim-plicity that it helps to explain the three basic claims of the doctrine of simplic-ity formulated above Nothing which is not an id quod est has temporal orspatial parts And nothing which is not an id quod est has intrinsic accidentseither For example ldquorednessrdquo is not an id quod est and it has no intrinsicaccidents It is the wrong ldquosortrdquo of thing we might say to have intrinsicaccidents If we think of intrinsic accidents as belonging somewhere in the

21 In this connection cf also Sancti Thomae Aquinitatis ENTE (wie Anm 2) c3 Cf alsoJohn Wippel Being The Oxford Handbook of Aquinas ed B DaviesE Stump Oxford2011 77ndash84

22 Sancti Thomae Aquinitatis In De hebd (wie Anm 2) II 2223 Ebd II 2424 Vgl z B Elders Philosophical Theology (wie Anm 15) 22 ldquoFor St Thomas God is never

ldquoan objectrdquo for God is far above our understandingrdquo

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 199

nine Aristotelian categories other than substance then it is easy to see whynothing that is not an id quod est should be thought to have intrinsic acci-dents ldquoRednessrdquo does not have a certain size or quantity for example itdoes not engage in action or receive the action of anything else ndash and so onRedness is what it is ndash redness ndash and nothing else at all

In addition with regard to something that is not an id quod est evenexistence cannot be attributed to it Because ldquorednessrdquo is not an id quod estthen it might be true that there is redness but its being redness would be allthere is to it For Aquinas who is not tempted to Platonism in this connec-tion redness is not the kind of thing that can exist Consequently we cannotseparate redness into itself and its existence The same point holds as regardsesse There is no distinction between esse and the existence of esse If therewere esse would become something concrete and particular an id quod estrather than only esse

So the supposition that God is only esse helps to make sense of the threeclaims of simplicity presented at the outset Nonetheless this supposition ismisleading at best and at worst certainly false if not nuanced carefully

One problem is that on this supposition the concept of God as onlyesse seems religiously pernicious Alvin Plantinga puts the problem in termsof Godrsquos being a property but his objections remain the same if we transposehis lsquopropertyrsquo into lsquoessersquo Plantinga says ldquoThis view [that God is identical toesse alone] is subject to a difficulty both obvious and overwhelming Noproperty could have created the world no property could be omniscient orindeed know anything at allrdquo25

On Aquinasrsquos own views of the difference between esse and id quod estPlantingarsquos conclusions are right As Aquinas himself explains nothing thatis not an id quod est can exercise any causal efficacy or enter into any causalrelations whether in creating or in knowing

Consequently if the doctrine of simplicity implies that God is esse alonethen it seems that many of the standard divine attributes discussed and ac-cepted by Aquinas cannot be applied to God Those attributes apply only tosomething that is an id quod est Moreover many of the biblical storiesabout Godrsquos interactions with human persons which Aquinas himself takesseriously and literally26 cannot be understood as Aquinas understands themif God is only esse and not id quod est

So here is where matters stand As Aquinas himself is at pains to showin his commentary on Boethiusrsquos De hebdomadibus there is all the difference

25 A Plantinga Does God Have a Nature Milwaukee 1980 4726 As he does for example with regard to Godrsquos interactions with Job see his prologue to

his Expositio super Job

200 Eleonore Stump

in the world between something which is esse and something which is an idquod est If the doctrine of simplicity is correctly understood as some defend-ers of the doctrine and also some detractors of it suppose to mean thatGod is only esse then it is hard to know how to ward off the dramaticinfelicities Plantinga laments and Aquinas appears caught in large obviousself-contradictions

V Quantum metaphysics

It is worth noticing however that on this interpretation of Aquinasrsquos viewof divine simplicity as found in some defenders and detractors of the doc-trine of simplicity we do in fact know the quid est of God That is becauseon this interpretation we know that God is esse and we know somethingabout the nature of esse as Aquinasrsquos own discussion of it in his commentaryon Boethiusrsquos De hebdomadibus shows where he gives a detailed characteri-zation of esse So if the doctrine of simplicity has to be interpreted as claim-ing that God is only esse and nothing more then on Aquinasrsquos own viewswe would actually know a reasonable amount about the quid est of GodBut as is clear from Aquinasrsquos prologue to the question on simplicity inSumma theologiae Aquinas is insistent that we are unable to know the quidest of God because of Godrsquos simplicity And so the implication of the viewthat God is esse alone namely that we do know a reasonable amount aboutthe quid est of God should be a warning sign about this interpretation

In my view the problem with this interpretation is not that it identifiesGod with esse The problem is that it rejects the notion of God as id quodest This rejection looks sensible especially given Aquinasrsquos care to distin-guish esse from id quod est but in fact it is not true to Aquinasrsquos positionas can be seen from the very commentary on Boethius in which Aquinasexercises so much care to distinguish esse from id quod est

In his commentary on Boethiusrsquos De hebdomadibus Aquinas begins hisdiscussion of esse and id quod est by saying

ldquoWe signify one thing by lsquoessersquo and another thing by lsquoid quod estrsquo justas we signify one thing by lsquorunningrsquo (lsquocurrerersquo) and another thing by lsquoarunnerrsquo (lsquocurrensrsquo) For lsquorunningrsquo and lsquoessersquo signify in the abstract justas lsquowhitenessrsquo also does but lsquoid quod estrsquo that is lsquoan entityrsquo and lsquoarunnerrsquo signify in the concrete just as lsquoa white thingrsquo also doesrdquo27

27 Sancti Thomae Aquinitatis In De hebd (wie Anm 2) II 22 Aliud autem significamus perhoc quod dicimus esse et aliud per id quod dicimus id quod est sicut et aliud significamuscum dicimus currere et aliud per hoc quod dicitur currens Nam currere et esse significatur

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 201

And Aquinas concludes that discussion this way

ldquoit is evident on the basis of what has been presented that [hellip] in com-posite things esse and id quod est differ as regards the things themselves(realiter)28hellip And so [Boethius] says that in every composite thing esseis one thing and the composite thing itself [the thing as an id quod est]is anotherrdquo29

But having worked so hard to distinguish between esse and id quod est inthis way Aquinas then goes on immediately to say something that is on theface of it quite surprising He says ldquoIn simple things [however] esse itselfand id quod est must be one and the same as regards the things themselves(realiter)rdquo30

And after giving an argument that there cannot be more than one thingwhich is both esse and also id quod est Aquinas sums up his position bysaying ldquoThis one sublime simple is God himselfrdquo31

On Aquinasrsquos view then the distinction he has been arguing for betweenesse and id quod est does not hold in Godrsquos case It is right to say that Godis esse as the doctrine of simplicity makes clear But this esse is also ndash some-how ndash an id quod est

We could suppose that in making this claim about God Aquinas is willingto violate the laws of logic as regards God since he himself has just shownthat the characteristics of esse and those of id quod est are incompatible Butthis would be a rash conclusion since in many other places Aquinas mani-festly supposes that even God cannot do what is logically contradictory32

But if we remember Aquinasrsquos insistence that we cannot know the quid estfor God then another interpretation suggests itself Another way to think

in abstracto sicut et albedo sed quod est id est ens et currens significatur in concreto velutalbum

28 The qualifier lsquorealiterrsquo is needed here because in the preceding discussion Aquinas has ex-amined the distinction between esse and id quod est considered just as concepts Once thatconceptual distinction has been established he moves next to show that the conceptualdistinction is exemplified by all composite things but that it does not apply to the onething which is entirely simple namely God

29 Sancti Thomae Aquinitatis In De hebd (wie Anm 2) II 32 sicut esse et quod est differuntsecundum intentiones ita in compositis differunt realiter Quod quidem manifestum est expraemissis [hellip] et ideo dicit quod in omni composito aliud est esse et aliud ipsum composi-tum quod est participando ipsum esse

30 Ebd II 33 in simplicibus in quibus necesse est quod ipsum esse et id quod est sit unum etidem realiter Vgl also Sancti Thomae Aquinitatis SCG (wie Anm 2) I c38

31 Sancti Thomae Aquinitatis In De hebd (wie Anm 2) II 3532 For an excellent discussion of Aquinasrsquos theory of modality and its connection to Godrsquos

nature see T Pawl Thomistic Account of Truthmakers for Modal Truths Saint LouisUniversity Dissertation 2008

202 Eleonore Stump

about the doctrine of simplicity as Aquinas understands it is as the expressionof a kind of quantum metaphysics

What kind of thing is it which has to be understood both as a wave andas a particle We do not know That is we do not know the quid est of lightAt the ultimate foundation of all reality things get weird we might say Theultimate foundation of physical reality includes light and quantum physicswhich is our best attempt at understanding the kind of thing light is requiresalternately attributing to light incompatible characteristics

Analogously we can ask What kind of thing is it which can be bothesse and id quod est We do not know The idea of simplicity is that atthe ultimate metaphysical foundation of reality is something that has to beunderstood as esse ndash but also as id quod est We do not know what kind ofthing this is either And this conclusion is precisely what we should expectfrom Aquinasrsquos insistence that we do not know the quid est of God

Nonetheless on Aquinasrsquos view we can have considerable positive knowl-edge about God even so just as we can have a significant body of knowl-edge about light on quantum physics

We can begin by recognizing that Godrsquos nature is such that there is some-thing false about conceiving of it either as esse alone or as id quod est aloneThat is why Aquinas says of God ldquoWith regard to what God himself is(secundum rem) God himself is neither universal nor particularrdquo33

For this reason we have to exercise care in the way we frame our claimsabout God It is acceptable to say that God is esse provided that we under-stand that this claim does not rule out the claim that God is id quod est anentity a concrete particular

Aquinas puts the point this way

ldquoThose [material] creatures that are whole and subsistent are compositeBut the form in them is not some complete subsisting thing Rather theform is that by means of which some thing is For this reason all thenames imposed by us to signify some complete subsisting thing signifyin the concrete as is appropriate for composite things But those namesthat are imposed to signify simple forms signify something not as subsist-ing but rather as that by means of which something is as for examplelsquowhitenessrsquo signifies that by means of which something is white There-fore because God is both simple and subsistent we attribute to God bothabstract names ndash to signify Godrsquos simplicity ndash and concrete names ndash tosignify Godrsquos wholeness and subsistence Nonetheless each kind of name

33 Sancti Thomae Aquinitatis ST (wie Anm 2) I q13 a9 ad 2 Deus secundum rem non sitnec universalis nec particularis

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 203

falls short of Godrsquos mode [of being] just as our intellect does not knowGod as he is in this liferdquo34

We can gain insight into Aquinasrsquos position here by considering that thereare Scriptural texts claiming that God is loving and Scriptural texts claimingthat God is love35 It seems however that these claims cannot be true togeth-er If they were it would have to be true that love is loving But love isabstract and universal And as Plantingarsquos lines call to our attention anabstract universal is not the sort of thing that can be loving It isnrsquot a personand only persons can be loving36 So it seems just a category mistake toattribute loving to love On Aquinasrsquos understanding of the doctrine of sim-plicity however we can make sense of both these Scriptural claims BecauseGod is simple and we do not comprehend his quid est the best we can do isto adopt quantum metaphysics Sometimes we have to characterize God withabstract terms ndash and so we say that God is love ndash and sometimes we have tocharacterize God with concrete terms ndash and so we say that God is loving

Consequently it turns out that in one sense Plantinga is after all inagreement with Aquinas Each of them thinks that God must be character-ized as an id quod est a concrete entity The difference between them liesprecisely in the quantum metaphysics mandated by the doctrine of simplicityFor Aquinas it is right to describe God as an id quod est capable of creatingloving and acting ndash but only with the proviso that it is also right to describeGod as esse

34 Sancti Thomae Aquinitatis ST (wie Anm 2) I q13 a1 ad 2 Et quia in hujusmodi creaturisea quae sunt perfecta et subsistentia sunt composita forma autem in eis non est aliquidcompletum subsistens sed magis quo aliquid est inde est quod omnia nomina a nobisimposita ad significandum aliquid completum subsistens significant in concretione proutcompetit compositis quae autem imponuntur ad significandas formas simplices significantaliquid non ut subsistens sed ut quo aliquid est sicut albedo significat ut quo aliquid estalbum ndash Quia igitur Deus et simplex est et subsistens est attribuimus ei et nomina abstrac-ta ad significandam simplicitatem ejus et nomina concreta ad significandam subsistentiamet perfectionem ipsius quamvis utraque nomina deficient a modo ipsius sicut intellectusnoster non cognoscit eum ut est secundum hanc vitam Vgl also Sancti Thomae Aquinita-tis SCG I c30

35 For an example of the first see 1 Joh 4 10 and for an example of the second see 1 Joh 48

36 In this context I am using lsquopersonrsquo in a contemporary sense not the medieval sense inwhich it is true that there are three persons in the Trinity On medieval theology there isone mind and one will in God and therefore God counts as a person in our contemporarysense of lsquopersonrsquo

204 Eleonore Stump

VI Simplicity contingency and divine free will

On the doctrine of eternity God is outside time37 Some scholars have takenthat doctrine to imply that God cannot act since (on their view) all actionpresupposes temporal duration or temporal location Or they have supposedthe doctrine implies that Godrsquos mode of existence is that of a frozen pointas it were without duration of any kind since (on their view) all duration ispersistence through time In effect such interpretations of the doctrine ofeternity take the doctrine to imply a metaphysical smallness about an eternalGod by comparison with temporal creatures

But on Aquinasrsquos view this is to get the doctrine backwards as it wereThe mode of existence of an eternal God is greater than that of temporalentities God is able to act at any and every point in time and his mode ofexistence is broad enough to encompass all of time within it38 Just as all ofa two-dimensional world can be here from the point of view of a personinhabiting a three-dimensional world so all of time is present from the pointof view of an eternal God inhabiting the now of eternity For Aquinas thedoctrine of eternity implies not a metaphysical smallness in God but rathera metaphysical greatness in God whose mode of duration encompasses thewhole world of time in which temporal creatures live

There is an analogous conceptual move to be made as regards the doc-trine of simplicity On the doctrine of simplicity God is subsistent esse Somescholars have interpreted the doctrine to imply that God is identical only toesse39 giving rise to the complaint voiced by Plantinga that a simple Godcannot act as persons do or to the equally worrisome objection that every-thing about God is absolutely necessary since there are no accidents in GodIn effect such an interpretation of the doctrine of simplicity takes it to implythat God is metaphysically more limited than concrete things such as com-posite human beings who can act and who can do otherwise than they do

But this is to get the doctrine of simplicity backwards The doctrine ofsimplicity implies that at the ultimate metaphysical foundation of all realitythere is the esse that is God But it also implies that this esse without losingany of its character as esse is also somehow an id quod est subsistent andconcrete with more ability to act and with more freedom in its acts thanany concrete composite entity has

37 For defense of this claim see the chapter on eternity in Stump Aquinas (wie Anm 5) 131ndash158

38 For explanation and defense of these claims see the chapter on eternity in Stump Aquinas(wie Anm 5) 131ndash158

39 That is not to common esse but to the esse that is God

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 205

On this way of understanding divine simplicity when the esse that isGod acts its action is not an accident in it This is not because esse is aninert universal like redness that is the same in all possible worlds Ratherbecause this esse is subsistent because it is also an id quod est it is moreactive than anything composite is and it has more power to do otherwisethan any composite entity does

It is not that Aquinas fails to see that there is an incompatibility betweenesse and id quod est or that he supposes the laws of logic do not hold inGodrsquos case Rather on his interpretation of the doctrine of simplicity it isnot strictly speaking correct to assert just that God is esse or just that Godis an id quod est In fact Godrsquos true nature is unknown to us at least in thislife Human reason can see that human reason cannot comprehend the quidest of God But what human reason can comprehend is that whatever Godrsquosnature really is it is such that those things true of esse and those things trueof an id quod est should both be affirmed of it even if differently and indifferent contexts

Since it is right to say that God is esse even if his real nature is notcorrectly and precisely specified as identical to esse then it is also right tosay that God has no accidents Nothing characterizable as esse can haveaccidents any more than redness can have accidents Redness is redness andnot redness plus accidents Redness is only its own nature The same pointapplies to God as the doctrine of simplicity affirms

But one very big metaphysical difference between redness and God liesin the difference between the nature of redness and the nature of the subsist-ent esse that God is Redness is not the kind of thing that exists since it isnot a particular But the esse that is God is not a universal like rednessRather this esse is such that it is also right to say that it is an id quod estAs such it is right to say that it is a particular an entity and that it doesexist Since it nonetheless remains right to say of it that it is esse it is rightto say that there is nothing to it except its nature as esse Even its existencethen is its esse

Similar things have to be said about Godrsquos acts Nothing that is only anabstract universal could act But because it is also right to say that God isan id quod est it is right to hold that God has the power to act and doesact Nonetheless when God acts it is also right to say that what acts is esseand so Godrsquos acting remains within his nature as esse That is the acts en-gaged in by the esse that is also an id quod est are not added on to esse assomething additional to esse In acting the esse that is God remains esse itdoes not become esse plus the property of acting

Our mode of speaking is therefore inaccurate as regards God but wecan nonetheless see how to frame a quantum metaphysics just as we can

206 Eleonore Stump

work out the mathematics of a quantum physics even if our mode of speak-ing about light is analogously imprecise

On the doctrine of simplicity then the esse that is the ultimate founda-tion of reality has the power to do more than created composite things cando but without its ceasing to be esse In the power and the richness that isthe subsistent esse which God is God can do otherwise than he does withoutceasing thereby to be esse Creation is a free and not a necessitated act onGodrsquos part40

Consequently on Aquinasrsquos interpretation of divine simplicity not allGodrsquos acts are necessitated as contemporary philosophers would put thispoint God is not the same in all possible worlds On the contrary on Aqui-nasrsquos interpretation of divine simplicity it is in fact right to say that there iscontingency in God in our sense of the term lsquocontingencyrsquo But if so thenthere is no problem about Godrsquos having alternative possibilities open to himIt is true that God is not changeable across time At each and every timeGod is one and the same But since even on the doctrine of simplicity Godcan do other than he does this is sufficient for the claim that God has freewill that God has the power to choose among alternative possibilities

Furthermore for the same reasons it is also the case that a simple Godis responsive to things in time A simple God cannot do anything after some-thing happens in time but a simple God has the power to act because ofsomething that happens in time That is because if something in time hadbeen otherwise a simple God might have acted otherwise than he did Tosay this is clearly not to say that God decides what to do after somethinghappens in time or that God can change in time or that there is any potencyin God To say this is only to claim that God has the power to do otherwisethan he does as Aquinas himself argues41 As long as a simple God does atleast some of what he does because of what happens in time God is respon-sive to things in time

But it is still not the case that there are accidents in God or a radicaldiversity within God For composite things contingency (in our sense of theterm) comes with composition of subject and accident but not for God Toascribe contingency free will and action to God is to affirm God as an idquod est a subsistent particular who has causal power of a sort providedby his nature as other particulars also do The subsistent esse that is Godhas more power to act than a composite thing does not less But because

40 For a discussion of this point and the relevant Thomistic texts see the chapter on simplicityin Stump Aquinas (wie Anm 5) 92ndash130

41 For a more detailed discussion of this point see the chapter on simplicity in Stump Aquinas(wie Anm 5) 92ndash130

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 207

the doctrine of simplicity requires simultaneously affirming that God is esseit remains the case that what acts with free will is esse and there are noaccidents in esse or any other radical diversity within it either

Finally just as it is true that redness is one single indivisible unity notdivisible into subject and accident or even into entity and existence so it isright to say the same things about the esse that is God Esse is one singleindivisible unity But because this esse is also an id quod est it is right todistinguish in God those things which are subject to his control such as hiscreating and those that are not such as his divine nature This conclusiondoes not deny that God is esse however on the quantum metaphysics man-dated by the doctrine of simplicity On the doctrine of simplicity it is rightto say that God is an id quod est without its thereby being necessary to denythat God is esse

That these apparently contradictory claims all have to be affirmed showsthat there is a deficiency in our mode of speaking because of course strictlyspeaking these claims cannot all be true Furthermore the laws of logic stillapply to God and not just anything can be correctly affirmed of God Butthe problem is that we do not know how to formulate the claims about Godin an accurate mode of speaking If we could do so then we would knowthe true nature of God We would know the quid est of God But this isprecisely what we do not know So although on Aquinasrsquos view we can haveconsiderable positive knowledge of God the modes of speaking about Godretain their inaccuracy in anything having to do with the quiddity of God

What is it at the ultimate foundation of all reality which is neither anabstract universal nor a concrete particular but which is such that it has tobe affirmed sometimes as esse and sometimes as an id quod est Because wecannot give the answer to this question the best we can do is a sort ofquantum metaphysics analogous to quantum physics where we are in thesame position as regards light We do not understand the quid est of lighteither but we have a large and well-developed physics anyway which givesus a powerful connection to physical reality even if its modus dicendi isdeficient For Aquinas the same is true as regards the metaphysics of beingand the philosophical theology of Godrsquos nature

And so in lines that sum up well the idea of God as esse that is also idquod est Aquinas says

ldquoalthough God is esse only [and not something composite as materialcreatures are] hellip nonetheless God has all the perfections which are inall the genera [of created things] hellip And this is because all these perfec-tions come together in him in accordance with his simple esse By wayof analogy if someone could bring about the functioning of all qualities

208 Eleonore Stump

by means of one quality he would have [in effect] all the qualities inthat one quality In just this way God has all the perfections in hisesserdquo42

VII Conclusion

The difficulty of thinking onersquos way up the ladder of being can leave onewith the impression that the immutable impassible eternal simple God ofThomistic philosophical theology is frozen static inert unresponsive totallynecessitated and incapable of action But Aquinasrsquos notion of God is exactlythe opposite If it were not so subject to misinterpretation one might wellsay that for Aquinas God is maximally dynamic and not static at all OnAquinasrsquos views there is more ability to act ndash one might say more action ndashand more responsiveness on the part of a God with the classical divine attrib-utes than there could be on the part of a composite entity acting in time43

That is why Aquinas can say that in the esse that is God there are all theperfections of all the genera of created things ndash including responsiveness andaction which are perfections of any id quod est with mind and will44

To try to explain the doctrine of simplicity in this way is not to providean argument for the truth or even the compatibility of its claims It is justto try to contribute to insight into this most challenging part of Thomisticphilosophical theology If contra Aquinas we could grasp the quid est ofsomething that is both esse and id quod est we might understand exactlyhow to explain what kind of thing can be described in all these ways andwhat arguments might demonstrate such a description of a simple God Butas it is on Aquinasrsquos views we do not comprehend Godrsquos quid est It is

42 Sancti Thomae Aquinitatis ENTE (wie Anm 2) c5 quamvis sit esse tantum habet omnesperfectiones que sunt in omnibus generibus Et hoc est quia omnes ille perfectiones conveni-unt sibi secundum esse suum simplex sicut si aliquis per unam qualitatem posset efficereoperationes omnium qualitatum in illa una qualitate omnes qualitates haberet ita Deus inipso esse suo omnes perfectiones habet

43 Godrsquos actuality or act of being is an important implication of the doctrine of divine simplici-ty but a detailed exploration of this issue has to be left to one side in this brief paper

44 In this connection it is hard to resist calling attention to the case of light again WhenNewton first discovered that white light contained within it all the richness of the othercolors of light there was considerable opposition to his finding The opposition supposedthat the simplicity of white light excluded the other colors whose richness was thought tobe somehow tarnishing of the pure whiteness of white light Goethe who was among theopposition summed up this sort of attitude by saying that white light is ldquothe simplest mostundivided most homogenous being that we knowrdquo I am indebted to Andrew Pinsent forthe point and the historical information

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 209

easy to imagine how difficult it would be for a two-dimensional creature tocomprehend three-dimensional beings But the metaphysical distance be-tween God and creatures is very much greater than this And so we arelimited to the kind of quantum metaphysics sketched here On this quantummetaphysics a great deal of positive knowledge about God is possible butthe modes of speaking retain an irreducible inaccuracy as regards Godrsquos quid-dity

At the ultimate foundation of all reality for Aquinas there is thensomething very different from the transcendental being which is the Aristote-lian metaphysical ultimate It is being too but being that is somehow alsoan entity with the ability to create to know and to love45

Literatur

QuellenPeter of Spain (Petrus Hispanus Portugalensis) Tractatus Afterwards Called

Summule logicales ed L M de Rijk Assen 1972Sancti Thomae Aquinitatis Summa theologiae ed Leonina IVndashXII

Rom 1888ndash1906Sancti Thomae Aquinitatis In quattuor Libros Sententiarum Stuttgart 1980Sancti Thomae Aquinitatis Summa contra gentiles ed Leonina XXXIII

Rom 1918Sancti Thomae Aquinitatis Quaestiones disputatae de potentia Turin 1965Sancti Thomae Aquinitatis Quaestiones disputatae de veritate ed Leonina

XXII Vol III Rom 1973Sancti Thomae Aquinitatis De ente et essentia ed Leonina XLIII Rom

1976Sancti Thomae Aquinitatis Expositio libri Boetii De ebdomadibus ed Leo-

nina L RomndashParis 1992

45 I owe a debt of gratitude to Theodore Vitali C P whose relentless questioning of myprevious presentation of the doctrine of simplicity led me to want to examine the topicagain And I have learned a great deal from the seminar presentations on divine simplicitygiven by John Foley S J His seminar presentations led me to rethink the doctrine in theway I have outlined it here I am also grateful to him for trenchant criticisms of more thanone earlier draft which caused me to rework some central parts of this paper Finally I amgrateful as well to David Burrell Brian Davies Tim Pawl and Andrew Pinsent for helpfulcomments on an earlier draft

210 Eleonore Stump

Sonstige LiteraturElders L The Philosophical Theology of St Thomas Aquinas Leiden 1990Garrigou-Lagrange R The One God St LouisndashLondon 1943Kretzmann NStump E ldquoAbsolute Simplicityrdquo Faith and Philosophy 2

1985 353ndash382Pawl T A Thomistic Account of Truthmakers for Modal Truths Saint Louis

2008Plantinga A Does God Have a Nature Milwaukee 1980Stump E Aquinas LondonndashNew York 2003Wippel J Being The Oxford Handbook of Aquinas ed B DaviesE

Stump Oxford 2011 77ndash84

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique

Olivier Boulnois

Dans la Meacutetaphysique du Shifa Avicenne soutenait que le sujet de la meacuteta-physique eacutetait lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant Il donnait agrave son analyse une dimensionnoeacutetique en affirmant que lrsquoeacutetant est lrsquoobjet premier de notre intellect Albertle Grand Thomas drsquoAquin et Duns Scot qui lisent Aristote agrave travers Avi-cenne ne contestent pas ces deux points Le problegraveme est plutocirct de savoirougrave se situe Dieu dans ce scheacutema Soit lrsquoon fait de Dieu le principe du sujetde la meacutetaphysique mais cela oblige agrave situer Dieu au-delagrave de lrsquoeacutetant et denotre intellect Soit lrsquoon inclut Dieu agrave lrsquointeacuterieur de lrsquoeacutetant mais alors nerisque-t-on pas de sacrifier la transcendance de Dieu Henri de Gand partdrsquoun ideacuteal de science a priori qui permet de deacuteduire par la cause lrsquoensembledes thegraveses meacutetaphysiques il interpregravete lrsquoanalogie de lrsquoecirctre comme une analo-gie au sein du concept drsquoecirctre enfin il croit pouvoir construire une deacutemons-tration a priori de lrsquoexistence de Dieu

Cette voie qui inclut Dieu a lrsquointeacuterieur de lrsquoeacutetant saisi en un conceptfut celle que Duns Scot choisit De nombreux travaux ont analyseacute ses thegraveses1Mais la reacutecente eacutedition critique des Quaestiones super libros Metaphysico-rum eacutebranle bien des certitudes acquises En effet dans ce commentaire parquestions sur la Meacutetaphysique2 Duns Scot srsquoefforce drsquounifier des deacuteveloppe-ments provenant drsquoœuvres logiques ou theacuteologiques et de les harmoniser demaniegravere agrave construire un systegraveme philosophique et theacuteologique coheacuterent Leprojet de Scot est tout simplement de fonder la meacutetaphysique comme scienceau sein du systegraveme geacuteneacuteral des sciences Compareacute au caractegravere complexe etaporeacutetique des deacuteveloppements drsquoAristote cette entreprise est une veacuteritablerefondation

Une premiegravere version de cet article a eteacute publiceacute dans O Boulnois Meacutetaphysiques rebellesParis 2013

1 Par exemple L Honnefelder Ens inquantum ens Muumlnster 1979 ders Scientia transcen-dens Die formale Bestimmung der Seiendheit und Realitaumlt in der Metaphysik des Mittelal-ters und der Neuzeit (Duns Scotus ndash Suarez ndash Wolff ndash Kant ndash Pierce) Hamburg 1990 OBoulnois Etre et Repreacutesentation Une geacuteneacutealogie de la meacutetaphysique moderne agrave lrsquoeacutepoquede Duns Scot Paris 1999

2 Quelques fragments de son commentaire litteacuteral de la Meacutetaphysique viennent drsquoecirctre retrou-veacutes par G Pini mais ils sont encore ineacutedits

212 Olivier Boulnois

Duns Scot caracteacuterise drsquoabord la meacutetaphysique comme une laquo sciencetranscendantale raquo (scientia transcendens) Srsquoappuyant sur le prologue ducommentaire de Thomas (qui suit le fil conducteur de Gundissalinus) DunsScot reprend le mecircme point de deacutepart la meacutetaphysique porte sur le souverai-nement connaissable Mais parmi les trois dimensions ouvertes par ThomasDuns Scot nrsquoen retient que deux laquoLes connaissables au plus haut point sontappeleacutes connaissables en deux sens [a] ou bien parce qursquoils sont connus enpremier lieu et que sans eux les autres ne peuvent ecirctre connus [b] ou bienparce qursquoils sont les connaissables les plus certains raquo3 ndash Concernant la pre-miegravere dimension [a] Scot retient agrave la suite drsquoHenri de Gand lrsquoorientation

3 Die Werke Johannes Duns Scotusrsquo werden in folgender Weise angegebenDuns Scotus Quaestio de cognitione Dei ed by C R S Harris Duns Scotus vol 2Oxford 1927 [= Q c d]Ioannis Duns Scoti Ordinatio prologus (Opera omnia Bd 1) edited by C Balić et aliiCittagrave del Vaticano 1950 [= Ord prol]Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d 3 (Opera omnia Bd 3) ed by C Balić et alii Cittagravedel Vaticano 1954 [= Ord I3]Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d 4ndash10 (Opera omnia Bd 4) ed by C Balić et alii Cittagravedel Vaticano 1956 [= Ord I4ndash10]Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d 26ndash48 (Opera omnia Bd 6) ed by C Balić et alii Cittagravedel Vaticano 1963 [= Ord I26ndash48]Ioannis Duns Scoti Lectura I prologus d 1ndash7 (Opera Omnia Bd 16) ed by C Balić etalii Cittagrave del Vaticano 1960 [= Lect prol I1ndash7]Ioannis Duns Scoti Lectura I d 8ndash45 (Opera Omnia Bd 16) ed by C Balić et alii Cittagravedel Vaticano 1966 [= Lect I8ndash45]Ioannis Duns Scoti Collatio 24 ed by K Balic Bogoslovni Vestnik 9 (1929) 212ndash219[= Col]Ioannis Duns Scoti Reportata Parisiensia III ed Wadding-Vivegraves Vol XXIII Paris 1894[= Rep III]Ioannis Duns Scoti In Categorias (Opera Philosophica Bd I [Quaestiones in LibrorumPorphyrii Isagoge et Quaestiones super Praedicamenta Aristotelis]) ed R Andrews et aliiSt Bonaventure (NY) 1999 [= Cat]Ioannis Duns Scoti Quaestiones in Librorum Porphyrii Isagoge et Quaestiones super Prae-dicamenta Aristotelis (Opera Philosophica Bd I) ed R Andrews et alii St Bonaventure(NY) 1999 [= Praed]Ioannis Duns Scoti Quaestiones Super Librum Elenchorum Aristotelis (Opera philosophicaBd II) ed by R Andrews et alii St Bonaventure NY 2004 [= sup Elench]Ioannis Duns Scoti Quaestiones super libros Metaphysicorum Aristotelis IndashV (Opera Philo-sophica Bd III) ed R Andrews et alii St Bonaventure (NY) 1997 [= In Met IndashV]Ioannis Duns Scoti Quaestiones super libros Metaphysicorum Aristotelis VIndashIX edited byG Etzkorn et alii (Opera Philosophica Bd IV) St Bonaventure NY 1997 [= In Met VIndashIX]Ioannis Duns Scoti Quaestiones super secundum et tertium De anima ed by C Bazaacuten etalii (Opera philosophica Bd V) St Bonaventure NY 2006 [= De an]Ioannis Duns Scoti Cuestiones Cuodlibetales In Obras del Doctor Sutil Juan Duns Escotoed Felix Alluntis Madrid 1963 [= Q q]

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 213

primordiale de la meacutetaphysique vers les conditions de possibiliteacute les pluscommunes le souverainement connaissable est eacutegalement le plus commun(communissimum) comme lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant et ce qui en deacutecoule laquo dece que les reacutealiteacutes les plus communes sont penseacutees en premier ndash ainsi que lrsquoamontreacute Avicenne ndash il en reacutesulte que les autres reacutealiteacutes plus speacuteciales nepeuvent ecirctre connues sans que ces choses communes soient connuesdrsquoabord raquo4 Ainsi Duns Scot privileacutegie lrsquointerpreacutetation avicennienne de la meacute-taphysique en surimpression de la lecture ontologique qursquoen donnait Aris-tote dans la Meacutetaphysique IV Ce qui est le plus commun ne peut pas ecirctreconnu dans les sciences particuliegraveres au contraire il est la condition de celles-ci laquo Il est donc neacutecessaire qursquoil existe une science universelle qui considegraverepar elle-mecircme ces transcendantaux (transcendentia) Et cette science nouslrsquoappelons lsaquomeacutetaphysique rsaquo de lsaquometa rsaquo qui signifie lsaquo trans rsaquo et de lsaquo ycos rsaquolsaquo science rsaquo crsquoest-agrave-dire lsquoscience transcendantalersquo puisqursquoelle porte sur lestranscendantaux raquo5 La structure de la science justifie son eacutetymologie (fantai-siste) laquomeacutetaphysique raquo est un eacutequivalent de laquo science transcendantale raquo quideacutesigne clairement agrave la fois la science des reacutealiteacutes les plus communes et celledes reacutealiteacutes connues drsquoabord ndash autrement dit la condition de possibiliteacute uni-verselle des savoirs particuliers

Duns Scot nrsquooublie pourtant pas la seconde branche de lrsquoalternative [b]Le deacuteveloppement reste pourtant tregraves succinct La meacutetaphysique porte aussisur les objets les plus certains laquo les connaissables les plus certains sont lesprincipes et les causes et ils sont drsquoautant plus certains par eux-mecircmes qursquoilssont anteacuterieurs En effet toute la certitude des choses posteacuterieures en deacutependOr cette science considegravere les principes et les causes de cette sorte comme leprouve le Philosophe au livre I chapitre 2 parce qursquoelle est une sagesse raquo6Il y a donc dans la premiegravere reacutedaction de ses Questions sur la Meacutetaphysiqueune ambivalence non reacutesorbeacutee entre deux sujets et deux dimensions de lameacutetaphysique la consideacuteration des transcendantaux et lrsquoenquecircte sur les pre-miegraveres causes7

John Duns Scotus The Examined Report of the Paris Lecture Reportatio IndashA Latin Text andEngl Translation by A B Wolter O Bychkov St Bonaventure (NY) 2004 [= Rep IndashA]Die angegebene Stelle findet sich in In Met IndashV Prologus sect 16 8

4 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) Prologus sect 17 8 en reacutefeacuterence agrave Avicenna Liberde philosophia prima sive scientia divina I 5 ed S Van Riet LouvainminusLeyde 1977 31et Met Γ 11003 a 21 f

5 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) Prologus sect 18 96 Ebd sect 21 10 vgl Met A 2982 a 5ndash107 J A Aertsen nrsquoa donc pas tort de dire que le prologue des Questions sur la Meacutetaphysique

de Duns Scotus garde un laquo caractegravere traditionnel raquo J A Aertsen Medieval Philosophy asTranscendental Thought From Philip the Chancelor (ca 1225) to Francisco Suarez Lei-denndashBoston 2012 375 Mais on ne peut nier que degraves cette eacutepoque Duns Scotus met toutson effort sur lrsquoanalyse de la possibiliteacute drsquoune science transcendantale Et lrsquoaddition posteacuterie-

214 Olivier Boulnois

Mais lrsquoeacutedition critique de Duns Scot teacutemoigne drsquoune addition posteacuterieurequi prouve que Duns Scot nrsquoeacutetait pas satisfait de sa premiegravere reacutedaction tou-chant lrsquouniversaliteacute de la science transcendantale laquo Cette preuve nrsquoapparaicirctpas efficace puisque lrsquoecirctre se dit prioritairement de la substance drsquoapregraves lelivre IV de cet [ouvrage] Et il en va de mecircme de lrsquoun srsquoil est un transcendan-tal et srsquoil relegraveve seulement du genre de la quantiteacute [hellip] il nrsquoest pas dit agrave eacutegaliteacutede toutes choses raquo8 Pour que la science des transcendantaux puisse ecirctre lapremiegravere il faudrait qursquoelle srsquoapplique indiffeacuteremment agrave toutes les diffeacute-rences agrave commencer par la diffeacuterence entre la substance et les autres cateacutego-ries Il faudrait ainsi que lrsquoecirctre et lrsquoun se disent agrave eacutegaliteacute de toutes choses etnon par prioriteacute de la substance (pour lrsquoecirctre) ou de la quantiteacute (pour lrsquoun)Or une telle eacutegaliteacute de preacutedication ne peut ecirctre acquise que si lrsquoon admetlrsquounivociteacute des transcendantaux et drsquoabord lrsquounivociteacute de lrsquoecirctre Cette addi-tion marginale nous donne accegraves agrave lrsquoatelier du penseur Duns Scot se relisanta pleine conscience de lrsquoideacutee que la dimension transcendantale de la meacutetaphy-sique ne sera pleinement conquise qursquoavec la deacutemonstration de lrsquounivociteacute delrsquoecirctre Il doit donc affronter la question aristoteacutelicienne de lrsquoeacutequivociteacute delrsquoecirctre qui semblait rendre impossible une science univoque

Pour analyser ce travail jrsquoeacutetudierai drsquoabord sa theacuteorie de la science (I)puis son eacutelaboration de lrsquoaporie aristoteacutelicienne en trois solutions successives(II III et IV) et enfin les ambiguiumlteacutes qursquoil legravegue agrave la posteacuteriteacute (V)

I La dimension critique

Dans ses premiegraveres Questions sur la Meacutetaphysique Duns Scot pose la ques-tion de la possibiliteacute de la science Qursquoest-ce qui lrsquoa conduit agrave cette ques-tion ndash Rien de moins que la question de la possibiliteacute de la meacutetaphysiquePour reacutepondre agrave la question laquo agrave quelles conditions de possibiliteacute la meacutetaphy-sique est-elle possible raquo Duns Scot doit drsquoabord demander laquo agrave quelles con-ditions de possibiliteacute une science est-elle possible raquo Cette question il la posedans ses Questions sur la Meacutetaphysique I q4 laquo La science est-elle engendreacuteepar lrsquoexpeacuterience raquo Provient-elle de lrsquoexpeacuterience des sens ou de principes in-

ure que nous allons eacutetudier ne fait que renforcer cette orientation lrsquoensemble de ses travauxtendant agrave reconqueacuterir la connaissance de la cause premiegravere agrave partir de celle des transcendan-taux

8 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) Prologus sect 19 9 Ou encore dans la relation entreDieu et la creacuteature il faudrait que les transcendantaux soient preacutediqueacutes eacutegalement de Dieuet de la creacuteature Mais cet aspect theacuteologique ne joue un rocircle deacutecisif que dans les commentai-res des Sentences

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 215

neacutes ou a priori ndash Si la meacutetaphysique est originairement la connaissance delrsquoeacutetant de la substance et de Dieu il faut parvenir agrave deacuteterminer lrsquoessence decette science Or srsquoenqueacuterir de lrsquoessence de la meacutetaphysique crsquoest deacuteterminerde lrsquointeacuterieur sa possibiliteacute et la distinguer de ce qui lui est impossible reacuteali-ser une critique Pour Duns Scot la critique fait partie inteacutegrante de la deacuteter-mination de lrsquoessence de la meacutetaphysique

Duns Scot affronte deux thegraveses opposeacutees 1 Drsquoune part une lecture stric-tement empiriste drsquoAristote pour laquelle toute connaissance provient delrsquoexpeacuterience sensible 2 De lrsquoautre la theacuteorie platonicienne de la science etsa reprise par Augustin pour lesquelles toute science a une origine transcen-dante et intelligible

1 La position empiriste est impossible Lrsquoexpeacuterience ne nous montre qursquounepluraliteacute limiteacutee drsquoeacuteveacutenements singuliers or la science supposer une reacutegu-lariteacute universelle Il ne serait donc pas leacutegitime drsquoextrapoler agrave partir deces cas singuliers pour conclure agrave une loi universelle Ce type de deacuteduc-tion commet la faute de logique appeleacutee fallacia consequentis il y a plusdans les conseacutequences que dans les preacutemisses

2 Lrsquoorigine transcendante de la science a ses lettres de noblesses Lrsquoesclavedu Meacutenon a su trouver en lui-mecircme la reacuteponse aux interrogations qursquoonlui faisait Augustin avec la doctrine de lrsquoillumination pensait trouverla laquo veacuteriteacute authentique raquo (veritas sincera) dans une connaissance perma-nente intelligible et universelle qui ne venait pas du sensible et dumuable Et Henri de Gand a fait de la sinceritas veritatis la cleacute de sadoctrine de lrsquoillumination ndash Mais dans son analyse Duns Scot souligneqursquoil faut distinguer entre la neacutecessiteacute objective drsquoune science et lrsquoaccegravessubjectif et peacutedagogique agrave cette science Lrsquoaide que peut donner un maicirctredans lrsquoenseignement est comparable agrave celle du meacutedecin crsquoest principale-ment la nature qui gueacuterit le malade le meacutedecin nrsquoest qursquoun instrumentexteacuterieur de mecircme crsquoest principalement la science qui instruit lrsquoeacutelegravevelrsquoenseignement nrsquoest qursquoune aide exteacuterieure Lorsque laquo la lumiegravere natu-relle de lrsquointellect est assez puissante pour deacuteduire les conclusions agrave partirdes principes raquo9 cette science est acquise par une deacutecouverte Mais lors-qursquoon a besoin drsquoun maicirctre celui-ci (comme le disait deacutejagrave Augustin dansle De Magistro) ne fait que fournir des signes sensibles exteacuterieurs lrsquoeacutelegraveveconccediloit les termes et tire de lui-mecircme les conclusions Finalement toutsavoir doit ecirctre un savoir par soi-mecircme

Pour construire une science il faut enchaicircner trois opeacuterations de lrsquointellectlrsquoappreacutehension des termes simples la composition de propositions articuleacutees

9 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q4 sect 11 98

216 Olivier Boulnois

et enfin lrsquoargumentation deacuteductive10 Or la connaissance des termes simplesa pour condition sine qua non leur sensation dans le singulier11 On ne peutpas concevoir le rouge si on nrsquoa pas deacutejagrave vu ou moins une fois la couleurrouge Pour Scot comme pour Aristote le concept drsquoexpeacuterience ne deacutesigneeacutevidemment pas ce que nous appellerions une connaissance expeacuterimentale(construite et reproductible) il indique des perceptions freacutequentes accumu-leacutees dans la meacutemoire Par conseacutequent la science des termes nrsquoexige mecircmepas une expeacuterience mais elle requiert au minimum une sensation12 Lrsquoabstrac-tion de lrsquouniversel ne vient pas drsquoun processus expeacuterimental de surimpressiondes sensations une seule perception suffit pour abstraire

Agrave lrsquoaide de cette connaissance des termes simples nous pouvons eacutelaborerla science des principes ceux-ci nous apparaissent avec eacutevidence degraves que nousen connaissons les termes13 Ainsi le principe laquo le tout est plus grand que lapartie raquo nous apparaicirct comme eacutevident degraves lors que nous savons ce qursquoest untout et ce qursquoest une partie Objectivement une fois donneacutee la connaissancedes termes la science se construit par son eacutevidence formelle Pourtant DunsScot indique que lrsquoon peut en avoir une connaissance par les effets (quia) agravepartir drsquoune expeacuterience nous veacuterifions ainsi que les termes du principe serencontrent freacutequemment dans les objets sensibles Par exemple je peux per-cevoir freacutequemment par les sens que tel tout singulier coiumlncide avec ce quiest plus grand14 Dans lrsquoexpeacuterience il y a donc une confirmation subjectivede la coheacuterence objective de la science mais celle-ci nrsquoen deacutepend pas

La certitude des connexions intelligibles est plus forte que celle de lrsquoexpeacute-rience laquoMecircme lagrave ougrave le sens perccediloit la conjonction des termes singuliers dansla reacutealiteacute on adhegravere encore plus certainement agrave un principe complexe par lalumiegravere naturelle de lrsquointellect qursquoen raison drsquoune appreacutehension du sens raquo15Il est possible de raisonner juste avec des figures fausses ou de produire despropositions correctes alors qursquoon est victime drsquoune illusion des sens16 Jepeux voir une tour comme ronde alors qursquoelle est carreacutee mais je ne me trom-perai pas sur la deacutefinition du cercle

La science a donc une structure axiomatico-deacuteductive En droit elle par-vient agrave ses conclusions sans recourir agrave lrsquoexpeacuterience sauf pour lrsquoappreacutehensiondes termes simples dont elle se sert laquo Crsquoest pourquoi ceux qui ont acquis

10 Ebd sect 12 99 vgl De an III 6430 a 27-b 6 reacutesumeacute dans J Hamesse (Ed) AuctoritatesAristotelis LouvainndashParis 1975 187

11 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q4 sect 13 99 vgl Anal post I 1881 a 37ndash3912 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q4 sect 16 100 frequens acceptio sensibilium13 Ebd sect 14 100 vgl Anal post I 372 b 23ndash2514 Ebd sect 14 100 hanc totalitatem et hanc maioritatem coniungi15 Ebd sect 17 10116 Ebd sect 18 101

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 217

lrsquoexpeacuterience drsquoune conclusion par les effets (quia est) semblent se rapporteragrave elle comme ceux qui srsquoeacutetonnent (admirantes) ignorant encore la cause dece qursquoils connaissent comme vrai par les effets et agrave partir de lagrave ils com-mencent agrave philosopher et agrave rechercher la cause raquo17 La science nrsquoest pas ladialectique En dialectique lorsqursquoune proposition est confirmeacutee par plu-sieurs expeacuteriences et qursquoon ne peut pas preacutesenter drsquoobjection on admet cettethegravese La dialectique se satisfait drsquoune approche empiriste humienne de lascience Mais elle nrsquoest pas vraiment la science Pour qursquoil y ait science ilfaut une connaissance universelle qui permette de deacuteduire neacutecessairement lesconclusions agrave partir de principes Lrsquoexpeacuterience est seulement lrsquolaquo occasion raquo dela science et les propositions expeacuterimentales sont du domaine du probable18

Scot rejette ainsi avec vigueur tout empirisme laquo toutes les conclusionsqui nous sont naturellement connnaissables par une deacutemonstration pour-raient ecirctre connues mecircme si tous les sens se trompaient raquo19 Un aveugle-neacutepeut former des propositions parfaitement scientifiques sur les couleursmecircme srsquoil ne les perccediloit pas20

On ne peut pas pour autant admettre lrsquohypothegravese drsquoune source transcen-dante de la science On ne peut recourir agrave la reacuteminiscence car celle-ci croitretrouver la science au fond de notre meacutemoire or il importe que celui quiconnaicirct ait conscience de ce qursquoil connaicirct Augustin lui-mecircme a montreacute contrePlaton qursquoil ne suffit pas drsquointerroger un jeune homme pour qursquoil retrouve lascience il faut lrsquointerroger avec ordre Cela signifie fondamentialement qursquoonlui fait apercevoir lrsquoeacutevidence objective de lrsquoenchaicircnement des propositions21

Duns Scot peut alors eacutenumeacuterer quatre degreacutes drsquoaccegraves agrave la science

1 Lrsquohomme deacutepourvu drsquoexpeacuterience et de deacutemonstration nrsquoa qursquounecroyance il croit que telle proposition est vraie

2 Lrsquohomme drsquoexpeacuterience mais sans deacutemonstration a un savoir certainmais contingent Il voit un effet et il est certain que la nature agit demaniegravere reacuteguliegravere Il peut bien affirmer que le soleil se legravevera demainmais crsquoest une connaissance intuitive du contingent ce nrsquoest pas unescience

3 Lrsquohomme qui a la science du principe mais nrsquoen tire pas les conclusionsa seulement une science virtuelle

17 Ebd sect 20 10118 Ebd sectsect 22ndash23 102ndash10319 Ebd sect 45 109 laquo il en deacutecoule que toutes les conclusions qui sont naturellement connaissa-

bles par nous par une deacutemonstration pourraient ecirctre connues mecircme si tous les sens setrompaient raquo

20 Ebd sect 46 109ndash11021 Ebd sect 37 107 vgl Augustinus De Trinitate XII 15 24

218 Olivier Boulnois

4 Lrsquohomme qui atteint la deacutemonstration applique le principe aux conclu-sions il a la vraie science la science laquo par la cause raquo (propter quid)22

Ainsi la structure de la science est celle drsquoune deacuteduction propter quid ellepart de certains principes et arrive agrave des conclusions de maniegravere deacuteductive eta priori Tandis que lrsquoexpeacuterience ne nous donne que lrsquoeacutetonnement et le deacutesirde rechercher la cause agrave partir de ses effets (quia) ndash Nous arrivons ainsi agrave ladeacutefinition de la science selon Duns Scot dans le prologue des ReportataParisiensia et celui de lrsquoOrdinatio La science est 1 la connaissance laquo cer-taine raquo 2 drsquoune veacuteriteacute neacutecessaire 3 ayant pour nature de tirer son eacutevidencedrsquoune autre veacuteriteacute neacutecessaire 4 par un discours syllogistique 23

1 Elle est certaine ce qui exclut lrsquoillusion lrsquoopinion et le doute2 Elle porte sur un objet neacutecessaire car si la science faite de propositions

neacutecessaires portait sur une veacuteriteacute contingente son objet pourrait changeret elle deviendrait fausse

3 Elle est deacuteductive et ne se reacuteduit pas agrave une intelligence des principes4 Elle passe drsquoune proposition agrave une autre au moyen drsquoun discours syllogis-

tique ce nrsquoest pas une vision intuitive des relations intelligibles entre lesveacuteriteacutes Autrement dit ce nrsquoest pas la science que Dieu possegravede elle estle propre drsquoun sujet fini de connaissance

Nous pouvons donc reacutepondre au problegraveme des conditions de possibiliteacutes dela science Celle-ci commence avec lrsquoexpeacuterience ou plus exactement avec lasensation Mais elle a sa valeur objective indeacutependamment de lrsquoexpeacuteriencequi nrsquoen est que lrsquooccasion Certes nous avons besoin de penser les termespremiers de la science mais on peut produire ces termes premiers agrave partirdrsquoune expeacuterience sensible fausse ou mecircme sans expeacuterience sensible On peutdonc dire que pour Scot (comme plus tard pour Kant) la science commenceavec lrsquoexpeacuterience mais qursquoelle nrsquoen deacuterive pas

22 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q4 sect 79 11823 Duns Scotus Rep IndashA (wie Anm 3) Prologus q1 sectsect 9ndash13 Prima condicio scilicet quod

scientia sit cognitio certa excludens omnem deceptionem opinionem et dubitationem con-venit omni virtuti intellectuali [ 2] Secunda condicio scilicet quod sit veri necessariisequitur ex prima Quia si scientia esset veri contingentis posset sibi subesse falsum proptermutationem obiecti [ 3] Tertia condicio [quod natum est habere evidentiam ex necessa-rio prius evidente] est propria distinguens scientiam ab intellectu principiorum quia isteest veri habentis evidentiam ex terminis [hellip 4] Quarta condicio scilicet quod notitia eviden-tiae posterioris sit causata a priore per discursum syllogisticum est imperfectionis nec estde per se ratione scientiae secundum se sed tantum scientiae imperfectae

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 219

II La premiegravere solution scotiste lrsquoanalogie vers la substance

Le lecteur qui srsquoefforce de comprendre lrsquoensemble de la penseacutee de Duns Scotrencontre une seacuterie tregraves complexe drsquoaffirmations ndash Drsquoune part concernantle sujet de cette science nous trouvons des textes ougrave Duns Scot soutient quelrsquoeacutetant est le sujet premier de la meacutetaphysique Mais nous avons aussi destextes ougrave il admet conformeacutement agrave la tradition que crsquoest Dieu ou la sub-stance ndash Drsquoautre part touchant sa structure nous avons des textes ougrave DunsScot soutient conformeacutement agrave la tradition que lrsquoecirctre est eacutequivoque Maisnous en rencontrons drsquoautres ougrave il affirme de maniegravere absolument inouiumledans lrsquohistoire de la meacutetaphysique que lrsquoecirctre est univoque

Cela forme un puzzle assez complexe que je vais essayer de scheacutematiserici en partant de lrsquohypothegravese que pour fonder la meacutetaphysique commescience Duns Scot doit affronter lrsquoaporie fondatrice de la meacutetaphysiquedrsquoAristote Lrsquoavantage de cette complexiteacute est qursquoelle nous permet de voir lagenegravese de la penseacutee de Scot et la maniegravere dont il deacutepasse progressivementlrsquointerpreacutetation drsquoAristote

La position aristoteacutelicienne sur la meacutetaphysique peut ecirctre exprimeacutee entrois propositions incompatibles

1 La laquo science rechercheacutee raquo porte sur lrsquoecirctre2 Il nrsquoy a de science que drsquoun genre-sujet3 Lrsquoecirctre se dit en plusieurs sens il nrsquoest pas un genre

La seule maniegravere de deacutepasser lrsquoaporie aristoteacutelicienne consiste agrave remodelerchacune des trois propositions Dans ses commentaires de lrsquoOrganon drsquoAris-tote et dans la premiegravere version de son commentaire de la MeacutetaphysiqueDuns Scot a reacuteeacutelaboreacute chacune drsquoelles Afin drsquoatteindre sa nouvelle deacutefinitionde la meacutetaphysique il a fallu que Duns Scot fasse eacutevoluer le concept de sujetdrsquoune science en mecircme temps que sa structure24

24 Certains travaux reacutecents (notamment ceux de D Demange S Dumont T Noone G PiniR Wood) suggegraverent que plusieurs passages des Questions sur la Meacutetaphysique seraientplus tardifs que les œuvres theacuteologiques Malheureusement lrsquoeacutedition des Questions sur laMeacutetaphysique ne propose ni stemma ni datation des couches reacutedactionnelles Crsquoest pour-quoi je parle ici de deux couches posteacuterieures lrsquoune agrave lrsquoautre et consideacutereacutees de maniegravereimmanente Je deacutecris ici une geacuteneacutealogie conceptuelle et non une eacutevolution chronologiqueMais selon une communication reacutecente de K Emery qui travaille agrave lrsquoeacutedition critique desReportata Parisiensia il faut distinguer aussi diverses eacutetapes reacutedactionnelles du Commentai-re des Sentences Drsquoabord le commentaire drsquoOxford puis celui qui fut donneacute agrave Paris de1302 agrave 1305 ce dernier fit lrsquoobjet drsquoune Reportatio laquelle fut ensuite compleacuteteacutee par deseacuteleacutements venus de lrsquoenseignement drsquoOxford pour former une nouvelle synthegravese destineacutee agraveecirctre publieacutee dans ce que nous appelons lrsquoOrdinatio Cela signifie qursquoon ne peut plus consideacute-rer tous les passages communs avec les Reportata parisiensia comme des interpolations

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1 Lrsquouniteacute du sujet de la meacutetaphysique

La proposition 3 avait deacutejagrave eacuteteacute remodeleacutee par lrsquohistoire de la meacutetaphysiqueoccidentale depuis le neacuteoplatonisme25 Elle consistait agrave surdeacuteterminer philo-sophiquement la remarque drsquoAristote en Meacutetaphysique Γ 2 lrsquoecirctre se dit enplusieurs sens mais par reacutefeacuterence agrave un terme premier la substance Cettereacutefeacuterence (attributio) eacutetait penseacutee comme une analogie crsquoest-agrave-dire une pro-venance et une participation au terme premier la substance ou agrave Dieu Laposition la mieux connue de Scot eacutetait celle drsquoHenri de Gand qui soutenaitagrave la fois comme Avicenne que le premier concept que nous avons danslrsquointellect est celui drsquoeacutetant et comme Thomas drsquoAquin que lrsquoeacutetant creacuteeacute sedisait par analogie de lrsquoeacutetant increacuteeacute il rendait ces deux thegraveses compatibles enaffirmant que le concept drsquoeacutetant creacuteeacute obtenu par abstraction agrave partir de notreexpeacuterience eacutetait privativement indeacutetermineacute tandis que le concept de drsquoeacutetantincreacuteeacute obtenu par neacutegation de toutes les imperfections eacutetait neacutegativementindeacutetermineacute pourtant dans notre esprit agrave la suite drsquoune erreur drsquoaccommo-dation lrsquoun se confondait avec lrsquoautre Henri appelait cela un laquo concept com-mun analogue raquo

Au deacutepart Duns Scot ne semble pas avoir contesteacute les deux thegraveses fonda-mentales sur lesquelles srsquoappuie cette interpreacutetation Il a drsquoabord soutenu enbonne tradition aristoteacutelicienne que lrsquoeacutetant est eacutequivoque aux dix cateacutegoriesauxquelles correspondent dix concepts Mais cela nrsquoempecircche pas qursquoil y aiten mecircme temps une relation reacuteelle drsquoattribution entre les reacutealiteacutes qursquoils signi-fient ndash Sur ce point Scot se conforme agrave une longue tradition Albert le Grandet Henri de Gand ont deacutejagrave soutenu que lrsquoeacutetant eacutetait eacutequivoque selon le logi-cien et analogue selon le meacutetaphysicien26 Scot admet donc la thegravese deacutejagravedeacutefendue par Albert le Grand que lrsquoens est eacutequivoque logiquement tout eneacutetant analogue reacuteellement27 Lrsquoeacutetant est analogue pour ce qui concerne la

(ainsi que lrsquoont fait les eacutediteurs) Ainsi il est vraisemblable que la premiegravere couche reacutedac-tionnelle des Questions sur la meacutetaphysique est contemporaine de lrsquoenseignement drsquoOxfordet la seconde contemporaine ou posteacuterieure agrave lrsquoenseignement de Paris

25 Vgl J-F Courtine Inventio analogiae Paris 200526 Albertus Magnus De praedicabilibus Opera Omnia I Ed Borgnet Paris 1890 70 b

Tamen quia in talibus respectus est ad unum quod est simpliciter ens ideo non simpliciterest aequivocum Quare non omnium ad unum respicientium est idem modus et ratio respi-ciendi unum enim est ut mensura alterum ut dispositio Ideo quoad hoc est aequivocumEt ideo totum simul analogum hoc est commune secundum proportionem vocatur quodmedium est inter univocum et aequivocum vgl Henricus a Gandavo Quodlibetum XIq11 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) IV q1 sect 70 315 f Voir A de Libera Lessources greacuteco-arabes de la theacuteorie meacutedieacutevale de lrsquoanalogie de lrsquoecirctre Les Eacutetudes philosophi-ques 3ndash4 1989 319ndash345

27 Duns Scotus Praed (wie Anm 3) q4 sect 38 285 Intelligendum tamen quod vox quaeapud logicum simpliciter aequivoca est quia scilicet aeque primo importat multa apud

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 221

relation des autres cateacutegories agrave la substance parce qursquoelle suppose une deacutepen-dance reacuteelle tandis que la signification logique est simplement eacutequivoqueaucun sens de lrsquoecirctre nrsquoa de prioriteacute logique sur les autres

Dans ce sens on pourrait admettre que lrsquouniteacute du sujet de la meacutetaphy-sique est une uniteacute drsquoanalogie il suffit qursquoil y ait une uniteacute drsquoanalogie entretous les termes qui sont attribueacutes agrave ce sujet crsquoest-agrave-dire que tous ces termesaient une attribution agrave un terme premier

2 La structure de la science

Mais pour que la meacutetaphysique soit une science il faut remplir des condi-tions drastiques Connaicirctre crsquoest connaicirctre par la cause28 La science devraitdonc se deacuteployer a priori Avicenne lrsquoa rappeleacute suivi par Henri de GandMais pouvons-nous avoir une connaissance a priori de Dieu ou de la sub-stance

Dans le sujet simple drsquoune science sont contenus tous les principes ettoutes les conclusions que lrsquoon peut eacutetablir sur ce sujet29 Dans ce cas cha-cune des veacuteriteacutes de cette science appartient au mecircme genre30 Il faudrait doncpour ecirctre science par la cause que la meacutetaphysique puisse deacuteduire les autresproprieacuteteacutes agrave partir de son sujet Or cette preacutetention se heurte agrave un pheacutenomegravenedeacutecrit par Aristote lrsquoeacutequivociteacute de lrsquoecirctre qui se dit en plusieurs sens DunsScot en conclut lrsquoimpossibiliteacute drsquoavoir une science unique de lrsquoecirctre il sembleqursquoil y ait autant de sciences qursquoil y a de genres-sujets Or les cateacutegories sontles reacutealiteacutes ultimes au-delagrave drsquoelles il nrsquoy a rien

Une voie vers la solution consiste agrave dire que lorsqursquoun sujet est analogueles proprieacuteteacutes deacutemontreacutees ne se deacuteduisent pas du sujet mais se rapportent agravelui comme au terme premier auquel tous les autres sont attribueacutes31 Scotabandonne ainsi lrsquoideacuteal drsquoune science a priori ou deacuteductive La connaissancedu sujet de la science ne peut permettre de deacuteduire ses proprieacuteteacutes Lorsqursquoon

metaphysicum vel naturalem qui non considerant vocem in significando sed ea quae signifi-cantur secundum illud quod sunt est analoga propter illud quod ea quae significantur licetnon in quantum significantur tamen in quantum exsistunt habent ordinem inter se Ideolsaquo ens rsaquo a metaphysico in IV et VII Metaphysicae ponitur analogum ad substantiam et acci-dens quia scilicet haec quae significantur in essendo habent ordinem sed apud logicum estsimpliciter aequivocum quia in quantum significantur per vocem aeque primo significan-tur

28 Anal Post I 271 b 9ndash1229 Duns Scotus In Met VIndashIX (wie Anm 3) VI q1 sectsect 39ndash40 15 f30 Anal post I 2887 a 38 f vgl Duns Scotus In Met VIndashIX (wie Anm 3) VI q4 sect 38 15

et sect 41 1731 Duns Scotus Cat (wie Anm 3) q4 sectsect 48 f 288 f

222 Olivier Boulnois

possegravede une science par analogie son sujet ne peut pas servir de majeuredans une deacutemonstration Ici il srsquoagit de la substance qui selon Aristote jouele rocircle drsquouniteacute focale de reacutefeacuterence (attributio) Dans le cas de lrsquoeacutetant il y abien un concept univoque crsquoest celui drsquoeacutetant mais tous les preacutedicats qui luisont attribueacutes sont dits par analogie la science ne peut pas porter sur lesdivers sens de lrsquoeacutetant selon leur analogie (les cateacutegories posteacuterieures) maiselle porte sur le terme premier univoque auxquels les autres sont attribueacutesla substance La deacutemonstration ne pourra pas porter sur une proprieacuteteacute uni-verselle du sujet mais on deacutemontrera les proprieacuteteacutes des analogueacutes avant deles reporter sur le terme premier auquel tous les objets de la science sontattribueacutes

Quelle structure peut-on alors donner agrave cette science Duns Scot estimeque son uniteacute est moins forte que lrsquouniteacute geacuteneacuterique La meacutetaphysique enraison de la pluraliteacute des sens de lrsquoecirctre (et des genres correspondants) necontient pas virtuellement toutes les propositions scientifiques comme in-cluses dans son sujet En effet le concept drsquoeacutetant ne contient en lui-mecircmeaucune autre connaissance On ne peut en deacuteduire ni Dieu ni la substancePourtant la deacutetermination des divers sens de lrsquoecirctre (du sens propre de chacundes analogueacutes) deacutepend de la deacutetermination du sens du terme premier auqueltout le reste est attribueacute laquoQuand le sujet est analogue les deacutemonstrationsne portent pas sur ce sujet pris en lui-mecircme mais sur le laquo termeraquo premierauquel tous les autres sont attribueacutes Car pour deacuteterminer une multipliciteacutedrsquoanalogueacutes il suffit de deacuteterminer le laquo termeraquo premier auxquels tous lesautres sont attribueacutes comme il est dit au commencement de la MeacutetaphysiqueVII Et si on ne peut montrer aucune proprieacuteteacute du sujet de la science quandil est analogue ce nrsquoest pas inconveacutenient du moins tant que ces proprieacuteteacutessont deacutemontreacutees du laquo termeraquo premier auquel tous les autres sont attri-bueacutes raquo32 Faute drsquoune saisie complegravete et deacuteductive qui deacuteduirait de la connais-sance du terme premier la science de tous les autres objets de cette scienceon se limitera agrave une connaissance plurielle des diverses relations drsquoattributiondes sens de lrsquoecirctre envers la substance

3 Le sujet de la meacutetaphysique

Venons-en maintenant au troisiegraveme problegravemeLa premiegravere Question sur la Meacutetaphysique porte sur le sujet de cette

science srsquoagit-il de lrsquoeacutetant de Dieu ou de la substance Lrsquoambivalence structu-relle de la meacutetaphysique dans ses traditions motive le questionnement sco-

32 Duns Scotus Praed (wie Anm 3) q4 sect 49 288

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 223

tiste laquo Pour ce qui est de lrsquoobjet de cette science il a eacuteteacute montreacute plus hautque cette science porte sur les transcendantaux Il a aussi eacuteteacute montreacute qursquoelleporte sur les causes les plus hautes [hellip] Crsquoest pourquoi on se demandera enpremier lieu si le sujet propre de la meacutetaphysique est lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant(comme le soutient Avicenne) ou bien Dieu et les Intelligences (comme lesoutient le Commentateur Averroegraves) raquo33

La premiegravere reacuteponse examineacutee par Scot est celle drsquoAverroegraves qui estimeque ce sujet est constitueacute par laquo les substances seacutepareacutees crsquoest-agrave-dire Dieu etles intelligences raquo34 La seconde est celle drsquoAvicenne laquo le premier sujet de cettescience est lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant raquo35 Il est facile agrave Duns Scot de montrerque les deux objets eacutevoqueacutes par Averroegraves nrsquoont pas drsquouniteacute entre eux etlaissent de cocircteacute le troisiegraveme thegraveme de la meacutetaphysique agrave savoir lrsquoeacutetant36 Lareacutefutation drsquoAvicenne est plus longue et plus difficile drsquoautant plus que celui-ci peut srsquoappuyer sur la Meacutetaphysique IV (Γ) Le fondement principal delrsquoavicennisme est la neacutecessiteacute drsquoavoir une science qui considegravere les termesles plus communs une science universelle condition de toute connaissancescientifique des reacutealiteacutes particuliegraveres37 Lrsquoesprit geacuteneacuteral de la reacuteponse de Scotest qursquoen toute science il faut partir des principes or lrsquoeacutetant comme tel nrsquoapas de principe38

Averroegraves et Avicenne ayant eacuteteacute reacutefuteacutes Duns Scot envisage finalement lasubstance comme sujet premier Une telle deacutecision eacutetait deacutejagrave impliqueacutee dansle concept drsquoanalogie drsquoattribution puisque la Meacutetaphysique IV (Γ) 2 drsquoAris-tote atteacutenuait deacutejagrave lrsquoeacutequivociteacute des sens de lrsquoecirctre en invoquant la reacutefeacuterence agraveun sens premier la substance Scot invoque aussi la prioriteacute de la substancedrsquoapregraves la Meacutetaphysique VII (Z) drsquoAristote39 ndash Par conseacutequent la meacutetaphy-sique deacutemontre non les proprieacuteteacutes de lrsquoeacutetant reacuteellement analogue et logique-ment eacutequivoque mais celles de la substance comme uniteacute focale et objet

33 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q1 sect 1 1534 Ebd sect 13 1935 Ebd sect 68 3836 Vgl ebd sectsect 34ndash35 et 71 29 et 3937 Vgl ebd sect 70 3938 Vgl ebd sect 76 41 et sect 84 4339 Vgl Met Ζ 11028 a 29ndash34 δηλον ουν ὅτι δια ταύτην κἀκείνων ἕκαστον ἔστιν ὥστε το

πρώτως ὂν και οὐ τι ὂν ἀλλ᾿ ὂν ἁπλως ἡ οὐσία ἂν εἴη πολλαχως μεν ου ν λέγεται το πρωτονὅμως δε πάντως ἡ οὐσία πρωτον και λόγῳ και γνώσει και χρόνῳ των μεν γαρ ἄλλων κατη-γορημάτων οὐδεν χωριστόν αὕτη δε μόνη laquo Agrave lrsquoeacutevidence donc crsquoest par cette substance quechacun de ces ecirctres aussi existe de sorte que lrsquoecirctre au sens premier et non pas un ecirctrequelconque mais lrsquoecirctre au sens absolu serait la substance Sans aucun doute premier sedit en plusieurs sens pourtant dans tous les sens la substance est premiegravere par lrsquoeacutenonceacutepar la connaissance et chronologiquement car aucun de tous les autres preacutedicats nrsquoestseacuteparable seule la substance lrsquoest raquo

224 Olivier Boulnois

drsquoattribution pour toutes les propositions meacutetaphysiques Ici le sujet nrsquoestpas un sujet commun mais un sujet drsquoattribution par reacutefeacuterence auquel lesautres cateacutegories se disent Il est lrsquouniteacute agrave laquelle on se raccroche malgreacute lapluraliteacute des cateacutegories

Reacutesumons tout le travail de deacuteplacement accompli par Duns Scot agravegauche nous avons la position drsquoAristote agrave droite la reacuteeacutelaboration de DunsScot

Aristote Duns Scot

1 Toute science est science par les causes et 1 Une science peut connaicirctre une pluraliteacutepreacutesuppose lrsquouniteacute drsquoun sujet commun drsquoobjets selon leur attribution agrave un sujet

premier2 Lrsquoeacutetant nrsquoest pas un genre 2 Lrsquoeacutetant est eacutequivoque conceptuellement

mais reacuteellement analogue (Albert leGrand)

3 La meacutetaphysique porte sur lrsquoousia 3 Le sujet de la meacutetaphysique est la sub-(Γ 2 Z 1) stance

1 Parti de lrsquoideacutee aristoteacutelicienne qursquoune science est a priori et preacutesupposelrsquouniteacute de son sujet Duns Scot invoque la structure drsquoune science quideacutemontre les proprieacuteteacutes des divers sens de lrsquoeacutetant puis les attribue agrave sonsujet

2 Scot va de lrsquoideacutee aristoteacutelicienne que lrsquoeacutetant nrsquoest pas un genre mais esteacutequivoque agrave lrsquoideacutee qursquoil est eacutequivoque conceptuellement mais reacuteellementanalogue

3 Il en conclut que la meacutetaphysique porte sur lrsquoeacutetant en tant que substanceMais celle-ci est le sujet drsquoattribution des autres propositions que lrsquoondeacutemontre drsquoelle

On peut appeler cette premiegravere figure de la meacutetaphysique une meacutetaphysiquede lrsquoecirctre analogue Pour penser la meacutetaphysique seul compte ici le problegravemede la preacutedication transcateacutegoriale La question de la causaliteacute reacuteelle passe agravelrsquoarriegravere-plan

III La deuxiegraveme solution scotiste lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant

Dans ses œuvres theacuteologiques la Lectura la Reportatio parisiensis et lrsquoOrdi-natio Duns Scot reacuteeacutelabore en profondeur la question La distinction entremeacutetaphysique et theacuteologie ne vient pas de la distinction entre leurs deux

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 225

sujets Dieu et lrsquoeacutetant mais de leur mode de connaissance En effet la theacuteolo-gie porte sur Dieu et sur toutes choses en tant que connaissables agrave partir delrsquoessence divine connue dans sa singulariteacute (mais sous le mode de la reacuteveacutela-tion) la meacutetaphysique porte sur toutes choses connaissables naturellementagrave partir de notions universelles40

Dans la Lectura et lrsquoOrdinatio Duns Scot nrsquoheacutesite pas agrave affirmer que lesujet de la meacutetaphysique est lrsquoeacutetant Avicenne a bien montreacute qursquoune science nepeut deacutemontrer lrsquoexistence de son sujet mais doit le preacutesupposer41 Commelrsquoexistence de Dieu est deacutemontreacutee en meacutetaphysique celui-ci ne peut ecirctre sonpremier sujet Si Dieu en eacutetait le sujet il faudrait une science preacutealable delrsquoeacutetant qui deacutemontrerait lrsquoexistence drsquoun eacutetant premier42 Plus geacuteneacuteralementle sujet est constitueacute par les transcendantaux obtenus par abstraction drsquounterme commun lrsquoeacutetant ou drsquoautres proprieacuteteacutes coextensives Mais pour quelrsquoeacutetant soit le sujet de la meacutetaphysique il faut donner agrave son sujet une autreuniteacute et agrave la science une autre structure

1 Lrsquouniteacute de lrsquoobjet de lrsquointellect

Duns Scot fait deacutependre lrsquoune de lrsquoautre deux thegraveses drsquoAvicenne lrsquoeacutetant estle sujet de la meacutetaphysique parce qursquoil est aussi lrsquoobjet premier de notrepenseacutee laquo id quod primo cadit in intellectu raquo Pourquoi fonder ainsi la meacuteta-physique sur la noeacutetique Et que veut dire ici premier

La Lectura et lrsquoOrdinatio distinguent trois types de prioriteacute le premierobjet connu peut lrsquoecirctre selon lrsquoorigine la perfection ou lrsquoadeacutequation43

1 Le premier objet selon lrsquoorigine est lrsquoespegravece sensible si lrsquoon srsquoen tient agravedes connaissances confuses mais crsquoest lrsquoeacutetant si on le considegravere selonlrsquoordre des connaissances distinctes lrsquoeacutetant est le concept le plus simpleet le plus universel la meacutetaphysique est donc la science premiegravere danslrsquoordre des reacutealiteacutes connues distinctement44

2 Le premier objet selon lrsquoordre de perfection est Dieu si lrsquoon considegravere lascience la plus parfaite que nous puissions avoir Mais le plus proportion-

40 Duns Scotus Ord prol (wie Anm 3) sect 200 13541 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) p2 q2 sect 97 34 f Ord prol (wie Anm 3)

p3 q2 sectsect 193 f 129ndash131 Rep I-A prol (wie Anm 3) q3 sect 215 74 Avicenna benedicit et Averroes valde male

42 Duns Scotus In Met VIndashIX (wie Anm 3) VI q4 sect 10 8743 Lrsquoopposition entre origine et perfection remonte agrave la Met Θ 81050 a 4ndash8 la deacutefinition de

lrsquoobjet adeacutequat provient de la celle de lrsquouniversel dans les Anal post I 473 b 32 f44 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sectsect 70ndash81 251ndash256 Duns Scotus Ord

I3 (wie Anm 3) sectsect 71ndash94 surtout 81 sectsect 49ndash61 surtout 55

226 Olivier Boulnois

neacute agrave notre connaissance est le sensible Dieu nrsquoest pas une sorte drsquoideacuteeinneacutee il nrsquoest pas le premier objet connu par nous dans lrsquoordre de notreapprentissage45

3 Lrsquoobjet premier par adeacutequation (ou par preacutecision) est penseacute agrave partir drsquounpassage ougrave Aristote analyse lrsquoextension eacutegale entre le sujet et le preacutedicatIl se prend encore en deux sens Au premier sens celui drsquoune communau-teacute formelle parce que sa raison est incluse dans tout ce qui peut ecirctrelrsquoobjet de cette puissance Au second sens celui drsquoune primauteacute virtuelleparce que lrsquoobjet meut la puissance agrave lrsquoacte envers tout ce qui est virtuel-lement contenu en lui Crsquoest ainsi que lrsquoessence divine est lrsquoobjet premiervirtuel de la science que Dieu a de toutes choses en se connaissant ilconnaicirct toutes choses Or en ces deux sens lrsquoobjet premier de lrsquointellectfini nrsquoest ni Dieu (thegravese attribueacutee par Scot agrave Henri de Gand) ni la quiddi-teacute de la chose mateacuterielle (thegravese attribueacutee agrave saint Thomas) ni la substanceCar aucun de ces trois objets nrsquoest contenu dans tous les objets que notreintellect peut consideacuterer Et aucun drsquoeux ne meut lrsquointellect agrave connaicirctretout le reste

Selon la Lectura une alternative srsquoouvre laquo soit il nrsquoy aura aucun objet pre-mier [adeacutequat] de notre intellect soit il faut poser lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant raquo46Il faut que lrsquoeacutetant soit univoque sans quoi il nrsquoy a pas drsquoobjet premier etadeacutequat de notre intellect47 ndash Pourtant laquo il nrsquoest pas dit univoquement et demaniegravere quidditative raquo de tous les intelligibles48 Il faut lire ce passage commeun hendiadys lrsquoeacutetant dit univoquement est lrsquoeacutetant dit in quid or lrsquoeacutetant nrsquoestpas dit de maniegravere quidditative de toutes choses

Mais selon lrsquoOrdinatio ce nrsquoest plus une alternative les deux thegraveses sontvraies en mecircme temps Il nrsquoy a tout simplement pas drsquoobjet premier de lrsquointel-lect au sens strict et lrsquoeacutetant est univoque Lrsquounivociteacute est pourtant la conditionsine qua non de lrsquoexistence drsquoune certaine uniteacute de lrsquoobjet de notre intellectqui nrsquoest ni lrsquouniteacute formelle ni lrsquouniteacute virtuelle deacutejagrave eacutevoqueacutees49 La nature et

45 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sect 85 257 Duns Scotus Ord I3 (wieAnm 3) sectsect 94ndash98 62 f

46 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sect 97 26147 Vgl ebd sect 98 261 Oportet ponere quod ens sit univocum quod etiam sit obiectum

primum adaequatum intellectui nostro48 Ebd sect 99 261 Dico quod ens non est dictum univoce et in quid de omnibus per se

intelligibilibus mecircme doctrine dans la Collatio 13 sect 349 Vgl Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 129 80 pour la traduction vgl Jean Duns Scot

Sur la connaissance de Dieu et lrsquounivociteacute de lrsquoetant Introduction traduction et commentai-re p O Boulnois Paris 1988 138 Quod si ens ponatur aequivocum creato et increatosubstantiae et accidenti cum omnia ista sint primum obiectum intellecus nostri nec proptervirtualitatem nec propter communitatem Sed ponendo illam positionem [hellip] potest aliquomodo salvari aliquod esse primum obiectum intellectus nostri

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 227

lrsquoextension de lrsquoobjet de notre intellect correspondent agrave la nature et agrave lrsquoexten-sion de lrsquounivociteacute qui deacutepend agrave son tour de la structure de la preacutedicationAutrement dit la meacutetaphysique de lrsquounivociteacute deacutepend de lrsquouniteacute du concept

Cela permet agrave Duns Scot drsquointroduire une analyse preacutecise du conceptdrsquoeacutetant Le concept drsquoeacutetant est un concept laquo absolument simple raquo qui laquo nrsquoestpas analysable en plusieurs concepts raquo En cela il se distingue drsquoun conceptlaquo simple mais non absolument simple raquo lequel correspond agrave laquo tout ce quipeut ecirctre conccedilu par lrsquointellect drsquoun acte drsquointelligence simple quoique pou-vant ecirctre analyseacute en plusieurs concepts concevables seacutepareacutement raquo50 parexemple le concept drsquoeacutetant infini ndash Discregravetement Duns Scot renverse unetradition multiseacuteculaire le concept le plus simple que nous puissions avoirnrsquoest pas celui de Dieu mais celui drsquoeacutetant

On peut alors aborder la question de la primauteacute du concept drsquoeacutetantPour eacutetablir ce point Duns Scot doit drsquoabord preacuteciser ce qursquoil entend parconcevoir confuseacutement ou distinctement Aristote affirmait que laquo les chosesconfuses sont connues drsquoabord raquo51 Saint Thomas soutenait que nous avonsdrsquoabord une connaissance imparfaite et indistincte sous un mode confus52Mais pour Scot connaicirctre un objet confus nrsquoest pas neacutecessairement con-naicirctre confuseacutement53 Il existe des reacutealiteacutes confuses crsquoest-agrave-dire qui mecirclent demaniegravere indistincte diverses parties Mais une mecircme reacutealiteacute peut ecirctre conccedilueconfuseacutement crsquoest-agrave-dire simplement viseacutee par une deacutefinition nominale etelle peut ecirctre conccedilue distinctement lorsqursquoon possegravede la deacutefinition qui deacutecritson essence54 Lrsquoeacutetant enveloppe bien une reacutealiteacute plus ou moins complexeMais parce qursquoil est absolument simple laquo lrsquoeacutetant ne peut ecirctre conccedilu que dis-tinctement raquo Il est mecircme le laquo premier concept distinctement concevable raquo55Cela fait de la meacutetaphysique la condition de possibiliteacute de toute science dis-tincte laquo il peut ecirctre conccedilu distinctement sans les autres et non pas les autressans qursquoil soit conccedilu distinctement raquo56 ndash Second renversement lrsquoeacutetant nrsquoestpas lrsquoobjet drsquoune connaissance confuse et imparfaite mais drsquoune connais-

50 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 71 49 trad Boulnois (wie Anm 49) 11651 Phys I 1 184 a 21ndash22 citeacute par Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 83 57 trad Boulnois

(wie Anm 49) 12152 Thomas drsquoAquin Summa theologiae II q85 a3 sub quadam confusione53 Duns Scotus De an (wie Anm 3) q16 sect 27 154 laquo Thomas a eacuteteacute trompeacute [hellip] parce qursquoil

nrsquoa pas distingueacute entre connaicirctre quelque chose confuseacutement et distinctement et connaicirctrequelque chose de confus raquo (trad Boulnois) vgl W Goris The Confuse and the Distinct ndashTowards a Proper Starting Point of Human Knowledge in Thomas Aquinas and Duns Sco-tus in R L FriedmanJ M Counet (Eds) Soul and Mind Ancient and Medieval Perspec-tives on the De anima (agrave paraicirctre)

54 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 71 49 trad Boulnois (wie Anm 49) 11655 Ebd sect 80 54 f trad Boulnois (wie Anm 49) 11956 Ebd sect 55 trad Boulnois (wie Anm 49) 119

228 Olivier Boulnois

sance distincte et parfaite parce qursquoelle est simple Sa connaissance distinctenrsquoest pas atteinte au terme de la science mais donneacutee au commencementCette prioriteacute conduit agrave opposer lrsquoordre transcendantal agrave lrsquoordre expeacuterimen-tal car toute expeacuterience commence par la connaissance de lrsquoespegravece la plusspeacuteciale57

La reacuteflexion sur la primauteacute de lrsquoobjet de lrsquointellect permet de com-prendre laquo en quel sens la meacutetaphysique est premiegravere et en quel sens elle nelrsquoest pas raquo58 Elle est derniegravere dans lrsquoordre de lrsquoapprentissage car elle est con-nue apregraves toutes les autres Mais elle est premiegravere dans lrsquoordre de la distinc-tion car non seulement elle est la science premiegravere dans lrsquoordre de la connais-sance distincte mais elle est celle qui permet aux autres sciences de devenirdistinctes En effet les principes des sciences particuliegraveres sont admis commeeacutevidents par eux-mecircmes agrave partir de la combinaison des concepts confus deleurs termes Mais laquo agrave partir de la science meacutetaphysique on a ensuite lapossibiliteacute de rechercher distinctement la quidditeacute de se termes raquo et de cettefaccedilon les laquo principes des sciences speacuteciales sont connus plus distinctementqursquoauparavant raquo59 Mieux vaut ecirctre meacutetaphysicien et geacuteomegravetre que geacuteomegravetreAu lieu de principes admis agrave partir drsquoune connaissance confuse la scienceparticuliegravere aura une connaissance distincte de ses propres principes Ellepourra mecircme en deacutecouvrir de nouveaux Ainsi la meacutetaphysique est la condi-tion de possibiliteacute non certes de tout exercice de la science mais de toutescience distincte fondeacutee sur des preacutemisses conccedilues distinctement Crsquoest unecondition structurelle en soi dont nous nrsquoavons pas neacutecessairement con-science

2 La structure de la preacutedication

La cleacute pour penser lrsquouniteacute de la meacutetaphysique consiste en effet agrave penser lesmodes drsquoarticulation de lrsquoeacutetant crsquoest-agrave-dire ses modes de preacutedication DunsScot repart drsquoune deacutefinition stricte de la science qui provient des Secondsanalytiques le sujet drsquoune science est celui de la conclusion eacutetablie par unedeacutemonstration qui lui attribue des proprieacuteteacutes par soi Il lrsquoassouplit cependanten soulignant que pour Aristote il y a deux modes drsquoinclusion par soi60

Lrsquoinclusion per se primo modo ougrave le sujet est inclus dans le preacutedicatsrsquoarticule agrave lrsquoinclusion per se secundo modo ougrave le preacutedicat est inclus dans lesujet Lrsquoexemple aristoteacutelicien montre bien que lrsquoinclusion per se secundo

57 Ebd sect 73 50 trad Boulnois (wie Anm 49) 11758 Ebd sect 81 56 trad Boulnois (wie Anm 49) 121 modifieacutee59 Ebd trad Boulnois (wie Anm 49) 120 modifieacutee60 Anal Post I 473 a 34-b 3

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 229

modo convient particuliegraverement agrave des proprieacuteteacutes disjonctives par paires tellesque lrsquoensemble formeacute par leur conjonction a la mecircme extension que le sujetqursquoils qualifient Or preacuteciseacutement Duns Scot utilisera des proprieacuteteacutes disjonc-tives par paires comme finiinfini contingentneacutecessaire pour les appliqueragrave lrsquoeacutetant et parvenir ainsi agrave remonter jusqursquoagrave Dieu

Lrsquoideacutee drsquoarticuler les deux modes de preacutedication pour fonder une scienceremonte agrave Aristote lui-mecircme laquo Donc agrave propos des objets de science au sensabsolu ceux qui sont dits lsaquo par soi rsaquo de telle sorte qursquoils soient contenus dansles sujets dont ils sont preacutediqueacutes ou que ces sujets les contiennent sont agrave lafois du fait drsquoeux-mecircmes et par neacutecessiteacute raquo61 Toute science est science depreacutedicats qui contiennent analytiquement les sujets ou qui sont contenusvirtuellement en eux Or lrsquoeacutetant nrsquoest pas preacutediqueacute quidditativement de toutce qui est intelligible par soi parce qursquoil nrsquoest preacutediqueacute ainsi ni des diffeacuterencesultimes ni des autres transcendantaux62 En effet les diffeacuterences ultimes etles transcendantaux ne tombent pas sous lrsquoeacutetant ils nrsquoen sont pas des sous-ensembles Les diffeacuterences ultimes sont tout agrave fait exteacuterieures au conceptdrsquoeacutetant auquel elles srsquoajoutent pour le deacuteterminer lrsquoeacutetant se dit quidditative-ment (per se primo modo) de ses infeacuterieurs (cateacutegories genres espegraveces) maisles autres transcendantaux et les diffeacuterences ultimes srsquoen disent qualitative-ment (per se secundo modo)63 En drsquoautres termes la preacutedication quidditativeconcerne uniquement le concept drsquoeacutetant et ce qui lui est infeacuterieur les cateacutego-ries (substance) les genres (animal) les espegraveces (homme)

Pourquoi exclure les autres transcendantaux de la preacutedication essen-tielle ndash Parce qursquoils introduiraient une redondance (nugatio) Les transcen-dantaux convertibles ne sont pas drsquoautres ensembles drsquoessences chaque eacutetantest vrai et bon et pourtant le vrai et le bien ne sont pas autre chose quelrsquoeacutetant mais toujours lrsquoeacutetant pris sous un autre rapport en tant qursquointelligibleou deacutesirable64 Les transcendantaux disjonctifs ne sont pas non plus autrechose que lrsquoeacutetant mais des modaliteacutes de lrsquoeacutetant tout eacutetant est neacutecessaire oucontingent infini ou fini mais la neacutecessiteacute et lrsquoinfiniteacute sont des modes delrsquoeacutetant divin la contingence et la finiteacute des modes de lrsquoeacutetant creacuteeacute65 ndash Pourquoiexclure les diffeacuterences ultimes pour la mecircme raison si la diffeacuterence ultime

61 Anal Post I 473 b 1662 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 131 81 trad Boulnois (wie Anm 49) 138 Sur les

laquo deux orientations principales du savoir raquo ebd 47 f63 Vgl Collatio 24 (wie Anm 3) sect 21 212ndash219 trad Boulnois (wie Anm 49) 30364 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sectsect 134ndash136 83ndash85 trad Boulnois (wie Anm 49) 139ndash

14165 Sur lrsquoexplication modale de lrsquoeacutetant voir Duns Scotus Ord I4ndash10 (wie Anm 3) d8

sectsect 100ndash109 136ndash140 199ndash203 221ndash223 et lrsquoanalyse de Honnefelder Scientia transcen-dens (wie Anm 1)

230 Olivier Boulnois

eacutetait infeacuterieure agrave lrsquoeacutetant lrsquoobjet deacutefini par elle serait deux fois eacutetant une foispar son genre qui est un eacutetant une fois par sa diffeacuterence qui serait aussi uninfeacuterieur de lrsquoeacutetant Lrsquohomme nrsquoest pas deux fois eacutetant en tant qursquoanimal eten tant que rationnel par son genre (animal) lrsquohomme est un eacutetant mais ladiffeacuterence (rationnel) est purement qualitative elle nrsquoa rien de quidditatif66

Comme le dit un ceacutelegravebre adage inspireacute drsquoAristote souvent citeacute par Duns Scotlaquo il ne faut pas multiplier les entiteacutes sans neacutecessiteacute raquo Crsquoest bien lrsquoeacutetant qui estle fondement auquel srsquoarticulent qualitativement les autres transcendantauxet les diffeacuterences ultimes

Pourtant malgreacute cette articulation complexe ou plutocirct gracircce agrave cette arti-culation complexe entre deux ordres de primauteacute on peut encore dire que lepremier objet de notre intellect est lrsquoeacutetant en un sens indirect Il lrsquoest au senspreacutecis ougrave se rencontre en lui cette articulation on ne peut pas dire que tousles intelligibles incluent essentiellement le concept drsquoeacutetant Mais on peut ren-verser le sens de lrsquoinclusion et lrsquoassouplir pour dire qursquoil inclut laquo essentielle-ment raquo une partie des intelligibles et qursquoil est inclus qualitativement dans lereste Lrsquoeacutetant est bien le premier objet adeacutequat de lrsquointellect parce qursquoil a unelaquo double primauteacute de communauteacute et de virtualiteacute raquo de communauteacute enverscertains objets de virtualiteacute envers drsquoautres laquo Tout ce qui est intelligible parsoi ou bien inclut essentiellement la raison drsquoeacutetant ou bien est contenu vir-tuellement ou essentiellement dans ce qui inclut essentiellement la raisondrsquoeacutetant raquo67 Lrsquoeacutetant reste un preacutedicat univoque mais il nrsquoest pas preacutediqueacute uni-voquement de toutes choses Il a une primauteacute de communauteacute envers sesinfeacuterieurs qui lrsquoincluent essentiellement ou quidditativement et une primauteacutede virtualiteacute envers les concepts qualitatifs des diffeacuterences ultimes et des pro-prieacuteteacutes transcendantales Les intelligibles qui incluent essentiellement lrsquoeacutetantsont les conceptrsquos universels qui le divisent genres espegraveces individus etlrsquoeacutetant infini Les autres sont soit contenus essentiellement dans ce qui inclutlrsquoeacutetant comme les diffeacuterences ultimes soit contenus virtuellement danslrsquoeacutetant comme les transcendantaux convertibles La mention drsquoune primauteacutevirtuelle de lrsquoeacutetant pose un problegraveme difficile comment une notion irreacuteducti-blement simple peut-elle causer une connaissance des transcendantaux con-vertibles ndash Du moins cette solution complexe signifie que lagrave ougrave lrsquoeacutetant nrsquoestpas un terme univoque preacutediqueacute quidditativement comme le supeacuterieur delrsquoinfeacuterieur il est inclus dans lrsquoalteacuteriteacute de la diffeacuterence et des autres transcen-dantaux68 La solution est eacuteminemment subtile mais elle permet de maintenir

66 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 131 81 laquo son concept est seulement qualitatif tandisque le genre ultime a seulement un concept quidditatif raquo trad Boulnois (wie Anm 49) 138

67 Ebd sect 137 85 trad Boulnois (wie Anm 49) 141 commentaire 51ndash5368 Ebd trad Boulnois (wie Anm 49) 121 laquo En lui se rencontre une double primauteacute de

communauteacute et de virtualiteacute puisque tout ce qui est intelligible par soi ou bien inclut

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 231

une uniteacute indirecte et minimale du concept drsquoeacutetant en le soumettant auxregravegles logiques des relations entre sujet et preacutedicat

La seconde difficulteacute que doit aborder Duns Scot est le problegraveme de lrsquoar-ticulation entre meacutetaphysique et connaissance de Dieu Si lrsquoon veut conserverles deux principales affirmations drsquoAvicenne lrsquoeacutetant est le sujet de la meacuteta-physique et celle-ci a pour but la connaissance de Dieu Mais nous devonsrenoncer agrave la deacutefinition habituelle de la science le concept drsquoeacutetant nrsquoest pasune cause qui nous permet de deacuteduire lrsquoexistence de Dieu Le concept drsquoeacutetantest le plus simple et le plus indeacutetermineacute de tous il nrsquoinclut en lui-mecircme au-cune deacutetermination et surtout pas la plus parfaite lrsquoexistence de Dieu Lapreuve ontologique nrsquoest pas possible Et la meacutetaphysique ne peut pas ecirctreune science a priori Elle est une science quia par les effets

3 Lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant

Remarquons que le problegraveme poseacute dans ces œuvres theacuteologiques est celui dela connaissance de Dieu crsquoest-agrave-dire de la preacutedication de cateacutegories finies agravepropos de lrsquoinfini Lrsquoanalogie ne porte plus cateacutegorialement sur les diverssens de lrsquoecirctre par rapport agrave la substance mais transcendantalement sur lerapport entre notre concept drsquoecirctre reacutefeacutereacute au creacuteeacute et le concept drsquoecirctre reacutefeacutereacute agravelrsquoincreacuteeacute

Comme Henri de Gand Duns Scot admet que les transcendantaux sontla voie drsquoaccegraves agrave Dieu Mais contrairement agrave lui Duns Scot pense qursquoil existeun seul concept drsquoeacutetant sous-jacent agrave la preacutedication analogique des termes agraveDieu laquoDieu nrsquoest pas seulement conccedilu dans un concept analogue au conceptde la creacuteature crsquoest-agrave-dire [un concept] qui soit entiegraverement autre que celuiqui est dit de la creacuteature mais dans un certain concept univoque agrave lui et agrave lacreacuteature raquo Crsquoest preacuteciseacutement en cela que consiste lrsquounivociteacute laquo Jrsquoappelle con-cept univoque celui qui est drsquoune telle uniteacute que celle-ci suffit agrave lsaquo produire rsaquoune contradiction si on lrsquoaffirme ou si on le nie du mecircme lsaquo terme rsaquo il suffitaussi agrave tenir lieu de moyen terme dans un syllogisme de telle faccedilon que lrsquoonpuisse conclure que les extrecircmes unis dans un moyen terme doteacute drsquoune telleuniteacute sont unis entre eux raquo69 Lrsquounivociteacute signifie deacutesormais qursquoil srsquoagit drsquounconcept unique obtenu par abstraction agrave partir des creacuteatures il possegravede une

essentiellement la raison drsquoeacutetant ou bien est contenu virtuellement ou essentiellement dansce qui inclut essentiellement la raison drsquoeacutetant raquo vgl Boulnois laquo Introduction La destructionde lrsquoanalogie et lrsquoinstauration de la meacutetaphysique raquo

69 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 26 18 trad Boulnois (wie Anm 49) 94ndash95 vglDuns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sect 21 232 ce critegravere logique a eacuteteacute eacutelaboreacutepar Simplicius vgl aussi Duns Scotus Sup elench (wie Anm 3) q15ndash16 331ndash345

232 Olivier Boulnois

uniteacute telle qursquoil peut servir de moyen terme dans un syllogisme et qursquoil suffitagrave entraicircner une contradiction logique lorsqursquoon le nie et qursquoon lrsquoaffirme enmecircme temps drsquoun mecircme sujet La question de lrsquounivociteacute est donc soumise agravela theacuteorie de la deacutemonstration supposeacutee par les Reacutefutations sophistiques Unescience ne peut ecirctre une science que si ses concepts sont univoques sinon ilse glisse entre eux une tromperie (fallacia)

Dans un second temps lrsquoeacutetant est distingueacute par des modes propres enfini et infini Le grand argument en faveur de lrsquounivociteacute est alors la certitudeau double sens de discernement objectif (certitudo vient de cernere discerner)et drsquoexpeacuterience subjective nous discernons et nous expeacuterimentons que le con-cept drsquoeacutetant dit en lui-mecircme est certain alors que nous pouvons douter deses modes douter de Dieu par exemple Le concept drsquoeacutetant comme tel estdonc distinct du concept drsquoeacutetant divin et drsquoeacutetant creacuteeacute70 En mecircme temps touteconnaissance de Dieu suppose que lrsquoon possegravede un concept commun agrave Dieuet aux creacuteatures71 Ainsi lrsquoeacutetant est conccedilu anteacuterieurement agrave toute autre no-tion Contrairement au concept drsquoeacutetant tel que le deacutecrivait Henri de Gandobtenu par surimpression du concept laquo privativement indeacutetermineacute raquo de lrsquoeacutetantcreacuteeacute et du concept laquo neacutegativement indeacutetermineacute raquo de Dieu il est absolumentsimple

Enfin il faut deacutemontrer lrsquounivociteacute Parmi les cinq arguments deacuteveloppeacutespar Scot lrsquoun drsquoentre eux concerne la structure de la deacutemarche meacutetaphysiquelaquo Toute enquecircte meacutetaphysique agrave propos de Dieu procegravede en consideacuterant laraison formelle de quelque chose en ocirctant de cette raison formelle lrsquoimperfec-tion qursquoelle a dans les creacuteatures en reacuteservant cette raison formelle en luiattribuant totalement la perfection souveraine et en attribuant cela agraveDieu raquo72 Toute enquecircte meacutetaphysique a pour but la connaissance de Dieumais suppose que lrsquointellect construise par abstraction un concept identiqueet univoque dont il niera le mode imparfait et auquel il attribuera la perfec-tion la plus haute en le preacutediquant de Dieu Les trois voies dionysiennescausaliteacute neacutegation et eacuteminence srsquointegravegrent dans un substrat conceptuel affir-matif73 Duns Scot deacutemontre ainsi qursquoune perfection absolue nrsquoest ni propre

70 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sectsect 21ndash25 232 f omnis intellectus certusde uno conceptu et dubius de duobus habet aliquem conceptum de quo certus est aliumab utroque de quo dubius est aliter enim de eodem conceptu esset dubius et certus sedomnis intellectus viatoris habet conceptum certum de ente et bono dubitando per accidensde bono Dei et de bono creaturae et de ente Dei et de ente creaturae igitur ens et bonumsecundum se important alium conceptum a conceptu boni et entis in Deo et in creaturavgl Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sectsect 26ndash55 18ndash38

71 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sect 29 23572 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 39 26 trad Boulnois (wie Anm 49) 9973 Vgl Boulnois O Introduction La destruction de lrsquoanalogie et lrsquoinstauration de la meacutetaphy-

sique Duns Scotus Sur la connaissance de Dieu (wie Anm 49) 63ndash69

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 233

agrave la creacuteature ni propre agrave Dieu mais qursquoelle est une perfection pure qui a unconcept commun distinct de la deacutetermination qui le rend propre agrave Dieulaquo On connaicirct en premier lieu qursquoune chose est de cette sorte et en second lieuon lrsquoattribue agrave Dieu raquo74 Au lieu drsquoapercevoir les perfections pures dans latranscendance du principe comme le neacuteoplatonisme y invitait on peut deacuteter-miner ce qursquoest une perfection pure sans lrsquoattribuer agrave Dieu Lrsquounivociteacute estdevenue la condition de possibiliteacute de la science transcendantale Il y a unmoment ontologique anteacuterieur au moment theacuteologique

Certes lrsquounivociteacute des attributs divins nrsquoest pas un scoop Crsquoest plutocirctun retour par-delagrave Thomas drsquoAquin et Henri de Gand aux auteurs anciensceux du deacutebut du XIIIeme siegravecle comme Preacutevotin de Creacutemone Pierre deCapoue Guillaume drsquoAuxerre et mecircme Alexandre de Halegraves qui affirmentsans heacutesitation que les attributs divins ou des concepts propres comme celuide personne sont univoques agrave Dieu et agrave la creacuteature75 Mais ce qui est nouveauchez Scot crsquoest drsquoidentifier cette univociteacute theacuteologique agrave une deacutemarche meacuteta-physique Pour lui la theacuteologie srsquoappuie sur la meacutetaphysique les theacuteologienspartent des concepts communs agrave Dieu et agrave la creacuteature qui sont des laquo conceptsmeacutetaphysiques raquo et ils les attribuent agrave Dieu au plus haut degreacute76 Meacutetaphy-sique et transcendantal sont devenus synonymes

Crsquoest donc lrsquounivociteacute des transcendantaux qui deacutetient la cleacute de la solu-tion Ces concepts sont eacutetudieacutes par Scot agrave partir drsquoune exigence theacuteologiquela possibiliteacute drsquoattribuer agrave Dieu des preacutedicats77 Le problegraveme le plus aiguumldepuis Maiumlmonide est drsquoeacuteviter de porter atteinte agrave la transcendance et agrave lasimpliciteacute de Dieu en lui attribuant des proprieacuteteacutes qui ne conviennent qursquoagrave lacreacuteature Lrsquoanalogie servait preacuteciseacutement agrave eacuteliminer les imperfections de lacreacuteature pour eacuteviter de les transposer en Dieu Et lorsqursquoon remplace lrsquoanalo-gie des attributs divins par leur univociteacute comme le fait Scot cette purifica-tion nrsquoest plus possible Mais pour Scot il est possible drsquoaffirmer lrsquounivociteacutede lrsquoeacutetant sans faire de Dieu une reacutealiteacute finie (geacuteneacuterique) Il faut soutenir deuxthegraveses lrsquoune neacutegative laquo rien de ce qui est dit de Dieu nrsquoest dans un genre raquoen raison de son infiniteacute et de son ecirctre neacutecessaire lrsquoautre positive laquo tout cequi est dit de Dieu est transcendantal raquo78

74 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 38 25 trad Boulnois (wie Anm 49) 9975 Vgl Boulnois Etre et repreacutesentation (wie Anm 1) 265ndash26776 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sect 29 235 conceptus metaphysicales77 Duns Scotus Ord I4ndash10 (wie Anm 3) d8 sectsect 112ndash115 205ndash207 voir le commentaire A

B de Wolter The Transcendentals and their Function in the Metaphysics of Duns ScotusSt Bonaventure (NY) 1946 4ndash11

78 Duns Scotus Ord I4ndash10 (wie Anm 3) d8 sect 112 annotation de Duns Scotus 205 tradBoulnois (wie Anm 49) 241

234 Olivier Boulnois

Or cette thegravese positive dissimule un renversement remarquable de la pro-bleacutematique elle pousse Duns Scot dans ses derniers retranchements lrsquoobligeagrave une nouvelle deacutefinition du transcendantal Alors que transcendantal (trans-cendens) signifie originairement laquo ce qui transcende lrsquouniteacute drsquoun genre raquoDuns Scot remarque laquo Lrsquoeacutetant est diviseacute plus tocirct en infini et en fini qursquoen dixcateacutegories puisque lrsquoun de ceux-ci le fini est commun aux dix genres Donctout ce qui convient agrave lrsquoeacutetant en tant qursquoindiffeacuterent au fini ou agrave lrsquoinfini ouen tant que propre agrave lrsquoeacutetant infini lui convient [hellip] en tant qursquoil est transcen-dantal et hors de tout genre raquo79 Le sens ordinaire de transcendantal est tropeacutetroit un concept commun agrave tous les genres peut encore srsquoappliquer au finiDeacutejagrave les proprieacuteteacutes transcendantales sont ici (en theacuteologie) consideacutereacuteescomme communes agrave Dieu et agrave la creacuteature elles sont donc indiffeacuterentes aufini et agrave lrsquoinfini Lrsquouniteacute du transcendantal est donc exteacuterieure agrave tout genreparce qursquoelle est anteacuterieure agrave la division entre fini et infini Mais Scot vaencore plus loin en caracteacuterisant le transcendantal un attribut propre agrave Dieuest lui-mecircme transcendantal Drsquoune maniegravere deacutecisive Duns Scot abandonnela deacutefinition traditionnelle du transcendantal comme proprieacuteteacute commune (agravetoutes choses)

Crsquoest ainsi que lrsquoon peut consideacuterer des preacutedicats theacuteologiques les attri-buts propres agrave Dieu comme des transcendantaux Ainsi pour Scot la sagesseest un transcendantal crsquoest pourtant un attribut qui convient par eacuteminenceagrave Dieu et qui nrsquoest pas commun agrave tous les eacutetants Il va donc falloir redeacutefinirneacutegativement les transcendantaux laquo De mecircme que la raison de [genre] tregravesgeacuteneacuteral nrsquoest pas drsquoavoir au-dessous de soi plusieurs espegraveces mais de ne pasavoir de genre qui vienne par-dessus [hellip] de mecircme un transcendantal quel-conque nrsquoa aucun genre sous lequel il soit contenu raquo80 La veacuteritable deacutefinitiondu transcendantal est neacutegative elle consiste dans sa souveraineteacute Or unetelle deacutefinition permet justement de maintenir lrsquoambiguiumlteacute onto-theacuteologiquedu transcendantal81 Dieu en raison de sa transcendance aussi bien quelrsquoeacutetant en raison de son universaliteacute ne sont contenus dans aucune cateacutegorieLes attributs divins sont transcendantaux par eacuteminence tandis que lrsquoeacutetantest transcendantal en raison de sa communauteacute Ce sont pourtant lrsquoun etlrsquoautre des transcendantaux

79 Duns Scotus Ord I4ndash10 (wie Anm 3) d8 sect 111 205 trad Boulnois (wie Anm 49) 241ndash242 je souligne

80 Ebd sect 114 206 trad Boulnois (wie Anm 49) 242 on retrouve le mecircme jeu logique quecelui drsquoAvicenne Liber de philosophia prima VIII 4 402 l55ndash60

81 Comme le dit J Aertsen (wie Anm 7) 386 laquoLa deacutefinition neacutegative dissimule des raisonstregraves diffeacuterentes pour nrsquoecirctre pas deacutetermineacute par un genre la communauteacute preacutedicative ou latranscendance ontologique raquo (i e theacuteologique) vgl aussi O Boulnois Quand commencelrsquoontotheacuteologie Aristote Thomas drsquoAquin et Duns Scotus Revue thomiste 95 (1995) 108

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 235

Pour que les preacutedicats univoques ne portent pas atteinte agrave la transcen-dance de Dieu il faut qursquoils soient transcendantaux et non geacuteneacuteriques Maissi tous les attributs divins sont transcendantaux il faut que les proprieacuteteacutesdisjonctives soient elles-mecircmes des transcendantaux Cela nrsquoest nullementeacutevident en quoi des preacutedicats laquo speacutecifiques raquo approprieacutes agrave Dieu commelrsquoecirctre neacutecessaire la sagesse ou la volonteacute seraient-ils des transcendantaux82

Ils sont speacutecifiques en ce qursquoils appartiennent agrave une meacutetaphysique speacuteciale ndashcelle qui traite de Dieu Par extension crsquoest agrave la mecircme science de traiter destranscendantaux communs (lrsquoecirctre lrsquoun le vrai etc) des proprieacuteteacutes disjonc-tives par paire (ecirctre neacutecessaire ou ecirctre possible infini ou fini) et de laquo chacundes deux membres de ce qui est disjoint raquo la premiegravere extension est eacutevidenteune paire de proprieacuteteacutes est convertible avec un transcendantal commun maisla seconde est subtile chaque membre drsquoune paire est particulier et diffeacuteren-cieacute de lrsquoexteacuterieur par rapport au socle fondamental qursquoest lrsquoeacutetant Pourtantpuisqursquoil revient agrave laquo la mecircme science raquo transcendantale de connaicirctre lrsquoeacutetantet Dieu il faudra que les concepts propres agrave Dieu soient transcendantaux

Les transcendantaux culminent ainsi dans lrsquoattribution agrave Dieu laquo tous lestranscendantaux disent des perfections absolues (perfectiones simpliciter) etconviennent agrave Dieu au plus haut point raquo83 Le concept de perfection absolueest un terme preacutecis dans le vocabulaire de Scot il deacutesigne les proprieacuteteacutes quisont telles que les posseacuteder est supeacuterieur au fait de ne pas les posseacuteder Crsquoestle fond de lrsquoargument de saint Anselme laquo tout x qui est absolument meilleurque non-x doit ecirctre attribueacute agrave Dieu raquo84 La position de Scot lrsquoentraicircne eacutetran-gement agrave identifier tous les transcendantaux agrave des perfections absolues et agravefaire fi du membre imparfait dans les transcendantaux disjonctifs par paireCela montre encore une fois que les transcendantaux disjonctifs ne sontqursquoune meacutediation provisoire entre les transcendantaux communs (commelrsquoeacutetant) et les proprieacuteteacutes construites par voie drsquoeacuteminence (et attribueacutees agraveDieu) crsquoest-agrave-dire dans les deux sens du mot une simple laquo cheville raquo pourlrsquoarticulation onto-theacuteologique

Ainsi parti de lrsquoideacutee que laquo tout ce qui est dit de Dieu est transcendantal raquoDuns Scot conclut laquo est un transcendantal tout ce qui est dit de Dieu raquo dans

82 Vgl Duns Scotus Lect I8ndash45 (wie Anm 3) d8 sect 108 37 laquo Tu diras si la sagesse convi-ent drsquoabord agrave lrsquoeacutetant avant qursquoil soit diviseacute en genres la sagesse sera transcendantale (tran-scendens) ndash ce qui semble faux puisque crsquoest un preacutedicat speacutecial raquo

83 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 135 84 trad Boulnois 140 je souligne vgl DunsScotus Ord I4ndash10 (wie Anm 3) d8 sect 78 188 trad Boulnois (wie Anm 49) 229 laquo lesattributs sont des perfections absolues dites de Dieu formellement raquo

84 Anselmus Cantabrigiensis Monologion 15 citeacute par Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3)sect 38 25 trad Boulnois (wie Anm 49) 99

236 Olivier Boulnois

un cercle que lrsquohistorien pourra qualifier selon son degreacute de chariteacute de vi-cieux ou drsquohermeacuteneutique

Dans les œuvres theacuteologiques Duns Scot montre que toute possibiliteacute deconnaicirctre Dieu repose drsquoabord sur lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant laquo Comme on a mon-treacute par lrsquoargumentation que Dieu nrsquoest pas connaissable naturellement parnous agrave moins que lrsquoeacutetant ne soit univoque au creacuteeacute et agrave lrsquoincreacuteeacute de mecircme onpeut argumenter agrave propos de la substance et de lrsquoaccident raquo85 Crsquoest la theacuteolo-gie qui exige et eacutetablit lrsquounivociteacute meacutetaphysique laquo et non lrsquoinverse raquo Elle nesrsquoapplique agrave lrsquoontologie de la creacuteature qursquoapregraves-coup Et pourtant elle est sifondamentale que Duns Scot nrsquoheacutesite pas agrave dire que sans lrsquounivociteacute crsquoest laphilosophie elle-mecircme qui serait deacutetruite dans son ensemble86

Pour une raison theacuteologique la connaissance de Dieu Duns Scot eacutetablitune thegravese meacutetaphysique lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant qui deacutepend elle-mecircme drsquounethegravese eacutepisteacutemologique sur lrsquouniteacute de lrsquoobjet de la meacutetaphysique celui-ci nepeut ecirctre lrsquoeacutetant que si lrsquoon admet une combinaison complexe de preacutedicationquidditative et de preacutedication qualitative87 Ainsi dans ses œuvres theacuteolo-giques (Lectura et Ordinatio) Duns Scot a reformuleacute autrement les troisthegraveses principales de la meacutetaphysique

1 Lrsquouniteacute drsquoune science provient drsquoune combinaison complexe de preacutedicatsqui incluent formellement leur sujet et de preacutedicats qui sont virtuelle-ment inclus dans le sujet

2 Lrsquouniteacute de lrsquoeacutetant correspond preacuteciseacutement agrave cette combinaison complexede preacutedication quidditative et qualitative

3 La meacutetaphysique porte sur le concept transcendantal drsquoeacutetant qui en estle sujet

Paradoxalement ce nrsquoest pas dans un traiteacute de meacutetaphysique mais dans uneœuvre theacuteologique que Duns Scot pose lrsquounivociteacute de lrsquoecirctre On peut appelercette troisiegraveme figure de la meacutetaphysique une meacutetaphysique de lrsquoecirctre univoqueLa question de la preacutedication devient si radicale que ce sont des critegraveres lo-giques qui permettent de deacutefinir lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant (une identiteacute qui reacutesiste agravela fallacia) et de comprendre sa structure (la double preacutedication per se) Crsquoest

85 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 139 8786 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sect 110 265 voir mon introduction agrave Duns

Scotus Sur la connaissance de Dieu (wie Anm 49) 13ndash23 comme lrsquoa montreacute G Pini Scotuson Doing Metaphysics in statu isto Archa Verbi Subsidia 3 (2011) 29ndash55 cette extensionrepose sur lrsquoideacutee que sans lrsquounivociteacute la connaissance des substances serait impossible

87 Position semblable dans Duns Scotus De an (wie Anm 3) q21 sectsect 6ndash7 208 f lrsquoeacutetant estlrsquoobjet premier de notre intellect par une double primauteacute drsquoadeacutequation selon la puissanceet selon la preacutedication

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 237

agrave cette condition que lrsquoeacutetant devient le sujet de la meacutetaphysique et qursquoil srsquoap-plique agrave tous ses modes y compris Dieu devenu ens infinitum Crsquoest cette posi-tion diffuseacutee par les nombreuses copies du Commentaire des Sentences qui amarqueacute la posteacuteriteacute Elle est devenue la plus classique et la plus commenteacuteeMais en raison de sa porteacutee theacuteologique elle ne va pas jusqursquoau bout delrsquoorientation ontologique exigeacutee par une science transcendantale

IV La troisiegraveme solution scotiste lrsquoattributiondu multiple agrave Dieu

Et pourtant comme lrsquoa montreacute un article pionnier de D Demange appuyeacutesur une eacutetude minutieuse de la nouvelle eacutedition critique ainsi que plusieurstravaux reacutecents (Wood Pini) il semble que Scot nrsquoait pas eacuteteacute satisfait de sapropre deacutefinition de la science Dans ses Questions sur la Meacutetaphysique ilsemble avoir entrepris une reacutevision et avoir ajouteacute de nouveaux deacuteveloppe-ments88

1 Une nouvelle structure de la science lrsquoagreacutegation

Dans ces additions Duns Scot examine la structure de la meacutetaphysique etsouligne qursquoune meacutetaphysique a priori est inaccessible La meacutetaphysique quiva de la cause aux effets est le propre des intelligences seacutepareacutees crsquoest-agrave-diredes bienheureux et des anges partant drsquoune connaissance intuitive de lrsquoes-sence de Dieu ils peuvent en deacuteduire les attributs89 Neacuteanmoins ce nrsquoest pasune connaissance discursive et donc pas tout agrave fait une science90 Duns Scot

88 Vgl D Demange Pourquoi Duns Scot a critiqueacute Avicenne Antonianum Giovanni DunsScotus Studi e Ricerche nel VII centenario della sua morte ed M Carbajo Nunez Rome2008 235ndash269 R Wood The Subject of the Aristotelian science of Metaphysics in RPasnau C Van Dyke (Eds) The Cambridge History of Medieval Philosophy Vol II 2010609ndash622 Selon ces auteurs la reacutevision a eacuteteacute entreprise apregraves la reacutedaction des œuvres theacuteolo-giques Par exemple un texte des Questions sur la Meacutetaphysique VI renvoyant selon leseacutediteurs agrave la Lectura a eacuteteacute biffeacute par Duns Scotus qui lui preacutefegravere manifestement une autresolution (OPh IV 708) Cependant il me semble difficile de srsquoappuyer sur certaines annota-tions ou ratures posteacuterieures pour affirmer que toutes le sont

89 Duns Scotus Q q (wie Anm 3) VII sect 33 266 Primum principium ad quod attingitmetaphysicus et hoc proprium de Deo non est sibi notum nisi tantum quia esset autemnotum sibi propter quid si posset habere conceptum de Deo virtualiter et evidenter inclu-dentem veritates ordinatas de Deo

90 Vgl Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q1 sect 135 62 Talem metaphysicam habetDeus sed non est sibi scientia

238 Olivier Boulnois

poleacutemique en effet contre lrsquointerpreacutetation de la meacutetaphysique comme unescience par la cause proceacutedant more geometrico agrave la deacuteduction des veacuteriteacutesqursquoelle contient

Dans les Quaestiones de cognitione Dei Duns Scot oppose la meacutetaphy-sique en soi agrave la meacutetaphysique pour nous91 La meacutetaphysique en soi suppose-rait qursquoen connaissant parfaitement le concept drsquoeacutetant on puisse en deacuteduirepar la cause (propter quid) toutes les veacuteriteacutes meacutetaphysiques Mais pour nousle concept drsquoeacutetant est absolument simple obtenu par abstraction il ne con-tient aucune deacutetermination Pour atteindre les veacuteriteacutes meacutetaphysiques le vaga-bond sur terre (viator) est obligeacute de srsquoen tenir agrave ses propres limites il nepourra que remonter vers le principe agrave partir de ses effets (quia) En soi onpourrait sans doute agrave partir du seul concept drsquoeacutetant et par la cause deacuteduirelrsquoexistence drsquoun eacutetant infini ndash ce serait une preuve a priori de lrsquoexistence deDieu telle qursquoHenri de Gand a cru la reacutealiser92 Mais pour nous une tellepreuve est impossible on ne peut connaicirctre cette existence qursquoagrave partir deseffets en remontant vers Dieu agrave partir de notre connaissance finie

Selon les Questions sur la Meacutetaphysique une meacutetaphysique a priori estpossible en soi mais non pour nous toute notre connaissance meacutetaphysiquepart des effets (quia)93 Dans le mecircme texte Duns Scot renonce agrave donner agravetoute science la rigueur de conclusions incluses per se primo ou secundomodo dans le sujet Car il est encore possible de prendre le terme de scienceen un autre sens Dans ce cas la science constitue lrsquoagreacutegation drsquoune seacuterielaquo de termes simples et complexes de principes et de conclusions raquo un peucomme la geacuteomeacutetrie est une alors qursquoelle consiste agrave la fois en eacuteleacutements enaxiomes et en conclusions94 Degraves lors Scot peut agrave la fois dire que le sujet decette science est commun agrave tous les sujets qui sont examineacutes dans cettescience (le concept de figure srsquoapplique agrave toutes les figures geacuteomeacutetriques) etque crsquoest un terme premier auquel tous les autres sont attribueacutes (on deacutemontretelle proprieacuteteacute du triangle mais la figure comme telle a drsquoautres proprieacuteteacutes)En ce sens la meacutetaphysique ne deacutemontrerait pas les proprieacuteteacutes de son sujeten tant que tel mais celui-ci serait agrave la fois un terme commun et le termeauquel on attribue toutes les proprieacuteteacutes des sujets consideacutereacutes dans cettescience

Or dans ce cas nous dit Scot mecircme si on admettait lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant(alternative qursquoil commence agrave envisager seacuterieusement) on pourrait encore

91 Vgl Duns Scotus Q c d (wie Anm 3) 379 384ndash38592 Vgl P Porro Enrico di Gand La via delle proposizioni universali Bari 199093 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q1 sect 119 56 sect 136 62ndash63 sect 150 6794 Ebd sect 103 50ndash51

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 239

poser Dieu comme sujet de la meacutetaphysique comme crsquoest le cas en theacuteolo-gie95

Est-ce simplement un retour agrave la position drsquoAverroegraves ndash Non car le veacuteri-table problegraveme nrsquoest pas de savoir si Dieu ou la substance sont le sujet dela meacutetaphysique mais de savoir si les principes premiers et absolus de lameacutetaphysique contiennent les principes des sciences qui en deacutependent96 OrScot insiste sur le fait que la science premiegravere ne permet pas de deacuteduire lesautres Il y a de nombreuses causes de lrsquohomme mais aucune qui expliquelaquo pourquoi lrsquohomme est lrsquohomme raquo97 La meacutetaphysique de Scot porte sur desquidditeacutes et non sur des existences Or les essences ne peuvent pas se deacuteduirea priori laquoCe nrsquoest pas parce que Dieu est Dieu que lrsquohomme est lrsquohommemecircme si lrsquohomme vient de Dieu raquo98 La cleacute de la deuxiegraveme solution scotisteest dans la meacutethode (modus)99 Selon cette meacutethode nous avons virtuelle-ment lrsquoideacutee drsquoune autonomie des sciences comme ensembles discursifs indeacute-pendants

Il y a des principes plus ou moins primitifs mais cela ne veut pas direque lrsquoun est la cause de veacuteriteacute de lrsquoautre Il peut donc y avoir un ordre desprincipes sans deacuteduction causale100 Pour ce modegravele non-causal de la scienceselon lequel il y a plusieurs principes indeacuteductibles les uns des autres il nrsquoestpas possible de partir de la cause pour deacuteduire toutes les propositions decette science Loin de revenir agrave Averroegraves Duns Scot deacutecouvre lrsquoautonomiedes essences et des discours

Scot propose donc un nouveau modegravele drsquouniteacute de la science par agreacutega-tion de mecircme que lrsquoon peut construire la geacuteomeacutetrie agrave partir de lrsquoagreacutegationdes sciences du cercle du triangle etc on peut atteindre la meacutetaphysiqueagrave partir de lrsquoaddition des sciences de la substance et des autres cateacutegoriesLrsquoagreacutegation doit se comprendre comme la superposition de divers principesil existe des principes pour chaque science qui sont des eacutenonceacutes complexeset ces eacutenonceacutes ont un certain ordre drsquoanteacuterioriteacute les uns par rapport auxautres Ainsi mecircme si lrsquohomme a une cause la proposition laquo lrsquohomme esthomme raquo nrsquoa pas de cause La causaliteacute ontologique nrsquoest pas la mecircme choseque lrsquoordre de prioriteacute formelle crsquoest dans ce cadre que la meacutetaphysique peutecirctre une science par agreacutegation

95 Vgl ebd sect 153 68 Lrsquounivociteacute mentionneacutee ici en meacutetaphysique est lrsquounivociteacute entre lasubstance et les accidents et non comme en theacuteologie entre Dieu et la creacuteature

96 Vgl ebd sect 104 5197 Ebd sect 105 5298 Ebd sect 109 53 Non quia lsaquo Deus est Deus rsaquo ideo lsaquo homo est homo rsaquo licet a Deo sit homo99 Vgl ebd sect 110 53ndash54100 Ebd sect 108 52

240 Olivier Boulnois

2 Le sujet de la meacutetaphysique

Duns Scot relie ensuite la question de la structure de la meacutetaphysique agrave cellede son sujet Une agreacutegation de principes et de conclusions nrsquoa drsquouniteacute quesi elle est attribueacutee agrave un terme premier en lrsquooccurrence Dieu De mecircme nouspouvons accepter lrsquounivociteacute du concept drsquoeacutetant agrave condition de soutenir quecrsquoest lrsquoeacutetant creacuteeacute attribueacute au premier eacutetant crsquoest-agrave-dire encore agrave Dieu101

Duns Scot semble dire que lrsquoeacutetant creacuteeacute est univoque laquo sous la raison du pre-mier eacutetant raquo crsquoest-agrave-dire sous la raison par laquelle il a le mecircme concept queDieu De ce fait la meacutetaphysique comme agreacutegat ne se rapporte plus agrave lasubstance mais agrave Dieu Lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant est maintenant inteacutegreacutee agrave lrsquointeacute-rieur drsquoune analogie de la creacuteature agrave Dieu

Degraves lors la meacutetaphysique a Dieu pour sujet Mais ce nrsquoest plus au sensdrsquoAverroegraves Cela peut arriver de deux faccedilons soit parce que crsquoest la connais-sance de Dieu qui les fait connaicirctre et crsquoest une science par la cause soitparce que les preacutedicats ainsi attribueacutes le font connaicirctre et crsquoest une sciencepar les effets Certes lrsquoange peut avoir une connaissance deacuteductive de lacreacuteature agrave partir de Dieu dans une meacutetaphysique qui procegravede par la cause(propter quid) Mais ce nrsquoest pas celle qui nous est accessible Notre meacutetaphy-sique est une connaissance de Dieu par les effets qui part de lrsquoexpeacuteriencefinie du viator et qui en abstrait des concepts universels102 En partant drsquounedeacutefinition nominale gracircce au principe qursquoil nrsquoy a pas drsquoeffet sans cause onpeut conclure agrave partir drsquoun effet donneacute lrsquoexistence et la nature de sa cause

Une fois devenue science par les effets la meacutetaphysique construite paragreacutegation peut ecirctre une science de lrsquoeacutetant premier elle porte sur touteschoses mais en tant qursquoattribuables agrave Dieu Dans lrsquoeacutetat preacutesent (nunc)lrsquohomme peut seulement avoir une meacutetaphysique selon la seconde meacutethode(quia) car toute notre connaissance provient des sens Crsquoest pourquoi la pre-miegravere science accessible agrave lrsquohomme par la raison naturelle est une science par

101 La science est une agreacutegation de conclusions et de principes Et mecircme si lrsquoon admet uneunivociteacute du concept drsquoeacutetant creacuteeacute (dit de la substance et des accidents) on peut le consideacuterercomme attribueacute au premier concept drsquoeacutetant crsquoest-agrave-dire au concept du premier eacutetant donccomme attribueacute agrave Dieu Mais alors la consideacuteration de tous les eacutetants sera meacutetaphysiqueen tant qursquoelle est attribueacutee au premier eacutetant et non plus agrave la substance la meacutetaphysiqueporte donc sur toutes choses sous la raison drsquoeacutetant Ou bien elle porte sur toutes chosesparce qursquoelles sont connues agrave partir de la connaissance de Dieu comme ses attributs Maiscela ouvre un abicircme car ce sont deux voies opposeacutees la premiegravere voie passe par les effets(quia) la seconde par la cause (propter quid) vgl Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3)I q1 sect 134 61ndash62

102 Vgl ebd sect 132 60 f

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 241

les effets (quia) ndash elle porte sur Dieu comme sujet premier et sur tout eacutetantcomme sur sa laquo matiegravere raquo en tant qursquoil est attribueacute au premier eacutetant103

Duns Scot admet donc ici une structure analogique et une prioriteacute deDieu comme sujet de la meacutetaphysique Mais attention Il ne srsquoagit plus drsquounemeacutetaphysique deacuteductive Crsquoest une laquo scientia quia aggregata raquo ndash une agreacutega-tion de propositions disparates

En passant Duns Scot mentionne un doute ndash une hypothegravese qursquoil neretiendra pas Selon celui-ci la science de lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant semble anteacute-rieure agrave la science des eacutetants dans leur relation agrave Dieu104 Ainsi une autremeacutetaphysique (alia metaphysica prior) celle qui considegravere lrsquoeacutetant en tantqursquoeacutetant sera anteacuterieure agrave la science qui a Dieu pour sujet Dans sa reacuteponseScot accepte de dire que cette consideacuteration de lrsquoeacutetant en tant que tel estanteacuterieur par lrsquoorigine (prioritate originis) mais non par la viseacutee (prioritateintentionis) Or le premier objet drsquoune science est celui qui est viseacute principale-ment crsquoest-agrave-dire celui envers qui est ordonneacutee lrsquoagreacutegation des connais-sances qui composent cette science105 Ainsi lorsque Duns Scot affirme queDieu est le laquo sujet raquo de la meacutetaphysique il veut dire qursquoil est le principe viseacutepar toutes les sciences agreacutegeacutees et impliqueacutees par elles crsquoest-agrave-dire au fondencore un terme viseacute par une analogie drsquoattribution

Une objection surgit alors srsquoil existe au moins une meacutetaphysique portantsur lrsquoeacutetant a priori (propter quid) pourquoi la science de Dieu nrsquoen fait-elle

103 Vgl ebd sect 136 62 f Secundo modo tantum potest homo nunc metaphysicam habere(quidquid sit de notitia naturali Dei beati vel in statu innocentiae) quia nunc lsaquo omnis nostracognitio oritur a sensu rsaquo tantum Igitur sic potuit tradi a Philosopho Potest igitur primascientia possibilis homini per rationem naturalem acquiri et poni scientia quia ndash et de Deout de subiecto primo et de omni ente ut de materia in quantum attribuitur ad primumens ndash quae nec supponet Deum esse nec ab eius notitia incipiet ad cognoscendum alialicet utrumque oporteret si esset scientia propter quid Sicut enim in scientia quia propriedicta non praesupponitur de subiecto nisi tantum quid dicitur per nomen et concluditurtam esse quam quid est ut praedictum est similiter potest esse in scientia quia aggregataQuod enim in alia scientia posset probari Deum esse lsaquo quia rsaquo et non in tali esset inconveni-ens cum talis consideret effectus ita immediatos eius sicut aliqua alia Quare etiam scientiaquia non probat propter quid subiectum esse quare etiam scientia propter quid praesuppo-nit subiectum esse et quid est cum hoc posset probare per principia subiecti si habetprincipia

104 Vgl ebd sect 137 63 Prima dubitatio est circa hoc quod ponitur Deum esse subiectum inmetaphysica et quod consideret entia ut attribuuntur ad Deum quoniam consideratio enti-um in quantum entia videtur esse prior quam in quantum attribuuntur ad primum ensigitur erit alia metaphysica prior quae consideret entia in quantum entia quam illa quaeponitur de Deo ut de subiecto

105 Vgl ebd sect 140 64 Illa consideratio qua considerantur entia in se prior est prioritateoriginis [hellip] sed non prioritate intentionis Et primum sub-iectum ponitur cuius cognitioprincipaliter intenditur vel ad quod ut ad principium tota aggregatio multarum cognitio-num principaliter ordinatur

242 Olivier Boulnois

pas autant106 Si lrsquoon atteint Dieu crsquoest agrave partir drsquoune proprieacuteteacute disjonctivepar exemple lrsquoeacutetant contingent puis en remontant agrave Dieu comme agrave sa causepar exemple au neacutecessairement ecirctre on lrsquoatteint donc par les effets (quia) Etmecircme si on peut eacutetablir propter quid un certain nombre de thegraveses agrave partir delrsquoattribut necesse esse (par exemple lrsquoimmutabiliteacute divine) la premiegravere preacute-misse eacutetait eacutetablie par une deacutemonstration quia donc lrsquoensemble de la deacute-monstration est tout entier par les effets Il y a ici une tension entre la meacuteta-physique portant sur lrsquoeacutetant qui va de la cause agrave lrsquoeffet et la science de Dieuqui remonte de lrsquoeffet vers la cause

Mais en raison de la prioriteacute logique du concept drsquoeacutetant crsquoest toute lascience de lrsquoeacutetant qui est ordonneacutee agrave la connaissance de Dieu par les effets107

Duns Scot envisage en passant lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant laquo Si lrsquoeacutetant est drsquouneseule et mecircme raison en Dieu et en les autres pourquoi ne peut-on pas ad-mettre que lrsquoeacutetant est le premier sujet sous lequel sont contenus toutes lesreacutealiteacutes connues aussi bien la premiegravere que les autres raquo108 ndash La reacuteponse estclaire laquo mecircme si lrsquoon admet que lrsquoeacutetant est univoque le sujet principal seraencore ici Dieu car cette science nrsquoa pas eacuteteacute transmise en vue drsquoacqueacuteriren elle la connaissance de lrsquoeacutetant en effet elle viserait alors eacutegalement laconnaissance de toutes choses sous elle-mecircmeraquo109 Mecircme si lrsquoeacutetant eacutetait uni-voque la meacutetaphysique ne serait pas une ontologie indiffeacuterente aux diffeacute-rents objets qui tombent sous elle La connaissance de lrsquoobjet suprecircme de lameacutetaphysique reste ce en vue de quoi tout le reste est connu Dans cette phasede sa reacuteflexion lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant nrsquoeacutetait qursquoune hypothegravese et Duns Scotnrsquoadmettait absolument pas que la meacutetaphysique soit drsquoorientation ontolo-gique

106 Vgl ebd sect 149 67 Cum scientia de ente in quantum ens sit propter quid quare scientiade Deo est tantum quia Metaphysica est propter quid quare etiam de Deo non est scientiapropter quid Nam habita prima proprietate eius de ipso possunt aliae ut videtur propterquid de ipso ostendi Je ne comprends pas on vient de dire que la meacutetaphysique eacutetait quiaet pas propter quid ndash la preacutemisse nrsquoest plus bonne dans cet eacutetat de la penseacutee de Scot

107 Vgl ebd sect 150 67 Respondeo quod tota illa scientia propter quid quae est de ente inquantum ens ordinatur ad quia de Deo Metaphysica vero ut est nobis possibilis nuncnon est principaliter scientia propter quid de Deo Semper enim prima proprietas habeturquia Et licet ex illa demonstretur secunda propter quid tamen secunda non cognoscitursimpliciter propter quid quia eius cognitio dependet ex cognitione quia primae passionis

108 Ebd sect 152 68 Si ens est unius rationis Deo et aliis quare non potest ens poni primumsubiectum sub quo continentur omnia cognita tam primum quam alia

109 Ebd sect 153 68 Dato quod ens sit univocum adhuc principale subiectum erit hic Deusquia non traditur scientia propter cognitionem de ente in se habendam tunc enim aequaliterintenderet cognitionem omnium sub ipso quia propter cognitionem totam eius primo

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 243

3 Lrsquoarticulation fondamentale de la meacutetaphysique

Henri de Gand distinguait deacutejagrave entre une laquo science universelle raquo qui considegraverelaquo lrsquoeacutetant pris absolument raquo et les laquo sciences particuliegraveres qui considegraverent uneacutetant particulier creacuteeacute raquo pour rechercher son principe pour lui laquo Dieu tombesous la science philosophique comme une partie de son sujet raquo110

Duns Scot donne agrave ces deux aspects de la science les noms de laquo sciencetranscendantale raquo (scientia transcendens) et laquo science speacuteciale raquo (scientia spe-cialis) Au sein de la deacutemarche meacutetaphysique la science transcendantale por-tant sur lrsquoeacutetant et les transcendantaux doit preacuteceacuteder la science speacuteciale por-tant sur un objet speacutecifique le premier eacutetant Ainsi le divin nrsquoest pas le sujetdrsquoune science diffeacuterente de la science de lrsquoeacutetant car les reacutealiteacutes immobiles etseacutepareacutees sont bien consideacutereacutees comme des laquo parties principales raquo de son su-jet111 Cela exclut en tout cas que Dieu soit consideacutereacute comme au-delagrave delrsquoeacutetant ou comme laquoprincipe du sujet raquo de la meacutetaphysique

La meacutetaphysique a pour but de deacutemontrer lrsquoexistence de Dieu et de sesprincipaux attributs Mais pour cela il faut partir du concept drsquoeacutetant etsrsquoefforcer de montrer que lrsquoexistence drsquoun premier eacutetant est drsquoabord possiblecrsquoest-agrave-dire non-contradictoire puis reacuteelle comme chez Henri de Gand

Si lrsquoon part de la prioriteacute conceptuelle de lrsquoeacutetant la meacutetaphysique laquo consi-degravere seulement lrsquoeacutetant en commun raquo pour consideacuterer le premier eacutetant il fautajouter des laquo caracteacuteristiques speacutecifiques (speciales) de lrsquoeacutetant raquo112 Une diffi-culteacute remet en cause lrsquouniteacute de cette science si la meacutetaphysique est une sciencetranscendantale Dieu ne peut ecirctre connu que par lrsquointermeacutediaire des trans-cendantaux proprieacuteteacutes universelles de lrsquoeacutetant Mais le concept de Dieu ajoutequelque chose de particulier il nrsquoest distingueacute que comme primum ens crsquoest-agrave-dire comme un particulier agrave partir drsquoune deacutetermination suppleacutementaireexteacuterieure accidentelle Et comme lrsquoessentiel est anteacuterieur agrave lrsquoaccidentel laproprieacuteteacute transcendantale sera connue avant la deacutemonstration de Dieucomme premier de mecircme que la connaissance des proprieacuteteacutes du nombre estanteacuterieure agrave la deacutemonstration de lrsquouniteacute premiegravere Puisque la meacutetaphysiqueconstruit lrsquoessence divine agrave partir du concept universel drsquoeacutetant et que sonexistence nrsquoest eacutetablie que par des preacutemisses posteacuterieures un deacutedoublement

110 Henricus a Gandavo Summa Quaestionum Ordinariarum a7 q6 ad 3 I 56 v T111 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q1 sect 59 36 Haec scientia est lsaquo circa separabilia

et immobilia rsaquo non tanquam circa subiecta sed tamquam circa principales partes subiectiquae non participant rationes subiecti alterius scientiae Il nrsquoy a pas sur ce point de revire-ment chez Scot

112 Ebd sect 142 65 dicendum quod condiciones principales concludendae de primo ente sequ-untur ex proprietatibus entis in quantum ens Speciales enim condiciones entis non conclu-dunt primo aliquid de ipso ideo tantum considerat de ente in communi

244 Olivier Boulnois

de la meacutetaphysique en reacutesulte ce qui pose un problegraveme laquoCrsquoest ainsi qursquoilfaut drsquoabord deacutemontrer les proprieacuteteacutes du nombre en geacuteneacuteral avant de deacutemon-trer qursquoil y a un premier nombre La meacutetaphysique transcendantale sera donctout entiegravere anteacuterieure agrave la science divine et il y aura alors quatre sciencestheacuteoreacutetiques une science transcendantale et trois sciences speacuteciales raquo113

Cette difficulteacute formule pour la premiegravere fois dans lrsquohistoire lrsquohypothegravesede ce qursquoon appellera lrsquoontologie une quatriegraveme science preacuteceacutedant les troissciences theacuteorecirctiques traditionnelles (physique matheacutematique et theacuteologique)pour les fonder Selon cette objection il faudrait abandonner la tripartitiondes sciences en Meacutetaphysique E Ce serait aussi lrsquoabandon de lrsquoorthodoxiearistoteacutelicienne La meacutetaphysique commune (ontologie) devrait preacuteceacuteder lameacutetaphysique de lrsquoobjet speacutecial (theacuteologique) La meacutetaphysique se scinderaiten meacutetaphysique transcendantale et meacutetaphysique speacuteciale une articulationque lrsquoon retrouvera chez Suarez et chez Kant

Mais Duns Scot reacutepond en prenant pour cleacute sa propre deacutemonstration delrsquoexistence de Dieu Crsquoest agrave une mecircme science de deacutemontrer les proprieacuteteacutescommunes et simples convertibles avec son sujet (pour la meacutetaphysique lrsquounet le bien) de deacutemontrer les proprieacuteteacutes convertibles par disjonction avec cesujet (ecirctre neacutecessaire et ecirctre contingent infini et fini) et de deacutemontrer lrsquounedes deux parties de cette disjonction par une deacutemonstration particuliegravere114Scot regimbe donc devant les conseacutequences radicales de sa deacutecouverte ilpreacutefegravere dire qursquoil nrsquoy a que trois sciences theacuteoreacutetiques donc une seule meacuteta-physique laquelle comprend une partie geacuteneacuterale et une partie approprieacutee agraveDieu laquo Pour eacuteviter qursquoil nrsquoy ait quatre sciences theacuteoriques et si lrsquoon pose quecette science-ci [la meacutetaphysique] porte sur Dieu tout ce qui est connaissablenaturellement de Dieu ce sont des transcendantaux raquo115 Pour eacuteviter qursquoilnrsquoy ait quatre sciences theacuteoriques on soulignera que tous les preacutedicats quisrsquoappliquent agrave Dieu sont des transcendantaux ou leurs modes (summum pri-mum etc) Finalement on ne parlera que drsquoune seule science qui est trans-

113 Ebd sect 155 69 Sed demonstratio concludens lsaquo primum rsaquo de ente cum sit particularis nonpotest esse per naturam entis Igitur demonstra-tio passionis transcendentis de ente priorest istaacute sicut universalis particulari sicut medium medio sicut omnis demonstratio de nu-mero in communi est ante illam qua probatur aliquis numerus esse primus Igitur metaphy-sica transcendens erit tota prior scientia divina et ita erunt quattuor scientiae speculativaeuna transcendens et tres speciales

114 Ebd sect 159 70115 Ebd sectsect 160ndash161 71 Finis cognitionis metaphysicae est cognitio entis in summo et hoc

est in primo ente ergo ad metaphysicum pertinet de primo ente considerare [hellip] Ideovitando quattuor esse scientias speculativas et hanc ponendo de Deo omnia naturalitercognoscibilia de ipso sunt transcendentia Finis huius est perfecta cognitio entis quae estcognitio primi Sed primo occurrens et notissimum intellectui est ens in communi et exipso probatur primitas et alia in quibus est consummatio

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 245

cendantale parce qursquoelle contient en elle-mecircme les moyens de deacuteduire le par-ticulier la science speacuteciale ou theacuteologie est donc incluse dans la meacutetaphysiquetranscendantale

La meacutetaphysique est donc une science unique qui deacutemontre lrsquoexistencede Dieu uniquement agrave partir de proprieacuteteacutes transcendantales et non depreuves physiques elle se speacutecialise transcendantalement116 Pour atteindreDieu au sein de lrsquoeacutetant on utilisera un moyen terme les proprieacuteteacutes disjonc-tives par paire (par exemple infinifini) agrave la fois transcendantales puisquechaque paire recouvre dans son extension la totaliteacute de lrsquoeacutetant et particu-liegraveres puisqursquoelles se singularisent dans chacune des deux proprieacuteteacutes viseacuteesLa structure meacutetaphysique de la preuve de Dieu fonde alors lrsquouniteacute de lameacutetaphysique comme science agrave la fois transcendantale et capable de se speacute-cialiser laquoCrsquoest agrave la mecircme science de deacutemontrer une proprieacuteteacute commune etsimple convertible avec le sujet une proprieacuteteacute disjonctive convertible avec cesujet et lrsquoune des deux parties de cette proprieacuteteacute disjonctive agrave propos dumecircme sujet par une deacutemonstration particuliegravere raquo117

La mecircme science eacutetablit les proprieacuteteacutes transcendantales de lrsquoeacutetant (lrsquounle vrai etc) la disjonction entre un premier et un second dans lrsquoeacutetant etlrsquoexistence drsquoun premier agrave lrsquointeacuterieur de lrsquoeacutetant Il nrsquoy a donc pas quatresciences theacuteoriques mais trois parce que la meacutetaphysique comporte deuxaspects transcendantal et speacutecial ce que la Schulmetaphysik appellera plustard lrsquoontologie meacutetaphysique transcendantale de lrsquoeacutetant et la theacuteologie na-turelle meacutetaphysique speacuteciale de Dieu La mecircme science sera science de lrsquouni-versel et du particulier Autrement dit crsquoest agrave la science des transcendantauxde traiter de Dieu selon le principe que la connaissance parfaite de lrsquoeacutetantculmine dans la connaissance de lrsquoeacutetant parfait118 La connaissance de Dieufait partie de la science transcendantale

Ainsi Duns Scot refuse la conseacutequence ultime de lrsquointerpreacutetation de lameacutetaphysique comme science transcendantale Dans les Questions sur la Meacute-taphysique il envisage bien un deacutedoublement de la meacutetaphysique en sciencetranscendantale (ontologie) et science speacuteciale (theacuteologique) mais il le rejettecar ce serait enfreindre la tripartition aristoteacutelicienne des sciences119 La cleacute

116 Vgl ebd sect 159 70 f117 Ebd 70 Et ideo ipisus metaphysicae est demonstrare passiones entis ut unum verum etc

de ente si possunt demonstrari de deo et primum vel secundum de ente et esse primumde ente

118 Ebd sect 161 71119 Il faut donc maintenir pour sa validiteacute objective lrsquohypothegravese que je formulais dans lsaquo Etre

et repreacutesentation rsaquo (wie Anm 1) 508 laquo La grande mutation de la meacutetaphysique agrave la fin duXIIIe siegravecle est son deacutedoublement en scientia transcendens et scientia specialis raquo mais ajou-ter que subjectivement dans les Questions sur la meacutetaphysique Duns Scotus recule encoredevant elle comme le fait observer J Aertsen (wie Anm 7) 381 Cependant ce nrsquoest pas sa

246 Olivier Boulnois

de sa solution est le concept de proprieacuteteacute disjonctive qui permet de dire quela science transcendantale se speacutecialise en restant transcendantale et atteintDieu objet speacutecifique transcendantalement La compleacutetude de lrsquoanalysetranscendantale de lrsquoeacutetant doit inclure la theacuteologie naturelle Il nrsquoempecirccheque cette formalisation a priori bute sur une limite dans la deacutemonstrationmecircme de lrsquoexistence de Dieu selon Scot il faut admettre une expeacuterience delrsquoeacutetant fini pour remonter agrave lrsquoeacutetant infini Il faut au moins minimalementsortir du concept et accepter de constater une existence

Deacutejagrave dans le livre VI de ses Questions sur la Meacutetaphysique Duns Scotinsiste sur lrsquoideacutee que lrsquoidentification entre le sujet de la meacutetaphysique et leconcept drsquoeacutetant peut aussi se justifier uniquement agrave partir drsquoarguments philo-sophiques laquo De tous les objets des sciences speacuteculatives on peut abstraire unlsaquo terme rsaquo commun agrave savoir lrsquoeacutetant raquo120 Lrsquoeacutetant apparaicirct donc comme une uni-teacute minimale universelle car constituant une sorte drsquoobjet commun sous-ja-cent agrave toutes les sciences theacuteoriques laquo Ce lsaquo terme rsaquo commun possegravede des pro-prieacuteteacutes qui lui sont propres selon le Philosophe Meacutetaphysique IV et telssont tous les transcendantaux deacutenominatifs tels que lsaquo bon rsaquo lsaquo un rsaquo lsaquo vrai rsaquolsaquo acte rsaquo et lsaquo puissance rsaquo etc Donc une science de lrsquoeacutetant est possible pour cequi concerne de telles proprieacuteteacutes Et elle est neacutecessaire car notre connaissanceprocegravede laquo agrave partir des lsaquo termes rsaquo communs vers les lsaquo termes rsaquo propres raquo selonla Physique I Or lrsquoeacutetant est un objet reacuteel ce qui est manifeste parce qursquoil estpreacutediqueacute quidditativement des choses Et il est proprement lrsquoobjet drsquounescience speacuteculative [hellip] Et ses proprieacuteteacutes peuvent ecirctre montreacutees agrave partir desprincipes connaissables par la voie des sens et lui ecirctre attribueacutees raquo121 Lrsquouniver-saliteacute de lrsquoeacutetant est preacutesupposeacutee dans chaque science theacuteorique elle est doncnon seulement possible mais neacutecessaire pour fonder lrsquoensemble du savoirtheacuteorique

Duns Scot oriente ainsi la meacutetaphysique vers une direction nouvelle Lestrois thegraveses fondamentales qui lui permettent de prendre rang parmi lessciences srsquoeacutenoncent maintenant

1 La meacutetaphysique a pour fin la connaissance de Dieu2 Lrsquouniteacute de la science est une agreacutegation de multiples propositions qui ne

se deacuteduisent pas neacutecessairement les unes des autres

position deacutefinitive il fera un pas de plus dans son Commentaire des Sentences avec lrsquounivo-citeacute de lrsquoeacutetant (drsquoorigine theacuteologique) Il reviendra agrave lrsquoeacutecole scotiste de faire le pas deacutecisifvers une ontologie indeacutependante

120 Duns Scotus In Met VIndashIX (wie Anm 3) VI q1 sect 47 19121 Ebd 19 f Scot renvoie aux laquo proprieacuteteacutes de lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant raquo de Met Γ 21004 b

5 f

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 247

3 Par conseacutequent on peut dire que lrsquoensemble des principes et des conclu-sions scientifiques est attribueacute agrave Dieu comme sujet

Dans cette troisiegraveme figure Duns Scot oriente la meacutetaphysique vers la con-naissance de Dieu Duns Scot insiste sur le problegraveme de la causaliteacute reacuteelle ausein de lrsquoecirctre Mais alors on ne peut partir ni de lrsquoeacutetant ni de Dieu commecauses il faut donc avoir une scientia quia portant sur Dieu agrave lrsquointeacuterieur delrsquoeacutetant

V Deux questions en suspens

1 Lrsquoambiguiumlteacute de la res

Jusqursquoici il est clair que Duns Scot pense lrsquoobjet de la meacutetaphysique commeun ecirctre reacuteel (ens reale) Que faut-il entendre par lagrave Neacutegativement lrsquoecirctre reacuteelexclut lrsquoecirctre de raison (ens rationis) objet de la logique ce qui signifie quelrsquoobjet de la meacutetaphysique et lrsquoobjet de la logique ne sont pas sur le mecircmeplan Certes la meacutetaphysique comme la logique reposent toutes les deuxsur le concept La meacutetaphysique soutient lrsquouniteacute du concept commun drsquoeacutetantmalgreacute la diversiteacute des reacutealiteacutes qui nrsquoont rien de commun entre elles (Dieu etla creacuteature) Mais la logique eacutetudie le concept en tant que repreacutesentationtandis que la meacutetaphysique eacutetudie le concept en tant qursquoil renvoie au reacuteel122

Pourtant dans le Quodlibet III Duns Scot propose une analyse impor-tante du concept de res qui fait rebondir le problegraveme Comme dans lrsquoeacutenumeacute-ration drsquoAvicenne ce concept fait partie des termes les plus universels et lespremiers connus aux cocircteacutes drsquoens et drsquoaliquid il faut passer par son contrairepour parvenir agrave le penser Dans son extension la plus vaste le concept de reslaquo srsquoeacutetend agrave tout ce qui nrsquoest pas rien (nihil) raquo Les diffeacuterents sens du neacuteantformeront le fil conducteur du tableau des sens de la res

Au sens laquo le plus veacuteritable raquo est neacuteant ce qui inclut une contradictioncrsquoest-agrave-dire ce qui nrsquoest mecircme pas pensable telles la chimegravere ou la fiction Lepur neacuteant nrsquoest mecircme pas intelligible Son contraire la chose (res) prise laquo dela maniegravere la plus commune raquo (communissime) est alors laquo tout concevablequi nrsquoinclut pas de contradiction raquo En ce sens la chose inclut lrsquoecirctre de raison(ens rationis) et lrsquoecirctre reacuteel (ens reale) laquo Le nom de chose nrsquoest pas deacutetermineacuteagrave la chose hors de lrsquoacircme raquo

122 Duns Scotus Quaestiones in librum Porphyrii Isagogegrave in Praed (wie Anm 3) q8 sect 2842 le logicien considegravere lrsquointention en tant qursquointention et le meacutetaphysicien lrsquointention entant qursquoeacutetant

248 Olivier Boulnois

Au second sens le neacuteant est un simple neacuteant drsquoexistence Prise laquo de ma-niegravere moins commune raquo la res son contraire correspond agrave ce qui a ou peutavoir une entiteacute (entitas) laquo hors de la consideacuteration raquo Cela exclut lrsquoens ratio-nis qui ne peut avoir drsquoecirctre que dans lrsquointellect qui le considegravere et celacorrespond agrave lrsquoens reale ce qui a un ecirctre drsquoessence et qui peut avoir un ecirctredrsquoexistence

Il y a donc deux sens de la res ou de lrsquoecirctre le simple pensable le repreacute-sentable et le possible les quidditeacutes ou les entiteacutes On peut consideacuterer cetteanalyse comme une variation sur le thegraveme des deux sens de la res chez Henride Gand res a reor (le repreacutesentable) ou res a ratitudine (le possible lrsquoecirctrequidditatif) Or eacutetrangement elle est deacutelieacutee de toute consideacuteration sur lrsquoobjetde la meacutetaphysique Scot semble sous-entendre (par preacuteteacuterition) que la ques-tion de lrsquoanalogie ou de lrsquounivociteacute ne se pose pas seulement sur le plan delrsquoecirctre reacuteel mais encore sur celui du pur repreacutesentable de la res comme non-nihil laquo est appeleacute chose ou eacutetant tout concevable qui nrsquoinclut pas de contra-diction (que cette communauteacute soit drsquoanalogie ou drsquounivociteacute je ne mrsquoensoucie pas pour lrsquoinstant) raquo ndash la mecircme remarque eacutetant formuleacutee agrave propos delrsquoecirctre quidditatif

De plus Duns Scot proclame que le premier objet de lrsquointellect est bienla res au sens du repreacutesentable ce qui veut dire qursquoil inclut agrave la fois lrsquoensrationis et lrsquoens reale Je peux penser tout ce qui nrsquoest pas rien le non-nihileacutegale le repreacutesentable

Scot a voulu geacuteneacuteraliser la deacutemarche de lrsquoOrdinatio et rappeler que lrsquoensrationis est aussi (voire drsquoabord) un objet de penseacutee Mais ce faisant il ouvrela voie agrave une nouvelle interrogation si la res = non-nihil est lrsquoobjet premierde la penseacutee et srsquoil est licite de demander si ce concept est univoque ouanalogue pourquoi ne pourrait-on pas faire de la res au sens le plus universelle sujet de la meacutetaphysique Celui-ci inclurait agrave la fois lrsquoecirctre reacuteel et lrsquoecirctre deraison il ne serait plus alors un transcendantal mais ce que lrsquoon appelleraplus tard un surtranscendantal

Duns Scot lui-mecircme nrsquoa pas franchi ce pas mais drsquoautres le feront apregraveslui

2 Lrsquohypothegravese drsquoun Dieu non-existant

On sait que la theacuteorie moderne du droit srsquoappuie sur lrsquohypothegravese drsquoun Dieunon-existant123 Pensons agrave la thegravese de Grotius qui caracteacuterise le droit naturel

123 Vgl O Boulnois Si Dieu nrsquoexistait pas faudrait-il lrsquoinventer Philosophie 61 (1999) 50ndash74

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 249

moderne comme valide etiamsi Deus non daretur ndash mecircme si aucun Dieunrsquoexistait Or cette hypothegravese a eacuteteacute formuleacutee pour la premiegravere fois par DunsScot Se demandant si notre fin est le bien pris en lui-mecircme ou plutocirct ce quiest bien pour nous Duns Scot reacutepond qursquoil srsquoagit du bien en soi ce quiapparaicirct clairement si lrsquoon considegravere que le bien doit neacutecessairement ecirctreaimeacute par Dieu autant que par nous laquo Si par impossible un autre Dieu eacutetaitposeacute qui ne nous ait pas creacuteeacute et qui ne devrait pas nous glorifier il seraitencore de maniegravere absolue souverainement aimable par nous Mecircme si Dieunrsquoeacutetait ni notre principe ni notre fin mecircme srsquoil nrsquoeacutetait pas lui-mecircme la Provi-dence il demeurerait le suprecircme objet de notre amour parce que le souverainbien comme souverain devrait ecirctre aimeacute par nous par-dessus tout raquo124 Onne peut pas dire que le bien est bien parce qursquoil est bon pour nous ndash lesouverain bien est le mecircme qursquoil soit notre creacuteateur et notre reacutemuneacuterateurou non Ainsi le bien resterait bon mecircme si le Dieu creacuteateur nrsquoexistait pas

Duns Scot semble donc envisager ici une coheacuterence nouvelle du bien telqursquoil demeure le bien en soi mecircme si Dieu nrsquoeacutetait pas notre Dieu Bien sucircrDuns Scot ne va pas jusqursquoagrave supprimer tout ideacutee de souverain bien mais iladmet qursquoil reste un bien mecircme srsquoil ne srsquoidentifie avec le Dieu creacuteateur doncqursquoil a une consistance autonome indeacutependante de lrsquoexistence de Dieu Ainsicontrairement agrave sa deacutefinition habituelle des transcendantaux il semble entre-voir la possibiliteacute que les transcendantaux ne soient plus des attributs divinsIls se trouvent ainsi deacutelieacutes de leur fonction theacuteologique la plus obvie

Or cette thegravese croise le problegraveme des sens de la res Lorsqursquoil distinguaitentre la res comme pur objet de repreacutesentation et la res comme doteacutee drsquouneessence Henri de Gand soutenait que la res rata (doteacutee drsquoune essence) tiraitsa soliditeacute (ratitudo) de la participation agrave lrsquoecirctre divin et de son imitation desideacutees divines une chose eacutetait possible de par sa relation agrave Dieu Or pourScot le possible est possible en lui-mecircme non contradictoire en soi et netire cette proprieacuteteacute drsquoaucune relation agrave quoi que ce soit drsquoautre Ainsi le con-tradictoire resterait contradictoire lrsquoimpossible demeurerait impossiblemecircme si Dieu nrsquoexistait pas

laquo Ce qui est contradictoire est contradictoire par soi-mecircme et non immeacute-diatement en raison drsquoune relation affirmative ou neacutegative agrave quelquechose drsquoautre En effet toute contradiction est une contradiction destermes provenant de leur raison formelle et inheacuterente abstraction faitede tout autre rapport [] des deux extrecircmes agrave quoi que ce soit drsquoautre[] Est donc absolument impossible ce agrave quoi lrsquoecirctre reacutepugne par soi et

124 Duns Scotus Rep III (wie Anm 3) d27 n 6 481

250 Olivier Boulnois

ce qui est immeacutediatement tel qursquoecirctre lui reacutepugne Au contraire ecirctre luireacutepugnerait mecircme si par impossible Dieu nrsquoexistait pas raquo125

De mecircme la possibiliteacute logique reste possible laquo mecircme si par impossible au-cune toute-puissance ne srsquoy rapportait raquo126 La possibiliteacute et lrsquoimpossibiliteacutereposent sur des fondements logiques et ne peuvent pas ecirctre deacuteriveacutees de lapuissance divine si Dieu nrsquoexistait pas ou eacutetait impuissant la possibiliteacute res-terait la mecircme

La possibiliteacute de lrsquoecirctre ainsi que le deacutesideacuterabiliteacute du bien peuvent doncecirctre analyseacutes indeacutependamment drsquoune reacutefeacuterence agrave Dieu Il semble donc qursquoavecces perceacutees (qui sont reacutealiseacutees dans les œuvres theacuteologiques les plus tardives)Duns Scot ait implicitement deacutetacheacute les deux dimensions de la meacutetaphysiqueqursquoil avait distingueacutees sans les seacuteparer dans les Questions sur la Meacutetaphy-sique Srsquoil est maintenant possible de consideacuterer certains transcendantaux ndashau moins lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant ou le bien en tant que bien ndash sans lesrapporter agrave Dieu il semble que la scission soit accomplie qursquoil y ait deuxsciences meacutetaphysiques lrsquoune consideacutererait les objets transcendantaux (com-munissima) comme lrsquoecirctre en tant qursquoecirctre et la seconde consideacutererait les objetsspeacutecifiques (particularia) la premiegravere eacutetant la conditio sine qua non de laderniegravere La meacutetaphysique serait alors articuleacutee en laquo deux sciences distinc-tes raquo une science transcendantale et une science particuliegravere En un mot lrsquoon-tologie serait seacutepareacutee de la theacuteologie naturelle

Cette conclusion Scot ne la tire pas explicitement mais drsquoautres le ferontpour lui

La penseacutee de Duns Scot est en travail permanent mais ce travail estresteacute inacheveacute interrompu par sa mort Rappelons les points saillants de soneacutevolution Lors de la premiegravere reacutedaction des Questions sur la MeacutetaphysiqueDuns Scot soutient lrsquoeacutequivociteacute de lrsquoeacutetant lors de la seconde lrsquounivociteacute delrsquoeacutetant De mecircme Duns Scot a soutenu trois thegraveses diffeacuterentes sur le sujet dela meacutetaphysique

1 Le sujet de la meacutetaphysique est la substance (Questions sur la Meacutetaphy-sique premiegravere reacutedaction)

2 Le sujet de la meacutetaphysique est le concept drsquoeacutetant (eacutecrits theacuteologiques)

125 Duns Scotus Ord I26ndash48 (wie Anm 3) d43 sect 5 353 f Sur cette question voir T Hoff-mann Creatura intellecta Die Ideen und Possibilien bei Duns Scotus mit Ausblick auf Franzvon Mayronis Poncius und Mastrius Muumlnster 2002 O BoulnoisJ-C Bardout (eacuteds) Surla science divine Paris 2002 41 laquo Drsquoune part lrsquoobjet est anteacuterieur agrave la penseacutee divine par sateneur formelle drsquoautre part la penseacutee divine produit lrsquoobjet dans son ecirctre intelligible raquo

126 Duns Scotus Ord I26ndash48 (wie Anm 3) d36 sect 61 296

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 251

3 Le sujet de la meacutetaphysique est le premier eacutetant Dieu comme sujet drsquoat-tribution (Questions sur la Meacutetaphysique deuxiegraveme reacutedaction)

Mais Duns Scot nrsquoest pas une girouette Seul un regard superficiel qui nesrsquoattache pas au fond du problegraveme peut donner lrsquoimpression que Duns Scota passeacute sa vie agrave changer de position En reacutealiteacute ce sont les diverses facettesdrsquoune mecircme difficulteacute qursquoil srsquoest efforceacute de saisir drsquoassumer dans un gigan-tesque travail sur lui-mecircme et sur lrsquoaporie aristoteacutelicienne

La difficulteacute est alors de penser les relations entre ces diffeacuterentes figuresLe paradoxe est qursquoau moment mecircme ougrave Duns Scot srsquoefforccedilait de surmonterlrsquoaporie de la penseacutee aristoteacutelicienne ses diverses tentatives drsquointerpreacutetationconstruisent agrave leur tour une aporie au second degreacute Il est tentant de srsquoentenir agrave une explication chronologique qui privileacutegierait lrsquoeacutevolution de sa pen-seacutee Mais il semble difficile de srsquoen tenir agrave cela agrave un niveau fondamentalcrsquoest la question de la compatibiliteacute de ses diffeacuterentes approches qui resteposeacutee Par exemple il semble indispensable de distinguer lrsquoapproche desQuestions sur la Meacutetaphysique qui srsquointerrogent drsquoabord sur lrsquounivociteacute delrsquoeacutetant selon les divers sens des cateacutegories et celle des œuvres theacuteologiquesqui srsquointerrogent sur lrsquounivociteacute dans le rapport des creacuteatures agrave Dieu On doitconsideacuterer que crsquoest preacuteciseacutement parce qursquoil a ducirc reacutesoudre le problegraveme de laconnaissance de Dieu que Duns Scot a pu poser lrsquounivociteacute de lrsquoecirctre et doncla nouvelle construction de la meacutetaphysique comme science

Rappelons que lrsquoanalogie reacuteelle et lrsquounivociteacute logique sont logiquementcompatibles et que Duns Scot entend deacutemontrer que les concepts des attri-buts divins ne sont pas seulement analogues mais encore univoques Lrsquouniteacutedrsquoattribution est moindre que lrsquouniteacute drsquounivociteacute mais elle demeure mecircmequand on admet lrsquounivociteacute du concept laquo Les attributs ont une uniteacute drsquounivo-citeacute raquo127 Scot est donc passeacute drsquoune situation ougrave lrsquoanalogie reacuteelle se doublaitdrsquoune eacutequivociteacute logique (premiegravere reacutedaction des Questions sur la Meacutetaphy-sique et œuvres logiques) agrave une situation ougrave elle se doublait drsquoune univociteacutelogique (œuvres theacuteologiques)128

Dans toutes ces consideacuterations Duns Scot fait passer au premier plan lesexigences logiques et eacutepisteacutemologiques Quant au statut de la science Scoteacutetablit drsquoune maniegravere critique que toute science commence avec la sensationqui en est lrsquooccasion mais que sa validiteacute objective nrsquoen deacuterive pas

Il y a en effet des constantes sous-jacentes agrave la position de Scot si on la com-pare agrave alles de ses contemporains dans la classification de Zimmermann129

127 Duns Scotus Ord I4ndash10 (wie Anm 3) d8 sect 83 191 trad Boulnois (wie Anm125) 230 f128 Vgl Boulnois Etre et Repreacutesentation (wie Anm 1) 223ndash292129 A Zimmermann Ontologie oder Metaphysik Die Diskussion uumlber den Gegenstand der

Metaphysik im 13 und 14 Jahrhundert Leuven 21998

252 Olivier Boulnois

il fait partie (du moins pour son œuvre theacuteologique) de ceux qui considegraverentDieu comme une partie du sujet de la meacutetaphysique et non comme le prin-cipe de ce sujet (comme par exemple saint Thomas) La question de lrsquouniver-saliteacute de lrsquoeacutetant lrsquoa deacutefinitivement emporteacute sur celle de la causaliteacute Le prin-cipe est consideacutereacute agrave lrsquointeacuterieur du concept drsquoeacutetant mecircme srsquoil faut ensuitereacutefleacutechir sur la causaliteacute au niveau des essences

Degraves les Questions sur la Meacutetaphysique Duns Scot envisageait une nou-velle configuration de la meacutetaphysique ougrave la scientia transcendens eacutetait uneorientation dominante sinon exclusive Mais il y renonccedilait au nom de lrsquoarti-culation onto-theacuteologique de la meacutetaphysique qui devait asseoir la connais-sance de Dieu sur celle des transcendantaux passant de lrsquoun agrave lrsquoautre par lejeu drsquoune orientation prioritaire sur le divin crsquoest-agrave-dire de lrsquoanalogie drsquoattri-bution Dans lrsquoOrdinatio Duns Scot agrave la suite de son travail acharneacute re-fonde la meacutetaphysique comme science Il y parvient en eacutetablissant lrsquounivociteacutedu concept drsquoeacutetant Deacutesormais lrsquoanalogie eacutetant exclue lrsquoarticulation destranscendantaux porte agrave elle seule le passage de lrsquoontologique au theacuteologiquedes transcendantaux convertibles avec lrsquoeacutetant aux perfections absolues parle biais des transcendantaux disjonctifs La science transcendantale reposesur une science des transcendantaux

Mais pour eacutetablir cette univociteacute de lrsquoeacutetant et la structure de la meacutetaphy-sique qui lui correspond Duns Scot a ducirc deacutevelopper trois autres thegraveses

1 Une nouvelle conception du transcendantal qui ne se deacutefinit plus parune compreacutehension transgeacuteneacuterique mais neacutegativement comme lrsquoabsencedrsquoun englobant supeacuterieur et positivement comme perfection absolue

2 Le primat noeacutetique de lrsquoeacutetant comme premier concept distinct et condi-tion de toute science distincte qui lui donne valeur de condition a prioriet structurelle

3 Enfin pour conserver la distinction du concept drsquoeacutetant Scot doit accep-ter de renoncer agrave tout inclure en lui Cela deacutebouche sur une articulationcomplexe de la preacutedication de lrsquoeacutetant telle que le concept primordial nese preacutedique pas univoquement de toutes choses parce qursquoil ne srsquoen preacute-dique pas essentiellement Scot articule savamment drsquoune part les reacuteali-teacutes infeacuterieures agrave lrsquoeacutetant quidditativement incluses en lui et de lrsquoautreles reacutealiteacutes qualitativement distinctes comme les transcendantaux et lesdiffeacuterences ultimes

Dans le cours de sa reacuteflexion Duns Scot eacutetablit quelques points essentielsnotamment lrsquoimpossibiliteacute pour nous drsquoune preuve a priori de lrsquoexistence deDieu Surtout chez lui la metaphysica transcendens est devenue une deacute-marche anteacuterieure et neacutecessaire agrave la metaphysica specialis crsquoest-agrave-dire quelrsquoontologie est une condition de possibiliteacute de la theacuteologie transcendantaleCette articulation restera la structure porteuse de lrsquohistoire de la meacutetaphy-

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 253

sique de Suarez agrave Kant Ce travail imnense a durablement modifieacute la struc-ture de la meacutetaphysique Il lui a donneacute le statut de science Il lui a leacutegueacutelrsquoarticulation moderne entre ontologie et theacuteologie rationnelle jusqursquoagrave laSchulmetaphysik et jusqursquoagrave Kant

Pourtant nous lrsquoavons vu Scot renacirccle devant les conseacutequences ultimesde ses deacutecouvertes il nrsquoaccepte pas de faire de la meacutetaphysique une quatriegravemescience totalement seacutepareacutee de la metaphysica specialis Car finalement lestranscendantaux restent orienteacutes vers le divin agrave tel point que la doctrineculmine en une identification circulaire entre les attributs divins les perfec-tions absolues et les transcendantaux Ce cercle en reacutesumait un autre celuide lrsquoensemble de la deacutemarche crsquoest au nom drsquoexigences theacuteologiques de vali-diteacute des attributs divins que Duns Scot deacuteveloppait lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetantnouveau fondement de lrsquoorientation ontologique de la meacutetaphysique Et reacuteci-proquement au cœur de la nouvelle orientation ontologique de la meacutetaphy-sique lrsquoorientation theacuteologique restait preacutesente puisque les transcendantauxservaient agrave nommer Dieu

Lrsquoeacutecole scotiste heacuteritait ainsi drsquoune double tacircche peacutedagogique et theacuteo-rique puisque la deacutefinition la plus radicale de la meacutetaphysique ne se trouvaitpas dans ses questions sur la Meacutetaphysique mais dans son commentaire deslaquo Sentences raquo il restait agrave verser ses analyses dans le commentaire drsquoAris-tote130 puisque Scot refusait de tirer les conseacutequences les plus radicales de sesanalyses et drsquoaffirmer lrsquoautonomie drsquoune ontologie distincte de la theacuteologienaturelle la tacircche srsquooffrait aux diffeacuterentes sortes de scotismes

Literatur

QuellenAlbertus Magnus De praedicabilibus Opera Omnia I ed Borgnet Paris

1890Anselmus Cantuariensis Monologion Turnhout 2010Avicenna Liber de philosophia prima sive scientia divina ed S Van Riet

LouvainndashLeyde 1977

130 Crsquoest ce que fait Antoine Andreacute dont les Quaestiones super Metaphysicam firent lrsquoobjet de17 eacuteditions (la plus accessible est celle de Venise 1495) bien plus que les Quaestiones deDuns Scotus mecircme Cet ouvrage ne fait preuve drsquoaucune originaliteacute par rapport agrave Scotmais reverse les analyses de lrsquoOrdinatio dans les passages correspondants du commentairedrsquoAristote Vgl G Pini Sulla fortuna delle Quaestiones super metaphysicam di Duns Scotole Quaestiones super metaphysicam di Antonio Andrea Documenti e Studi sulla tradizionefilosofica medievale 6 1995 281ndash361

254 Olivier Boulnois

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Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d4ndash10 (Opera omnia Bd 4) ed by C Balićet alii Cittagrave del Vaticano 1956

Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d26ndash48 (Opera omnia Bd 6) ed by CBalić et alii Cittagrave del Vaticano 1963

Ioannis Duns Scoti Lectura prologus I d1ndash7 (Opera Omnia Bd 16) ed byC Balić et alii Cittagrave del Vaticano 1960

Ioannis Duns Scoti Collatio 24 ed by K Balic Bogoslovni Vestnik 9 (1929)212ndash219

Ioannis Duns Scoti Reportata Parisiensia III ed Wadding-Vivegraves Vol XXIIIParis 1894

Ioannis Duns Scoti Quaestiones in Librorum Porphyrii Isagoge et Quaes-tiones super Praedicamenta Aristotelis (Opera Philosophica Bd I) ed RAndrews et alii St Bonaventure (NY) 1999

Ioannis Duns Scoti Quaestiones Super Librum Elenchorum Aristotelis (Ope-ra philosophica Bd II) ed by R Andrews et alii St Bonaventure NY2004

Ioannis Duns Scoti Quaestiones super libros Metaphysicorum Aristotelis IndashV (Opera Philosophica Bd III) ed R Andrews et alii St Bonaventure(NY) 1997

Ioannis Duns Scoti Quaestiones super libros Metaphysicorum AristotelisVIndashIX edited by G Etzkorn et alii (Opera Philosophica Bd IV) St Bo-naventure NY 1997

Ioannis Duns Scoti Quaestiones super secundum et tertium De anima edby C Bazaacuten et alii (Opera philosophica Bd V) St Bonaventure NY2006

Ioannis Duns Scoti Cuestiones Cuodlibetales In Obras del Doctor SutilJuan Duns Escoto ed Felix Alluntis Madrid 1963

John Duns Scotus The Examined Report of the Paris Lecture Reportatio IndashA Latin Text and Engl Translation by A B Wolter O Bychkov StBonaventure (NY) 2004

Jean Duns Scot Sur la connaissance de Dieu et lrsquounivociteacute de lrsquoetant Intro-duction traduction et commentaire p O Boulnois Paris 1988

Henricus a Gandavo Summa quaestionum ordinariarum Paris 1520Henricus a Gandavo Quodlibeta Paris 1518

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 255

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et Duns Scot Revue thomiste 95 1995 85ndash108Boulnois O Si Dieu nrsquoexistait pas faudrait-il lrsquoinventer Philosophie 61

1999 50ndash74Courtine J-F Inventio analogiae Paris 2005de Libera A Les sources greacuteco-arabes de la theacuteorie meacutedieacutevale de lrsquoanalogie

de lrsquoecirctre Les Eacutetudes philosophiques 3ndash4 1989 319ndash345Demange D Pourquoi Duns Scot a critiqueacute Avicenne Antonianum Giovan-

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Honnefelder L Ens inquantum ens Der Begriff des Seienden als Gegenstandder Metaphysik nach der Lehre des Johannes Duns Scotus Muumlnster21989

Honnefelder L Scientia transcendens Die formale Bestimmung der Seiend-heit in der Metaphysik des Mittelalters und der Neuzeit (Duns Scotus ndashSuarez ndash Wolff ndash Kant ndash Pierce) Hamburg 1990

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Meister Eckhart Aristotelische Metaphysikohne aristotelische Ontologie

Rolf Schoumlnberger

I Vorbemerkungen

Vor geraumer Zeit hat der Freiburger Religionsphilosoph Bernhard WeltebdquoMeister Eckhart als Aristotelikerldquo interpretiert1 Man kann freilich bei fastjedem Denker eine Zuordnung zu einer philosophischen Schule vornehmendoch sollte dabei nicht die Frage uumlbersprungen werden ob man damit einenwesentlichen Aspekt seines Denkens trifft Im Falle von Eckharts Aristotelis-mus lag die Begruumlndung zudem in einem Gedanken der gar nicht in jederHinsicht als spezifisch aristotelisch gelten kann denn die Bestimmungslosig-keit als Bedingung des Bestimmtwerdenkoumlnnens betrifft zwar das Verhaumlltnisvon Form und Materie also die komplementaumlre Beziehung der beidenGrundbegriffe der aristotelischen Metaphysik allerdings findet sich dieserGedanke auch schon beim spaumlten Platon2 Nun lassen sich bei Meister Eck-hart in der Tat wichtige Anknuumlpfungspunkte an Aristoteles ndash dem princepsphilosophorum wie er ihn mit Maimonides nennt3 ndash wie etwa an dessen

1 B Welte Meister Eckhart als Aristoteliker Philosophisches Jahrbuch 69 1961 64ndash74 jetztin Ders Auf der Spur des Ewigen Freiburg 1965 197ndash210

2 Vgl Tim 50 bndashe Aristoteles selbst hat ja in Platons Raum eine Verwechslung mit derMaterie gesehen Phys IV 2 209 b 11ndash12

3 Die Werke Meister Eckharts werden in folgender Weise angefuumlhrtMeister Eckhart Die lateinischen Werke StuttgartBd 11 Prologi in Opus Tripartitum hrsg v Weiszlig 1964 [ND 1988] [= Prol gen in Optrip und Prol in Op prop]Bd 12 Expositio Libri Genesis hrsg v K Weiszlig 1964 [ND 1988] [= In Gen I]Bd 13 Liber parabolarum Genesis hrsg v K Weiszlig 1964 [ND 1988] [= In Gen II]Bd 21 Expositio Libri Exodi hrsg v K Weiszlig 1992 [= In Exod]Bd 22 Sermones et Lectiones super Ecclesiastici cap 24 hrsg v J Koch u H Fischer1992 [= In Eccli]Bd 23 Expositio Libri Sapientiae hrsg v J Koch u H Fischer 1992 [= In Sap]Bd 3 Expositio sancti Evangelii secundum Iohannem hrsg v K Christ u a 1994 [= InIoh]Bd 4 Sermones hrsg v E Benz B Decker u J Koch 1956 [= Ser]Bd 5 Magistri Echardi opera Parisiensia hrsg v B Geyer u a Stuttgart 2006 [= QuPar]

258 Rolf Schoumlnberger

Theorie der Einheit von wirklich Erkennendem und wirklich Erkannten nam-haft machen4 doch dies betrifft eben nicht spezifisch die Metaphysik im ur-spruumlnglichen sondern eher im abgeleiteten Sinne insofern naumlmlich in dieserKonzeption der Erkenntnis die in der Metaphysik entwickelte Unterschei-dung von Wirklichkeit und Moumlglichkeit eine bedeutungsvolle Konkretisie-rung findet

Wie also vorgehen wenn man bei der Bestimmung des Verhaumlltnisses Eck-harts zur aristotelischen Metaphysik sich nicht in Beliebigkeiten verlierenwill Es geht um einen Text den die Tradition zu einem Werk des Aristotelesgemacht hat und das als solches in der Philosophie des Mittelalters haumlufigund in verschiedener Form kommentiert worden ist Eckhart hatte sicherlichnicht ndash wie etwa Ockham5 ndash die nur eben nicht realisierte Absicht einensolchen Kommentar zu schreiben In seinen Schriften finden sich auch keinePassagen in denen er sich laumlnger mit einer Aristoteles-Stelle oder gar mitihren alternativen Interpretationen auseinandersetzt Auslegungsvariationenbeziehen sich in seinem Werk immer nur auf biblische Saumltze und AusdruumlckeEtwa fuumlnfzig verschiedene Stellen fuumlhrt Eckhart aus der Metaphysik des Aris-toteles in seinem Werk an ndash im Vergleich zu anderen scholastischen Autoreneine eher geringe Zahl doch als eine quantitative Angabe ist sie naturgemaumlszligwenig aussagekraumlftig fuumlr die Substanz seines Denkens Es kann sich also beider Bestimmung der Praumlsenz der aristotelischen Metaphysik im Denken Eck-harts nur um die Form oder die Formen der Inanspruchnahme handeln da-rum also was Eckhart zitiert und in welchem Sinne er sie zitiert aber gewissauch darum was er nicht zitiert ndash sofern es sich nicht um eine rein faktischeNichterwaumlhnung handelt

Da die direkten und erst recht die indirekten Bezugnahmen auf die Meta-physik des Aristoteles sowohl unuumlbersehbar als auch so gut wie nicht spezifi-zierend sind laumlge es vielleicht nahe die Gesamtkonzeption des EckhartrsquoschenDenkens mit Aristoteles in Bezug zu setzen Dies ist denn auch tatsaumlchlichvorgeschlagen worden Heribert Fischer hat darauf verwiesen dass fuumlr dasgeplante Opus propositionum das ja uumlber 1000 Thesen umfassen sollte eine

Meister Eckhart Die deutschen Werke StuttgartBd 1 Meister Eckharts Predigten (1ndash24) hrsg v J Quint 1958 [ND 1986] [= Pred 1]Bd 3 Meister Eckharts Predigten (60ndash86) hrsg v J Quint 1976 [ND 1999] [= Pred 3]Die zitierte Stelle findet sich In Exod n 10 1514

4 Vgl R Schoumlnberger Intellectus in actu est intellectum in actu Der aristotelische Begriff derEinheit der Erkenntnis im Mittelalter in J-M NarbonneA Reckermann (Hrsg) Penseacuteesde lrsquosbquounlsquo dans lrsquohistoire de la philosophie Eacutetudes en hommage au Professeur Werner Beier-waltes Queacutebec 2004 143ndash179

5 Vgl Guillelmi de Ockham Expositio in libros physicorum Aristotelis Prologus et libri IndashIII (Opera Philosophica Bd IV) St Bonaventure (NY) 1985 prol 4 14 II 5 3 282

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 259

Gliederung in 14 Traktate vorgesehen war Dies schien ihm kein zufaumllligeGliederung sondern geradewegs an die 14 Buumlcher der aristotelischen Meta-physik angelehnt6 Da er eine Erlaumluterung ganz unterlaumlsst scheint es sichtatsaumlchlich auf die Uumlbereinstimmung der schieren Anzahl zu beschraumlnken Esbleibt somit von dieser Entsprechung die man wie Karl Albert schon ver-merkt hat fuumlr die Traktate IXndashXI des Opus propositionum kaum wird nach-liefern koumlnnen7 eigentlich nichts uumlbrig was dem Verstaumlndnis Eckharts dien-lich sein koumlnnte

Daher scheint wohl nur noch der Weg uumlbrigzubleiben sich auf bestimmteThemen zu beschraumlnken um an diesen die Aneignung und die Inanspruch-nahme sichtbar zu machen Wenn es sich um solche Beziehungen handeltdann sind eigentlich noch Reflexionen zur Methode und zum Status des da-mit Gewonnenen vonnoumlten Diese seien aber an dieser Stelle beiseitegelassen8

Aufs Ganze gesehen darf zunaumlchst der Eindruck nicht relativiert werdendass Eckhart ein im Wesentlichen durch den Neuplatonismus gepraumlgter Den-ker ist Aber ist damit alles gesagt Sicherlich nicht alles denn es kommtdarauf an zu bestimmen welcher Platonismus denn vorliegt worin EckhartsDistanzierung von Aristoteles begruumlndet liegt und wie sich seine vielfaumlltigenund ja unuumlbersehbaren Berufungen auf Aristoteles zu dem ebenso unverkenn-bar bestimmenden Platonismus verhalten Die Art und Weise wie Eckhartsolche Autoren anfuumlhrt ist nach meinem Eindruck nicht bestimmt durch einebestimmte Schulorientierung und kann deshalb eine solche auch nicht zumAusdruck bringen Er beruft sich nicht auf Aristoteles statt auf Platon aufDionysius statt auf Augustinus ndash oder umgekehrt Die Thomas-Polemik Diet-richs hat er ohnehin nicht wiederholt Es ist bei Eckhart aber auch nichtdas Bemuumlhen des Neuplatonismus erkennbar die beiden groszligen Autoren derantiken Philosophie moumlglichst nicht auf ihre konzeptionellen Alternativen zufixieren sondern ihre Konvergenz aufzuzeigen9 Es fehlt eine entsprechendeThese und selbst eine dahingehende Bemerkung Allerdings die Kritik des

6 Vgl H Fischer Die theologische Arbeitsweise Meister Eckharts in den lateinischen Werkenin A ZimmermannR Hoffmann (Hrsg) Methoden in Wissenschaft und Kunst des Mittel-alters (Miscellanea Mediaevalia Bd VII) Berlin 1970 50ndash75 hier 57

7 Vgl K Albert Meister Eckharts These vom Sein Untersuchungen zur Metaphysik desOpus tripartitum Saarbruumlcken 1976 jetzt in Ders Meister Eckhart und die Philosophiedes Mittelalters (Betrachtungen zur Geschichte der Philosophie Teil II) Dettelbach 199911ndash358 hier 39 n 108

8 Solche Fragen habe ich an anderer Stelle aufgeworfen wo es um die Beziehung zweier nochweit unterschiedlicherer Denker geht Bergson und Heidegger in Bergson und Deutschlandhrsg v M Vollet [im Erscheinen]

9 Vgl R Schoumlnberger Die Transformation des klassischen Seinsverstaumlndnisses (Studien zurVorgeschichte des neuzeitlichen Seinsbegriffs im Mittelalter) BerlinndashNew York 1986 44 fn 11

260 Rolf Schoumlnberger

Aristoteles an seinem Lehrer Platon die von manchen mittelalterlichen Auto-ren10 ndash auch von solchen die man nicht einem reinen Platonismus zurechnenwuumlrde ndash in ihrer Berechtigung und Treffsicherheit relativiert worden ist hater ohnehin nicht wiederholt11 Bemerkenswert scheint aber doch immerhindass die Infragestellung des Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten das imNeuplatonismus in der Theorie des Einen radikal betrieben worden ist beiEckhart nicht fortgefuumlhrt wird er beruft sich vielmehr auf die einschlaumlgigenPassagen der aristotelischen Metaphysik in denen der Gegensatz von Seinund Nichts als ein letzter Gegensatz aufgefasst wird12 Es gilt jetzt aber insge-samt die Frage zu verfolgen an welchen Gedanken der aristotelischen Meta-physik er anknuumlpft in welchem Sinne und in welchem Zusammenhang erdies tut Fuumlr die Bewaumlltigung dieser Fragen kann es wohl nur einen Einsatz-punkt geben Dieser liegt im Begriff des Seins

II Der Begriff des Seins

Die Frage nach dem Seienden wird von Aristoteles als eine alte und bis heuteimmer umstritten gebliebene Frage charakterisiert13 Umstritten ist dabeinicht allein der Inhalt der Bestimmung sondern auch die Art der Gewinnungdieser Bestimmung Das Seiende ist der Grundbegriff der houmlchsten Wissen-schaft14 In dem Standardwerk zu den Metaphysikkonzeptionen des Mittelal-

10 Vgl ders Relation als Vergleich Die Relationstheorie des Johannes Buridan im Kontextseines Denkens und der Scholastik Leiden 1994 293 f

11 Die metaphorische Sprache ist fuumlr ihn ndash anders als fuumlr Aristoteles Anal post II 1397 b37ndash39 Top VI 2139 b 34 f Met A 9991 a 21 f M 51079 b 24ndash26 Thomas von AquinIn Post Anal II 16 (ed R Spiazzi nr 559 ed Leon I2 p 231 151ndash153) AlbertusMagnus Metaph III 2 10 (ed Col XVI1 127 3ndash5) Et ideo praeter nos philosophosinter quos peccatum in problematibus est metaphoris uti [] ndash kein Gegenstand der KritikIn Gen II n 2 451 (wie Anm 3) Die Unbewegtheit des alles Bewegenden (Boethius Philosconsol III metr 9 (Corpus Christianorum Series Latina 94 p 51) ist keine Alternative zurSelbstbewegung selbst nicht zur Seele als sich selbst bewegende Zahl In Gen II n 42 509(wie Anm 3)

12 Vgl In Sap n 255 5876ndash7 (wie Anm 3) Nihil enim tam adversum nihil tam contradicto-rium quam ens et non ens esse et nihil De quolibet enim dicitur ens vel non ens et innullo simul

13 Vgl Met Z 11028 b 2ndash4 bdquoUnd so ist denn das wonach man von alters und jetzt undimmer sucht und was immer in Verlegenheit fuumlhrt naumlmlich die Frage sbquoWas ist das Seien-delsquoldquo (Th A Szlezaacutek) (και δη και το πάλαι τε και νῦν και ἀεί ζητούμενον και ἀεί ἀπορούμενοντί το ὄν)

14 Vgl Met Г 11003 a 21 f

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 261

ters von Albert Zimmermann15 fehlt eine Darstellung Meister Eckharts Diesist kein Zufall und kein Manko Denn Eckhart hat dazu keine eigene Theorieentwickelt Eckhart verweist gelegentlich auf die aristotelische Bestimmungwenn er sagt metaphysicus considerans ens inquantum ens hellip16 Doch erkann eben auch sagen evangelium contemplatur ens inquantum ens17 Dieskann er wohl nur deswegen sagen weil bdquoSeiendseinldquo hier so viel heiszligt wieUnkoumlrperlich-Sein Unvergaumlnglich-Sein Eckhart macht sich ersichtlich dieje-nige Konzeption der Metaphysik zu eigen welche diese als Wissenschaft vomhoumlchsten Seienden bestimmt Er beruft sich daher ebenso auf die Dreigliede-rung der theoretischen Wissenschaft aus dem ersten Kapitel von MetaphysikΕ18 Waumlhrend Thomas von Aquin eine innere Verbindung beider Metaphysik-konzeptionen herzustellen versucht hatte hat waumlhrend Eckharts fruumlher PhaseDuns Scotus die Auffassung der Metaphysik als allgemeiner Ontologie entwi-ckelt und in Grundzuumlgen ausgefuumlhrt Von grundlegender Bedeutung scheinthier uumlbrigens dass Eckhart den Grundgedanken des Aristoteles wonach dasSein vielfaumlltig aber mit Bezug auf eine primaumlre Bedeutung ausgesagt wird19

und mit dem dieser ja die Einheit der Metaphysik als Disziplin begruumlndetnirgends zitiert worauf bereits Heribert Fischer20 hingewiesen hat Dies istsicherlich kein zufaumllliges Ignorieren Aristotelesrsquo Hinweis auf die Mehrdeutig-keit des Seins war gegen den Eleatismus ebenso wie gegen Platon gerichtetBei Eckhart fehlt wiederum nicht zufaumlllig diese kritische Distanzierung viel-mehr beruft er sich fuumlr die Einheit des Seins gerade auf Parmenides und Me-lissos deren These er aus Aristoteles kennt ohne freilich dessen Problemati-sierung zu erwaumlhnen oder gar zu eroumlrtern21

15 A Zimmermann Ontologie oder Metaphysik Die Diskussion um den Gegenstand derMetaphysik im 13 und 14 Jahrhundert Texte und Untersuchungen (RThPhMA Bibl1)Leuven 21998 (11965)

16 In Sap n 20 3411ndash2 (wie Anm 3) In Ioh n 443 3808 (wie Anm 3) metaphysicacuius subiectum est ens inquantum ens

17 In Ioh n 444 38013 f (wie Anm 3)18 Vgl Met Ε 11025 b 25ndash1026 a 32 die Editoren verweisen an anderen Stellen auf Met Г

1 ndash ist dies wirklich gemeint19 Vgl Met Г 21003 a 33 Δ 71017 a 7 ff Ε 21026 a 33ndash34 Z 11028 a 1020 Vgl H Fischer Meister Eckhart Einfuumlhrung in sein philosophisches Denken Freiburgndash

Muumlnchen 1974 50 schreibt von dieser Aussage sie finde bdquosich an keiner Stelle in seinemGesamtwerk nicht einmal andeutungsweise erwaumlhntldquo

21 Vgl Prol in Op prop n 5 1688ndash12 (wie Anm 3) Ad hoc facit quod Parmenides etMelissos I Physicorum ponebant tantum unum ens ens autem hoc et hoc ponebant pluraignem et terram et huiusmodi sicut testatur Avicenna in libro suo Physicorum quem Suffi-cientiam vocat dies ist im Uumlbrigen nicht der einzige Ruumlckgriff auf die Vorsokratiker viaAristoteles vgl R Schoumlnberger Das gleichzeitige Auftreten von Nominalismus und Mystikin A Speer (Hrsg) Die Bibliotheca Amploniana Ihre Bedeutung im Spannungsfeld vonAristotelismus Nominalismus und Humanismus (Miscellanea Mediaevalia Bd XXIII) Ber-lin 1995 409ndash433 hier 416 n 28

262 Rolf Schoumlnberger

Eckhart will auch in der Tat weder eine begriffliche Vielfaumlltigkeit behaup-ten noch die interne Struktur des Seinsbegriffs mit Aristoteles bestimmenBekanntlich greift er durchaus das aristotelische Konzept der Pros-hen-Attri-bution aus Metaphysik Γ auf er legt allerdings den Akzent vollstaumlndig aufden Verweis als solchen und damit zugleich auf die Negation des In-sich-Bestimmtseins Was in sich ist und fuumlr sich bestimmt ist verweist nicht aufanderes Es ist fuumlr ihn kein Einwand zu sagen dass es als etwas das vonanderem hervorgebracht worden ist doch zu diesem in der Relation der Kau-salitaumlt steht Die causa efficiens geht nach Eckhart nicht in den Wesensbegriffein22

Fuumlr Eckhart ist der Begriff des Seins ebenfalls von elementarer Bedeu-tung Die erste Proposition in seinem Opus propositionum bestimmt das Seinmit dem beruumlhmten Satz esse est deus23 Aristoteles hatte umgekehrt Gottals eine () οὐσία bestimmt und zwar als eine solche die keinerlei Potenzialitaumltin sich enthaumllt und daher reine ἐνέργεια ist bdquodaszlig sein Wesen Wirksamkeit(Aktualitaumlt) istldquo (Szlezaacutek) bdquodessen Wesen Taumltigkeit istldquo (Gadamer)24 Dieskann hier nicht im Einzelnen expliziert werden es geht ja in erster Linie umEckhart Angesichts von dessen Bestimmung kommt man nicht umhin zufragen Ist Gott identisch mit Sein Wie kann mit Sein uumlberhaupt etwas iden-tisch sein Wie muss Sein gedacht werden damit es mit etwas und im erstenAnsatz sogar mit Gott selbst als identisch gesetzt werden kann Bekanntlichist an dieser Ineinssetzung nicht diese selbst neu ndash nach Gilsons nicht unwi-dersprochen gebliebener These kennzeichnet dies uumlberhaupt den Gottesbe-griff der christlichen Philosophie25 ndash sondern die Umkehrung von deus estipsum esse zum schon zitierten esse est deus Es scheint allerdings dass Eck-hart dieser Umkehrung ndash anders als Heidegger26 ndash keine sonderliche Bedeu-

22 Vgl R Schoumlnberger Causa causalitatis Zur Funktion der aristotelischen Ursachenlehre inder Scholastik in I Craemer-RuegenbergA Speer (Hrsg) Scientia und ars im Hoch- undSpaumltmittelalter (Miscellanea Mediaevalia Bd XXII) Berlin 1994 421ndash439 hier 428ndash430

23 Prol gen in Op trip n 12 15615 (wie Anm 3) Prol in Op prop n 1 1662 weitereBelege K Albert Meister Eckharts These vom Sein in Ders (wie Anm 7) 265 f n 920

24 Met Г 61071 b 19 f δεῖ ἄρα εἶναι ἀρχὴν τοιαύτην ἧς ἡ οὐσία ἐνέργεια Aristoteles Metaphy-sik XII Uumlbersetzung und Kommentar von Hans-Georg Gadamer Frankfurt 52004 (11948)Aristoteles Metaphysik uumlbers u eingel von Thomas Alexander Szlezaacutek Berlin 2003 GW F Hegel Vorlesungen uumlber Geschichte der Philosophie (Vorlesungen Bd 8) hrsg v PGarniron u W Jaeschke Hamburg 1996 71 bdquoDie absolute Substanz das wahrhaft anund fuumlr sich Seiende ist danach das Unbewegte Unbewegliche und Ewige was aber zugleichreine Taumltigkeit actus purus ist Die Scholastiker haben dies mit Recht fuumlr die DefinitionGottes angesehen daszlig Gott der actus purus ist Gott ist die reine Taumltigkeit ist das was anund fuumlr sich istldquo

25 Eacute Gilson Lrsquoesprit de la philosophie meacutedieacutevale Paris 1932 I p 5426 Heidegger hat den ersten Satz als einen metaphysischen den zweiten als einen spekulativen

angesehen wie man in einem Protokoll aus Le Thor vom Sommer 1968 lesen kann Semina-re (1951ndash1973) GA XV ed C Ochwadt Frankfurt 1986 325 bdquoAls Beispiel nimmt Hei-

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tung zugeschrieben hat Denn er verwendet beide Formeln haumlufig ohne dassman aus diesen Verwendungen entnehmen koumlnnte welche Differenz er damitverbindet Auszligerdem beruft er sich fuumlr beide Aussagen auf dieselben bibli-schen Texte zumeist auf Exodus 3 14

Von besonderer Bedeutung ist hier vielmehr wie Eckhart diesen Satz be-gruumlndet Er tut dies naumlmlich in der Weise dass er an erster Stelle sich aufeinen Satz aus einem philosophischen Werk beruft ndash naumlmlich auf die Katego-rienschrift des Aristoteles Denn wenn es sich dabei nicht um eine terminolo-gische Identifizierung handelt sondern um eine Erkenntnis dann muss Eck-hart unweigerlich einen Schritt zuruumlck tun Denn er muss dem Begriff bdquoSeinldquoja schon eine Bedeutung zugeschrieben haben damit seine Identitaumlt mit Gottnotwendig und also einsichtig wird Diese Bestimmung kann nur vollzogenwerden wenn man den Weg verstaumlndlich machen kann auf dem wir dahingelangen von dem Sein oder vom Sein uumlberhaupt zu sprechen Eine solcheBestimmung ist wiederum nur moumlglich wenn das Sein mit irgendetwas we-nigstens in irgendeiner Hinsicht vergleichbar ist27 Auch Aristoteles hat demSein eine einzigartige weil universelle Bedeutung zugeschrieben denn alleAussagen enthalten diesen Begriff28 sie enthalten aber keinen anderen ge-meinsam gleichwohl unterscheidet er sich doch von semantisch bedeutsamenTermini Auf dieser Voraussetzung beruht denn auch in der Tat das ArgumentMeister Eckharts Er vollzieht in diesem Sinne zwei Schritte

1 Sein wird nicht unmittelbar durch das bestimmt was es bezeichnet Dennes ist selbst etwas worauf etwas verweist naumlmlich das Wort ens

degger den Satz Deus est ipsum esse Gott ist das Sein selbst Das ist ein normaler metaphy-sischer Satz [hellip] Von ihm kommt man zum spekulativen wenn das Praumldikat dieses Satzes(Sein) zum Subjekt gemacht wird Subjekt wird Naumlmlich das Sein ist Gott Dabei geschiehtaber keine bloszlige Umkehrung der grammatikalischen Struktur des normalen Satzes Es hatsich etwas geaumlndert Und was hat sich geaumlndert [hellip] Es handelt sich nicht nur um eineUmkehrung sondern um einen Gegenstoszlig eine auf das erste sbquoistlsquo wirkende Gegenbewegungdes zweiten sbquoistlsquo Aber was bedeutet nun das so umgestoszligene sbquoistlsquo Meister Eckhart sagteIstic-heit Das Sein ist Gott jetzt spekulativ verstanden bedeutet das Sein sbquoistetlsquo Gott dasheiszligt das Sein laumlszligt Gott Gott sein sbquoIstlsquo spricht hier transitiv und aktivldquo (Hervorheb imOriginal)

27 Aumlhnlich bin ich bei Thomas von Aquin verfahren Ipsum esse nondum est Zu einer Neuin-terpretation einer neudatierten Thomasschrift in G LeiboldW Loumlffler (Hrsg) Entwick-lungslinien mittelalterlicher Philosophie Wien 1999 107ndash119

28 Met Δ 71017 a 27ndash30 bdquoSo bezeichnet sbquoseinlsquo dasselbe wie jede dieser Formen der Aussagedenn es ist kein Unterschied zwischen den Aussagen sbquoder Mensch ist bei gutem Befindenlsquound sbquoder Mensch befindet sich wohllsquo auch nicht zwischen den Aussagen sbquoder Mensch istgehend oder schneidendlsquo und sbquoder Mensch geht oder schneidetlsquo und ebenso bei den anderen(Kategorien)ldquo (Th A Szlezaacutek) (Hervorheb im Original) (ἑκάστω τούτων το ειναι ταὐτοσημαίνει οὐδὲν γαρ διαφέρει το ἄνθρωπος ὑγιαίνων ἐστὶν ἢ το ἄνθρωπος ὑγιαίνει οὐδὲ τοἄνθρωπος βαδίζων ἐστὶν ἢ τέμνων του ἄνθρωπος βαδίζει ἢ τέμνει ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ των ἄλλων)

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2 Dieses Bezeichnungsverhaumlltnis in dem das Sein in der Weise bestimmtwird dass es selbst das von einem anderen Wort Bezeichnete ist hates nun mit vielen anderen Begriffen gemein Genauer gesagt mit allenBegriffen bei denen sich eine konkrete Form von einer abstrakten Formunterscheiden laumlsst

Und genau fuumlr diesen zweiten Schritt beruft sich Eckhart hier und an vielenanderen Stellen auf Aristoteles Denn fuumlr die Verhaumlltnisbestimmung ens so-lum esse significat29 bezieht er sich auf einen Aristoteles-Satz der dieses Ver-haumlltnis auch an einem voumlllig beliebigen Beispiel vorzufinden scheint und da-her als Beleg fuumlr ein generelles Verhaumlltnis gelten kann album solam qualita-tem significat30 Und hier ergibt sich bereits eine erste Gelegenheit dasVerhaumlltnis Eckharts zur Metaphysik des Aristoteles zu bestimmen Denn eshandelt sich nicht um die Berufung auf einen aristotelischen Satz mithindarauf was Aristoteles gemeint oder woran er gedacht hat sondern um eineInanspruchnahme bei der Zitat und zu belegender Sinn voumlllig entgegenge-setzt sind Waumlhrend nach Aristoteles mit diesem Wort bdquoweiszligldquo dasjenige be-zeichnet wird dem sein Inhalt zukommt wird nach Eckhart umgekehrtnichts anderes als dieser Inhalt selbst bezeichnet

Aristoteles bringt den von Eckhart oftmals angefuumlhrten Satz als Beispieldafuumlr dass zweite Substanzen nicht wie es durch die sprachliche Form denAnschein hat ein bdquoDiesesldquo bezeichnen sondern wie er sagt bdquoeherldquo (μᾶλλον)etwas Qualitatives Doch gehoumlren Begriffe wie bdquoMenschldquo oder bdquoLebewesenldquodie da sie von vielem ausgesagt werden fuumlr zweite Substanzen stehen nichtim strengen Sinne in die Kategorie der Qualitaumlt Es handelt sich kategorialbetrachtet somit nicht um denselben Fall wie beim Begriff der Qualitaumltbdquoweiszligldquo Und hier sagt Aristoteles bdquoWeiszlig bezeichnet nichts anderes als einQualitativesldquo

Nach Aristoteles scheint es also so bestellt zu sein dass das Praumldikatetwas im Hinblick auf seine Qualitaumlt hier die Qualitaumlt der Farbe und zwardie Farbe bdquoweiszligldquo bezeichnet Dies trifft fuumlr Eckhart eben gerade nicht zuDas Praumldikat bdquoweiszligldquo bezeichnet das Weiszligsein als solches soll heiszligen geradenicht in irgendeiner Weise dasjenige dem das Weiszligsein zukommt Das zufaumll-lige Zukommen der Eigenschaft des Weiszligseins kann ebenso wenig wie daswas das Weiszlig-sein im Wesentlichen ausmacht in dem begruumlndet liegen des-sen Eigenschaft es ist Denn waumlre dies moumlglich dann waumlre es eben keinefaktische Eigenschaft Also muss sie in der allgemeinen Form begruumlndet lie-gen Eckhart laumlsst also den Umstand dass es sich im Falle von bdquoweiszligldquo um

29 Prol in Op prop n 2 1666 (wie Anm 3)30 Cat 53 b 19 οὐδὲν γὰρ ἄλλο σημαίνει τὸ λευκὸν ἀλλ᾽ ἢ ποιόν

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 265

eine Qualitaumlt und bei einer Qualitaumlt um eine faktische Eigenschaft (accidens)handelt ganz beiseite Wovon es eine Eigenschaft ist oder sein kann besagtnichts im Hinblick auf seinen Inhalt

Fuumlr das Verhaumlltnis von konkreter und abstrakter Wortform fuumlhrt Eckhartso viele verschiedene Beispiele an31 dass man denken muss es gebe davonkeinerlei Ausnahme weder betrifft es nur die transzendentalen Begriffe nochnur die positiven Begriffe Eckhart behauptet somit ein gaumlnzlich formalesVerhaumlltnis der Bezeichnung das bei ausnahmslos allen konkreten Begriffenstatthat und sich in allen Faumlllen ausnahmslos auf den Gehalt als solchenbezieht Eckhart vermerkt weder die Differenz zu Aristoteles ndash im Gegenteiler beruft sich ja gerade auf ihn ndash noch begruumlndet er explizit seine AuffassungSein Argument koumlnnte in Folgendem liegen Nur diese Beziehung zwischender konkreten Bezeichnung und der abstrakten Bedeutung ist eine notwendi-ge wohingegen die Beziehungen zu den Dingen denen der Gehalt des Ge-meinten zukommt in ihrer Wirklichkeit unbestimmt bleiben Natuumlrlichkommt das Weiszligsein nur an konkreten Dingen vor ndash die Vorstellung KarlAlberts es gaumlbe nach Eckhart eine Idee des Weiszligseins ist voumlllig abwegig32 ndashaber an welchem Ding und in welcher Weise es vorkommt ist doch notwen-diger Weise kontingent

Diese Bezeichnungsrelation scheint somit voumlllig unabhaumlngig davon zugelten von welchem Inhalt das jeweilige Praumldikat ist Sobald freilich dieserGesichtspunkt der Praumldikatsform ins Spiel kommt gilt es einen prinzipiellenUnterschied zu beachten Es macht erstens einen wichtigen Unterschied ausob es sich um einen spezifischen Begriff oder um einen uumlberkategorialen Be-griff handelt Man muumlsse in beiden Faumlllen anders auffassen ndash sentiendum33 ndashwenn es sich um den Begriff ens handelt im Unterschied dazu dass es sichum ein bestimmtes Seiendes handelt Dies gilt nach Eckhart fuumlr alle transzen-dentalen Bestimmungen Allerdings ist zu beachten dass Eckhart diesen Un-terschied dreimal anfuumlhrt und die beiden ersten Differenzen das Begriffsfeld

31 Prol in Op prop n 2 1666ndash11 (wie Anm 3) Similiter autem se habet et in aliis putaquod unum solum unitatem significant verum veritatem bonum bonitatem honestum ho-nestatem rectum rectitudinem iustum iustitiam et sic de aliis et horum oppositis putamalum solum malitiam falsum solum falsitatem obliquum obliquitatem iniustum iniustiti-am et sic de aliis

32 K Albert Meister Eckharts These vom Sein Untersuchungen zur Metaphysik des Opustripartitum Saarbruumlcken 1976 jetzt in Ders (wie Anm 7) 65 bdquoDas von Eckhart gemeinteWeiszligsein ist wie wir soeben feststellten ein im Sinne der Platonischen Philosophie fuumlr sichbestehendes Weiszligsein das fuumlr alles einzelne Weiszligsein die Ursache dafuumlr ist daszlig es weiszligistldquo

33 Die Kochrsquosche Uumlbersetzung bdquourteilenldquo scheint auf den ersten Blick zu spezifisch zu sein inseiner Zusammenfassung verwendet Eckhart aber dann selbst loquendum vgl In Exod n54 583 (wie Anm 3) aliter loquendum est et sentiendum

266 Rolf Schoumlnberger

Sein betreffen ens und ens hoc et et hoc sodann esse absolute und essehuius et huius Eckhart meint wohl einerseits das Seiende im Allgemeinenund andererseits das konkrete Seiende dieses Buch und dieses Blatt PapierIm zweiten Fall spricht er einerseits von dem was mit dem Seienden bezeich-net wird und das als solches keine Einschraumlnkung enthaumllt und andererseitsvon dem was das Sein dieser Dinge ausmacht das Buchsein das Papiersein

Eckhart gibt am Ende dieser Modellproposition eine Zusammenfassungdie zum einen die doppelte Unterscheidung beim Sein unterlaumlsst und zumanderen das sentiendum durch das loquendum ersetzt Es geht also eindeutigum das Urteil Anders als bei Aristoteles steht dabei wie bereits vermerktdie These im Hintergrund dass bdquoSeinldquo nur in einem Sinne ausgesagt wird

Die Zusammenfassung erbringt nun noch eine doppelte ErlaumluterungDurch die Unterscheidung des Redens ergibt sich eine Folgerung und ein Wegzu ihrer Begruumlndung Wenn vom Seienden die Rede ist dann ist lediglich voneinem die Rede wohingegen selbstredend das ens hoc aut hoc ein Begriff fuumlrdie Mannigfaltigkeit der Dinge ist Die entscheidende Frage ist allerdings inwelcher Weise anders zu reden ist und woraus dies hervorgeht

Eckhart zieht eine bekannte Unterscheidung heran der er aber eine neueDeutung gibt Von bdquoistldquo kann in einem Satz in zweifacher Weise die Redesein Zum einen im Sinne eines Existenzurteils zum anderen in der Formeiner Kopula durch die Subjekt und Praumldikat miteinander verbunden wer-den Die unproblematische Form ist die zweite Wenn man von etwas etwasBestimmtes aussagt dann hat das bdquoistldquo die Funktion einer copula bzw einesadiacens praedicati Von etwas zu sagen es ist ein Mensch ist ein Beispieldafuumlr Dasselbe gilt fuumlr die anderen Transzendentalien Man kann von etwasauch sagen es sei ein Mensch ein Gutes ein Eines etc bdquoSeiendldquo meint also ineiner Hinsicht etwas Bestimmtes mit einem aus der Tradition entnommenenAusdruck ens hoc Gemeint ist damit kein Dieses sondern ein solches Na-tuumlrlich wird erst durch die Kopula die Verbindung zweier Begriffe hergestelltund damit ein Satz gebildet Dann liegt dasjenige vor was wahr oder falschsein kann

Von entscheidender Bedeutung ist hingegen seine Deutung des Existen-zurteils34 Eckhart formuliert es im ACI cum dico aliquid ens (und entspre-chend unum verum bonum) Soll das heiszligen bdquoEtwas ist seiend (aliquid esseens)ldquo oder bdquoEtwas ist (aliquid est)ldquo Irrefuumlhrend ist vielleicht die Verwendungdes aliquid Es kann nicht irgendetwas im unbestimmt gelassenen Unter-schied zu irgendetwas anderem gemeint sein Eckhart denkt offenbar wennnicht etwas Bestimmtes und damit Begrenztes ausgesagt wird dann wird nurSein ausgesagt Dies kann dann nur die Bedeutung Existenz haben Es ist

34 Prol in Op prop n 25 (wie Anm 3)

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nicht ganz sicher ob sich Eckharts Aussagen voumlllig zur Klarheit bringen las-sen Von etwas etwas aussagen heiszligt immer bereits eine Einschraumlnkung vor-genommen zu haben Aber man kann doch von Einzeldingen die Existenzaussagen Allerdings so die These Eckharts nicht im selben Sinne NachEckharts Auffassung in die erstmals Alain de Libera35 Licht gebracht hat istSein bei allen transzendentalen Bestimmungen Teil des Praumldikats ndash wodurchEckhart zwar von der mittelalterlichen Semantik grundlegend abweicht aberein semantisches Konzept artikuliert das seiner Metaphysik entspricht36

An zweiter Stelle ndash der Sache nach nicht im Hinblick auf die Abfolge imText ndash geht es um die Gemeinschaft mit den anderen termini generales dentranszendentalen Bestimmungen Der Umkreis entnimmt Eckhart natuumlrlichunmittelbar der mittelalterlichen Tradition aber zuletzt der Metaphysik desAristoteles Auch fuumlr sie gilt was fuumlr alle konkreten Bestimmungen gilt naumlm-lich das dargelegte Verhaumlltnis von konkreter und abstrakter Wortform Aberim Unterschied zu den hinzukommenden Eigenschaften sind diese Begriffeschlechterdings allgemeine Bestimmungen Sie enthalten nichts wodurch sichdie Dinge unterscheiden Eckharts Bestimmung prima in rebus et omnibuscommunia37 formuliert einen Zusammenhang parataktisch der doch der Sa-che nach als ein Begruumlndungszusammenhang gedacht ist Diese Bestimmungsind nicht erstrangig und allgemein sondern weil allem gemeinsam deshalberstrangig Alle anderen Bestimmungen die einer Sache zukommen kommenihr unter Voraussetzung dieser Bestimmungen zu Sie selbst gehen auf eineUrsache zuruumlck was man sowohl lesen kann im Sinne auf jeweils eine Ursa-che oder auf eine einzige Ursache Diese Ursache wird demgemaumlszlig als einebestimmt die zwar universell ist sofern sie eine allgemeine Bestimmung ver-mittelt aber doch Raum laumlsst fuumlr das andere Dies ergibt sich notwendigdaraus dass sie eben schlechterdings allgemeine Bestimmungen vermitteltdie Dinge haben als je spezifische und besondere daruumlber hinaus aber nochweitere Bestimmungen Wenn man auch die Vorform der Transzendentalien-lehre bei Aristoteles nachweisen kann38 so kommt ihr doch erst jetzt imMittelalter eine systembildende Funktion zu

35 A de Libera Le problegraveme de lrsquoecirctre chez Maicirctre Eckhart logique et meacutetaphysique de lrsquoana-logie (CRThPh Bd 4) Genegraveve 1980 28ndash37

36 Juumlngst dazu wenn auch weitgehend rekapitulierend T Tsopurashvili Sprache und Meta-physik Meister Eckharts Praumldikationstheorie und ihre Auswirkung auf sein Denken (Bo-chumer Studien zur Philosophie 52) AmsterdamndashPhiladelphia 2011 uumlber die Praumlsenz derneuplatonischen Semantik in der Scholastik L M de Rijk Die Wirkung der neuplatoni-schen Semantik auf das mittelalterliche Denken in J P Beckmann u a (Hrsg) Spracheund Erkenntnis im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia Bd XIII1) Berlin 1981 19ndash35

37 Prol in Op prop n 11 17111 f (wie Anm 3)38 K Baumlrthlein Die Transzendentalienlehre der alten Ontologie Bd I Die Transzendentalien-

lehre im Corpus Aristotelicum Berlin 1972

268 Rolf Schoumlnberger

Darin liegt eine ganz offenkundige Abkehr von Aristoteles Denn ein In-begriff laumlsst sich nur bilden wenn ihm ein gemeinsamer Begriff zugrundeliegt Das Gute selbst ist daher fuumlr Platon eine Idee nicht aber fuumlr AristotelesDiese kritische Abkehr ist ein metaphysischer Exkurs in der NikomachischenEthik (im zweiten Kapitel des ersten Buchs)39 gewidmet Hier wendet sichAristoteles nicht nur mit den bekannten Argumenten gegen die Annahme vonIdeen sondern ganz spezifisch gegen Platons Auffassung von der begriffli-chen Verfassung des Guten welches ja nur unter der angegebenen Bedingunguumlberhaupt eine Idee zulaumlsst

Hinsichtlich der Aussageweise stellt Eckhart das Sein mit den anderentranszendentalen Bestimmungen gleich Es gibt aber gleichwohl einen letztenUnterschied und dieser bezieht sich nicht allein auf die aus Avicenna entnom-mene Aussage wonach Sein das erste was der Verstand auffasst ist sonderndarauf dass Sein das Prinzip der Vollkommenheit ist Es sieht uumlber weiteStrecken so aus als wuumlrde Eckhart das Sein nun doch als Form auffassenDie Entsprechung mit der Eckharts Bestimmung des Seinsbegriffes einsetztlaumlsst erwarten dass er es als eine Form nimmt und wie eine Form bestimmtDies rechtfertigt er nicht eigens doch lassen sich zum einen zwei Gedankenanfuumlhren die er wohl als Argumente fuumlr diese Statusbestimmung angesehenhat Jede allgemeine () Form wie Leben und Denken ist bereits eine bestimm-te soll heiszligen eine eingeschraumlnkte Weise ndash des Seins Das Sein ist also inallem vorausgesetzt Sein ist das erste des Geschaffenen wie er mit dem Liberde causis haumlufig sagt40 Eckhart zitiert aber auch wiederholt den Satz desAvicenna id quod desiderat omnis res est esse et perfectio esse inquantumest esse41 Dies ist freilich nur dann ein Argument wenn mit sbquoSeinlsquo hier nichtdas je spezifische Sosein gemeint ist Und dies ist denn auch tatsaumlchlich nichtder Fall Die drastische Formulierung in der Predigt 8 bdquoKeine Kreatur ist sogering dass sie nicht nach dem Sein begehrte Die Raupen wenn sie von denBaumlumen herabfallen so kriechen sie an einer Wand hoch auf dass sie ihrSein erhalten So edel ist das Seinldquo42 Zum anderen aber scheint sich Eck-hart ndash wohl gerade wegen des Charakters des Erstbestimmenden ndash doch nichtvollstaumlndig auf den Formstatus festzulegen

39 Vgl H Flashar Die Platonkritik (I 4) in O Houmlffe (Hrsg) Aristoteles NikomachischeEthik Berlin 1995 63ndash82 [zuvor unter dem Titel bdquoDie Kritik der platonischen Ideenlehrein der Ethik des Aristotelesldquo in Synusia Festschrift fuumlr Wolfgang Schadewaldt Pfullingen1965 223ndash246]

40 Vgl Anonymus Liber de causis (Philosophische Bibliothek Bd 553) uumlbers v A SchoumlnfeldHamburg 2003 161 f

41 Avicenna Met VIII 6 (ed S Van Riet Louvain 1980 412 63ndash64) zitiert in Prol gen inOp trip n 8 (wie Anm 3) Qu Par Responsio (wie Anm 3) I n 115 288 16ndash289 2

42 Pred 8 (wie Anm 3) Pred 1 134 1ndash4

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 269

Eckhart greift durchaus auch die Konzeption des Thomas auf wonachdas Sein ein Akt ndash auch der Formen selbst ndash ist Ein Akt hat aber fuumlr sichgenommen keinen Inhalt sondern nur sofern er der Akt einer bestimmtenWirklichkeit ist43

Die vorangegangene Analyse von Eckharts Seinsbegriff sollte gezeigt ha-ben dass dieser in seiner Struktur ebenso wie in der Weise seiner Gewinnungungeachtet von Eckharts Berufungen und Inanspruchnahmen auf markanteWeise vom aristotelischen Begriff des Seins abweicht und damit in deutlicherDistanz zu dessen Metaphysik steht Da die Aufklaumlrung des Seinsbegriffessich aber nur zu einem Teil auf das stuumltzen kann was Eckhart selbst dazuexplizit sagt ndash und was er sagt variiert oder iteriert er oftmals ndash muss ineinem zweiten Teil der Schwerpunkt darauf gelegt werden wie er mit demSeinsbegriff umgeht Dies ist wohl am aufschlussreichsten dort wo er ihnnicht fuumlr sich bestimmt sondern in einen anderen Zusammenhang bringt alsden der Transzendentalien

III Denken und Leben

An einer beruumlhmten Stelle in Metaphysik Λ bestimmt Aristoteles die Wesens-zuumlge des ersten unbewegten Bewegers Nachdem er ihn zuerst als Geist undsodann den Bezug seines Denkens erschlossen hat faumlhrt er fort

bdquoAuch Leben kommt ihm natuumlrlich zu Denn die Taumltigkeit des Geistesist Leben und jener ist die Taumltigkeit Seine Taumltigkeit ist an ihm selbstvollkommenes und ewiges Leben Wir behaupten also daszlig der Gott ein

43 Er sagt aber etwa Prol gen in Op trip n 8 1537ndash8 (wie Anm 3) Ipsum enim essecomparatur ad omnia sicut actus et perfectio et est ipsa actualitas omnium In Eccli n 442737ndash9 (wie Anm 3) Sine esse enim non plus valet totum universum quam musca necplus sol quam carbo nec sapientia plus quam ignorantia dies erinnert wiederum an Thomasvon Aquin (Sancti Thomae Aquinitatis Summa contra gentiles ed Leonina XXXIII Rom1918 [= SCG]) I 28 260 Omnis enim nobilitas cuiuscumque rei est sibi secundum suumesse nulla enim nobilitas esset homini ex sua sapientia nisi per eam sapiens esset ST I 4 3omnium autem perfectiones pertinent ad perfectionem essendi secundum hoc enim aliquaperfecta sunt quod aliquo modo esse habent Aber Eckhart beruft sich selbst in seinerRechtfertigungsschrift Responsio ad articulos sibi impositos Qu Par I n 115 288 f (wieAnm 3) auf Thomas (Sancti Thomae Aquinitatis Summa theologiae ed Leonina IVndashXIIRom 1888ndash1906 [= ST ] I 4 1 ad 3 ipsum esse est perfectissimum omnium comparaturenim ad omnia ut actus Nihil enim habet actualitatem nisi inquantum est unde ipsumesse est actualitas omnium rerum et etiam ipsarum formarum Das Sein des Menschen wirdnicht als dasjenige betrachtet dem Sein zukommt sondern ut formale et receptum DieFrage ist was hier das ut heiszligt Man kann es als Vergleich lesen bdquowie ein Formbestimmen-desldquo oder als Bestimmung des Sinnes bdquoim Sinne vonldquo In dieser zweiten Deutung waumlreauch das Sein eine Form und in diesem Sinne versteht es Eckhart

270 Rolf Schoumlnberger

lebendiges Wesen ewig und vollkommen ist so daszlig Leben und bestaumlndi-ges ewiges Dasein dem Gotte zukommen denn dies ist das Wesen desGottesldquo44

Auf diese Stelle verweist Eckhart so scheint es zwar nirgends selbst seineEditoren freilich schon45 etwa dort wo er den Satz formuliert intelligereintellectui ut sic est vivere Zunaumlchst ist dabei auffaumlllig dass er selbst denSatz als einen analogen formuliert naumlmlich zu einem anderen aber ebenfallsaristotelischen Satz vivere viventibus est esse Diesen Satz aus De anima46

zitiert Eckhart uumlberaus haumlufig47

Bemerkenswert ist daruumlber hinaus dass Eckhart ndash wie uumlbrigens bereitsAlbertus Magnus48 aber im Unterschied zu Thomas von Aquin ndash auch nocheinen weiteren analogen Satz formuliert ndash und ebenfalls mehrfach vorbringtintelligere intelligentibus est esse49 Er stellt die Verbindung zwischen beidenauch ausdruumlcklich selbst her cognoscere cognoscentibus est vivere sicut sbquovi-vere viventibus est esselsquo ut ait philosophus50

Es ergibt sich also ein dreistufige Folge von Sein ndash Leben ndash DenkenEckhart erlaumlutert nicht explizit was es mit dieser Abfolge auf sich hat und

44 Met Λ 71072 b 26ndash30 και ζωη δέ γ ὑπάρχει ἡ γὰρ νοῦ ἐνέργεια ζωή ἐκεῖνος δὲ ἡ ἐνέργειαἐνέργεια δὲ ἡ καθ᾽ αὑτην ἐκείνου ζωὴ ἀρίστη καὶ ἀΐδιος Φαμεν δε τὸν θεον εἶναι ζῷον ἀΐδιονἄριστον ὥστε ζωη καὶ αἰων συνεχης καὶ ἀΐδιος ὑπάρχει τῷ θεῷ τοῦτο γαρ ὁ θεός (UumlbersGadamer wie Anm 34) E N X 81178 b 21ndash23 25ndash26 bdquoSo muss denn die Taumltigkeit derGottes die an Seligkeit alles uumlbertrifft eine betrachtende sein [hellip] Das Leben der Goumltter istseiner Totalitaumlt nach seligldquo (Uumlbers O Gigon) (ὥστε ἡ του θεου ἐνέργεια μακαριότητι δι-αφέρουσα θεωρητικὴ ἂν εἴη [hellip] τοις μεν γαρ θεοις ἅπας ὁ βίος μακάριος) De an II 2413 a22ndash25 bdquoNun hat aber das Wort Leben mehrere Bedeutungen wenn auch nur eine von ihnenzutrifft so sprechen wir einem Wesen Leben zu so bei Geist Wahrnehmung Bewegungund Ruhe im Raume endlich Bewegung im Sinne von Ernaumlhrung Verfall und Wachstumldquo(Uumlbers O Gigon) πλεοναχως δε του ζην λεγομένου κἂν ἕν τι τούτων ἐνυπάρχη μόνον ζηναὐτό φαμεν οιον νουϛ αἴσθησις κίνησις καὶ στάσις ἡ κατα τόπον ἔτι κίνησις ἡ κατα τροφὴνκαὶ φθίσις τε καὶ αὔξησις

45 In Ioh n 679 593 (wie Anm 3)46 De an II 4415 b 13 τὸ δὲ ζῆν τοῖς ζῶσι τὸ εἶναί ἐστιν47 In Sap n 270 600 n 289 623 In Eccli n 2 232 n 68 298 In Gen I n 78 240 In

Gen II n 103 368 In Ioh n 136 116 n 141 118 n 291 244 n 341 290 n 545477 n 679 593 Ser II 2 n 15 17167 Ser XVII 4 n 174 165 Ser XVII 5 n 179167 f Ser LIV 1 n 528 445 (insgesamt wie Anm 3)

48 De homine ed Col XXVII2 p 54 79ndash8049 In Ioh n 61 51 n 136 116 n 139 117 n 141 118 n 294 244 n 341 290 n 426

361 n 500 431 n 679 593 n 681 595 (insgesamt wie Anm 3)50 In Ioh n 545 476 f In Gen I n 78 2406ndash7 cognoscere siquidem proprie et vere vivere

est cognoscentibus et vivere esse In Ioh n 679 5932ndash3 sicut sbquovivere viventibus est esselsquosic intelligere intellectui ut sic est vivere die Editoren des Genesis-Kommentars verweisenzudem auf In Ioh n 139 1179ndash10 (insgesamt wie Anm 3) dort ist aber vom Liber decausis die Rede esse et intelligere in vita sunt vel potius vita est et vivere ut patet ex Decausis Liber de causis prop XI n 105 (ed Schoumlnfeld [wie Anm 39] 26)

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 271

auf Grund wovon sie gebildet wird Er uumlbernimmt sie aus der ndash ja nicht deraristotelischen sondern offenkundig der neuplatonischen51 ndash Tradition aberdieser Umstand macht diese Begriffsfolge nicht hinreichend verstaumlndlich daes ja noch einen Grund dafuumlr geben muss warum er sich dieser Traditionangeschlossen hat und noch zu klaumlren ist in welchem Sinne er diese Triadeverstanden hat Da diese Zitate aber besonders haumlufig vorkommen muss esmit ihnen eine besondere Bewandtnis haben Diese zu erschlieszligen bedarf esmangels einer expliziten Erlaumluterung eines rekonstruktiven Zugangs DieFrage lautet also Wie muss Eckhart diese Begriffe aufgefasst haben damitsich diese besondere Rangfolge ergibt

Auf den ersten Blick scheint dies eine schlichte Stufung der Allgemeinheitzu sein Sein ist gegenuumlber Leben und Leben ist gegenuumlber dem Erkennendas je Allgemeinere weil es auch Seiendes gibt das nicht lebendig ist undLebendiges das nicht erkennt Dies stellt Eckhart durchaus auch selbst fest52

Dies wuumlrde es ermoumlglichen beides zu sagen bdquoDas Erkennen ist fuumlr die Erken-nenden das Seinldquo aber auch bdquoErkennen ist fuumlr das Erkennende das LebenldquoEr verwendet fuumlr die houmlchste Taumltigkeit des Erkennens den mittlere und denallgemeinsten Begriff und fuumlr den mittleren des Lebens die allgemeinste Be-stimmung Sein Warum ist das so Eckhart zieht hierfuumlr einen Text aus demLiber de causis heran Dieses Prinzip verweist eindeutig auf die platonischeTradition Das Enthaltende ist zugleich das Bestimmende ndash es bestimmt nichtden Inhalt aber immerhin doch seine Realisierungsweise Es geht aber vorallem um die Bestimmung des Verhaumlltnisses der drei Begriffe Eckhart begruumln-det es nicht ausdruumlcklich so dass es scheinen koumlnnte er verweise eben dochunausgesprochen auf einen klassischen Text ndash hier wohl die Metaphysik desAristoteles Er stellt dabei aber eine Verknuumlpfung her die Aristoteles nichthergestellt hat (schon die Verbindung von Denken und Leben scheint auchden neueren Interpreten53 einige Schwierigkeit zu tun bereiten) Eckhart gibtdiesem Zusammenhang zwar keine Begruumlndung im Ganzen aber doch fuumlrdie engere Beziehung von Leben und Erkennen Genauer gesagt er gibt dreiBegruumlndungen

1 Das Aufnehmende ist das Bestimmende Dieser eben schon gestreifte Satzaus der neuplatonischen Tradition54 gilt generell und hat als solcher mit

51 P Hadot Ecirctre vie penseacutee chez Plotin et avant Plotin in Les sources de Plotin (Entretienssur lrsquoantiquiteacute classique V) VandoeuvresndashGenegraveve 1960 105ndash141

52 In Ioh n 500 43110ndash11 (wie Anm 3) Intellectivum abundantius est quam vivum sicutvivum abundantius est quam ens

53 M Bordt Aristotelesrsquo bdquoMetaphysik XIIldquo Darmstadt 2006 121 E Sonderegger Aristote-lesrsquo Metaphysik Lambda Ein spekulativer Entwurf Einfuumlhrung Uumlbersetzung KommentarBern 2008 393ndash395

54 Liber de causis prop 9 n 93 u 7 n 73 ff (ed O Bardenhewer Freiburg i Br 1882 [NDFrankfurt 1957] 173 u 170 ed Schoumlnfeld [wie Anm 39] 24 u 18) Omne receptum

272 Rolf Schoumlnberger

dem Verhaumlltnis von Denken und Leben gar nichts spezifisch zu tun nureben in der Weise dass der Verstand etwas aufnehmen in der Lage istDamit dreht sich das Verhaumlltnis um denn jetzt ist bdquodas Leben im Ver-standldquo als Begriff bdquoLebenldquo oder als Vollzug des Erkennens d h als Ver-wirklichung des Verstandesvermoumlgens

2 Die Bestimmung des Erkennens als Leben ergibt sich aus der Beziehungdie fuumlr das Erkennen nun wirklich spezifisch ist durch die Beziehungauf ein Objekt Eckhart behauptet dass dies zu einer Wirklichkeit vonLebendigkeit dadurch wuumlrde dass es erkannt wird Dies ist das Be-stimmtwerden durch eine Form Damit kommt er dem Aristoteles schonnaumlher

3 Die eigentlich interessante Version ist nun aber tatsaumlchlich diejenige vonder wir ausgegangen sind Warum ist fuumlr die erkennenden Wesen dasErkennen ein Leben und fuumlr die Lebendigen das Leben das Sein Wennes sich einfach um die jeweils allgemeinere Bestimmung handelte waumlretatsaumlchlich auch nur etwas Allgemeineres gesagt Gehen ist eine Art derFortbewegung und Fortbewegung ist eine Art der Taumltigkeit Es handeltsich aber gar nicht um eine generische Bestimmung Denn diese lieszligesich auch alle begrifflichen Beziehungen anwenden und haumltte mit derkonkreten begrifflichen Konstellation der Triade gar nichts zu tun Mankann denken dass Gattungsbegriffe durch Abstraktion von spezifischenBestimmungen gebildet werden aber wovon etwas eine Weise ndash und ebenkeine Art ndash ist ergibt sich keinesfalls durch dieses Verfahren Bei Descar-tes etwa hat das Denken nur mit Bewusstsein nichts mit dem Leben zutun55 Es kann also nur mit dem besonderen begrifflichen Charakter derin Frage stehenden Begriffe zu tun zu haben Dieser scheint in Folgendemzu liegen Sowohl Denken als auch Leben enthalten zwei formal unter-schiedliche Momente ein inhaltliches und ein Moment des VollzugesbdquoLebenldquo kommt demjenigen zu was durch seine Beseelung eine organi-sche Struktur hat gleichzeitig ist aber Leben ein Vollzug fuumlr uns einzunaumlchst zeitlich bestimmter Vollzug mit einem besonderen von rein un-

est in recipiente per modum recipentis Mit bedeutsamer Anwendung auf den Begriff derErkenntnis Boethius Phil consol V pr 4 25 (Corpus Christianorum Series Latina 94p 96 f) Omne enim quod cognoscitur non secundum sui vim sed secundum cognoscenti-um potius comprehenditur facultatem ebd V pr 5 1 (Corpus Christianorum Series Latina94 p 100 f) vgl R Schenk Die Gnade vollendeter Endlichkeit Zur transzendentaltheolo-gischen Auslegung der thomanischen Anthropologie FreiburgndashBaselndashWien 1989 153 f255 ff 555 ff

55 Zu dieser Alternative und ihren jeweiligen Implikationen R Spaemann Das Sum in Descar-tesrsquo Cogito Sum jetzt in Schritte uumlber uns hinaus Gesammelte Reden und Aufsaumltze IStuttgart 22010 136ndash148

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 273

belebten Dingen unterschiedenen Verhaumlltnis zur Zeit Im Begriff bdquoDen-kenldquo liegt ebenfalls ein Bezug auf einen Inhalt auf den Gedanken zu-gleich aber auch auf den Prozess des Denkens auf die Taumltigkeit und denVollzug des Nachdenkens in all seinen Formen Die Frage ist ob diesewechselseitige Bedingtheit der beiden Momente sich auch beim Seinsbe-griff zeigen laumlsst Eckhart scheint jedenfalls dieser Auffassung zu seindenn er sagt Vom reinen Sein muumlsse da es keinerlei Negativitaumlt enthaltenkoumlnne auch die Existenz ausgesagt werden56

Die Autoren die jenen aristotelischen Satz vom Leben als Sein des Lebendi-gen ebenfalls haumlufig anfuumlhren57 und im Blickfeld Eckharts stehen haben die-sen Satz wohl ganz im Sinne des Aristoteles verstanden Thomas von Aquingeht in seinem Kommentar zu De anima der Behauptung nach dass die Seeleim mehrfachen Sinne Prinzip des lebendigen Koumlrpers ist weil der BegriffbdquoPrinzipldquo selbst mehrfach ausgesagt wird In einem ersten Sinne ist das We-sen soll heiszligen die Form einer Sache was Grund fuumlr dessen Sein ist (causaessendi) Die Form ndash bzw ihre Praumlsenz ndash macht ein Ding zu einem wirklichenDiese Form ist bei den Lebewesen die Seele Er faumlhrt fort per animam enimvivunt et ipsum vivere est esse eorum58 Das Sein des Lebendigen zu seinheiszligt also genauer deren Seinsgrund zu sein Dies offenbar nicht in demSinne dass es ein aumluszligerlicher Grund waumlre Es ist ja von der Form die Rede ndashdiese wiederum wird hier nicht im Sinne einer wirklichkeitsindifferentenStruktur verstanden sondern im Sinne eines inneren WirklichkeitsgrundesDiese Konzeption der Form scheint ohnehin fuumlr Eckhart maszliggebend weil erausdruumlcklich die Form zusammen mit der Materie als eine innere Ursacheauffasst59 Sie macht das Ding zu dem was es ist Aber kein indifferentesSosein sondern eine wenn man so sagen kann strukturierende Strukturkeine abstrakte Konstellation die gegenuumlber Sein und Nichtsein gaumlnzlich in-different waumlre Die Ambivalenz dieses Formbegriffs der einerseits als bestim-mendes Moment des Wesens keinerlei Existenz mit einschlieszligt andererseitsaber als Bestimmungsgrund die Existenz gerade begruumlndet gehoumlrt vielleicht

56 Prol gen in Op trip n 13 15811ndash13 (wie Anm 3)57 Soweit es sich hat uumlberpruumlfen lassen hat Duns Scotus an jenem Adagium kein Interesse er

scheint es nirgends anzufuumlhren Wenn das Sein von allen Differenzierungen abstrahiertdann kann es auch nicht durch den Verweis auf solche Differenzierungen naumlher bestimmtwerden Der Frage ob nicht gleichwohl in der Art der Bestimmung eine Analogie in An-spruch genommen wird eben statt der verschiedenen Weisen zu dem dessen Weise sie sinddie Analogie zur Differenzierung von Gattung in seine Arten muumlsste gesondert nachgegan-gen werden

58 In De an II 7 (ed Leon XLVI1 p 98 179ndash180)59 Vgl oben Anm 22

274 Rolf Schoumlnberger

nicht zum aristotelischen Grundgedanken in seiner Metaphysik aber dochwohl zu einem repraumlsentativen Zug des mittelalterlichen Aristotelismus

Albertus Magnus versteht jenen Satz in seinem Kommentar zu De animaganz aumlhnlich Auch er bezieht ihn auf eine der Prinzipienbestimmungen derSeele naumlmlich auf ihren Charakter als causa formalis Was er ndash uumlbrigensnicht nur hier ndash hinzufuumlgt ist der Verweis darauf dass es sich um einenkontinuierlichen Vollzug handelt vivere est actus animae in corpus continu-us60 Die Verbindung der beiden begrifflichen Beziehungen aus der sich dieberuumlhmte Triade ergibt wird freilich bei Eckhart nicht zum ersten Mal herge-stellt Sie findet sich etwa auch bei Albertus Magnus Dieser hat auch schondie Analogie sentire sentientibus est esse gefunden61

Es scheint Eckhart weiter nicht erforderlich auf diese beruumlhmten Adagiaeine eigene interpretatorische Anstrengung zu wenden Solche Schnittstellensind aber gerade dann interessant wenn sie ein Selbstverstaumlndnis zum Aus-druck bringen demgegenuumlber sich das unsere deutlich veraumlndert hat SolcheSchnittstellen sind fuumlr beide Voraussetzung von Belang sowohl fuumlr die desTextes wie fuumlr die seiner spaumlteren Interpreten Auffaumlllig ist dass in einem Falleine Taumltigkeit gefasst wird die des Geistes im anderen Fall ein Sein Das Seindes Lebendigen ist das Leben Im einen Fall wird so scheint es die Aussageauf eine allgemeinere Ebene verlagert er sagt eben nicht das Sein des Geistesist Leben sondern die Taumltigkeit des Verstandes ist Leben und nicht ErkennenIn beiden Faumlllen wird etwas allgemeiner gefasst Das Sein des Lebendigen imanderen Fall die Taumltigkeit des Verstandes Leben ist auch nach Aristoteleseine Art von Praxis also eine Taumltigkeit ὁ δὲ βίος πρᾶξις οὐ ποίησις62

Was freilich von erheblicher Bedeutung ist ist der Umstand dass in die-ser Traide der Begriff des Lebens von dem der Seele abgeloumlst wird HatteAristoteles in De anima uumlberlegt ob denn der Verstand zur Seele gehoumlrt unddiese Frage in dem beruumlhmten Kapitel 5 des dritten Buches verhandelt dannbleibt doch der Umstand dass Gott zwar lebendig aber doch kein beseeltesWesen ist Was kann das heiszligen In der Tradition des Neuplatonismus wirddas Leben zu einer eigenen vom Geist unterschiedenen Stufe Dies verbindetsich mit der Weltseele die sich wiederum von den Lebensstufen des Aristote-les abhebt Das Leben scheint in gewisser Weise eher eine Form als eine Taumltig-keit zu sein Denn es handelt sich um eine bestimmte von anderen abgehobe-ne Taumltigkeit und diese Abhebung ist wiederum unweigerlich von einer Form

60 De an II 22 (ed Col VII1 p 85 13) De causis et proc univ I 2 2 (ed Col XVII2p 27 49ndash50) Esse vivere et intelligere actus continui sunt qui sunt in fieri

61 Metaph I 1 6 (ed Col XVI1 p 8 40ndash42) Actus enim animalis est sensibilis anima etsentire secundum potentias vitae sensibilis ipsis sentientibus animalibus est esse De homineed Col XXVII2 col 603 a 415 b 13

62 Pol I 41254 a 7

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 275

bestimmt Diese begriffliche Verschiebung ist aber wohl mit dem Konzeptdieser Triade selbst zwar nicht notwendig aber doch eng verbunden gehtalso nicht aus einer Neuinterpretation Eckharts hervor

Die Bedeutung und Eigenart der Triade Sein ndash Leben ndash Denken ist aberauch gar nicht in einem Zuge zu bestimmen Schon Thomas von Aquin hatdarauf aufmerksam gemacht dass wie bei allen Begriffen hier eine doppelteMoumlglichkeit vorliegt63 Es ist naumlmlich nicht gleichguumlltig ob diese Begriffekonkret oder abstrakt gefasst werden Sie verhalten sich naumlmlich was denCharakter der Vollkommenheit angeht sogar spiegelverkehrt Innerhalb derOrdnung der abstrakten Termini muss Sein als vollkommener als Leben undDenken angesehen werden Dem Sein (esse) selbst kann keine Form oderWeise der Vollkommenheit abgesprochen werden Denn so das Argumentdes Thomas es kann ja dem Sein selbst nichts abgesprochen werden JedeUnvollkommenheit enthaumllt ein Nichtsein bzw bringt ein Fehlen zum Aus-druck somit das Gegenteil des Seins Entsprechend ist auch Leben edler alsErkennen Beim konkreten Ausdruck verhaumllt es sich freilich umgekehrt Dasjeweils Konkrete hat seine Bestimmung durch Teilhabe ndash an dem naumlmlichwas durch die abstrakte Wortform zum Ausdruck gebracht wird Von dieserkonkreten Wirklichkeit sagt Eckhart nun dass sie fuumlr sich genommen nacktalso bar jeder Bestimmung und damit bar jeder Vollkommenheit ist Die ver-schiedenen Bestimmungen vermitteln unterschiedliche TeilhabeverhaumlltnisseDeren Vollkommenheit richtet sich nach dem sachlichen Gehalt Es ist mehrlebendig zu sein als nur zu sein und in den Augen Eckharts ist es sogar nichtbloszlig mehr erkennend zu sein als nur zu leben denn ein Erkennendes zu seinist die houmlchste Stufe der Teilhabe uumlberhaupt Der Begriff bdquolebendigldquo enthaumlltmehr als der Begriff bdquoseiendldquo Eckhart sagt nun nicht auf Grund dessendass es diese Bestimmung vivens est als vielmehr auf Grund dessen dass esetwas nur dann lebendig ist wenn es auch ist Das Sein ist der Grund rationeesse quod includit64 Dies gilt allein auf Grund dessen dass es ist denn vonden nicht-lebendigen aber wirklichen Dingen kann uumlberhaupt nur gesagtwerden dass sie sind also nicht etwas sind in dem das Sein daruumlber hinausnoch eingeschlossen waumlre

Diese Stelle ist deswegen besonders aufschlussreich weil Eckhart diesenGedanken aus Thomas von Aquin uumlbernimmt wobei man freilich fragenmuss ob er ihn auch wirklich im Sinne des Thomas auffasst Bevor wir aberdas tun muss noch ein Blick auf eine andere Stelle geworfen werden in derer ebenfalls auf jene Thomas-Stelle sich bezieht hier aber in kritischer Ab-sicht Er gibt die thomasische Fassung der Triade aus der Summa theologiae

63 ST I 4 2 ad 364 In Ioh n 63 533 (wie Anm 3)

276 Rolf Schoumlnberger

wieder und bekundet in der fruumlhen Pariser Quaestio Ego autem credo totumcontrarium65 Warum das Eckhart gibt mehrere Begruumlndungen Wenn dochim Prolog des Johannes-Evangeliums gesagt wird dass im Anfang das Wortwar das Wort aber zum Verstand gehoumlrt dann ist doch das Erkennen ndashintelligere ndash dasjenige was den houmlchsten Grad der Vollkommenheit innehatAndernfalls waumlre es nicht das Erste Seiend und Sein wird an dieser Stelledurch ein vel verbunden bzw gleichgesetzt waumlhrend bei Thomas gerade dergegensaumltzliche Charakter der Wortformen die Pointe gewesen war Es handeltsich bei Eckhart gleichwohl in allen Faumlllen um Vollkommenheiten

Und Eckhart bezieht und beruft sich zudem gerade auch auf die Meta-physik des Aristoteles der doch ndash davon war schon die Rede ndash von denmathematischen Gegenstaumlnden des Gute ndash das doch mit dem Sein austausch-bar ist ausschlieszligt66 Und einer anderen Stelle der aristotelischen Metaphysikglaubt Eckhart nochmals einen Einwand gegen die Universalitaumlt des Seinsentnehmen zu koumlnnen Gut und Schlecht findet sich in den Dingen aber nichtWahr und Falsch die ihren Ort in der Seele haben67 Das darin implizierteArgument ist wohl ein doppeltes

1 Erkennen darf gerade nicht als eine Weise von Sein verstanden werdensondern als Nichtsein Andernfalls waumlre all das was mit Wahrheit Er-kenntnis Wort zusammenhaumlngt nichts Urspruumlngliches stattdessen eineSpezifikation von anderem und erst diesem koumlnnte dann Urspruumlnglich-keit zugeschrieben werden

2 Sein enthaumllt keinen kognitiven Bezug Nur was als Nichtseiendes gedachtwird kann auch als etwas gedacht werden das auf anderes verweistSeiendes verweist immer nur auf sich selbst

Also ist der Begriff des Erkennens umfassender und bringt damit eine houmlhereVollkommenheit zum Ausdruck als der Begriff des Seins denn er bezieht sichzwar auf Seiendes ist aber selbst keines Das Sein in der Seele ist kein Fall

65 Qu Par I n 6 433 (wie Anm 3) der Sache nach setzt sich Eckhart damit auch von Albertab De causis et proc univ I 3 13 (ed Col XVII2 p 150 44ndash56) Primum enim inomnibus est esse quia nihil ante se supponit secundum intellectum necesse est quod exnihilo sit Et ideo in omnibus in quibus est necesse est ipsum fieri per creationem Percreationem enim fit quod ex nihilo fit Vita autem ante se supponit ens secundum naturamet intellectum et ex esse producitur sicut determinatum ex confuso Unde vita non dicitsimplicem esse conceptum sed dicit esse formatum ad aliquid Vita igitur per creationemfieri non potest quid fit ex aliquot Relinquitur igitur quod fiat per informationem Simili-ter autem est de intellectivo et scitivo Hoc enim supponit ante se vivere et esse

66 Vgl Met Β 4996 a 29ndash3267 Vgl Met Ε 41027 b 25ndash27

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 277

oder Modus von Sein sondern das Gegenteil von Sein Waumlre das Erkenntnis-bild in der Seele selbst etwas fuumlr sich genommen ein Seiendes koumlnnte es nichtauf anderes verweisen wo doch dieser Verweis gerade seinen Bildcharakterausmacht Sofern um noch weiter den Argumenten Eckharts zu folgen so-fern etwas ist faumlllt es unter die Allmacht Gottes Im Denken koumlnnen wir aberFeuer und Hitze trennen wie ja auch verbinden Auch daraus ergibt sich einegroumlszligere Reichweite des Denkens gegenuumlber dem Sein Eckhart uumlbernimmtauch den schon augustinischen Gedanken dass das goumlttliche Wissen Grundder Dinge die Dinge aber Grund unseres Wissens sind Wenn aber das Seinder Dinge im Wissen begruumlndet wird dann hat dies einen weiteren RadiusAll dies sind Gruumlnde dafuumlr dass das Denken den reicheren Inhalt als derBegriff des Seins hat Auf die konkreten Termini und ihr Verhaumlltnis zueinan-der geht Eckhart gar nicht mehr ein Dies scheint ihm mit den vorgebrachtenArgumenten bei dem abstrakten Begriff bereits erledigt und hinfaumlllig gewor-den Es geht jetzt nicht darum den Gruumlnden fuumlr die spaumltere Wendung bzwauf die Hinsicht der Wendung zu reflektieren Hinzuweisen ist freilich nochdass die spaumltere Ansetzung welche den thomasischen Gedanken uumlbernimmtsich auch in einer Predigt findet68

Thomas von Aquin hatte sich demgegenuumlber auf Dionysius berufen ImBegriff des Seienden sind der des Lebens und der der Weisheit nicht einge-schlossen und daher ist dieser der aumlrmere Begriff In ihm wird etwas gedachtmit dem nicht notwendig der Begriff Leben verbunden ist Dass bdquoseiendldquolebendig nicht (begrifflich) einschlieszligt ist nur ein anderer Ausdruck dafuumlrDenn seiend ist etwas durch seine Teilhabe am Sein aber in diesem Fall desLebendigseins wird nur eine Weise der Teilhabe am Sein gedacht Das SeinGottes hingegen schlieszligt notwendig alle Vollkommenheiten d h alle voll-kommenen Seinsweisen ein69 Welche Vollkommenheit auch immer gedachtwird es ist doch immer eine wirkliche Vollkommenheit Denn ndash und dies istdie entscheidende Behauptung ndash vollkommen wird etwas nur dadurch dasses wirklich ist70 Wie dies mit Eckharts semantischer Theorie konkreter Be-griffe zur Kohaumlrenz zu bringen ist ist nicht ohne weiteres ersichtlich

Die rekonstruktiven Uumlberlegungen blieben unvollstaumlndig bliebe ausge-blendet dass Eckhart in die Triade SeinLebenDenken auch selbst einenBruch einfuumlgt Er unterscheidet grundsaumltzlicher als dies in den zitierten Stel-len zu entnehmen oder auch nur zu erahnen ist zwischen dem Sein einerseits

68 Pred 8 (wie Anm 3) Pred 1 1296ndash130369 ST I 4 2 ad 3 De pot 72 ad 970 SCG I 28 (260) Omnis enim nobilitas cuiuscumque rei est sibi secundum suum esse nulla

enim nobilitas esset homini ex sua sapientia nisi per eam sapiens esset ST I 4 3 Omniumautem perfectiones pertinent ad perfectionem essendi secundum hoc enim aliqua perfectasunt quod aliquo modo esse habent

278 Rolf Schoumlnberger

und Leben und Denken andererseits Waumlhrend Sein das Moment der Er-schaffbarkeit enthaumllt kann dies von Leben und Denken seiner Auffassungnach nicht behauptet werden71 Er fasst diese beiden also in ihrer Unterschie-denheit vom Sein Dies ist weder fuumlr sich genommen leicht zu verstehen nochohne weiteres mit der anderen Aussagereihe in Einklang zu bringen Eckhartversteht sowohl Leben als auch Erkennen als etwas Unableitbares von innenher Bestimmtes Insofern ist von diesen Begriffen keine Bruumlcke zu einer Ursa-che zu schlagen Obgleich Eckhart anfangs und grundlegend Gott als Seinund damit Seinverleihendes denkt denkt er dann Leben und Denken dochnicht als Weisen von Sein denn dann duumlrften sie dessen Grundbestimmungnur modifizieren Sie stehen dazu aber in diesem Kontext gerade in einemOppositionsverhaumlltnis

Neben den Kohaumlrenzproblemen sollte nicht ganz uumlbergangen werden inwelchen Zusammenhaumlngen die Verknuumlpfung der Begriff Leben und Denkeneine Rolle spielen Dabei seien nur einige Beispiele herangezogen Innerhalbder Gnadenlehre ist der Lebensbegriff von entscheidender Bedeutung Gratiadei vita aeterna72 Dies verbindet Eckhart mit dem Satz ego veni ut vitamhabent73 Die Gnade ist im eigentlichen Sinne Leben ndash und da erhebt sich dieFrage da erhebt sich fuumlr Eckhart die Frage wie der Lebensbegriff zu bestim-men ist Er stellt eine Frage Quid tam formale quam vita Er antwortetdarauf mit dem schon eroumlrterten Aristoteles-Zitat und sagt dann Nihil estipso esse formalius Es wird dabei nicht eigentlich die erste Aussage uumlberbo-ten sondern interpretiert Wenn das Leben das Sein des Lebendigen betrifftdann heiszligt das in der Deutung Eckharts negativ nicht die Vermoumlgen derSeele und nicht deren Aumluszligerungen sondern dieses Leben bezieht sich auf dasWesen der Seele (in diesem Sinne ihr Sein) selbst74

Sed li esse ndash sbquosumuslsquo ndash quanto communius quanto abstractius tantopurius vitam quod li sbquoviverelsquo significant75 Hier kehrt also wenn auch ver-klausuliert formuliert wieder bdquoDas Leben ist das Sein des Lebendigenldquo DieVerknuumlpfung beider Begriffe geschieht jedoch nicht im Hinblick auf den Voll-zugssinn sondern im Hinblick auf den Gehalt als solchen Auf diesen beziehtsich so sagt er hier auch das Verbum vivere Es steht also nicht der konkreteLebensbegriff des Aristoteles im Blick der die verschiedenen Lebensformen

71 In Sap n 22 343 In Ioh n 62 51 Ser XXXI 5 n 323 f 283 Pred 3 Pred 66 123Pred 82 425 f etc (insgesamt wie Anm 3)

72 Roumlm 6 2373 Joh 10 1074 Ser XVII 6 n 179 16711 f (wie Anm 3)75 In Eccli n 2 232 (wie Anm 3) vgl Thomas von Aquin SCG I 93 (817) Vita enim

viventis est ipsum vivere in quadam abstractione significatum sicut cursus non est secun-dum rem aliud quam currere

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 279

einerseits unterschieden andererseits in eine Stufenfolge gebracht hat Genaudies hat ja zu der neuralgischen Stellung des Verstandes gefuumlhrt bei dem erstentschieden werden muss ob dieser denn selbst auch eine Lebensfunktion istoder umgekehrt sich zu den Lebensfunktionen heterogen verhaumllt Wenn Gottlebendig ist wie Aristoteles selbst sagt76 dann jedenfalls nicht durch die See-le sondern eben durch seinen Verstand Mit diesem wird der Lebensbegriffhier ja auch verknuumlpft Dies erklaumlrt den Ansatz des neuplatonischen Begriffesvon Leben der als eine Form verstanden wird und eben nicht im Hinblickauf die diversen Funktionen und Formen des Lebendigen

IV Schlussbemerkungen

Diese Vergegenwaumlrtigung von Eckharts Verhaumlltnis zur Metaphysik des Aris-toteles die im Wesentlichen durch Analyse Eckhartrsquoscher Bestimmungen undihrer argumentativen Gewinnung unternommen wurde hat sich auf Themen-kreise bezogen die unmittelbar mit dem Begriff des Seins zu tun haben derdas Kernthema der aristotelischen Metaphysik ausmacht Die Resultatekoumlnnten erst dann mit der erforderlichen Praumlgnanz beurteilt werden wennsie gegen andere Inanspruchnahmen Berufungen und Kommentare gehaltenwuumlrden Dies ist in diesem Rahmen nicht moumlglich Es laumlsst sich zudem abse-hen dass andere mittelalterliche Auseinandersetzungen mit der aristoteli-schen Metaphysik ndash Albertus Magnus Thomas von Aquin Johannes DunsScotus Johannes Buridan ndash zwar allesamt uumlber Aristoteles mehr oder wenigerweit hinausgehen dass man aber sehr stark vermuten muss dass dies beiEckhart in der radikalsten Weise der Fall ist Dies wiederum hat aber nichtsspezifisch mit dem aristotelischen Metaphysikkonzept und einzelnen meta-physischen Theoremen des Aristoteles zu tun ndash auch wenn er sonst etwa inder Theorie der Erkenntnis mitunter Aristoteles sicherlich naumlher steht ndash son-dern gilt generell fuumlr seine Beziehung auf philosophische77 auctoritates Siesind nicht Gegenstand kommentierender Aneignung sondern Quelle der Ins-piration und Material der Inanspruchnahme Unter dem Maszligstab exegeti-scher Aufschlieszligungskraft wirkt das von Eckhart Vorgelegte zweifellos will-kuumlrlich In den Augen Eckharts selbst liegt dabei wohl keinerlei Beliebigkeitvor denn er sieht sie in dem Sinne in der er sie versteht zugleich als wahran Wenn ein Satz inhaltlich als wahr anerkannt werden muss ist nicht mehr

76 Vgl oben Anm 4477 Zur Methode biblischer Exegese S Grotz Auslegung oder Zerlegung Interpretatorische

Gewalt bei Meister Eckhart in R SchoumlnbergerS Grotz (Hrsg) Wie denkt der Meister(Meister-Eckhart-Jahrbuch Bd 5) Stuttgart 2012 99ndash115

280 Rolf Schoumlnberger

entscheidend ob sein Sinn im historischen Sinne zutreffend bestimmt ist Daswiederum heiszligt dass die Bedeutung eines Satzes nicht auf die Intention desAutors festgelegt werden kann ndash oder um es im Sinne Eckharts zu formulie-ren reduziert werden darf

Literatur

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Metaphysikentwuumlrfe und Metaphysikkritikim Spaumltmittelalter

Metaphysik als Ontologie und SprachanalyseWilhelm von Ockham

Matthias Kaufmann

I Was ist Metaphysik was tut der Metaphysiker

Wilhelm von Ockham hat bekanntlich keinen Kommentar zur aristotelischenMetaphysik und erst recht keine Abhandlung oder Disputation entsprechen-den Titels verfasst Er laumlsst indessen entgegen einer in der Sekundaumlrliteraturimmer wieder vorgetragenen Einschaumltzung1 keineswegs grundsaumltzliche Skep-sis gegenuumlber dieser Wissenschaft erkennen eine Bemerkung im Prolog zuseinem Physikkommentar deutet sogar darauf hin dass er vorhatte die aristo-telische bdquoMetaphysikldquo zu kommentieren2 Womoumlglich ist er in Oxford oder

1 Vgl die Beispiele bei O Boulnois Une meacutetaphysique nominaliste est-elle possible Le casdrsquoOccam Le reacutealisme des universaux Cahiers de Philosophie de lrsquouniversiteacute de Caen 38ndash39 2002 187

2 Die Werke Ockhams werden in folgender Weise angegebenGuillelmi de Ockham Opera philosophica St Bonaventure (NY) [= Oph]Bd 1 Summa logicae 1974 [= Oph 1]Bd 2 Expositionis in libros artis logicae prooemium et expositio in librum Porphyrii de

praedicabilibus expositio in librum praedicamentorum Aristotelis expositio in li-brum perihermenias Aristotelis tractatus de praedestinatione et de praescientia deirespectu futurorum contingentium 1978 [= Oph 2]

Bd 3 Expositio super libros elenchorum 1979 [= Oph 3]Bd 4 Expositio in libros physicorum Aristotelis prologus et libri IndashIII 1985 [= Oph 4]Bd 5 Expositio in libros physicorum Aristotelis libri IVndashVIII 1985 [= Oph 5]Bd 6 Brevis summa libri physicorum summula philosophiae naturalis et quaestiones in

libros physicorum Aristotelis 1984 [= Oph 6]Bd 7 Opera dubia et spuria Venerabili Inceptori Guillelmo de Ockham adscripta 1988

[= Oph 7]Guillelmi de Ockham Opera theologica St Bonaventure (NY) [= Oth]Bd 1 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio prologus et distinctio prima

1967 [= Oth 1]Bd 2 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio distinctiones IIndashIII 1970

[= Oth 2]Bd 3 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio distinctiones IVndashXVIII 1977

[= Oth 3]Bd 4 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio distinctiones XIXndashXLVIII

1979 [= Oth 4]

286 Matthias Kaufmann

London durch die Einbestellung nach Avignon nicht mehr dazu gekommeneine derartige Schrift zu verfassen nach der Ankunft in Muumlnchen hat er sichallemal nur noch politischen und rechtstheoretischen Schriften gewidmetMan muss seine Auffassungen zur Metaphysik somit aus den unterschiedli-chen Schriften aus mitunter eher nebensaumlchlichen Anmerkungen extrahierenMan erhaumllt hinsichtlich des Gegenstandsbereichs der Metaphysik ein ehertraditionelles Bild So ist es eher Aufgabe des Metaphysikers als des Logikersuumlber die Natur des Begriffes nachzudenken und z B uumlber die Bemerkungendes Porphyrius zum Status der Universalien aber auch uumlber die Seinsweisedes Begriffes selbst zu reflektieren3 generell sich mit dem Seienden zu befas-sen Der Metaphysiker befasst sich hinsichtlich des Vorrangs der Aussagenzuerst mit dem Seienden hinsichtlich des Vorrangs der Vollkommenheit mitGott4 so wie jede Wissenschaft ihre Aussagen und ihre Gegenstaumlnde nachunterschiedlichen Kriterien ordnen kann und moumlglicherweise Aussagen diein einer Wissenschaft als nicht mehr thematisierte Prinzipien fungieren ineiner anderen Untersuchungsgegenstand sind5 Offenbar nimmt Ockhamselbstverstaumlndlich an dass die Metaphysik eine Wissenschaft mit eigener Auf-gabenstellung und eigenem Gegenstandsbereich ist Dabei muss er angesichtsder Mehrdeutigkeit des Wortes scientia klarstellen dass damit Verschiedenesgemeint sein kann Einmal ist es naumlmlich die Kenntnis eines wahren Satzesuumlber einen bestimmten Gegenstand uumlber ein subiectum die wiederum in(evidente) Kenntnis notwendiger oder kontingenter Wahrheiten eingeteiltwerden kann6 Zum anderen handelt es sich um einen Habitus der verschie-dene Habitus umfasst eine in sich geordnete Sammlung verschiedener Kennt-nisse zu der auch die Kenntnis der unzusammengesetzten Termini wie derSaumltze gehoumlrt7 heute wuumlrde man wohl von einer Theorie sprechen Eine solcheTheorie hat nicht einen Gegenstand ein subiectum wie eine einzelne Aussa-ge vielleicht allerdings ein primaumlres Objekt wie etwa das Seiende mit demsich die Metaphysik befasst

Bd 5 Quaestiones in librum secundum Sententiarum (Reportatio) 1981 [= Oth 5]Bd 6 Quaestiones in librum tertium Sententiarum (Reportatio) 1982 [= Oth 6]Bd 7 Quaestiones in librum quartum Sententiarum (Reportatio) 1984 [= Oth 7]Bd 8 Quaestiones variae 1984 [= Oth 8]Bd 9 Quodlibeta septem 1980 [= Oth 9]Bd 10 Tractatus de quantitate et tractatus de corpore Christi 1986 [= Oth 10]Die angegebene Stelle im Prolog zum Physikkommentar findet sich Oph 4 sect 4 14

3 Guillelmi de Ockham Oph 2 (wie Anm 2) 3494 Guillelmi de Ockham Oph 4 (wie Anm 2) 105 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 251 f 255 f Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie

Anm 2) 106 Guillelmi de Ockham Oph 4 (wie Anm 2) 5 f7 Guillelmi de Ockham Oth 1 (wie Anm 2) 8 f

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 287

Ockham akzeptiert so koumlnnte man sagen ohne Einschraumlnkung die zuBeginn des vierten Buches der aristotelischen Metaphysik gestellte Aufgabesich dem Seienden als Seiendes mit seinen Attributen und Widerfahrnissen zuwidmen (Met Γ 11003 a 21 f) und das Verhaumlltnis zu den Prinzipien derdiversen Wissenschaften zu bestimmen Er warnt allerdings davor die Ver-bindung von Metaphysik und natuumlrlicher Theologie die in der Metaphysikbei der Rede vom ersten Beweger dessen Untersuchung nicht zur Physik ge-houmlren koumlnne nahegelegt wird (Met E 11026 a 18 f) falsch zu interpretie-ren Wenn man den Begriff der natuumlrlichen Theologie und den der Metaphy-sik weit auslegt kann es gewisse Uumlberschneidungen geben im Kern aberso haumllt Ockham in expliziter Wendung gegen Duns Scotus fest bleibt dieMetaphysik eine spekulative8 und die Theologie eine teils spekulative zuanderen Teilen jedoch ndash dies gegen Heinrich von Gent und andere ndash einepraktische Wissenschaft weil sie sich auf unser Handeln bezieht9

Selbstverstaumlndlich hat Ockham keinerlei Probleme sich mit den traditio-nellen insbesondere im Kontext der Sentenzen des Petrus Lombardus vonAutoren wie Heinrich von Gent und insbesondere Duns Scotus diskutiertenFragen der Gotteserkenntnis und anderen theologischen Problemen zu befas-sen darunter der Frage ob die Existenz Gottes von Natur und fuumlr sich be-kannt sei10 ob sich in jedem Geschoumlpf eine Spur der Trinitaumlt finde11 und objedes rationale Geschoumlpf ein Bild der Trinitaumlt sei12 Er wendet dabei wie inanderen Zusammenhaumlngen seine auf der sorgfaumlltigen Differenzierung von Be-deutungsnuancen der verwendeten Termini basierende Methode an So unter-sucht er jeweils erst wie vestigium und imago gewoumlhnlich gebraucht werdenehe er der Frage nach der Uumlbertragung auf Gott13 nachgeht

In allgemeiner Verwendung ist eine Spur bdquoeine Wirkung die von einerder Art oder gar nur der Gattung nach bestimmten Ursache hinterlassen wur-de an diese erinnert und nach einem allgemeinen Gesetz zum Glauben aneine kontingente Aussage fuumlhrt die sagt dass etwas mit dieser Ursache prauml-sent ist oder war oder dergleichenldquo14 In dieser Weise sind der Rauch unddas Verbrannte eine Spur des Feuers und der Geruch eine Spur eines vorbeige-

8 Ebd 325 ff 3659 Ebd 335 ff10 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 432 ff11 Ebd12 Ebd 552 ff13 Ebd 54314 Ebd 548 vestigium prout una creatura dicitur vestigium alterius tripliciter accipitur Uno

modo large et sic vestigium est effectus derelictus ex aliqua causa determinatae specieivel saltem generis rememorativum ipsius ducens ex communi lege in adhaesionem alicuipropositioni contingenti enuntianti esse vel fuisse vel aliquid tale de illa causa

288 Matthias Kaufmann

gangenen Tieres Strenger genommen bedeutet bdquoSpurldquo den Eindruck denetwas in etwas hinterlaumlsst wenn es wieder verschwindet wie etwa der Siegel-ring im Wachs Im engsten Sinne ist Spur der Eindruck irgendeines Teilesirgendeines Ganzen der zuruumlckbleibt wenn dieses Ganze verschwindet (etwader Eindruck eines Hufs)

Auch bdquoBildldquo kann mehrfach verstanden werden

bdquoIm engsten Sinne ist es eine Substanz die von einem Kuumlnstler so geformtwurde dass sie etwas gemaumlszlig einiger Akzidentien aumlhnlich istldquo etwa eineHolzfigur die Herkules darstellt In einem anderen Sinn bezieht sichbdquoBildldquo auf alles bdquowas so geformt ist ob nun zur Nachahmung hergestelltoder nicht In dritter Weise kann man unter Bild das verstehen was ein-deutig von einem anderen hervorgebracht wird und aus Gruumlnden seinerHervorbringungsweise mit einer Aumlhnlichkeit entsteht Auf diese Weisekann man den Sohn ein Bild seines Vaters nennenldquo15

Diese Untersuchungen schlieszligen an an die Auseinandersetzung mit dem Uni-versalienproblem mit der erkenntnistheoretischen Frage nach der Erkenntnisdes Einzelnen und des Allgemeinen ebenso wie mit der Frage ob GottesWesen das erste von unserem Intellekt Erkannte sei was im Hinblick auf dieEntstehung und die Angemessenheit des Erfassens nicht gilt wohl aber imHinblick auf die Vollkommenheit16 oder auch die Frage ob es etwas Univer-sales gibt das univok fuumlr Gott und seine Geschoumlpfe gilt wofuumlr Ockham diePraumldizierbarkeit des Seienden ens ermittelt17 Ockham folgt in diesem Punktrelativ weitgehend der Auffassung von Ioannes Duns Scotus kann durchseinen praumldikationstheoretischen Zugang jedoch einige von dessen theoreti-schen Problemen vermeiden18

Ockham gibt also wenig Anlass fuumlr die These er befasse sich nicht mitden Fragen und Problemen die man traditionell der Metaphysik zuordnet19

Er vermeidet nur eine uumlbereilte Identifikation der Metaphysik mit der natuumlrli-

15 Ebd 553 imago tripliciter accipitur Uno modo strictissime et sic imago est substantiaformata ab artifice ad similitudinem alterius secundum aliqua accidentia conformia et eius-dem speciei cum accidentibus illius ad cuius similitudinem fit [] minus Alio modo accipiturimago pro tali formato sive fiat ad imitationem alterius sive non minus Tertio modo accipiturimago pro omni univoce producto ab alio quod secundum rationem suae productionisproducitur ut simile et isto modo Filius potest dici imago Patris

16 Ebd 38917 Ebd 31718 L Honnefelder Wilhelm von Ockham Die Moumlglichkeit der Metaphysik in T Kobusch

u a (Hrsg) Groszlige Philosophen Bd 2 Darmstadt 2010 154 f19 So auch L M de Rijk War Ockham ein Antimetaphysiker in J P BeckmannL Honne-

felderG SchrimpfG Wieland (Hrsg) Philosophie im Mittelalter Hamburg 1996 313ndash328

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 289

chen Theologie setzt seine besondere Ontologie voraus und wendet seinesprachanalytische Methode an weshalb es unvermeidlich wird diese seineontologischen und methodischen Praumlmissen zu untersuchen

Die Metaphysik wird bei Ockham auszliger von der Theologie auch von derNaturphilosophie einerseits der Logik andererseits abgegrenzt Die Meta-physik trifft z B andere Aussagen uumlber die Materie als die NaturphilosophieWaumlhrend letztere z B uumlber das Verhaumlltnis von Materie und Form reflektiertetwa dass die Materie nicht von sich eine bestimmte Form hat aber niemalsjeglicher Form entkleidet werden kann befasst sich die Metaphysik damitdass sie zum Wesen des Ganzen gehoumlrt dass aus ihr ein Teil der Definitionentstammt etc20 Der Commentator will andererseits so Ockham in seinemKommentar zur Physikvorlesung nicht sagen dass die abgetrennten Substan-zen genau der Gegenstand das subiectum der Metaphysik seien nur dass siezu einem wesentlichen Teil derselben gehoumlren waumlhrend sich ein anderer mitdem Seienden als solchem befasst In jedem Fall kann sie wie es fuumlr jedeWissenschaft gilt die Existenz ihres Gegenstandsbereichs nicht beweisen die-se ist entweder offenkundig oder wird von einer anderen Wissenschaft bewie-sen21 Auch die Metaphysik als Wissenschaft vom Unbewegten kann fernerunseren unvollkommenen Verstand nicht zur Erkenntnis des ersten Bewegersan sich fuumlhren aber doch deutlich mehr an Eigenschaften zusammentragenals die Physik die ihn nur im Hinblick darauf versteht dass er anderes be-wegt22

Ebenso selbstverstaumlndlich behandelt Ockham erklaumlrtermaszligen innerhalbseiner logischen Werke auch metaphysische Probleme um Missverstaumlndnis-sen vorzubeugen23 Dabei legt er Wert darauf dass die Metaphysik keineneuen seienden Dinge schafft sondern sich mit der Frage befasst welcheFormen des Seienden es gibt So gibt es keinen metaphysischen neben demnatuumlrlichen Menschen24 Ockham wendet sich insbesondere gegen die voneinigen (alii)25 seiner scholastischen Kollegen vorgenommene Verdinglichungz B von Orts- und Zeitangaben zur bdquoWoheitldquo und bdquoWannheitldquo

Aumlhnlich wie die Naturwissenschaft aber auch die Logik ist die Metaphy-sik also durchaus eine scientia realis Natuumlrlich nicht weil es Dinge sind diegewusst werden denn wissen kann man nach Ockham nur Komplexes alsoSaumltze und Komplexes gibt es da Ockham in seiner Ontologie nur erste Subs-

20 Guillelmi de Ockham Oph 4 (wie Anm 2) 26921 Ebd 20822 Ebd 354 ff23 Guillelmi de Ockham Oph 2 (wie Anm 2) 624 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 86 f Guillelmi de Ockham Oth 9 (wie Anm 2)

54225 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 59 f

290 Matthias Kaufmann

tanzen und einige Qualitaumlten nicht jedoch Sachverhalte anerkennt auszliger-halb der Seele nur als Gesprochenes oder als eine andere Form von Zei-chen26 Doch supponieren zumindest die Termini einiger Aussagen die zudiesen Wissenschaften gehoumlren fuumlr Gegenstaumlnde auszligerhalb der Seele wes-halb man von einer scientia realis sprechen kann27 Wie Olivier Boulnoisfestgehalten hat le nominalisme nrsquoest pas un idealisme28 Das Bestreben amdirekten Realismus festzuhalten war vermutlich eines der Motive warumOckham seine Ansicht uumlber den ontologischen Status des Begriffs revidierte

Ockhams besondere Weise sich dem was ist zu widmen die Methodikseiner metaphysischen Reflexionen bringt die Metaphysik freilich in beachtli-che Naumlhe zu Logik und Sprachphilosophie einerseits zur Erkenntnistheorieandererseits Da er bei den angesprochenen Fragestellungen gerade im Um-gang der Erkenntnis Gottes und der Trinitaumlt zwar eigene Positionen vertrittsich indessen durchaus im Rahmen der bdquogaumlngigenldquo Auffassungen bewegtwaumlhrend seine Auseinandersetzung mit Logik Sprachphilosophie aber auchdem was man spaumlter Erkenntnistheorie nannte enorme Innovationskraft be-saszlig und besitzt sei nunmehr das Augenmerk auf diesen Bereich seines Schaf-fens gelenkt

II Die sprachliche Erschlieszligung des Seienden

Die Verbindung der Metaphysik zur Sprachphilosophie und zur Erkenntnis-theorie ergibt sich gerade daraus dass der Nominalismus dieser Form keinIdealismus ist naumlmlich durch die unmittelbare Korrespondenz zwischen denGegenstaumlnden der Welt und den Termini die sich auf sie beziehen Aus die-sem Grund wird die zugehoumlrige Untersuchung auch ein Gegenstand der Sum-ma Logicae Durch die Erkenntnistheorie werden Ontologie und Sprachphi-losophie miteinander verbunden da sie zeigt wie wahre Saumltze uumlber das Seien-de gebildet werden koumlnnen Diese fundamentale Rolle relativ formalersprachlicher Analyse koumlnnte das wichtigste Merkmal der Transformationsein der die aristotelische Metaphysik in Ockhams Werk unterliegt um dasThema des vorliegenden Bandes aufzugreifen Es ist indessen eher fraglichob er sich damit gegen den Stagiriten in Stellung bringt Man koumlnnte auchannehmen dass er nur die authentische aristotelische Auffassung richtig dar-

26 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 137 Nihil scitur nisi complexum complexumautem extra animam non est nisi forte in voce vel in consimili signo

27 Ebd28 Boulnois (wie Anm 1) 199

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 291

zustellen versucht dass seine eigene Auffassung bdquonichts anderes als konse-quenter Aristotelismusldquo ist29

Aus welchen Dingen besteht also die Welt wie strukturiert sich das Seien-de Auszligerhalb der Seele gibt es laut Ockham nur die res absolutae Dies sindaus dem aristotelischen Kategorienschema die (ersten) Substanzen und einTeil der Qualitaumlten Da die Seele eine Substanz ist besitzt auch sie Qualitaumltenals Akzidentien darunter Leidenschaften und Erkenntnisakte Auch derartigeAkte sind somit wirklich existierende Dinge fuumlr Ockham Quantitaumlten Rela-tionen und die Entitaumlten aus den anderen aristotelischen Kategorien gibt esdagegen ebenso wie Gattungen und Arten nur in anima in der Seele wie-derum als Erkenntnisakte

Die Annahme dass es Seiendes extra animam gibt und dass dies die ers-ten Substanzen und individuellen Qualitaumlten ndash also diese Weiszlige diese Suumlszligediese Roumlte ndash sind ist fuumlr Ockham offenbar keines Beweises beduumlrftig wirdals veritas manifesta vorausgesetzt Wie sich nach Ockham feststellen laumlsstwas zu den Gegenstaumlnden auszligerhalb der Seele gehoumlrt und was nicht sollim Folgenden kurz geklaumlrt werden Ebenso wird der erkenntnistheoretischeRealismus uumlbrigens keineswegs in naiver Form eher als Selbstverstaumlndlich-keit unterstellt denn begruumlndet was nicht heiszligt dass er unvernuumlnftig ist30

Durch sog absolute Termini die sich auf die absoluten Gegenstaumlnde be-ziehen entsteht bei Ockham eine direkte Beziehung zu den Gegenstaumlnden derWelt werden die Wissenschaften die sie verwenden zu realen Wissenschaf-ten Dies gilt indessen im unmittelbaren Sinne nicht fuumlr die absoluten Namenaus den gesprochenen konventionellen Sprachen sondern nur fuumlr die aus dermentalen Sprache bdquodie keiner konkreten Sprache angehoumlren und nur imGeiste vorkommenldquo (Summa Logicae I 1) Diese mentale Sprache die Ock-ham an die Stelle der als geistige Bilder gedachten Begriffe Vorstellungenoder Aumlhnlichem setzt ist vielleicht einer der zentralen aber auch heikelstenPunkte in seiner Theorie Einerseits soll sie keine uumlberfluumlssigen Terme enthal-ten traumlgt deutliche Zuumlge einer Idealsprache der modernen Logik andererseitssoll sie bei allen Menschen gleich sein quasi biologisch fundiert Die absolu-ten Namen der mentalen Sprache stellen die spontane Reaktion des Verstan-des auf die aktive Praumlsenz des Gegenstandes dar in analoger Weise wie derSeufzer die natuumlrliche Reaktion auf den Schmerz und das Laumlcheln die sponta-ne Reaktion auf die Freude ist31 Die mentalen absoluten Namen stehen somit

29 Honnefelder (wie Anm 5) 14930 M Kaufmann Ockhams direkter Realismus in B MerkerG MohrL Siep (Hrsg) Ange-

messenheit Wuumlrzburg 1998 21ndash3631 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 49 T de Andreacutes El Nominalismo de Guillermo

de Ockham como Filosofiacutea del Lenguaje Madrid 1969 95ndash101 M Kaufmann BegriffeSaumltze Dinge Referenz und Wahrheit bei Wilhelm von Ockham Leiden 1994 17 ff

292 Matthias Kaufmann

in unmittelbarer kausaler Verbindung zu den bezeichneten Dingen sind mit-bedingt durch die psychosomatische Struktur des Menschen

Durch den absoluten Namen bdquoMenschldquo werden alle Menschen gleicher-maszligen bezeichnet nicht einer mehr als der andere Weitere Beispiele sindbdquoZiegeldquo bdquoSteinldquo bdquoFeuerldquo bdquoErdeldquo bdquoHimmelldquo bdquoSchwaumlrzeldquo bdquoWaumlrmeldquobdquoSuumlszligeldquo bdquoGeruchldquo (Summa log 35 f15ndash37) Zu beachten ist dass der quali-tative Terminus bdquoSchwaumlrzeldquo sich nicht auf eine universelle Schwaumlrze sondernvielmehr auf die je einzelnen Schwaumlrzen aller schwarzen Gegenstaumlnde bezieht

Da hingegen ein konnotativer Name einer ist bdquoder etwas an erster undetwas an zweiter Stelle bezeichnetldquo (3638ndash41) bezieht bdquoweiszligldquo sich auf einDing das weiszlig ist und auf die Weiszlige bdquoweiszligldquo ist definiert als bdquoetwas dasWeiszlige besitztldquo Es geht hier um konnotative Referenz also darum dass einTerminus sich gleichzeitig jedoch in verschiedener Weise auf mehrere absolu-te Dinge bezieht beim bdquoKonnotatldquo handelt es sich nicht um Vorstellungsin-halte oder einen platonistisch interpretierten bdquoSinnldquo Diese Terminologie er-oumlffnet fuumlr Ockham die Moumlglichkeit zusaumltzliche Bezeichnungsweisen einzu-fuumlhren ohne dafuumlr die Dinge extra animam vermehren zu muumlssen Mit Hilfekonnotativer und relativer Termini kann man die anderen Kategorien definie-ren und als auszligerhalb der Seele existierende Gegenstaumlnde weiterhin nur ersteSubstanzen und einige Qualitaumlten anerkennen32 Die Verbindung wird da-durch hergestellt dass ein konnotativer Name referentiell synonym ist zueiner bestimmten Kombination von absoluten Namen Referentielle Synony-mie besteht nicht in einer Austauschbarkeit salva veritate sondern eben da-rin dass die Namen in derselben Weise fuumlr dieselben Dinge stehen Ein Bei-spiel waumlre dass humanitas zwar nicht austauschbar ist mit homo inquantumhomo sich jedoch auf dieselben Gegenstaumlnde in derselben Weise bezieht

Den Unterschieden zwischen den Gegenstaumlnden entsprechen also Unter-schiede zwischen Gruppen von Termini ndash in Ockhams Ausdrucksweise Na-men Absolute Namen beziehen sich auf absolute Gegenstaumlnde Die sog kon-notativen Namen u a aus den Kategorien deren Entitaumlten lediglich in ani-ma existieren beziehen sich gleichfalls auf absolute Gegenstaumlnde nur inanderer komplexerer Weise

Hier gilt es auch die Besonderheiten in Ockhams Umgang mit dem Be-griff der Supposition zu beachten der bekanntlich erstens die Funktion hatdie Referenz von Termini auf Einzeldinge fuumlr verschiedene Formen und Gra-de der Allgemeinheit zu systematisieren wie in den verschiedenen Formenpersonaler Supposition Zweitens soll sie die Unterscheidung von Begriff undGegenstand sowie drittens die von Gebrauch und Erwaumlhnung benennbar undso Fehlschluumlsse bestimmter Art erkennbar machen In personaler Supposition

32 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 154

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 293

steht ein Terminus oft fuumlr Dinge in einfacher Supposition stets fuumlr einenBegriff und in materialer Supposition fuumlr ein gesprochenes oder geschriebenesWort33

Supposition ist im Unterschied zur Bezeichnung (significatio) laut Ock-ham eine Eigenschaft welche dem Terminus ausschlieszliglich innerhalb einesSatzes (numquam nisi in propositione) zukommt34 Generell gilt dass einTerminus nur fuumlr das supponieren kann wovon er wahrhaft ausgesagt wird

Personale Supposition liegt vor wenn ein Terminus fuumlr das supponiertwas er bezeichnet sei dies ein extramentales Ding ein gesprochenes oder eingeschriebenes Wort eine Intention der Seele oder sonst irgendetwas Vorstell-bares (quodcumque aliud imaginabile)35 und wenn er dabei signifikativ ver-wendet wird Dass auch die zweite Bedingung wichtig ist zeigt das Beispieldes Wortes bdquoSubstantivldquo in bdquoSubstantiv hat drei Silbenldquo bdquoSubstantivldquo gehoumlrtzu den Substantiven wird aber hier nicht verwendet um Substantive zu be-zeichnen Wichtig ist fuumlr unseren Kontext dass Ockham anders als Sher-wood oder Burley oder Buridan als Signifikat eines Namens nicht den Be-griff sondern den Gegenstand ansieht auf den er sich bezieht bzw den Be-reich von Gegenstaumlnden Ein genereller Terminus wie bdquoKatzeldquo bezieht sichauf alle Dinge die den uns bekannten Katzen fuumlr den kompetenten Sprecheridentifizierbar aumlhnlich sind ohne dass damit der Anspruch verbunden waumlresie vollstaumlndig aufzaumlhlen zu koumlnnen Es geht um Gegenstandsbereiche ebenum die Dinge von denen die betreffenden generellen Termini durch kompe-tente Sprecher praumldiziert werden koumlnnen

Um eine einfache Supposition handelt es sich laut Ockham da wo derBegriff fuumlr eine Intention der Seele supponiert ohne signifikativ aufgefasstzu werden So supponiert in homo est species das Wort homo fuumlr eine Intenti-on der Seele weil nur eine solche eine Art sein kann und doch bezieht essich im eigentlichen Sinne nicht darauf

Durch den Ruumlckgriff auf den Suppositionsbegriff kann Ockham die Wei-sen ordnen in denen Dinge durch Termini bezeichnet werden und zugleichan seiner Ontologie der absoluten Dinge festhalten36

1 Einmal sagt man ein Zeichen bezeichne etwas wenn es dafuumlr supponiertoder geeignet ist dafuumlr zu supponieren da es von einem Pronomen dasfuumlr jenes steht ausgesagt werden kann So bezeichnet bdquoweiszligldquo den Sokra-

33 Eine etymologische Rekonstruktion ihrer Entstehung im 12 Jahrhundert findet sich beiL M de Rijk Logica modernorum Bd II1 Assen 1967 589ndash593

34 Guillemi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 6335 Ebd 6436 Ebd 95 f

294 Matthias Kaufmann

tes weil bdquoDieser ist weiszligldquo wahr ist wenn man dabei auf Sokrates deu-tet37

2 In anderer Weise wird unter bdquobezeichnenldquo verstanden dass ein Terminusin einer Vergangenheits- Zukunfts- Gegenwarts- oder einer wahren Mo-dalaussage fuumlr das Betreffende supponieren kann Diese Erweiterungwird noumltig weil sonst Begriffe durch bloszlige Veraumlnderung der Dinge oftihr Signifikat aumlndern wuumlrden38 Man muss hier beachten dass fuumlr Ock-ham die Kopula est in der dreiteiligen aristotelischen Satzstruktur stetseine Existenzaussage impliziert so dass weder Chimaera est Chimaeranoch Chimaera est non-ens fuumlr ihn wahr waumlren39 Deshalb gilt es beiModal- und Vergangenheitssaumltzen auf die richtige Form der Suppositionzu achten40

3 Wieder anders wird bdquobezeichnenldquo verstanden wenn das bezeichnet wirdwodurch das Wort eingefuumlhrt wird oder das was durch den Hauptbe-griff oder das Hauptwort bezeichnet wird So sagen wir dass bdquoweiszligldquo dieWeiszlige bezeichnet weil bdquoWeiszligeldquo die Weiszlige bezeichnet fuumlr die bdquoweiszligldquojedoch nicht supponiert So bezeichnet bdquorationaleldquo als Differenz aufge-fasst die Verstandesseele41

4 Im weitesten Sinn wird bdquobezeichnenldquo verstanden wenn ein Zeichen dasTeil einer Aussage sein kann oder eine Aussage oder ein Ausdruck inirgendeiner Weise etwas bezeichnet oder mitbezeichnet sei es auch nega-tiv wie etwa bdquoblindldquo das Augenlicht negativ bezeichnet und bdquoimmateri-ellldquo die Materie42

37 Ebd 95 sbquoSignificarelsquo multipliciter accipitur apud logicos nam uno modo dicitur signumaliquid significare quando supponit vel natum est supponere pro illo ita scilicet quod depronomine demonstrante illud per hoc verbum sbquoestlsquo illud nomen praedicatur Et sic albumsignificat Sortem haec enim est vera sbquoiste est albuslsquo demonstrando Sortem

38 Ebd Aliter accipitur sbquosignificarelsquo quando illud signum in aliqua propositione de praeteritovel de futuro vel de praesenti vel in aliqua propositione vera de modo potest supponere[] Secundo modo accipiendo sbquosignificarelsquo et sbquosignificatumlsquo sibi correspondens vox velconceptus per solam mutationem rei extra non cadit a suo significato

39 Vgl ebd l II 1440 Kaufmann Begriffe (wie Anm 31) 181ndash18641 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 95 Aliter accipitur sbquosignificarelsquo quando illud

dicitur significari a quo ipsa vox imponitur vel illud quod primo modo significatur perconceptum principalem vel vocem principalem Et sic dicimus quod sbquoalbumlsquo significat albe-dinem quia albedo significat albedinem pro qua tamen albedine non supponit hoc signumsbquoalbumlsquo Sic sbquorationalelsquo si sit differentia significat animam intellectivam

42 Ebd 96 Aliter accipitur sbquosignificarelsquo communissime quando aliquod signum quod est na-tum esse pars propositionis vel natum est esse propositio vel oratio aliquid importat []sive det intelligere sive connotet illud vel quocumque alio modo significet sive significetillud affirmative sive negative quo modo hoc nomen sbquocaecuslsquo significat visum quia negativeet hoc nomen sbquoimmaterialelsquo significat negative materiam []

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 295

Eine weitere terminologische Differenzierung ist essentiell fuumlr Ockhams Vor-gehen naumlmlich die zwischen Termini erster und zweiter Intention

Erste Intentionen im engeren Sinn sind natuumlrliche Zeichen fuumlr Dinge dieselbst keine Zeichen sind und die fuumlr diese Dinge supponieren koumlnnen imweiteren Sinn alle intentionalen Zeichen die nicht gerade Intentionen oderZeichen bezeichnen Zweite Intentionen sind natuumlrliche Zeichen fuumlr erste In-tentionen im engeren Sinne sofern diese einfach supponieren Dazu gehoumlrenetwa genus und species wie in animal est genus43 Diese Unterscheidung istwesentlich fuumlr Ockhams Reflexion daruumlber was z B Kategorien generellsind44 jedoch auch insofern etwa Begriffe wie bdquoRelationldquo bdquoRelativumldquo etcNamen zweiter Intention45 Generell ist es ein wesentliches Merkmal fuumlr Ock-hams Umgang mit dem Universalienproblem dass er Vieles von dem wasseine Vorgaumlnger und Zeitgenossen fuumlr Namen von Dingen halten als Namenzweiter Intention erklaumlrt Wie unterscheidet Ockham indessen Namen fuumlrZeichen von Namen fuumlr Dinge

III Der Umgang mit Universalien und Transzendentalien

1 Was gibt es und wie finde ich das heraus

Ockham beantwortet Porphyriusrsquo Eingangsfrage nach dem ontologischenStatus der Universalien genau entgegengesetzt zu der Auffassung die Porphy-rius trotz seiner Beteuerung die Frage nicht beantworten zu wollen in dergesamten Isagoge als selbstverstaumlndlich unterstellt Fuumlr Ockham sind Univer-salien stets Zeichen

Wir koumlnnen uns jetzt nicht mit den umfangreichen und mitunter etwaskomplizierten Argumentationen befassen die Ockham gegen die diversen Va-rianten des moderaten Begriffsrealismus anwendet Die Strategie bestehtmeist darin ihnen nachzuweisen dass sie letztlich doch in einen Platonismuszuruumlckfallen bdquoden niemand bei gesundem Geiste verstuumlndeldquo46

Gegen die Auffassung seines wichtigsten Gegners Duns Scotus mit sei-ner Formaldistinktion mit der natura communis und der differentia contra-hens innerhalb eines jeden Gegenstandes will Ockham zum einen bezweifelndass es solch eine Formaldistinktion gibt da alles was verschieden ist entwe-der realiter verschieden ist oder begrifflich oder so wie ein reales Ding von

43 Ebd 43 f44 Ebd 4045 Ebd 15546 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 118

296 Matthias Kaufmann

einem Begriff Selbst wenn man sie akzeptiert so weiter habe man Schwierig-keiten die Identitaumlt des betreffenden realen Gegenstandes zu erklaumlren Manhat hier von einem persistent begging of the question gesprochen47 weil Ock-ham die besondere Ontologie seines Gegners souveraumln ignoriert In der Tatkann er diesem keinen Widerspruch nachweisen wohl aber zahlreiche Kolli-sionen mit der traditionellen aristotelischen Begrifflichkeit48

Fuumlr Ockham sind genus species usw also Namen zweiter Intention diesich auf Namen erster Intention beziehen49 Letztere erfassen Ensembles kon-tingenter individueller Gegenstaumlnde aus den Kategorien Substanz und Quali-taumlt Dementsprechend verlieren die Regeln uumlber die Beziehungen zwischenArt und Gattung den Charakter der Notwendigkeit So ist es beispielsweisezumeist richtig dass die Gattung universell von der Art ausgesagt wird alsovon allen zur Art gehoumlrigen Gegenstaumlnden die Art hingegen nur partikulaumlrvon der Gattung also von einigen ihrer Gegenstaumlnde Wenn es aber auf derWelt keine anderen Lebewesen gaumlbe als Menschen so waumlre der Satz bdquoJedesLebewesen ist ein Menschldquo genauso wahr wie der Satz bdquoJeder Mensch istein Lebewesenldquo50 Art- und Gattungsbegriffe sind stets allgemeiner NaturSo gibt es zwar nur eine Sonne doch koumlnnten durch Gottes Allmacht mehrereexistieren ebenso wie Gott mehrere Engel einer species schaffen koumlnnte51

Art und Gattung sind auch nicht in dem Sinne bdquofruumlherldquo als das Individuumdass sie vor ihm in rerum natura bestehen Schlieszliglich kann das Individuumohne eine (es erfassende) Seele bestehen nicht jedoch Art und Gattung Le-diglich ist der Schluss von der Existenz des Individuums auf die von Art undGattung berechtigt nicht umgekehrt52

Da das was ist in die zehn Kategorien eingeteilt ist taucht die Frageauf wie das Universale als Zeichen als ens rationis nach der in der SummaLogicae zugrundegelegten Auffassung des Begriffs als subiective also fuumlr sichexistierende qualitas mentis hier eingeordnet wird Faumlllt es aus dem Kategori-enschema heraus Ockham deutet die vom Philosophen und seinem Com-mentator vorgenommene Einteilung des Seienden in der Vernunft nach Seien-des (ens rationis) und wirklich Seiendes (ens reale) nicht als Gegensatz wiedie Einteilung der Lebewesen in vernuumlnftige und unvernuumlnftige sondernmehr wie die Einteilung der Bedeutungen eines Wortes Als Qualitaumlt der See-le gewisserweise als seinem ontologischen Traumlger ist auch das ens rationis

47 M M Adams William Ockham Notre Dame 1987 4948 Kaufmann Begriffe (wie Anm 31) 59 ff49 Ausfuumlhrlicher uumlber die Praumldikabilien P Schulthess Sein Signifikation und Erkenntnis bei

Wilhelm von Ockham Berlin 1992 85 ff50 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 71 f51 Ebd 7252 Ebd 73

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 297

ein ens reale nicht jedoch bezogen auf seinen Inhalt z B als Zahl oder Rela-tion53

Zu dieser Sicht ist Ockham allerdings erst durch eine laumlngere Reflexiongekommen Die Diskussion um den ontologischen Status der Begriffe ist eingutes Beispiel fuumlr Ockhams Umgang mit metaphysischen Grundlagen vonLogik und Sprachphilosophie Urspruumlnglich vertritt er die sog fictum-Theo-rie

bdquoSo kann man [] sagen dass das Universale nichts Reales ist das sub-jektives Sein besitzt weder in der Seele noch auszligerhalb sondern nurobjektives Sein in der Seele hat und etwas Geschaffenes (fictum) ist dasso im objektiven Sein (d h als intentionales Objekt M K) existiert wiedas aumluszligere Ding im subjektiven Sein Und dies derart dass der Verstandwenn er irgendein Ding auszligerhalb der Seele sieht ein sehr aumlhnliches Dingim Geiste schafft []ldquo54

Diese war wohl die urspruumlngliche Ansicht Ockhams in der Reportatio derersten Fassung des Sentenzenkommentars als einzig guumlltige akzeptiert nochbei der ersten Fassung seiner Ordinatio also des von Ockham selbst uumlberar-beiteten ersten Buches bevorzugt55 Spaumlter sieht er diese ficta wohl unterdem Eindruck der Kritik seines Mitbruders Walter Chatton als moumlglicheQuelle von Irrtuumlmern die den direkten Realismus bedrohen56 Generell fragter sich ob die mit dem Begriff verbundene Qualitaumlt der Seele eine vom eigent-lichen Verstehens-Akt (actus intelligendi intellectio ipsamet) verschiedeneQualitaumlt ist oder nicht57 Ockham entscheidet sich letztlich fuumlr die actus-intelligendi-Theorie wonach der Begriff nichts anderes ist als der Verste-hensakt selbst Er begruumlndet dies unter Verweis auf das nach ihm benannteOumlkonomieprinzip Ockhams Rasiermesser frustra fit per plura quod potestetiam fieri per pauciora (vergebens geschieht durch mehrere was auch durchwenigere geschehen kann) da sich alles was durch die anderen Theorienhaltbar sei auch mit der actus-intelligendi-Theorie vertreten lasse58

53 Ebd 11354 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 271 f Ideo potest [] dici quod universale non

est aliquid reale habens esse subiectivum nec in anima nec extra animam sed tantum habetesse obiectivum in anima et est quoddam fictum habens esse tale in esse obiectivo qualehabet res extra in esse subiectivo Et hoc per istum modum quod intellectus videns aliquamrem extra animam fingit consimilem rem in mente

55 Kaufmann Begriffe (wie Anm 31) 70 ff56 Adams (wie Anm 18) 84 K Tachau Vision and Certitude in the Age of Ockham Leiden

1988 15157 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 29158 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 42 f

298 Matthias Kaufmann

Als Erkenntnisakte als Qualitaumlten der Seele somit besitzen sie also inOckhams bdquoausgereifterldquo Position reale Existenz nicht jedoch als Gegenstaumln-de sui generis Dies heiszligt indessen nicht etwa dass Zahlen Relationen etcnur irreal fingiert waumlren Papst Alexander VI war tatsaumlchlich der Vater vonCesare Borgia nicht nur in anima doch gab es in realitate rerum nicht PapstAlexander VI Cesare Borgia und die Vaterschaft als je eigene GegenstaumlndeWir leben wie gesagt nach Ockham in einer Welt von Individuen von abso-luten Dingen Uumlber diese Welt koumlnnen wir jedoch wahre Saumltze bilden indenen arithmetische geometrische relationale und andere Termini auftau-chen Die direkten Referenten dieser Termini existieren allerdings nur in derSeele als Verstandesbegriffe

Innerhalb der Kategorien ist die Ordnung nicht so dass das Houmlchstestets als Substantiv im Nominativ von allen Untergeordneten aussagbar seinmuss (alle A sind B) wie manche bdquoModernenldquo dies behaupten so daszlig eseine bdquoWoheitldquo und eine bdquoWannheitldquo geben muumlszligte59

Die Unterscheidung dieser Kategorien wird [] von der Unterscheidungder Fragewoumlrter (Fragemoumlglichkeiten) genommen die man auf die Subs-tanz bzw das Individuum der Substanz anwenden kann Gemaumlszlig demwie auf verschiedene Fragen die sich auf die Substanz beziehen durchverschiedene Termini geantwortet wird gemaumlszlig dem wird Verschiedenesin verschiedene Kategorien gesetzt60

So wird auf die Frage bdquowas ist esldquo (quid est) gewoumlhnlich mit bdquoMenschldquobdquoTierldquo bdquoSteinldquo bdquoSonneldquo also mit Termini geantwortet die in der Kategorieder Substanz sind auf bdquowieldquo (quale) mit solchen in der Kategorie der Quali-taumlt usw wenn wir auch nicht immer in unserer Umgangssprache die passen-den Fragewoumlrter haben So wird mit bdquoWas macht Sokratesldquo nach einem Tungefragt Alles Unzusammengesetzte das als Antwort auf eine derartige Frageverstanden werden kann befindet sich in einer dieser Kategorien handle essich nun um ein Adverb oder ein Verb Dies gilt jedoch nicht fuumlr synkategore-matische Termini wie bdquofallsldquo bdquoundldquo bdquojederldquo bdquokeinldquo61

2 Ockhams Methode am Beispiel der Quantitaumlt

Am Beispiel der Quantitaumlt sei kurz skizziert wie Ockham seine ontologischenAnalysen durchfuumlhrt mit denen er zu zeigen versucht dass es bestimmte

59 Ebd 114 Guillelmi de Ockham Oth 9 (wie Anm 2) 564ndash56960 Guillelmi de Ockham Oth 1 (wie Anm 2) 116 Sumitur autem distinctio istorum praedica-

mentorum [] ex distinctione interrogativorum de substantia sive de individuo substantiaeUnde secundum quod ad diversa quaestiones factas de substantia per diversa incomplexarespondetur secundum hoc diversa in diversis praedicamentis collocantur

61 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 116 f

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 299

Dinge nicht in realitate rerum sondern lediglich in anima gibt In der SummaLogicae (I 44ndash48) wendet er sich vehement gegen die Ansicht der bdquoModer-nenldquo die Quantitaumlt sei ein von der Substanz und der Qualitaumlt verschiedeneseigenes Ding ein Akzidens zwischen Substanz und Qualitaumlt und seinerseitsfaumlhig Subjekt von Qualitaumlten zu sein Ockham zeigt dass diese Auffassunggegen den Geist des Aristoteles ist62

Die intensive Beschaumlftigung mit der Kategorie der Quantitaumlt erklaumlrt sichdaher dass es durchaus nicht unuumlblich war als absolute Entitaumlten nur solcheaus den Kategorien Substanz Qualitaumlt und Quantitaumlt zu akzeptieren Diesvertreten z B auch Heinrich von Gent und Duns Scotus die sich beide aufeine Passage aus Boethiusrsquo De Trinitate berufen63 Die Beseitigung der Quan-titaumlt als Kategorie absoluter Dinge ist dagegen eine Besonderheit Ockhams

Die Gruumlnde die Ockham gegen die Meinung der Modernen anfuumlhrt sindetwa die Folgenden Zunaumlchst kann Gott jedes absolute Ding das fruumlher alsein anderes ist ohne raumlumliche Veraumlnderung erhalten waumlhrend er das anderezerstoumlrt Eine Substanz mit Teilen die voneinander entfernt sind etwa einHolzstuumlck ist aber fruumlher als ihre Laumlnge einmal angenommen es gaumlbe dieseLaumlnge als eigenen Gegenstand Demnach kann Gott die Laumlnge des Holzstuumlckszerstoumlren waumlhrend dieses erhalten bleibt Dabei sind seine Teile nach wie vorvoneinander entfernt da keine raumlumliche Veraumlnderung stattgefunden hat64

Laumlnge Breite und Tiefe sind somit keine von Substanz und Qualitaumlt verschie-denen Dinge

Sodann beweist er dass eine Linie (auf einer Oberflaumlche) nicht von dieserOberflaumlche verschieden ist Denn es sei eine Linie dasjenige was zwei Ober-flaumlchen miteinander verbindet (continuans superficies ad invicem)65 Wirdnun eine Oberflaumlche geteilt so entsteht entweder eine neue Linie oder diefruumlhere bleibt

Entsteht eine neue so werden unendlich viele entstehen Denn bei einemgeteilten Koumlrper werden unendlich viele Oberflaumlchen entstehen die unendlichviele Linien haben so wie bei einer geteilten Oberflaumlche unendlich vielePunkte entstehen die unendlich viele Linien beenden Der Grundgedankedieses Arguments besteht darin dass es mathematisch jeweils unendlich vieleTeilungsmoumlglichkeiten und damit Teile von Koumlrpern Oberflaumlchen und Linien

62 Ebd 44ndash4863 Vgl M Henninger Relations Oxford 1989 50 f 93 f laut Theo Kobusch uumlbten dagegen

Hervaeus Natalis und Petrus Aureoli den groumlszligten Einfluss auf Ockham aus Th KobuschSubstanz und Kategorialitaumlt Die Reduzierung der Kategorien nach Wilhelm von Ockhamin B Koch (Hrsg) Kategorie und Kategorialitaumlt Festschrift fuumlr Klaus Hartmann Wuumlrz-burg 1990 79

64 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 13465 Ebd 135

300 Matthias Kaufmann

gibt die gleichzeitige Existenz von unendlich vielen real existierenden (z Bbdquophysikalischenldquo) Gegenstaumlnden jedoch nicht akzeptierbar ist Diese Verbin-dung der Einsicht in eine aktuale mathematische Unendlichkeit mit der fuumlrOckham selbstverstaumlndlichen (und m E plausiblen) Ablehnung einer aktua-len Unendlichkeit real existierender Dinge koumlnnte ein Hauptmotiv fuumlr dieBeseitigung der Quantitaumlt als Kategorie absoluter Dinge sein

Falls aber dieselbe Linie bei der Teilung der Oberflaumlche bleibt so ist sienicht mehr in einem Teil als im anderen Also ist sie entweder fuumlr sich (alsoganz unabhaumlngig von jeder Oberflaumlche) oder an verschiedenen Orten in denbeiden Oberflaumlchen Jedes von beiden ist absurd

Falls auszligerdem Linien und Punkte voneinander verschiedene Gegenstaumln-de waumlren koumlnnte Gott eine Linie erhalten und den (End-)Punkt zerstoumlrenWaumlre die verbleibende Linie dann endlich oder unendlich Offenkundig nichtunendlich also endlich und dennoch ohne Punkt Somit setzt man vergeblicheinen Punkt der die Linie beendet Aumlhnlich koumlnnte Gott alle Punkte zerstouml-ren ohne dass die Linien ihre Eigenschaften verloumlren bdquoUmsonst nimmt mandaher solche von der Linie verschiedenen Punkte an Und aus dem selbenGrunde nimmt man vergeblich Linien an die von den Oberflaumlchen verschie-den sind und aus demselben Grund nimmt man vergeblich Oberflaumlchen andie von den Koumlrpern verschieden sindldquo66

Nach Ockhams Auffassung ist eine kontinuierliche Quantitaumlt nichts an-deres als ein Ding mit voneinander entfernten Teilen so dass bdquokontinuierlicheQuantitaumltldquo und bdquoDing mit voneinander entfernten Teilenldquo dasselbe bezeich-nen und vertauschbar sind falls nicht irgendein synkategorematischer Aus-druck oder eine andere Bestimmung die in einem enthalten ist die Konverti-bilitaumlt und die Praumldizierbarkeit des einen vom anderen verhindert67 Uumlber diediskrete Quantitaumlt besagt diese Auffassung dass die Zahl nichts anderes istals die gezaumlhlten Dinge selbst und die Einheit nichts als das eine Ding selbst68

Wir konnten jetzt am Beispiel der Quantitaumlt Ockhams wichtigste Analy-seinstrumente am Werk sehen mit deren Hilfe er uumlberpruumlft ob es die Refe-renten bestimmter Termini in realitate rerum gibt oder nicht Dies sind69

Die referentielle Synonymie man zeigt dass man bestimmte Terminiauch gebrauchen kann wenn man nur erste Substanzen und Qualitaumlten au-szligerhalb der Seele annimmt

66 Ebd 136 Frustra igitur ponuntur talia puncta distincta a linea Et eadem ratione frustraponuntur lineae distinctae a superficiebus et eadem rationen frustra ponuntur superficiesdistinctae a corporibus

67 Ebd 13768 Ebd 13869 Dazu ausfuumlhrlicher Kaufmann Begriffe (wie Anm 31) 91ndash100

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 301

Das Oumlkonomieprinzip oder Rasiermesser Vergeblich geschieht durchmehr insbesondere durch mehr Gegenstaumlnde was auch durch weniger ge-schehen kann

Gottes Allmacht Gott kann alle kontingenten Dinge aus dem Nichts er-schaffen aber auch wieder zerstoumlren ohne dass sich etwas in der Welt aumlndertEr kann sich aber nicht widersprechen Wir kommen also zu Differenzierun-gen zwischen analytischen nur auf dem Widerspruchsprinzip basierendenund synthetischen von kontingenten Dingen handelnden Wahrheiten

Keine aktuale Unendlichkeit in der realen Welt Im Unterschied zu Aris-toteles akzeptiert Ockham die aktuale Unendlichkeit im mathematischen Be-reich ihre Ablehnung in der physischen Welt wird oft als machtvolles Argu-ment benutzt ndash sogar beim Gottesbeweis70

3 Die Rolle der Transzendentalien

Dominik Perler hat zu Recht vor einigen Jahren darauf hingewiesen dassOckham durchaus eine eigene und originelle Art des Umganges mit dentranszendentalen Begriffen ihrerseits ein traditioneller Gegenstand metaphy-sischer Reflexion pflegt In unserem Kontext ist speziell die auch bei Perler71

zu findende Beobachtung wichtig dass er sie neben diverse Universalien beider Behandlung absoluter und konnotativer Namen setzt Sie gehoumlren beinormaler Wortverwendung zu den Namen erster Intention ferner sind bdquoWah-resldquo und bdquoGutesldquo im Unterschied zu bdquoSeiendesldquo konnotative Termini so istbdquoGutesldquo synonym mit bdquoetwas das nach rechter Auffassung wuumlnschenswertoder begehrenswert istldquo72 bdquoGutldquo und bdquoSeiendesldquo konvertieren fuumlr Ockhamallerdings nicht immer problemlos da das eine zur praktischen das anderezur theoretischen Wissenschaft gehoumlren kann73

Zu klaumlren bleibt um welche Art von Termini es sich bei bdquowahrldquo undbdquoWahrheitldquo handelt Auch hier ist Ockham sehr stringent bdquowahrldquo ist einkonnotativer Terminus der fuumlr den Satz supponiert uumlber den er ausgesagtwird und noch etwas in der Welt mitbezeichnet (Exp Praed a aO) DieWahrheit eines wahren Satzes ist in personaler Supposition von bdquoWahrheitldquowenn sich der Terminus also auf sein Signifikat bezieht der wahre Satz selbst

70 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 354 ff71 D Perler Ockhams Transformation der Transzendentalien in M Pickaveacute (Hrsg) Die

Logik des Transzendentalen Festschrift fuumlr Jan A Aertsen zum 65 Geburtstag Berlin 2003386 f

72 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 3873 Ebd 365

302 Matthias Kaufmann

die Falschheit eines falschen Satzes ist der falsche Satz selbst74 Die Wahrheitdass Rom in Italien liegt ist dasselbe wie der wahre Satz der sagt dassRom in Italien liegt In einfacher Supposition wenn er sich auf den BegriffbdquoWahrheitldquo bezieht ist der Terminus bdquoWahrheitldquo dagegen Bestandteil derReflexion uumlber den Satz als sinnvolles sprachliches Gebilde weshalb in einfa-cher Supposition die Wahrheit des Satzes von diesem verschieden ist75

(Quodl V 24)Betrachtet man die derzeit meistdiskutierten Wahrheitstheorien aus die-

sem Blickwinkel so lieszlige sich sagen dass die Korrespondenztheorie unter-sucht was jemand meint wenn er sagt ein Satz sei wahr Dagegen stellt dieRedundanztheorie zu Recht fest dass die Behauptung seiner Wahrheit derBehauptung eines Satzes nichts hinzufuumlgt Die Erklaumlrung fuumlr diese unter-schiedlichen Ansaumltze laumlge nach Ockham darin dass man im zweiten FallWahrheit in personaler Supposition verwendet In einfacher Supposition da-gegen bezieht sich Wahrheit auf ein Urteil uumlber den Satz auf das Urteil dasses so ist wie er sagt

IV Elemente der Erkenntnistheorie

Dieses Urteil wiederum der actus iudicativus ist nach Ockham ein Urteil desIntellekts uumlber einen seinerseits aus einfachen Erkenntnisakten des Intellektszusammengesetzten actus apprehensivus der im intellektuellen Erfassen ei-nes Satzes besteht76 Mit einem actus apprehensivus erfassen wir alles woraufsich ein Akt der Verstandesfaumlhigkeit richten kann sei es unzusammengesetztoder zusammengesetzt Denn wir erfassen ja nicht nur Unzusammengesetztesalso einzelne Gegenstaumlnde sondern auch Saumltze und Argumente und Unmoumlgli-ches und Notwendiges77 Ein actus iudicativus dagegen bezieht sich nur aufzusammengesetzte Akte auf Saumltze also Denn wir stimmen nur dem zu waswir fuumlr wahr halten und lehnen nur das ab was wir fuumlr falsch halten78

Die Saumltze denen man beim Urteilsakt zustimmt oder nicht sind solcheder mentalen Sprache in denen die sog notitia intuitiva evidente Erkenntnisuumlber Kontingentes uumlber das Vorhandensein kontingenter Dinge ermoumlglichtim Unterschied zur anderen Form der unzusammengesetzten Erkenntnis dercognitio oder notitia abstractiva79

74 Ebd 13175 Vgl Guellimi de Ockham Oth 9 (wie Anm 2) 13576 Guillelmi de Ockham Oth 1 (wie Anm 2) 1677 Ebd78 Ebd79 Ebd 22ndash24

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 303

Einige der erkenntnistheoretischen Ansichten Ockhams haben zu hefti-gen Kontroversen gefuumlhrt So etwa die Behauptung dass es eine intuitiveErkenntnis von einem nicht existenten Ding geben kann80 Dass wir evidenteWahrnehmung von einem nicht existenten Ding haben koumlnnen wenn Gottdies will wird als Einfallstor des Skeptizismus angesehen und ist vielleichtwirklich das Urbild von Descartesrsquo Deus malignus der uns noch uumlber diegewissesten Dinge zu taumluschen vermoumlchte auszliger daruumlber dass wir denkenDescartes Ausweg Gott als unbegrenzt gutes Wesen koumlnne uns nicht fortge-setzt betruumlgen wollen steht fuumlr Ockham zudem nicht offen da Gott unsgegenuumlber keine moralischen Verpflichtungen besitzt eine Taumluschung somitauch kein Betrug waumlre81

Doch behauptet Ockham nur bdquo[] wenn eine solche vollkommene Er-kenntnis eines nicht-existierenden Dinges durch die Macht Gottes erhaltenwuumlrde koumlnnte der Intellekt kraft dieser unverknuumlpften Erkenntnis mit Evi-denz erkennen dass dieses Ding nicht istldquo82 Es handelt sich also klar um einirreales Konditional und sowohl in der zu den fruumlhen Schriften zaumlhlendenReportatio83 wie in der Quaestio 6 des Quodlibets VI einem relativ spaumltenWerk betont Ockham dass eine derartige evidente Erkenntnis von Nicht-Existentem nicht natuumlrlicherweise sondern nur durch Gottes Allmacht ge-schehen kann84 Diese Auffassung hat daher weniger erkenntnistheoretischeals ontologische Bedeutung Wenn die notitia intuitiva eine Qualitaumlt der See-le ndash eine res absoluta also ndash ist so muss sie auch fuumlr sich weiterbestehenkoumlnnen wenn das Erkannte zerstoumlrt wird wenngleich nur im Ausnahmefalldes Eingreifens Gottes85

Die intuitive Erkenntnis des Nicht-Existenten haumltte nicht notwendig dasUrteil zur Folge dass dieses Ding existiert da ihrerseits inkomplexe intuitiveErkenntnis evidente Erkenntnis komplexer Akte darunter auch negativer ka-tegorischer Saumltze ermoumlglicht Die Zustimmung zu positiven bzw zu negati-ven kategorischen Saumltzen haumlngt davon ab dass Subjekt und Praumldikat im einenFall fuumlr dasselbe supponieren im anderen Fall nicht fuumlr dasselbe supponierenSoll die evidente Erkenntnis kontingenter Saumltze dieser Art auf der notitiaintuitiva basieren so muss fuumlr die unzusammengesetzte Erkenntnis die zurBestaumltigung dient bereits ein Platz im Satz bereitstehen So deute ich einePassage aus der Reportatio86 wo es heiszligt fuumlr die Bildung eines Komplexen ndash

80 Ebd 3881 Adams (wie Anm 18) 62782 Guillelmi de Ockham Oth 1 (wie Anm 2) 3114ndash1683 Guillelmi de Ockham Oth 5 (wie Anm 2) 259 f84 Guillelmi de Ockham Oth 9 (wie Anm 2) 604ndash60785 D Perler Theorien der Intentionalitaumlt im Mittelalter Frankfurt am Main 2002 342 ff86 Guillelmi de Ockham Oth 5 (wie Anm 2) 280 f

304 Matthias Kaufmann

eines Satzes also ndash seien nicht drei sondern nur zwei Akte erforderlich Miteinem inkomplexen Akt werden die Gegenstaumlnde erfasst und mit einem ande-ren die Kopula und die bdquoVorzeichenldquo So ist fuumlr bdquoweiszlig ist nicht schwarzldquoerstens der auf die Weiszlige und die Schwaumlrze gerichtete Akt erforderlich undzweitens der auf die Kopula und die negative Bezeichnung des einen Extre-mums gerichtete Akt Wir koumlnnen in einem inkomplexen Akt zwei fuumlr sichexistierende Dinge erfassen Die Zusammensetzung bezieht sich offenbar le-diglich auf die Satzbildung87

Die zentrale Bedeutung sprachlicher Einordnung durch die er derart vor-dergruumlndigen Skeptizismus ebenso vermeiden kann wie manch andere Fallenneuzeitlicher Erkenntnistheorie die ihm aber auch im Umgang mit metaphy-sischen Fragestellungen gute Dienste leistet bestaumltigt sich bei Ockhams Argu-mentation gegen Petrus Aureolis esse apparens Ockhams Argumente richtensich zuerst auf den problematischen ontologischen Status des esse apparensOckhams Strategie bei der Analyse einiger bdquoErfahrungenldquo die Aureoli an-fuumlhrt um die Notwendigkeit einer esse apparens genannten Zusatzentitaumlt zubegruumlnden geht dahin sie aus dem Bereich der Sinneserfahrungen in den desVerstandesurteils zu verlagern Ockham erkennt sehr wohl die Moumlglichkeitvon Sinnestaumluschungen an glaubt jedoch es sei kein esse apparens noumltig umdie Meinung der Alten wonach alles so ist wie es scheint zuruumlckzuweisen88

Gewiss koumlnnen die Faumlhigkeiten der Sinne so wie unsere anderen Faumlhigkeitenversagen Doch gibt es dann immer noch nichts anderes als absolute Dingeuumlber die falsch geurteilt wird den (fehlerhaften) Akt der Erkenntnisfaumlhig-keit89 und einen falschen Satz

Literatur

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Porphyrii de praedicabilibus expositio in librum praedicamentorumAristotelis expositio in librum perihermenias Aristotelis tractatus de

87 Adams (wie Anm 18) 49888 Guillelmi de Ockham Oth 4 (wie Anm 2) 250 f89 Ebd 251

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 305

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quaestiones in libros physicorum Aristotelis 1984Bd 7 Opera dubia et spuria Venerabili Inceptori Guillelmo de Ockham ad-

scripta 1988Guillelmi de Ockham Opera theologica St Bonaventure (NY)Bd 1 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio prologus et dis-

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III 1970Bd 3 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio distinctiones IVndash

XVIII 1977Bd 4 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio distinctiones

XIXndashXLVIII 1979Bd 5 Quaestiones in librum secundum Sententiarum (Reportatio) 1981Bd 6 Quaestiones in librum tertium Sententiarum (Reportatio) 1982Bd 7 Quaestiones in librum quartum Sententiarum (Reportatio) 1984Bd 8 Quaestiones variae 1984Bd 9 Quodlibeta septem 1980Bd 10 Tractatus de quantitate et tractatus de corpore Christi 1986

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Tachau K Vision and Certitude in the Age of Ockham Leiden 1988

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption undTransformation der Metaphysik im Denken

des Johannes Buridan

Gerhard Krieger

Der Name des Johannes Buridan duumlrfte nicht so ohne weiteres unter diejeni-gen gezaumlhlt werden die mit der Geschichte der Metaphysik im Mittelalter inZusammenhang gebracht werden1 Zum Zusammenhang von Rezeption undTransformation der aristotelischen Metaphysik in der mittelalterlichen Philo-sophie scheint ein Beitrag zu Buridans Metaphysik aber deswegen unverzicht-bar weil diese die aristotelische Metaphysik in durchaus grundlegender Hin-sicht betrifft und transformiert

Diese Transformation moumlchte ich in drei Schritten naumlher vorstellen underlaumlutern Zunaumlchst will ich auf Buridans Haltung hinsichtlich der Kenn-zeichnung der Metaphysik als Wissenschaft vom Seienden als Seienden einge-hen Dieser Punkt betrifft soweit es die besonderen Rezeptionsbedingungender Metaphysik Buridans angeht das Verhaumlltnis zum transzendentalen An-satz im Sinne des Duns Scotus Im zweiten Schritt werde ich mich dem Themader Sinnlichkeit in Buridans Betrachtung zuwenden waumlhrend ich im drittenPunkt auf seine Auffassung in der Prinzipienfrage zu sprechen komme Indiesen die Erkenntnis sowohl in ihrer sinnlichen Bestimmtheit als auch inihrer Vernunftbestimmtheit kennzeichnenden Uumlberlegungen stellen die Auf-fassungen Ockhams und Nikolaus von Autrecourts im Besonderen die Re-zeptionsbedingungen dar unter denen Buridan seine Position entwickeltZum Abschluss will ich eine Bemerkung dazu anfuumlgen wie ich BuridansTransformation der Metaphysik im Ganzen beurteile

1 Buridans Metaphysik ist als solche bisher lediglich in meiner Untersuchung Subjekt undMetaphysik Die Metaphysik des Johannes Buridan (Beitraumlge zur Geschichte der Philoso-phie und Theologie des Mittelalters Neue Folge Bd 65) Muumlnster 2003 behandelt wordenAuszligerdem ist noch zu nennen J M M H ThjissenJ Zupko (Eds) The Metaphysicsand Natural Philosophy of John Buridan Leiden Boston Koumlln 2001 Soweit Beitraumlge zuEinzelaspekten im Zusammenhang der in den vorliegenden Uumlberlegungen thematisiertenFrage nach der Rezeption und Transformation der aristotelischen bdquoMetaphysikldquo in Buri-dans Metaphysik vorliegen werden diese im Rahmen der Diskussion der betreffenden As-pekte genannt werden

308 Gerhard Krieger

I bdquoSeinldquo im Verstaumlndnis der Metaphysik Buridans ndashGegenstaumlndlichkeit und faktische Existenz

Das Verstaumlndnis der Transzendentalitaumlt bei Duns Scotus das im Besonderendie Rezeptionsbedingung der betreffenden Auffassung bei Buridan ausmachtlaumlsst sich im Anschluss an Olivier Boulnois unter zwei Aspekten kennzeich-nen Zum einen dass die Metaphysik die Hinsicht des Seins im Sinne einesallumfassenden transzendentalen Begriffs zur Aufgabe hat und dass dieserBegriff zweitens univoker Natur und als solcher modal zu explizieren ist2

1 Gegenstaumlndlichkeit statt Seiendsein

Buridan nimmt zur Frage ob das Seiende der Gegenstand der Metaphysiksei3 im Ausgang von zwei bdquoFeststellungenldquo (conclusiones) Stellung Derenerste besagt dass das Seiende fuumlr jedes bestimmte Wissen den eigentuumlmlichenund angemessenen Gegenstand darstellt Denn jegliche Wissenschaft betreffeentweder Seiendes oder Nicht-Seiendes Niemand aber behaupte das letztge-nannte4 Die zweite Feststellung lautet Der Ausdruck bdquoseiendldquo ist der eigen-tuumlmliche Gegenstand der Metaphysik Denn in jeder Wissenschaft muss dieallgemeinste Gattung als der eigentuumlmliche Gegenstand angesehen werdenund zwar die allgemeinste unter denjenigen die nicht uumlber das hinaus gehenwas im Sinne dieses Gegenstandes in Bezug auf die ersten und grundlegendenEigenschaften in dieser Wissenschaft untersucht wird (genus communissi-mum inter omnia quae non transcendunt metas scientiae consideratarum permodum subiecti respectu primarum et principalium passionum) Genau indiesem Sinne verhaumllt sich die Gattung des Seienden in der Metaphysik5

2 Vgl dazu O Boulnois Johannes Duns Scotus Transzendentale Metaphysik und normativeEthik in T Kobusch (Hrsg) Philosophen des Mittelalters Eine Einfuumlhrung Darmstadt2000 219ndash235 Zu Buridans Auffassung hat Stellung genommen J Aertsen Medieval Phi-losophy as Transcendental Thought From Philipp the Chancellor (ca 1225) to FranciscoSuarez (Studien und Texte zur Geschichte des Mittelalters Bd 107) LeidenndashBoston 2012537ndash544

3 Johannes Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (In Metaphysicen Aristote-lis quaestiones) Parisiis 1588 (Nachdruck Ffm 1964) l IV q 5 Utrum metaphysicaeproprium subiectum sit ens f 15 vbndash16 va

4 Ebd f 16 ra Respondendum est satis faciliter ponendo duas conclusiones Prima estcuiuslibet scientiae subiectum proprium et adaequatum est ens quia est ens vel non ens etnullus dicit quod non ens igitur

5 Ebd Alia conclusio Iste terminus sbquoenslsquo est subiectum proprium ipsius metaphysicae quiasicut in alia quaestione dicebatur in qualibet scientia subiectum proprium debet assignarigenus communissimum inter omnia quae non transcendunt metas scientiae consideratarumper modum subiecti respectu primarum et principalium passionum in illa scientia considera-tarum Modo sic se habet illud genus ens in metaphysica

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 309

Der entscheidende Punkt in dieser Feststellung liegt darin dass Buridan ndashganz im Sinne des aristotelischen Wissenschaftsverstaumlndnisses ndash die Metaphy-sik in gegenstaumlndlicher Hinsicht auf eine (bestimmte) Gattung bezieht6 ImSinne dieses Schrittes gibt Buridan im weiteren das Verstaumlndnis der Metaphy-sik als Wissenschaft vom Seienden als Seienden auf und reduziert den Begriffdes Seienden auf den des Vorkommnisses oder Gegebenseins

Im Einzelnen erfolgt dies in drei Schritten Zunaumlchst stellt Buridan festdass die Metaphysik nicht wie Aristoteles es tue als Wissenschaft vom Seien-den als Seienden bezeichnet werden koumlnne Denn diese Redeweise muumlsse imspezifischen Sinne gemeint sein Insoweit mache sie erforderlich die begriffli-che Hinsicht anzugeben unter der das Seiende Gegenstand der Metaphysikwaumlre7 Diese begriffliche Hinsicht aber so macht Buridan weiter deutlich istdie des bloszligen Vorkommnisses oder Gegebenseins und insoweit ist sie nichtspezifischer Natur Um dies zu tun schlieszligt er im zweiten Schritt aus dassder Begriff des Seienden apriorischer Natur ist (istius termini sbquoenslsquo non essentpartes integrales apud mentem) so dass er sich auf diesem Wege erschlieszligenlieszlige Die naumlhere Bestimmung dessen was ist ergibt sich allein vermittelsder Kategorien Diese stellen zwar ebenso wenig wie die Hinsicht des Seinsapriorische Hinsichten dar gleichwohl sind sie ihrem Ursprung nach begriffli-che Hinsichten die sich ihrem Gehalt nach objektiv verstehen (sunt eius par-tes subiective scilicet decem praedicamenta)8 Insofern bleibt die Hinsichtauf das Sein bloszlig generisch

Mit den skizzierten beiden ersten Schritten ist also die Hinsicht auf dasSein fuumlr die Metaphysik ausgeschlossen Im dritten Schritt erfolgt die Erset-zung dieser Hinsicht durch die auf den Gegenstand oder die Sache Buridantut dies indem er die Konvertibilitaumlt der Ausdruumlcke unum res und aliquidmit ens bestreitet soweit sie die partizipative Verwendung des letztgenanntenAusdrucks betrifft Dieser konnotiere naumlmlich mit temporaler Praumlsenz (con-notat praesens tempus) Vielmehr haben fuumlr Buridan die Ausdruumlcke res undaliquid Vorrang und bezeichnen insoweit den eigentuumlmlichen Gegenstand derMetaphysik (deberet poni subiectum primum iste terminus sbquoreslsquo vel iste termi-

6 Met Γ 21003 b 20ndash227 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) f 16 ra sed ibi poss-

unt fieri aliquae quaestiones Prima est utrum debeamus dicere ens inquantum ens estsubiectum in ista scientia Videtur quod sic per Aristotelem [hellip] Ad primam quaestionempotest dici quod non est propria locutio saltem vera dicere quod ens inquantum ens sitsubiectum proprium in metaphysica

8 Ebd f 16 randashb Secundo potest quaeri cum subiectum debeat habere partes et passionesquae sunt illae partes et passiones [hellip] Ad aliam quaestionem respondetur quod licet istiustermini sbquoenslsquo non essent partes integrales apud mentem tamen sunt eius partes subiectivescilicet decem praedicamenta

310 Gerhard Krieger

nus sbquoaliquidlsquo) Insofern die Verwendung von bdquoseiendldquo sich im nominalen Sin-ne verstehe koumlnne dieser Ausdruck synonym zu res oder aliquid gebrauchtwerden und ebenso den Gegenstand der Metaphysik bezeichnen Davonnimmt Buridan bdquounumldquo aus In diesem Falle handle es sich vielmehr um eineEigenschaft die mit sich selbst konvertibel sei9

Indem Buridan die partizipative Verwendung von bdquoseiendldquo der Bedeu-tung nach als temporales Praumlsens kennzeichnet begrenzt er den Sinn vonSein auf das Gegebensein Der Vorrang der Ausdruumlcke res und aliquid kenn-zeichnet die Metaphysik in den Hinsichten die an die Stelle der Hinsicht desSeins treten Die Metaphysik richtet den Blick auf das was sachhaltiger odergegenstaumlndlicher Natur ist Die Benennung des Seienden als Gegenstand derMetaphysik hat nur nominale Bedeutung und ist der Sache nach im Sinnedes Gegenstaumlndlichen oder Sachhaltigen gemeint Seiendes ist insoweit imspezifischen Sinne Gegenstand der Metaphysik als diese danach fragt wasdas was gegeben ist gegenstaumlndlicher oder sachhaltiger Natur sein laumlsst Mitdiesen Begriffen ist schlieszliglich die mit unum angesprochene Einheit nichtmehr konvertibel weil diese letztlich nicht eine Bestimmtheit ist die demBegriff des Gegenstaumlndlichen oder Sachhaltigen einfach gleichzusetzen waumlreinsofern sie das Fehlen der Teilung einschlieszligt10 Eines zu sein besagt vongegenstaumlndlicher Natur zu sein und daruumlber hinaus auszuschlieszligen ein Ge-teiltes zu sein Insofern gibt Buridan im Ergebnis das traditionelle Verstaumlndnisder Transzendentalitaumlt auf

Jan Aertsen hat zu dieser These kritisch Stellung genommen11 Er gestehtzwar durchaus ein dass Buridan indem er die Hinsichten der Sachhaltigkeitund Gegenstaumlndlichkeit der Hinsicht des Seins vorordnet und den Sinn vonSein auf das Gegebensein begrenzt bdquoSeiendesldquo aus der metaphysischen Be-

9 Ebd Tertio potest quaeri utrum aeque bene posse unus dicere de istis terminis sbquounuslsquo sbquoreslsquosbquoaliquidlsquo quod essent subiectum in ista scientia [hellip] Ad tertiam quaestionem potest diciquod si iste terminus sbquoenslsquo acciperetur prout est participatum non bene poneretur hic sub-iectum primum propter hoc quod connotat praesens tempus immo magis hic deberet ponisubiectum primum iste terminus sbquoreslsquo vel iste terminus sbquoaliquidlsquo Sed si ille terminus sbquoenslsquoaccipiatur nominaliter tunc est nomen synonymum cum isto termino sbquoreslsquo vel cum istotermino sbquoaliquidlsquo et sic est ponendum subiectum in ista scientia Sed illud nomen sbquounumlsquoquia est connotativum non debet poni tanquam subiectum primum immo tamquam passiosecum convertibilis

10 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) l IV q 7 f 18 raisti termini sbquoenslsquo et sbquounumlsquo non sunt synonymi [hellip] differunt enim secundum rationem isteenim terminus sbquoenslsquo vel sbquoaliquidlsquo accipitur secundum conceptum simplicem scilicet absolu-tum a connotatione et iste terminus sbquounumlsquo est terminus connotativus connotat enim ca-rentiam divisionis

11 Aertsen Medieval Philosophy (wie Anm 2) Der Autor bezieht sich auf G Krieger Mensch-liche Vernunft als Terminus der Reflexion Zu einer Uumlbereinstimmung zwischen mittelalter-licher Philosophie und Kant Kant-Studien 96 2005 182ndash207

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 311

trachtung ausschlieszligt (excludes beings)12 Buridans Begrenzung des konver-tiblen Gebrauchs von ens mit res und aliquid im Sinne einer lediglich nomina-len Verwendung interpretiert er aber zugleich als bdquoidentificationldquo bzw bdquosbquoho-mogenizationlsquo of the term sbquobeinglsquoldquo13 Vor diesem Hintergrund stellt erinfrage dass Buridan die transzendentale Betrachtung in ihrem traditionellenVerstaumlndnis aufgibt insofern dieser im Rahmen seines Kategorienkommen-tars erklaumlrt dass der im absoluten (d h nicht-konnotativen) Sinne realisierteBegriff einer Sache die Grundlage des nominalen Gebrauchs der Ausdruumlckeens res und aliquid darstelle14 Die betreffende Feststellung bei Aerstsen lau-tet bdquoHow is it possible to see in this statement which maintains that sbquobeinglsquois the first concept an expression of the sbquonominallsquo significance of Buridanrsquosdoctrine of transcendentalsrdquo15 Buridan sagt aber nicht dass der Begriff desSeienden der erste absolute Begriff ist sondern dass der im absoluten Sinneerfasste Begriff einer Sache (prius oportet concipere rem absolute) die Grund-lage der nominalen Verwendung von ens res und aliquid (a quo sumitur hocnomen sbquoenslsquo sbquoreslsquo vel sbquoaliquidlsquo) darstellt

Im Ergebnis laumlsst sich somit festhalten Buridan setzt in seiner Kennzeich-nung des bdquoSubjektesldquo der Metaphysik die Hinsicht der Gegenstaumlndlichkeitoder Sachhaltigkeit an die Stelle der Hinsicht des Seins Er folgt dabei metho-disch der aristotelischen Auffassung von der Gattungsbezogenheit einer Wis-senschaft Insofern begrenzt Buridan den Blick der Metaphysik und das Mo-tiv dafuumlr ist der Aspekt der Bestimmtheit des metaphysischen Wissens16 Wiesich diese Begrenzung mit dem Verstaumlndnis der Metaphysik als allumfassen-der Wissenschaft vertraumlgt ergibt sich im Zusammenhang der jetzt folgendenEroumlrterung des Realitaumltsmodus des Gegenstaumlndlichen

12 Aertsen Medieval Philosophy (wie Anm 2) 540 bdquoIf sbquobeinglsquo is taken as participle it cannotbe posited as the proper subject of metaphysics since it connotes the present (and thusexcludes beings)ldquo

13 Ebd der erste Ausdruck S 544 der zweite S 54114 Johannes Buridan Quaestiones in Praedicamenta (Ed J Schneider Muumlnchen 1983) q 13

96 prius oportet concipere rem absolute saltem conceptu a quo sumitur hoc nomen sbquoenslsquosbquoreslsquo vel sbquoaliquid

15 Aersten Medieval Philosophy (wie Anm 2) 54316 Diese absolute Vorrangigkeit der Perspektive des Wissens verweist auf den Primat der prak-

tischen Vernunft und die darin grundgelegte Normativitaumlt des Wissens vgl dazu im Einzel-nen Krieger Subjekt und Metaphysik (wie Anm 1) sectsect 6 und 7

312 Gerhard Krieger

2 Faktische Existenz als Realitaumltsmodus des Gegenstaumlndlichen

Aristoteles fuumlhrt die Untersuchung des Seienden als solchen im Blick auf dieSubstanz durch17 insofern allein das was unter diese Kategorie faumlllt bdquowederin einem Zugrundeliegenden enthalten ist noch von einem solchen ausgesagtzu werden vermagldquo18 Im Unterschied dazu ist es fuumlr den Bereich des Nicht-Substantialen oder Akzidentellen kennzeichnend in oder an einem anderenzu sein und von etwas anderem ausgesagt zu werden Vor diesem Hinter-grund erscheint es als konsequent dass Buridan sich insofern er die Synony-mitaumlt von ens und quid bzw aliquid im nominalen Sinne und gemaumlszlig demVorrang der Hinsicht des Gegenstaumlndlichen begreift19 der Frage stellt ob imBlick auf die Unterscheidung von Substanz und Akzidens die mit dem Aus-druck ens angesprochene begriffliche Hinsicht in einheitlicher Weise erfolgt20Demgemaumlszlig betrifft die zur Diskussion stehende Frage die Einheit der begriff-lichen Hinsicht des Gegenstaumlndlichen Sind Substanz und Akzidens fuumlr dieMetaphysik insofern diese Gegenstaumlndliches betrachtet gleichermaszligen undunterschiedslos Gegenstand

Buridan geht bei seiner Antwort von einer Differenz zwischen Aristotelesund der christlichen Auffassung in den betreffenden Stellungnahmen aus ImErgebnis stellt Buridan fuumlr Aristoteles die skizzierte Vorrangstellung der Sub-stanz vor dem Akzidens in der fraglichen Hinsicht heraus Substanz und Ak-zidens werden bei Aristoteles nicht nach ein- und derselben begrifflichen Hin-sicht betrachtet bzw ausgesagt In uneingeschraumlnktem Sinne wird bei Aris-toteles bdquoseiendldquo lediglich von Substanzen ausgesagt waumlhrend Akzidentieninsgesamt nur eingeschraumlnkt als bdquoseiendldquo und zwar in Bezug auf ihr Hinzu-gefuumlgtsein zur Substanz betrachtet werden (accidentia non dicuntur simplici-ter entia immo entia secundum quid scilicet secundum additione et cumattributione ad substantiam) Daruumlber hinaus hebt Buridan im Blick auf Aris-toteles hervor dass dieser die gegenstaumlndliche Hinsicht als erste Kategorieund allgemeinste Gattung (primum praedicamentum et genus generalissi-mum) uumlber die Substanz hinaus betrachtet habe21

17 Met Ζ 11028 a 13ndash15 τοσαυταχῶς δε λεγομένου τοῦ ὄντος φανερὸν ὅτι τούτων πρῶτον ὂντο τί ἐστιν ὅπερ σημαίνει την οὐσίαν 1028 b 2ndash4 και δὴ και τὸ πάλαι τε και νῦν και ἀrsquoεὶἀπορούμενον τί το ὄν τοῦτό ἐστι τίς ἡ οὐσία

18 Cat 52 a 11 ff μήτε καθ rsquoὑποκειμένου τινὸς λέγεται μήτε ἐν ὑποκειμένῳ τινί ἐστιν19 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) 1 IV q 6 f 17 ra

accipiendo enim sbquoenslsquo nominaliter ita quod ista sunt nomina synonyma sbquoenslsquo et sbquoaliquidlsquo20 Ebd l IV q 6 Utrum hoc nomen ens significet substantias et accidentia secundum unam

rationem sive secundum unum conceptum f 16 vandash17 vb21 Ebd f 17 ra Et tunc possumus respondere ad opinionem Aristotelis de substantiis et

accidentibus et de conceptu entis [hellip] Unde ultimo quantum ad praesens debemus notarequod certe Aristoteles credidit hoc nomen sbquoaliquidlsquo vel sbquoquidlsquo esse primum praedicamentumet genus generalissimum magis quam hoc nomen sbquosubstantialsquo

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 313

Im Unterschied zu Aristoteles kann laut Buridan nach christlicher Auffas-sung ein Akzidens unabhaumlngig von einer Substanz vorkommen Demzufolgekann ein Akzidens ebenso wie die Substanz als Gegenstand vorkommen undin uneingeschraumlnkter Weise als ein solcher angesprochen werden (hoc nomensbquoaliquidlsquo aeque simpliciter et secundum conceptum aeque simplicem diciturde albedine sicut dicetur de lapide vel de asino) Daraus ergibt sich weiterdass etwa im Falle der Weiszlige diese nicht identisch ist damit dass es Weiszligesgibt Denn sofern die Weiszlige fuumlr sich separiert ist kann zwar gesagt werdendass dieses die Weiszlige ist Trotzdem ist dieses nicht ein Vorkommnis einesWeiszligen Denn dazu ist erforderlich dass etwas weiszlig ist (non est nisi albumnisi aliquid sit album) ohne dass allerdings wie Buridan betont etwas weiszligwaumlre durch jene separierte Weiszlige22

Die christliche Auffassung dient Buridan offensichtlich zum einen dazudie uumlber Aristoteles hinausgehende gegenstaumlndliche Betrachtung eines Akzi-dens unabhaumlngig vom Zusammenhang seiner Zuordnung zu einer Substanzanzusprechen und zwar zum zweiten im Sinne einer Hypothese Denn zumeinen kennzeichnet Buridan diese Annahme soweit sie im christlichen Ver-staumlndnis mit der der Separierbarkeit eines Akzidenz verknuumlpft ist als irrealZunaumlchst verfaumlhrt er in dieser Weise als er an der gegenstaumlndlichen Kenn-zeichnung des Akzidens unabhaumlngig von der Voraussetzung des christlichenGlaubens festhaumllt und zwar sowohl im Blick darauf dass dieses in Verbin-dung mit einer Substanz vorkommt als auch in Bezug darauf dass letztge-nanntes nicht der Fall ist (non oportet quod de eo [scl de illo termino sbquoalbe-dolsquo] praedicaretur secundum aliquam attributionem ad substantiam subiec-tam vel ad aliquem terminum substantialem quia sine substantia subiectaipsa est ens et aliquid et non minus ipsa est ens vel aliquid quando inhaeretquam si subiectum esset ablatum) Zum anderen tut Buridan dies indem erfeststellt dass die separierte Weiszlige (in casu posito quod albedo sit separata)

22 Ebd f 17 randashb Dico ergo quod nos tenemus ex fide quod per potentiam dei accidentiapossunt separari a substantiis et separatim conservari sine substantia sic subiecta [hellip] Siigitur ponamus quod albedo sic per se subsistit absque hoc quod alicui subiecto inhaereattunc manifestum est quod illa albedo manifeste est ens et vere est aliquid et etiam exhoc manifestum est ita simplex sine aliqua connotatione [hellip] Si de illo termino sbquoalbedolsquopraedicaretur hoc nomen sbquoenslsquo vel hoc nomen sbquoaliquidlsquo non oportet quod de eo praedicare-tur secundum aliquam attributionem ad substantiam subiectam vel ad aliquem terminumsubstantialem quia sine substantia subiecta ipsa est ens et aliquid et non minus ipsa est ensvel aliquid quando inhaeret quam si subiectum esset ablatum Ideo hoc nomen sbquoenslsquo velhoc nomen sbquoaliquidlsquo aeque simpliciter et secundum conceptum aeque simplicem dicitur dealbedine sicut dicetur de lapide vel de asino Postea etiam sequitur quod albedo non estidem quod esse album quia in casu posito quod albedo sit separata verum est dicere quodhoc est albedo et tamen hoc non est esse album quia non est nisi album nisi aliquid sitalbum et tamen ista albedine nihil est album

314 Gerhard Krieger

keinerlei Bedeutung fuumlr das Vorkommnis eines Weiszligen besitzt (ista albedinenihil est album)23 Der hypothetische Charakter zeigt sich weiter darin dassBuridan im Anschluss an die Erlaumluterung der christlichen Auffassung dieseangesprochene Hypothese ihrem Gehalt nach diskutiert indem er dazu Stel-lung nimmt was ist insofern es Weiszliges gibt (quid est esse album)24 Wieist die Existenz eines Akzidens naumlherhin zu kennzeichnen insofern diesesunabhaumlngig von seinem Zusammenhang mit einer Substanz als Gegenstandvorkommt bzw ein solcher ist Allgemein gefragt Was macht einen Gegen-stand seiner Realitaumlt nach aus

Die Gegenuumlberstellung von aristotelischer und christlicher Auffassungdurch Buridan hat also ein zweifaches Ergebnis Erstens soll die gegenstaumlndli-che Betrachtung im Sinne Buridans die allumfassende Perspektive der Meta-physik auch unter der Voraussetzung des Verzichts auf die Hinsicht des Seinsgewaumlhrleisten Denn diese Betrachtung soll uumlber alle kategoriale Betrachtunghinausreichen25 Damit dies der Fall sein kann ist zweitens Gegenstaumlndlich-keit ihrer Realitaumlt nach zu bestimmen

Buridan setzt dazu zunaumlchst mit der Kritik einer Loumlsung an die die ob-jektive Guumlltigkeit akzidenteller Bestimmung an deren praumldikative Verwen-dung knuumlpft Demgegenuumlber macht er geltend dass die betreffenden sprachli-chen Ausdruumlcke auf etwas der Realitaumlt nach eigenes verweisen (pro rebus veldispositionibus rerum extra existentibus) In diesem Sinne verweist er aufAusdruumlcke fuumlr Vorgaumlnge wie sbquoschneidenlsquo und sbquolebenlsquo einerseits und sbquofolgenlsquound sbquoverbrennenlsquo andererseits Diese sind der infrage stehenden Kennzeich-nung der Praumldikation akzidenteller Bestimmungen vergleichbar insofern siefuumlr die Verhaumlltnisse von Aktivitaumlt und Passivitaumlt stehen Auf diese Weise sinddiese Vorgaumlnge etwas das fuumlr etwas anderes steht Am Beispiel gesagt DerVorgang des Schneidens bzw Verbrennens ist von dem unterschieden wasschneidet bzw verbrennt auch wenn der genannte Vorgang mit dem iden-tisch ist was schneidend ist oder als solches vorkommt Das was schneidendexistiert ist zugleich etwas was im aktiven Modus existiert (esse secans estesse agens)26 Insofern ist der Vorgang des Schneidens bzw Verbrennens in

23 Vgl zu der in diesem Zusammenhang relevanten in der vorangegangenen Anm angespro-chenen Haltung Buridans zur Annahme goumlttlichen Koumlnnens Krieger Subjekt und Metaphy-sik (wie Anm 1) sect 15

24 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) 1 IV q 6 f 17 rbTunc restat difficultas quid est esse album

25 Ebd f 17 va Et ita etiam oportet concedere quod hoc nomen sbquosubstantialsquo non esset genusgeneralissimum sed hoc nomen sbquoquidlsquo vel sbquoaliquidlsquo

26 Ebd f 17 rb Tunc restat difficultas quid est esse album de qua difficultate aliqui volentesse faciliter expedire dicunt quod esse album vel hominem esse album non est nisi una oratioita quod illa oratio sbquohominem esse albumlsquo non supponit nisi pro illa propositione sbquohomoest albuslsquo Sed hoc non est bene dictum quamvis secundum suppositionem materialem essetilla sicut illi dicunt tamen secundum suppositionem significativam sive personalem illae

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 315

seiner eigenen Bestimmtheit und insoweit in seiner eigenen Realitaumlt bestimm-bar

In der Sache zielt Buridans Uumlberlegung darauf ab deutlich zu machendass die gegenstaumlndliche Hinsicht sowohl die Differenz von Substanz undAkzidens uumlbersteigt als auch Relationen ansprechen laumlsst Insofern hat sichbestaumltigt dass die gegenstaumlndliche Hinsicht die allgemeinste Hinsicht undGattung darstellt27

Zugleich kann gesagt werden dass Buridans Kritik Ockhams Auffassunggilt insofern die infrage stehende Hinsicht im Besonderen Relationen betrifftZur Begruumlndung sei auf Buridans Nachweis der Selbststaumlndigkeit der Aus-dehnung und im Zusammenhang damit auf seinen Begriff der Bewegung ver-wiesen Diese verstehen sich der Sache nach als Nachweis der objektivenRealitaumlt relationaler Bestimmtheit und historisch als Kritik an deren Infrage-stellung bei Ockham28

Die fragliche Bestimmung der Gegenstaumlndlichkeit ihrem Realitaumltsmodusnach erzielt Buridan weiter durch die Erlaumluterung des Verhaumlltnisses der kate-gorialen Betrachtung zur gegenstaumlndlichen Hinsicht Auf diese Weise stehtzur Debatte welche kategoriale Hinsicht im Besonderen die gegenstaumlndlicheBetrachtung kennzeichnet Denn insofern diese Betrachtung sich nicht mehrim Sinne des Vorrangs der Kategorie der Substanz versteht stellt sich diegenannte Frage Buridan betont zunaumlchst die tatsaumlchliche Geltung der gegebe-nen kategorialen Einteilung dico quod adhuc ponenda sunt decem praedica-menta sive decem generalissima29 Im Blick auf Buridans Begruumlndung dieserFeststellung seien weiter zwei Gesichtspunkte hervorgehoben zum einen

orationes sbquoesse albumlsquo vel sbquohominem esse albumlsquo non supponunt pro aliqua propositioneimmo pro rebus vel dispositionibus rerum extra existentibus quod sic appareret quia Ari-stoteles dicit et verum est dicere quod secare est agere vel etiam vivere est agere naturaliteret sequari vel uri est pati et tamen cum hoc dicit septimo huius sbquomanifestum est etiam quodsecare est idem quod esse secans et vadere idem est quod est vadenslsquo et sic de aliis Igituresse secans est esse agens

27 Ebd f 17 rbndashva Ex istis visis videtur quod oportet concedere quod hoc nomen sbquoenslsquo velhoc nomen sbquoaliquidlsquo dicitur univoce secundum conceptum communem simpliciter absolu-tum a connotatione de terminis significantibus substantias et de terminis significantibusaccidentia talia nec prohibit inhaerentia vel dependentia nec prioritas nec posterioritas inessendo [hellip] Et ita etiam oportet concedere quod hoc nomen sbquosubstantialsquo non esset genusgeneralissimum sed hoc nomen sbquoquidlsquo vel sbquoaliquidlsquo

28 Diese Auffassung Buridans ist erstmals in den genannten beiden Hinsichten aufgewiesenworden durch A Maier Metaphysische Hintergruumlnde der spaumltscholastischen Naturphiloso-phie (Studien zur Naturphilosophie des Spaumltscholastik Bd 4) Rom 21952 210ndash218 Dar-uumlber hinaus zu ihrer Bedeutung im Zusammenhang der methodologischen Begruumlndung derPhysik und in ontologischer Hinsicht vgl Krieger Subjekt und Metaphysik (wie Anm 1)226ndash231

29 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) l IV q 6 f 17 va

316 Gerhard Krieger

dass er die quantitative und die qualitative Hinsicht ebenfalls als allgemeinsteGattungen kennzeichnet die keine Gattung uumlber sich haben (haec nominasbquoquantumlsquo et sbquoqualelsquo non habent genus supra se sed sunt generalissima)30Zum anderen dass die Kategorien nach seiner Einschaumltzung gemaumlszlig den ver-schiedenen Praumldikationsweisen in Bezug auf die ersten Substanzen bzw diesingulaumlren Termini zu unterscheiden sind Allerdings koumlnne es durchaus derFall sein dass die abstrakten Bezeichnungen und deren Konkretionen nichtimmer zu ein- und derselben Kategorie gezaumlhlt werden so dass andere kate-goriale Unterscheidungen in Bezug auf die ersten Substanzen moumlglich erschei-nen In diesen Zusammenhang gehoumlrt fuumlr Buridan schlieszliglich auch dass Aris-toteles seinerseits die Anzahl der Kategorien durchaus nicht einheitlich be-stimmt31

Die angesprochenen Begruumlndungen zeigen zum einen dass Buridan diekategoriale Einteilung nur im faktischen Sinne als begruumlndet ansieht und des-wegen ihre tatsaumlchliche Geltung betont Sie entspricht der tatsaumlchlich geuumlbtenpraumldikativen Praxis und in dem Maszlige wie diese eine andere Einteilung zeigtbzw ermoumlglicht ist letztgenannte begruumlndet32 Zum anderen sind die quanti-tative und qualitative Hinsicht vorrangig in der kategorialen Betrachtung

30 Ebd31 Ebd Et debemus scire secundum intentionem Aristotelis et rei veritatem quod praedica-

menta debent distingui secundum diversos modos praedicandi de primis substantiis sive determinis singularibus contentis sub hoc genere quid vel aliquid [hellip] Sed isto modo dicendiapparet quod nomina abstracta et sua concreta non semper reducerentur ad unum et idempraedicamentum [hellip] Vos potestis aliter distinguere praedicamenta scilicet penes nominaconcreta et diversos modos praedicandi ipsorum de primis substantiis Et sic iterum habe-rentur decem [hellip] Tamen certe Aristoteles [hellip] valde multiplicat genera generalissima

32 Buridan Quaestiones in Praedicamenta (Anm 14) q 3 19 Et ideo in vanum laboraveruntplures qui per huiusmodi divisiones voluerunt assignare sufficientiam numeri praedicamen-torum Credo ergo quod non possit aliter assignari vel probari sufficientia numeri praedica-mentorum nisi quia tot modos praedicandi diversos invenimus non reducibiles in aliquemmodum praedicandi communiorem acceptum secundum aliquam unam communem ratio-nem ideo oportet tot esse Sed etiam quia non invenimus praedicabilia communia quaesub istis modis non contineantur vel ad eos reducantur ideo non ponimus plura praedica-menta Unde si aliqua praedicabilia communia inveniamus habentia alios modos praedican-di praeter dictos decem apparet mihi quod non esset negandum quin essent plura praedi-camenta Unde bene invenimus quod Aristoteles enumeravit et assignavit ista decem Sednon invenimus quod ipse dixit quod non sint plura Et si visus est innuere quod nonsint plura tamen numquam ad hoc probandum rationem apposuit nec apponere potuitconvenientem nisi quia non invenimus alia praedicabilia quae sub istis non contineanturvel de eis non consideramus Et haec ratio statim non valeret si unus alter talia praedica-menta inveniret Cum enim ista consideramus non esse sub istis decem contenta non debe-mus negare quin sint plura Sed tamen mihi apparet pro certo quod ista decem si sintaliqua alia sunt magis manifesta et continentia sub se maiorem pluralitatem praedicabi-lium

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 317

Dies verweist wiederum darauf dass Gegenstaumlndliches insoweit erfasst wirdbzw erfassbar ist als es erscheint33 Dies geschieht in quantitativer und quali-tativer Weise weil die Quantitaumlt ihrem Traumlger eine qualitaumltsartige Bestimmt-heit verleiht die die Einzeldinge im graduellen Sinne unterschieden seinlaumlsst34 Dem entspricht schlieszliglich der Bezug der kategorialen Unterscheidun-gen auf die erste Substanz Denn damit ist nicht gesagt dass sich der Sinnfaktischer Existenz im Besonderen in der Substanz zeigte35 Vielmehr verstehtsich dieser Vorrang der ersten Substanz und damit deren Begriff funktionaler ist beschraumlnkt auf das Moment des Zugrundeliegens36

3 Gegenstand und faktische Existenz ndash Der Sinn des Seinsin Buridans Verstaumlndnis des Transzendentalen

Im Blick auf die hier analysierten Stellungnahmen Buridans zum Verstaumlndnisdes Transzendentalen kann zunaumlchst festgehalten werden dass dieser die Me-taphysik als eine allumfassende Wissenschaft begreift insofern sie in ihrerbesonderen Hinsicht die kategoriale Einteilung transzendiert Buridan folgtdabei strikt der aristotelischen Perspektive der Gattungsbezogenheit der Wis-senschaft Weiter ist die Besonderheit der metaphysischen Hinsicht die gegen-staumlndliche Hinsicht bdquoSubjektldquo der Metaphysik ist nicht das Seiende in derHinsicht des Seins sondern etwas insofern es Gegenstand ist Das Verstaumlnd-nis des Seins ist damit auf das des Gegebenseins oder des Vorkommnissesbegrenzt waumlhrend die Realitaumlt der Gegenstaumlnde als solche bzw solcher diefaktischer Existenz ist Gegenstand zu sein und als solcher zu existieren be-sagt ein tatsaumlchliches Vorkommnis zu sein und als solches bestimmt und

33 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (Anm 3) l IV q 9 f 19 vbndash20 raEt videtur mihi esse dicendum quod res percipiuntur et iudicantur esse secundum quodpercipiuntur tamquam in prospectu cognoscentis Unde rem aliquam non iudicas esse nisiin prospectu sensus [] Et ideo [] videtur mihi quod hoc verbum sbquoesselsquo [] licet nonconnotat praesentiam temporalem et succesivam immo praesentiam [] quamvis ad intelli-gendum rem esse non oporteat aliquid temporis cointelligere sed solum quod res apprehen-dantur per modum praesentialitatis in prospectu cognoscentis licet nulla esset vel imagina-ret successio Naumlher dazu Krieger Subjekt und Metaphysik (Anm 1) 222ndash226

34 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (Anm 3) l V q 6 f 29 vbndash30 raSupposito enim quod equus et asinus habent adinvicem aliquam convenientiam ex naturarei propter hoc quod natura eorum consequuntur accidentia magis similis quam conse-quantur ad naturam lapidis et asini Oportet igitur concedere quod ex natura rei equus etasinus magis conveniunt quam asinus et lapis

35 Ebd l IV q 6 f 17 va nos possumus dicere scilicet quod omne illud esset substantiaquod naturaliter per se subsistit ita quod non inhaeret alteri [] et omne illud est accidensquod sic non subsistit per se naturaliter

36 Naumlher und im Einzelnen dazu Krieger Subjekt und Metaphysik (wie Anm 1) 231ndash239

318 Gerhard Krieger

bestimmbar zu sein Letztgenanntes geschieht auf der Basis der Kategoriendie freilich insofern sie sich ihrerseits vom faktisch Existierenden her verste-hen nur insoweit mit Bestimmtheit urteilen lassen als sie tatsaumlchlich zurAnwendung gebracht werden koumlnnen Deswegen reicht die kategoriale Be-stimmbarkeit eines Gegenstandes nur soweit wie dieser als solcher erscheintInsofern dringt die Bestimmung eines Gegenstandes in seiner faktischen Exis-tenz nur bis hin zu seiner quantitativen und qualitativen Bestimmtheit dessenWesen und damit das ihm von sich her zukommende Sein sind nicht zu be-stimmen

Historisch folgt Buridan dem transzendentalen Ansatz in der Metaphy-sik wie ihn Scotus realisiert insoweit als er die Metaphysik gleichfalls alsallumfassende Hinsicht konzipiert Er tut dies in der Hinsicht des Seins nurinsoweit als diese Hinsicht die Realitaumlt in ihrer faktischen Existenz betrifftDie metaphysische Betrachtung hat sich auf diese Weise dahin gehend gewan-delt dass sie primaumlr etwas als etwas in den Blick nimmt Welche Bedingungensind fuumlr diese gegenstaumlndliche Betrachtung maszliggeblich Wie sich zeigen wirdliegen diese Bedingungen auf der subjektiven Seite so dass die Bedingungender Erkenntnis zugleich die der erkannten Gegenstaumlnde sind Im Sinne dieserAntwort Buridans werde ich mich zunaumlchst der Wahrnehmung dann derVernunft als Bedingungen der Gegenstaumlndlichkeit zuwenden Ich beginne mitdem erstgenannten Aspekt

II Wahrnehmung als Bedingung der Gegenstaumlndlichkeit

Hinsichtlich der Bedingungen sinnlicher Erkenntnis nehme ich im BesonderenBuridans Einschaumltzung des sogenannten sensus communis und in Verbindungdamit die der imaginatio in den Blick Dieses Vorgehen begruumlndet sich letzt-lich vom Ergebnis her Denn es zeigt sich dass Buridan in diesem Punkteeinen Schritt tut der auf eine Vorgaumlngigkeit des Wahrnehmenden vor demWahrgenommenen fuumlhrt Die Gestalt des sinnlich Erkannten als solche oderdessen Einheit gruumlndet im Erkenntnisverhaumlltnis selbst wenn gleich dieses Er-kannte seiner Realitaumlt nach der Erkenntnis vorausliegt

1 Sensus communis und imaginatio bei Aristoteles

Wie denkt Buridan also uumlber den sogenannten Gemeinsinn und die Einbil-dungskraft Ich beginne mit einem kurzen Blick auf die betreffende Auffas-sung bei Aristoteles37 In dem Lehrstuumlck vom sensus communis spricht dieser

37 In dieser Darstellung stuumltze ich mich im Einzelnen auf folgende Beitraumlge H Busche HatPhantasie bei Aristoteles eine interpretierende Funktion in der Wahrnehmung Zeitschrift

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 319

die Integrierung verschiedener Sinne zu einem einheitlichen Sinnesraum ei-nem gemeinsamen Rahmen an wenn etwa Gesehenes und Gehoumlrtes zu einereinheitlichen Wahrnehmung zusammengefuumlhrt werden Dieses gemeinsameWahrnehmungsvermoumlgen konzipiert Aristoteles als Zentralsensorium in demdie Formen aus den peripheren Sinnen bdquonotwendig zusammentreffenldquo [und]das im Herzen zu lokalisierenldquo38 sei Aristoteles nimmt also einen zentralenGemeinsinn an an den die Formen aus den aumluszligeren Sensorien ruumlckgemeldetwerden und mit dessen Affektion es allererst zur bewussten Wahrnehmungkommt Die Imagination bzw Phantasie ist fuumlr Aristoteles im Unterschieddazu die sinnliche Faumlhigkeit rein innere Erscheinungen zu haben denen kei-ne gleichzeitige Wahrnehmung aumluszligerer Erscheinungen korrespondiert

Aristoteles ordnet das Zusammenspiel von Gemeinsinn und Einbildungs-kraft zwar der jeweiligen Sinnrichtung nach gegenlaumlufig dem Verlauf nachaber nacheinander Die bewusste Wahrnehmung als Produkt des Gemein-sinns ist das Ergebnis der Affektion die unmittelbar aus den Ruumlckmeldungenaus den aumluszligeren Sensorien an das Zentralorgan zustande kommt Die Affek-tion die den Gemeinsinn zu der genannten bewussten Wahrnehmung befauml-higt ist also letztlich wegen ihrer Unmittelbarkeit aumluszligerlich Die angespro-chene Affektion ist zwar ebenso Grundlage der durch die Imagination zustan-de kommenden Vorstellung Aber diese kann es als innere erst von demZeitpunkt an geben zu dem der betreffenden Empfindung kein aumluszligeres Ob-jekt mehr korrespondiert Die spezifische Differenz der Imaginaumlrerscheinun-gen zur Wahrnehmung macht somit aus dass bdquodie Extreme innerhalb dernatuumlrlichen Bewegungsabfolge zwischen wirkendem Objekt peripherer undzentraler Affektion sich nicht zeitlich uumlberlappenldquo39 Insofern bdquodenkt die See-le niemals ohne eine Vorstellungldquo40 bei der Wahrnehmung aber wird siedurch das Vorstellen eher behindert

2 Sensus communis und imaginatio bei Buridan

Aus Sicht Buridans ist es notwendig den inneren Gemeinsinn im Unterschiedzu den aumluszligeren Sinnen anzunehmen da ansonsten keine Veraumlnderung wahr-

fuumlr philosophische Forschung 51 1997 565ndash589 Ders Art aisthesisWahrnehmung inO Houmlffe (Hrsg) Aristoteles-Lexikon Stuttgart 2005 10ndash14 D Frede The Cognitive Roleof Phantasia in Aristotle in M NussbaumA O Rorty (Eds) Essay on Aristotlersquos DeAnima Oxford 1992 279ndash295 S Herzberg Wahrnehmung und Wissen bei AristotelesZur epistemologischen Funktion der Wahrnehmung (Quellen und Studien zur Philosophie97) Berlin 2011 121ndash127 A Schmitt Synaumlsthesie im Urteil aristotelischer Philosophie inH AdlerU Zeuch (Hrsg) Synaumlsthesie Interferenz ndash Transfer ndash Synthese der Sinne Wuumlrz-burg 2002 109ndash147

38 Busche Phantasie bei Aristoteles (wie Anm 37) 1139 Ebd 57440 De an III 7431a 16 432a 8ndash9

320 Gerhard Krieger

genommen werden koumlnne Kaumlme die Wahrnehmung von Veraumlnderung im in-neren Sinn durch einen aumluszligeren Sinn zustande waumlre naumlmlich eine zuvor er-folgte Veraumlnderung eines anderen aumluszligeren Sinnes vorausgesetzt41

Im Einzelnen begruumlndet Buridan diese Notwendigkeit der Annahme desGemeinsinns mit dem Nachweis dass dieser die Bedingung sowohl der inne-ren Wahrnehmung der aumluszligeren Wahrnehmung als auch der Wahrnehmungs-gestalt als solcher darstellt Dazu geht er davon aus dass der aumluszligere Sinnnicht zur inneren Wahrnehmung der Wahrnehmung in der Lage ist dass wiraber gleichwohl nicht nur wahrnehmen sondern zugleich auch urteilen dasswir dies tun42

In Bezug auf die innere Wahrnehmung der aumluszligeren Wahrnehmung ver-weist Buridan auf die Erfassung und Bestimmung von Sinneseindruumlcken un-ter der Bedingung der Inaktivitaumlt des betreffenden aumluszligeren Sinnes Dabeinimmt er zum einen Beispiele in den Blick bei denen es zu einer bdquoprivativenldquosinnlichen Erfassung kommt wenn etwa in der Nacht bei geschlossenen Au-gen oder Ohren Schatten bzw Stille wahrgenommen werden Fuumlr diese Wahr-nehmungen fungiert der innere Sinn in zweifacher Hinsicht als Bedingungzum einen insoweit als er gemaumlszlig seiner Disposition zur Erfassung der Aktivi-taumlt des aumluszligeren Sinnes in der Lage ist dessen Inaktivitaumlt festzustellen Inso-fern es zum anderen zur Feststellung kommt dass es Schatten oder Stille gibtberuht diese ebenso auf dem betreffenden Urteil des inneren Sinns43

Uumlber diese bdquoprivativenldquo sinnlichen Erkenntnisse hinaus sind wir zum an-deren in der Lage unter der genannten Bedingung geschlossener Augen nicht

nur Schatten zu erfassen sondern daruumlber hinaus auch bestimmte nicht-

41 Johannes Buridan Quaestiones de anima (Ed Lokert) l II q 26 in B Patar Le Traiteacutede lrsquoame de Jean Buridan Longuenil (Queacutebec) 1991 643 Dico primo quod praeter sensusexteriores necesse est ponere alium sensum interiorem quem vocamus communem quianon immutatur a sensibilibus exterioribus nisi mediante alio sensu exteriore prius immut-ato

42 Ebd Prima ratio est quia sensus exterior non est perceptivus sui actus ut suppono adpraesens ita tamen aliquando percipimus illos actus Tu enim manifeste iudicas non solumquod hoc est album vel nigrum vel quod haec vox est acuta vel gravis sed etiam iudicaste hoc videre vel audire Ergo necesse est ponere sensum interiorem percipientem et iudican-tem actus sensuum exteriorum

43 Ebd de nocte in camera iudicamus esse tenebras cum tamen tunc visus exterior nihilpericipiat et sic etiam iudicamus esse silentium quando auditus exterior nullam habet sensa-tionem per quam possit iudicare Et iste modus iudicandi est per sensum interiorem quihabebat cognoscere actum sensus exterioris ideo etiam poterat cognoscere quod sensusexterior non sit in actu Et sic quando pericpit visum exterioris oculis apertis non moveriad actum iudicat esse tenebras et quando pericpit auditum exteriorem auribus apertisnon moveri ad actum iudicat esse silentium

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 321

praumlsente Wahrnehmungsgehalte wie Berge Taumller oder Sterne44 Die dritte Artvon Beispielen die Buridan zum Beleg seiner These von der Notwendigkeitdes inneren Gemeinsinns anfuumlhrt betrifft sinnliche Wahrnehmungen die inTraumlumen wie Anschauungen erscheinen Auch fuumlr diese Beispiele gilt dasssie unter der Bedingung der Inaktivitaumlt der aumluszligeren Sinne stehen45

Die bisher geltend gemachten Belege betreffen den inneren Gemeinsinnsoweit dieser die innere Wahrnehmung der aumluszligeren Wahrnehmung bedingtDiese Bedeutung des inneren Gemeinsinns schlieszligt ein dass er zum einendie Inaktivitaumlt der aumluszligeren Sinne erfasst zum anderen dass er unter dieserVoraussetzung Wahrnehmungsgehalte zu realisieren vermag so dass diese imModus der Anschauung erscheinen Im naumlchsten Argument fuumlr seine Thesezeigt Buridan die Bedeutung des Gemeinsinns fuumlr die Wahrnehmung insoweitauf als es deren besondere Gestalt betrifft die Einheit also des jeweiligenWahrnehmungsgehaltes Buridan tut dies im Blick auf die Unterschiedenheitzweier Wahrnehmungsgehalte wie das Gehoumlrte und das Gesehene und derenVereinheitlichung Dabei veranschaulicht er diesen Zusammenhang an derWahrnehmung eines Hundes Dieser houmlrt seinen Herrn rufen und sieht ihner wird darauf hin urteilen dass der Rufende der ist den er sieht und wird zuihm gehen Die Uumlbereinstimmung und Verschiedenheit der sinnlichen Gehalteerschlieszligt sich nicht uumlber deren Wahrnehmung gemaumlszlig den jeweiligen Wahr-nehmungsorganen so dass zu deren Erfassung uumlber die aumluszligeren Sinne hinausder Gemeinsinn erforderlich ist46

Im Ergebnis erscheint Wahrnehmung im Verstaumlndnis Buridans nicht alsbloszliger Reflex aumluszligerer Reize sondern als besonderer Akt der Erfassung einessinnlichen Gehaltes Dieser Akt steht zum einen unter der Bedingung aumluszligererReize die nach Maszliggabe der Sinnesorgane aufgenommen werden Zum an-deren hat dieser Akt den inneren Gemeinsinn zur Voraussetzung der den

44 Ebd oculis clausis vel cum sint tenebrae apprehendimus montes et valles et astra et forma-mus in nobis diversa phantasmata et ibi non solum reservatio specierum sed etiam cognitioet actualis apprehensio ipsorum sensibilium cum tamen non sint sensibilia a praesentia

45 Ebd in somno clausis sensibus exterioribus apparent nobis sensibilia ac si essent in con-spectus nostro cum simpliciter hoc non sit per sensus exteriores eo quod sunt clausisequitur quod hoc est per alium sensum interiorem

46 Ebd 643 f si homo vocat canem et canis eum videat iudicabit quod ille quem videt estvocans eum et ibit ad ipsum modo hoc iudicium non potest fieri per aliquem sensumexteriorem nec per plures sensus exteriores si non sit alius sensus communis quia visusnihil cognoscit de vocatione sed solum auditus ideo non potest iudicare quod ille sit vo-cans Et ita etiam auditus non iudicat de proprio visibili nec ambo sensus simul compone-rent vel dividerent propria sua sensibilia quia ponens convenientiam vel differentiam interalia oportet quod cognoscat ambo illa [hellip] oportet enim quod sit eadem virtus formansactum compositivium vel divisivum quem formare non potest si non apprehendat utrum-que extremorum

322 Gerhard Krieger

Aktcharakter der Wahrnehmung bedingt wie er sich in der Wahrnehmungder Wahrnehmung sowie in der Einheit des jeweiligen Wahrnehmungsgehal-tes zeigt Im Ergebnis bestimmt Buridan den Gemeinsinn im Blick auf dessenFunktion der Gewaumlhrleistung der Wahrnehmung in deren Bedeutung als sinn-licher Erkenntnis Die sinnliche Bestimmtheit dieser Erkenntnis ist durch dieSinnesorgane bedingt ihre Erkenntnisnatur d h ihr Bestimmungscharakterverdankt sich dem Gemeinsinn

Im Sinne dieser Kennzeichnung des Gemeinsinns nimmt Buridan schlieszlig-lich zu dessen physiologischer Ruumlckbindung bei Aristoteles47 Stellung Dieorganische Bestimmtheit des Gemeinsinns versteht sich fuumlr Buridan insoweitals er Element der Sinnlichkeit ist Demgemaumlszlig erklaumlrt sich die fragliche orga-nische Bestimmtheit von der Sinnlichkeit als solcher her insoweit diese dieBedingung sinnlicher Bestimmbarkeit darstellt Die Besonderheit des Gemein-sinns in diesem Zusammenhang ergibt sich schlieszliglich im Sinne der besonde-ren Disposition im Zusammenhang der verschiedenen sinnlichen Dispositio-nen48 Im Ergebnis kennzeichnet Buridan die organische Bestimmtheit desGemeinsinns damit unter dem Aspekt funktionaler Zweckbestimmung diesesSinns im Zusammenhang der Funktion sinnlicher Erkenntnis insgesamt undderen organische Bestimmtheit als Bedingung dieser Funktion

Die funktionale Hinsicht bestimmt ebenfalls die Differenz der imaginatiooder phantasia zum Gemeinsinn insofern letztgenannter die Aufgabe derAufbewahrung der im Gemeinsinn realisierten sinnlichen Gehalte zufaumlllt49

Buridan ersetzt damit die zeitliche Vorrangstellung des Gemeinsinns vor der

47 De an III 348 Buridan Quaestiones de anima (wie Anm 41) 644 potest addi quod ille sensus communis

est unus sensus scilicet habens unum organum ad quod organum terminantur et copulan-tur organa sensuum exteriorum [hellip] Et ut magis appareat quomodo hoc sit verum debetisnotare quod ad sensum tria principaliter et intrinsece concurrunt Primum est anima sensiti-va quae est principalis forma corporis et organi sensitivi Et ratione eius sensus communisbene est unus cum illa sit una in uno animali et eiusdem rationis per totum corpus animaenim est simplex forma sic quod non composite ex partibus diversarum rationum Secund-um quod requiritur est materia organi ratione cuius etiam sensus potest dici unus quiamateria in totali corpore animalis est una indivisa et non habens partes diversarum ratio-num Tertium quod requiritur est dispositio qualitativa organi quae in diversis membris estdiversa et propter cuius solius diversitatem dicuntur membra et organa diversa Unde prop-ter huiusmodi diversitatem dicuntur organa sensuum exteriorum diversa et etiam sensusexterior est diversus Et imaginandum est etiam quod quantum ad huiusmodi qualitativasdispositions sensus communis est unus in se et diversus a sensibus exterioribus

49 Ebd l II q 27 Utrum in homine sint ponendae quattuor virtutes sensitivae interioressenus communis phantasia cogitativa et memorativa 648 praeter sensum communem automnem virtutem cognoscitivam oportet ponere aliam virtutem non cognoscitivam quae sitreservativa specierum sensibilium [hellip] et talem dicunt auctores esse phantasiam quae alionomine vocatur imaginativa quae reservat imagines seu similitudines rerum sensibilium

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 323

Imagination durch das Verhaumlltnis von urspruumlnglicher Gestaltung der Wahr-nehmung im Gemeinsinn in Relation zu aufbewahrender Reproduktion desWahrgenommenen in der Imagination

Im Ergebnis vertritt Buridan also folgende Auffassung Die Gestaltungder Wahrnehmung durch den inneren Gemeinsinn betrifft die wahrgenomme-nen Gehalte nicht in ihrer Realitaumlt sondern insoweit als diese Gehalte tat-saumlchlich wahrgenommen werden Insoweit liegen die sinnlichen Gehalte derWahrnehmung der Realitaumlt nach voraus aber der Einheit ihrer sinnlichenGestalt nach kommt die Wahrnehmung unabhaumlngig davon zustande Der Ge-meinsinn ermoumlglicht also auf der Ebene der Wahrnehmung etwas als etwaszu erkennen der Gemeinsinn ist die Bedingung der Erkenntnisnatur sinnli-cher Wahrnehmung und diese Natur liegt in der Bestimmungsfunktion dersinnlichen Erkenntnis Sinnliche Wahrnehmung ist fuumlr Buridan also nicht einesich unmittelbar ergebende Abbildung von Reizkonstellationen sondern einein vermittelter Unmittelbarkeit zustande kommende und insoweit gestalteteSinneseinheit Buridan versteht damit das Verhaumlltnis von innerem Gemein-sinn und aumluszligeren Sinnen gemaumlszlig der Differenz zwischen innerem Grund derForm der Wahrnehmung und aumluszligerem Ursprung ihrer Bestimmungen Zu-gleich steht der Gemeinsinn im Verhaumlltnis urspruumlnglicher Gestaltung derWahrnehmung zu aufbewahrender Reproduktion des Wahrgenommenen inder Imagination

III Vernunft als Bedingung gegenstaumlndlicher Bestimmtheit

An dieser Stelle ist wiederum eine kurze Bemerkung in Bezug auf die Rezepti-onsbedingungen der Auffassung Buridans angebracht Diese ergeben sichzum einen von Ockhams Kritik an der Annahme extramentaler Realitaumlt all-gemeiner und notwendiger Entitaumlten her Insoweit stellt sich fuumlr Buridan dieFrage wie sich diese Allgemeinheit und Notwendigkeit uumlber die logische undsprachliche Repraumlsentation hinaus begruumlndet In Verbindung damit stellt zu-gleich der Skeptizismus des Nikolaus von Autrecourt eine besondere Rezep-tionsbedingung fuumlr Buridans Auffassung dar Zugespitzt gesagt fuumlhrt dieserSkeptizismus naumlmlich zur Infragestellung von Erkenntnis und Wissenschaftuumlberhaupt

Buridans Verhaumlltnis zu Nikolaus von Autrecourt hat Dominik Perler imZusammenhang der Diskussion skeptischer Debatten im Mittelalter naumlheruntersucht50 Dabei betrachtet der genannte Interpret beide Autoren Niko-

50 D Perler Zweifel und Gewissheit Skeptische Debatten im Mittelalter Frankfurt aM 2006350ndash401

324 Gerhard Krieger

laus ebenso wie Buridan als Reaktionen auf skeptische HerausforderungenIm Unterschied dazu verhalten sich die beiden Auffassungen im Lichte meinerBetrachtung im Sinne eines Skeptizismus (Nikolaus) und dessen Widerlegung(Buridan)51

Im Besonderen ist Perler der Auffassung dass es fuumlr Buridan bdquoabwegig[sei] ein letztes Fundament fuumlr jedes Wissen zu suchen [hellip] Fuumlr Buridan warein radikaler Zweifel ausgeschlossen weil er als Aristoteliker immer schonvoraussetzte dass es natuumlrliche kognitive Vermoumlgen gibt die auf die Gegen-staumlnde der Welt abgestimmt sindldquo52 Innerhalb dieses bdquometaphysischen Rah-mensldquo53 steht Wissen bdquoin Kontextenldquo54 d h es ist in seiner bdquojeweiligen Ver-flechtung und damit als Bestandteil eines kohaumlrenten Ganzenldquo aufzufassenInsoweit ist Buridans Ansatz in der Betrachtung Perlers ein bdquokohaumlrentisti-scher und gleichzeitig pluralistischerldquo55 Im Besonderen biete der angespro-chene bdquometaphysische Rahmenldquo in Perlers Betrachtung Buridan bdquoeinen ele-ganten Ausweg aus der skeptischen Falleldquo insofern er ihn vor einem unendli-chen Regress bewahre bdquoWuumlrde man sich naumlmlich darauf einlassen eineKontrollinstanz fuumlr den Intellekt anzunehmen koumlnnte auch fuumlr diese Instanzwieder eine Kontrollinstanz gefordert werden [hellip] Genau diesem Problementgeht Buridan indem er den Intellekt von vornherein als das houmlchste kogni-tive Vermoumlgen des Menschen bestimmt und ihm ndash wie der ganzen Natur ndashZuverlaumlssigkeit zuspricht [hellip] Als Teil der Natur funktioniert der Intellekt imPrinzip korrekt und bildet unter normalen Bedingungen korrekte Urteileldquo56

Zum Ansatzpunkt der Stellungnahme zu dieser Deutung der AuffassungBuridans im Rahmen der hier verfolgten Darstellung der Transformation deraristotelischen Metaphysik in Buridans Denken bietet sich dessen Haltung inder Frage des bdquoersten Prinzipsldquo des Wissens an In der Sache stellt sich damitnaumlmlich die Frage inwieweit Buridan den Versuch einer eigenen bdquoLetztbe-gruumlndungldquo des Wissens als solchen unternimmt In Perlers Sicht liegt einsolcher Versuch bei Buridan jedenfalls nicht vor insofern fuumlr diesen bdquodasPrinzip der Widerspruchsfreiheit [hellip] das erste und fundamentalste [hellip] nichtweiter beweisbare Prinzipldquo57 ist Da es sich tatsaumlchlich aber anders verhaumlltd h da Buridan in der Frage des bdquoersten Prinzipsldquo ebenso Kritik an Aristote-

51 Vgl dazu im Einzelnen G Krieger Transzendental oder kohaumlrentistisch Buridans Widerle-gung des Skeptizismus in Acta Mediaevalia XXII (2009) 301ndash332

52 Perler Zweifel und Gewissheit (wie Anm 50) 400 f53 Ebd54 Ebd 38255 Ebd 37556 Ebd 38957 Ebd 371 f Perler unterlaumlsst eine Stellungnahme zu den im Folgenden angefuumlhrten durch-

aus anders lautenden Aumluszligerungen Buridans

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 325

les uumlbt wie er zugleich das Identitaumltsprinzip zum bdquoersten Prinzipldquo erklaumlrt undes als solches ausdruumlcklich begruumlndet erweist sich Perlers Deutung sowohlin Bezug auf das bdquoerste Prinzipldquo als auch hinsichtlich des kohaumlrentistischenCharakters des Wissenskonzeptes Buridans als nicht zutreffend

1 Die Kritik an Aristoteles

In Hinsicht auf Buridans hier infrage stehende Aristoteleskritik ist noch zuberuumlcksichtigen dass diese dem Nichtwiderspruchsprinzip in der fraglichenBedeutung in ontologischer Hinsicht gilt d h insoweit als Aristoteles sagtdass es unmoumlglich sei dass dasselbe demselben zukommt oder nicht zu-kommt (idem simul inesse et non inesse eidem est) Dass diese Aussage nachAristoteles das erste Prinzip darstelle muumlsse so Buridan offensichtlich be-stritten werden (statim videtur quod primum principium deberet negari quodest tale secundum Aristotelem) Dabei versteht sich die fragliche Aussage fuumlrBuridan in kategorischer und affirmativer Weise d h als uneingeschraumlnktwahre Aussage58

Vor diesem Hintergrund argumentiert Buridan zur Begruumlndung seinerKritik folgendermaszligen Er geht davon aus dass die als Subjektausdruck ge-brauchte Wendung bdquodasselbe kommt demselben zu oder kommt ihm nichtzuldquo etwas oder nichts ist dabei zeigt seine weitere Argumentation dass erbdquoseinldquo im Sinne faktischer Existenz oder Vorkommens versteht In diesemSinne verstanden ist der angesprochene Subjektausdruck so Buridan etwasdas vorkommt Deswegen kann eben dieser Ausdruck sbquodasselbe kommt dem-selben zu oder kommt ihm nicht zulsquo in einer Aussage Verwendung findenWird ausgesagt bdquosbquodasselbe kommt demselben zu oder kommt ihm nicht zulsquoist unmoumlglichldquo wird ausgesagt dass das was ist nicht moumlglich sei Denn indieser Aussage supponiert einer ihrer Ausdruumlcke fuumlr etwas das es laut dieserAussage nicht gibt bdquodasselbe kommt demselben zu oder kommt ihm nichtzuldquo ist ein Ausdruck der in der Aussage vorkommt bdquosbquodasselbe kommt dem-selben zu oder kommt ihm nicht zulsquo ist unmoumlglichldquo Gemaumlszlig dieser Aussageist also sbquodasselbe kommt demselben zu oder kommt ihm nicht zulsquo etwas dasist und doch nicht sein kann Diese Aussage steht somit nicht fuumlr sich selbstFalls bdquosbquodasselbe kommt demselben zu oder kommt ihm nicht zulsquo ist unmoumlg-

58 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) l IV q 12 f 21 va-b statim videtur quod primum principium deberet negari quod est tale secundum Aristote-lem sbquoidem simul inesse et non inesse est impossibilelsquo Et ista est vera propositio cathegoricaet affirmativa cuius subiectum est ista oratio sbquoidem simul inesse et non inesselsquo et praedica-tum est ille terminus sbquoimpossibilelsquo Die betreffende Stelle in der Metaphysik findet sichΓ 31005 b 23 f ἀδύνατον γάρ ὁντινοῦν ταὐτον υ‛πολαμβάνειν εἶναι καὶ μη εἶναι

326 Gerhard Krieger

lichldquo nichts ist ist die Aussage falsch Denn eine Wahrheit beanspruchendeAussage ist falsch wenn einer ihre Ausdruumlcke fuumlr nichts steht Im Ergebniszeigt sich dass die Aussage bdquosbquodasselbe kommt demselben zu oder kommtihm nicht zulsquo ist unmoumlglichldquo nicht als das infrage stehende Prinzip fungierenkann wie immer sie in den beiden ins Auge gefassten Modi verwendet wird59

Buridan macht also in seiner Kritik geltend dass der Ausschluss wider-spruumlchlicher Bestimmtheit im angesprochenen ontologischen Sinne nicht alsdas erste Prinzip fungieren kann indem er diesen Ausschluss in seiner Funkti-on der Aussage methodisch analysiert d h in seiner suppositiven Funktiongemaumlszlig der suppositio materialis Buridan setzt auf diese Weise an der Aussa-ge in ihrer Faktizitaumlt an insofern folgt er der Hinsicht der Gegenstaumlndlichkeitoder Sachhaltigkeit

2 Das Identitaumltsprinzip als bdquoerstes Prinzipldquo

Buridans eigene Stellungnahme zur Gestalt des bdquoersten Prinzipsldquo besagt dasser glaube (credo) dass die von ihm getroffenen Formulierungen des schlecht-hin ersten Prinzips angenommen werden muumlssten (simpliciter primum princi-pium debet poni) Weiter nimmt Buridan zwei Formulierungen vor Zu-naumlchst bdquoJegliches ist oder ist nichtldquo (Quodlibet est vel non est) Dann fuumlgtBuridan die als universell qualifizierte Aussage an bdquoNichts ist ein Identischesund nicht ein Identischesldquo (ista universalis nihil idem est et non est)60 DieseFeststellung werde ich in insgesamt drei Schritten naumlher untersuchen

1 Buridan kennzeichnet seine Feststellung dass die beiden dann folgendenFormulierungen des schlechthin ersten Prinzips angenommen werdenmuumlssten ihrem epistemischen Modus nach als subjektive Annahme (egocredo) Weiter unterstreicht Buridan indem er die Einfachheit oderSchlechthinnigkeit des ersten Prinzips (simpliciter primum principium)hervorhebt seinen objektiven Anspruch er zeigt sich davon uumlberzeugtdas erste Prinzip mit der getroffenen Formulierung im Modus des Urteilsdefinitiv auszusagen

59 Ebd f 21 vb Tunc arguo sic sbquoidem simul inesse et non inesse eidemlsquo est aliquid vel nihilSi est aliquid ergo potest esse quia omne quod est potest esse Et si potest esse tuncipsum non est impossibile Si vero nihil sit tunc propositio est falsum quoniam affirmativaest falsa si aliquis terminorum pro nullo supponit Et ita quocumque modo dicatur istapropositio videtur esse falsa

60 Ebd f 23 ra Sed ego credo quod simpliciter primum principium debet poni ista propositioquodlibet est vel non est Vel ista universalis nihil idem est et non est

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 327

Dass Buridan auf der einen Seite seine Aussagen ihrem epistemischenModus nach einschraumlnkt und sie zugleich auf der anderen Seite mit einemuneingeschraumlnkten Wahrheitsanspruch verknuumlpft findet seine Entspre-chung darin dass die beiden zu analysierenden Formulierungen des ers-ten Prinzips ihrer Form nach hypothetischer Natur sind Dem Gehaltnach entspricht Buridans Stellungnahme diesem Verhaumlltnis insofern diebeiden Formulierungen die beiden Seiten der Erkenntnis des Intellekteszum Ausdruck bringen insoweit dieser sich selbst in seiner urteilendenTaumltigkeit in prinzipieller Hinsicht erfasst zum einen die Erkenntnis dassin jeglichem Urteil Gegebenes als Zu-Erkennendes vorausgesetzt wirdzum zweiten dass in jeglichem Urteil der Intellekt sich selbst in seinerBestimmtheit als Bestimmendes voraussetzt Das erste Prinzip Buridansmacht die Selbsterkenntnis des Intellektes als Bedingung jeglicher Er-kenntnis im subjektiven und im objektiven Sinne ausdruumlcklich Damitartikuliert der zur Diskussion stehende Text den Kern der transzendenta-len Grundlegung der Metaphysik durch Buridan61

2 Buridans erste Formulierung des ersten Prinzips lautet Jegliches ist oderist nicht (Quodlibet est vel non est)62 Insofern kann das Prinzip auch soformuliert werden Es wird vorausgesetzt dass ein jegliches ist Daherstellt sich die Frage nach der Begruumlndung der objektiven Geltung dieserAussage d h konkret nach dem Grund der entscheiden laumlsst dass einJegliches ist Es liegt nahe anzunehmen dass dieser Grund darin bestehtbeurteilen zu koumlnnen als was ein jegliches istDie erste Formulierung des ersten Prinzips laumlsst sich damit folgenderma-szligen deuten Im Sinne subjektiven Fuumlr-wahr-Haltens besteht der Aus-gangspunkt des Erkennens in der alternativen Annahme dass es Jeglichesgibt oder nicht gibt Diese Alternative laumlsst folgende Annahme als denfraglichen Ausgangspunkt zu Es wird vorausgesetzt dass es Jeglichesgibt Dementsprechend stellt sich die Frage nach dem Grund bzw Kriteri-um fuumlr die Entscheidung daruumlber dass ein Jegliches vorkommt Es legtsich nahe anzunehmen das das fragliche Kriterium die Entscheidung da-ruumlber ermoumlglicht als was es etwas gibt als was es etwas geben kannund schlieszliglich auch als was es etwas geben muss Denn ansonstenkoumlnnte der gesuchte Gehalt nicht wirklich Kriterium sein sondern waumlreseinerseits nur etwas das es gibt Das mit der diskutierten Formulierung

61 R Schoumlnberger Relation als Vergleich Die Relationstheorie des Johannes Buridan im Kon-text seines Denkens und der Scholastik LeidenndashKoumlln 1994 285 sieht in Buridans Formulie-rung des primum principium complexum zwar durchaus bdquoin Absetzung von Aristoteles eineNeuformulierungldquo Er unterlaumlsst aber deren Analyse und uumlbersieht demzufolge die skizzierteBedeutung dieses Textes

62 Vgl oben Anm 60

328 Gerhard Krieger

des schlechthin ersten Prinzips fragliche Kriterium eroumlffnete so verstan-den also die Bestimmung realer Moumlglichkeit (im Unterschied zur logi-schen Denkbarkeit d i die durch die Elemente eines Begriffs und dielogischen Prinzipien bedingte innere Nichtwiderspruumlchlichkeit) vonWirklichkeit und von realer Notwendigkeit (im Unterschied zur logi-schen durch die logischen Prinzipien bestimmten Notwendigkeit)

3 Buridan fuumlgt der zuvor analysierten Fassung des ersten Prinzips folgendezweite als universell qualifizierte Formulierung an bdquoNichts ist ein Identi-sches und nicht ein Identischesldquo (ista universalis nihil idem est et nonest)63

Hinsichtlich der Deutung dieser Aussage sei zunaumlchst festgehalten dassder Ausdruck est ebenso wie bei der ersten Formulierung des schlechthinersten Prinzips im Sinne des bdquoEs gibtldquo verstanden wird Weiter bringtBuridan mit der universellen Qualifizierung dieser Aussage zum Aus-druck dass die jetzt zur Diskussion stehende Fassung die ist die als dasschlechthin erste Prinzip angenommen werden muss wenn es denn tat-saumlchlich als ein solches angenommen wird

Im Ergebnis besagt dies Die erste Formulierung des ersten Prinzips bringt diedem subjektiven Ausgangspunkt des Erkennens und Urteilens entsprechendeFeststellung der Annahme des Dass eines Jeglichen zum Ausdruck Die zweiteFormulierung stellt das Prinzip der Bestimmbarkeit oder der realen Moumlglich-keit von Bestimmtem dar Denn mit dem Gesichtspunkt der Identitaumlt ist einKriterium zur Beurteilung dessen gegeben als was etwas vorkommt vorkom-men kann oder vorkommen muss Insofern charakterisiert diese Formulie-rung das schlechthin erste Prinzip als die schlechthin grundlegende Bedin-gung von Bestimmtheit und damit zugleich als die grundlegende Bedingungvon Gegenstaumlndlichkeit oder Sachhaltigkeit im Allgemeinen

Schlieszliglich gehoumlrt es fuumlr Buridan zu einer evidenten Annahme (evidentisopinionis) dass es unmoumlglich ist in irgendeinem Falle der zu dieser Annahmekontraumlren Meinung zu sein Denn letztgenannte Moumlglichkeit erforderte eskontraumlre Annahmen in ein- und demselben Intellekt zu realisieren was un-moumlglich ist64

Diese Bemerkung versteht sich folgendermaszligen Zwei Uumlberzeugungenschlieszligen sich nicht bereits dadurch gegenseitig aus dass sie sich ihrem sachli-

63 Ebd64 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) l IV q 12 f 23 ra

Et iterum illa de hypothetico extremo vel etiam propositio hypothetica disiungens conce-denda est Ita evidentis opinionis quod impossibile est ipsi opposita opinari in quocumquecasu quia oporteret opinantem habere simul in intellectu opiniones contrarias quod estimpossibile

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 329

chen Gehalt nach kontradiktorisch zueinander verhalten sondern erst dannwenn sie sich in ihrer gedanklichen Realitaumlt und damit kontraumlr zueinanderverhalten Unter dieser Voraussetzung steht naumlmlich jede der beiden Uumlberzeu-gungen fuumlr sich im Verhaumlltnis der Bejahung des betreffenden SachverhaltesDamit stehen die beiden Uumlberzeugungen zugleich im kontraumlren Verhaumlltniszueinander Denn im Falle der einen Uumlberzeugung stimmen Uumlberzeugung undSachverhalt uumlberein waumlhrend dies im Falle der entgegengesetzten Uumlberzeu-gung nicht zutrifft Die beiden Uumlberzeugungen stehen also deswegen im kont-raumlren Verhaumlltnis zueinander weil der Intellekt sich dabei in Bezug auf denSachverhalt gleichzeitig im Verhaumlltnis der Bejahung und der Verneinung be-findet Dass die beiden Uumlberzeugungen im kontraumlren Verhaumlltnis zueinanderstehen heiszligt also kurz gesagt dass dasselbe Subjekt bzw derselbe Intellektsich selbst gleichzeitig bejaht und verneint urteilt und zugleich nicht odergegensaumltzlich urteilt Das aber ist unmoumlglich contraria non possunt esse ineodem subiecto vel intellectu

Damit zeigt sich im Ergebnis zweierlei erstens dass es sich bei dem Sach-verhalt des ersten Prinzips als solchen um nichts anders handelt als um dieForm des Intellektes oder der Bestimmtheit als solcher Der Sachverhalt desersten Prinzips ist der Gesichtspunkt der Identitaumlt Und zweitens dass dieserwie jeder Sachverhalt oder Gegenstand zur bdquoWeltldquo gehoumlrt insofern er dermeines Intellektes ist oder sein kann d h insofern ich mir bzw mein Intellektsich dieses Gegenstandes gewiss zu sein vermag Denn der Sachverhalt desersten Prinzips selbst bleibt in seiner Objektivitaumlt unerkennbar da diese Er-kenntnis die subjektive Gewissheit oder die Realitaumlt der Vernunft bereitsvoraussetzt Insofern schlieszligt so Buridan die Gewissheit dass es unmoumlglichist im selben Intellekt gleichzeitig kontraumlre Annahmen realisieren zu koumlnnennicht die einfache und kategorische Aussage uumlber die objektive Realitaumlt desIntellektes als Identitaumltsverhaumlltnis ein65 Im Ergebnis bestimmt sich Realitaumltuumlberhaupt nach der Realitaumlt des Intellektes als tatsaumlchlich realisierten Bestim-mungs- oder Erkenntnisverhaumlltnisses Die subjektive Selbstgewissheit derVernunft ist die unhintergehbare Basis allen Erkennens und Wissens

IV Die transzendentale Wende als Element der Geschichteder Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter

Buridans Beitrag zur Geschichte der Metaphysik des Aristoteles im Mittelal-ter besteht im Ergebnis zugespitzt gesagt darin die subjektive Hinsicht als

65 Ebd Talem autem evidentiam non includit aliqua simplex cathegorica saltem explicite

330 Gerhard Krieger

das Prinzip des Erkennens und Wissens und damit das der Gegenstaumlnde her-vorgehoben zu haben und zwar sowohl im Blick auf die sinnliche als auchauf die intellektive Erkenntnis Gemeinsam ist beiden Erkenntnisweisen dieUrspruumlnglichkeit und damit der Vorrang der Erkenntnisbeziehung als solcherim Verhaumlltnis zu ihrem Gehalt Der Sache nach begruumlndet sich damit diesinnliche ebenso wie die begriffliche Gestalt des Erkannten als solchen imErkenntnisverhaumlltnis selbst wenn gleich das Erkannte seiner Realitaumlt nachder Erkenntnis vorausliegt Insoweit gehoumlrt die transzendentale Wende in die-sem Sinne verstanden zur Geschichte der Metaphysik des Aristoteles im Mit-telalter selbst Buridan vollzieht diesen Schritt naumlmlich ganz im Sinne derspezifischen Selbstdeutung des Denkens wie sie fuumlr die mittelalterliche Sichtim generellen Sinne kennzeichnend ist Diese Selbstdeutung fuumlhrt Buridanihrem Ursprung wie ihrem Geltungsanspruch nach auf die antike Philosophiezuruumlck er begruumlndet Wissen der Sache nach mit dem Motiv der Wahrheitund historisch fuumlhrt er dieses Motiv auf Plato und Aristoteles zuruumlck66 Zu-gleich versteht Buridan seine tatsaumlchliche Realisierung der Philosophie alseinen individuellen Akt als Ausdruck und Konsequenz von Freiheit Konkretzeigt sich diese Individualitaumlt und Freiheit bei Buridan in dem historischdurchaus ungewoumlhnlichen Verbleib in der philosophischen Fakultaumlt und demVerzicht auf den Aufstieg in die theologische Fakultaumlt67

Systematisch gesehen ist es in heutiger Perspektive nicht selbstverstaumlnd-lich und anerkannt dass die subjektive Hinsicht als Prinzip des Erkennensund Wissens zu gelten hat Buridans Uumlberlegungen scheinen mir fuumlr dieseAuseinandersetzung durchaus Ansaumltze und Perspektiven zu eroumlffnen Das nauml-her auszufuumlhren dazu beduumlrfte es freilich nicht allein einer anderen Gelegen-heit Bei meiner Stellungnahme wuumlrde ich auch das mitberuumlcksichtigen wasich in meinem Beitrag zum Denken des Nikolaus von Kues vortragen moumlchteInsofern schlieszlige ich mit der Ankuumlndigung dass ich das was ich hier zuBuridan vorgetragen habe im Blick auf Cusanus in einzelnen Gesichtspunk-ten aufgreifen werde

66 Vgl dazu naumlher G Krieger Die Ruumlckkehr des Sokrates Oder Wo liegen die Grenzen mittel-alterlichen Denkens in Grenze und Grenzuumlberschreitungen im Mittelalter (11 Symposiondes Mediaevistenverbandes FrankfurtO) hrsg v Ulrich Knefelkamp Kristian Bosselmann-Cyran Berlin 2007 439ndash452

67 Vgl dazu naumlher B Michael Johannes Buridan Studien zu seinem Leben seinen Werkenund zur Rezeption seiner Theorien im Europa des spaumlten Mittelalters Berlin (Diss FU)2 Bde 1985 hier Bd I S 203

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 331

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Ders Menschliche Vernunft als Terminus der Reflexion Zu einer Uumlberein-stimmung zwischen mittelalterlicher Philosophie und Kant Kant-Studien96 2005 182ndash207

Ders Transzendental oder kohaumlrentistisch Buridans Widerlegung des Skep-tizismus in Acta Mediaevalia XXII (2009) 301ndash332

Ders Die Ruumlckkehr des Sokrates Oder Wo liegen die Grenzen mittelalter-lichen Denkens in Grenze und Grenzuumlberschreitungen im Mittelalter

332 Gerhard Krieger

(11 Symposion des Mediaevistenverbandes FrankfurtO) hrsg v UlrichKnefelkamp Kristian Bosselmann-Cyran Berlin 2007 439ndash452

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Metaphysik als Entwurf ndashCusanus und die Metaphysik

Gerhard Krieger

Meine Uumlberlegungen zur Stellung und Bedeutung des cusanischen Denkensin metaphysischer Hinsicht koumlnnen sich nicht auf einen Kommentar zur aris-totelischen Schrift stuumltzen Aus diesem Grund werde ich zunaumlchst einige Be-merkungen dazu machen wie sich mein Beitrag von seinen Voraussetzungenund methodisch versteht In diesem Rahmen werde ich auch etwas zu denRezeptionsbedingungen sagen unter denen nach meiner Einschaumltzung derangesprochene Beitrag des Cusanus zu sehen ist Ebenso erfolgt in diesemZusammenhang eine erste Erlaumluterung der Deutung der Metaphysik durchCusanus im Blick auf dessen Verstaumlndnis der coniectura (I) Weiter werdeich dieses Verstaumlndnis dann im Einzelnen naumlher vorstellen und erlaumlutern (IIndashIV) Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen werden (V)

I HinfuumlhrungZu den Voraussetzungen der Uumlberlegungen

zum methodischen Vorgehen und zu einer ersten Erlaumluterungder intendierten Deutung

1 Zu den Voraussetzungen und zum methodischen Vorgehen

Meine Uumlberlegungen basieren zum einen auf der Annahme dass Cusanus inseinem Denken insgesamt im Sinne mittelalterlicher Intellektualitaumlt ansprech-bar ist wie sie ihre Gestalt in der Universitaumlt erfaumlhrt und entwickelt Insoweitwird im Blick auf das cusanische Denken ein metaphysischer Deutungszu-sammenhang unterstellt der sich als solcher zwar nicht bei Cusanus selbstdargelegt und expliziert findet der aber gleichwohl als gedanklicher Zusam-menhang des Nikolaus von Kues und damit als cusanisch angesehen werdenkann Im Lichte dieser Annahme beziehe ich mich auf eine Reihe von Textendes Kardinals die insoweit die methodische Grundlage meiner Uumlberlegungenbilden damit als Ausdruck des angesprochenen Deutungszusammenhangsgenommen und in ihrem sachlichem oder philosophischen Anspruch analy-siert und diskutiert werden Der Ausdruck bdquoMetaphysikldquo wird dabei in kur-

334 Gerhard Krieger

sivierter Schreibweise gebraucht soweit damit die betreffende Schrift desAristoteles gemeint ist waumlhrend sich der Ausdruck ohne Kursivierung aufdie betreffende Wissenschaft oder bdquoErste Philosophieldquo im Verstaumlndnis desAristoteles bezieht

Die Zuordnung des Cusanus zur Geschichte der Metaphysik des Aristote-les basiert daruumlber hinaus auf zwei Annahmen deren erste die beiden Motivebetrifft die Cusanus seinerseits in Bezug auf sein Verhaumlltnis zu Aristotelesund Platon benennt Er tut dies im Blick auf die aristotelische Leugnungapriorischer Erkenntnisinhalte und den betreffenden Vergleich des Geistesmit einer unbeschriebenen Tafel Insoweit bestimmt der Kardinal sein Ver-haumlltnis zu Aristoteles von dem Motiv her dass sich die inhaltliche Bestimmt-heit der Erkenntnis der Erfahrung verdankt1 Im Unterschied dazu kennzeich-net Cusanus sein Verhaumlltnis zu Platon von der Urteilsfaumlhigkeit des menschli-chen Geistes her die diesem urspruumlnglich und aus sich heraus zukomme2

Insofern moumlchte ich dieses Motiv hier im Sinne der Vereinheitlichungs- oderBestimmungsfunktion des Urteils bzw allgemeiner des menschlichen Geistesaufgreifen

Die zweite Annahme in Bezug auf das Verhaumlltnis des Kardinals zu Aristo-teles betrifft dessen Hinsichten auf die aristotelische Metaphysik Diese erge-ben sich aus meiner Sicht im Besonderen aufgrund der historischen Bezuumlgezur aristotelisierenden Tradition im mittelalterlichen Denken Im Besonderensind dies Auffassungen die als ockhamistisch und als scotisch bzw scotistischgelten koumlnnen sowie solche die auf Buridans Denken verweisen Im Einzel-nen lassen sich diese Bezuumlge in Texten des Cusanus identifizieren Insofernverstehe ich diese Positionen zugleich im Sinne der besonderen Rezeptionsbe-dingungen der aristotelischen Metaphysik im cusanischen Denken

Im Blick auf die Frage wie das Verhaumlltnis des Cusanus zur Metaphysikdes Aristoteles in der Literatur gesehen wird und wie sich die hier vorgelegte

1 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (Philosophische Bibliothek432) lat-dt neu uumlbers u mit Anm hg R Steiger Hamburg 1995 c IV n 77 AiebatAristoteles menti seu animae nostrae nullam notionem fore concreatam quia eam tabulaerasae assimilavit Plato vero aiebat notiones sibi concreatas sed ob corporis molem animamoblitam [hellip] Non est igitur credendum animae fuisse notiones concreatas quas in corporeperdidit sed quia opus habet corpore ut vis concreata ad actum pergat [hellip] In hoc igiturAristoteles videtur bene opinari animae non esse notiones ab initio concreatas quas incor-porando perdiderit

2 Ebd c IV n 77 f Verum quoniam non potest proficere si omni caret iudicio [hellip] quaremens nostra habet sibi concreatum iudicium sine quo proficere nequiret Haec iudicariaest menti naturaliter concreata per quam iudicat per se de rationibus an sint debiles fortesaut concludentem Quam vim si Plato notionem nominavit concreatam non penitus erravit[hellip] Experimur ex hoc mentem esse vim illam quae licet dareat omni notionali formapotest tamen excitata se ipsam omni formae assimilare et omnium rerum notiones facere

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 335

Sicht dazu verhaumllt sei auf die Stellungnahme verwiesen die dazu im Zusam-menhang des Fazits erfolgen wird

2 Eine erste Erlaumluterung der intendierten Deutungconiectura als Entwurf

Was schlieszliglich die besondere Gestalt der Transformation der Metaphysikbetrifft wie Cusanus sie in meiner Sicht vollzieht sei diese hier vorerst imBlick auf die Kennzeichnung menschlicher Erkenntnis als coniectura erlaumlu-tert Im Besonderen geht es um die Feststellung dass es sich bei einer coniec-tura um eine bejahende Behauptung handelt die zur Wahrheit selbst im Ver-haumlltnis von Andersheit und Teilhabe steht (positiva assertio in alteritate veri-tatem uti est participans)3 In seiner Erlaumluterung dieser Kennzeichnung gehtCusanus von der sinnlichen Erfassung eines Gegenstandes in dessen Gegen-wart aus Die betreffende begriffliche Bestimmung erfolgt im Sinne einer bdquopo-sitiven Bejahungldquo (positiva assertio) sie basiert insoweit auf der sinnlichenErfassung und wird gemaumlszlig ihrer sinnlichen Gegebenheit als zutreffend erach-tet (Nam dum tu clarissimis tuis oculis faciem pontificis coram conspicisde ipsa positivam assertionem concipis quam praecisam secundum occulumaffirmas)

Angesprochen ist also etwa folgendes Urteil bdquoIch sehe das Antlitz dieserPerson vor mirldquo das in seiner sinnlichen Unmittelbarkeit bdquobejahtldquo wird Un-terscheidet man weiter das angesprochene Sehen etwa vom betreffenden Houml-ren indem man feststellt dass die angesprochene Person zwar gesehen abernicht gehoumlrt wird zeigt sich ein zweifaches erstens ist diese Feststellung ih-rerseits nicht ein Urteil der angesprochenen Sinne sondern der Vernunft (ra-tio) und dieses Urteil verweist zweitens auf die Einsicht dass die Differenzvon Sehen und Houmlren in ihrer gemeinsamen Sinnlichkeit organisch bedingtist (Dum ad radicem illam unde discretio sensus emanat te convertis ndash adrationem dico ndash intelligis sensum visus participare vim discretivam in alteri-tate organice contracta4)

Gemaumlszlig ihrer organischen Bedingtheit verhaumllt sich die einzelne Sinnes-erkenntnis als solche standpunktbezogen oder relativ zu ihrem Gegenstand

3 Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (Philosophische Bibliothek Bd 268) lat-dt uumlbers u mit Einf u Anm hg v J Koch u W Happ Hamburg 1971 p I c XI n 57Coniectura igitur est positiva assertio in alteritate veritatem uti est participans

4 Ebd Nam dum tu pater clarissimis tuis oculis faciem pontificis summi [hellip] coram conspi-cis de ipsa positivam assertationem concipis quam praecisam secundum oculum affirmasDum autem ad radicem illam unde discretio sensus emanat te convertis ndash ad rationemdico ndash intelligis sensum visus participare vim discretivam in alteritate organice contracta

336 Gerhard Krieger

Insofern realisiert sich in der Sinneserkenntnis keine Wesenserkenntnis (fa-ciem ipsam non uti est sed in alteritate secundum angelum tui oculi abomnibus viventium oculis differentem contemplaras) Die Vernunft (ratio)bringt in ihrer Unterscheidungsfaumlhigkeit zwar die Vielfalt und Verschieden-heit der sinnlichen Erkenntnisse zur Einheit Insofern sind die sinnlichen Er-kenntnisse im Vergleich zu dieser Einheit in deren Praumlzision bdquoMutmaszligun-genldquo So wenig die sinnliche Erkenntnis Wesenserkenntnis ist so wenig istfreilich die Erkenntnis der (menschlichen) Vernunft soweit sie die Sinneser-kenntnis uumlberschreitet in ihrer Differenz zum schoumlpferischen Intellekt We-senserkenntnis Insofern realisiert auch die menschliche Vernunft bdquoMutma-szligungenldquo5

Im Lichte dieser Erlaumluterungen betrachtet wird die angesprochene Kenn-zeichnung der coniectura hinsichtlich ihres positiv-behauptenden Charakters(positiva assertio) im Sinne subjektiver Selbstgewissheit dieser Erkenntnis ge-deutet Cusanus erlaumlutert seinerseits diesen Aspekt mit dem Hinweis auf dieAffirmation der sinnlichen Erkenntnis gemaumlszlig ihrer sinnlichen GegebenheitAllerdings wird auf diese Weise der infrage stehende positive Behauptungs-charakter mutmaszligender Erkenntnis nicht auf deren sinnliche Bestimmtheitbezogen Denn Cusanus spricht diese Erkenntnis bereits als sinnliche in ihrembdquokonzeptionellenldquo Charakter an und hebt dementsprechend die Vernunft alsbdquoWurzel der sinnlichen Unterscheidungsfaumlhigkeitldquo hervor6 Soweit eine Er-kenntnis in ihrer Konjekturalitaumlt eine bdquobejahende Behauptungldquo darstellt istsie als diese Erkenntnis (und nicht in ihrer Sinnlichkeit) im subjektiven Sinnegewiss Insofern auch die Vernunfterkenntnis soweit sie die Sinneserkenntnisuumlberschreitet ebenso wenig wie diese Wesenserkenntnis zu realisieren ver-mag ist sie ihrerseits mutmaszligender Natur Deswegen verbindet sich mit die-ser Vernunfterkenntnis ebenfalls deren subjektive Selbstgewissheit

Ist auf diese Weise die infrage stehende Kennzeichnung mutmaszligenderErkenntnis in ihrem affirmativ-behauptenden Charakter erlaumlutert soll jetztdarauf naumlher eingegangen werden dass die bdquoMutmaszligungldquo wie Cusanussagt zur Wahrheit im Verhaumlltnis der Teilhabe und Andersheit (in alteritateveritatem uti est participans) steht Zum naumlheren Verstaumlndnis dieser Kenn-zeichnung sei zunaumlchst an die Begruumlndung angeknuumlpft die Cusanus seiner

5 Ebd Ob quam causam defectum casus a praecisione intueris quoniam faciem ipsam nonuti est sed in alteritate secundum angullum tui occuli ob omnibus viventium oculis diffe-rentem contemplaras [hellip] Quemadmodum vero sensus in unitate rationis suam alteritatemexperitur et assertationes sensibiles ab unitate praecisionis absolvendo coniecturas facit itaratio in radicali unitate sua in ipso scilicet intelligentiae lumine suam alteritatem et casuma praecisione in coniecturam invenit

6 Ebd positivam assertionem concipis quam praecisam secundum occulum affirmas [hellip] adradicem illam unde discretio sensus emanat te convertis ndash ad rationem dico Vgl Anm 4

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 337

Einschaumltzung der menschlichen Vernunfterkenntnis in ihrem Verhaumlltnis zumgoumlttlichen Intellekt gibt Cusanus dient dieser Vergleich dazu auch die mut-maszligende Natur der die Sinneserkenntnis uumlberschreitenden Vernunfterkennt-nis herauszustellen In seiner betreffenden Begruumlndung setzt er an der Diffe-renz des Erkennens zu seinem Gegenstand an Dieser wird seinem Wesennach nur in demjenigen Erkennen erfasst dessen Geschoumlpf dieser Gegenstandist (in proprio suo intellectu cuius ens existit uti est intelligitur) Insofernrealisiert sich (wahre) Wesenserkenntnis nur in derjenigen Erkenntnis dersich dieses Wesen seinem Sein nach verdankt (Non igitur attingitur aliquiduti est nisi in propria veritate per quam est) Dementsprechend wird dieWahrheit derjenigen Dinge die ihre Realitaumlt dem goumlttlichen Erkennen ver-danken im menschlichen Erkennen bdquonur anders und abgewandeltldquo (aliteratque varie) erfasst die betreffende Wesenserkenntnis ist in einem anderenErkennen (als dem goumlttlichen) nicht erreichbar (neque intellectus rei uti estin alio attingibilis est)7

Die menschliche Vernunft (ratio) vermag also zum einen keine Wesenser-kenntnis zu realisieren insofern es ihr an schoumlpferischer Kraft in Bezug aufden zu erkennenden Gegenstand in dessen Realitaumlt mangelt Zum anderenbegruumlndet sich dieser Mangel fuumlr Cusanus in der Verschiedenheit der gedank-lichen Realitaumlt einer Wesenserkenntnis Ein und dasselbe Wesen eines Dingesunterscheidet sich nach der Realitaumlt seiner jeweiligen Erkenntnis8 Weil dasWesen eines Dinges und die menschliche Vernunft ihrer Realitaumlt nach ver-schieden sind und sich menschliche Vernunfterkenntnis nur individuell unddamit mannigfaltig und verschieden realisiert verwirklicht sich die Wesenser-kenntnis der menschlichen Vernunft in der bdquoMannigfaltigkeit von Mutma-szligungenldquo (varietas coniecturarum)

Was gewaumlhrleistet zugleich den Zusammenhang der verschiedenen Mut-maszligungen gemaumlszlig ihrer Erkenntnisnatur so dass diese sowohl voneinanderals auch in Bezug auf das zu erkennende Ding nicht nur der Realitaumlt nachverschieden sondern zugleich in ihrer Bestimmtheit als Erkenntnis vergleich-

7 Ebd p I c XI n 55 Assis hic totus ut ad coniecturam varietatem subintres Nullum enimintelligibile uti est te intelligere posse conspicis si intellectum tuum aliam quandem remesse admittis quam intelligibile ipsum solum enim intelligibile ipsum in proprio suo intellec-tu cuius ens exsistit uti est intelligitu in aliis autem omnibus aliter Non igitur attingituraliquid uti est nisi in propria veritate per quam est In solo igitur divino intellectu perquem omne ens exsistit veritas rerum omnium uti est attingitur in aliis intellectibus aliteratque varie Neque intellectus rei uti est in alio attingibilis est

8 Ebd Neque intellectus rei uti est in alio attingibilis est sicut circulus uti est in hocsensibili paviemento alibi nisi aliter fieri nequit Identitas igitur inexplicabilis varie differen-ter in alteritate explicatur atque ipsa varietas concordanter in unitate identitatis complica-tur

338 Gerhard Krieger

bar sind Cusanus sieht diesen Zusammenhang gewaumlhrleistet durch das Ver-haumlltnis bdquounserer Intelligenzldquo (intelligentia nostra) zum bdquogoumlttlichen Intellektldquo(divinus intellectus) Naumlher hin deutet er dieses Verhaumlltnis im Sinne der An-dersheit und Teilhabe Der goumlttliche Intellekt stellt in seiner Erkenntnis eineWirklichkeit dar an der der menschliche Geist Anteil nimmt und zwar inder Weise unmittelbarer geistiger Teilhabe (participatio intellectualis incom-municabilis) Der menschliche Geist steht im Vollzug seiner Erkenntnis zurWirklichkeit des goumlttlichen Erkennens unmittelbar im Verhaumlltnis ebenso vonTeilhabe wie von Andersheit oder Moumlglichkeit (hinc participantes mentesin ipsa alteritate actualissimi intellectus quasi in actu illo qui ad divinumintellectum relatus alteritas sive potentia existit participare contingit)9 Dermenschliche Geist nimmt unmittelbar Anteil am goumlttlichen Geist im Vollzugdes Erkennens selbst Er tut dies zugleich in Andersheit oder Moumlglichkeitinsofern es ihm an der schoumlpferischen Kraft des goumlttlichen Erkennens man-gelt Insofern kann er das Wesen eines Dinges nur bdquoanders und abgewandeltldquoerkennen ohne dass ihm die Erkenntnis des Dinges gaumlnzlich verwehrt bliebeInsoweit versteht sich die bdquoAndersheit oder Moumlglichkeitldquo (alteritas sive po-tentia) in der eine Mutmaszligung menschlicher bdquoIntelligenzldquo das Wesen einesDinges und damit die Wahrheit erfasst nicht primaumlr im Sinne realer Differenzund Vielheit sondern einer Differenz in Bezug darauf wie dieses Wesen er-kannt wird und zur Darstellung gelangt Dabei kann in jedem Falle ausge-schlossen werden dass die fragliche Erkenntnis eine bloszlige Abbildung oderRepraumlsentation des fraglichen Wesens realisiert Denn in diesem Falle waumlredie bdquoMannigfaltigkeit der Mutmaszligungenldquo lediglich durch ihre reale Diffe-renz gegeben aber nicht gemaumlszlig ihrer jeweiligen Bestimmtheit als ErkenntnisEin und dasselbe Wesen eines Dinges unterschiede sich in den verschiedenenErkenntnissen zwar nach deren Realitaumlt aber nicht nach deren Verschieden-heit als Erkenntnisse ein und desselben Wesens (Identitas igitur inexplicabilisvarie differenter in alteritate explicatur)10

Gemaumlszlig diesen Uumlberlegungen zu der angesprochenen Kennzeichnung derconiectura wird deren herausgestellte subjektive Gewissheit als der Ausgangs-punkt des konjekturalen Erkennens verstanden und die bdquoMannigfaltigkeitder Mutmaszligungenldquo als Ausdruck und Konsequenz des deutenden und kreati-ven Charakters dieses Erkennens Naumlher hin besagt dies zum einen dass Er-

9 Ebd p I c XI n 56 Nam sunt mentes ipsae in se divini luminis radium capientes quasiparticipationem ipsam natura praevenerint sed participatio intellectualis incommunicabilisipsius actualissimae lucis earum quiditas exsistit Actualitas igitur intelligentiae nostrae inparticipatione divini intellectus exsistit [hellip] hinc participantes mentes in ipsa alteritate ac-tualissimi intellectus quasi in actu illo qui ad divinum intellectum relatus alteritas sivepotential exsistit participare contingit

10 Vgl Anm 8

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 339

kenntnis in ihrem angesprochenen Ausgangspunkt zugleich ihre unhintergeh-bare Basis besitzt Ihren letzten Grund findet menschliche Erkenntnis in derEvidenz die sie fuumlr den Erkennenden besitzt fuumlr den also der sie als solcherealisiert Denn insofern menschlichem Erkennen die definitive Wesenser-kenntnis verwehrt bleibt ist sie in ihrer Wahrheit oder Objektivitaumlt nicht aufeinen der Erkenntnis vorausliegenden Grund zuruumlckfuumlhrbar Fuumlr die Mannig-faltigkeit und Verschiedenheit in denen sich menschliche Erkenntnis gemaumlszligihrer mutmaszligenden Natur realisiert besagt dies zum anderen dass sich darinnicht eine Defizienz menschlicher Erkenntnis zeigt vielmehr ist menschlicheErkenntnis als solche standpunktgebunden und perspektivischer Natur undhat deswegen die Charaktere von Deutung und Entwurf Gemaumlszlig seinerGrundverfasstheit steht dieses Erkennen von vornherein nicht in einem blo-szligen Abbildungs- bzw Angleichungsverhaumlltnis zu seinen Gehalten sondernin einer deutenden bzw entwerfenden Beziehung So verstanden kann dieVerwendung des Ausdrucks bdquoEntwurfldquo durchaus auch als Uumlbersetzung vonconiectura angesehen werden Wenn ich in diesem Sinne das cusanische Ver-staumlndnis der Metaphysik als bdquoEntwurfldquo anspreche soll damit also gesagtsein dass der Kardinal der bdquoErsten Philosophieldquo eine Gestalt gibt die dieRelativitaumlt unserer theoretischen Kompetenz im Verhaumlltnis zu deren Gegen-stand ebenso anerkennt wie sie ihr zugleich eine eigene Sinnbestimmung zugeben vermag

Diese Sicht soll am Leitfaden bestimmter Hinsichten des Verstaumlndnissesder Metaphysik entfaltet werden und zwar in der Weise wie wiederum die-ses Verstaumlndnis sich im Lichte der angesprochenen historischen Bezuumlge dar-stellt Insofern menschliche Erkenntnis fuumlr Cusanus bereits in ihrer Sinnlich-keit mutmaszligender Natur ist nimmt die Darstellung ihren Ausgang bei dessenEinschaumltzung sinnlicher Erkenntnis Gemaumlszlig wiederum der historischen Per-spektive der intendierten Darstellung liegt es nahe dabei den Blick im Beson-deren auf den Zusammenhang zwischen sensus communis und imaginatio zurichten

II Sinnliche Erkenntnis Vermittelte Unmittelbarkeit dankimaginativer Vergegenwaumlrtigung sinnlicher Gehalte

Vor dem Hintergrund der betreffenden Darlegungen in der Darstellung derAuffassung Buridans in diesem Punkt11 sei zunaumlchst das Problem das sich

11 Vgl dazu naumlher die Ausfuumlhrungen im Beitrag zu Buridan unter II Sinnliche Wahrnehmungals Bedingung der Gegenstaumlndlichkeit

340 Gerhard Krieger

im Blick auf diesen Zusammenhang bei Aristoteles zeigt kurz angesprochenDieser nimmt uumlber die Einzelsinne hinaus einen zentralen Gemeinsinn an anden die Formen aus den aumluszligeren Sensorien ruumlckgemeldet werden und mitdessen Affektion es allererst zur bewussten Wahrnehmung kommt Die Af-fektion die den Gemeinsinn zu der genannten bewussten Wahrnehmung be-faumlhigt ist wegen ihrer Unmittelbarkeit also aumluszligerlich Die Imagination bzwPhantasie ist fuumlr Aristoteles im Unterschied dazu die sinnliche Faumlhigkeit reininnere Erscheinungen zu haben denen keine gleichzeitige Wahrnehmung aumlu-szligerer Erscheinungen korrespondiert Die angesprochene Affektion ist zwarebenso Grundlage der durch die Imagination zustande kommenden Vorstel-lung Aber diese kann es als innere erst von dem Zeitpunkt an geben zu demder betreffenden Empfindung kein aumluszligeres Objekt mehr korrespondiert Ih-rer jeweiligen Sinnrichtung nach agieren Gemeinsinn und Einbildungskraftsomit zwar gegenlaumlufig im Sinne der Differenz von aumluszligerer Wahrnehmungund innerer Vorstellung oder Erscheinung dem Verlauf nach sind sie abernacheinander geordnet Die spezifische Differenz der Imaginaumlrerscheinungenzur sinnlichen Wahrnehmung in Gestalt des Gemeinsinns macht aus dassbdquodie Extreme innerhalb der natuumlrlichen Bewegungsabfolge zwischen wirken-dem Objekt peripherer und zentraler Affektion sich nicht zeitlich uumlberlap-penldquo12

Im Blick auf die betreffende Auffassung des Cusanus knuumlpfe ich an eineErlaumluterung an die dieser der traditionellen Einteilung der Zeichen gibt Undzwar begruumlndet er diese Einteilung von der Ursache her durch die die Zei-chen ihre Bezeichnungsfunktion fuumlr sinnliche Lebewesen ausuumlben Im Falleder natuumlrlichen Zeichen erklaumlrt sich diese Funktion von der Affektion hervermittels derer ein Gegenstand im Sinnesvermoumlgen bezeichnet wird Im Un-terschied dazu ergibt sich die Bezeichnungsfunktion gesetzter Zeichen vomAkt ihrer betreffenden Setzung her Insoweit bestimmt sich Zeichenhaftigkeitgenerell fuumlr Cusanus im Verhaumlltnis zu empfindungsfaumlhigen Lebewesen13

Weiter erklaumlrt sich die Erfassung der natuumlrlichen Zeichen vermittels einerRepraumlsentationsleistung der Imagination die sich nicht den natuumlrlichen Zei-chen selbst verdankt Deren Erfassung bedarf so stellt Cusanus fest einesbdquoMediums durch das hindurch der Gegenstand ein Bild oder Zeichen vonsich vervielfaumlltigen kannldquo Insoweit knuumlpft der Kardinal an die aristotelische

12 H Busche Hat Phantasie bei Aristoteles eine interpretierende Funktion in der Wahrneh-mung Zeitschrift fuumlr philosophische Forschung 51 1997 565ndash589 hier 574

13 Nikolaus von Kues KompendiumCompendium (Philosophische Bibliothek Bd 267) lat-dt uumlbers u mit Einl und Anm hg v B Decker und K Bormann Hamburg 1966 c IIn 5 Signa omnia sensibilia sunt et aut naturaliter res designant aut ex instituto Naturaliteruti signa per quae in sensu designatur obiectum Ex instituto vero uti vocabula et scripturaeet omnia quae aut auditu aut vis capiuntur et res prout institutum est desginant

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 341

Auffassung an dass etwa die Farbe des Mediums der Luft beduumlrfe um erfasstzu werden Cusanus geht zugleich uumlber Aristoteles hinaus indem er feststelltdass jene natuumlrlichen Zeichen die durch den jeweiligen Gegenstand zustandekommen ihrerseits bdquoals bezeichneteldquo (signa remaneant signata) in der Imagi-nation zuruumlckbleiben bdquoDie Zeichen der Dinge in der Einbildungskraft sindZeichen der Zeichen in den Sinnen (Sunt igitur signa rerum in phantasiasigna signorum in sensibusldquo [hellip] vergleichbar den Woumlrtern die auf dem Pa-pier geschrieben zuruumlckbleiben wenn sie nicht mehr ausgesprochen wer-denldquo14

Der Kardinal setzt also in seinem Verstaumlndnis sinnlicher Erkenntnis vonvornherein an der Repraumlsentation der sinnlichen Gehalte auf Seiten des Er-kennenden an um von daher das Verhaumlltnis von Repraumlsentation und reprauml-sentiertem Gehalt zunaumlchst von seiner Funktion und Bedeutung und dannim Lichte dieser Betrachtung auch seiner Genese nach zu kennzeichnen ImEinzelnen unterscheidet er die realen sinnlichen Gehalte und die durch siebewirkten natuumlrlichen Zeichen auf der einen Seite und jene Zeichen die inder Imagination gegeben sind auf der anderen Seite Deren Bezeichnungs-funktion bezieht sich unmittelbar auf die natuumlrlichen Zeichen und vermittelsdieser auf die realen Dinge Die imaginativen Zeichen haben ihrerseits ver-mittels derartiger Medien wie der Luft eine materielle Grundlage insofernfindet sich dort bdquonichts was nicht vorher in der Sinneswahrnehmung warldquoAuf diese Weise ist also die Unmittelbarkeit der Beziehung der Imaginationmit den sinnlichen Gehalten und damit die Zuordnung oder das Verhaumlltnisvon Repraumlsentation und repraumlsentiertem Gehalt als solche gegeben und be-gruumlndet Die repraumlsentative Funktion selbst aber verdankt sich der Einbil-dungskraft und ist insoweit urspruumlnglicher Natur was sich in der Vermitt-lung der imaginativen Bezeichnung uumlber die natuumlrlichen Zeichen zeigt Wasdie realen sinnlichen Gehalte angeht ist uumlber diese zwar nichts uumlber ihretatsaumlchliche sinnliche Erfahrung hinaus sinnlich repraumlsentiert gleichwohl er-schlieszligen sich diese Gehalte in ihren sinnlichen Zeichen nur kraft der Reprauml-sentationsleistung der Imagination Insoweit ermoumlglicht diese etwas als et-was sinnlich zu erkennen Im historischen Vergleich nimmt Cusanus alsoebenso wie Buridan sinnliche Erkenntnis in funktionaler Perspektive in denBlick Zugleich geht Cusanus dabei uumlber Buridan hinaus indem er in derBetonung der Zeichenhaftigkeit der imaginativen Vorstellungen als solcher

14 Ebd c IV n 8 f Quare oportet inter sensibile obiectum et sensum medium per quodobiectum speciem seu signum sui multiplicare possit [hellip] Et quoniam haec non nisi praesen-te obiecto fiunt nisi haec signa sic possent annotari quod etiam recedente obiecto rema-neant signata non maneret rerum notitia In istis signorum designationibus in interioriphantastica virtute manent res designatae uti vocabula manent in charta scripta prolationecessante [hellip] Sunt igitur signa rerum in phantastica signa signorum in sensibus

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deren eigene Sinnbestimmtheit hervorhebt Insofern Cusanus im Blick auf diesinnliche Erkenntnis zugleich von deren mutmaszligender Natur spricht kannim Sinne der skizzierten Deutung der coniectura von einem Entwurfscharak-ter der sinnlichen Erfassung realer Gehalte gesprochen werden

Dass Cusanus an der Zeichenhaftigkeit der natuumlrlichen Zeichen festhaumlltund Zeichenhaftigkeit generell im Verhaumlltnis zu empfindungsfaumlhigen Lebewe-sen bestimmt verweist auf eine Hinordnung der Dinge auf ihre Erkenntnisdie sich in der Perspektive eben ihrer tatsaumlchlichen Erkenntnis und Erkenn-barkeit zeigt In diesem Sinne wird man deuten duumlrfen dass Cusanus betontder Intellekt sei insofern er sich in der Wahrnehmung und Imagination nachMaszliggabe der betreffenden Befaumlhigungen realisiert bdquomehr in Wirklichkeitldquo -(secundum inferiores regiones plus est in actu) im Vergleich dazu dass er inBezug auf seinen eigenen Bereich bdquoim Seinsmodus der Moumlglichkeitldquo (secun-dum regionem intellectualem in potentia est)15 sei In Bezug auf die realenDinge besagt dies schlieszliglich dass diese nicht lediglich physikalische undbiochemische Elementarereignisse sind sondern Sinneinheiten die sich frei-lich nie als solche sondern allein in ihrer sinnlichen Bestimmtheit in dervermittelten Unmittelbarkeit ihrer imaginativen Vergegenwaumlrtigung erschlie-szligen

III Die Erkenntnis der Vernunft (ratio)kategorial logisch modal

Im Blick auf den jetzt anstehenden Uumlbergang zur Analyse des Erkennens undWissens als geistiger Vergegenwaumlrtigung wird im Sinne vorlaumlufiger terminolo-gischer Festlegung unter dem Aspekt geistiger Erkenntnis insgesamt derenRealisierung sowohl durch Vernunft (ratio) als auch durch den Intellekt (in-tellectus) angesprochen Eine naumlhere Kennzeichnung des Verstaumlndnisses geis-tiger Erkenntnis gemaumlszlig dieser Unterscheidung erfolgt im weiteren Verlauf derUumlberlegungen

Weiter gilt es das Moment der Verknuumlpfung zwischen der geistigen Er-kenntnis und der sinnlichen Ebene zu benennen Wenn das Problem des Ver-haumlltnisses der Einzelwahrnehmungen zum Gemeinsinn bzw der Imagination

15 Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (wie Anm 3) p II c XVI n 157 ImBlick auf diesen Zusammenhang hat sich M Thurner Imagination als Kreativitaumlt nachNicolaus Cusanus in J AndreacuteG KriegerH Schwaetzer Intellectus und Imaginatio As-pekte geistiger und sinnlicher Erkenntnis bei Nicolaus Cusanus (Bochumer Studien zur Phi-losophie Bd 44) AmsterdamndashPhiladelphia 2002 97ndash109 hier 103 fuumlr ein bdquoVerstaumlndnisder Imagination als Kreativitaumltldquo ausgesprochen

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 343

das der Einheit der Erfahrung als der eines einheitlichen Wahrnehmungsfel-des ist dann steht jetzt die Frage zur Debatte wie der Zusammenhang zwi-schen der sinnlichen Wahrnehmung als Vergegenwaumlrtigung eines singulaumlrensinnlichen Gehaltes und der Erkenntnis und dem Wissen als begrifflicher Ver-gegenwaumlrtigung d h eines Gehaltes allgemeiner Natur gewaumlhrleistet ist EineAuskunft des Cusanus dazu besagt dass bdquodie sinnlichen Vorstellungen dieAndersheiten der Einheit der Vernunftldquo sind (phantasmata alteritates suntunitatis rationis)16 Diese Stellungnahme wird dahin gehend verstanden dassEinheit fuumlr sich betrachtet Sache der Vernunft (ratio) ist bzw diese den Inbe-griff der Einheit darstellt Die sinnliche Vorstellung realisiert ihrerseits Ein-heit wenn auch als sinnliche auf andere Weise als die Vernunft Deswegenkann Einheit als dasjenige Moment angesehen werden das sinnliche undgeistige Vorstellung vergleichbar macht

Wie versteht sich fuumlr Cusanus die Erkenntnis der Vernunft (ratio) DieFeststellung von der zur Klaumlrung dieser Frage ausgegangen werden soll be-sagt dass bdquozuerst in der Ordnung der Natur die Menschhaftigkeit (humani-tas) in sich und aus sich sei [] sodann der Mensch durch die Menschhaftig-keit [] sodann der Artbegriff in der Vernunftldquo17 Zunaumlchst kann festgehal-ten werden dass Cusanus mit dieser Aussage die objektive Seite unsererErkenntnis in den Blick nimmt insofern er von der Ordnung der Naturspricht (ordo naturae) Weiter trifft Cusanus die Unterscheidung von dreiEbenen zum einen die der humanitas als solcher zweitens die der tatsaumlchli-chen Realisierung der humanitas in Gestalt des konkreten Menschen undschlieszliglich drittens die der Ebene des Artbegriffs sbquoMenschlsquo In allgemeinerWeise koumlnnte man diese Differenzierung im Sinne der Unterscheidung reinerSachhaltigkeiten konkreter Einzeldinge und des Logischen kennzeichnen

An dieser Stelle legt sich zunaumlchst eine Bemerkung in historischer Hin-sicht nahe Dazu bietet der Text des Cusanus insofern selbst einen Anknuumlp-fungspunkt als dieser in dem in den Blick genommenen Zusammenhang sei-nerseits im Stile eines historischen Referates verfaumlhrt Diese Ausfuumlhrungenschlieszligen insgesamt mit der Feststellung ab dass nicht mehr Weisen der Un-tersuchung angegeben werden koumlnnten18 Daruumlber hinaus findet sich im inden Blick genommenen Zusammenhang noch der Hinweis dass die von Cu-sanus in seinem Referat ins Auge gefassten Unterschiede mit Hilfe der vonihm selbst verfolgten Betrachtungsweise in Uumlbereinstimmung gebracht wer-

16 Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (wie Anm 3) p II c XVI n 16117 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 1) c II n 66 Et

ordinem dant talem primo ordinae naturae sit humanitas in se et ex se scilicet absquepraeiacenti materia deinde homo per humanitatem et quod ibi cadat sub vocabulo deindespecies in ratione

18 Ebd Arbitror non posse plures inquisitionum modos dari

344 Gerhard Krieger

den koumlnnten19 Insofern bringt diese Stelle das historische Selbstverstaumlndnisdes Cusanus zum Ausdruck mit seiner Auffassung im Blick auf vorliegendeAuffassungen eine Vereinheitlichung zu ermoumlglichen die gegebene Lehrunter-schiede durchaus bestehen laumlsst

Weiter laumlsst sich sagen dass der Kardinal mit der zur Diskussion stehen-den Unterscheidung der drei Ebenen dem Diskussionsstand entspricht dersich mit der Kritik Ockhams an der extramentalen Realitaumlt allgemeiner Enti-taumlten insbesondere im Blick auf die betreffende Auffassung des Duns Scotusergibt Das sachliche Problem das die Feststellung des Cusanus mit sichbringt ist die Frage wie dieser die angesprochene Unterscheidung von reinenSachhaltigkeiten konkreten Einzeldingen und dem Logischen als solche deu-tet

Der Ansatzpunkt der betreffenden Stellungnahme des Cusanus ist diemens der Geist In Bezug auf diesen geht es Cusanus zunaumlchst um das Ver-haumlltnis von Sachhaltigkeiten in ihrer Bestimmungsfunktion zu den konkretenEinzeldingen auf der einen Seite und zum Logischen auf der anderen SeiteCusanus nimmt dabei wie er sagt die Natur die ein Lebewesen ist (naturaquae est animal) in den Blick In Bezug darauf unterscheidet er drei Verstaumlnd-nisweisen auf Seiten des Geistes naumlmlich zum einen das Verstaumlndnis der ge-nannten Natur als Gattung dann das im Sinne ihrer Bezeichnung als bdquoLebe-wesenseinldquo (animalitas) und schlieszliglich das Verstaumlndnis der genannten Naturals des aus Gattung und spezifischer Differenz Zusammengesetzten Das Ver-staumlndnis der genannten Natur als Gattung nennt Cusanus unbestimmt undformlos im Sinne der aristotelischen Materie waumlhrend er das Verstaumlndnis imSinne der Bezeichnung bdquoLebewesenseinldquo mit der aristotelischen Form ver-gleicht In Bezug auf das Verstaumlndnis der Natur als Kompositum fuumlhrt er ausdass dieses Kompositum auf dieselbe Weise in der Verknuumlpfung und im Geistbesteht Das was mit diesen drei Verstaumlndnisweisen insgesamt der Sachenach verstanden wird ist bdquoein und derselbe Begriff und ein und dieselbeSubstanzldquo Cusanus fuumlgt weiter zwei Beispiele an naumlmlich das der humanitasund das des Weiszligseins Das Beispiel der humanitas versteht er im Sinne sub-stantieller Bestimmtheit das der Weiszlige im Sinne akzidenteller Bestimmtheit20

19 Ebd c II n 67 Hae omnes et quotquot cogitari possent modorum differentiae facillimeresolvuntur et concordantur

20 Ebd c XI n 134 Hanc naturam quae est animal inspicito Nam eam mens comprehenditaliquando ut genus est tunc enim quasi confuse et informiter animalis naturam consideratmateriae modo aliquando ut significatur per nomen sbquoanimalitaslsquo et tunc modo formaealiquando modo compositi ex illo genere et differentiis ei advenientibus et tunc ut in menteest dicitur esse in connexione ita ut illa materia et illa forma vel potius illa similitudomateriae et illa similitudo formae et illud modo compositi consideratum sit una et eademnotio unaque et eadem substantia Sicut dum animal ut materiam considero humanitatemvero ut formam ei advenientem et connexionem utriusque dico illam materiam illam for-

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 345

Entsprechend dieser Unterscheidung betont Cusanus schlieszliglich in Hinsichtder kategorialen Hinsicht dass bdquoder Geist die zehn allgemeinsten Gattungenals erste Prinzipien bildetldquo und diese ihrerseits bdquokeine gemeinsame Gattunghabenldquo21 Zugleich unterstreicht Cusanus dass die kategoriale Hinsichtdurch den Geist grundgelegt ist (mens faciat decem genera generalissima pri-ma principia)22

In Bezug auf diese Uumlberlegungen des Cusanus legt sich folgende Deutungnahe Der Kardinal begreift Sachhaltigkeit von ihrer Funktion der Bestim-mung her ohne diese Funktion zugleich an einen eigenen ontologischen Sta-tus zu binden Sachhaltigkeit von der Funktion der Bestimmung her zu verste-hen besagt Zu sein heiszligt immer ein Gehalt oder eine Sache zu sein und dasbedeutet wiederum Bestimmtheit zu besitzen Indem Cusanus Sachhaltigkeitin dieser Bestimmungsfunktion nicht mit einem eigenen ontologischen Statusverknuumlpft negiert er den extramentalen Realitaumltsstatus von Begriffen bzwBedeutungen Weiter verstehen sich die Sachhaltigkeiten die uns in ihrer be-sonderen Bestimmtheit gegeben bzw zugaumlnglich sind fuumlr Cusanus vom er-fahrbaren Einzelgegenstand her zugleich sind sie in ihrer kategorialen Ord-nung durch den Geist grundgelegt Schlieszliglich ist die logische Hinsicht inihrer ausschlieszliglich mentalen Natur fuumlr Cusanus der sachhaltigen Erkenntnisnachgeordnet Die Art-Gattungsunterscheidung verdankt sich ihrem Ur-sprung und ihrem Gehalt nach zwar allein unserem Verstand aber sie kannes erst geben im Blick auf erkannte Sachgehalte Dementsprechend bindetCusanus die Artbestimmung einerseits ihrem ontologischen Status nach andie mens Andererseits ist sie in der Weise an die Erkenntnis des Einzelgegen-standes gebunden dass sie als solche die unterste Stufe in der Hierarchie derBegriffe darstellt und im Blick auf den Einzelgegenstand anzutreffen bzwaussagbar ist Sokrates ist zwar nicht selbst die Art bdquoMenschldquo sondern ihrVertreter Aber darunter gibt es keine weitere Stufe Die beiden Beispiele desMenschseins und der Weiszlige machen schlieszliglich deutlich dass Cusanus diesebestimmungsfunktionale Kennzeichnung der Sachhaltigkeit und ihres Ver-haumlltnisses zum Einzelgegenstand sowie zur logischen Hinsicht im umfassen-den Sinne versteht

mam et connexionem esse substantiam Aut dum colorem quasi materiam considero albedi-nem quasi formam ei advenientem et connexionem utriusque dico illam materiam illamformam et connexionem illius materiae et illius formae unum et idem accidens esse

21 Ebd c XI n 135 cum mens faciat decem genera generalissima prima principia quod tuncilla generalissima nullum genus commune habent [] Mens potest aliquid modo materiaeet idem modo advenientis formae quae tali materiae adveniat atque idem modo compositiconsiderare ut dum considerat possibilitatem essendi substantiam et aliquod aliud de decem[] et considerat mens idem ut formam advenientem ei ut est materia ut sit compositum

22 Ebd c XI n 134 f

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Insofern Cusanus die Sachhaltigkeiten in ihrer Bestimmungsfunktionnicht an eine ontologische Basis zuruumlckbindet legt sich nahe diese Funktionund damit die begriffliche Einheit oder Form der Sachhaltigkeiten auf diemenschliche Vernunft zu beziehen waumlhrend sich die inhaltliche Bestimmtheitdieser Sachhaltigkeiten durch Erfahrung ergibt und damit auf die Dingeselbst verweist Insoweit koumlnnen die Kategorien ihrem Ursprung nach als reinrationale Begriffe angesehen werden ohne dass sie deswegen als einzelne undin ihrer Gesamtheit aus ihrem rationalen Ursprung abgeleitet waumlren Die Din-ge gibt es als bestimmte nur fuumlr unseren Geist zugleich liegen sie ihrer Reali-taumlt und damit ihrer konkreten Bestimmung nach dieser Erfassung vorausDamit ist gewaumlhrleistet dass Begriff und Begriffenes in der Einheit ihres Be-stimmtseins einander entsprechen (ut in mente est dicitur esse in conexi-one)23

Weiter spricht Cusanus die modale Kennzeichnung von Sachhaltigkeitbzw des Bestimmtseins an In dieser modalen Betrachtung beschraumlnkt er sichallerdings auf die Aspekte des Moumlglichseins und des Faktischen und derenVerhaumlltnis Dass er den Aspekt des Notwendigseins unbeachtet laumlsst ent-spricht der fehlenden ontologischen Kennzeichnung reiner SachhaltigkeitenDie Unterscheidung zwischen dem Moumlglichsein und dem Wirklichsein im Sin-ne der Faktizitaumlt besagt auf der einen Seite das was unter die Kategorienfaumlllt in der Hinsicht seines Moumlglichseins (possibilitas essendi) zu betrachtenDerselbe Gehalt kann auf der anderen Seite in Bezug auf seine tatsaumlchlichekonkrete Realisierung hin in den Blick genommen werden In Bezug auf dasBeispiel der Menschhaftigkeit (humanitas) bzw den Menschen (homo) ge-sagt Im Blick auf die humanitas kann zum einen von der Moumlglichkeit gespro-chen werden Mensch zu sein Auf diese Weise wird Sein als Moumlglichseinausgesagt die Bestimmtheit der humanitas schlieszligt ein dass das was durchsie bestimmt ist zu sein vermag Im Ergebnis heiszligt dies Der bzw ein Menschkann vorkommen Ebenso ist die humanitas im Sinne eines tatsaumlchlichen Vor-kommnisses ansprechbar d h es kann gesagt werden dass es Menschseintatsaumlchlich gibt etwa wenn gesagt wird dass Sokrates Mensch ist und alssolcher Menschsein hat24

Das Verhaumlltnis dieser beiden Modi von Realitaumlt bestimmt sich nach Cu-sanus von dem her was bdquowirklich ist im Sinne dessen was hier und in diesenDingen istldquo (omnia ut actu sunt id est hic et in his rebus sunt) Demgemaumlszlig

23 Ebd c XI n 13424 Ebd c XI n 137 Hoc ipsum enim id est humanitas illa scilicet natura ut est possibilitas

essendi hominem materia est sicut enim humanitas est forma est ut autem homo est exutroque compositum conexumque est ita scilicet ut unum et idem sit possibilitas essendihominem forma et compositum ex utroque rei ut una sit substantia

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 347

begreift er das Moumlglichsein nicht vom logisch Moumlglichen d h vom wider-spruchsfrei Denkbaren her sondern vom Faktischen Die Moumlglichkeit eineKerze bzw eine Schuumlssel zu sein ergibt sich vom Wachs bzw vom Kupferher25 Auf andere Weise beschreibt Cusanus dieses Verhaumlltnis von Moumlglich-sein und Faktizitaumlt damit dass er die in der Erfahrung durch Vielheit undDifferenz gekennzeichnete Bestimmtheit von Koumlrpern der durch das Fehlendieser Momente bedingten Unbestimmtheit der Moumlglichkeit gegenuumlberstelltbdquoWas der Geist vorher in der Koumlrperlichkeit unterschieden und bestimmtwirklich existierend sah sieht er jetzt verworren unbestimmt der Moumlglich-keit nach Und dies ist der Modus der Allgemeinheit in der alles in der Moumlg-lichkeit gesehen wirdldquo Entsprechend der Unbestimmtheit des Moumlglichen ne-giert Cusanus schlieszliglich dessen Realitaumltsstatus bdquoSeinkoumlnnen ist nichtldquo (pos-se esse non est)26

An dieser Stelle mag ein Fazit zur bisherigen Betrachtung der Auffassungdes Cusanus zur Erkenntnis der Vernunft (ratio) in kategorialer logischerund modaler Hinsicht angebracht sein Im Sinne der leitenden Hinsicht aufdas darin sich zeigende Verstaumlndnis der Metaphysik kann herausgestellt wer-den dass der Kardinal den Sachhaltigkeiten oder Begriffen keinen eigenenontologischen Status zubilligt sie vielmehr in ihrer Bestimmungsfunktiond h in ihrer Einheit oder Form oder Allgemeinheit auf die Ebene der mensbegrenzt Entsprechend kommt diesen Gehalten im Verstaumlndnis des Kardinalsin modaler Hinsicht keine Notwendigkeit zu sondern lediglich faktische Gel-tung In historischer Hinsicht traumlgt die cusanische Auffassung einerseits derScotischen Unterscheidung reiner Sachhaltigkeiten konkreter Einzeldingeund des Logischen Rechnung andererseits folgt Cusanus der Kritik Ockhamsan der extramentalen Realitaumlt allgemeiner Entitaumlten Insofern Cusanus denSachhaltigkeiten bzw Begriffen und Kategorien keinen eigenen ontologischenStatus uumlber ihre mentale Realitaumlt hinaus zubilligt und sich entsprechend inder modalen Kennzeichnung extramentaler Realitaumlt soweit diese in der Er-fahrung zugaumlnglich ist auf die Aspekte des Wirklichen und Moumlglichen be-grenzt dieses wiederum von jenem her bestimmt und Wirklichkeit als Fakti-zitaumlt versteht stimmt er insoweit mit Buridans betreffenden Auffassungen27

uumlberein

25 Ebd c XI n 138 Nam non recipio esse actu ut repugnet ei quod est esse in materia sedsic intelligendum est quod omnia ut actu sunt id est hic et in his rebus sunt in materiaquidem sunt Verbi gratia in cera haec possibilitas est essendi candelam in cupro pelvim

26 Ebd c VII n 10727 Vgl dazu im Einzelnen im Beitrag zu Buridan I 3 Faktische Existenz als Realitaumltsmodus

des Gegenstaumlndlichen

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IV Die Entwurfsgestalt der Erkenntnisdes menschlichen Geistes

1 Der Ausgangspunkt Die Hypothese der Faktizitaumlt von Vorkommnissen

Insofern Cusanus eine transkategoriale Betrachtung uumlber die analysierte mo-dale Verhaumlltnisbestimmung hinaus unterlaumlsst legt sich nahe in Orientierungam Leitfaden aristotelisierender Betrachtung jetzt zur Kennzeichnung des ers-ten Prinzips und des ersterkannten Begriffs uumlberzugehen Im ersten Punktbestaumltigt sich in sachlicher Hinsicht der Vorrang der Faktizitaumlt in historischerHinsicht schlieszligt Cusanus an Buridan an Der Zusammenhang in dem dieseKennzeichnung des ersten Prinzips erfolgt betrifft der Sache nach die Uumlberle-gungen zur Sinnlichkeit und zum Intellekt (intellectus) als den zwei Quellenmenschlicher Erkenntnis Im Blick auf die jetzt in Betracht gezogenen Uumlberle-gungen zum Intellekt sei auch an dieser Stelle darauf verwiesen dass einenaumlhere Erlaumluterung des Verstaumlndnisses des intellectus im Verhaumlltnis zur ratioan spaumlterer Stelle erfolgt Im jetzigen Zusammenhang kommt der intellectusinsoweit in den Blick als Cusanus ihn in dessen Unabhaumlngigkeit und Ur-spruumlnglichkeit anspricht Demgemaumlszlig kann der Intellekt ohne weitere Hilfedas Urteil hervorbringen dass jegliches sei oder nicht sei28 Gemaumlszlig wiederumder Analyse dieses Urteils im Blick auf seine Feststellung bei Buridan29 ver-steht es sich der Sache nach im Sinne der Hypothese dass es Jegliches als einVorkommnis gibt Insoweit entspricht dieses Urteil des Intellektes der zuvorhervorgehobenen Beschraumlnkung des Wirklichkeitsverstaumlndnisses auf den As-pekt der Faktizitaumlt

2 Die Basis der Erkenntnis Der Begriff des menschlichen Geistes

In der Frage nach dem Gesichtspunkt der Beurteilung jeglichen Vorkommnis-ses setzt Cusanus an der Einheit des menschlichen Geistes an (mentis tuaeunitatem) und spricht dem Geist in seiner absoluten Einheit im schlechthinni-gen Sinne Bestimmtheit (absolutae unitatis praecissima est certitudo) zu Inseiner Erlaumluterung macht der Kardinal weiter geltend dass der Begriff derabsoluten Einheit als solcher einer moumlglichen Kontradiktion entzogen bleibt

28 Nikolaus von Kues KompendiumCompendium (wie Anm 13) c XI n 36 Intellectus enimnon dependet ab aliquo ut intelligibilia intelligat et nullo alio a se ipso indiget instrumentocum sit suarum actionum principium Intelligt enim hoc complexum sbquoquodlibet est vel nonestlsquo sine aliquo instrumento seu medio

29 Vgl dazu naumlher im Beitrag zu Buridan III Vernunft als Bestimmung gegenstaumlndlicher Be-stimmtheit

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 349

(de absoluta unitate nec alterum oppositorum aut potius unum quodcumquequam aliud affirmantur) Im Anschluss daran kennzeichnet er den Begriff derSeiendheit ebenso als einen im Sinne seiner objektiven Bestimmtheit voraus-gesetzten Begriff (cum dicitur sbquoan sitlsquo respondeatur entitatem quae praesup-ponitur)30

Im Besonderen bildet der Begriff des menschlichen Geistes den Ansatz-punkt dieser Argumentation Insofern kommt der Begriff der absoluten Ein-heit nicht unvermittelt zustande Weiter bleibt der letztgenannte Begriff inBezug auf seine Objektivitaumlt eine Annahme die im Zuge der Entfaltung die-ses Begriffs zwar thematisiert aber nicht eigentlich bewiesen wird Insofernhandelt es sich um eine Annahme die ihrerseits nicht der Differenz von wahrund falsch unterliegt In diesem Sinne gilt von der absoluten Einheit dass siedie jedem Zweifel entzogene Wahrheit ist der kein Mensch zu widersprechenvermag (verissimum illud esse cui omnis sana mens nequit dissentire)31 Die-se Aussage laumlsst sich dahin gehend deuten dass der infrage stehende Begriffnur dann unbeachtet bleiben kann wenn dieser nicht als solcher gedachtwird Wird er gedacht und sei es im Sinne seiner Infragestellung ist er dochzugleich in seiner Bestimmtheit bereits gedacht und vorausgesetzt Die weite-re Explikation dieses Begriffs kann sich weiter nicht im Sinne des Beweisesseiner Objektivitaumlt verstehen Insofern bleibt dieser Begriff in seiner Wahrheitbdquounbezweifelbarldquo d h der Beurteilung im Sinne der Differenz von wahr undfalsch entzogen

Weiter sagt Cusanus auch vom Begriff der Seiendheit (entitas) er sei je-dem Zweifel entzogen Insofern gilt von diesem Begriff dass er in seinerInfragestellung doch als solcher bereits gedacht wird Weiter kommt der Be-griff der Seiendheit wenn er auch in jeder bestimmten Realitaumltserkenntnisvorausgesetzt wird doch nicht unvermittelt zustande Er erklaumlrt sich vielmehraus jener Ausgangserkenntnis des Intellektes die das Gegebensein von Vor-

30 Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (wie Anm 3) p I c V n 19 f Contem-plare igitur mentis tuae unitatem per hanc absolutionem ab omni pluralitate et videbis eiusvitam corruptibilem in sua unitate absoluta in qua est omnia Huius autem absolutae unita-tis praecissima est certitudo [hellip] Omnis enim quaestio de quaesito oppositorum alterumtantum verificari posse admittit aut quid aliud de illo quaestio quam de aliis affirmandumnegandumve exsistat Haec quidem de absoluta unitate credere absurdissimum est de quanec alterum oppositorum aut potius unum quodcumque quam aliud affirmantur Si veroaffirmative quaesito satisfacere optas absolutum praesuppositum repetas ut cum dicitursbquoan sitlsquo respondeatur entitatem quae praesupponitur

31 Nikolaus von Kues Die belehrte UnwissenheitDe docta ignorantia I (Philosophische Biblio-thek Bd 264 a) lat-dt 3 durchges Aufl besorgt v H G Senger Hamburg 1979 l Ic 1 n 2 dicimus non dubitantes verissimum illud esse cui omnis sana mens nequit dissen-tire

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kommnissen betrifft Insofern besagt der Begriff des Seienden soweit es dieseAusgangserkenntnis betrifft das Gegebensein im faktischen Sinne

Gemaumlszlig der zuvor betrachteten Argumentation dient der Begriff desmenschlichen Geistes zur Vermittlung fuumlr den Begriff der absoluten EinheitInsofern dieser seinerseits in seiner Objektivitaumlt oder Wahrheit vorausgesetztund als solcher weder infrage gestellt und begruumlndbar ist liegt es nahe dassder Begriff des menschlichen Geistes insofern sich vermittels seiner dieserBegriff erschlieszligt die Basis aller sonstigen Erkenntnis darstellt soweit dieseBestimmtheit besitzt und bezweifelbar ist Wie versteht sich dieser Begriff desmenschlichen Geistes Und wie bildet dieser Begriff die angesprochene BasisZur Beantwortung dieser Fragen soll zuerst die Stellungnahme des Kardinalszur These von der Inkorruptibilitaumlt der Wesenheiten naumlher analysiert werdenDer Sache nach verbindet sich damit das Problem inwieweit Cusanus dieinfrage stehende Bedeutung des menschlichen Geistes an die Vorgabe be-stimmter Gehalte knuumlpft Anders gefragt Inwieweit bestaumltigt sich in diesemPunkte das Ergebnis der Uumlberlegungen zur Erkenntnis der Vernunft (ratio)dass der Kardinal den Sachhaltigkeiten oder Begriffen keinen eigenen ontolo-gischen Status zubilligt sie vielmehr in ihrer Bestimmungsfunktion d h inihrer Einheit oder Form oder Allgemeinheit auf die Ebene der mens begrenzt

Cusanus bringt im Zusammenhang der angesprochenen Stellungnahmedie Unvergaumlnglichkeit der Wesenheiten mit der Zahl als Inbegriff der Einheitin Verbindung waumlhrend er die Vergaumlnglichkeit der Einzeldinge mit der Ver-vielfachung der Einheit parallelisiert32 Weiter fuumlhrt Cusanus die Zahl in ihrertatsaumlchlichen Gestalt als gezaumlhlte bzw zaumlhlbare Zahl auf die gezaumlhlten bzwzaumlhlbaren Einzeldinge zuruumlck33 Dem entspricht dass Cusanus der Zahl alssolcher d h der Zahl in ihrer Bedeutung als Inbegriff von Einheit keineeigene Realitaumlt zuerkennt Aus diesem Grund gehoumlrt die Vergaumlnglichkeitebenso wenig zur Zahl als solcher

Weiter ist fuumlr den Kardinal der Sinngehalt der Zahl als solcher EinheitDiesen Aspekt bezieht Cusanus auf unseren Geist (mens nostra sit nume-rus)34 insofern dieser in seiner Begriffsbildung Unterscheidungen nach Artvon Zusammenfassungen und Einteilungen vornimmt (de omni enim harmo-nia iudicium in mente reperiebant mentemque ex se notiones fabricare) unddarin der Zahl in ihrer Bedeutung als Einheit entspricht35 Es liegt nahe diese

32 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 3) c VI n 96 tuncaliqualiter attingis quomodo essentiae rerum sunt incorruptibiles uti unitas ex qua nume-rus quae est entitas et quomodo res sunt sic et sic ex alteritate quae non est de essentianumeri sed contingenter unitatis multiplicationem sequens

33 Ebd Conspicis etiam quomodo non est aliud numerus quam res numeratae34 Ebd c VI n 8935 Ebd c VII n 97 Credo omnes qui de mente locuti sunt talia vel alia dixisse potuisse []

De omni enim harmonia iudicium in mente reperiebant mentemque ex se notiones fabricare

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 351

Funktion des begrifflichen Ordnens zunaumlchst auf das Logische zu beziehenDass der Geist in der Ausuumlbung der angesprochenen Funktion der Vereinheit-lichung uumlber das Logische hinaus den Inbegriff von Einheit und damit denInbegriff von Form Gestalt und Bestimmtheit darstellt zeigt sich im Blick aufdie cusanische Begruumlndung von Notwendigkeit Hat sich in den bisherigenUumlberlegungen zum cusanischen Verstaumlndnis des Geistes die Begrenzung derBestimmungsfunktion der Sachhaltigkeiten auf eben die mens gezeigt (unddamit das betreffende Ergebnis in Bezug auf die Vernunfterkenntnis bestauml-tigt) steht jetzt zur Diskussion inwieweit der Kardinal sich in seiner Begruumln-dung der Notwendigkeit ebenfalls auf die Ebene des Geistes begrenzt so dasssich in diesem Punkte die Beschraumlnkung in der modalen Betrachtung auf dieAspekte des Wirklichen in seiner Faktizitaumlt und des Moumlglichen soweit diesessich von jenem her bestimmt bestaumltigt

Cusanus spricht zunaumlchst von der komplexen oder bestimmten Notwen-digkeit (necessitas complexionis vel determinatae) Diese ist auf der einenSeite von der Einfachheit und absoluten Notwendigkeit (simplicitas ac neces-sitas absoluta) und auf der anderen Seite von der bestimmten Moumlglichkeit(possibilitas determinata) unterschieden36 Zusammen genommen stellen die-se drei Momente Gesichtspunkte dar nach denen sich der menschliche Geistin der erlaumluterten Einheitsfunktion orientiert

In Bezug auf das naumlhere Verstaumlndnis der necessitas complexionis vel de-terminatae gibt Cusanus zum einen den Hinweis auf die Verknuumlpfung die derGeist selbst hervorbringt (mens est locus seu regio necessitatis complexionis)Weiter bezieht er derartige Verknuumlpfungen in ihrer Wahrheit und insofern inihrer Notwendigkeit (quae vere sunt sunt mentaliter) auf den Geist selbst37

Schlieszliglich ist mit dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit der notwendigen Ver-knuumlpfung ein sachlicher Gehalt angesprochen den der Geist aus der sinnli-chen Erfahrung nimmt Im Blick darauf unterstreicht Cusanus dass in derErfahrung nie reine Sachhaltigkeiten angetroffen werden38 Im Ergebnis laumlsstsich festhalten dass Cusanus mit der necessitas complexionis vel determina-tae das Urteil in seiner Gestalt als notwendige Erkenntnis im Blick hat wie

et sic se movere quasi vivus numerus discretivus per se ad faciendum discretiones procede-ret et iterum in hoc collective ac distributive procedure

36 Ebd in hoc collective ac distributive procedere aut secundum modum simplicitatis ac neces-sitatis absolutae vel possibilitatis determinatae vel necessitatis complexionis vel determina-tae vel possibilitatis determinatae

37 Ebd c IX n 122 mens [] est locus seu regio necessitatis complexionis quia quae veresunt abstracta sunt a variabilitate materiae et non sunt materialiter sed mentaliter

38 Ebd c VII n 102 nostra vis mentis [] res attingit modo quo in possibilitate essendi seumateria concipiuntur et modo quo possibilitas essendi per formam determinata [] formaererum non sunt verae sed obumbratae variabilitate materiae

352 Gerhard Krieger

es bzw sie in der Wissenschaft intendiert ist Insofern liegt es in historischerHinsicht nahe dieses Verstaumlndnis mit Ockhams und Buridans entsprechenderAuffassung in Verbindung zu sehen

Im Zusammenhang dieser Erlaumluterung der necessitas complexionis veldeterminatae legt sich noch nahe die betreffende Uumlberlegung bezuumlglich derpossibilitas determinata einzubeziehen Da Cusanus das Moumlgliche soweit esin seiner Unbestimmtheit gemeint ist als jenes Seinkoumlnnen bezeichnet daskeine Realitaumlt besitzt39 ist mit der possibilitas determinata das Moumlgliche an-gesprochen soweit es sich um die faktischen Moumlglichkeiten handelt

Der Aspekt der Notwendigkeit des Urteils ist hier zur Explikation derAnnahme aufgegriffen worden dass der Geist den Inbegriff von Einheit undBestimmtheit uumlberhaupt darstellt Im Blick auf die Verbindung von Zahl undBegriffsbildung hatte sich ergeben dass das Logische gemaumlszlig der einheitsstif-tenden Funktion des menschlichen Geistes begruumlndet ist Daruumlber hinaus hatsich zuletzt gezeigt dass Cusanus die Notwendigkeit wissenschaftlicher Er-kenntnis auf die Erkenntnis selbst begrenzt und nicht auf deren Gegenstandbezieht soweit wissenschaftliche Erkenntnis auf Erfahrung beruht Insoweitist der menschliche Geist gemaumlszlig seiner einheitsstiftenden Funktion nicht nurin Bezug auf das Logische sondern daruumlber hinaus in Bezug auf begrifflicheErfahrungserkenntnis der Inbegriff von Einheit und Bestimmtheit Damit er-gibt sich im Blick auf die Frage nach der Bestimmtheit des Begriffs desmenschlichen Geistes ein zweifaches Diese Bestimmtheit bzw dieser Begriffentspringt einer Selbsterfahrung des menschlichen Geistes in seinem Taumltig-sein Dem Ursprung nach handelt es sich also um den Begriff des menschli-chen Geistes Seinem Gehalt nach ist der fragliche Begriff der von Einheitund Bestimmtheit (oder Sachhaltigkeit) uumlberhaupt

3 Die Entwurfsgestalt menschlicher Erkenntnis in den Wissenschaftenund in der Wesenserkenntnis

Was bedeutet diese Begruumlndung von Bestimmtheit fuumlr das konkrete Erken-nen Zunaumlchst gilt fuumlr die wissenschaftliche Erkenntnis soweit diese auf Er-fahrung beruht dass sie sich letztlich aus ihrer tatsaumlchlichen Evidenz legiti-miert Denn wenn dieser Erkenntnis nicht die Moumlglichkeit offen steht ihreSachhaltigkeit uumlber die gegebene Erfahrung hinaus auf eine Basis zu beziehendie ihrerseits die Notwendigkeit der Erkenntnis begruumlndet kann sich dieWahrheit oder Objektivitaumlt einer Erkenntnis nur aus der Tatsache oder Exis-tenz eben dieser Erkenntnis legitimieren Wenn Cusanus erklaumlrt dass die me-

39 Vgl ebd c VII n 107

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 353

chanischen Kuumlnste und die Physik infolge der Unsicherheit ihrer Begriffebdquoeher Mutmaszligungen als Wahrheitenldquo (potius coniecturae quam veritates)40

erzielen wird man diesen Hinweis gemaumlszlig der dargelegten Deutung der Kon-jekturalitaumlt im Sinne der Legitimation der angesprochenen wissenschaftlichenErkenntnis durch Evidenz verstehen duumlrfen

Wenn Cusanus daruumlber hinaus auch von der Logik feststellt sie erzielebdquoeher Mutmaszligungen als Wahrheitenldquo kann dies ebenfalls im Sinne der Legi-timation logischer Erkenntnis durch Evidenz gedeutet werden Die logischeErkenntnis unterscheidet sich insoweit von der auf Erfahrung beruhendenwissenschaftlichen Erkenntnis als ihre Gehalte sich nicht auf diesem Wegeergeben sondern ausschlieszliglich durch den Geist selbst Demgemaumlszlig erklaumlrtCusanus dass der Intellekt des Logikers selbst zuerst die Voraussetzung dafuumlrschafft dass es die Logik uumlberhaupt gibt Insofern aber die logischen Formenim Einzelnen derart im Geist verankert sind dass sie erst in der konkretenlogischen Operation zur Erscheinung gelangen41 erweist sich die Wahrheitder logischen Erkenntnis letztlich ebenso wie die auf Erfahrung beruhendeaufgrund ihrer Evidenz

Hinsichtlich der Begruumlndung der Modalitaumlten hat sich bisher die Moumlg-lichkeit als bestimmte auf die der Erkenntnis vorgegebene Wirklichkeit zu-ruumlckfuumlhren lassen Die necessitas complexionis vel determinatae bezieht Cu-sanus in ihrer Objektivitaumlt oder Wahrheit auf den Geist selbst unabhaumlngigvon aller vorgaumlngigen Erfahrung42 Ebenso tut er dies in Bezug auf wesenhaf-te und mathematische Gehalte Im Blick auf diese Gehalte legt sich zunaumlchsteine Bemerkung zum Verstaumlndnis geistiger Erkenntnis gemaumlszlig der Unterschei-dung von Vernunft (ratio) und Intellekt (intellectus) nahe Die Einheit geisti-ger Taumltigkeit insgesamt beruht auf der Befaumlhigung des Begreifens und demdiesem zugrunde liegenden seelischen Vermoumlgen (vis concipiendi ab aptitudi-ne a creatione) Der genannte Unterschied versteht sich von daher dass dieBefaumlhigung des Begreifens zunaumlchst bezogen ist auf die Begriffe und Urteiledie der Geist im Bereich der auf Erfahrung beruhenden Wissenschaft und derLogik hervorbringt (facit notiones seu genera differentia species proprium

40 Ebd c VII n 102 nostra vis mentis ex illis talibus notionibus [] facit mechanicas arteset physicas et logicas coniecturas [] omnes tales sunt potius coniecturae quam veritates

41 Nikolaus von Kues Die Jagd nach der WeisheitDe venatione sapientiae (PhilosophischeBibliothek Bd 549) lat-dt neu hrsg v K Bormann Hamburg 2003 c IV n 9 f Intellec-tus magistri vult creare artem syllogisticam Ipse enim posse fieri huius artis praecedit quaears in ipso est ut in causa Ponit igitur et firmat posse fieri huius artis () Et hae suntspecificae formae syllogisticae in ratione fundatae et permanentes quas necesse est omnemsyllogismum qui sensibili sermone exprimitur imitari Et ita posse fieri huius artis explica-tur

42 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 3) c IX n 122

354 Gerhard Krieger

et accidens) Insofern der Geist in Bezug sowohl auf wesenhafte und mathe-matische Gehalte als auch auf Gott sich auf sich selbst im instrumentellenSinne bezieht begreift er auch insoweit als Erkenntnis entwerfender Naturist und zur Vollendung gelangt (tunc mens concipit cum ad perfectionemducitur intellectus)43 Insofern erweist sich die Vernunft (ratio) als die ent-scheidende Instanz fuumlr den Zusammenhang zwischen Sinnlichkeit auf dereinen Seite und Erkenntnis auf der anderen Seite Denn in der Begriffs- undUrteilsbildung realisiert sich Einheit die fuumlr sich betrachtet Sache der Ver-nunft ist Die sinnliche Vorstellung verwirklicht ihrerseits Einheit wenn auchals sinnliche auf andere Weise als die Vernunft Deswegen kann Einheit zu-naumlchst als dasjenige Moment angesehen werden das sinnliche und geistig-rationale Vorstellung vergleichbar macht Daruumlber hinaus macht der Aspektder Einheit die Erkenntnis der Vernunft (ratio) und die des Intellektes (intel-lectus) nicht nur vergleichbar sondern gewaumlhrleistet ihren Zusammenhangals Erkenntnis Insofern sind diese beiden Modi der Erkenntnis zwei Aspektegeistiger Taumltigkeit und ihren Unterschied macht die modale Differenz vonbestimmter Moumlglichkeit und bestimmter Notwendigkeit aus44

Im Blick auf die Erkenntnis wesenhafter und mathematischer Gehaltekommt weiter die im Zusammenhang der Eroumlrterung der Konjekturalitaumltmenschlicher Erkenntnis bereits angesprochene Wesenserkenntnis in denBlick In dem genannten Zusammenhang hat sich gezeigt dass der menschli-che Geist auf der einen Seite im Vollzug seiner Erkenntnis als solchem bzwals solcher unmittelbar Anteil nimmt am goumlttlichen Geist Er tut dies zugleichauf der anderen Seite in bdquoAndersheit oder Moumlglichkeitldquo (alteritas sive poten-tia) insofern es ihm an der schoumlpferischen Kraft des goumlttlichen Erkennensmangelt Insofern kann er das Wesen eines Dinges nur bdquoanders und abgewan-deltldquo (aliter atque varie) erkennen ohne dass ihm die Erkenntnis des Dingesgaumlnzlich verwehrt bliebe Insoweit versteht sich die bdquoAndersheit oder Moumlg-lichkeitldquo in der eine Mutmaszligung das Wesen eines Dinges und damit dieWahrheit erfasst im Sinne einer Differenz in Bezug darauf wie dieses Wesenjeweils erkannt wird und zur Darstellung gelangt Die fragliche Erkenntnisstellt nicht lediglich eine Abbildung oder Repraumlsentation des fraglichen We-sens dar vielmehr unterscheidet sich ein und dasselbe Wesen eines Dingesnach der Verschiedenheit seiner jeweiligen Erkenntnisse als solchen (Identitasigitur inexplicabilis varie differenter in alteritate explicatur)45

43 Ebd c VIII n 108 f44 In diesem Sinne deutet auch S Dangelmayr Gotteserkenntnis und Gottesbegriff in den phi-

losophischen Schriften des Nikolaus von Kues Meisenheim aG 1969 81 die Differenzvon ratio und intellectus als bdquoFunktionenldquo bzw bdquoAspekte derselben Taumltigkeitldquo

45 Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (wie Anm 3) p I c XI n 57 Nequeintellectus rei uti est in alio attingibilis est sicut circulus uti est in hoc sensibili paviemen-to alibi nisi aliter fieri nequit Identitas igitur inexplicabilis varie differenter in alteritate

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 355

Naumlherhin werden diese Gehalte als in sich und an sich unwandelbar er-fasst indem der Geist bdquoauf seine Unwandelbarkeit blicktldquo (respicit ad suamimmutabilitatem) und bdquosich selbst als Instrument bedientldquo (utens se ipsa proinstrumento)46 Dies besagt dass der Geist im Ausgang von der Definitionerstens erkennt dass der so definierte Gehalt wie etwa der Kreis als solchesnicht in der Erfahrung angetroffen werden kann (quo modo essendi circulusextra mentem in materia esse nequit) Zweitens fungiert diese Definitionwiederum im Blick auf das genannte Beispiel gesagt als bdquoUrbild und Maszligder Wahrheit des Kreises auf dem Bodenldquo (circulus in mente est exemplar etmensura veritatis circuli in pavimento)47 Drittens kann sich die Wahrheit derDefinition im gegebenen Falle in der konstruktiven Sichtbarmachung einesKreises zeigen (ad praedeterminatam circuli respicit rationem secundumquam studet operari quantum hoc posse fieri sensibilis subiecti permittit)48Im gegebenen Falle fungiert die Definition also wie eine Anweisung oder einepraktische Regel Insofern zeugt erst die tatsaumlchliche Anwendung dieser Regelvon der Richtigkeit der Definition bzw ihrer Erkenntnis

Die bestimmte Notwendigkeit wesenhafter und mathematischer Gehalteberuht somit darauf dass bdquodie eine Notwendigkeit so ist die andere so undjede aus ihren Teilen zusammengesetztldquo (una est sic alia sic et quaelibet exsuis partibus composita)49 die Notwendigkeit der betreffenden Gehaltemacht deren Verschiedenheit und jeweilige Bestimmtheit aus Insofern sichdiese Gehalte ihrer Realitaumlt nach dem Geist in seiner bdquoInstrumentalitaumltldquo ver-danken kommt diesen zwar unveraumlnderbare Bestimmtheit (incorruptibiliscertitudo)50 zu Aber sie besitzen doch keine Realitaumlt an sich selbst Denn indiesen Erkenntnissen ist der menschliche Geist wiederum in Bezug auf dieMathematik gesagt schoumlpferisch taumltig (mathematicalia et numeros ex nostramente procedunt et sunt modo quo nos concipimus esse tantum entiumrationis quorum nos sumus conditores)51 Die angesprochenen Sachverhalte

explicatur atque ipsa varietas concordanter in unitate identitatis complicatur Vgl dazu imEinzelnen die Uumlberlegungen im Abs I 2

46 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 1) c VII n 10347 Ebd48 Nikolaus von Kues Die Jagd nach der WeisheitDe venatione sapientiae (wie Anm 41)

c V n 1149 Vgl Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 1) c VII

n 10550 Nikolaus von Kues Die belehrte UnwissenheitDe docta ignorantia I (wie Anm 31) l I

c XLV n 3251 Nikolaus von Kues Uumlber den BeryllDe beryllo (Philosophische Bibliothek Bd 295) lat-

dt neu uumlbers eingel u mit Anm hg v K Bormann 2 Aufl Hamburg 1977 c XXXIIIn 56 Im Blick darauf hebt M C Rusconi Natuumlrliche und kuumlnstliche Formen bei Thierryvon Chartres und Nikolaus von Kues in A Moritz (Hrsg) sbquoArs imitatur naturamlsquo Trans-formationen eines Paradigmas menschlicher Kreativitaumlt im Uumlbergang vom Mittelalter zur

356 Gerhard Krieger

trifft der Geist nicht bereits als konstituierte an er bdquofabriziertldquo (fabricat)sie52 In der Erkenntnis wesenhafter und mathematischer Gehalte gestaltetder menschliche Geist sich selbst Deswegen ist die einzelne Erkenntnis alleingemaumlszlig ihrer jeweiligen Bestimmtheit wahr und repraumlsentiert nicht die Wahr-heit im schlechthinnigen Sinne53

Im cusanischen Verstaumlndnis der Mathematik und der Wesenserkenntniszeigt sich also ein erstes Beispiel fuumlr die Selbstgestaltung und Entwurfsgestaltmenschlicher Erkenntnis54 Diese Gestalt repraumlsentiert insoweit eine Steige-rung der menschlichen Erkenntnisbefaumlhigung als sie zwar die Befaumlhigung zursinnlichen Wahrnehmung Erfahrungserkenntnis und Logik voraussetzt aberderen Erkenntnisse konstituieren nicht die infrage stehende Gestalt In Bezugauf die Differenz im Verhaumlltnis zur Logik gesagt Die logischen Gehalte gibtes insofern der menschliche Geist denkt die mathematischen und wesenhaf-ten insofern er diese als solche denkt Mit der Entwurfsgestalt mathemati-scher und wesenhafter Erkenntnis verknuumlpft sich zugleich insoweit objektiveBestimmtheit und damit ein Wahrheitsanspruch als der betreffende Gehaltvon bdquobestimmter Notwendigkeitldquo ist Gemaumlszlig dieser Natur ist der Wahrheits-anspruch kein absoluter Insofern weiszlig der Geist in dieser Erkenntnis zugleichum seine Standpunkthaftigkeit und Perspektivitaumlt Die fragliche Erkenntnisbasiert schlieszliglich insoweit auf subjektiver Gewissheit oder Evidenz55 als de-ren Wahrheit ebenso wenig wie die auf Erfahrung beruhende wissenschaftli-che und die logische Wahrheit auf eine der Taumltigkeit des Geistes vorausliegen-den Ebene zuruumlckgefuumlhrt werden kann

4 Die Steigerung der Entwurfsgestalt menschlicher Erkenntniszur Perfektion in der Gotteserkenntnis

In der Gotteserkenntnis bedient sich der Geist seiner selbst wie in der wesen-haften und der mathematischen Erkenntnis in seiner instrumentellen Funk-

Neuzeit Muumlnster 2010 253ndash265 hier 262 f hervor dass Cusanus sich darin von Thierryvon Chartres unterscheidet mit dem er ansonsten in der Bestimmung der bdquobestimmtenNotwendigkeitldquo mathematischer Gehalte uumlbereinstimmt

52 Nikolaus von Kues Uumlber den BeryllDe beryllo (wie Anm 51) ebd53 Vgl Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota De mente (wie Anm 1) c VII

n 10554 T Van Velthoven Gottesschau und menschliche Kreativitaumlt Studien zur Erkenntnislehre

des Nikolaus von Kues Leiden 1977 kennzeichnet seinerseits (142 159) das cusanischeVerstaumlndnis mathematischer Erkenntnis als Entwurf

55 In Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (wie Anm 3) p II c II n 80 betontder Autor den konjekturalen Charakter der (Selbst-) Erkenntnis der Vernunft als Ursprungmathematischer Erkenntnis

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 357

tion Geht es in den letztgenannten Erkenntnissen um die Erfassung bestimm-ter Notwendigkeit erfasst der Geist jetzt absolute Notwendigkeit und Ein-fachheit Cusanus kennzeichnet diese Erkenntnis in negativer Weise indemer sie von der Erkenntnis bestimmter Notwendigkeit unterscheidet In diesererfasst der Geist Wahrheit gemaumlszlig dem betreffenden Gehalt jeweils verschie-den so dass die eine Erkenntnis so und die andere anders wahr ist Im Unter-schied dazu kann es in Bezug auf die absolute Notwendigkeit und Einfachheitsowohl dem Weg wie dem Ergebnis nach nur eine einzige Weise der Wahr-heitserkenntnis geben Dem Weg nach indem der Geist sich in seiner Bedeu-tung als Inbegriff von Einheit und Einfachheit erfasst und dem Ergebnisnach indem der Geist die Wahrheit selbst nicht nur als den genannten Inbe-griff sondern als Einheit und Einfachheit selbst erfasst d h bdquoganz einfachohne Zahl und Groumlszlige und jede Andersheitldquo (simplicissime sine numero etmagnitudine et omni alteritate)56 Das bedeutet im Ergebnis Die Gottes-erkenntnis im Begriff der absoluten Einheit bleibt hinsichtlich ihrer Objektivi-taumlt eine Annahme (intuitio veritatis absolutae) die in der skizzierten Erfas-sung zwar entfaltet aber nicht bewiesen wird Sie ist zwar ihrem Gehaltaber nicht ihrer Geltung nach absolut notwendig Insofern der Geist sichdabei seiner selbst bedient realisiert er zugleich eine Erkenntnis im Bewusst-sein der Differenz zum Erkannten selbst (sciat esse veritatem quae non estfigurabilis in aliquo aenigmate) die um ihre Standpunkthaftigkeit und Per-spektivitaumlt weiszlig57 Gotteserkenntnis legitimiert sich damit wie alle uumlbrige Er-kenntnis letztlich aus ihrer Evidenz (coniecturas de ipsis [scl divinis] faci-mus)58 Aufgrund ihres Gehaltes genauer seiner Absolutheit ist sie zugleichSteigerung der Entwurfsgestalt menschlicher Erkenntnis zur Perfektion

V Metaphysik als Entwurf ndash Ein Fazit

Das Fazit zu den vorangegangenen Uumlberlegungen erfolgt in zwei Aspektenzum einen soll das dargelegte Konzept der Metaphysik des Cusanus zusam-mengefasst werden zum anderen wird dieses Konzept in seinem Verhaumlltnisder Rezeption und Transformation der Metaphysik des Aristoteles gekenn-zeichnet

Sinnliche Wahrnehmung versteht sich gemaumlszlig dem hier entwickelten Kon-zept nicht im Sinne eines abbildenden sondern eines gestaltenden Verhaumlltnis-ses Da diese Gestaltung nicht die wahrgenommenen Dinge in ihrer Realitaumlt

56 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 1) c VII n 105 f57 Nikolaus von Kues Uumlber den BeryllDe beryllo (wie Anm 51) c VI n 758 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 1) c V n 82

358 Gerhard Krieger

betrifft sondern insoweit als diese Dinge tatsaumlchlich wahrgenommen wer-den liegt eine aktive Nachgestaltung der Wirklichkeit vor Dabei stiftet dieImagination oder Einbildungskraft die Integration der gemaumlszlig den verschiede-nen Sinnesorganen aufgenommenen Sinneseindruumlcke zu einer einheitlichenWahrnehmung im Sinne vermittelter Unmittelbarkeit im Verhaumlltnis zum Sinn-lichen die in der Imagination gegebenen Repraumlsentationen beziehen sich inihrer repraumlsentierenden Funktion unmittelbar auf die vermittels der Sinnesor-gane zustande kommenden Eindruumlcke und vermittels dieser auf die realenDinge Auf diese Weise ist die Beziehung der Imagination mit den Dingen aufder einen Seite vermittelter Natur Auf der anderen Seite verdanken sich dieimaginativen Repraumlsentationen selbst der Einbildungskraft und sind insofernurspruumlnglicher Natur Das Verhaumlltnis zu den sinnlichen Dingen ist also vonimaginativ vermittelter Unmittelbarkeit Was die realen Dinge angeht istuumlber diese zwar nichts uumlber ihre tatsaumlchliche Erfahrung hinaus gewusstgleichwohl erschlieszligen sie sich nur kraft der Repraumlsentationsleistung der Ima-gination Insoweit ermoumlglicht diese in sinnlicher Weise etwas als etwas zuerkennen In der imaginativ vermittelten Unmittelbarkeit zeigt sich im Ver-haumlltnis zum Sinnlichen zugleich die eigene Sinnbestimmtheit dieses Verhaumllt-nisses insofern der sinnliche Gehalt eben in der der Einbildungskraft ent-springenden Einheit und Gestalt repraumlsentiert wird Diese eigene Sinnbe-stimmtheit der Vermittlung vermag der Mensch in und kraft seinerGeistigkeit zur Steigerung zu bringen indem die Vergegenwaumlrtigung selbstzum Ziel menschlicher Weltorientierung im Modus des Erkennens und Wis-sens wird

Den Zusammenhang zwischen sinnlicher und geistiger Vergegenwaumlrti-gung gewaumlhrleistet deren jeweilige Einheit Die Einheit geistiger Taumltigkeit ins-gesamt beruht auf der Befaumlhigung des Begreifens und dem diesem zugrundeliegenden seelischen Vermoumlgen Diese Befaumlhigung ist zunaumlchst bezogen aufdie Begriffe und Urteile die der Geist im Bereich des auf Erfahrung beruhen-den Wissens und der Logik hervorbringt Insofern realisiert sich in der Be-griffs- und Urteilsbildung Einheit die fuumlr sich betrachtet Sache der Vernunftist Die sinnliche Vorstellung verwirklicht kraft der Imagination ihrerseitsEinheit wenn auch als sinnliche auf andere Weise als die Vernunft Deswegenkann Einheit zunaumlchst als dasjenige Moment angesehen werden das sinnlicheund geistig-rationale Vorstellung vergleichbar macht Weiter erweist sich aufdiese Weise die Vernunft als die entscheidende Instanz fuumlr den Zusammen-hang zwischen Sinnlichkeit auf der einen Seite und Erkenntnis auf der ande-ren Seite Denn geistige Taumltigkeit kann in zwei Modi unterschieden werdenderen Zusammenhang durch die urspruumlngliche und spontane Befaumlhigung desGeistes zur Einheit gewaumlhrleistet ist Die Differenz der beiden geistigen Taumltig-keiten oder Funktionen bestimmt sich modal durch den Unterschied vonbestimmter Moumlglichkeit und bestimmter Notwendigkeit Im erstgenannten

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 359

Falle ist der Geist auf Gehalte bezogen die sich in ihrer bestimmten Moumlglich-keit vom Wirklichen in seiner Faktizitaumlt her bestimmen Diese Gehalte sindzum einen die der imaginativ vermittelten sinnlichen Erfahrung einschlieszlig-lich deren technischer Gestalt zum anderen die in der Erfahrung des Begrei-fens selbst zugaumlnglichen logischen Gehalte Die Gehalte bestimmter Notwen-digkeit sind solche die es gibt insofern der Geist sie in ihrer bestimmtenNotwendigkeit denkt Sie verdanken sich deswegen in ihrer Bestimmtheit undWahrheit nicht bereits der Tatsache geistiger Aktivitaumlt sondern der bewuss-ten Hinwendung des Geistes zu sich selbst und der Nutzung seiner selbstAuf diese Weise kann der Geist zu Wesenserkenntnis und Mathematik gelan-gen Darin kommt es zugleich zu einer Steigerung genauer einer Selbststeige-rung geistiger Aktivitaumlt gemaumlszlig ihrer Bedeutung als Inbegriff von Einheit undSachhaltigkeit Auf diese Weise hat geistige Taumltigkeit ihr Ziel zwar nicht au-szligerhalb ihres Vollzuges selbst sie ist aber im Maszlige ihrer Selbstgestaltungtranszendierender also selbsttranszendierender Natur Spezifisch menschlicheWeltorientierung findet also ihren Sinn im Entwurf In diesem weiszlig der Geistsich selbst als entwerfender insofern weiszlig er um die Standpunktbezogenheitund Perspektivitaumlt seiner Erkenntnis Da sich die Erkenntnisse der genanntenGehalte gemaumlszlig der Urspruumlnglichkeit und Spontaneitaumlt des menschlichenGeistes letztlich in ihrer Evidenz legitimieren tritt in ihnen menschliche Welt-orientierung schlieszliglich in der Unableitbarkeit ihrer Individualitaumlt und Krea-tivitaumlt hervor

Die Metaphysik die Cusanus auf diese Weise entwickelt kann zunaumlchstinsoweit im Sinne der Rezeption und Transformation der Metaphysik desAristoteles verstanden werden als sich das cusanische Konzept zum einennach Maszliggabe des Motivs versteht dass nichts im Verstand ist was nichtzuvor in den Sinnen war nach Maszliggabe also der Ruumlckbindung aller geistigenErkenntnis an sinnliche Erfahrung Weiter bietet dieses Konzept eine Deutungmenschlicher Weltorientierung im Modus wissenschaftlicher Erkenntnis dieim Grundriss und in ihrer Gliederung der aristotelischen Konzeption ent-spricht Schlieszliglich laumlsst sich dieses Konzept im Sinne der Rezeption undTransformation auf die Metaphysik des Aristoteles vermittels des Verhaumlltnis-ses dieser Konzeption zu Buridans Auffassung beziehen Insofern Cusanusnaumlmlich in seinem Verstaumlndnis der Metaphysik in zwei Hinsichten mit Buri-dan uumlbereinstimmt welche Hinsichten ihrerseits die aristotelische Metaphy-sik transformieren steht die Metaphysik des Cusanus ebenfalls im Verhaumlltnisder Rezeption und Transformation zur Metaphysik des Aristoteles

Im Besonderen verfolgt Buridan die Hinsicht des Seins nur insoweit alsdiese die Realitaumlt in ihrer faktischen Existenz betrifft Die metaphysische Be-trachtung hat sich auf diese Weise dahin gehend gewandelt dass sie primaumlretwas als etwas in den Blick nimmt Gemaumlszlig dieser Aufgabenstellung unter-sucht Buridan die Bedingungen fuumlr diese gegenstaumlndliche Betrachtung die

360 Gerhard Krieger

sich ihm als Bedingungen des Subjektes erweisen so dass die Bedingungender Erkenntnis zugleich die der erkannten Gegenstaumlnde sind Im Ergebnisanerkennt Buridan in seiner Auffassung zwar die Relativitaumlt unserer theoreti-schen Kompetenz im Verhaumlltnis zu deren Gegenstand Doch diese Kompetenzerfaumlhrt nicht eine eigene uumlber ihr praktisches Verstaumlndnis hinausgehendeSinnbestimmung

Cusanus stimmt mit Buridan zum einen insoweit uumlberein als er sich sei-nerseits in der Hinsicht des Seins auf den Aspekt der Faktizitaumlt beschraumlnktInsofern verzichtet Cusanus wie Buridan auf die transzendentale Betrachtungim Sinne ihres transkategorialen Verstaumlndnisses Diese Feststellung bietet zu-gleich den Ansatzpunkt dazu Stellung zu nehmen wie sich die hier vorge-stellte Sicht des Verhaumlltnisses des Cusanus zur Metaphysik des Aristoteles zurbetreffenden Beurteilung in der Literatur verhaumllt Im Besonderen legt sichnahe auf die Beurteilung Bezug zu nehmen dass Cusanus die bdquoAbwendungvon Tranzendentalien als alle Kategorien uumlberschreitende Seinsbestimmun-genldquo59 vollziehe Denn zunaumlchst bestaumltigt diese Feststellung die hervorgeho-bene Beschraumlnkung Weiter wird in der naumlheren Erlaumluterung dieses Befundesdarauf verwiesen dass Cusanus sich dabei im Besonderen gegen Aristoteleswendet60 Wenn schlieszliglich in dieser Stellungnahme betont wird dass es Cu-sanus bdquoim Rahmen einer extremen Steigerung der Transzendenz Gottes [hellip]um das extremissimum und um absolute Begriffe (conceptus absoluti) gehtldquodann stimmen die hier vorliegenden Uumlberlegungen auch damit insoweit uumlber-ein als sich gezeigt hat dass der Begriff des Geistes als absolute Einheit inBezug auf seine Objektivitaumlt eine Annahme darstellt die als solche (bzw dergenannte Begriff) eine bdquojedem Zweifel entzogene Wahrheit ist der keinMensch zu widersprechen vermagldquo (verissimum illud esse cui omnis sanamens nequit dissentire)61 eine Wahrheit also die zwar dem Gehalt nichtaber der Geltung nach notwendig ist und insofern nur ohne Beachtung blei-ben kann im Verzicht naumlmlich auf ihre tatsaumlchliche Realisierung Insoweitergaumlnzen die vorliegenden Uumlberlegungen die angesprochene Einschaumltzung des

59 H G Senger Warum es bei Nikolaus von Kues keine Transzendentalien gibt und wie siekompensiert werden in M Pickaveacute (Hrsg) Die Logik des Transzendentalen (MiscellaneaMedievalia Bd 30) BerlinndashNew York 2003 554ndash577 hier 560 Der Autor betont ndash ganzim Sinne der eingangs hier vorgelegten Uumlberlegungen namhaft gemachten Annahme derAnsprechbarkeit des cusanischen Denkens im Sinne mittelalterlicher Intellektualitaumlt ndash ebd556 dass bdquoals selbstverstaumlndlichldquo vorausgesetzt werden kann dass bdquoschon ein baccalaureusartium im 15 Jahrhundert mehr oder weniger Kenntnis uumlber die Transzendentalienlehreldquobesessen habe

60 Vgl ebd 556ndash56261 Nikolaus von Kues Die belehrte UnwissenheitDe docta ignorantia I (wie Anm 31) l I

c I n 2 Vgl zum angesprochenen Zusammenhang die Uumlberlegungen in IV 2 und 4

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 361

Verhaumlltnisses des Cusanus zur aristotelischen Metaphysik dahin gehend wieder Kardinal diese Metaphysik seinerseits deutet und in einen sie transformie-renden und uumlberschreitenden Zusammenhang bringt Im Ergebnis passen sichdie hier vorgelegten Uumlberlegungen also durchaus in den Rahmen der ange-sprochenen Beurteilung ein

Den Ansatzpunkt zu dieser Einschaumltzung bot die Uumlbereinstimmung zwi-schen Buridan und Cusanus in der Beschraumlnkung in der Hinsicht des SeinsDie zweite Uumlbereinstimmung zwischen ihnen besteht in der Anerkennung derRelativitaumlt unserer theoretischen Kompetenz im Verhaumlltnis zu ihrem Gegen-stand Doch anders als Buridan gibt Cusanus dieser Kompetenz eine eigeneSinnbestimmung indem er sie in ihrem Entwurfscharakter kennzeichnet In-sofern menschliche Erkenntnis ihren Sinn in entwerfender Vergegenwaumlrti-gung findet gewinnt die Metaphysik selbst bei Cusanus im Verhaumlltnis derRezeption und Transformation der Metaphysik des Aristoteles die Gestaltdes Entwurfs

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362 Gerhard Krieger

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Van Velthoven T Gottesschau und menschliche Kreativitaumlt Studien zur Er-kenntnislehre des Nikolaus von Kues Leiden 1977

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen

Wilhelm Schmidt-Biggemann

I Plotin Das Eine als Ungrund und erster Grund

Plotins entscheidende Neuerung in der Philosophie ist seine Lehre vom Einen(Enneaden V 4) Das unbestimmte Eine fand er heraus ist was durch keineDifferenz bestimmt ist Das unbestimmte Eine ist ein Nicht-Begriff er kannnur durch die Negation aller Begrifflichkeit gewonnen werden dergestaltalso dass sich alle Negation selbst negiert Es ist das Weder-Noch das wedereine Grenze nach auszligen noch eine Bestimmung nach innen hat es ist einUnwesen Wenn das unbestimmte Eine ndash Schelling wird es spaumlter praumlzise dasbdquoIndifferenteldquo nennen ndash vor jeder Unterscheidung ist dann ist es auch vorder Unterscheidung von Sein und Nichts Das bdquovorldquo in bdquovor der Unterschei-dungldquo ist passend Denn mit dem bdquovorldquo wird deutlich dass die Unterschei-dung von Sein und Nichts bereits sekundaumlr ist schlieszliglich handelt es sich umeine Unterscheidung Diese Unterscheidung ist deshalb sekundaumlr weil sie dieSemantik des Einen bedient denn sobald das Eine vom Andern unterschiedenwird ist es durchs Zweite definiert Dann ist es nicht mehr unbestimmtsondern bestimmt

Im Prozess dieser Bestimmung des Einen wird folgende Dialektik sicht-bar Nur durch die Trennung des Einen vom Andern ist das unbestimmteEine als das fassbar was die Trennung negiert sie aber zugleich ermoumlglichtOhne das Eine gibt es keine Trennung die Trennung ist in diesem Sinne Folgedes Einen dessen Unbestimmtheit sich in Bestimmtheit wandelt Indem dieTrennung Folge ist wird das unbestimmte Eine zum Grund der TrennungEs teilt sich dialektisch in Ungrund1 sofern es unbestimmt war und inGrund sofern es als Anfang einer Kausalitaumlt bestimmt ist Der Grund wenner einmal aus dem Ungrund geworden ist generiert die Folge und unterschei-det sich zugleich von ihr er ermoumlglicht und negiert sie weil die Folge nichtohne den Grund sein kann Unter dieser Voraussetzung wird das unbestimm-te Eine zum Grund der Bestimmung zum Grund seiner Negation Distinkti-on Definition Indem das Eine Grund wird ist das Erste seine Folge denndas Erste ist eine Ordinalzahl und Ordnung verlangt drei Positionen Einesund anderes und beides im Verhaumlltnis

1 Der deutsche Terminus kommt zuerst bei Jakob Boumlhme und dort an vielen Stellen vor

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II Das metaphysische Dispositiv von Kausalitaumlt bei Aristoteles

Diese Erwaumlgungen zur Kausalitaumlt veraumlndern das aristotelische Dispositiv derMetaphysik entscheidend und zwar in folgenden Hinsichten

1 Nicht mehr ist Sein das allgemeinste Praumldikat sondern das Eine wird zurBedingung des Seins Aber dieses Eine entzieht sich der Praumldikation denndurch die Praumldikation verloumlre es seinen Status als Eines Diese Semantikimpliziert dass dieses Eine auch nicht dem Satz des Widerspruchs unter-liegt Es entzieht sich den aristotelischen Wahrheitskriterien die dadurchbestimmt sind dass sie ein Etwas als etwas praumldizieren und so Subjektund Objekt auseinanderhalten muumlssen damit sie uumlberhaupt praumldizierenkoumlnnen Ein Urteil kann nur dann wahr sein wenn Subjekt und Objektzueinander passen Wenn zwei Praumldikate eines Subjekts sich gegenseitigwidersprechen und ausschlieszligen ist das ein Kriterium der Unwahrheitfuumlr eines der beiden Urteile2 Wenn aber das Eine ungeschieden ist istein affirmatives Urteil ausgeschlossen Man kann uumlber das ungeschiedeneEine nicht urteilen denn indem man urteilt setzt man die ScheidungDas gilt auch fuumlr ein negatives Urteil denn auch ein negatives Urteilbesteht noch aus Subjekt und PraumldikatWenn es das Sein und das Nichts umfasst ist nicht das Sein der allge-meinste Begriff3 sondern das Eine Das Insistieren darauf dass bdquonur Et-was aus Etwas wirdldquo ndash die spaumltere schulphilosophische Tradition machtdaraus a nihilo nihil fit4 ndash ist unter der Bedingung der Metaphysik des

2 Vgl Met Θ 101051 b 3ndash6 ὥστ᾿ ἀληθεύει μεν ὁ το διῃρημένον οἰόμενος διῃρησθαι και τοσυγκείμενον συγκεισθαι ἔψευσται δε ὁ ἐναντίως ἔχων ἢ τα πράγματα bdquoDer also denkt wahrder das Getrennte fuumlr getrennt und das Zusammen-gesetzte fuumlr zusammengesetzt haumllt deraber falsch dessen Gedanken sich entgegengesetzt verhaltenldquo

3 Vgl Met Ε 11026 a 29ndash32 εἰ δ᾿ ἔστι τις οὐσια ἀκίνητος αὕτη προτέρα και φιλοσοφία πρώτηκαι καθόλου οὔτως ὄτι πρώτη και περι του ὄντος ᾗ ὂν ταύτης ἂν εἴη θεωρησαι και τί ἐστι καιτα ὑπάρχοντα ᾗ ὄν bdquoGibt es aber eine unbewegte Wesenheit so ist diese die fruumlhere (scilals die Gegenstaumlnde der Physik) und die sie behandelnde Philosophie die erste und allgemei-ne insofern als sie die erste ist und ihr wuumlrde es zukommen das Seiende insofern esSeiendes ist (ὂν ᾗ ὄν) zu betrachten sowohl sein Was als auch das ihm als Seiendes Zukom-mendeldquo

4 Met Ζ 71032 a 12ndash14 των δε γιγνομένων τα μεν φύσει γίγνεται τα δε τέχνῃ τα δ᾿ ἀποταὐτομάτου πάντα δε τα γιγνόμενα ὑπό τέ τινος γίγνεται και ἔκ τινος και τί bdquoDas Werdendewird teils durch Natur teils durch die Kunst teils von ungefaumlhr Alles Werdende aber wirddurch etwas und aus etwas und etwasldquo Vgl Lucretius De rerum natura 1II 287 Denihilo quoniam fieri nihil posse videmus In der philosophischen Diskussion der fruumlhenNeuzeit ist der Topos a nihilo nihil fit durch Henry More wichtig geworden der ihn inseinen Thesen zur christlichen Kabbala benutzte H More Opera philosophica London1679 [ND Hildesheim 1966] Bd 21 523

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 365

Einen der Henologie die Stipulation der Geltung des Satzes vom Wider-spruch5

2 Es veraumlndert sich mit dieser Theorie des Einen die aristotelische Kausali-taumltstheorie Die Lehre von den vier Ursachen die eher analytischen Cha-rakter hatte wird substituiert Das Verhaumlltnis des Einen als Bedingungder Moumlglichkeit (um Kants Formulierung zu benutzen) des Anderen istweder causa efficiens noch causa finalis noch causa formalis oder mate-rialis Vielmehr wird das Eine als erste Ursache so gefasst dass ohne esExistenz uumlberhaupt nicht denkbar ist Die Kausalitaumlt des ersten Grundesist modal Sie umfasst Wirklichkeit Moumlglichkeit Notwendigkeit und de-ren Gegenteil Das Eine wird erste Ursache von Sein indem es das Nicht-sein zugleich definiert Damit wird der Grund die Kausalitaumlt zur Bedin-gung der Existenz uumlberhaupt die ihrerseits als staumlndige Trennung vonSein und Nichts gefasst wird

3 Der erste Grund ist auch nicht identisch mit der ἀρχή bzw der αἰτία demPrinzip das im ersten Buch der aristotelischen Metaphysik verhandeltwird Diese Prinzipien sind bei Aristoteles Referat seiner eleatischen Vor-gaumlnger und von eher materialer Natur Sie haben mit den Modalerwaumlgun-gen der Henologie nichts gemeinsam Freilich veraumlndert sich unter demEinfluss der Henologie die Konnotation des Begriffs Prinzip in Richtungauf das Eine

4 Auch die Lehre vom unbewegten Beweger aus Metaphysik XII ist nichtmit dem ersten Grund der Henologie identisch Der unbewegte Bewegerist das Ziel aller Bewegung der Natur er ist selbst die Pointe der Naturund ihres Lebens aber der erste Grund der sich in der Definition derurspruumlnglichen Trennung von Sein und Nichts manifestiert ist er gewissnicht

5 Allerdings wird die Theorie von δύναμις und ἐνέργεια die in Metaphysik IXbehandelt wird fuumlr die weitere Entwicklung der Kausaltheorie wichtig ndashfreilich ist auch hier evident dass δύναμις und unbestimmtes Eines nichtidentisch sind

III Die Unerkennbarkeit des ersten GrundesDionysius Areopagita Liber de Causis

Die Metaphysik des Einen ist auch ohne dass die Texte Plotins und Proklosrsquoverbatim zur Verfuumlgung standen im Abendland durchgehend bekannt geblie-

5 Ob Aristotelesrsquo Insistieren auf der Geltung des Satzes vom Widerspruch schon eine Reaktionauf Platons bdquoungeschriebene Lehreldquo ist muss hier nicht untersucht werden

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ben die wichtigsten Quellen waren das Corpus Dionysiacum durch das dieMetaphysik des Einen als bdquoMystikldquo gefasst wurde und der Liber de Causiseine arabische Neubearbeitung unter anderem von Proklosrsquo Stoicheiosis theo-logike die von Gerhard von Cremona nach 1167 ins Lateinische uumlbersetztwurde und in dieser Uumlbersetzung eine schwer uumlberschaumltzbare Wirkung entfal-tete In beiden Fassungen im Corpus Dionysiacum und im Liber de Causisgeht es darum dass der Erste Grund unerkennbar ist Dionysius Areopagitabeschreibt diese Unfasslichkeit des ersten Grundes als Selbstaufloumlsung derSeele im Einen In einem Aufstieg laumlsst die Seele zunaumlchst die materiellenAumluszligerlichkeiten dann ihre eigenen Gedanken schlieszliglich den Gedanken ansich selbst ihr eigenes Bewusstsein hinter sich um sich im indefiniten Einenzu verlieren aber auch zu finden denn jetzt weiszlig sie sich als von ihm verur-sacht und staumlndig in ihrer Existenz getragen6

Der Liber de Causis hat die Frage nach der Unerkennbarkeit des ErstenGrundes in seinem sect 5 formuliert Derjenige der den ersten Grund erfassenwolle muumlsse in seiner Existenz und seiner Fassungskraft vor diesem Erstensein dann aber waumlre das Erste nicht das Erste und alle Folge ndash das ist dieSemantik des Ersten ndash beginnt mit dem Zweiten setzt aber das Erste voraus7

In beiden Faumlllen wird der Erste Grund als Causa essendi des Seins unddes Erkennens bestimmt als Grund des Seins ist er der Grund der Sein undNichts unterscheidbar macht als Grund des Erkennens bewirkt er Differenzuumlberhaupt und ist damit die Bedingung der Moumlglichkeit von Erkennendemund Erkanntem sowie des Einzelnen und seiner Praumldikation

IV Avicenna Das Reich des Moumlglichenund die Vehementia essendi

Die Frage nach Einheit und Vielheit stellt sich mit der Entfaltung der Dialek-tik des Einen in durchaus distinguierter neuer Weise Zwar war diese Frage

6 Ps Dionysius Areopagita De Theologia Mystica Corpus Dionysiacum II hrsg v A MRitter BerlinndashNew York 1991 133ndash150 Die Wirkung dieses Textes ist unuumlberschaubarEinen Eindruck liefert die Editionsgeschichte vgl dazu Dionysiaca Recueil donnant lrsquoen-semble des traductions latines des ouvrages attribueacutes au Denys de lrsquoAreacuteopage Bruumlgge 1937[ND in vier Baumlnden mit einem Nachwort von M Bauer Stuttgart-Bad Cannstatt 1989]

7 Anonymus Liber de causis Das Buch von den Ursachen hrsg u uumlbers v A SchoumlnfeldHamburg 2003 57 Causa prima superior est omni narratione Et non deficiunt linguae anarratione eius nisi propter narrationem esse ipsius quoniam ipsa est supra omnem causamet non narratur nisi per causas secundas quae illuminantur a lumine causae primae DieserText entspricht ungefaumlhr dem sect 20 der Stoicheiosis Theologike des Proklos (Proclus TheElements of Theology hrsg u uumlbers v E R Dodds Oxford 1992 22) Aber es gibt nichtunerhebliche Differenzen Es ist naumlmlich bei Proklos nicht von Causa die Rede sondern

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seit dem platonischen Parmenides virulent zwar hatte Aristoteles das Mo-ment des Einen als des Ganzen8 in seiner Metaphysik angesprochen aber dieFrage danach wie denn das Verhaumlltnis des Einen und des Vielen gedachtwerden koumlnne war nur in Bezug auf das logische Urteil entfaltet worden indem das Individuum als ein Allgemeines bestimmt wurde Die Frage danachwie es logisch moumlglich wurde dass Eines Vieles sei war unbeantwortet ge-blieben Die Frage nach der Moumlglichkeit hatte Aristoteles in aumlhnlicher Weiseentspannt ndash oder vergleichguumlltigt ndash wie die Frage nach dem Verhaumlltnis vonSein und Nichts Er hatte Moumlglichkeit als das Noch-nicht der Wirklichkeitgefasst9 und damit klar gemacht dass die Wirklichkeit und ihre Praumldikationdas fuumlr ihn Wesentliche sei nicht eine bdquoirrealeldquo Anders-Welt

Diese Frage nach der Moumlglichkeit aumlnderte sich mit der Entfaltung derSchoumlpfungstheologie die mit dem Einfluss der monotheistischen Offenba-rungsreligionen virulent wurde Die Theologie der Schoumlpfung also ihre Be-schreibung als Wissenschaft wurde seit Philo von Alexandrien mit platoni-schen Mustern versucht10 Diese Platonisierung geschah so dass Gott einenSchoumlpfungsplan gedacht habe der mit den platonischen Ideen identifiziertwurde nach diesem Idealplan habe er die Welt dann als extramentale Exis-tenz durch Information der Materie verwirklicht In dieser Weise wurde dasMoumlgliche der Plan Gottes wirklich ndash das war das fiat der Schoumlpfung Mitdieser Theorie wurde die Frage danach interessant wie denn dieser Welten-plan aussehe der in der Schoumlpfung verwirklicht wurde

Es ging also um das Problem wie die Gedanken Gottes in ihrer Moumlglich-keit gefasst werden koumlnnten der Moumlglichkeit die dann in der geschaffenenNatur verwirklicht wurde Hier wurde der Begriff Moumlglichkeit nun neu ge-fasst ndash die entscheidende Figur war Avicenna Er wies darauf hin dass dieModalbegriffe Moumlglichkeit Wirklichkeit und Notwendigkeit zirkulaumlr sindund sich untereinander definieren Nach ihm wurde Moumlglichkeit nicht mehrnur in Bezug auf die Wirklichkeit gedacht sondern als logischer Begriff DerGegenbegriff war jetzt nicht mehr Wirklichkeit sondern Unmoumlglichkeit11

vom Einen dem Hen Es heiszligt dort dass der Nous dem Hen nachgeordnet sei und dassder Nous obwohl unbewegt nicht das Eine sei und indem es sich erkenne sei es Objektseiner eigenen Aktivitaumlt das es damit ins Werk setze noei gar heauton kai energei heauton

8 Met Δ 261023 b 27ndash1024 a 109 Met Θ behandelt die Modaltheorie10 Vgl Philo von Alexandrien De Opificio mundi hrsg v L Cohn Berlin 189611 Vgl Avicenna Latinus Liber de philosophia prima sive scientia divina IndashIV Eacutedition critique

de la traduction latine meacutedieacuteval par S van Riet LouvainndashLeiden 1977 I 1 5 40 Difficileautem est declarare dispositionem necessarii et possibilis et impossibilis certissima cognitio-ne nisi per signa Quicquid enim dictum est ab antiquis de ostensione istorum in plerisquereducitur ad circularem eo quod ipsi sicut nosti in logicis cum volunt definire possibileassumunt in eius definitione necessarium vel impossibile nec habent alium modum nisihunc Cum autem volunt definire necessarium assumunt in eius definitione possibile vel

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Avicenna unterschied die metaphysische Notwendigkeit des Seins vondieser logischen bdquoManierldquo Fuumlr diesen metaphysischen Sachverhalt fand ereine Formulierung die im Lateinischen als vehementia essendi Drang zurExistenz wiedergegeben wurde Die vehementia essendi bezeichnete die Rea-litaumlt die sich ihrer Realisierung nicht entziehen kann Diese durch die vehe-mentia essendi verwirklichte Realitaumlt bestimmte das Verhaumlltnis von Sein undNicht-Sein und das was real war war erkennbarer als das was nicht dawar12 Damit unterschied Avicenna das Reich des Moumlglichen als das wasnicht da war von dem was durch die vehementia essendi real geworden warDiese vehementia war als Notwendigkeit bestimmt nicht als KontingenzWenn in diesem Verwirklichungsprozess irgendetwas als Kausalitaumlt beschrei-ben werden konnte dann die vehementia essendi

Man konnte diesen Sachverhalt als die Trennung eines Reichs des Moumlgli-chen von einem des Wirklichen interpretieren Mit der Formulierung der ve-hementia essendi gab es einen doppelten Begriff von Moumlglichkeit Der erstewar der der Kontingenz Er war dadurch definiert dass etwas sein kann oderauch nicht und dass es einen Drang eben die vehementia geben muumlsse dasMoumlgliche wirklich zu machen Der andere Moumlglichkeitsbegriff war der derKompossibilitaumlt Das was gedacht wird darf in sich nicht dergestalt wider-spruumlchlich dass ein affirmatives Praumldikat eines grammatisch-logischen Sub-jekts zugleich negiert wird Der Satz vom Widerspruch wurde als Bedingungder Denkbarkeit gefasst und diese Denkbarkeit wurde als formales Kriteri-um von Moumlglichkeit interpretiert Die logische Moumlglichkeit war die Bedin-gung dafuumlr dass eine Welt formal unabhaumlngig von der wirklichen denkbarwar ndash und dieser Gedanke war auf das Konzept des goumlttlichen Weltenplanesebenso wie auf das menschliche Denken anwendbar Damit war die Idee dermoumlglichen Welt geboren

Mit diesem Konzept gab es zwei unterschiedliche Begriffe von Welt dievon Gott konzipierte Idealwelt des Moumlglichen und die erfahrbare reale Weltdie durch die vehementia essendi zustande gekommen war Die von Gott

impossibile et cum volunt definire impossibile assumunt in eius definitione necessariumvel possibile Verbi gratia cum definiunt possibile dicunt aliquando quod est non necessari-um vel quod ipsum est quod non est in praesenti cuius tamen esse in quacumque posuerishora futura non est impossibile [Das ist jetzt der Sprung von der logischen zur metaphysi-schen Moumlglichkeit zur Kontingenz] Deinde cum volunt definire necessarium dicunt quodnecessarium est quod non est possibile poni non esse vel quod est id quod si aliter poniturquam est est impossibile

12 Ebd 41 Sed detectio huius maneriae in hoc est haec quia iam nosti in Analyticis quod exhis tribus [scil necessarium possibile impossibile W S-B] id quod dignius est intelligiest necesse quoniam necesse significat vehementiam essendi esse vero notius est quam nonesse esse enim cognoscitur per se non esse vero cognoscitur per esse aliquo modo

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praumlkonzipierte Welt konnte vom Menschen zwar nicht inhaltlich aber siekonnte formal gedacht werden indem die menschliche Vernunft der goumlttli-chen strukturanalog war Da die menschliche Vernunft aber von der goumlttli-chen abhing war es sinnlos die goumlttliche und die menschliche Vernunft un-abhaumlngig voneinander zu denken zumal der entscheidende Grundsatz derpropositional bestimmten Sprach-Vernunft der Satz vom Widerspruch fuumlrdieses Konzept der Kompossibilitaumltsstruktur einer moumlglichen Welt galt Ne-ben dieser logischen Weltkonzeption gab es die reale Welt diese unterschiedsich durch die vehementia essendi von der moumlglichen In ihrer Erkennbarkeitunterlag auch sie den logischen Kompossibilitaumltskriterien Es war eine in sichselbst widerspruumlchliche Realitaumlt unerkennbar denn erkennbar war nur daswas propositional war und wessen Propositionen dem Satz des Widerspruchsunterlagen Aber sie war entscheidend mehr denn sie war real Logisch gese-hen war die reale Welt freilich nur ein Spezialfall der moumlglichen Welten dennin sich selbst Widerspruumlchliches war auch als Realitaumlt nicht erkennbar DerUnterschied zwischen der moumlglichen und der wirklichen Welt war allein mo-dalmetaphysischer Natur

V Duns Scotus Die Verwirklichung des Rationalenals irrationaler Willensakt

Bei der Bestimmung des Moumlglichen und Wirklichen wurde nun das Verhaumlltnisvon δύναμις und ἐνέργεια mit dem Aristoteles (Metaphysik IX) die Realitaumltdes individuell Realen gefasst hatte wichtig Bei Aristoteles dienten diesebeiden Begriffe zur Analyse der Realitaumlt Das Moumlgliche verwirklichte sich imRealen und bestimmte die Realitaumlt in ihrer weiteren Entfaltung Die δύναμιςwar deshalb nicht als eigene logische Welt des Moumlglichen gefasst sondernnur in Bezug auf die Frage danach wie denn das natuumlrliche Sein so gewordenwar wie es war Den Begriff Existenz hatte Aristoteles noch nicht Mit derBestimmung der moumlglichen Welt wurde eine eigene Welt der Essenzen ge-dacht die Welt logisch moumlglicher Wesen die zur Existenz kommen konntenoder nicht So wie Avicenna im Abendland gelesen wurde lehrte er dass derSchritt aus der moumlglichen Welt der Essenzen in die wirkliche existierendeWelt als vehementia essendi geschehe und dieser Schritt definierte bei Avicen-na die Notwendigkeit Mit der vehementia essendi wurden das Reich derMoumlglichkeit und die Wirklichkeit als metaphysische Notwendigkeit ver-schraumlnkt

Diese Engfuumlhrung von moumlglicher Essenz und realer Existenz hatte Konse-quenzen fuumlr die Schoumlpfungstheologie die unerwuumlnscht waren Denn wennder Uumlbergang von der Moumlglichkeit in die Wirklichkeit mit Notwendigkeit

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erfolgte dann konnte theologisch nicht unterschieden werden ob Gottes pri-mordialer Schoumlpfungsgedanke notwendig Realitaumlt werden muumlsse oder obGott auch Moumlgliches denken koumlnne das moumlglich blieb aber nicht real wur-de Im Fall der ersten Alternative war die Konsequenz unvermeidbar dassGott wenn er denn uumlberhaupt als denkend konzipiert wurde notwendig dieWelt schaffen musste und das war fuumlr alle monotheistischen Religionen inak-zeptabel weil der Pantheismusverdacht unabweislich war Es blieb also fuumlrdie schoumlpfungstheologische Explikation der Modalphilosophie nur die zweiteAlternative akzeptabel Deshalb musste das Verhaumlltnis vom Reich des Moumlgli-chen der Essenz und dem Reich des Wirklichen der Existenz anders als mitder Konzeption der vehementia essendi gefasst werden Wenn die primordialeWelt der goumlttlichen Gedanken und der extramentalen Verwirklichung dieserGedanken als Schoumlpfung und nicht als Emanation interpretiert werden solltedann durfte dieser Akt nicht notwendig sein denn Gott waumlre sonst zurSchoumlpfung gezwungen gewesen und das war mit dem Gottesbegriff unverein-bar Aus diesem Grunde wurde der Schoumlpfungsakt sofern er fuumlr die Men-schen uumlberhaupt verstaumlndlich war von Duns Scotus in drei Schritten be-schrieben Zunaumlchst entschlieszligt sich Gott aus freiem Willen zur Schoumlpfungder Welt13 dann konzipiert er sie in ihrer logischen Moumlglichkeit als notwen-dige ewige Wahrheiten14 und schlieszliglich realisiert er sie voluit potuit fecitDie beiden ersten Schritte wurden als duplex ratitudo entis15 beschrieben fuumlrden letzten Schritt hat Scotus das Lehrstuumlck der potentia absoluta und poten-tia ordinata16 nach dem Gott aus freien Willen die logisch konzipierte Welt

13 Ioannis Duns Scoti Quodlibetum 16 sectsect 30 32 Dico quod cum necessitate ad volendumstat libertas in voluntate [] Probatur idem sbquopropter quidlsquo Et primo sic Actio circa finemultimum est actio perfectissima in tali actione firmitas in agendo est perfectionis igiturnecessitas in ea non tollit sed magis ponit illud quod est perfectionis sic est libertas

14 Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d 3 (Opera omnia Bd 3) ed by C Balić et alii Cittagrave delVaticano 1954 sect 262 Ad intellectum primi dico quod omnia intelligibilia actu intellectusdivini habent esse intelligibile et in eis omnes veritates de eis relucent ita quod intellectusintelligens ea et veritates de eis relucent ita quod intellectus intelligens eas et virtutemeorum intelligens necessaria veritates de eis videt in eis sicut in obiectis istas veritates neces-sarias Illa autem inquantum sunt obiecta secundaria intellectus divini sunt veritates quiaconformes suo exemplari et sunt immutabiles et necessariae

15 Vgl L Honnefelder Die Lehre von der doppelten Ratitudo Entis und ihre Bedeutung fuumlr dieMetaphysik des Johannes Duns Scotus in Deus et Homo ad mentem I Duns Scoti Acta TertiiScotistici Internationalis Vindenonae 1970 Studia Scholastico-Scotistica 5 1972 661ndash671

16 Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d 26ndash48 (Opera omnia Bd 6) ed by C Balić et alii Cittagravedel Vaticano 1963 d 44 sect 7 Deus ergo agere potens secundum illas rectas leges utpraefixae sunt ab eo dicitur agere secundum potentiam ordinatam ut autem potest multaagere quae non sunt secundum illas leges iam praefixas sed praeter illas dicitur eius poten-tia absoluta quia enim Deus quodlibet potest agere quod non includit contradictionem etomni modo potest agere quod non includit contradictionem (et tales sunt multi alii) ideodicitur tunc agere secundum potentiam absolutam

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 371

verwirklichen kann die nach ihrer Verwirklichung in ihrer Ordnung existiertDieser Akt ist unumkehrbar Wenn die Welt geschaffen wurde ist mit demSchoumlpfungsakt die Welt in ihrer Ordnung bestimmt

Wenn Gott bei Scotus in dieser Weise durch den Willen bestimmt warund der Wille der Grund der Schoumlpfung war dann war auch diese Schoumlp-fungstheologie theologisch alles andere als risikolos Indem die moumlglichenWelten als die Bedingungen der wirklichen gefasst wurden war deutlich dassdie Welt insgesamt die moumlgliche und die wirkliche Welt als logisch konzi-piert begriffen werden mussten ndash das bedeutete dass die Welt insgesamt alskausal determiniert galt weil Ursache und Wirkung als logische Implikatio-nen begriffen werden mussten Da Gott alles als Moumlglichkeit und ewigeWahrheit dachte ndash eine andere Rationalitaumlt als diese war fuumlr Menschen un-denkbar ndash und weil er alles gleichzeitig konzipierte konnte Kausalitaumlt nurals die aumluszligere raumzeitliche Erscheinung der goumlttlichen Praumlkonzeption ver-standen werden Die Kausalitaumlt war deshalb nur der aumluszligere Ausdruck derinneren Kompossibilitaumlt der Welt in Raum und Zeit In dieser Welt war einRaum der Freiheit fuumlr den Menschen kaum zu finden diese aber war erfor-derlich wenn Schuld und Verdienst dem Menschen zugerechnet werden soll-ten Auf der anderen Seite wurde der Uumlbergang von der moumlglichen in diewirkliche Welt dadurch dass der Schoumlpfungsakt aus freiem Entschluss Gottesgeschah zu einem Willkuumlrakt Der skotistische Gott war merkwuumlrdig dop-peldeutig Er war zugleich hochrational weil er die moumlgliche Welt durchkal-kulierte und er war zugleich irrational in seinem freien Entschluss zur Ver-wirklichung der extramentalen Welt Die Kluft zwischen Moumlglichkeit undWirklichkeit war einerseits nahezu unuumlberwindbar auf der andern Seite wardie geschaffene Realitaumlt kausal durchdefiniert

VI Nikolaus von Kues Modaltheologie des ersten Prinzips

Bei Duns Scotus war die Dialektik des ersten Grundes offensichtlich nichtberuumlcksichtigt Das lag wesentlich auch daran dass die negative Theologiedie seit Dionysius Areopagita Teil auch der christlichen Tradition war zuSchwierigkeiten in der Trinitaumltstheologie fuumlhrte Denn wenn das unbestimmteEine das Goumlttliche sich erst zum Sein dadurch bestimmte dass es sich vomNichts als seinem Definiens trennte und wenn es sich sobald es sich als ge-trennt vom Nichts begriff selbst zum Objekt seiner selbst machte und sichdadurch zum houmlchsten Gut wurde dann wurde in diesem Prozess das Negati-ve des houmlchsten Gutes und das war das Boumlse freigesetzt

Die Objektwerdung seiner selbst war der erste Schritt zur trinitarischenFassung Gottes Gott wurde sich selbst zum Logos der nach dem Prolog des

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Johannesevangeliums im Anfang bei Gott war Das entsprach dem Verhaumlltnisdes Vaters zum Sohn die sich gegenseitig definierten die Liebesbeziehungbeider zueinander als je houmlchstes Gut war die Rolle des Heiligen Geistes dervom Vater und vom Sohne ausging Die dogmatischen Schwierigkeiten lagenauf der Hand Wie konnte das Verhaumlltnis des unbestimmten Einen zum sichkonstituierende dreifaltigen Gott vor allem zum Vater beschrieben werdenWurde der trinitarische Gott der sich in diesem theogonischen Selbstwer-dungsprozess verstehen lieszlig zur Ursache des Nichts und schlimmer nochdes Boumlsen Da diese Probleme schon 1215 auf dem vierten Laterankonzileine Rolle gespielt zu haben scheinen als Peri Physeos das Hauptwerk Eriu-genas des ersten Uumlbersetzers des Corpus Dionysiacum anathematisiert wur-de galt die negative Theologie als dogmatisch risikotraumlchtig

Nikolaus von Kues knuumlpfte sehr wirkungsvoll an diese Tradition an erverstand die dogmatischen Risiken als Chancen zu produktiven theologi-schen Spekulationen uumlber die Selbstwerdung Gottes den absoluten Anfangund die mathematische Repraumlsentation dieses Prozesses

1 Theogonie und Ursprung der Kraft

Nikolaus behandelt die Theorie des Einen in ihrer Dialektik in vielen Variati-onen Die weitestgehende Fassung ist die Logik der Theogonie die als sichselbst mitteilenden Wahrheit verstanden wird in deren Urspruumlnglichkeit dieOpposita eines Urteils aufgehoben sind Das ist ein Angriff auf die aristote-lisch-scholastische Urteilslehre Nikolaus macht mit diesem Argument deut-lich dass Gott bdquoweder ist noch nicht istldquo houmlher als jede Frage einfachabsolut eine unaussprechliche Einheit (ineffabilis entitas)17 Aber er ist indieser Unnahbarkeit der Grund fuumlr jedes Etwas in diesem Sinne ist er derletzte Grund bdquoGott istldquo schreibt Nikolaus bdquoNichts und Etwas denn ihmgehorcht das Nichts damit Etwas wird Und darin besteht seine Allmachtdass durch seine Macht alles was ist oder nicht ist hervorgerufen wird dasses ihm so gehorcht dass es nicht anders ist als es istldquo18 Diese Macht zwi-

17 Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (Philosophische Bibliothek Bd 268) lat-dt uumlbers u mit Einf u Anm hrsg v J Koch u W Happ Hamburg 1971 p I c V n21 Absolutior igitur veritatis exstitit conceptus qui ambo abicit opposita disiunctive simulet copulative Non poterit enim infinitius responderi bdquoan Deus sitldquo quam quod ipse nec estnec non est atque quod ipse nec est et non est Haec est una ad omnem quaestionemaltior simplicior absolutior conformiorque responsio ad primam ipsam simplicissimamineffabilem entitatem

18 Nicolai de Cusa De deo abscondito Opuscula I Opera omnia IV ed P Wilpert Hamburg1959 9 8ndash11 Deus est supra nihil et aliquid quia sibi oboedit nihil ut fiat aliquid Ethaec est omnipotentia eius qua quidem potentia omne id quod est aut non est excedit ut

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 373

schen Nichts und Etwas zu vermitteln die dem unbenennbaren Gott zu-kommt ist das Moment der Kausalitaumlt das hier aber nicht wie bei Avicennaund Scotus auf das Verhaumlltnis Gottes zur Schoumlpfung sondern auf Gott selbstangewandt wird Er wird sich selbst staumlndig wirklich Er ist die vehementiaessendi die Kraft zum Realwerden So ist er Causa sui

Die Dialektik des Ersten Grundes macht es dass er allein negativ alsineffabel vor jedem Anfang als Ungrund bezeichnet werden muss denn derGrund zeigt sich als Grund erst wenn er eine Folge hervorbringt Wie sollteer sonst Grund sein Er geht selbst grundlos aus sich selbst hervor DieFrage nach dem Anfang ist die prozessuale Variante der Frage nach demVerhaumlltnis des Unbestimmten zum bestimmten Einen Wenn sich das unbe-stimmte zum bestimmten Einen wandelt dann wird es dadurch zum erstenGrund Der Grund hat eine Folge ndash folglich ist er der erste Anfang Jetzt gibtes eine Richtung ein Vorher und Nachher Mit dem Begriff des Ersten wirdOrdnung installiert es muss ein Naumlchstes Zweites Anderes geben das dieein Zweites heischende Semantik des Ersten bedient und diesen Prozess da-durch zur neuen triadischen Einheit macht Fuumlr die spekulative Theologiehat Nikolaus diese Frage logostheologisch verhandelt indem er das sichselbst verstehende Eine zum Musterbild jeder Verursachung macht Diehoumlchste definite Einheit sei die die sich selbst verstehe und die deshalb ihreDefinition oder ihren Logos aus sich selbst hervorbringe19 Diese Hervorbrin-gung des innertrinitarischen Logos sei der Sohn der das Leben der vaumlterli-chen Substanz ausmache20 Dieser Prozess sei der ewige Ursprung non estaliud dicere principium principiati quam aeternitas aeterni seu aeternitasprincipiati21 Dieser Prozess verbinde den Vater und den Sohn in der Liebedas sei die Trinitaumlt an die die Christen glaubten die aber auch die Platonikerkennten In dieser Bewegung zeige sich die unhintergehbare triadische ewigeAnfaumlnglichkeit des ersten Prinzips das das Prinzip seiner selbst und derSchoumlpfung sei Nikolaus fasst seine Erwaumlgungen zusammen Resumendo ita-que quae tacta sunt principium esse unitrinum et ipsum aeternum manifest-um Dico hunc mundum ab unitrino principio id esse quod est22

Die Trinitaumlt ist die prozessuale Einheit der Selbstverwirklichung Gottesdie als Possest in sich die Kraft enthaumllt das Moment des Nichts das imbdquonoch-nicht-Seinldquo des Koumlnnens liegt zu uumlberwinden und das Moumlgliche ins

ita sibi oboediat id quod non est sicut id quod est Uumlbersetzung nach Nikolaus CusanusPhilosophisch-theologische Schriften hrsg v L GabrielW Dupreacute Wien 1964 Bd 2 304

19 Vgl ders Tu quis es (De principio) Uumlber den Ursprung (Philosophische BibliothekBd 487) lat-dt neu uumlbers u hrsg v K Bormann Hamburg 2001 n 9

20 Vgl ebd Est igitur filius vita vivificans sicut pater eiusdem scilicet naturae et essentiae21 Ebd n 1022 Ebd n 34

374 Wilhelm Schmidt-Biggemann

Sein in die Existenz zu vermitteln Diese Kraft ist selbst nicht fassbar siezeigt sich nur im Uumlbergang von der Moumlglichkeit in die Wirklichkeit indemsie das Moumlgliche zum Wirklichen macht

Wenn man diese Kraft Gottes beschreiben will dann besteht sie darinpossibilitas und actualitas miteinander zu verbinden Beide sind gleichewigund sie sind eines in Principio Wenn in Gott als im ersten Prinzip das Moumlgli-che und Wirkliche vereinigt sind dann ist er der auf den das Praumldikat possestzutrifft Welchen Status hat in diesem possest das posse Posse ist das demgemaumlszlig alles sein kann Auszliger dem posse ist also nichts Nikolaus unterschei-det den Status des Koumlnnens vom Sein und vom Nichts Das was nicht seinkann ist Nichts Was sein kann ist verschieden vom Nichts aber es existiertauch noch nicht es umfasst also schlechterdings alles was ist und sein kanndenn das was ist kann logischerweise auch sein Das ist keine rein modalphi-losophische Festlegung sondern hier werden der logische und der metaphysi-sche Moumlglichkeitsbegriff als eine besondere Form von Sein begriffen das inzwei Klassen zerfaumlllt Das Sein der Moumlglichkeit und das Sein der Realitaumlt Esist Gott allein dessen Kraft beide umfasst ihm kommen Sein-Koumlnnen undSein gleichermaszligen zu Gott umfasst als Possest alles Moumlgliche und Wirkli-che dieses Possest expliziert philosophisch die Selbstpraumldikation Gottes bdquoIchbin der ich binldquo (Ex 314) Wer Gott so nenne erlaumlutert Nikolaus koumlnneviele Schwierigkeiten mit dem Gottesbegriff schneller loumlsen23

Der Begriff possest fasst nicht nur das Modalverhaumlltnis von Wirklichkeitund Moumlglichkeit sondern auch den Begriff Kraft denn possest ist die Kraftdie das Moumlgliche dazu bringt sich zu verwirklichen In Gott der das Moumlgli-che und Wirkliche und damit alles zugleich umfasst weil er sich staumlndigverwirklicht sind Wirklichkeit und Moumlglichkeit vereinigt Durch diese All-umfassendheit unterscheidet sich Gott von den Geschoumlpfen Die allmaumlchtigeKraft des Principiums geht uumlber jedes Geschoumlpf hinaus Ideo nulla creaturaest possest24 Im Prozess der Schoumlpfung die eine von Gott unterschiedeneRealitaumlt ist kann deshalb zwischen Moumlglichkeit (possibilitas) und Wirklich-keit (realitas) unterschieden werden die Schoumlpfung ist wirklich weil sie moumlg-lich war und diese Kraft verwirklicht und offenbart sich allein in der Schoumlp-fung durch das wirkende Wort qui dicit et facta sunt (Ps 329)25 Das ist dieKraft des Grundes der sich nur in Verbindung von Moumlglichkeit und Wirk-lichkeit zeigt

23 Vgl Nikolaus von Kues Dreiergespraumlch uumlber das Koumlnnen-IstTrialogus de possest (Philoso-phische Bibliothek Bd 285) lat-dt neu uumlbers u mit Einl hrsg v R Steiger Hamburg1973 n 24 Qui sibi de Deo conceptum simplicem facit quasi significati huius compositivocabuli possest multa sibi prius difficilia citius capit

24 Ebd n 2725 Ebd n 36

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 375

2 Spekulative Mathematik

Die unpraumldizierbare Praumldikation Gottes (ineffabilis entitas) hat ihre symboli-sche Variante in der mathematischen Lehre vom Einen Nikolaus behandeltsie arithmetisch und geometrisch

Das unbestimmte Eine fasst sich zunaumlchst als Zahl Schon dieser Prozesszeigt dass es sich bei der Mathematik darum handelt symbolice ac rationabi-liter26 zu reden Dieser Prozess ist durchaus ein bdquosich-fassenldquo und zwar sodass das Infinitum principium das infinite simplex ist sich als Primum prin-cipiatum fasst Das erste aus dem Ursprung Zusammengesetze kann nichtunendlich einfach sein es kann auch nicht aus anderem zusammengesetztsein also muss es aus sich selbst zusammengesetzt sein Das ist das Prinzipder Zahlen sie bestehen aus sich selbst Numerus est compositus et ex seipsocompositus27 jede Zahl ist durch die Differenz definierbar und fassbar aberdie Zahlen sind in sich selbst gleich deshalb sind sie einzeln different undgemeinsam Es braucht also drei Prinzipien um die Zahlen zu begreifen Indiesem triadischen Begreifen zeigt sich die Seele als Abbild der goumlttlichenTrinitaumlt Sie ist selbst triadisch spekulativ Weil sich die Einheit der Vernunftin der Seele entfaltet widerstrahlt sie in ihr als in ihrem eigenen Abbild Wiein der goumlttlichen Trinitaumlt entfaltet sich in ihr die begriffliche Dynamik vonUnitas Aequalitas und Nexus bdquoDiejenigen aberldquo schreibt Nikolaus in Denon aliud bdquodie die Dreieinigkeit als Vater Sohn und Geist bezeichnen kom-men zwar weniger genau an sie heran verwenden aber wegen der Entspre-chung zur Schrift diesen Namen zu Rechtldquo28 Diese Entfaltung des goumlttlichenLebens ist das Urbild aller Entfaltung uumlberhaupt es erschlieszligt das Leben dasin Unitas Aequalitas und Nexus besteht und es ist auch der Ursprung derRaumlumlichkeit Die Raumlumlichkeit ist die geometrische Variante der TrinitaumltZugrunde liegt die Idee die Dimensionen des Raumes seien die Entfaltung(explicatio) des unbestimmten Einen29 das sich zunaumlchst geometrisch alsPunkt bestimmt30 (complicatio) und sich dann in Zehnerpotenzen in die Di-mensionen des Raumes entfaltet (explicatio)31 Die 10 bedeutet die Linie die

26 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (Philosophische BibliothekBd 432) lat-dt neu uumlbers u mit Anm hrsg v R Steiger Hamburg 1995 c VI n 88

27 Ebd c VI n 8928 Nicolai de Cusa Directio speculantis seu de non aliud hrsg v L Baur u P Wilpert Leipzig

1944 n 19 Qui vero unitatem aequalitatem et nexum Trinitatem nuncupant proius acce-derent si termini illi sacris in literis reperirentur inserti Uumlbersetzung nach Nikolaus Cusa-nus Philosophisch-theologische Schriften (wie Anm 18) 464

29 Vgl ders MutmaszligungenDe coniecturis (wie Anm 17) p I c VII De tertia unitate30 Ders Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 26) c IX n 116 Quomodo

mens mensurat faciendo punctum lineam et superficiem31 Ders De coniecturis p II c VII

376 Wilhelm Schmidt-Biggemann

100 die Flaumlche die 1000 den Raum und damit erfuumlllt sich die Zahlenord-nung der Weltwerdung

VII Leibniz Cur potius aliquid quam nihil

Monotheismus ist fuumlr Leibniz ein ganz zentrales nicht nur theologischessondern metaphysisches Problem Es laumlsst sich bei der Rede von Gott dasVerknaumlueln von metaphysischen logischen und theologischen Fragen garnicht vermeiden Leibniz ist wie uumlberhaupt so auch in diesem Punkt einradikaler Idealist Er geht davon aus dass die wesentliche Realitaumlt die derIdeen ist

Was also bedeutet Ratio Fuumlr Leibniz ist Ratio dasselbe wie Denkmoumlg-lichkeit bzw die Moumlglichkeit gedacht werden zu koumlnnen Diese Denkmoumlg-lichkeit kann beschrieben werden als Kompossibilitaumlt von Praumldikaten einesDings D h ein Ding ist dann moumlglich wenn bei einem Denkgegenstand dievorkommenden Praumldikate a b c etc nicht zugleich negiert werden Unmoumlglichist mithin ein Ding das die Praumldikate a b c ndashc haumltte32 Diesen logischen Moumlg-lichkeitsbegriff unterscheidet Leibniz vom metaphysischen der KontingenzKontingent ist das was sowohl existieren als auch nicht existieren kannAuch diese Definition die urspruumlnglich von Avicenna stammt ist ein Toposder skotistischen Schulmetaphysik Das Argument lautet Dasjenige ist moumlg-lich dem es nicht widerspricht nicht zu sein (cui non repugnat esse)33 Mitdiesem zweiten metaphysischen Moumlglichkeitsbegriff wird zugleich das Ver-haumlltnis von Sein und Nichts (oder nicht-Sein) umfasst und insofern ist dieserBegriff von Moumlglichkeit der umfassendste metaphysische Begriff denn er um-fasst Sein und Nichts Sein und Nichts stehen in einem logischen und zugleichmetaphysischen Zusammenhang beide negieren einander

Leibniz hat eine aumlhnliche Logikkonzeption wie Avicenna und ordnet dieModalbegriffe wie folgt34

Moumlglich ist was keinen Widerspruch impliziert (Das ist der logischeMoumlglichkeitsbegriff)

32 Vgl G W Leibniz Saumlmtliche Schriften und Briefe Reihe 6 Philosophische Schriften Bd 41677minusJuni 1690 Teil B hrsg v der Leibnizforschungsstelle der Universitaumlt Muumlnster Berlin1999 1634 f Nr 314 [= Leibniz Saumlmtliche Schriften]

33 S o das Kapitel zu Scotus34 Leibniz Saumlmtliche Schriften (wie Anm 32) Teil A 865 Nr 1822 POSSIBILE est quod non

implicat contradictionem CONTINGENS quod esse non implicat contradictionem IMPOSSI-

BILE quod implicat NECESSARIUM quod non esse implicat contradictionem (Hervorhebungim Original)

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 377

Kontingent ist dessen Nicht-Sein keinen Widerspruch impliziert (Das istder metaphysische Moumlglichkeitsbegriff)Unmoumlglich ist was einen Widerspruch impliziert (Der logische Moumlglich-keitsbegriff negiert)Notwendig ist dessen Nicht-Sein einen Widerspruch impliziert (Der me-taphysische Moumlglichkeitsbegriff negiert)

Es gab nun zwei Wege die Moumlglichkeitsbegriffe aufeinander zu beziehenDer eine bestand darin danach zu fragen welchen metaphysischen Statusdenn der logische Moumlglichkeitsbegriff hatte ndash und dann konnte die Antwortnur sein Der Begriff Moumlglichkeit ist denknotwendig In diesem Sinne hattedie Rationalitaumlt eine notwendige Existenz denn die logischen Gesetze kennenkeinen Anfang und kein Ende sie sind ohne Zeitindex

Zum Zweiten bleibt aber die Frage nach dem Begriff der Existenz Scotuskennt den Unterschied zwischen dem Ens rationis und dem Ens reale zwi-schen Gedankending und Realding Beide haben eine ndash wenngleich verschie-dene ndash Existenz Es ist evident dass die notwendige Existenz der Logik eineDenk-Existenz ist

Dieses Ens rationis ndash cuius non esse implicat contradictionem ndash ist keineChimaumlre sondern verbindliche notwendige Existenz durch die das Denkenund die Realitaumlt gleichermaszligen grundgelegt werden Diesen Prozeszlig be-schreibt Leibniz knapp so Ens necessarium est existificans und er kommtallein dem Gottesbegriff zu Dieser Begriff erinnert sehr an das possest beiNikolaus von Kues

Die Ratio weshalb eher etwas als nichts ist muss also stellt Leibniz festin einem realen Seienden als in seinem Grunde (causa) liegen Dieses realeSeiende hat eine begriffliche Existenz die notwendig ist weil das was moumlg-lich war sich in ihm realisiert hat Diese Realisierung des Moumlglichen mussuumlber den logischen Moumlglichkeitsbegriff hinaus die Wirklichkeit des Moumlgli-chen bewirken ndash also die Kausalitaumlt fuumlr die Verwirklichung ausmachen DieseFaumlhigkeit zur Selbstverwirklichung schreibt Leibniz Gott zu Est scilicet ensillud ultima ratio rerum et uno vocabulo solet appellari Deus Gott wirdhier nicht in seiner Selbstkonstitution beschrieben sondern als existierendererster Grund Est ergo causa cur Existentia praevaleat non-Existentiae seuEns necessarium est existificans35

Wenn dieser erste Grund selbst moumlglich sein soll muss er widerspruchs-frei sein Das ist fuumlr Leibniz kein Problem der Metaphysik des Einen undseiner henologischen Dialektik die der Liber de Causis aufgezeigt hatte son-

35 G W Leibniz Die Philosophischen Schriften Bd 7 2 Abteilung hrsg v C I GerhardHildesheim 1961 Nr 34 289

378 Wilhelm Schmidt-Biggemann

dern der Frage nach der Moumlglichkeit der Kompossibilitaumlt goumlttlicher Praumldika-te Leibniz legt deshalb das cur des cur potius aliquid quam nihil zunaumlchstnach dem Satz des Widerspruchs aus Es geht nicht um die Einheit und Denk-barkeit des Ersten als Prozess sondern dieses Erste wird als ein Gedanken-ding als Ens rationis aufgefasst Vorausgesetzt wird ein Begriff des Ganzendas die Einheit seiner Teile ist nicht eine unbestimmte Einheit als Bedingungder bestimmten

Die wesentlichen Gottespraumldikate sind Perfektion Allwissen AllmachtWeisheit Gerechtigkeit Guumlte Liebe Damit sind kategoriale Begriffe einge-fuumlhrt die uumlber die Modallogik und Modalmetaphysik weit hinausgehen Siewerden dem Gottesbegriff zugesprochen und es geht nun darum ob ihreWiderspruchsfreiheit bewiesen werden kann Wenn ein solcher Beweis moumlg-lich ist hat Gott die logische Existenzform des Moumlglichen Die Hauptschwie-rigkeit besteht darin einen Begriff zu finden der die Bedeutungen AllwissenAllmacht Guumlte und Liebe als kompossibel vereinigt Leibnizrsquo Loumlsung ist seinBegriff der goumlttlichen Gerechtigkeit den er als Caritas sapientis definiertDiese Definition von Gerechtigkeit ermoumlgliche es alle goumlttlichen Praumldikatewiderspruchsfrei zu vereinigen Wenn aber Gott moumlglich sei stellt er festdann sei er auch notwendig Dieses Argument gilt weil die goumlttlichen Praumldi-kate selbst keinen Raum- und Zeitindex haben und folglich ewig sind Dannist Gott die widerspruchsfreie Einheit seiner Praumldikate Die Frage danachworin seine Dynamik besteht stellt sich nicht es geht nicht um sein Werdensondern um sein Sein Gott ist also ein notwendiges widerspruchsloses Ensrationis

Allerdings ergibt sich nun die Schwierigkeit wie Gottes Sein zur Hand-lung komme wie also die Schoumlpfung begruumlndet werden koumlnne denn dassGott der Existenzgrund der extramentalen Welt sei war fuumlr Leibniz ausge-macht Wie muss man sich also die Schoumlpfung vorstellen

Diese bdquoGottldquo genannte Substanz stellt sich nun etwas vor das gilt imgenauen Sinn des Wortes Sie stellt etwas vor sich selbst was sie nicht istDamit kommt ein neuer systematisch nicht abgeleiteter Begriff auf naumlmlichder der goumlttlichen Taumltigkeit Diese Taumltigkeit produziert zunaumlchst eine geistigeSchoumlpfung einen Plan Hier denkt sich Gott nicht selbst aber dennoch istder Plan seiner und darf von ihm nicht voumlllig verschieden sein Die Inhaltedes Plans haben am Goumlttlichen Anteil weil Gott ihn denkt Diese Teilhabenun macht es aus dass der Plan die goumlttlichen Praumldikate enthalten muss Ermuss also perfekt im Sinne von moralisch gut und widerspruchsfrei seinDie Perfektion der Welt hat Leibniz mit seiner genialen Formel bdquobeste allermoumlglichen Weltenldquo gefasst Dieses Konzept setzt voraus dass die moumlglichenpraumlkonzipierten Welten zahlreicher sind als die wirklichen und dass aus denlogisch moumlglichen ndash d h widerspruchsfrei denkbaren ndash Welten die beste reali-siert wird Das ist die Ratio sufficiens der Existenz der Welt Wenn Gott die

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 379

Welt schaffen will dann schafft er die beste aller moumlglichen Welten In diesemSinne ist Gott dann die Ursache der Welt und eines jeden Wesens das inseiner Moumlglichkeit gedacht war und als perfektes selbst zur Existenz draumlngt ndashdenn Gott dessen Praumldikate Allmacht Allwissen und Guumlte sind ist wegendieser Praumldikation geradezu gezwungen das beste Moumlgliche wirklich zu ma-chen Diesen Drang zur Existenz der Avicennas vehementia essendi neu fasstnennt Leibniz existiturire36 Mit der Formel der bdquobesten aller moumlglichen Wel-tenldquo wird dieser Drang des existiturire genauer qualifiziert Nicht die Moumlg-lichkeit als solche sondern die beste aller Moumlglichkeiten draumlngt zur Existenz

Diese Spekulation ist freilich theologisch auch wieder nicht ohne RisikoAuch wenn er Avicennas Moumlglichkeitsbegriff korrigiert und die realisierteWelt als die beste moumlgliche fasst ist Leibniz die Schwierigkeit nicht los dieschon Duns Scotus mit Avicenna hatte Die Teilhabe der Welt an den goumlttli-chen Praumldikaten d h die Univozitaumlt der geschoumlpflichen und der goumlttlichenBegriffe macht es unausweichlich dass der gute Gott die beste moumlgliche Weltaus sich entlaumlsst Er hat als liebender Gott (bdquoLiebe ist die Freude am Gluumlckdes andernldquo37) auch gar keine Chance etwas anderes zu machen Er mussdie beste Welt bdquoschaffenldquo weil er ein liebender Gott ist und der muss diebeste Welt schaffen weil er ein guter Gott ist Die Rede von der bdquoWahlldquo derbesten aller moumlglichen Welten ist deshalb eher erbaulicher Natur

Aber vielleicht spricht es gar nicht gegen die Philosophie wenn sie so-wohl scharfsinnig als auch erbaulich ist

Literatur

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36 Ebd (4) Est ergo causa cur Existentia praevaleat non-Existentiae seu Ens necessarium estexistificans (5) Sed quae causa facit ut aliquid existat seu ut possibilitas exigat existentiamfacit etiam ut omne possibile habet conatum ad Existentiam cum ratio restrictionis ad certapossibilia in universali reperiri non possit (6) Itaque dici potest Omne possibile Existiturireprout scilicet fundatur in Ente necessario actu existente sine quo nulla est via qua possibileperveniret ad actum

37 Vgl Definition aus Leibnizrsquo Confessio philosophi in G W Leibniz Saumlmtliche Schriftenund Briefe Reihe 6 Philosophische Schriften Bd 3 1672ndash1676 hrsg v der Leibnizfor-schungsstelle der Universitaumlt Muumlnster Berlin 1980 116 AMARE autem [hellip] Felicitate alte-rius DELECTARI (Hervorhebung im Original)

380 Wilhelm Schmidt-Biggemann

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Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 381

Proclus The Elements of Theology hrsg u uumlbers v E R Dodds Oxford1992

Ps-Dionysius Areopagita De Theologia Mystica Corpus Dionysiacum IIhrsg v A M Ritter BerlinndashNew York 1991

Register

1 Stellenverzeichnis

Albertus MagnusCommentarii in I Sententiarum25 d 8 a 24 253 17626 d 46 a 14 449 f 180

De causis et processu universitatis a primacausa

I tr 1 c 9 17 f 165II tr 1 c 17 80 ff 162 164 166 f 172

185 187II tr 1 c 18 82 ff 168 fII tr 1 c 23 88 160II tr 3 c 4 143 169II tr 5 c 24 191 157II tr 5 c 24 192 159

De praedicabilibusI 70 b 220

Logicae secunda parsl I tr 1 c 16 60 174

MetaphysicaI tr 1 c 1 2 f 161 177I tr 1 c 2 3ndash5 141 158ndash160 162 171

177 184 f

PhysicaI tr 1 c 1 48 f 156

Super Dionysium de divinis nominibusc 1 n 4 2 f 175c 1 n 57 35 181c 5 n 1 303 178c 5 n 3 304 180c 5 n 4 305 181 182 187c 5 n 20 314 159 164 175 f 183

Im Stellenverzeichnis sind die Autoren alphabetisch angeordnet Die mittelalterlichen Autoreneinschlieszliglich der arabischen und juumldischen sind nach dem Vornamen eingeordnet Fuumlr die Aus-gaben der Texte wird auf die Literaturverzeichnisse zu den einzelnen Beitraumlgen verwiesen

Summa de mirabili scientia Dei Itr 6 q 26 c 1 182 181

Super Dionysium mysticae theologiaec 1 458 f 178 185 f

Alexander von AphrodisiasIn Aristotelis Metaphysica commentaria2366 f 552369 57

Anselm von CanterburyMonologion15 235

AnonymusLiber de causis57 366161 f 268

AristotelesAnalytica posterioraI 171 a 1ndash11 140I 271 b 9ndash12 221I 372 b 23ndash25 216I 473 a 34ndashb 3 228I 473 b 16 229I 473 b 32 f 225I 775 a 42 142I 775 b 8ndash9 145I 976 a 11ndash15 145I 1881 a 37ndash39 216I 2887 a 38 f 221II 1397 b 37ndash39 260

384 Register

Categoriae41 b 25ndash27 4752 a 11 ff 31252 b 30 4753 b 10 5453 b 19 26453 b 10ndash21 5653 b 13ndash16 5353 b 16ndash18 5653 b 18ndash21 73

De animaII 2413 a 22ndash25 270II 4415 b 13 270III 3 322III 6430 a 27ndashb 6 216III 7 431a 16 432a 8ndash9 319

De interpretatione116 a 5ndash6 47717 a 38ndashb 1 50717 a 40 58

De sophisticis elenchis22178 b 37 7322178 b 38 f 53

MetaphysicaBuch Α1980 a 1 1091981 b 28ndash982 a 3 292982 a 4 272982 a 5ndash10 2132983 a 21 273983 b 6ndash18 333984 b 10 f 273984 b 18 f 279991 a 21 f 26010993 a 13ndash15 2710993 a 15 f 27

Buch Β1995 b 5 f 312998 b 22 1424996 a 29ndash32 27661003 a 5ndash17 5161003 a 9 53

Buch Γ1 8211003 a 21 14211003 a 21 f 213 260 287

11003 a 31 3121003 a 33 32 143 26121003 b 20ndash22 30921004 a 8ndash22 3221004 b 5 f 24621005 a 16ndash18 3231005 b 14 3031005 b 23 f 325

Buch Δ11013 a 17ndash19 3071017 a 7 ff 26171017 a 27ndash30 26381017 b 14ndash16 3681017 b 24 f 6111 30261023 b 27ndash1024 a 10 367

Buch Ε11025 b 25ndash1026 a 32 26111026 a 18 f 28711026 a 21 14311026 a 29ndash32 31 36421026 a 33ndash34 26141027 b 25ndash27 276

Buch Ζ11028 a 10 26111028 a 13ndash15 31211028 a 29ndash34 22311028 a 29ndashb 2 5311028 a 32 f 3011028 b 2ndash4 26011028 b 3ndash7 3331029 a 26ndash30 6831029 a 27 3331029 a 27ndash30 6141030 a 6 f 6141030 a 12 3451031 a 12 6161031 a 15 f 3461031 b 3 f 3461031 b 14 3471032 a 12ndash14 36471032 a 19 3571032 b 1 f 6181033 b 19ndash26 6681033 b 21 f 5381034 a 7 f 61101035 a 18 f 62101035 a 33 62

1 Stellenverzeichnis 385

101035 b 27ndash31 64 66101035 b 32 61111036 a 28 f 61111036 b 11 62111037 a 29 f 35131038 b 8 f 54131038 b 35 54131039 a 1 f 53131039 a 15 f 53151040 a 5ndash7 61161040 b 23 54161041 a 4 54171041 b 4ndash9 62171041 b 28 36

Buch Η11042 a 7 f 3521043 a 5 f 6231043 b 21 f 3561045 b 17ndash19 69

Buch Θ61049 a 34ndash36 6271049 a 35 6181050 a 4ndash8 22581050 b 2 f 3581050 b 22ndash24 36101051 b 3ndash6 364

Buch Ι21053 b 16 f 54

Buch Λ31070 a 11 f 6161071 b 19 f 26261071 b 20 f 3761072 a 7 f 3771072 b 26ndash30 27071072 b 28 37101075 a 25 f 37101075 a 37 37

Buch Μ51079 b 24ndash26 260101087 a 10ndash25 53

PhysicaI 1 184 a 21ndash22 227IV 2 209 b 11ndash12 257

PoliticaI 41254 a 7 274

Ethica NicomacheaX 81178 b 21ndash23 25ndash26 270

TopicaI 9103 b 20ndash21 73VI 2139 b 34 f 260

al-FārābīRisālah li-l-muʿallim aṯ-ṯānī fī gawāb masāʾil

suʾila ʿanhā (Die Antworten des ZweitenLehrers auf einige an ihn gerichtetenFragen)

90 90

Kitāb iḥsāʾ al-ʿulūm (Uumlber dieWissenschaften)

87 134 f

Avicenna (Ibn Sīnā)Kitāb aš-šifāʾ (Buch der Heilung)

al-Manṭiq (Logik)

I al-Madḫal (Isagoge)I 1 917ndash104 85I 2 159ndash12 96

II al-Maqūlāt (Kategorien)I 2 1013ndash16 88I 2 115ndash7 88II 1 596ndash614 97

V al-Burhān (Zweite Analytik)I 1 5315ndash18 100I 6 771ndash5 85II 7 1653ndash10 85 94II 10 1843ndash7 85II 10 1847 87

al-ʾIlāhīyāt (Metaphysik)I 1 51ndash3 84I 1 516ndash818 87I 1 73ndash6 86I 2 1017ndash112 83I 2 1211ndash1319 87I 2 1212ndash14 97I 2 138ndash10 97I 2 1314ndash16 87I 2 1316ndash19 88 91I 3 211ndash8 93I 5 295ndash16 89 97I 5 315ndash9 88

386 Register

I 5 3110ndash325 90

I 5 3112ndash13 90

I 5 326ndash3311 90

I 5 341ndash10 90

I 5 353ndash366 91

I 8 549ndash15 97

V 1 19610ndash13 91

at-Taʿlīqāt (Anmerkungen)

2023ndash212 99

2920 86

349ndash11 95

3417ndash22 95

355ndash8 96

107 99

11623ndash25 100

161 99

aṭ-Tabīʿīyāt (Physik)

I as-Samāʿ aṭ-ṭabīʿī (Physikvorlesung)

IV 15 329ndash333 85

Liber de philosophia prima sive scientia

divina

I 1 15 140

I 1 215 136

I 1 324 137

I 1 335ndash37 84

I 1 458ndash839 87

I 1 540 367

I 1 591ndash697 86

I 2 1072ndash77 83

I 2 1211ndash1346 87

I 2 1214ndash18 97

I 2 1230ndash32 97

I 2 1338ndash41 87

I 2 1342ndash46 88 91

I 3 2329ndash2441 93

I 5 31 213

I 5 312ndash3219 89 97

I 5 3454ndash3561 88

I 5 3562ndash3683 90

I 5 3566ndash67 90

I 5 3684ndash3814 90

I 5 3823ndash3939 90

I 5 4054ndash4182 91

I 8 634ndash6414 97

V 1 22832ndash22938 91

VIII 4 402 234

Šarḥ kitāb ḥarf al-lām (Kommentar zu BuchbdquoLambdaldquo [Metaphysik])2321ndash24 85

Šarḥ laquoKitāb ʾuṯūlūgīyāraquo al-mansūb ʾilāʾArisṭū (Kommentar zur bdquoTheologie desAristotelesldquo)6018ndash19 926116ndash22 92

The Life of Ibn Sīnā321ndash344 84

BoethiusCommentarii in librum Aristotelis ΠΕΡΙ

ΗΕΡΜΕΝΕΙΑΣI 11 133I 5 133II 5 133

De topicis differentiisIV 138

De TrinitateII 134

In Categorias AristotelisIII 133

In Isagogen Porphyrii commentaI 3 133

Clarembald von ArrasTractatus super librum Boethii De TrinitateII 16 134

Dominicus GundissalinusDe divisione philosophiae

54 132

68 136

74 139

98ndash100 142

100 140 144

102 137

152 139

244 147

244ndash246 148

Gilbert von Poitiers

Expositio in Boethii librum De Trinitate

II 9 134

1 Stellenverzeichnis 387

Heinrich von GentQuodlibetum XIq 11 220

Summa Quaestionum Ordinariaruma7 q 6 ad 3 243

Johannes BuridanusKommentar zur Aristotelischen Metaphysikl IV q 5 f 15 vbndash16 va 308l IV q 5 f 16 ra 308 fl IV q 5 f 16 randashb 309 fl IV q 6 f 16 vandash17 vb 312l IV q 6 f 17 ra 312l IV q 6 f 17 randashb 313l IV q 6 f 17 rb 314 fl IV q 6 f 17 rbndashva 315l IV q 6 f 17 va 314ndash317l IV q 7 f 18 ra 310l IV q 9 f 19 vbndash20 ra 317l IV q 12 f 21 vandashb 325l IV q 12 f 21 vb 326l IV q 12 f 23 ra 326 328 fl V q 6 f 29 vbndash30 ra 317

Quaestiones de animal II q 26 643 320 fl II q 26 643 f 321l II q 26 644 322l II q 27 648 322

Quaestiones in Praedicamentaq 13 96 311q 3 19 316

Johannes Duns ScotusCollatio13 sect 3 22624 sect 21 229

In Categoriassectsect 48 f 221

Lectura IPrologussect 97 225

d 3sect 21 231sectsect 21ndash25 232sect 29 232 fsectsect 70ndash81 225

sect 85 226

sect 97 226

sect 98 226

sect 99 226

sect 110 236

d 8

sect 108 235

Ordinatio

Prologus

sectsect 193 f 225

sect 200 225

d 3

sect 26 231

sectsect 26ndash55 232

sect 38 233 235

sect 39 232

sectsect 49ndash61 225

sect 55 227

sect 71 227

sectsect 71ndash94 225

sect 73 228

sect 80 227

sect 81 228

sect 83 227

sectsect 94ndash98 226

sect 129 226

sect 131 229 f

sectsect 134ndash136 229

sect 135 235

sect 137 230

sect 139 236

sect 262 370

d 8

sect 78 235

sect 83 251

sectsect 100ndash109 229

sect 111 234

sect 112 233

sectsect 112ndash115 233

sect 114 234

sectsect 136ndash140 229

sectsect 199ndash203 229

sectsect 221ndash223 229

d 36

sect 61 250

388 Register

d 43sect 5 250

d 44sect 7 370

Quaestiones de cognitione Dei379 238

Quaestiones in librum Porphyrii Isagogegraveq 8 sect 28 247

Quaestiones super libros MetaphysicorumAristotelis

Prologussect 16 213sect 17 213sect 18 213sect 19 214

sect 21 213

l I q 1

sect 1 223

sect 13 223

sectsect 34ndash35 223

sect 59 243

sect 68 223

sect 70 223

sect 71 223

sect 76 223

sect 84 223

sect 103 238

sect 104 239

sect 105 239

sect 108 239

sect 109 239

sect 110 239

sect 119 238

sect 132 240

sect 134 240

sect 135 237

sect 136 238 241

sect 137 241

sect 140 241

sect 142 243

sect 149 242

sect 150 238 242

sect 152 242

sect 153 239 242

sect 155 244

sect 159 244 f

sectsect 160ndash161 244sect 161 245

l I q 4sect 11 214 fsect 12 216sect 13 216sect 14 216sect 16 216sect 17 216sect 18 216sect 20 217sectsect 22ndash23 217sect 37 217sect 45 217sect 46 217sect 79 218

l IV q 1sect 70 220

l VI q 1sectsect 39ndash40 221sect 47 246

l VI q 4sect 10 225sect 38 221sect 41 221

Quaestiones super librum elenchorumAristotelis

q 15ndash16 231

Quaestiones super Praedicamenta Aristotelisq 4 sect 38 220q 4 sect 49 222

Quaestiones super secundum et tertiumDe anima

q 16 sect 27 227q 21 sectsect 6ndash7 236

QuodlibetaVII sect 33 237XVI sect 30 370XVI sect 32 370

Reportatio IPrologusq 1 sectsect 9ndash13 218q 3 sect 215 225q 2 sect 157 149

1 Stellenverzeichnis 389

Reportatio IIId 27 n 6 249

Robert KilwardbyDe ortu scientiarumc 32 148

LukrezDe rerum natural II 287 364

Meister EckhartExpositio libri Exodin 10 1514 258n 54 583 265

Expositio libri GenesisI n 78 240 270

Expositio libri Sapientiaen 20 341 261n 22 343 278n 255 587 260n 270 600 270n 289 623 270

Expositio sancti Evangelii secundumIohannem

n 61 51 270n 62 51 278n 63 53 275n 136 116 270n 139 117 270n 141 118 270n 291 244 270n 294 244 270n 341 290 270n 426 361 270n 443 380 261n 444 380 261n 500 431 270 fn 545 477 270n 679 593 270n 681 595 270

Liber parabolarum GenesisII n 2 451 260II n 42 509 260II n 103 368 270

Predigten8 129ndash130 2778 134 268

66 123 27882 425 f 278

Prologus generalis in Opus tripartitumn 8 153 268 fn 12 156 262n 13 158 273

Prologus in Opus propositionumn 1 166 262n 2 166 264 fn 5 168 261n 11 171 267n 25 266

Quaestiones parisiensesI n 6 43 276

Responsio ad articulos sibi impositosI n 115 288 f 268 f

SermonesII 2 n 15 17 270XVII 4 n 174 165 270XVII 5 n 179 167 278XVII 5 n 179 167 f 270XVII 6 n 179 167 11 ff 278XXXI 5 n 323 f 283 278LIV 1 n 528 445 270

Sermones et lectiones super Ecclesiasticin 2 232 270 278n 44 273 269n 68 298 270

Nikolaus von KuesCompendiumc II n 5 340c IV n 8 f 341c XI n 36 348

De berylloc VI n 7 357c XXXIII n 56 355 f

De coniecturisp I c V n 19 f 349p I c V n 21 372p I c VII 375p I c XI n 55 337p I c XI n 56 338p I c XI n 57 335 f 354

390 Register

p II c II n 80 356

p II c VII 375

p II c XVI n 157 342

p II c XVI n 161 343

De deo abscondito

c 9 8ndash11 372

De docta ignorantia

l I c I n 2 349 360

l I c XLV n 32 355

De non aliud

n 19 375

De principio

n 9 373

De venatione sapientiae

c IV n 9 f 353

c V n 11 355

Idiota de mente

c II n 66 343

c II n 67 344

c IV n 77 334

c IV n 77 f 334

c V n 82 357

c VI n 88 375

c VI n 89 350 375

c VI n 96 350

c VII n 97 350 f

c VII n 102 351 353

c VII n 103 355

c VII n 105 355 f

c VII n 105 f 357

c VII n 107 347352

c VIII n 108 f 354

c IX n 116 375

c IX n 122 351 353

c XI n 134 344 346

c XI n 134 f 345

c XI n 135 345

c XI n 137 346

c XI n 138 347

Trialogus de possest

n 24 374

n 27 374

n 36 374

Petrus HispanusTractatus17 19723 193

PlatonPhaidon79a 33

Sophistes254D 142

Timaios50bndashe 257

Thierry von ChartresCommentum in Ciceronis librum De

inventione49 138

Commentum super Boethii librum DeTrinitate

II 27 163 134II 27ndash38 163ndash167 138

Thomas von AquinDe ente et essentiac 3 198c 5 208

Expositio libri Boetii de ebdomadibusII 22 198 200II 24 198II 32 201II 33 201II 35 201

In quattuor libros sententiarumI 43 11ndash2 193

Quaestiones disputatae de potentiaq 1 a 5 193q 7 a 5 197

Quaestiones disputatae de veritateq 24 a 3 c 193

Summa contra gentilesI c 14 197I c 28 269 277I c 30 203I c 38 201I c 80 195

1 Stellenverzeichnis 391

I c 88 195I c 93 278II c 23 193II c 23 26ndash27 193

Summa theologiaeI q 3 prol 195I q 3 a 1ndash2 192I q 3 a 2 ad 3 196I q 3 a 3 192I q 3 a 6 192I q 4 a 1 ad 3 269I q 4 a 2 ad 3 275 277I q 4 a 3 269 277I q 9 a 1 192I q 10 a 1 192I q 13 a 1 ad 2 203I q 13 a 9 ad 2 202I q 19 a 10 193I q 25 a 5 corp 193II q 85 a 3 227

Wilhelm von OckhamExpositio in libros artis logicaeprooem 6 289

Expositio in libros physicorum AristotelisPrologus sect 4 14 286l I c 1 5 f 286l I c 1 10 286l I c 18 208 289l II c 4 269 289l II c 11 354 ff 289

Expositio in librum perihermenias Aristotelisl I prooem 349 286

OrdinatioPrologusq 1 8 f 286q 1 16 302q 1 22 ff 302q 1 38 303q 2 116 f 298q 12 325 ff 287q 12 365 287q 12 335 ff 287

Distinctiones 2ndash3d 2 q 1 10 286d 2 q 4 118 295

d 2 q 4 137 290

d 2 q 7 251 f 286

d 2 q 7 255 f 286

d 2 q 7 271 f 297

d 2 q 8 291 297

d2 q 9 317 288

d 2 q 10 354 ff 301

d 3 q 1 389 288

d 3 q 4 432 ff 287

d 3 q 9 543 287

d 3 q 9 548 287

d 3 q 10 552 ff 287

d2 q 10 553 288

Distinctiones 19ndash48

d 27 q III 250 f 304

Quodlibeta

II q 5 16 135 302

V q 15 5 542 289

V q 22 13 564ndash569 298

VI q 6 18 604ndash607 303

Reportatio

l II q XIII 280 f 303

l II q XIIndashXIII 259 f 303

Summa logicae

p I c 11 38 301

p I c 11 40 295

p I c 11 42 f 297

p I c 12 43 f 295

p I c 13ndash14 44ndash48 299

p I c 14 49 291

p I c 17 59 f 289

p I c 18 63 f 293

p I c 22 71 ff 296

p I c 26 86 f 289

p I c 3233 95 f 293 f

p I c 40 113 297

p I c 41 114 298

p I c 41 116 f 298

p I c 43 131 302

p I c 44 134ndash138 299 f

p I c 49 154 292

p I c 49 155 295

p II c 14 294

p III c 3 365 301

2 Namenregister

Abraham ibn Daud 113 fAbraham ibn Ezra 111Abu Hamid Muhammad ibn Muhammad

al-Ġazālī 112 117 131 fʿAd ud ad-Dīn al-Īgī 81Aertsen Jan Adrianus 158 160ndash163 167

172 f 179 213 310Albert Karl 259 265Albertus Magnus 10 f 18 81 110 120

141 155ndash161 163ndash187 211 220 224270 274 276 279

Ali ibn Muhammad al-Qūšgī 81Ali ibn Muhammad as-Sayyid aš-Šarīf

al-Gurgānī 81An-Narāqī Muḥammad Mahdīy b ʾAbī

Ḏarr 81Anselm von Canterbury 235Aristoteles 3ndash8 10ndash12 15ndash18 27ndash40 42

46ndash50 52ndash70 72ndash74 76 82 f 85 f 98103ndash112 114ndash116 118 f 122 132ndash135139 f 142 f 145 155ndash158 172 174178 f 187 191 198 211 213 215 f219ndash224 226ndash230 253 257ndash265ndash269271ndash274 276 278 f 299 301 309312 f 315 f 318 f 322 325 327 329 f334 340 f 357 359ndash361 364 f 367369

Aristobolus von Paneas 105 fAṯīr ad-Dīn al-Abharī 81Augustinus 215 217 259Averroes 116ndash123 141 223 239 fAvicenna (Ibn Sina) 8 16 18 81ndash86 88ndash

98 100 110 112 115 f 119 131 f135ndash137 140 f 144ndash147 149 225 261268 366ndash369 373 376 379

Boeumlthius 131 133 f 136ndash138 141 198ndash201 299

Boulnois Olivier 11 f 290 308

Im Namenregister sind ausschlieszliglich die Namen verzeichnet die im Haupttext und in denAnmerkungen sofern dort Ausfuumlhrungen nach Art des Flieszligtextes vorkommen genannt werden

Cicero 138Cohen Sheldon 49Crescas Chasdaj ben Judah 121 f

David von Dinant 156De Libera Alain 157 f 163 173 177 267Delmedigo Elia ben Moses Abba 122Derrida Jacques 25 40Dionysius Areopagita 10 172 175 177ndash

180 182 184 187 259 277 365 f 371Dominicus Gundissalinus 9 131 f 134ndash

145 148ndash150 212

Fahr ad-Dīn ar-Rāzī 81Fischer Heribert 258 261Frede Michael 51 64ndash68Frege Gottlob 7 46 50 f 58 f 72 74ndash76

Galāl ad-Dīn ad-Dawānī 81Gerhard von Cremona 108 f 366Gersonides 117 fGilson Eacutetienne 262Gutas Dimitri 82Guttmann Julius 104

Hegel Georg Wilhelm Friedrich 27 40 f106

Heidegger Martin 40 262Heinrich von Gent 81 287 299Hobbes Thomas 39Honnefelder Ludwig 173Husserl Edmund 26

Isaak Albalag 117 fIsaak ben Salomon Israeli 109ndash111 118

394 Register

Isaak ibn Latif 119Ishāq ibn Hunain 134

Jaspers Karl Theodor 25Jehudah ben Salomon ha-Kohen Mathah 118Jehudah ben Samuel ha-Lewi 112 fJehudah ibn Tibbon 113Johannes Buridan 6 13ndash15 17 279 293

307ndash330 334 339 341 347 f 352 359ndash361

Johannes Duns Scotus 8 11 f 16 19 81121 148 f 211ndash233ndash253 261 273 279287 f 295 299 307 f 318 344 369ndash371 377 379

Johannes Scottus Eriugena 372Josef ibn Tzaddik 111

Kant Immanuel 39 218 244 253 365Kretzmann Norman 192

Lewi ben Abraham ben Chajim vonVillefranche 119

McKirahan Richard 145Meister Eckhart 10 12 f 19 257ndash280Melissos 261Moses ben Jakob ibn Ezra 111Moses ben Josua von Narbonne 118Moses ben Nachman 119Moses ben Samuel ibn Tibbon 116Moses Maimonides 9 104 109 113ndash122

197 233 257

Nagm ad-Dīn al-Kātibī 81Nasīr ad-Dīn at-Tūsī 81Nikolaus von Autrecourt 307 323Nikolaus von Kues 13 15ndash17 110 330

333ndash353 356 f 359ndash361 371ndash375 377

Parmenides 261Patzig Guumlnther 51 64ndash68Perler Dominik 301 323ndash325

Petrus Aureolis 299 304Petrus Lombardus 287Philo von Alexandrien 105 367Plantinga Alvin 199 f 203 fPlaton 40 66 105 108 142 181 217

257 259ndash261 268 334 365Plotin 15 108 363 365Porphyrius 108 286 295Priscian 138Proklos 108 111 155 365 f

Qadi Mir Husayn al-Maybuḏī 81

Robert Kilwardby 148 fRorty Richard McKay 25

Saʽadiah ben Josef Gaon 110Sabra Abdelhamid Ibrahim 107Saʿd ad-Dīn at-Taftāzānī 18Sadr ad-Dīn aš-Šīrāzī 81Salomon ben Jehuda ibn Gabirol 111 113

131Salomon ibn Tibbon 115Samuel ibn Tibbon 115 f 122Schelling Friedrich Wilhelm Joseph 363Shem-Tov ben Josef ibn Falaquera 111 119Sirat Colette 104Spinoza Baruch 122

Thierry von Chartres 134 138 141 356Thomas von Aquin 11 19 81 110 114

120 f 144 191 193ndash209 211 f 220226 f 233 252 261 263 269 f 273275ndash277 279

Walter Burley 293Wilhelm von Ockham 13 f 17ndash19 120

258 285ndash304 307 315 323 344 347352

Wilhelm von Sherwood 293

Zeller Eduard 52

  • Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Rezeption und Transformation
  • Inhaltsverzeichnis
  • Autorenverzeichnis
  • Zur Einfuumlhrung
  • Gerhard Krieger Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter ndash Rezeption und Transformation Zur Einfuumlhrung
    • I Zur Themenstellung
    • II Zur Gliederung und zu den einzelnen Beitraumlgen
      • 1 Selbstverstaumlndnis und Gestalt des metaphysischen Denkens in der Metaphysik
      • 2 Die Metaphysik und metaphysisches Denken am bdquoVorabendldquo der Aristoteles-Rezeption
      • 3 Metaphysikentwuumlrfe im 13 Jahrhundert
      • 4 Metaphysikentwuumlrfe und Metaphysikkritik im Spaumltmittelalter
        • III Zu den Ergebnissen
        • IV Zur Genese des Bandes und seiner redaktionellen Gestaltung
        • V Danksagung
        • Literatur
          • Selbstverstaumlndnis und Gestalt des metaphysischen Denkens in der Metaphysik
          • Emil Angehrn Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs
            • I Die Frage nach der Herkunft
            • II Der Anfang der Metaphysik
            • III Das aristotelische Modell ndash Fluchtlinien metaphysischen Denkens
              • 1 Von der Ontologie zur Ousiologie
              • 2 Metaphysik als Theologie
                • IV Metaphysik und Metaphysikkritik
                  • 1 Jenseits von Substanz und Wesen
                  • 2 Pluralitaumlt Kontingenz Negativitaumlt
                    • Literatur
                      • Benedikt Strobel Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik im Lichte sprachanalytischer Ontologie
                        • Einleitung
                        • I Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie in der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen zu bezeichnen
                          • 1 Das Argument am Ende von Buch Beta
                          • 2 Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie in der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen als Universalien verstanden zu bezeichnen
                          • 3 Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie in der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen als Particularia verstanden zu bezeichnen
                            • II Paradoxe Konsequenzen der These dass jedes Universale τοιόνδε ist
                            • Literatur
                              • Die Metaphysik und metaphysisches Denken am bdquoVorabendldquo der Aristoteles-Rezeption
                              • Tiana Koutzarova Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik
                                • I Was ist Metaphysik
                                • II Kritik
                                • III Methode und Grenzen der Metaphysik Avicennas
                                  • 1 Wie verfaumlhrt eine uns moumlgliche Metaphysik
                                  • 2 Die Grenzen der uns moumlglichen Metaphysik
                                    • Literatur
                                      • Frederek Musall bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo ndash Zur Rezeption des Aristoteles und seiner Metaphysik in der mittelalterlichen juumldischen Philosophie
                                        • I Hinfuumlhrung
                                        • II Die Entwicklung des Bezugs zu Aristoteles bis Maimonides
                                        • III Das Verhaumlltnis zu Aristoteles bei Maimonides
                                        • IV Die weitere Verbreitung der aristotelischen Lehren bis zum 15 Jahrhundert
                                        • V Fazit
                                        • Literatur
                                          • Alexander Fidora Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus (ca 1150)
                                            • I Einfuumlhrung
                                            • II Dicitur metaphysica id est post naturam
                                            • III Materia huius scientiae est ens
                                            • IV Ceterae scientiae sunt sub scientia de ente
                                            • V Konklusion
                                            • Literatur
                                              • Metaphysikentwuumlrfe im 13 Jahrhundert
                                              • Hannes Moumlhle Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik bei Albertus Magnus
                                                • I Alberts Metaphysik im Kontext der Aristoteles-Paraphrase
                                                • II Einfache oder zweigeteilte Metaphysik
                                                • III Die Voraussetzungslosigkeit des esse
                                                • IV Die Transzendentalitaumlt des Seinsbegriffes
                                                • V Zwischen zwei Traditionen von Metaphysik
                                                • VI Ganzheits- und reihentheoretischer Ansatz der Metaphysik
                                                • VII Die Ambivalenz der resolutiven Methode
                                                • VIII Ergaumlnzung der Metaphysik als Fokussierung ihrer Perspektive
                                                • IX Erweiterung der aristotelischen Metaphysik und deren Verhaumlltnis zur Theologie
                                                • Literatur
                                                  • Eleonore Stump Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics
                                                    • I Introduction
                                                    • II Difficulties raised by the doctrine of simplicity
                                                    • III Agnosticism about Godrsquos nature
                                                    • IV Esse and id quod est
                                                    • V Quantum metaphysics
                                                    • VI Simplicity contingency and divine free will
                                                    • VII Conclusion
                                                    • Literatur
                                                      • Olivier Boulnois Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique
                                                        • I La dimension critique
                                                        • II La premiegravere solution scotiste lrsquoanalogie vers la substance
                                                          • 1 Lrsquouniteacute du sujet de la meacutetaphysique
                                                          • 2 La structure de la science
                                                          • 3 Le sujet de la meacutetaphysique
                                                            • III La deuxiegraveme solution scotiste lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant
                                                              • 1 Lrsquouniteacute de lrsquoobjet de lrsquointellect
                                                              • 2 La structure de la preacutedication
                                                              • 3 Lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant
                                                                • IV La troisiegraveme solution scotiste lrsquoattribution du multiple agrave Dieu
                                                                  • 1 Une nouvelle structure de la science lrsquoagreacutegation
                                                                  • 2 Le sujet de la meacutetaphysique
                                                                  • 3 Lrsquoarticulation fondamentale de la meacutetaphysique
                                                                    • V Deux questions en suspens
                                                                      • 1 Lrsquoambiguiumlteacute de la res
                                                                      • 2 Lrsquohypothegravese drsquoun Dieu non-existant
                                                                        • Literatur
                                                                          • Rolf Schoumlnberger Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie
                                                                            • I Vorbemerkungen
                                                                            • II Der Begriff des Seins
                                                                            • III Denken und Leben
                                                                            • IV Schlussbemerkungen
                                                                            • Literatur
                                                                              • Metaphysikentwuumlrfe und Metaphysikkritik im Spaumltmittelalter
                                                                              • Matthias Kaufmann Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham
                                                                                • I Was ist Metaphysik was tut der Metaphysiker
                                                                                • II Die sprachliche Erschlieszligung des Seienden
                                                                                • III Der Umgang mit Universalien und Transzendentalien
                                                                                  • 1 Was gibt es und wie finde ich das heraus
                                                                                  • 2 Ockhams Methode am Beispiel der Quantitaumlt
                                                                                  • 3 Die Rolle der Transzendentalien
                                                                                    • IV Elemente der Erkenntnistheorie
                                                                                    • Literatur
                                                                                      • Gerhard Krieger Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik im Denken des Johannes Buridan
                                                                                        • I bdquoSeinldquo im Verstaumlndnis der Metaphysik Buridans ndash Gegenstaumlndlichkeit und faktische Existenz
                                                                                          • 1 Gegenstaumlndlichkeit statt Seiendsein
                                                                                          • 2 Faktische Existenz als Realitaumltsmodus des Gegenstaumlndlichen
                                                                                          • 3 Gegenstand und faktische Existenz ndash Der Sinn des Seins in Buridans Verstaumlndnis des Transzendentalen
                                                                                            • II Wahrnehmung als Bedingung der Gegenstaumlndlichkeit
                                                                                              • 1 Sensus communis und imaginatio bei Aristoteles
                                                                                              • 2 Sensus communis und imaginatio bei Buridan
                                                                                                • III Vernunft als Bedingung gegenstaumlndlicher Bestimmtheit
                                                                                                  • 1 Die Kritik an Aristoteles
                                                                                                  • 2 Das Identitaumltsprinzip als bdquoerstes Prinzipldquo
                                                                                                    • IV Die transzendentale Wende als Element der Geschichte der Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter
                                                                                                    • Literatur
                                                                                                      • Gerhard Krieger Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik
                                                                                                        • I Hinfuumlhrung Zu den Voraussetzungen der Uumlberlegungen zum methodischen Vorgehen und zu einer ersten Erlaumluterung der intendierten Deutung
                                                                                                          • 1 Zu den Voraussetzungen und zum methodischen Vorgehen
                                                                                                          • 2 Eine erste Erlaumluterung der intendierten Deutung coniectura als Entwurf
                                                                                                            • II Sinnliche Erkenntnis Vermittelte Unmittelbarkeit dank imaginativer Vergegenwaumlrtigung sinnlicher Gehalte
                                                                                                            • III Die Erkenntnis der Vernunft (ratio) kategorial logisch modal
                                                                                                            • IV Die Entwurfsgestalt der Erkenntnis des menschlichen Geistes
                                                                                                              • 1 Der Ausgangspunkt Die Hypothese der Faktizitaumlt von Vorkommnissen
                                                                                                              • 2 Die Basis der Erkenntnis Der Begriff des menschlichen Geistes
                                                                                                              • 3 Die Entwurfsgestalt menschlicher Erkenntnis in den Wissenschaften und in der Wesenserkenntnis
                                                                                                              • 4 Die Steigerung der Entwurfsgestalt menschlicher Erkenntnis zur Perfektion in der Gotteserkenntnis
                                                                                                                • V Metaphysik als Entwurf ndash Ein Fazit
                                                                                                                • Literatur
                                                                                                                  • Wilhelm Schmidt-Biggemann Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen
                                                                                                                    • I Plotin Das Eine als Ungrund und erster Grund
                                                                                                                    • II Das metaphysische Dispositiv von Kausalitaumlt bei Aristoteles
                                                                                                                    • III Die Unerkennbarkeit des ersten Grundes Dionysius Areopagita Liber de Causis
                                                                                                                    • IV Avicenna Das Reich des Moumlglichen und die Vehementia essendi
                                                                                                                    • V Duns Scotus Die Verwirklichung des Rationalen als irrationaler Willensakt
                                                                                                                    • VI Nikolaus von Kues Modaltheologie des ersten Prinzips
                                                                                                                      • 1 Theogonie und Ursprung der Kraft
                                                                                                                      • 2 Spekulative Mathematik
                                                                                                                        • VII Leibniz Cur potius aliquid quam nihil
                                                                                                                        • Literatur
                                                                                                                          • Register
                                                                                                                            • 1 Stellenverzeichnis
                                                                                                                            • 2 Namenregister
Page 2: Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter: Rezeption und Transformation. Akten der 14. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 4.–6. Oktober 2011 in Trier

Philosophie der Antike

Veroumlffentlichungen derKarl und Gertrud Abel-Stiftung

Herausgegeben vonWolfgang Kullmannin Verbindung mit

Jochen Althoff und Georg Woumlhrle

Band 35

De Gruyter

Die Metaphysik des Aristotelesim Mittelalter

Rezeption und Transformation

Herausgegeben vonGerhard Krieger

Akten der 14 Tagung der Karl undGertrud Abel-Stiftung

vom 4ndash6 Oktober 2011in Trier

De Gruyter

ISBN 978-1-5015-1105-9e-ISBN (PDF) 978-1-5015-0322-1e-ISBN (ePUB) 978-1-5015-0304-7

ISSN 0943-5921

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Inhaltsverzeichnis

Autorenverzeichnis XIII

Zur Einfuumlhrung

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter ndash Rezeption undTransformation 3Gerhard Krieger

I Zur Themenstellung 3II Zur Gliederung und zu den einzelnen Beitraumlgen 6

1 Selbstverstaumlndnis und Gestalt des metaphysischenDenkens in der Metaphysik 6

2 Die Metaphysik und metaphysisches Denken ambdquoVorabendldquo der Aristoteles-Rezeption 8

3 Metaphysikentwuumlrfe im 13 Jahrhundert 94 Metaphysikentwuumlrfe und Metaphysikkritik im

Spaumltmittelalter 13III Zu den Ergebnissen 16IV Zur Genese des Bandes und seiner redaktionellen Gestaltung 18V Danksagung 19Literatur 19

Selbstverstaumlndnis und Gestalt des metaphysischen Denkensin der Metaphysik

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion einesDenkwegs 23Emil Angehrn

I Die Frage nach der Herkunft 23II Der Anfang der Metaphysik 27III Das aristotelische Modell ndash Fluchtlinien metaphysischen

Denkens 291 Von der Ontologie zur Ousiologie 312 Metaphysik als Theologie 36

VI Inhaltsverzeichnis

IV Metaphysik und Metaphysikkritik 381 Jenseits von Substanz und Wesen 392 Pluralitaumlt Kontingenz Negativitaumlt 41

Literatur 42

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik im Lichtesprachanalytischer Ontologie 45Benedikt Strobel

Einleitung 45I Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie in

der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen zubezeichnen 511 Das Argument am Ende von Buch Beta 512 Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie

in der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formenals Universalien verstanden zu bezeichnen 61

3 Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategoriein der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formenals Particularia verstanden zu bezeichnen 64

II Paradoxe Konsequenzen der These dass jedes Universaleτοίόνδε ist 69

Literatur 77

Die Metaphysik und metaphysisches Denken am bdquoVorabendldquoder Aristoteles-Rezeption

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 81Tiana Koutzarova

I Was ist Metaphysik 82II Kritik 84III Methode und Grenzen der Metaphysik Avicennas 92

1 Wie verfaumlhrt eine uns moumlgliche Metaphysik 932 Die Grenzen der uns moumlglichen Metaphysik 95

Literatur 100

Inhaltsverzeichnis VII

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo ndash Zur Rezeption des Aristotelesund seiner Metaphysik in der mittelalterlichen juumldischen Philosophie 103Frederek Musall

I Hinfuumlhrung 103II Die Entwicklung des Bezugs zu Aristoteles bis Maimonides 104III Das Verhaumlltnis zu Aristoteles bei Maimonides 115IV Die weitere Verbreitung der aristotelischen Lehren bis zum

15 Jahrhundert 118V Fazit 122Literatur 123

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des DominicusGundissalinus (ca 1150) 131Alexander Fidora

I Einfuumlhrung 131II Dicitur metaphysica id est post naturam 132III Materia huius scientiae est ens 138IV Ceterae scientiae sunt sub scientia de ente 145V Konklusion 149Literatur 150

Metaphysikentwuumlrfe im 13 Jahrhundert

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformationder Metaphysik bei Albertus Magnus 155Hannes Moumlhle

I Alberts Metaphysik im Kontext der Aristoteles-Paraphrase 155II Einfache oder zweigeteilte Metaphysik 158III Die Voraussetzungslosigkeit des esse 163IV Die Transzendentalitaumlt des Seinsbegriffes 165V Zwischen zwei Tradition von Metaphysik 170VI Ganzheits- und reihentheoretischer Ansatz der Metaphysik 173VII Die Ambivalenz der resolutiven Methode 174VIII Ergaumlnzung der Metaphysik als Fokussierung ihrer

Perspektive 177IX Erweiterung der aristotelischen Metaphysik und deren

Verhaumlltnis zur Theologie 184Literatur 187

VIII Inhaltsverzeichnis

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 191Eleonore Stump

I Introduction 191II Difficulties raised by the doctrine of simplicity 192III Agnosticism about Godrsquos nature 195IV Esse and id quod est 198V Quantum metaphysics 200VI Simplicity contingency and divine free will 204VII Conclusion 208Literatur 209

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 211Olivier Boulnois

I La dimension critique 214II Premiegravere solution scotiste lrsquoanalogie vers la substance 219

1 Lrsquouniteacute du sujet de la meacutetaphysique 2202 La structure de la science 2213 Le sujet de la meacutetaphysique 222

III La deuxiegraveme solution scotiste lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant 2241 Lrsquouniteacute de lrsquoobjet de lrsquointellect 2252 La structure de la preacutedication 2283 Lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant 231

IV La troisiegraveme solution scotiste lrsquoattribution du multiple agraveDieu 2371 Une nouvelle structure de la science lrsquoagreacutegation 2372 Le sujet de la meacutetaphysique 2403 Lrsquoarticulation fondamentale de la meacutetaphysique 243

V Deux questions en suspens 2471 Lrsquoambiguiumlteacute de la res 2472 Lrsquohypothegravese drsquoun Dieu non-existant 248

Literatur 253

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelischeOntologie 257Rolf Schoumlnberger

I Vorbemerkungen 257II Der Begriff des Seins 260III Denken und Leben 269

Inhaltsverzeichnis IX

IV Schlussbemerkungen 279Literatur 280

Metaphysikentwuumlrfe und Metaphysikkritik im Spaumltmittelalter

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 285Matthias Kaufmann

I Was ist Metaphysik was tut der Metaphysiker 285II Die sprachliche Erschlieszligung des Seienden 290III Der Umgang mit Universalien und Transzendentalien 295

1 Was gibt es und wie finde ich das heraus 2952 Ockhams Methode am Beispiel der Quantitaumlt 2983 Die Rolle der Transzendentalien 301

IV Elemente der Erkenntnistheorie 302Literatur 304

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation derMetaphysik im Denken des Johannes Buridan 307Gerhard Krieger

I bdquoSeinldquo im Verstaumlndnis der Metaphysik Buridans ndashGegenstaumlndlichkeit und faktische Existenz 3081 Gegenstaumlndlichkeit statt Seiendsein 3082 Faktische Existenz als Realitaumltsmodus des

Gegenstaumlndlichen 3123 Gegenstand und faktische Existenz ndash Der Sinn des Seins

in Buridans Verstaumlndnis des Transzendentalen 317II Wahrnehmung als Bedingung der Gegenstaumlndlichkeit 318

1 Sensus communis und imaginatio bei Aristoteles 3182 Sensus communis und imaginatio bei Buridan 319

III Vernunft als Bedingung gegenstaumlndlicher Bestimmtheit 3231 Die Kritik an Aristoteles 3252 Das Identitaumltsprinzip als bdquoerstes Prinzipldquo 326

IV Die transzendentale Wende als Element der Geschichte derMetaphysik des Aristoteles im Mittelalter 329

Literatur 331

X Inhaltsverzeichnis

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 333Gerhard Krieger

I Hinfuumlhrung Zu den Voraussetzungen der Uumlberlegungenzum methodischen Vorgehen und zu einer ersten Erlaumluterungder intendierten Deutung 3331 Zu den Voraussetzungen und zum methodischen

Vorgehen 3332 Eine erste Erlaumluterung der intendierten Deutung

coniectura als Entwurf 335II Sinnliche Erkenntnis Vermittelte Unmittelbarkeit dank

imaginativer Vergegenwaumlrtigung sinnlicher Gehalte 339III Die Erkenntnis der Vernunft (ratio) kategorial logisch

modal 342IV Die Entwurfsgestalt der Erkenntnis des menschlichen Geistes 348

1 Der Ausgangspunkt Die Hypothese der Faktizitaumlt vonVorkommnissen 348

2 Die Basis der Erkenntnis Der Begriff des menschlichenGeistes 348

3 Die Entwurfsgestalt menschlicher Erkenntnis in denWissenschaften und in der Wesenserkenntnis 352

4 Die Steigerung der Entwurfsgestalt menschlicherErkenntnis zur Perfektion in der Gotteserkenntnis 356

V Metaphysik als Entwurf ndash Ein Fazit 357Literatur 361

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 363Wilhelm Schmidt-Biggemann

I Plotin Das Eine als Ungrund und erster Grund 363II Das metaphysische Dispositiv von Kausalitaumlt bei Aristoteles 364III Die Unerkennbarkeit des ersten Grundes Dionysius

Areopagita Liber de Causis 365IV Avicenna Das Reich des Moumlglichen und die Vehementia

essendi 366V Duns Scotus Die Verwirklichung des Rationalen als

irrationaler Willensakt 369VI Nikolaus von Kues Modaltheologie des ersten Prinzips 371

1 Theogonie und Ursprung der Kraft 3722 Spekulative Mathematik 375

VII Leibniz Cur potius aliquid quam nihil 376Literatur 379

Inhaltsverzeichnis XI

Register 383

1 Stellenregister 3832 Namenregister 393

Autorenverzeichnis

Prof em Dr Emil AngehrnPhilosophisches SeminarUniversitaumlt BaselSteinengraben 5CH minus 4051 Baselemilangehrnunibasch

Prof Dr Olivier BoulnoisEacutecole Pratique des Hautes EacutetudesSciences religieuses52 rue PerronetF minus 92200 Neuillyboulnoisoliviergmailcom

Prof Dr Alexander FidoraICREA-Universitat Autogravenoma deBarcelonaMRAE minus 08193 Bellaterra (Barcelona)alexanderfidoraicreacat

Prof Dr Matthias KaufmannInstitut fuumlr PhilosophieMartin-Luther-UniversitaumltSchleiermacherstr 106114 Hallematthiaskaufmannphiluni-hallede

Dr Tiana KoutzarovaInstitut fuumlr PhilosophieLehrstuhl Prof KobuschUniversitaumlt BonnAm Hof 1D- 53113 Bonntkoutzaruni-bonnde

Prof Dr Gerhard KriegerTheologische Fakultaumlt TrierLehrstuhl fuumlr Philosophie IUniversitaumltsring 1954296 Trierkriegerguni-trierde

Prof Dr Hannes MoumlhleAlbertus-Magnus-InstitutAdenauerallee 1753111 Bonnmoehlealbertus-magnus-institutde

JProf Dr Frederek MusallHochschule fuumlr Juumldische StudienHeidelbergLandfriedstr 1269117 Heidelbergfrederekmusallhfjsuni-heidelbergde

Prof Dr Wilhelm Schmidt-BiggemannInstitut fuumlr PhilosophieFreie Universistaumlt BerlinHabelschwerdter Allee 3014195 Berlinschmibigzedatfu-berlinde

Prof Dr Rolf SchoumlnbergerInstitut fuumlr PhilosophieUniversitaumlt RegensburgUniversitaumltsstr 3193040 Regensburgrolfschoenbergerpskuni-regensburgde

JProf Dr Benedikt StrobelUniversitaumlt TrierFachbereich I ndash Philosophie54286 Trierstrobeluni-trierde

Prof Dr Eleonore StumpSt Louis UniversityHumanities Building 2023800 Lindell BlvdUSA minus St Louis MO 63108stumpepsluedu

Zur Einfuumlhrung

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter ndashRezeption und Transformation

Zur Einfuumlhrung

Gerhard Krieger

I Zur Themenstellung

Der vorliegende Band widmet sich mit seiner Themenstellung der Geschichtedes mit dem Namen bdquoMetaphysikldquo angesprochenen Textes des Aristotelesim Mittelalter In der Verwendung des Ausdrucks bdquoMittelalterldquo orientiert sichder Band dabei an demjenigen Verstaumlndnis das diesen Terminus in der Ein-schraumlnkung auf das bdquolateinischeldquo Mittelalter bezieht1 Vor diesem Hinter-grund versteht sich die Ausrichtung des vorliegenden Bandes auf die im Titelangesprochene Rezeption und Transformation als Untersuchung der Uumlber-nahme und Weitergabe eines uumlberlieferten antiken Textes Uumlbernahme undWeitergabe realisieren sich dabei in einem aktiven Vollzug was sich schon inder Uumlbersetzung der antiken (ebenso wie der arabischen und hebraumlischen)Texte zeigt Die Geschichte der Metaphysik des Aristoteles steht im Zusam-menhang des Verhaumlltnisses des lateinischen Mittelalters zur Antike welchesVerhaumlltnis in seiner Gestalt von Uumlbernahme und Weitergabe aktiver Naturist In diesem Sinne realisiert sich in der Rezeption und Transformation deraristotelischen Metaphysik im Mittelalter das Fortleben der Antike das nichtbloszlig gewachsenes Weiterleben ist

Wonach bestimmen sich diese Uumlbernahme und Weitergabe in ihrem akti-ven Charakter Ohne Zweifel ist das christliche Selbstverstaumlndnis hier maszlig-geblich Hinsichtlich der Bedeutung dieser Maszliggabe ist zu bedenken dassmit der Metaphysik ein philosophischer Text angeeignet wird In dieser Hin-sicht orientiert sich das Konzept des vorliegenden Bandes daran dass die an-gesprochene Aneignung der Metaphysik zu sehen ist im Zusammenhang der

1 Vgl zu diesem Verstaumlndnis und zum Hintergrund der folgenden Uumlberlegungen insgesamtW Kluxen Charakteristik einer Epoche zur Gesamtinterpretation der Philosophie des latei-nischen Mittelalters in Ders Aspekte und Stationen der mittelalterlichen Philosophiehrsg v L Honnefelder u H Moumlhle Paderborn 2012 401ndash410

4 Gerhard Krieger

Hinwendung zur Philosophie die als Element und Teil der eigenen christlichenTradition und nicht als fremdes Gut und auszligerchristliche Realitaumlt betrachtetwird2 Die Philosophie und damit das Prinzip der Rationalitaumlt haben im Mit-telalter einen legitimen Platz im christlichen Selbst- und Weltverstaumlndnis

Diese Stellung und Bedeutung der Philosophie hat fuumlr die Frage nach denbestimmenden Hinsichten der Uumlbernahme und Weitergabe der Metaphysikim Mittelalter zur Folge dass diese ihrerseits eine Herausforderung fuumlr daschristliche Selbstverstaumlndnis darstellt Wie sich diese Einschaumltzung im Beson-deren versteht zeigt sich im Blick darauf dass sich die Uumlbernahme und Wei-tergabe der aristotelischen Metaphysik im Zusammenhang der fuumlr gewoumlhn-lich als bdquomittelalterliche Aristoteles-Rezeptionldquo bezeichneten Wiederentde-ckung des corpus aristotelicum im lateinischen Westen vollzieht3 DieserVorgang erfolgt vor dem Hintergrund der Kenntnis aristotelischer Auffassun-gen aus der Logik und im Rahmen eines umfassenderen RezeptionsvorgangsSoweit es die angesprochene Kenntnis bereits bekannter Schriften betrifftwird Aristoteles weder gesteigerte Aufmerksamkeit entgegengebracht nochgar als besondere Herausforderung empfunden Dies gilt auch noch fuumlr denab dem 11 Jahrhundert allmaumlhlich zunehmenden im 12 Jahrhundert sichzu einem bis dahin ungekannten Ausmaszlig steigernden Wissenstransfer der zuBeginn vornehmlich auf Medizin und Naturwissenschaft ausgerichtet ist Indiesem Zusammenhang gelangen weitere aristotelische Schriften insbesonde-re aus Naturkunde und Naturphilosophie in den lateinischen Westen DieseSchriften erweitern das betreffende Wissen sie werden aber nicht als Teileeines Gesamtcorpus rezipiert Entsprechend werden die Metaphysik und an-dere Schriften des Stagiriten in dieser Zeit zwar ebenfalls uumlbersetzt und liegeninsoweit vor sie werden aber nicht weiter abgeschrieben bleiben also ungele-sen und damit unbeachtet Aristoteles bleibt (noch) nur einer unter vielen

Bekanntlich aumlndert sich das bis zur Mitte des 13 Jahrhunderts grundle-gend Innerhalb eines knappen halben Jahrhunderts avanciert Aristoteles zur

2 Vgl dazu naumlher G Krieger Herausforderung durch Religion Begegnungen der Philosophiemit Religionen in Mittelalter und Renaissance Eine philosophiehistorische Hinfuumlhrung inreligionsphilosophischer Absicht in Ders (Hrsg) Herausforderung durch Religion Be-gegnungen der Philosophie mit Religionen in Mittelalter und Renaissance Wuumlrzburg 201117ndash39 im Besonderen 19ndash25 G Krieger Christliches Heil und antikes Denken Zur philo-sophischen Bedeutung der Zeit Konstantins in Ders u a (Hrsg) Konstantin der GroszligeDer Kaiser und die Christen ndash die Christen und der Kaiser hrsg v M FiedrowiczG Krie-gerW Weber Trier 32007 267ndash292 im Besonderen 272ndash281

3 Vgl dazu im Einzelnen B G Dod Aristoteles-Latinus in N Kretzmann u a (Hrsg) TheCambridge History of Later Medieval Philosophy Cambridge 1982 45ndash79 C Lohr TheMedieval Interpretation of Aristotle in N Kretzmann u a (Hrsg) The Cambridge Histo-ry ebd 80ndash98

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 5

maszliggeblichen philosophischen Autoritaumlt Das erwaumlhnte Desinteresse an be-reits vorliegenden uumlbersetzten Texten zeigt dass diese Entwicklung nicht aufdie bis zum genannten Zeitpunkt erfolgte Kenntnisnahme des aristotelischenSchrifttums zuruumlckgefuumlhrt werden kann Insoweit besteht eine Differenz zwi-schen dieser Rezeption der Schriften auf der einen Seite und der Aneignungder aristotelischen Philosophie als solcher auf der anderen Seite Im Zusam-menhang der hier zu bearbeitenden Aufgabe kann freilich die Erklaumlrung da-fuumlr offen bleiben4 Festzuhalten bleibt dass die letztgenannte Aneignung zuverstehen ist im Sinne des Interesses an der bdquoaristotelischen Philosophie alsganzerldquo5 Aristoteles repraumlsentiert die Philosophie als rationale und insoweiteigene Dimension umfassender Weltorientierung und menschlicher Selbstver-staumlndigung In seiner Metaphysik tritt dem mittelalterlichen Denken die Phi-losophie im Sinne dieser Orientierung in zweifacher Hinsicht entgegen zumeinen als philosophische Grundlagendisziplin welche das Seiende als Seien-des oder im Ganzen untersucht zum anderen als Wissenschaft vom erstengoumlttlichen Seienden6 Die Metaphysik stellt also in diesen beiden Hinsichteneine Herausforderung fuumlr das christliche Denken dar Diese Herausforderungschlieszligt nicht allein die Frage ein wie das Verstaumlndnis des metaphysischenDenkens im Sinne der aristotelischen Betrachtung im Sinne also der Hinsichtdes Seins in seiner Begegnung mit der christlichen Auffassung rezipiert undtransformiert wird Da die Philosophie und damit das Prinzip der Rationali-taumlt im Mittelalter einen legitimen Platz im christlichen Selbst- und Weltver-staumlndnis haben schlieszligt dessen Herausforderung durch die Metaphysikdurchaus auch die Frage ein wie und inwieweit die aristotelische Sicht inkritischer Weise aufgenommen und weiter gegeben wird Insoweit sich daschristliche Denken im Modus wissenschaftlicher Theologie realisiert ist dieDisziplin der Metaphysik deswegen dasjenige Feld in dem diese im Sinne derskizzierten Herausforderung unmittelbar (offenbarungs-) theologisch bedeut-sam wird (was im vorliegenden Band nicht selbst thematisch wird) Umge-kehrt besagt dies dass im Mittelalter im Besonderen (Offenbarungs-) Theolo-gen bedeutsame Beitraumlge zur Rezeption und Transformation der Metaphysikleisten Die angesprochene Anerkennung der Selbstaumlndigkeit der Philosophieim christlichen Selbstverstaumlndnis laumlsst daruumlber hinaus die Moumlglichkeit ihrer

4 Ein nach wie vor bedenkenswerter Versuch ist der Beitrag von G Wieland Plato oderAristoteles Uumlberlegungen zur Aristoteles-Rezeption des lateinischen Mittelalters Tijd-schrift voor Filosofie 47 1985 605ndash630

5 J R Soumlder Hochmittelalter Die Wiederentdeckung des Politischen in C HornA Nesch-ke-Hentschke (Hrsg) Politischer Aristotelismus Die Rezeption der aristotelischen sbquoPolitiklsquovon der Antike bis zum 19 Jahrhundert Stuttgart 2008 51ndash76 hier 57

6 Vgl dazu G Krieger Substanz in Neues Handbuch philosophischer Grundbegriffe Bd 3FreiburgndashMuumlnchen 2011 2146ndash2158 hier 2146ndash2152

6 Gerhard Krieger

eigenstaumlndigen Realisierung unabhaumlngig von der (Offenbarungs-) Theologiezu wie es bei Johannes Buridan der Fall ist insofern dieser in der Artes-Fakultaumlt verbleibt

Die Themenstellung des vorliegenden Bandes bestimmt sich somit nachzwei Hinsichten Zum einen stellt die Geschichte der aristotelischen Meta-physik im Mittelalter einen aktiven Prozess dar der als solcher nach denAspekten der Rezeption und der Transformation der Uumlbernahme und derWeitergabe unterschieden werden kann zum anderen schlieszligt die Themen-stellung des Bandes ein dass sich dem christlichen Denken im Mittelalter mitder Metaphysik im Besonderen die Fragen nach der Gestalt und der Reich-weite des metaphysischen Denkens nicht nur im Sinne der Hinsicht des Seinssondern durchaus auch in kritischer Haltung dazu und damit in anderer Wei-se stellen Der vorliegende Band versammelt seine Beitraumlge in der Absichtdie skizzierte Themenstellung zum einen in den Aspekten dieser Beitraumlgeselbst naumlher zu beleuchten Daruumlber hinaus ist angezielt die Wirkungsge-schichte der Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter gemaumlszlig diesem Zusam-menhang von Rezeption und Transformation ebenso in ihrer Bedeutung fuumlrdas metaphysische Denken selbst d h im Blick auf sein aristotelisches Ver-staumlndnis und auf dessen Kritik zu beleuchten wie auch in Hinsicht auf dessenVerhaumlltnis zum christlichen Selbstverstaumlndnis

II Zur Gliederung und zu den einzelnen Beitraumlgen

1 Selbstverstaumlndnis und Gestalt des metaphysischen Denkensin der Metaphysik

Zu Beginn erfolgt eine Vergegenwaumlrtigung des metaphysischen Denkens derMetaphysik selbst und zwar zum einen im Blick auf gegenwaumlrtige philoso-phische Auseinandersetzungen um das Anliegen und die Gestalt des metaphy-sischen Denkens als solchen und deren Verhaumlltnis zur Metaphysik des Aristo-teles Im Beitrag bdquoDie Entstehung der Metaphysik Zur Rekonstruktion einesDenkwegesldquo zeigt E Angehrn auf dass die Problematisierungen zum einendie Grunduumlberzeugung betreffen dass es in den Dingen ein festes Wesen gibtund dass Erkennen und Sprechen nur in Abstuumltzung auf diese letzten Be-stimmtheiten moumlglich ist Zum anderen erfolgt eine Distanzierung in Bezugauf die tragende Grundhaltung aus der heraus bdquoErste Philosophieldquo ihr Zielformuliert und ihre konzeptionellen Grundlagen erarbeitet Geht es in dererstgenannten Auseinandersetzung um die besondere Grunduumlberzeugung derMetaphysik des Aristoteles erscheint in der letztgenannten Diskussion dasProjekt des metaphysischen Denkens als solchen fragwuumlrdig In diesen Ausei-

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 7

nandersetzungen scheinen Weichenstellungen auf die die Entstehungsge-schichte und den Gang der Metaphysik selbst bestimmen und deren fruumlheProfilierung sich in den Schriften des Aristoteles findet Insofern erweist sichdie aristotelische Metaphysik als ein Gruumlndungsdokument der europaumlischenDenkgeschichte par excellence Der Weg des Denkens den sie eroumlffnet indemsie sich ihrer Vorgeschichte vergewissert und sich in sie einschreibt bleibtoffen im Blick sowohl auf die unabgeschlossene Arbeit des Denkens als auchauf die reflexive Selbstaufklaumlrung und kritische Befragung

Die zweite Hinsicht unter der im Blick auf die gegenwaumlrtige Philosophieeine Vergegenwaumlrtigung des metaphysischen Denkens in der Metaphysikselbst erfolgt richtet das Augenmerk auf gegenwaumlrtige philosophische Ausei-nandersetzungen soweit diese ihren sachlichen Anspruch nicht historischvermittelt verstehen und zur Geltung bringen In diesem Feld sind es im Be-sonderen Bemuumlhungen die sich der sogenannten sprachanalytischen Philoso-phie zurechnen die im Bezug zur Metaphysik des Aristoteles Ontologie be-treiben metaphysisches Denken also im Sinne jener Hinsicht realisieren inder Aristoteles selbst das Seiende als solches untersucht Im Sinne der zuvorangesprochenen Uumlberlegungen im Beitrag Angehrns betrachtet handelt es sichum Bemuumlhungen die in die Richtung der Grunduumlberzeugung der Metaphysikzielen dass es in den Dingen ein festes Wesen gibt und dass Erkennen undSprechen nur in Abstuumltzung auf diese letzten Bestimmtheiten moumlglich ist7

Der Beitrag von B Strobel bdquoProbleme der Theorie der οὐσία der Metaphysikim Lichte der sprachanalytischen Philosophieldquo stellt sich in diesem Sinne dieFrage was generelle Terme der Substanz-Kategorie bezeichnen Diese Frageversteht sich konkret im Bezug auf Ausdruumlcke wie bdquoMenschldquo oder bdquoBaumlrldquosoweit diese dazu dienen zu sagen was ein X ist Der Beitrag will im Blickauf die Metaphysik zeigen dass das was mit solchen Ausdruumlcken bezeichnetwird ein Universale ist dass das Universale seinerseits kein τόδε τι sondernein τοιόνδε ist und dass Ausdruumlcke die ein Universale bezeichnen Ausdruumlckealso wie die genannten auf mehrere Einzeldinge referieren koumlnnen Daruumlberhinaus sucht der Beitrag deutlich zu machen dass Aristoteles und Frege darinuumlbereinstimmen dass ein τόδετι nur von singulaumlren Termen wie z B Eigenna-men bezeichnet werden kann waumlhrend Universalien nicht von derartigenTermen bezeichnet werden koumlnnen Anders gesagt Ausdruumlcke wie die ge-nannten bdquoMenschldquo oder bdquoBaumlrldquo haben eine Bedeutung die durch Ausdruumlckewie die genannten bezeichnet werden koumlnnen Weiter koumlnnen derartige Be-deutungen mit Hilfe von Ausdruumlcken wie den genannten auf mehrere Einzel-dinge bezogen und von diesen ausgesagt werden Insoweit zeigt sich dassBedeutungen im Unterschied zu Einzeldingen allgemeiner Natur sind Deswe-

7 Vgl dazu ebd 2155 f

8 Gerhard Krieger

gen koumlnnen Bedeutungen auch nicht durch Eigennamen bezeichnet werdenDeswegen kann gesagt werden dass Sokrates Mensch aber nicht der Menschist

2 Die Metaphysik und metaphysisches Denken am bdquoVorabendldquoder Aristoteles-Rezeption

In diesem Teil richtet sich der Blick auf die Uumlberlieferung der Metaphysik imarabischen und juumldischen Zusammenhang und auf das metaphysische Den-ken im christlichen Bereich vor der ersten lateinischen Uumlbersetzung des aris-totelischen Textes Im Sinne der Rezeption stehen damit Uumlberlieferungszu-sammenhaumlnge im Blick die ihrerseits im Bezug zur Metaphysik des Aristote-les im Besonderen wie zu philosophischer und wissenschaftlicher Literaturim Allgemeinen im Verhaumlltnis zu Texten stehen die sich in Kategorien grie-chischen Ursprungs entwickelt hatten Insoweit gibt es fuumlr alle drei Uumlberliefe-rungszusammenhaumlnge eine gemeinsame Basis Eine zweite Gemeinsamkeit istdarin gegeben dass alle drei Traditionen auf diese gemeinsame Basis im Hori-zont eines religioumlsen Selbstverstaumlndnisses Bezug nehmen Vor diesem Hinter-grund richtet sich der Blick in den Beitraumlgen dieses Teils auf je ein Beispielaus den genannten drei Traditionszusammenhaumlngen

In ihrem Beitrag bdquoAvicenna uumlber die Moumlglichkeit Methode und Grenzender Metaphysikldquo stellt T Koutzarova ebenso das Konzept des genanntenarabischen Denkers dar wie sie einige zentrale Veraumlnderungen im Verhaumlltniszu demjenigen des Aristoteles hervorhebt Von zentraler Bedeutung ist fuumlrAvicenna die Fokussierung der metaphysischen Betrachtung auf den Begriffdes Seienden als solchen der den schlechthin gemeinsamen Kern jeder Er-kenntnis eines bestimmten Seienden ausmacht und seinem Gehalt nach dasanspricht bdquodem es nicht widerstreitet denkunabhaumlngige Realitaumlt zu habenldquoAuf diese Weise verfolgt Avicenna einen gegenuumlber der aristotelischen Vorla-ge neuen Weg der Explikation des Seienden uumlber die Unterscheidung vonSubstanz und Akzidens hinaus Alles Seiende ist entweder ein durch sichselbst extramental Bestehendes oder ein solches dem an sich selbst betrachtetweder reale Existenz noch Nichtexistenz widersprechen Die Betrachtung desersten ausgezeichneten Seienden realisiert Avicenna durch die modale Expli-kation des Begriffs des Seienden Insofern erweist sich ihm das goumlttliche Sei-ende in seiner Notwendigkeit als der Inbegriff der Seiendheit Avicenna ent-wickelt auf diese Weise ein Konzept der Metaphysik das im Mittelalter ins-besondere bei Duns Scotus aufgegriffen und vermittels der Rezeption seinesDenkens uumlber das Mittelalter hinaus wirksam wird

F Musall macht in seinem Beitrag bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphy-sikldquo ndash Zur Rezeption des Aristoteles und seiner Metaphysik in der mittelalter-

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 9

lichen juumldischen Philosophieldquo deutlich dass sich der juumldische Bezug insbeson-dere zur Metaphysik im Verhaumlltnis zu arabisch-islamischer Kommentarlitera-tur und Paraphrasen vollzieht die dann spaumlter auch vom Arabischen insHebraumlische uumlbertragen wurden Im Denken des Maimonides realisiert sichein Aristotelismus der sich an Averroistischem Denken orientiert und einemaszliggebliche Rezeptionslinie der Metaphysik initiiert8 Seit der Mitte des13 Jahrhunderts kommt es zudem zu Uumlbersetzungen sowohl der Metaphysikaus dem Lateinischen als auch von Kommentaren lateinischer Autoren insHebraumlische Daruumlber hinaus entsteht im 13 Jahrhundert in Spanien mit derKabbalah ein insbesondere mit dem Aristotelismus des Maimonides konkur-rierendes juumldisches Denken das in den folgenden Jahrhunderten zunehmendan Bedeutung gewinnt

Die besondere Weichenstellung die Dominicus Gundissalinus fuumlr die Re-zeption der Metaphysik im 13 Jahrhundert vornimmt erfolgt wie A Fidorain seinem Beitrag bdquoOmnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des DominicusGundissalinusldquo darlegt in den betreffenden Partien in De divisione philoso-phiae Diese Weichenstellung vollzieht sich in der Abkehr vom boethianisch-chartresischen Konzept der Metaphysik als Theologik hin zu einer Metaphy-sik verstanden als Ontologie indem Dominicus den Ausdruck metaphysicaexplizit im Unterschied zu theologi(c)a zur Bezeichnung einer Wissenschaftund nicht eines Buches einfuumlhrt und das ens als deren eigentuumlmliche materiabestimmt In diesem ontologischen Konzept orientiert sich Gundissalinus ander uumlber die arabische Tradition vermittelten aristotelischen Wissenschafts-theorie

3 Metaphysikentwuumlrfe im 13 Jahrhundert

In der Metaphysik tritt dem mittelalterlichen Denken die Philosophie zumeinen als philosophische Grundlagendisziplin entgegen welche das Seiendeals Seiendes oder im Ganzen untersucht zum anderen als Wissenschaft vomersten goumlttlichen Seienden Im Zuge der Aristoteles-Rezeption realisiert sichmittelalterliches Denken zugleich im Modus wissenschaftlicher Theologie sodass die Disziplin der Metaphysik dasjenige Feld darstellt in dem diese (of-

8 Im Blick auf die Auffassung des Maimonides sei uumlber den vorliegenden Beitrag hinausergaumlnzend auf deren Rezeption bei christlichen Denkern hingewiesen in der sich zeigt dassder juumldische Denker als gleichartiger Diskussionspartner angenommen wird und nicht ohneEinfluss im christlichen Raum bleibt Vgl dazu W Kluxen Maimonides und die Hochscho-lastik Maimonides und die philosophische Orientierung seiner lateinischen Leser Eineinterpretatorische Reflexion in Ders Aspekte und Stationen (wie Anm 1) 284ndash298299ndash311

10 Gerhard Krieger

fenbarungs-) theologisch bedeutsam wird Im Zusammenhang dieser Ausei-nandersetzung haben uumlber die bereits angesprochenen arabischen und juumldi-schen Uumlberlieferungszusammenhaumlnge philosophischer Literatur der Antikehinaus auch Texte eine Bedeutung die von Byzanz aus in das Mittelaltergelangen und ihrerseits antiken Ursprungs sind Im Besonderen gilt das fuumlrTexte des Pseudo-Dionysius die vor allem bei Albertus Magnus und MeisterEckhart in die Auseinandersetzung mit der Metaphysik einbezogen werden

Die in diesem Teil versammelten Beitraumlge betreffen insgesamt Denkerdie wissenschaftliche Theologen sind und fuumlr die die genannten Kennzeichenmetaphysischen Denkens zu bestimmenden Hinsichten ihrer Rezeption undTransformation der Metaphysik werden Das geschieht in so unterschiedli-cher Weise dass im Ergebnis so wenig von einer einzigen Gestalt der Meta-physik gesprochen werden kann wie zugleich die mittelalterliche Wirkungs-geschichte der Metaphysik in ihrer Dynamik und innovativen Kraft und Be-deutung hervortritt

H Moumlhle befasst sich unter der Frage bdquoMetaphysik als Theologikldquo mitder bdquoRezeption und Transformation der Metaphysik bei Albertus MagnusldquoEr hebt hervor dass sich Albert mit der Kommentierung der Metaphysikdes Aristoteles und des neuplatonischen Liber de causis zum Ziel setzt denLateinern Aristoteles verstaumlndlich zu machen d h in den Kontext der christ-lichen Lehre zu integrieren und seine Schriften dem universitaumlren Lehrbetriebeinzufuumlgen Daraus resultiert die Aufgabe das Werk des Aristoteles und denLiber de causis einer einheitlichen Deutung zuzufuumlhren die was ihre Inhaltebetrifft mit der christlichen Lehre in Einklang zu bringen ist und die in wis-senschaftstheoretischer Hinsicht ein Nebeneinander der Disziplinen der Ers-ten Philosophie und der christlichen Theologie erlaubt Im Besonderen be-stimmt Albert den Gegenstand der Metaphysik als das Seiende und betontdass dieses das erste Prinzip von allem ist allerdings in der Beschraumlnkungauf das geschaffene Sein das als Geschaffenes nicht das erste Prinzip bzwGott als Voraussetzung der Schoumlpfung mit umfassen kann Das begriffslogi-sche Verfahren gelangt demnach bis zu einem primum creatum naumlmlich demdurch den Begriff esse Beschreibbaren und damit nicht bis zu Gott als demersten Prinzip selbst In einem in Auseinandersetzung mit Dionysius entwi-ckelten kausaltheoretischen Vorgehen innerhalb der Metaphysik gelingt wei-ter uumlber den Ursachenbegriff noch eine eingeschraumlnkte Erfassung des Erstendas dadurch in den Blick kommt dass man es als erste Ursache begreiftAn diesem Punkt gelangt die kausaltheoretisch argumentierende Metaphysikzugleich an eine Schnittstelle an der die metaphysisch ausweisbaren Begriffeder Verursachung und der Einformung vom offenbarungstheologischen Be-griff der Schoumlpfung uumlberboten und in ihrer Begrenzung als philosophischeGrundbegriffe erkennbar werden In Hinsicht auf das metaphysische Denkenbei Albert zeigt sich also zum einen dass die ganzheitstheoretische Betrach-

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tungsweise die von einem allgemeinen Begriff des Seins ausgeht reihentheo-retisch ergaumlnzt wird Weiter wird offenbar dass er von einer urspruumlnglichenEinheit in der Sache ausgeht die sich praumldikationslogisch oder kausaltheore-tisch erfassen laumlsst Dabei scheint das Verhaumlltnis beider Betrachtungsweisendas einer vertiefenden Fokussierung des ganzheitstheoretischen Verfahrensdurch die kausal orientierte und an den Substanzbegriff anknuumlpfende Be-trachtung zu sein Die Deutung Alberts wird somit davon getragen dass dasSeiende als Gegenstand der Metaphysik eben auch als Substanz und darananschlieszligend unter dem Aspekt der Ursache verstanden werden kann DieRede von einer Metaphysik als Theologik duumlrfte deshalb in Bezug auf Albertnicht angemessen sein

Wie ist die goumlttliche Freiheit gemaumlszlig der Identitaumlt von esse und essentiain Gott zu deuten In dieser Frage richtet E Stump im Beitrag bdquoSimplicityand Aquinasrsquos Quantum Metaphysicsldquo ihr Augenmerk auf die Gotteslehredes Thomas von Aquin Sie geht dabei von der Annahme aus dass die besag-te Identitaumltsthese nahelegt dass Gott tatsaumlchlich das tut was er tun kannInsoweit scheint goumlttliches Handeln notwendiger Natur zu sein Die Interpre-tin setzt in ihrer Deutung daran an dass sich die Identitaumltsthese bei Thomasdoch nicht im Sinne einer strikten Bestimmung des goumlttlichen Wesens ver-steht Gottes quid est ist fuumlr den Menschen unbegreifbar gleichwohl wird esihm zugeordnet ein quid est zu haben Gottes Sein sprengt die Unterschei-dung zwischen den beiden Begriffen deshalb ist er in seinem Handeln freiund diese Freiheit kommt nicht bloszlig als eine Eigenschaft hinzu In Parallelezur Quantenphysik die sich mit dem Licht befasst und ihm Attribute zuweist(z B Wellen) auch wenn diese das Objekt letztlich nicht in perfekter Weisezu beschreiben vermoumlgen spricht Stump von einer bdquoQuantenmetaphysikldquodie uumlber Gott nachdenkt ndash beiden ist eine gewisse Unangemessenheit ihrerSprache zur Erfassung ihres Gegenstandes zu eigen beide sind aber auf dieseSprache angewiesen Fuumlr Thomas von Aquin ist der letzte Grund der Realitaumltwie bei Aristoteles ein Seiendes doch ist dieses im Unterschied zur betreffen-den aristotelischen Einschaumltzung eine Entitaumlt der die Faumlhigkeit zukommtschoumlpferisch taumltig zu sein zu wissen und zu lieben

Die beiden Hinsichten unter denen dem mittelalterlichen Denken in derMetaphysik die Philosophie entgegentritt ndash als philosophische Grundlagen-disziplin welche das Seiende als Seiendes oder im Ganzen untersucht undals Wissenschaft vom ersten goumlttlichen Seienden ndash erscheinen in den Quaesti-ones des Johannes Duns Scotus nach ihrer ersten Edition in der Ambivalenzzweier Themen und Dimensionen der Metaphysik Diese Ambivalenz nimmtO Boulnois zum Ausgangspunkt seines Beitrags bdquoDuns Scot et la refondationde la metaphysiqueldquo um die Haltung des mittelalterlichen Denkers dazu zubestimmen Sieht es in den Quaestiones nach der genannten Edition so ausals ob Scotus nicht zu einer Loumlsung gelangt zeigt ein Nachtrag in der neu

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erschienenen Edition dass er die Univozitaumlt des Seins aufzeigen will Im Lich-te dieses Ergebnisses eroumlrtert Boulnois weiter die Haltung des Scotus in derFrage nach dem subiectum der Metaphysik Im Besonderen werden dazu dreiThesen eroumlrtert Erstens Der fragliche Gegenstand ist die Substanz dieseThese findet sich in ersten Ausgabe der Quaestiones Zweitens ist nach dentheologischen Schriften der Begriff des Seienden der infrage stehende Gegen-stand Schlieszliglich ist der gesuchte Gegenstand das erste Seiende Gott imSinne der Zuordnung zum Sein diese These findet sich in den Quaestionesin ihrer neuen kritischen Ausgabe die den besagten Nachtrag enthaumllt Inder Einschaumltzung seines Interpreten kommen hier verschiedene Facetten derHaltung zu jener Ambivalenz zum Ausdruck in der Scotus die beiden Hin-sichten der Metaphysik wahrnimmt Im Lichte der besagten Univozitaumltsthesebetrachtet ergibt sich fuumlr seinen Interpreten dass Scotus diese Schwierigkei-ten bzw diese Ambivalenz mit den beiden letztgenannten Thesen bewaumlltigt

R Schoumlnberger knuumlpft in seinem Beitrag bdquoMeister Eckhart AristotelischeMetaphysik ohne aristotelische Ontologieldquo daran an dass die erste Propositi-on im Opus propositionum das Sein mit dem beruumlhmten Satz bdquoesse est deusldquobestimmt Eckhart begruumlndet diesen Satz unter Berufung auf die Kategorien-schrift des Aristoteles kommt aber zu einem entgegengesetzten ErgebnisEckharts Seinsbegriff weicht in seiner Struktur ebenso wie in der Weise seinerGewinnung ungeachtet von Eckharts Berufungen und Inanspruchnahmen aufmarkante Weise vom aristotelischen Begriff des Seins ab Er macht sich aufdiese Weise die Metaphysik im Sinne der Wissenschaft vom houmlchsten Seien-den zu eigen Weiter untersucht Schoumlnberger Eckharts Seinsbegriff im Blickauf die Triade von Sein ndash Leben ndash Denken Es zeigt sich dass Eckhart zwi-schen dem Sein einerseits und Leben und Denken andererseits unterscheidetWaumlhrend Sein das Moment der Erschaffbarkeit enthaumllt kann dies von Lebenund Denken seiner Auffassung nach nicht behauptet werden Eckhart ver-steht sowohl Leben als auch Erkennen als etwas Unableitbares von innenher Bestimmtes Eckhart denkt also auf der einen Seite im Opus proposito-num Gott als Sein und damit Seinverleihendes auf der anderen Seite stellter Leben und Denken als urspruumlngliche Verhaumlltnisse in eine Differenz zumerschaffbaren Sein Liegt hier ein Widerspruch vor oder doch nur eine Unter-scheidung des Seins nach einer Hinsicht die durchaus im Zusammenhangmit dem goumlttlichen Sein gedacht werden kann Im Blick auf Eckharts Bezug-nahme auf philosophische auctoritates hebt Schoumlnberger schlieszliglich hervordass diese nicht Gegenstand kommentierender Aneignung sondern Quelleder Inspiration und Material der Inanspruchnahme sind In den Augen Eck-harts selbst liegt wohl keinerlei Beliebigkeit vor denn er sieht sie in demSinne in der er sie versteht zugleich als wahr an Wenn ein Satz inhaltlichals wahr anerkannt werden muss ist nicht mehr entscheidend ob sein Sinnim historischen Sinne zutreffend bestimmt ist Das wiederum heiszligt dass die

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 13

Bedeutung eines Satzes auf die Intention des Autors festgelegt werden kann ndashoder um es im Sinne Eckharts zu formulieren reduziert werden darf

4 Metaphysikentwuumlrfe und Metaphysikkritik im Spaumltmittelalter

Der folgende Teil widmet sich der Rezeption und Transformation der Meta-physik im Blick auf Autoren des Spaumltmittelalters Die Differenz zur Betrach-tung der im vorangegangen Teil versammelten Beitraumlge ist aber nicht lediglichaumluszligerer Natur Eine wesentliche Hinsicht in der Betrachtung der Uumlberlegun-gen der in diesem vierten Teil in der Blick genommenen Denker ist die derMetaphysikkritik und zwar zunaumlchst im Sinne der Frage wie und inwieweitmetaphysisches Denken wie es den hier angesprochenen Denkern in der Me-taphysik entgegentritt in die Kritik geraumlt und wie und inwieweit sich aufdiese Weise ihre Transformation bestimmt Wie sich zeigt besagt die Ant-wort dass sich diese Kritik soweit es Johannes Buridan und Nikolaus vonKues betrifft im Verzicht auf die Hinsicht des Seins realisiert bei Wilhelmvon Ockham erscheint es in der Sicht des vorliegenden Beitrages zumindestfraglich dass er diese Hinsicht uumlber die formale Analyse ihrer Vermittlungim Modus sprachlicher Gestalt hinaus thematisiert und bestimmt Weiter legtsich nahe den Aspekt der Vermittlung umfassender Weltorientierung undmenschlicher Selbstverstaumlndigung ndash sei es in sprachlicher Gestalt wie bei Ock-ham sei es im Modus sinnlicher und vernunftbestimmter Erkenntnis bzwder sinnlichen rationalen und intellektiven Vollzuumlge des menschlichen Geis-tes wie bei Buridan bzw Nikolaus von Kues ndash und deren Analyse als dasjeni-ge Moment anzusehen das den hier vorgestellten drei Metaphysikentwuumlrfenaus dem Spaumltmittelalter gemeinsam ist und sie in je eigener Weise praumlgt Vonhier aus und im Lichte des angesprochenen metaphysikkritischen Aspektesbetrachtet macht die Realisierung umfassender Weltorientierung undmenschlicher Selbstverstaumlndigung unter der Hinsicht des Seins dann das ver-bindende Moment aus das die Rezeption und Transformation der Metaphy-sik in den hier beleuchteten Entwuumlrfen des 13 Jahrhunderts insgesamt praumlgtund bestimmt

In der Sicht des Beitrages von M Kaufmann bdquoMetaphysik als Ontologieund Sprachanalyse bei Wilhelm von Ockhamldquo befasst sich dieser mit Frage-stellungen und Problemen die man traditionell der Metaphysik zuordnetindem er dabei eine uumlbereilte Identifikation der Metaphysik mit der natuumlrli-chen Theologie vermeidet eine besondere Ontologie voraussetzt und seinesprachanalytische Methode zur Anwendung bringt Ockhams Methodik sei-ner metaphysischen Reflexionen bringt die Metaphysik in beachtliche Naumlhezu Logik und Sprachphilosophie einerseits zur Erkenntnistheorie anderer-seits Die Verbindung der Metaphysik zur Sprachphilosophie und zur Er-

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kenntnistheorie ergibt sich aus der Korrespondenz zwischen den Gegenstaumln-den der Welt und den Termini die sich auf sie beziehen Durch die Erkennt-nistheorie werden Ontologie und Sprachphilosophie miteinander verbundenda sie zeigt wie wahre Saumltze uumlber das Seiende gebildet werden koumlnnen Eszeigt sich insgesamt eine fundamentale Rolle formaler Analyse der sprachli-chen Vermittlung des Bezugs auf Seiendes insofern die Fokussierung auf dieVermittlung als wichtigstes Merkmal der Transformation angesehen werdenkoumlnnte der die aristotelische Metaphysik in Ockhams Werk unterliegt Mankoumlnnte allerdings auch annehmen dass Ockham lediglich die authentischearistotelische Auffassung richtig darzustellen versucht

In seinem Beitrag bdquoSubjekt und Metaphysik Rezeption und Transfor-mation der Metaphysik im Denken des Johannes Buridanldquo verdeutlichtG Krieger zunaumlchst dass Buridan in seiner Stellungahme zum Gegenstandder Metaphysik die Hinsicht des Seins auf die Erfassung der Realitaumlt in ihrerfaktischen Existenz begrenzt und die metaphysische Betrachtung dahin ge-hend wandelt dass sie primaumlr Erkenntnis in ihrer gegenstaumlndlichen Be-stimmtheit in den Blick nimmt Gemaumlszlig dieser Aufgabenstellung so zeigt sichweiter untersucht Buridan die Bedingungen fuumlr diese gegenstaumlndliche Be-trachtung die sich ihm als Bedingungen des Subjektes erweisen so dass dieBedingungen der Erkenntnis in ihrer sinnlichen Bestimmtheit und in ihrerVernunftbestimmtheit die der erkannten Gegenstaumlnde sind In Hinsicht aufdie Sinnlichkeit zeigt sich diese bdquosubjektiveldquo Bedingtheit im Verstaumlndnis vonsensus communis und imaginatio Sinnliche Wahrnehmung ist fuumlr Buridannicht eine sich unmittelbar ergebende Abbildung von Reizkonstellationensondern eine in vermittelter Unmittelbarkeit zustande kommende und inso-weit gestaltete Sinneseinheit Buridan versteht damit das Verhaumlltnis von inne-rem sensus communis und aumluszligeren Sinnen gemaumlszlig der Differenz zwischeninnerem Grund der Gestalt der Wahrnehmung und aumluszligerem Ursprung ihrersinnlichen Gehalte Zugleich steht der sensus communis im Verhaumlltnis ur-spruumlnglicher Gestaltung der Wahrnehmung zu aufbewahrender Reprodukti-on des Wahrgenommenen in der imaginatio Hinsichtlich Buridans Auffas-sung zu den bdquosubjektivenldquo Bedingungen der Vernunfterkenntnis untersuchtKrieger dessen Haltung in der Frage des bdquoersten Prinzipsldquo des Wissens Eszeigt sich dass Buridan den Versuch einer eigenen bdquoLetztbegruumlndungldquo desWissens als solchen unternimmt Buridan uumlbt ebenso Kritik daran dassNichtwiderspruchsprinzip als das infrage stehende Prinzip anzusehen wie erzugleich das Identitaumltsprinzip zum bdquoersten Prinzipldquo erklaumlrt und als urspruumlng-liches Vernunftprinzip begruumlndet Insoweit anerkennt Buridan zwar die Rela-tivitaumlt unserer theoretischen Kompetenz im Verhaumlltnis zu deren GegenstandDoch diese Kompetenz erfaumlhrt nicht eine Sinnbestimmung uumlber das Ziel derErfassung gegenstaumlndlicher Bestimmtheit selbst hinaus

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Im Beitrag bdquoMetaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysikldquolegt G Krieger dar dass das Konzept der Metaphysik des Kardinals im Sinneder Rezeption und Transformation der Metaphysik des Aristoteles verstan-den werden kann soweit sich dieses Konzept zum einen nach Maszliggabe desMotivs der Ruumlckbindung aller geistigen Erkenntnis an sinnliche Erfahrungversteht Weiter bietet dieses Konzept eine Deutung menschlicher Weltorien-tierung im Modus wissenschaftlicher Erkenntnis die im Grundriss und inihrer Gliederung der aristotelischen Konzeption entspricht Schlieszliglich laumlsstsich dieses Konzept im Sinne der Rezeption und Transformation auf die Me-taphysik des Aristoteles vermittels des Verhaumlltnisse dieser Konzeption zu Bu-ridans Auffassung beziehen soweit diese ihrerseits die Metaphysik transfor-miert Im Besonderen beschraumlnkt Cusanus mit Buridan die Hinsicht des Seinsauf die Erfassung der Realitaumlt in ihrer faktischen Existenz Weiter anerkenntCusanus wie Buridan die Relativitaumlt unserer theoretischen Kompetenz imVerhaumlltnis zu ihrem Gegenstand Anders als Buridan gibt Cusanus dieserKompetenz zugleich eine eigene Sinnbestimmung indem er sie in ihrem Ent-wurfscharakter kennzeichnet Dies tut der Kardinal im Verstaumlndnis sowohlder sinnlichen Erkenntnis als auch geistiger Erkenntnis in ihrer rationalenebenso wie in ihrer intellektiven Gestalt Sinnliche Wahrnehmung verstehtsich bei Cusanus im Sinne einer aktiven Nachgestaltung der Wirklichkeitsoweit die sinnlichen Gehalte tatsaumlchlich wahrgenommen werden Dabei stif-tet die imaginatio die Integration der gemaumlszlig den verschiedenen Sinnesorga-nen aufgenommenen Sinneseindruumlcke zu einer einheitlichen Wahrnehmungim Sinne vermittelter Unmittelbarkeit im Verhaumlltnis zum Sinnlichen Es zeigtsich auf der sinnlichen Ebene eine eigene Sinnbestimmtheit der Vermittlungdie der Mensch in und kraft seiner Geistigkeit zur Steigerung zu bringenvermag indem die geistige Vergegenwaumlrtigung selbst zum Ziel menschlicherWeltorientierung wird Da menschliche Erkenntnis in ihrer sinnlichen ebensowie in ihrer geistigen Bestimmtheit ihren Sinn in entwerfender Vergegenwaumlrti-gung findet gewinnt Metaphysik (oder metaphysisches Denken) bei Cusanusim Verhaumlltnis der Rezeption und Transformation der Metaphysik des Aristo-teles die Gestalt des Entwurfs

W Schmidt-Biggemanns Beitrag bdquoGrund und Ungrund Zur Metaphysikdes Moumlglichenldquo bildet den Abschluss der in diesem vierten Teil versammeltenBeitraumlge wie des vorliegenden Bandes insgesamt insofern der Beitrag sich alsVersuch ansehen laumlsst die zur Debatte stehende Rezeption und Transformati-on der Metaphysik im Mittelalter der Entwicklung metaphysischen Denkensim Ausgang des Gedankens des bdquoEinenldquo bei Plotin zuzuordnen Die ange-sprochene Zuordnung kann zunaumlchst im Sinne der Untersuchung von Bedin-gungen der infrage stehenden Rezeption gesehen werden Dazu eroumlffnet dieBetrachtung des Verstaumlndnisses des Einen einen ersten Aspekt insofern dieHinsicht des Seins in der Unterscheidung von Sein und Nichts in der Be-

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stimmtheit ihrer Differenzierung gegenuumlber dem unbestimmten Einen sekun-daumlr ist Nicht mehr ist Sein das allgemeinste Praumldikat sondern das Eine wirdzur Bedingung des Seins Zugleich veraumlndert sich das Verstaumlndnis der Kausa-litaumlt Das Eine ist erste Ursache von Sein indem es das Nichtsein zugleichdefiniert Im Corpus Dionysiacum und im Liber de Causis tritt die Auffas-sung hinzu dass das Eine als causa essendi zugleich Grund des Erkennensist der an sich selbst unerkennbar ist Schlieszliglich widmet sich der Beitragdem (offenbarungs-) theologisch motivierten Problem wie die GedankenGottes in ihrer Moumlglichkeit gefasst werden koumlnnten in dessen Diskussion beiAvicenna zwei unterschiedliche Begriffe von Welt konzipiert werden die vonGott konzipierte Idealwelt des Moumlglichen und die erfahrbare reale Welt diedurch die vehementia essendi im Sinne metaphysischer Notwendigkeit zu-stande kommt Vor dem Hintergrund der Untersuchung dieser Entwicklungdie in der Perspektive der Themenstellung des Bandes betrachtet im Sinneeiner Entwicklung von Rezeptionsbedingungen der Metaphysik anzusehenist wenden sich die Uumlberlegungen des Beitrages dem mittelalterlichen Denkenzu im Blick auf Johannes Duns Scotus und Nikolaus von Kues was wieder-um in der angesprochenen Perspektive betrachtet im Sinne der Eroumlrterungder infrage stehenden Transformation zu sehen ist Leitender Gesichtspunktist dabei der Aspekt der Moumlglichen Insofern so Schmidt-Biggemann derfreie Schoumlpfungsakt Gottes im Verstaumlndnis des Scotus ein Willkuumlrakt ist wirdim Interesse der Vermeidung des Nezessitarismus Avicennas das Moumlglichezum Irrationalen Im Unterschied dazu kommt es in der Sicht des Beitragsbei Nikolaus von Kues zu einer Modaltheologie des ersten Prinzips die imlogischen und im metaphysischen Moumlglichkeitsbegriff besondere Modi vonSein fasst das Sein der Moumlglichkeit und das der Realitaumlt welche Modi Gottgleichermaszligen zukommen insofern er als Possest alles Moumlgliche und Wirkli-che umfasst Der Beitrag weitet schlieszliglich den Blick uumlber das mittelalterlicheDenken hinaus indem er sich Leibnizlsquo Gedanken der bdquobesten aller moumlglichenWeltenldquo zuwendet Insofern es scheint dass Leibniz mit diesem Gedankenseinerseits den Nezessitarismus Avicennas nicht zu vermeiden vermag ist die-ser Gedanke in der Einschaumltzung Schmidt-Biggemans bdquoeher erbaulicher Na-turldquo Im Ergebnis kann wohl festgehalten werden dass der Beitrag in seinerBetrachtung den Verzicht auf die Hinsicht des Seins in der Rezeption undTransformation der Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter aufzeigt

III Zu den Ergebnissen

In der Skizzierung der Themenstellung des vorliegenden Bandes wurde he-rausgestellt dass der vorliegende Band seine Beitraumlge in der Absicht versam-

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 17

melt die Rezeption und Transformation der Metaphysik im Mittelalter zumeinen in den Aspekten dieser Beitraumlge selbst naumlher zu beleuchten Insoweitsei in Bezug auf die betreffenden Ergebnisse auf die vorangegangene Zusam-menfassung der einzelnen Beitraumlge und natuumlrlich auf diese selbst verwiesenDaruumlber hinaus ist mit dem vorliegenden Band angezielt die Wirkungsge-schichte der Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter gemaumlszlig dem Zusam-menhang von Rezeption und Transformation ebenso in ihrer Bedeutung fuumlrdas metaphysische Denken selbst d h im Blick sowohl auf sein aristoteli-sches Verstaumlndnis als auch auf dessen Kritik zu diskutieren wie auch inHinsicht auf dessen Verhaumlltnis zum christlichen Selbstverstaumlndnis Dazu kannfestgehalten werden zunaumlchst dass soweit es die Metaphysik und metaphy-sisches Denken am bdquoVorabendldquo der Aristoteles-Rezeption betrifft die Hin-sicht des Seins allen drei hier in jeweils einem Beitrag in den Blick genomme-nen Uumlberlieferungszusammenhaumlngen gemeinsam ist wenn gleich in durchausunterschiedlicher Gestalt Weiter dass die Metaphysik ebenso in ihren Ent-wuumlrfen aus dem 13 Jahrhundert wie in denen aus dem 14 Jahrhundert(soweit diese in den Beitraumlgen dieses Bandes im Einzelnen in Betracht bezogenwurden) in bedeutsamer Weise im Zusammenhang (offenbarungs-) theologi-scher Konzepte rezipiert und transformiert wird ausgenommen davon ist dieMetaphysik des Johannes Buridan insoweit als dieser Philosoph bleibt undnicht in die theologische Fakultaumlt wechselt Schlieszliglich dass die hier naumlheruntersuchten Metaphysikentwuumlrfe aus dem 14 Jahrhundert ihren Fokus aufdie Vermittlung umfassender Weltorientierung und menschlicher Selbstver-staumlndigung ndash sei es in ihrer sprachlichen Gestalt wie bei Ockham sei es imModus sinnlicher und vernunftbestimmter Erkenntnis bzw der sinnlichenrationalen und intellektiven Vollzuumlge des menschlichen Geistes wie bei Buri-dan bzw Nikolaus von Kues ndash und deren Analyse richten und im Zuge dieserAusrichtung auf die Hinsicht des Seins verzichten In diesem Lichte betrachtetmacht die Realisierung umfassender Weltorientierung und menschlicherSelbstverstaumlndigung unter der Hinsicht des Seins dann das verbindende Mo-ment aus das die Rezeption und Transformation der Metaphysik in den hierbeleuchteten Entwuumlrfen des 13 Jahrhunderts insgesamt praumlgt und bestimmt

Was wiederum das Verhaumlltnis dieser Wirkungsgeschichte der Metaphysikzur Praumlsenz ihres metaphysischen Denkens selbst betrifft soweit dieses imBeitrag von E Angehrn in Betracht gezogen wird legt sich zunaumlchst eineFeststellung im Blick darauf nahe dass die Problematisierungen des Denkensder Metaphysik in diesen Auseinandersetzungen die Grunduumlberzeugung be-treffen dass es in den Dingen ein festes Wesen gibt und dass Erkennen undSprechen nur in Abstuumltzung auf diese letzten Bestimmtheiten moumlglich istDie im vorliegenden Band thematisierte Wirkungsgeschichte der Metaphysikbietet zu diesen Auseinandersetzungen ebenso im Blick auf die angesprocheneGrunduumlberzeugung wie auch hinsichtlich ihrer Problematisierungen insoweit

18 Gerhard Krieger

Beitraumlge als die Metaphysikentwuumlrfe im 13 Jahrhundert im erstgenanntenSinne und die im 14 Jahrhundert im letztgenannten Sinne in Betracht gezo-gen werden koumlnnen Im Rahmen dieser Zuordnung kann weiter im Blick aufden Beitrag von B Strobel gesagt werden dass dessen Uumlberlegungen in einerNaumlhe zu dem stehen was im Beitrag von M Kaufmann zu Ockhams Meta-physik gesagt wird Insofern es in der Sicht dieses Beitrages zumindest frag-lich erscheint dass Ockham die Hinsicht des Seins uumlber die formale Analyseihrer Vermittlung im Modus sprachlicher Gestalt hinaus thematisiert und be-stimmt stellt sich eben diese Frage auch im Zusammenhang des naumlherenVergleichs der Auffassung Ockhams mit den im Beitrag von B Strobel entwi-ckelten Uumlberlegungen Die letzte Feststellung im jetzigen Zusammenhang desFazits sei schlieszliglich im Blick darauf getroffen dass in der Perspektive An-gehrns gesehen der Weg des Denkens den die Metaphysik des Aristoteleseroumlffnet im Blick sowohl auf die unabgeschlossene Arbeit des Denkens alsauch auf die reflexive Selbstaufklaumlrung und kritische Befragung offen bleibtDie Auseinandersetzung mit der Rezeption und Transformation der Meta-physik im Mittelalter mag sich ihrerseits das sei dazu festgehalten als Teildieser unabgeschlossenen Arbeit des Denkens und reflexiven Selbstaufklauml-rung gezeigt haben bzw zeigen

IV Zur Genese des Bandes und seiner redaktionellen Gestaltung

Der vorliegende Band geht auf die internationale Tagung zuruumlck die zumgleichen Thema 2011 an der Theologischen Fakultaumlt Trier und der Universi-taumlt Trier durchgefuumlhrt wurde Uumlber Beitraumlge aus dieser Tagung hinaus habenT Koutzarova bdquoAvicenna uumlber die Moumlglichkeit Methode und Grenzen derMetaphysikldquo und F Musall bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysik ndash Zur Re-zeption des Aristoteles und seiner Metaphysik in der mittelalterlichen juumldi-schen Philosophieldquo ihren Beitrag zur Aufnahme im vorliegenden Band zurVerfuumlgung gestellt In seiner redaktionellen Gestaltung folgt der Band denRichtlinien die fuumlr die Reihe der bdquoPhilosophie der Antike Veroumlffentlichun-gen der Karl und Gertrud Abel-Stiftungldquo insgesamt maszliggeblich sind Im Be-sonderen gilt dass Kursivierungen im Haupttext nur bei lateinischen hebraumli-schen und arabischen Texten und Werktiteln vorgenommen wurden Daruumlberhinaus wurden Hervorhebungen nur vorgenommen sofern sie auf die Auto-ren der Beitraumlge selbst zuruumlckgehen In den Anmerkungen werden die Quel-len und sonstige Literatur beim ersten Mal vollstaumlndig angefuumlhrt an spaumltererStelle mit einem betreffenden Kurztitel und Verweis auf die Anmerkung inder sie vollstaumlndig erscheinen Die bibliographischen Angaben zu den im je-weiligen Beitrag insgesamt herangezogenen Werken des Albertus Magnus

Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Zur Einfuumlhrung 19

des Thomas von Aquin des Johannes Duns Scotus Meister Eckharts undWilhelms von Ockham finden sich in der Anmerkung in der zum ersten Malauf ein Werk des jeweiligen Autors verwiesen wird Zu jedem Beitrag istzudem ein vollstaumlndiges Literaturverzeichnis mit den Angaben zu den Quel-len und zu sonstiger Literatur angefuumlgt

V Danksagung

Der erste Dank gilt den Beitraumlgerinnen und Beitraumlgern sowohl dafuumlr dasssie ihren Beitrag fuumlr diesen Band zur Verfuumlgung gestellt haben als auch fuumlrihre Geduld mit der sie die Erstellung des Bandes begleitet haben Weiterist der KARL UND GERTRUD ABEL-STIFTUNG im Stifterverband fuumlr dieDeutsche Wissenschaft zu danken sowohl fuumlr die wirklich groszligzuumlgige Unter-stuumltzung der genannten Tagung als auch fuumlr die Finanzierung dieses BandesAuch moumlchte ich mich bei meinem Trierer Kollegen Herrn Professor Dr GWoumlhrle dafuumlr bedanken dass seine Initiative und sein Engagement den An-stoszlig dafuumlr gegeben haben dass die ABEL-Stiftung fuumlr die Unterstuumltzung derTagung und der vorliegenden Publikation interessiert werden konnte Einweiterer Dank richtet sich an den Herausgeber der Reihe bdquoPhilosophie derAntikeldquo Herrn Professor Dr W Kullmann dafuumlr dass er sich zur Aufnahmedes Bandes in diese Reihe bereit erklaumlrt hat Schlieszliglich gilt mein Dank FrauH Mockenhaupt-Hardt und Frau Dr A Ansari ohne deren unermuumldlichesund beharrliches Engagement und nie nachlassende Unterstuumltzung und Mit-wirkung weder die Tagung zustande gekommen noch dieser Band zum Er-scheinen gebracht worden waumlre

Literatur

Dod B G Aristoteles-Latinus in N Kretzmann u a (Hrsg) The Cam-bridge History of Later Medieval Philosophy Cambridge 1982 45ndash79

Kluxen W Charakteristik einer Epoche zur Gesamtinterpretation der Philo-sophie des lateinischen Mittelalters in Ders Aspekte und Stationen dermittelalterlichen Philosophie hrsg v L Honnefelder u H MoumlhlePaderborn 2012 401ndash410

Kluxen W Maimonides und die Hochscholastik Maimonides und die phi-losophische Orientierung seiner lateinischen Leser Eine interpretatori-sche Reflexion in Ders Aspekte und Stationen der mittelalterlichenPhilosophie hrsg v L Honnefelder u H Moumlhle Paderborn 2012 284ndash298 299ndash311

20 Gerhard Krieger

Krieger G Christliches Heil und antikes Denken Zur philosophischen Be-deutung der Zeit Konstantins in Ders u a (Hrsg) Konstantin derGroszlige Der Kaiser und die Christen ndash die Christen und der Kaiser hrsgv M FiedrowiczG KriegerW Weber Trier 32007 267ndash292

Krieger G Herausforderung durch Religion Begegnungen der Philosophiemit Religionen in Mittelalter und Renaissance Eine philosophiehistori-sche Hinfuumlhrung in religionsphilosophischer Absicht in Ders (Hrsg)Herausforderung durch Religion Begegnungen der Philosophie mit Reli-gionen in Mittelalter und Renaissance Wuumlrzburg 2011 17ndash39

Lohr C The Medieval Interpretation of Aristotle in N Kretzmann u a(Hrsg) The Cambridge History of Later Medieval Philosophy Cam-bridge 1982 80ndash98

Soumlder J R Hochmittelalter Die Wiederentdeckung des Politischen inC HornA Neschke-Hentschke (Hrsg) Politischer Aristotelismus DieRezeption der aristotelischen sbquoPolitiklsquo von der Antike bis zum 19 Jahr-hundert Stuttgart 2008 51ndash76

Wieland G Plato oder Aristoteles Uumlberlegungen zur Aristoteles-Rezeptiondes lateinischen Mittelalters Tijdschrift voor Filosofie 47 1985 605ndash630

Selbstverstaumlndnis und Gestaltdes metaphysischen Denkens in der Metaphysik

Die Entstehung der Metaphysik ndashZur Rekonstruktion eines Denkwegs

Emil Angehrn

I Die Frage nach der Herkunft

Metaphysik ist nicht ein zeitloses Gebilde Sie ist eine kulturelle Groumlszlige diein der europaumlischen Denkgeschichte ihren bestimmten Ort hat und ihre be-sondere Stellung einnimmt Sie hat sich in einer historischen Konstellationherausgebildet und einen rekonstruierbaren Verlauf genommen der sich inder Gegenwart fortsetzt oder ndash je nach Wahrnehmung ndash laumlngst an sein Endegekommen ist Waumlhrend noch vor wenigen Jahrzehnten das Ende der Meta-physik vielfach diagnostiziert worden ist scheint diese in neueren Diskussio-nen nicht zuletzt der analytischen Philosophie wieder zur selbstverstaumlndlichenGroumlszlige geworden zu sein Natuumlrlich haumlngen solche Einschaumltzungen davon abwie wir den Begriff verwenden was wir als leitende Fragen der Metaphysikdefinieren und wie wir ihre Geschichte beschreiben Nun steht im Folgendennicht die generelle Frage nach dem Status und historischen Schicksal der Me-taphysik zur Diskussion Es geht um die Ruumlckbesinnung auf ein konkretesherausragendes Modell dessen praumlgende Kraft fuumlr die Denkgeschichte aller-dings von eminenter Bedeutung ist Bevor ich die charakteristischen Grund-zuumlge dieses Modells ins Auge fasse will ich zwei prinzipielle Fragen einersolchen Ruumlckbesinnung ansprechen Die erste betrifft das allgemeine Interes-se und die Funktion der Beschaumlftigung der Philosophie mit ihrer eigenen Ge-schichte Die zweite gilt dem logischen Problem das sich mit der Besinnungauf die Herkunft einer Tradition verbindet der wir selbst zugehoumlren und ausder heraus wir nach dem Anfang fragen

Solche Fragen konfrontieren uns mit dem eigentuumlmlichen Geschichtsbe-zug der Philosophie1 Zu den auffallenden Merkmalen der Philosophie zaumlhltderen spezifischer Bezug zur eigenen Geschichte Es macht die typische Ar-

1 Zum Folgenden vgl E Angehrn Wozu Philosophiegeschichte in E AngehrnB Baertschi(Hrsg) Philosophie und Philosophiegeschichte (studia philosophica 61) BernndashStuttgartndashWien 2002 37ndash66 (auch in Ders Wege des Verstehens Hermeneutik und Geschichtsden-ken Wuumlrzburg 2008 111ndash134)

24 Emil Angehrn

beitsweise der Philosophie wie sie sich in Forschung Lehre und Publikatio-nen dokumentiert mit aus dass zwischen systematischen und historischenUntersuchungen vielfache Verbindungen bestehen ohne dass die Befassungmit der eigenen Geschichte fuumlr die Philosophie gleichsam als Zusatz oderSonderthema (wie die Medizingeschichte in der medizinischen Ausbildungund Forschung) erscheint Philosophie praumlsentiert sich weithin als eine histo-rische Disziplin Allerdings ist ihre Geschichtsverwiesenheit alles andere alsklar und unstrittig auch Autoren die sich durchaus als Teil einer Geschichteverstehen haben ihren Vorbehalt gegenuumlber der historischen Orientierungphilosophischer Arbeit artikuliert Bei den Konzepten die sich in grundsaumltz-lich affirmativer Weise auf die Geschichte beziehen koumlnnen wir unterschied-liche Stoszligrichtungen unterscheiden nach denen sie den sbquoNutzen der Historielsquofuumlr die Philosophie bestimmen schematisch seien drei Hauptrichtungen ge-nannt deren dritte fuumlr die folgenden Uumlberlegungen im Zentrum stehen soll

Zum einen kann man das Interesse des Geschichtsbezugs darin sehendass die Philosophie auf einen Fundus von Theorien Methoden und Begriff-lichkeiten zuruumlckgreift deren Kenntnis der heutigen Arbeit an philosophi-schen Problemen zugute kommt Aktuelle Debatten koumlnnen sich auf histori-sche Exempel zur Illustration aber auch zur Exploration eines Themenfeldesund Erprobung von Loumlsungen abstuumltzen sie koumlnnen sich am Beispiel fruumlhererArgumentationsstrategien und Aporien uumlber Praumlmissen Schwierigkeiten oderAussichten bestimmter Denkwege orientieren Dabei fungieren vergangeneKonzepte nicht nur als Ressourcen heutiger Begriffsarbeit als Materialien imSteinbruch der Ideen In anspruchsvollerer Weise koumlnnen sie als Positionen inden Streit der Argumente einbezogen werden so dass sich der philosophischeDiskurs nicht nur als synchroner idealiter grenzenloser Diskurs sondernebenso als Gespraumlch uumlber die Zeiten und Generationen hinweg vollzieht Inemphatischen Versionen wird dieses Gespraumlch geschichtsphilosophisch unter-mauert sei es dass die Kontinuitaumlt und Identitaumlt der Begriffe und Theoremestatuiert wird sei es dass daruumlber hinaus deren gerichtete Weiterentwick-lung gegebenenfalls der Fluchtpunkt einer abschlieszligenden Wahrheit festge-halten wird Doch auch ganz abgeloumlst von solcher geschichtsphilosophischerEinordnung bleibt die Idee der bdquoPhilosophiegeschichte als Argumentationsge-schichteldquo2 ein moumlglicher Leitfaden historischer Reflexion in der PhilosophieDie Auseinandersetzung mit ihrer Vorgeschichte interessiert die Philosophiein ihrem Bemuumlhen um Begruumlndung und Wahrheit

2 J Mittelstraszlig Die Philosophie und ihre Geschichte in H J Sandkuumlhler (Hrsg) Geschicht-lichkeit der Philosophie Theorie Methodologie und Methode der Historiographie der Phi-losophie Frankfurt am MainndashBern 1991 25

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 25

Eine andere Interessenrichtung ist die der historischen Rekonstruktionund Erinnerung als solcher Philosophie die in Geschichte wurzelt und inGeschichte eingeht hat eine Zielbestimmung darin Vergangenes lebendig zuerhalten und das Gespraumlch der Menschen in die Zukunft hinein fortzusetzenPhilosophiehistorie ist darin Teil der allgemeinen historischen Kultur zu de-ren Leitideen das Bewahren und Erinnern als solches die Kultur des Gedaumlcht-nisses und das Festhalten des Gewesenen gegen sein Vergehen zaumlhlen Diephilosophische Bibliothek versammelt die fluumlchtigen Versuche der Welt- undSelbsterkenntnis der Menschen vereint sie ndash so Jaspers3 ndash als Zeugnisse einesuumlber das Vergaumlngliche hinaus strebenden Erkennens Nach Benjamin undDerrida hat das Denken das sich vom Vergangenen ansprechen laumlsst einunabgeschlossenes Projekt weiterzufuumlhren und ein Ungedachtes Ungesagteszur Sprache zu bringen Richard Rorty bezeichnet es als letzte Aufgabe derPhilosophie das Gespraumlch der Menschheit nicht abbrechen zu lassen4 Inmarkanten Auspraumlgungen ist Philosophie darauf gerichtet an einer Geschich-te teilzuhaben und sich aus einer Geschichte heraus zu verstehen welche dieGeschichte einer Denkform des abendlaumlndischen Denkens oder der Mensch-heit als ganzer sein kann Philosophisches Denken hat an der Reflexivitaumlt desHistorischen teil worin sich das faktische Gewordensein mit der Kultur desGedaumlchtnisses verschraumlnkt

Eine dritte Stoszligrichtung historischer Besinnung die mit dem Interessedes Erinnerns eng zusammenhaumlngt und die im vorliegenden Kontext von be-sonderem Gewicht ist ist die hermeneutische Ihr Ziel ist die Verstaumlndigunguumlber sich selbst Philosophie ist nicht einfach eine Disziplin die einen vorge-gebenen Gegenstand untersucht zu ihrem eigensten Anliegen gehoumlrt die Ver-staumlndigung daruumlber was sie ist und was sie will welches die sie leitendenFragen sind welche Wissensform sie erstrebt und welche Funktion sie fuumlr dieMenschen erfuumlllt Solche Verstaumlndigung uumlber das eigene Sein Tun und Wol-len ist eine teils begriffliche teils anthropologische Reflexion in signifikantenFaumlllen vollzieht sie sich in praumlgnanter Weise als historische Besinnung

Dabei laumlsst sich die Selbstaufklaumlrung uumlber Geschichte ihrerseits unterzwei verschiedenen Aspekten beleuchten Auf der einen Seite kann uns histo-rische Rekonstruktion dazu verhelfen unser faktisches Handeln und Soseingenauer kennenzulernen und besser zu verstehen Im Falle der philosophi-schen Arbeit bedeutet dies die verwendeten Begriffe die bearbeiteten Frage-stellungen die leitenden Intuitionen in ihrem Gehalt und ihrer Bedeutung zu

3 K Jaspers Weltgeschichte der Philosophie Einleitung aus dem Nachlass hrsg von H Sa-ner MuumlnchenndashZuumlrich 1982 20 f

4 R Rorty Der Spiegel der Vernunft Eine Kritik der Philosophie Frankfurt am Main 1981427

26 Emil Angehrn

erfassen Sich geschichtlich verstehen heiszligt sich jenseits introspektiver Selbst-erforschung auch von auszligen in seinem Gewordensein von seinem Kontexther verstehen So kann es im philosophischen Diskurs wichtig sein die ver-borgenen Tiefenschichten von Begriffen die kulturellen Praumlmissen einerTheorie die Implikationen einer Sichtweise aufzudecken die Problemlagein welcher ein Argument entwickelt worden ist freizulegen oder die fiktiveEinheitlichkeit einer Problemgeschichte aufzuloumlsen In alledem geht es da-rum sich daruumlber klar zu werden was wir wirklich meinen und womit wiruns auseinandersetzen in ontologischen ethischen politischen anthropologi-schen Theorien und Debatten

Auf der anderen Seite dient Selbstverstaumlndigung nicht nur der gleichsamretrospektiven Aufhellung dessen was man faktisch tut und getan hat Siedient ebenso der prospektiven Selbstfindung dem Sichklarwerden daruumlberwas man sucht und worauf man hinaus will Nicht nur die Durchdringungder bisherigen Antworten sondern die Klaumlrung der Fragen und das Findendes Wegs auf dem wir unterwegs sind ist hier das treibende Motiv Auchdafuumlr stellt die historische Reflexion eine Grundlage dar Philosophie findetzu ihren Fragen und gibt sich ihr Thema nicht im leeren Raum und rein aussich heraus sondern typischerweise im Umgang mit Zeugnissen der Vergan-genheit indem sie sich in eine Tradition stellt und in einen Dialog mit fruumlhe-ren Denkern begibt In herausgehobener Weise findet solche Selbstvergewis-serung in der Besinnung auf den Anfang einer Tradition statt In einer praumlg-nanten Gestalt hat Husserl dieses Motiv in der bdquoKrisisldquo ausformuliert indemer die historische Besinnung als eine fasst die auf eine sbquoUrstiftunglsquo zuruumlckgeht(und idealiter auf eine sbquoEndstiftunglsquo vorausgreift) um sich dessen zu versi-chern worauf das philosophische Projekt an das wir anschlieszligen und andem wir selbst arbeiten hinaus will5 Doch auch wo nicht ein identifizierba-rer erster Anfang den Bezugspunkt bildet kann die Selbstvergewisserung desDenkens ein zentrales Anliegen historischer Reflexion bilden

Es ist nun in unserem Zusammenhang ein bemerkenswerter Tatbestanddass gerade die aristotelische Metaphysik welche den Boden und Ausgangs-punkt unserer Tradition bildet in paradigmatischer Form eine solche histori-sche Selbstverortung und Selbstvergewisserung durchfuumlhrt Es macht ein cha-rakteristisches Kennzeichen dieses herausragenden Gruumlndungsdokuments derabendlaumlndischen Philosophie aus dass es nicht einfach mit Untersuchungenuumlber den Kosmos uumlber Gott oder den Menschen einsetzt sondern zunaumlchstdie Frage nach sich selbst stellt und systematisch eroumlrtert bdquoDie gesuchte Wis-senschaftldquo ndash so lautet ein bezeichnendes Stichwort der Eingangsbetrachtun-

5 E Husserl Die Krisis der europaumlischen Wissenschaften und die transzendentale Phaumlnome-nologie Den Haag 1962 sectsect 6 7 9 15

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 27

gen6 Zur ersten Aufgabe der Metaphysik gehoumlrt die Verstaumlndigung uumlber ih-ren Begriff zumal sie sich im Gegensatz zu anderen Wissenschaften ndash wiePolitik Geometrie Naturphilosophie ndash nicht uumlber einen bestimmten vorgege-benen Gegenstand sondern uumlber eine bestimmte Form des Wissens definiertZielpunkt des ersten Kapitels ist die vorlaumlufige Definition der Ersten Philoso-phie als Erforschung der ersten Ursachen und Gruumlnde Es ist eine Definitiondie in den weiteren Kapiteln des ersten Buches expliziert und beglaubigt wirdwobei diese Bestaumltigung sich wesentlich uumlber einen Ruumlckblick auf die Vorge-schichte vollzieht Ausfuumlhrlich referiert Aristoteles die Ansaumltze der Vorsokra-tiker mit dem Ziel des zweifachen Nachweises dass erstens alle fruumlherenDenker nach Gruumlnden und Prinzipien geforscht haben und dass sie zweitensdiese Forschung im Rahmen der von Aristoteles konzipierten vier Ursachen-typen betrieben haben Aufschlussreich und von tiefer Einsicht ist dabei dieabschlieszligende Bemerkung dass die Vorgaumlnger an dem von Aristoteles aufden Begriff gebrachten Projekt gearbeitet haumltten ohne es selbst schon genauzu kennen und praumlzise bestimmen zu koumlnnen bdquoUumlber allesldquo so heiszligt es imSchlusskapitel des Eingangsbuches bdquoschien die Erste Philosophie nur zustammeln als sie noch jung war und am Beginn standldquo7 Erst undeutlichund dunkel ohne begriffliche Klarheit haben die fruumlhen Denker von demgehandelt was sich im Nachhinein als ihr Gegenstand und eigentliches Anlie-gen herausstellte Es war meint Aristoteles die Sache bzw die Wahrheitselbst die ihnen den Weg wies und ihre Forschungen lenkte8 Philosophieversichert sich hier ihres Wegs nicht im Ruumlckblick auf einen idealen Stiftungs-akt sondern im Gespraumlch mit einem seiner selbst noch unsicheren Gang desDenkens einem tastenden Anfangen das erst in der Fortschreibung seineklare Ausrichtung und reflexive Begruumlndung erhaumllt Solches Gespraumlch traumlgtdem Paradox des Anfangens Rechnung welches einen Weg einschlagen mussdessen Bestimmtheit und Ausgang noch nicht vor Augen liegen Erst die Ge-schichte fuumlhrt zur Ausformulierung des Projekts zum Finden seines Begriffsder nach Hegel der Entwicklung nicht vorausliegt sondern als Resultat ausihr hervorgeht

II Der Anfang der Metaphysik

Das aristotelische Paradigma der Ruumlckbeziehung auf die Vorgeschichte kannin gewisser Weise als Modell fuumlr unsere Beschaumlftigung mit Aristoteles dienen

6 Met Α 2983 a 21 vgl 982 a 47 Met Α 10993 a 15 f ψελλιζομένῃ γαρ ἔοικεν ἡ πρώτη φιλοσοφία περὶ πάντων8 Met A 3984 b 18 f 984 b 10 f A 10993 a 13ndash15

28 Emil Angehrn

Diese nimmt im Horizont philosophiehistorischer Forschung einen besonde-ren Rang ein Es geht nicht einfach um eine historische Selbstsituierung ge-genwaumlrtigen Denkens und um die Aufhellung bestimmter Begriffe und Prob-lemkonstellationen aus ihrer Herkunft und ihrem Kontext Solches findet inder philosophischen Reflexion vielfach statt und es ist fuumlr die Selbsttrans-parenz des fachlichen Diskurses von groszliger Bedeutung Leitbegriffe wiesbquoMenschlsquo sbquoStaatlsquo sbquoFreiheitlsquo sbquoLebenlsquo sind nicht transzendentale Gegebenhei-ten oder apriorische Konstrukte Sie gewinnen ihre Bedeutung in real- undideengeschichtlichen Zusammenhaumlngen von denen auch ihre Verwendungim aktuellen Diskurs nicht abgeloumlst ist Doch meint die uns hier interessieren-de Ruumlckschau Spezifischeres als diese generelle historische Selbstaufklaumlrungdes Denkens Es geht um die Ruumlckbesinnung auf einen Anfang der fuumlr dasaus ihm Kommende und die Ruumlckbesinnung auf ihn selbst konstitutiv ist

Nun scheint eine Ursprungsreflexion dieser Art mit grundsaumltzlichenProblemen behaftet Sie zeigen sich bereits im Blick auf die Herkunftsbesin-nung der aristotelischen Metaphysik selbst Wie koumlnnen wir uns dessen ver-gewissern dass die Vorgeschichte auf die sich Aristoteles zuruumlck beziehttatsaumlchlich den Weg markiert und die Spuren anlegt die Aristoteles in ihrerkennt die er in seinem Werk aufnimmt und weiterverfolgt Das Problemliegt darin dass uns aus dieser fruumlhen Periode nur Bruchstuumlcke uumlberliefertsind die zudem in einer Tradierung auf uns gekommen sind deren erste undin houmlchstem Maszlige praumlgende Station Aristoteles selbst ist Jeder Versuch dieZeugnisse in ihrem eigenen Anliegen und originaumlren Gehalt zum Reden zubringen hat sich zuallererst mit dieser aristotelischen Perspektivierung ausei-nanderzusetzen Deren Auswirkung tangiert nicht nur die Uumlberlieferung desTextbestandes sondern ebenso den Denkhorizont innerhalb dessen wir unsbewegen und das Vorverstaumlndnis von Metaphysik das als heuristischerSchluumlssel die historische Herkunftsforschung unweigerlich bestimmt DieFrage wieweit die vorsokratischen Formen des Denkens und Forschens wirk-lich die Vorgeschichte des metaphysischen Denkens bilden ndash und nicht viel-mehr noch gar keinen Bezug zu Spaumlterem haben und erst kontingenterweisezu diesem in ein Verhaumlltnis zu stehen gekommen sind vielleicht Anfaumlnge vonanderem waren das sich anderswo oder nur fragmentarisch ausgebildet hatDiese an sich berechtigte Frage ist in gewisser Hinsicht auch kuumlnstlich DieWahrnehmung des Anfangs ist eine nachtraumlgliche Fruumlhere Ereignisse werdenim Nachhinein zum Beginn einer Geschichte Der Anfang einer Traditionwird von nachfolgenden Generationen die sich von ihm ansprechen lassenund in ihm eigene Fragen und Anliegen erkennen als solcher aufgefasst undzum Anfang gemacht9

9 Vgl H-G Gadamer Der Anfang der Philosophie Stuttgart 1996

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 29

Gewiss gibt es Anfangsformationen die von sich aus prospektiv als initi-ale Gruumlndung angelegt sind und nicht erst im Nachhinein zum Ursprungeiner mit ihnen einsetzenden Geschichte oder einer aus ihnen hervorgehendenGestalt werden In dieser Hinsicht unterscheidet sich unser Ruumlckblick aufAristoteles von dessen eigener Rekonstruktion des noch im Unbestimmtensich bewegenden vorsokratischen Denkens Aristotelesrsquo eigene Schrift ver-steht sich durchaus als Gruumlndungsdokument als Beginn und reflektierte Be-stimmung einer bestimmten Wissensform Dennoch ist Aristotelesrsquo Bezug aufdie stammelnde Vorgeschichte auch fuumlr unseren Ruumlckblick auf ihn lehrreichAuch seine Schrift tritt ndash ganz unabhaumlngig von Fragen der Entstehung undtextuellen Komposition ndash nicht als ein geschlossenes System auf sondernals Dokument einer Suche nach dem eminenten Wissen die unterschiedlicheAnlaumlufe nimmt Uumlberlegungen verfolgt und Orientierungen vereinigt Zumherausragenden Referenzpunkt der Tradition wird sie durch die Wirkungsge-schichte in welcher sich Rezeption Interpretation Profilgebung und Weiter-bildung durchdringen Sie integriert selbst eine mehrdimensionale Vor- undEntstehungsgeschichte in welche neben den Stroumlmungen der Vorsokratik vorallem eine durchgehende Auseinandersetzung mit der platonischen Philoso-phie eingeht und sie erarbeitet auf dieser Grundlage ein Konzept von Meta-physik das zum Referenzpunkt der weiteren Entwicklung wird Die aristote-lische Metaphysik bildet eine Grundlage fuumlr die Selbstverstaumlndigung der Phi-losophie und einen privilegierten Anknuumlpfungspunkt ihrer Entwicklung Umgenauer zu fassen worin sie fuumlr das philosophische Denken eine Basis derWeiterbildung aber auch der Distanzierung abgibt sind die sie charakterisie-renden Grundzuumlge herauszustellen

III Das aristotelische Modell ndashFluchtlinien metaphysischen Denkens

Das Eingangskapitel der Metaphysik will den Nachweis erbringen dass diesogenannte Weisheit eine Wissenschaft der ersten Ursachen und Prinzipienist10 Beide Begriffe sind fuumlr das Verstaumlndnis der gesuchten Wissenschaft glei-chermaszligen grundlegend der Begriff der ἀρχή wie der Begriff des Ersten Zumeinen gilt dass nur Prinzipienkenntnis wirkliches Wissen (im Gegensatz zumbloszligen Erfahrensein) begruumlndet und dazu befaumlhigt zu lehren Zum anderengeht es nicht nur um Prinzipienkenntnis als solche sondern wie Aristotelesin II2 spezifiziert darum nach jeder der vier Ursachentypen das letzte bzw

10 Met A 1981 b 28 ndash 982 a 3

30 Emil Angehrn

erste Prinzip zu kennen da ohne diese Letztbegruumlndung das Wissen ins Un-endliche progredieren wuumlrde und keine wirkliche Erkenntnis (wie in der Rea-litaumlt keine seinsmaumlszligige Fundierung und Zweckausrichtung) zustande kaumlmeIm Begriffskatalog des 5 Buches verschraumlnkt Aristoteles beide Ideen indemer den Begriff der ἀρχή bzw der αἰτία als ein Erstes (πρῶτον) expliziert bdquovonwelchem das Sein oder die Entstehung oder die Erkenntnis eines Dinges aus-gehtldquo11 Prinzip und Erstheit explizieren sich gegenseitig wobei beides in derMehrdimensionalitaumlt des Seins- Entstehungs- und Erkenntnisgrunds thema-tisch wird Der Begriff des Ersten den Aristoteles wiederum nach der dreifa-chen Hinsicht des dem Begriff der Erkenntnis oder der Zeit nach Erstendifferenziert12 markiert den Fluchtpunkt der (ihrerseits mehrschichtigen) Re-lation von Fruumlher und Spaumlter13 Diese Relation ist fuumlr alles seinsmaumlszligige Be-gruumlnden wie fuumlr alles Verstehen konstitutiv welches immer eines von einemanderen her das ihm gegenuumlber das Fruumlhere ist erfasst in letzter Instanzvon einem absolut Fruumlheren Unbedingten her hinter welches nicht weiterzuruumlckgegangen werden kann Metaphysik ist Wissenschaft vom Ersten undLetzten Nicht irgendwelche Gruumlnde will sie ausfindig machen sondern dasunhintergehbar Erste das allen anderen Fundamenten vorausliegt und selbstkeine weitere Voraussetzung hat sondern sbquovoraussetzungsloser Anfanglsquo (ἀρχηἀνυπόθετος) ist14 Diese Bestimmung charakterisiert das allgemeine Konzeptder von Aristoteles ins Auge gefassten Wissenschaft

Nun bleibt in solcher Umschreibung offen auf welchem Weg die Ursa-chenforschung vorangehen in welcher Dimension nach welcher Hinsicht siedas Erste suchen soll Ersichtlich ist es ja nicht so dass die Metaphysik etwaentsprechend der auch in der Physik statuierten Vier-Ursachen-Lehre das Ers-te in jeder dieser Ursachenketten ergruumlndete Erkennbar sind zwei Haupt-stoszligrichtungen nach denen Aristoteles selbst die Frage nach den Prinzipienausformuliert Das eine ist die ontologische Fragerichtung die Aristoteles imBuch Γ als Frage nach dem Seienden als Seienden exponiert und dann in denBuumlchern Ζ Η Θ als Frage nach der Substanzialitaumlt vertieft das andere dietheologische Forschungsrichtung welche (in Buch Ε) die Frage nach demhoumlchsten Seienden dem Goumlttlichen stellt und (in Buch Λ) die Existenz undLebensform des ersten Bewegers und dessen Funktion fuumlr die Ordnung desGanzen beschreibt Damit sind zwei Richtungen angezeigt nach denen Aris-toteles die metaphysische Tradition begruumlndet die auf der einen Seite die

11 Met Δ 11013 a 17ndash19 πασῶν μὲν οὖν κοινὸν τῶν ἀρχῶν το πρῶτον εἶναι ὅθεν ἢ ἔστιν ἢγίγνεται ἢ γιγνώσκεται

12 Met Z 11028 a 32 f13 Met Δ 1114 Met Γ 31005 b 14 vgl Platon Resp 510 b 7 511 b 6 533 c 8

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 31

allgemeinsten Formen des Seins bzw die Kategorien unseres Sprechens uumlberWirklichkeit uumlberhaupt analysiert auf der anderen Seite das houmlchste Seiendeund die Welt im Ganzen betrachtet Wenn man so will ist hier die Zweiglei-sigkeit der Metaphysik angelegt die deren Folgegeschichte durchzieht undetwa in der neuzeitlichen Unterteilung von allgemeiner und spezieller Meta-physik begegnet wobei Aristoteles die Zusammengehoumlrigkeit beider For-schungsrichtungen behauptet15 ohne indes ihre Verbindung letztlich zu klauml-ren ohnehin ist klar dass sich das unter dem spaumlteren Titel der Metaphysikzusammengefasste Konvolut von Untersuchungen nicht problemlos auf diesespaumltere Systematisierung abbilden laumlsst und es ist eine offene (von Aristotelesselbst als erste Aporie16 thematisierte) Frage wieweit sich das aristotelischeKonzept uumlberhaupt einheitlich fassen laumlsst Festzustellen ist zunaumlchst nurdass Metaphysik nach beiden genannten Hinsichten in der Geschichte strittiggeworden ist im Blick auf die mit der speziellen Metaphysik verbundenenTotalisierungen und Weltbilder wie mit Bezug auf die allgemeinen ontologi-schen Bestimmungen sowohl hinsichtlich ihrer spezifischen Praumlgung wie dervon ihnen beanspruchten Objektivitaumlt und Universalitaumlt Im Folgenden sollenaus den komplexen und vielschichtigen Untersuchungen der aristotelischenMetaphysik Eckpfeiler herausgestellt werden welche die Wirkungsgeschichtepraumlgen und nicht zuletzt Angelpunkte des Streits um die Metaphysik definie-ren Dabei soll der Schwerpunkt auf der ersten Forschungsrichtung liegen

1 Von der Ontologie zur Ousiologie

Es ist die Forschungsrichtung die auf die bdquoersten Ursachen des Seienden alssolchenldquo17 zielt und die allgemeinsten Merkmale dessen was uumlberhaupt istbestimmen will Sie hat fuumlr die Folgegeschichte vielleicht die groumlszligte Praumlge-kraft gehabt Aristoteles konzipiert eine Untersuchung die sich durch ihrenAbstraktheitsgrad jenseits der Fachwissenschaften ansiedelt Sie interessiertsich fuumlr das was ein Seiendes als solches ausmacht unabhaumlngig davon obes sich um ein Lebewesen ein Dreieck einen Menschen oder einen Gotthandelt Ihr Gegenstand sind Formbestimmungen die unser Denken undSprechen strukturieren und unser allgemeines Wirklichkeitsverstaumlndnis be-stimmen die aber nach dem Selbstverstaumlndnis der Metaphysik nicht nur sub-jektive Auffassungsweisen sondern identischerweise objektive Seinsformensind Dazu zaumlhlt ganz Verschiedenes Untersuchungen uumlber die Einheit und

15 Vgl Met E 11026 a 29ndash3216 Vgl Met Β 1995 b 5 f ἔστι δ᾽ ἀπορία πρώτη μὲν περὶ ὧν ἐν τοĩς πεφροιμιασμένοις διηπορήσα-

μεν πότερον μιᾶς ἢ πολλῶν ἐπιστημῶν θεωρῆσαι τας αἰτίας17 Met Γ 11003 a 31 τοῦ ὄντος ἧ ὂν τὰς πρώτας αἰτίας

32 Emil Angehrn

ihre Gegenbegriffe (Verschiedenheit Unaumlhnlichkeit Ungleichheit GegensatzDifferenz)18 daruumlber hinaus bdquodas Fruumlher und Spaumlter Gattung und Art Gan-zes und Teil und anderes dergleichenldquo19 sowie die allgemeinsten Denkgesetzedie Aristoteles stellvertretend am Beispiel des ausgeschlossenen Widerspruchsuntersucht In alledem geht es um Grundbegriffe und Formen des Denkensdie von den anderen Wissenschaften in Anspruch genommen aber nicht re-flektiert und systematisch erarbeitet werden

Die Durchfuumlhrung dieser Aufgabe der Ersten Philosophie nimmt Aristo-teles nun in einer ganz spezifischen Fokussierung vor Genauer handelt essich um einen zweifachen Schritt eine zweifache Engfuumlhrung die dem meta-physischen Projekt seine charakteristische Praumlgung verleiht Die erste fuumlhrtvom Sein zur Substanz die zweite von der Substanz zur Wesensform in ge-wissem Sinn kann man daran die dritte Engfuumlhrung anschlieszligen die zurhoumlchsten goumlttlichen Substanz fuumlhrt und damit in die andere Hauptrichtungder Prinzipienforschung einmuumlndet

Die beiden Schritte die hier nur schematisch zu benennen sind sind fuumlrden aristotelischen Gedankengang von schlechthin fundamentaler Bedeu-tung Ihr Ausgangspunkt ist die Analyse des Worts ὄν das nach der beruumlhm-ten (aber uneindeutigen)20 Formel in vielfacher Bedeutung ausgesagt wirdaber stets bdquoin Beziehung auf Einesldquo (πρὸς ἓν)21 Die πρὸς ἓν-Analogie unter-stellt die basale Differenz zwischen einer primaumlren eigentlichen Wortverwen-dung und den sekundaumlren gleichsam indirekten Verwendungen die immernur im Ruumlckbezug auf die erste verstehbar sind ndash eine Differenz die dasParadigma des Praumldikats sbquogesundlsquo plastisch vor Augen stellt Die Kleidungdie nicht selbst gesund ist kann so heiszligen mit Bezug auf den Organismusder an ihm selbst gesund oder krank sein kann Die Uumlbertragung dieser Rela-tion auf das Verstaumlndnis von ὄν ist nun allerdings keine triviale Analogiesemantischer Strukturen Vielmehr beinhaltet sie eine gewichtige ontologi-sche These Sie steht fuumlr die Uumlberzeugung dass es Entitaumlten gibt die im ei-gentlichen Sinn durch sich selbst bestehen und andere die nur in Abhaumlngig-keit von anderem oder mit Bezug auf anderes sind Man kann darin eine

18 Met Γ 21004 a 8ndash2219 Met Γ 21005 a 16ndash18 προτέρου καὶ ὑστέρου καὶ γένους καὶ εἴδους καὶ ὅλου καὶ μέρους καὶ

τῶν ἄλλων τῶν τοιούτων20 Die Formel wird von Aristoteles in zwei unterschiedlichen Weisen verwendet einerseits (in Γ

2) als Unterscheidung gemaumlszlig den Kategorien anderseits (in Λ 7 und E 2) als Unterscheidungzwischen dem akzidentell ausgesagten Sein dem Sein gemaumlszlig den Kategorien dem Sein imSinne des Wahrseins und dem Sein dem Vermoumlgen und der Verwirklichung nach Vgl dazuE Tugendhat Uumlber den Sinn der vierfachen Unterscheidung des Seins bei Aristoteles (Meta-physik Λ 7) in Ders Philosophische Aufsaumltze Frankfurt am Main 1992 136ndash144

21 Met Γ 21003 a 33 πρὸς ἓν

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 33

Erbschaft der zwar anders angelegten doch im weiten Sinn verwandten pla-tonischen Grunduumlberzeugung der bdquozwei Arten von Seiendenldquo22 sehen derentiefste Seinsdifferenz (neben veraumlnderlich-ewig sichtbar-unsichtbar etc) diezwischen selbstaumlndiger und unselbstaumlndiger Existenz ist Im engeren Sinnwird die Differenz als die zwischen dem substantiell und dem akzidentellSeienden ausgearbeitet die fuumlr Aristoteles schlieszliglich zur Folgerung fuumlhrtdass das primaumlr Seiende die Substanz das in der Untersuchung eigentlichAufzuhellende sei wie dies der emphatische Satz in Z 1 festhaumllt Da bdquodie vonalters her und jetzt und fuumlr immer uns umtreibende Frage was das Seiendesei nichts anderes meint als die Frage was die ousia seildquo hat die Erste Philo-sophie bdquohauptsaumlchlich und zuerst und sozusagen einzig zu betrachten wasdas in diesem Sinne Seiende istldquo23

Innerhalb dieser Betrachtung kommt dann die zweite Fokussierung zumTragen welche die unterschiedlichen Kandidaten fuumlr substantiell Seiendes (Z2) und die verschiedenen Begriffsbestimmungen von οὐσία (Z 3) analysiertund sich schlieszliglich auf die Frage zentriert ob eher der Stoff oder die Formdas Wesentliche wahrhaft Seiende in den Dingen ausmacht Es ist die Alter-native die Aristoteles schon im Bericht uumlber die Vorsokratiker als die basaleFrontstellung des anfangenden Denkens herausstellt wobei er festhaumllt dassbdquovon den ersten Philosophen die meisten nur die stoffartigen Prinzipien fuumlrdie Prinzipien aller Dingeldquo gehalten haben in welchen sie in der Tat so etwaswie deren Substanz erkannten als dasjenige bdquoworaus etwas urspruumlnglichentsteht und wohin es zuruumlckkehrtldquo und welches zugleich das Beharrlicheist das im Wandel der Eigenschaften konstant bleibt und ihm zugrundeliegt24 Die naumlhere Analyse der οὐσία fuumlhrt dann allerdings zur Verwerfungdieser Sichtweise nach welcher bdquoder Stoff Substanz istldquo da diesem die dis-tinktiven Kennzeichen der οὐσία selbstaumlndig (χωριστόν) und ein Bestimmtes(τόδε τι) zu sein abgehen25 Die Gegenvariante besteht darin die Form (εἶδος)bzw Wesensbestimmtheit (τί ἦν εἶναι) als dasjenige zu definieren was letztlichdie Substantialitaumlt des primaumlr Seienden ausmacht Die Argumente und Uumlber-legungen die Aristoteles in dieser Grundthese des Essentialismus zusammen-schlieszligt sind vielschichtig-komplex und bilden einen der Hauptgegenstaumlndeder exegetischen Bemuumlhung um die Metaphysik Daraus seien nur wenige

22 Phd 79 a δύο εἴδη των ὄντων23 Met Z 11028 b 3ndash7 καὶ δὴ καὶ το πάλαι τε καὶ νῦν καὶ ἀεὶ ζητούμενον καὶ ἀεὶ ἀπορούμενον

τί τὸ ὄν τοῦτό ἐστι τίς ἡ οὐσία [hellip] διὸ καὶ ἡμĩν καὶ μάλιστα καὶ πρῶτον καὶ μόνον ὡς εἰπεĩνπερὶ τοῦ ὅυτως ὄντος θεωρητέον τί ἐστιν

24 Met A 3983 b 6ndash18 τῶν δὴ πρώτων φιλοσοφησάντων οἱ πλεĩστοι τας ἐν ὕλης εἴδει μόναςῲήθησαν ἀρχας εἶναι πάντων [hellip] καὶ ἐξ οὗ γίγνεται πρώτου καὶ εἰς ὃ φθείρεται τελευταĩον

25 Met Z 31029 a 27 οὐσίαν εἶναι τὴν ὕλην

34 Emil Angehrn

Aspekte genannt die nicht zuletzt fuumlr die kritische Auseinandersetzung umdas aristotelische Konzept von Belang sind

Der Rahmen der Argumentation ist durch die Zusammenfuumlhrung vonepistemologischer und ontologischer Betrachtung bestimmt welche die Krite-rien des in houmlchster Weise Seienden zugleich als die des am meisten Erkenn-baren fasst Es geht um ein Erstes das in sich in eminenter Weise sowohl istwie erkannt wird und darin nach beiden Hinsichten Voraussetzung undGrundlage fuumlr anderes ist Die Herausforderung besteht darin zu zeigen dassbeide Seiten nicht auseinanderfallen sondern dass Seiendes gerade durch daswas es in sich begreifbar macht sowohl Selbstaumlndigkeit erlangt wie anderemals Fundament dient Zugrunde liegt die Intuition dass etwas kraft seinerBestimmtheit die Aristoteles als Artbestimmung (bdquoArt einer Gattungldquo26)fasst und die es letztlich identifizierbar und in dem was es ist erkennbarmacht eigenstaumlndiges Sein besitzt Zwischen dem Seienden und seiner Spezi-esbestimmtheit gibt es kein Auseinanderfallen Es gibt nicht ein leeres Etwasdem zusaumltzlich die Wesensbestimmtheit Pferd oder Baum zukaumlme Vielmehrso die aristotelische Formulierung sind bdquodas ti en einai und das einzelnedasselbeldquo27 wie es exemplarisch fuumlr die platonischen Ideen das Verhaumlltniszwischen dem Guten selbst und dem Gutsein gilt sonst bdquowuumlrde es von demeinen [dem Seienden] keine Wissenschaft geben und das andere [das ti eneinai] wuumlrde nichts Seiendes seinldquo28 Etwas begreifen heiszligt auf der einen Seitees in seiner Bestimmtheit erfassen auf der anderen Seite waumlre ein Begreifendieser Bestimmtheit das diese nicht als seiend erfasst kein wirkliches Erken-nen nicht von einer leeren Konstruktion zu unterscheiden Die Ideen sindModell eines eminenten Seienden das mit seiner Bestimmtheit unmittelbaridentisch ist das durch sie verkoumlrperte Verhaumlltnis aber soll gelten bdquoauchwenn es keine Ideen gibtldquo29

Kraft seiner Wesensbestimmtheit ist Seiendes eines in der zweifachen Be-deutung der inneren Einheit welche mehr als bloszlige Kontinuitaumlt oder aumluszligereVerbindung meint und der Individualitaumlt des einen unter anderen30 Andersals in der spaumlteren Tradition in welcher die causa formalis die allgemeineWesensnatur darstellt die den Exemplaren einer species gemeinsam ist undder gegenuumlber der Stoff als Individuationsprinzip fungiert hat Aristoteles

26 Met Z 41030 a 12 γένους εἰδῶν27 Met Z 61031 a 15 f πότερον δὲ ταὐτόν ἐστιν ἢ ἕτερον τὸ τί ἦν εἶναι καὶ ἕκαστον σκεπτέον28 Met Z 61031 b 3 f τῶν μὲν οὐκ ἔσται ἐπιστήμη τὰ δ᾽ οὐκ ἔσται ὄντα29 Met Z 61031 b 14 κἂν μὴ ᾖ εἴδη30 Zum Zusammenhang zwischen Wesensbestimmung und Individuation vgl das bdquoPrinzip der

Sortaldependenz der Identitaumltldquo das Christof Rapp als Angelpunkt der aristotelischen Sub-stanzlehre herausarbeitet Chr Rapp Persistenz und Substantialitaumlt Untersuchungen zumVerhaumlltnis von sortalen Termen und aristotelischer Substanz FreiburgndashMuumlnchen 1995 15

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 35

hier die inwohnende Form vor Augen die zusammen mit dem Stoff das kon-krete Einzelwesen konstituiert31 Die Form ist die strukturierend-synthetischeKraft die das materiale Substrat zum bestimmten Einzelwesen bildet so wirdnicht im eigentlichen Sinn die Wesensform vom Stoff ausgesagt da sie ihnvielmehr erst zu dem Einen macht dem Bestimmungen zugesprochen werdenkoumlnnen32 Sie verleiht dem Gegenstand seine spezifische Gestalt die ihn nachauszligen unterscheidet und nach innen zusammenhaumllt kraft ihrer hat Seiendesals Individuiertes Bestand kraft ihrer ist es nicht nur bestimmt sondern istes Ich will an dieser Stelle nicht dieses schwierige Theorem der aristoteli-schen Substanzlehre das in der Literatur auch unter dem Titel der individuel-len Form diskutiert worden ist33 fuumlr sich vertiefen Erhellend fuumlr den Sach-verhalt ist das Beispiel das fuumlr Aristoteles als Paradigma der οὐσία dient dasModell des Lebewesens Menschen Tiere Pflanzen stehen stellvertretend fuumlrdas bdquowas wir am meisten als ousia bezeichnenldquo34 die bdquonatuumlrlichen Wesenldquosind die allgemein anerkannten unkontroversen Substanzen35 ja vielleichtbdquohat nichts von dem was nicht von Natur besteht zu den Substanzen zuzaumlhlenldquo36 Lebewesen verkoumlrpern exemplarisch jene Doppelseitigkeit vonEinzelheit und Essentialitaumlt sie sind von sich aus individuiert und spezifiziertAnders als bei Artefakten ist sowohl ihr εἶδος eindeutig bestimmt das nichteiner Aggregierung von Elementen gleichsam von auszligen zugewiesen (sonderndurch Zeugung von einem Wesen gleicher Art uumlbertragen) wird wie auchihre Zahl und Individuiertheit feststeht (waumlhrend sie bei Artefakten und un-belebten Koumlrpern schwankend sein kann) Die Stufen des Lebendigen sindzugleich Stufen der Individuation und Selbstbezuumlglichkeit Das Lebewesenexemplarisch in seiner houmlchsten personalen Gestalt steht fuumlr das Urmodellder Substanz ndash und ist in der Ideengeschichte als gleichermaszligen vorausset-zungsreich kontrovers diskutiert worden

Zwei Fluchtlinien dieser Zusammenfuumlhrung von Bestimmtheit und Seinwerden in den Buumlchern Θ und Λ der Metaphysik weiter ausgezogen Die erstehat ihren Fluchtpunkt in der These bdquodass die ousia und das eidos Verwirkli-chung (energeia) sindldquo37 Im Kontext der allgemeinen Eroumlrterung des Verhaumllt-

31 Met Z 111037 a 29 f32 Vgl E Tugenhat Ti kata tinos Eine Untersuchung zu Struktur und Ursprung aristotelischer

Grundbegriffe FreiburgndashMuumlnchen 1958 84 ff33 Vgl M FredeG Patzig Aristotelesrsquo bdquoMetaphysik Zldquo Text Uumlbersetzung und Kommentar

2 Bde Muumlnchen 198834 Met Z 71032 a 19 ἃ δὴ μάλιστα λέγομεν οὐσίας εἶναι35 Met H 11042 a 7 f αἱ φυσικαί36 Met H 31043 b 21 f ἴσως μὲν οὖν οὐδ᾽οὐσίαι εἰσιν οὔτ᾽ αὐτα ταῦτα οὔτε τι τῶν ἄλλων ὅσα

μὴ φύσει συνέστηκεν37 Met Θ 81050 b 2 f ὥστε φανερον ὅτι ἡ οὐσία καὶ τὸ εἶδος ἐνέργειά ἐστιν

36 Emil Angehrn

nisses von δύναμις und ἐνέργεια entwickelt Aristoteles die These vom Primatdes Akts gegenuumlber dem Moumlglichsein die er dann mit der ontologischen Re-lation von Stoff und Form verschraumlnkt Das wahrhaft Seiende auf welchesdie Ousiologie hinzielt ist wesentlich als Vollzug als aktual Seiendes gedachtIn eminenter Weise trifft dies fuumlr das houmlchste Seiende zu Das Goumlttliche Ewi-ge existiert als reine Wirklichkeit jedes Verfuumlgen uumlber Potentialitaumlt waumlre eineEinbruchstelle des Nichtseinkoumlnnens der Sterblichkeit und der KontingenzDas Ewige ist ein notwendig Seiendes das jede Moumlglichkeit des Nicht- undAndersseins aus sich ausschlieszligt Der reine Akt ist nicht einfach nur die eineSeite eines Gegensatzes sondern gewissermaszligen die Vereinigung beider Sei-ten durch die gaumlnzliche Absorption der einen durch die andere Von solcherSeinsmaumlchtigkeit ist der erste Beweger daruumlber hinaus aber alles was in ewi-ger Bewegung ist bdquoDie Sonne die Gestirne und der ganze Himmel sind stetsin Verwirklichung und man braucht keine Angst zu haben dass sie einmalstill stehen wie dies die Naturphilosophen befuumlrchtenldquo38 Die Form die sichals vereinheitlichend-strukturierende Kraft gezeigt hat ist generell das Prinzipder Verwirklichung dem der Stoff als Dimension des Moumlglichen und Potenti-ellen gegenuumlbersteht Das εἶδος ist an ihm selbst nicht bloszlige Instanz der Iden-tifizierbarkeit sondern als vereinheitlichende Gestaltung zugleich Macht desWirklichwerdens und Offenbarens39 Beide Vollzuumlge sind zwei Seiten dersel-ben ἐνέργεια das Heraustreten aus dem Formlos-Potentiellen und die Zusam-menfuumlgung zur Einheit bis hin zur strikten Individualisierung das Aktualseinund das Einssein Die strukturelle Bestimmung der οὐσία als τί ἦν εἶναι findetihren Abschluss aber auch ihren Grund in der dynamischen Uumlberformungdes εἶδος als ἐνέργεια Verwirklichung kommt nicht als ein Anderes zur Formhinzu sondern erweist sich als deren eigenste Seinsweise Von da her wirddie Eingangsthese der Fundierung des Seins im Wesen eingeholt die sbquoessentia-listischelsquo These dass die Wesensform der wahre Seinsgrund40 der Dinge seiSie ist Grund des Was und Dass zugleich weil das Was gar nicht in Abstrakti-on vom Prozess seiner Verwirklichung konsequent zu Ende gedacht werdenkann Wahrhaftes Sein heiszligt Wesensverwirklichung

2 Metaphysik als Theologie

Die andere Fluchtlinie fuumlhrt diese Idee weiter aus in der Beschreibung deshoumlchsten Seienden welches als Ursache der Bewegtheit und der Ordnung

38 Met Θ 81050 b 22ndash24 διὸ ἀεὶ ἐνεργεĩ ἥλιος καὶ ἄστρα καὶ ὅλος ὁ οὐρανός καὶ οὐ φοβερὸνμή ποτε στῇ ὃ φοβοῦνται οἱ περὶ φύσεως

39 Tugendhat Ti kata tinos (wie Anm 32) 68 9040 Met Δ 81017 b 14ndash16 ἄλλον δε τρόπον ὃ ἂν ᾖ αἴτιον τοῦ εἶναι ἐνυπάρχον ἐν τοĩς τοιούτοις

ὅσα μὴ λέγεται καθ᾽ ὑποκειμένου οἷον ἡ ψυχη τῷ ζῴῳ Ferner Z 171041 b 28

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 37

aller Dinge in den Blick kommt Der Beweis der Existenz des unbewegtenBewegers verlaumluft wesentlich uumlber die genannten Merkmale der EwigkeitSingularitaumlt Notwendigkeit und reinen Aktualitaumlt welche die Bewegung desAlls auszeichnen und zugleich fuumlr emphatische Merkmale des eminent Seien-den stehen Als Prinzip der ewig-notwendigen Bewegung kann nur eines inFrage kommen bdquodessen Wesen Verwirklichungldquo und das selbst bdquoohne Stoffldquoist41 Die Kennzeichnung des ersten Ursprungs als einer potenzfreien reinenAktualitaumlt stellt die frontale Antithese zur mythischen Ursprungserzaumlhlungdar welche das All aus dem Chaos und der Nacht hervorgehen laumlsst42 Gegensolche genealogische Herleitung haumllt Metaphysik am strengen Grundsatz festdass das Houmlhere nicht aus dem Niedrigeren das Bestimmte nicht aus demUnbestimmten verstaumlndlich gemacht werden kann Nur das in sich Intelligi-belste das gleichzeitig das in houmlchster Weise Seiende ist kann Seins- undErkenntnisgrund fuumlr Anderes sein Seine letzte Uumlberhoumlhung hat dieses Ersteund Goumlttliche schlieszliglich darin dass sein Sein nicht nur reiner Vollzug undVerwirklichung sondern Lebendigkeit bdquobestes und ewiges Lebenldquo ist43 Esrealisiert sich als reines Denken dessen Vollzug Aristoteles als houmlchste Taumltig-keit und houmlchste Erfuumlllung als Lustvollstes (ἥδιστον) auszeichnet Gezeichnetist eine Vollkommenheit die zugleich Vollendung fuumlr das taumltige Subjekt selbstist Im Bild des goumlttlichen Lebens kommen die beiden Leitideen des wahrhaf-ten Seins und des Gluumlcks in ihren houmlchsten Steigerungen zur Konvergenz

Nur stichwortartig sei der weitere Horizont benannt in welchem Aristo-teles das Prinzip aller Dinge im Schlusskapitel des XII Buchs eroumlrtert unddas Themenfeld der Metaphysik gleichsam nach der komplementaumlren Haupt-stoszligrichtung eroumlffnet Das erste Prinzip steht hier nicht nur als Bewegungsur-sprung sondern als Ordnungsprinzip des Alls in Frage wobei Aristoteles dieFrage in zweierlei Hinsicht spezifiziert und dadurch uumlber die bdquoUnmoumlglichkei-ten und Ungereimtheitenldquo44 der vorsokratischen Welterklaumlrungen hinausge-langt Zum einen geht es nicht einfach darum irgendwelche Gesetzmaumlszligigkei-ten im Werden und Vergehen im Wechselspiel der Elemente oder der Aggre-gierung der Atome ausfindig zu machen sondern es geht um das houmlchsteOrdnungsprinzip das zugleich das eminente Prinzip des Seins ist um dasGute das bdquounter allem am meisten Prinzip istldquo45 Zum anderen geht es da-rum dieses Prinzip das ein immanentes Strukturprinzip des Wirklichen istzugleich als erstes transzendentes Prinzip jenseits der sinnlich erfahrbaren

41 Met Λ 61071 b 20 f ἧς ἡ οὐσία ἐνέργεια hellipἄνευ ὕλης42 Met Λ 61072 a 7 f43 Met Λ 71072 b 28 ζωὴ ἀρίστη καὶ ἀΐδιος44 Met Λ 101075 a 25 ἀδύνατα συμβαίνει ἢ ἄτοπα45 Met Λ 101075 a 37 καίτοι ἐν ἅπασι μάλιστα τὸ ἀγαθὸν ἀρχή

38 Emil Angehrn

Dinge zu setzen Es ist letztlich die Herrschaft des Einen mit der Aristotelesdie metaphysische Untersuchung abschlieszligt46 Ohne dass es naumlher ausgefuumlhrtwuumlrde ist bemerkenswert dass Aristoteles zum Schluss das Thema der Ord-nung des Alls zur Sprache bringt das in der Substanzlehre so nicht Themaist und das auch im Theorem des unbewegten Bewegers nur am Rande auf-scheint Bedeutsam ist ebenso dass dieses Ordnungsprinzip als erster Ur-sprung konzipiert ist der wiederum als houmlchste Substanz und houmlchste Gestaltdes Seienden gefasst ist so dass das Grundkonzept hier Gedankenlinien zu-sammenfuumlhrt die sowohl in der vorausgehenden Entstehungsgeschichte derMetaphysik auf getrennten Wegen ausgebildet werden wie sie auch in derspaumlteren Tradition in verschiedenen Straumlngen der Metaphysik ndash als Ontolo-gie Theologie Kosmologie ndash ihre Ausarbeitung finden Die Frage nach demSeienden als Seienden konvergiert an ihrem Kulminationspunkt mit der Lehrevom houmlchsten Wesen das seinerseits fuumlr die Bewegung und Ordnung des AllsPrinzipienfunktion ausuumlbt Die Erforschung der ersten Ursachen soll gleich-zeitig eine Erkenntnis dessen was die Seiendheit alles Seienden ausmacht einWissen vom houmlchsten Seienden und ein Begreifen der Wirklichkeit im Ganzenermoumlglichen Allerdings ist die innere Einheit dieser Konstellation bei Aristo-teles nicht systematisch reflektiert Fuumlr ihn stellt weder die Unterschiedlich-keit der Fragerichtungen der Metaphysik einen Irritationspunkt noch ihreZusammengehoumlrigkeit ein Problem dar In gewisser Weise geht die Unterbe-stimmtheit dieser Konstellation in die Wirkungsgeschichte seines Werks wiein die Problemgeschichte der Metaphysik ein In welcher Weise sie darin mitdem Streit um metaphysischen Thesen und Praumlmissen interferiert waumlre imEinzelnen zu zeigen

IV Metaphysik und Metaphysikkritik

Die Geschichte der Metaphysik ist keine homogen-lineare Entwicklung Sieist die Geschichte einer vielschichtigen auf unterschiedlichen Wegen und inimmer neuen Ansaumltzen operierenden Selbstverstaumlndigung des metaphysischenDenkens in welcher dieses sich zugleich im Spiegel seiner Kritik uumlber dieeigenen Fragen Wege und Denkformen verstaumlndigt Wie die Fortschreibungund Neuinterpretation die Konturen des metaphysischen Denkens schaumlrferhervortreten laumlsst so behauptet dieses seine Identitaumlt im Medium der KritikDie Auseinandersetzung laumlsst Weichenstellungen und Probleme erkennen die

46 Die anschlieszligenden Buumlcher M und N sind wiederum dem eher speziellen Thema der plato-nisch-pythagoreischen Lehre der Prinzipien Ideen und Idealzahlen gewidmet Buch Λ ent-haumllt umgekehrt einen Gesamtabriss der Ersten Philosophie

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 39

in ihm verhandelt werden Kant sieht in der Metaphysik einen Kampfplatzendloser Streitigkeiten die durch die Unabweisbarkeit aber auch Unbeant-wortbarkeit ihrer Fragen hervorgerufen werden (vgl KrV A VII f) Die Be-harrlichkeit der Kritik welche die Metaphysik wie einen Schatten begleitetgehoumlrt zu deren auffallenden Merkmalen Tatsache ist dass analoge Streit-punkte die Auseinandersetzung um die Metaphysik vom Anfang bis in neues-te Diskussionen hinein praumlgen Daraus seien nur einige Aspekte genannt diedem Profil der umrissenen Entstehungsgeschichte korrespondieren

Die beiden ersten entsprechen den zwei Hauptrichtungen unter denendie Herausbildung des metaphysischen Denkens bei Aristoteles in den Blickgekommen ist einerseits als Frage nach dem was einen Gegenstand in sichbegreifbar macht mit den Fluchtlinien der Substantialitaumlt und Wesensbe-stimmtheit andererseits als Frage nach dem houmlchsten Seienden und der Ord-nung des Ganzen Ergaumlnzend ist drittens die Grundhaltung zu nennen welchedem metaphysischen Denken als Suche nach objektiver Wahrheit zugrunde-liegt und die letztlich auf eine affirmative Fundierung unseres Selbst- undWeltverstaumlndnisses zielt Nach allen drei Hinsichten sind der Metaphysik imLaufe ihrer Geschichte Gegenstroumlmungen erwachsen die ihre Leitideen inFrage stellen

1 Jenseits von Substanz und Wesen

Die erste Problematisierung betrifft die Grunduumlberzeugung dass es in denDingen ein festes Wesen gibt und dass Erkennen und Sprechen nur in Abstuumlt-zung auf letzte Bestimmtheiten moumlglich sind In der aristotelischen Theoriewurde diese Sichtweise in zwei Schritten herausgearbeitet deren erster zurAbhebung des substantiellen vom akzidentellen Sein fuumlhrte waumlhrend derzweite die Substantialitaumlt uumlber die Formbestimmtheit definierte Beide Schrit-te bilden in der Folgegeschichte herausragende Kristallisationspunkte der Kri-tik Einerseits wird die zentrale Bezugnahme auf ein ansichseiendes Wesenals Grundlage konsistenten Sprechens und Erkennens suspendiert anderer-seits wird die Bindung der Substantialitaumlt an die essentielle Form in Fragegestellt Gegen diese Bindung rehabilitieren Ansaumltze der fruumlhen Neuzeit dieaumllteste materialistische Antithese zur platonisch-idealistischen SichtweiseNach Thomas Hobbes ist es der Koumlrper als solcher welcher die Kriterien derSubstanz erfuumlllt (vgl De corpore VIII) Die Formursache die nach Aristotelesin den Naturphaumlnomenen die Entstehung die Wesensbestimmung und dieZweckausrichtung begruumlndet verliert in der neuzeitlichen Wissenschafts-theorie ihre leitende Erklaumlrungsfunktion Noch tiefer geht die Infragestellungwelche die prinzipielle Ebenendifferenz zwischen einem Ansichseienden undeinem ihm Zukommenden zwischen einem Absoluten und einem Relationa-

40 Emil Angehrn

len unterlaumluft Nicht das In-sich-Bestimmte und Identische gilt als das ur-spruumlnglich Intelligible sondern die Relation die Struktur die Funktion unddie Differenz

Unterschiedliche Stroumlmungen des modernen Denkens artikulieren dieseAntithese zur metaphysischen Option Gegen die essentialistische Zentrie-rung auf das Wesen unterstreicht der Existentialismus den Vorrang der Exis-tenz Nicht in einer zugrundeliegenden Essenz sondern in der Weise des Exis-tierens liegt die Wahrheit uumlber den Menschen Hegels Logik ersetzt die Subs-tanzontologie durch eine Theorie absoluter Relationalitaumlt Kein Erstes undUnmittelbares sondern die absolute Vermittlung und das Verhaumlltnis von Ver-haumlltnissen bilden das Fundament von Sein und Erkenntnis Anstelle des festenRelats macht das Strukturdenken die Kombinatorik der Relationen zur Basisvon Intelligibilitaumlt der Funktionalismus verschaumlrft diese Wendung indemer ndash emphatisch bei N Luhmann ndash den Primat des Moumlglichen gegen dasWirkliche der Bestimmbarkeit gegen das Bestimmte behauptet Nicht dasEinfache sondern das Komplexe nicht das aktual Seiende sondern der Spiel-raum des Moumlglichen eroumlffnet den Raum des Verstehens In noch andererAkzentsetzung stellt das Differenzdenken die formalste Auszeichnung desSeins sein Fuumlr-sich-Sein und Mit-sich-Identischsein in Frage Dabei soll dieRehabilitierung der Relation und Funktion der Potentialitaumlt und Differenznicht einfach thematische Schwerpunkte verschieben oder begriffliche Hie-rarchien umkehren sondern grundlegende ontologische Raster unterlaufenPostuliert ist ein Denken das ohne die fundamentalistische Ausrichtung tra-ditionellen Denkens ohne Suche nach ersten Gruumlnden und letzten Referenzenauskommt In direkter Umkehrung der Argumente mit denen Platon undAristoteles das Festhalten an einem Nichtrelationalen als Grundlage allerRede behaupten wird der Verzicht auf solche Fixierung zur Voraussetzungeines angemessenen Verstehens erklaumlrt In profilierten Konstellationen ver-binden sich Gegenentwuumlrfe zur ontologischen Weichenstellung mit Ansaumltzenmoderner Metaphysikkritik Stellvertretend sei auf die Kritik Heideggers ver-wiesen dessen Destruktion der Ontologie die urspruumlngliche Falschheit desmetaphysischen Programms aufweisen will die er nicht erst in der Zentrie-rung auf die substantiale Wesensform sondern vorgaumlngig in der Frage nachdem Seienden als Seienden sieht welche die ontologische Differenz zwischenSein und Seiendem nivelliert und das von der Metaphysik eigentlich zu be-denkende Sein unbefragt laumlsst Darin erkennt er nicht nur einen Kategorien-fehler sondern einen fundamentalen Irrweg des Denkens der dem nihilisti-schen Grundzug verwandt ist den Nietzsche in der Metaphysik wahrnimmtHeideggers Ansatz ist fuumlr Autoren wie Derrida und dessen Kritik an einerMetaphysik der Praumlsenz maszliggeblich geworden auch wenn Heideggers Ideeeiner Seinsgeschichte in Derridas Augen selbst der metaphysischen Suchenach dem Ersten verhaftet bleibt

Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs 41

2 Pluralitaumlt Kontingenz Negativitaumlt

Die zweite Hauptstoszligrichtung der Auseinandersetzung stellt jene Punkte insZentrum die im gaumlngigen Verstaumlndnis am entschiedensten der Kritik verfal-len sind metaphysische Weltbilder die aufs Ganze des Wirklichen ausgreifenund dieses von letzten Prinzipien her begreifen Totalitaumltssuppositionen undumfassende inhaltliche Deutungen ndash des Kosmos der Ordnung der Kreatu-ren der Menschheitsgeschichte ndash haben in der modernen Kultur weithin ihreGlaubwuumlrdigkeit verloren Zum Stein des Anstoszliges werden Leitbegriffe wieEinheit Transzendenz Universalitaumlt Totalitaumlt die fuumlr das wissenschaftlicheErkennen Grenzwerte benennen in radikalerer Problematisierung werden er-kenntniskonstitutive Bestimmungen wie Identitaumlt und Ordnung zur Disposi-tion gestellt In vielfaumlltigen Konstellationen werden gegenlaumlufige Leitkonzep-te zur herrschenden Diskursordnung rehabilitiert Pluralitaumlt und Partikulari-taumlt Offenheit und Unabgeschlossenheit Irrationalitaumlt und Kontingenz

Doch erschoumlpft sich die Infragestellung der Metaphysik nicht in der Revi-sion der leitenden formalen und inhaltlichen Konzepte Prinzipieller gilt dieDistanzierung der tragenden Grundhaltung aus der heraus Erste Philosophieihr Ziel formuliert und ihre konzeptuellen Grundlagen erarbeitet Nicht dieUneinholbarkeit ihrer Thesen sondern die Fragwuumlrdigkeit ihres Projektswird zum Gegenstand der Kontroverse Problematisiert wird auf der einenSeite die prinzipielle Ausrichtung auf Wahrheit und Objektivitaumlt auf der an-deren das Absehen auf eine affirmative Wirklichkeitsdeutung Unverkennbarist Letzteres vielfaumlltig mit den theoretischen Leitbegriffen der Vernunft Ein-heit und Ordnung verschraumlnkt Philosophie soll nicht nur auf das Ganze aus-greifen sondern dessen Sinn und Rationalitaumlt erkunden und dadurch so He-gel mit der Wirklichkeit versoumlhnen Der begriffliche Streit um Einheit undVielfalt Identitaumlt und Differenz ist nicht von der normativen Besetzung derBegriffe abzuloumlsen die Diskreditierung der groszligen Erzaumlhlungen und identifi-zierenden Festschreibungen versteht sich nicht nur als kategoriale Korrektursondern als Absage an uumlberhoumlhte Sinnpostulate Dagegen wird der Ansprucherhoben ohne letzte Begruumlndung und abschlieszligendes Telos auszukommenKontingenz auszuhalten und sich im Vielfaumlltigen und Offenen im Leben wieim Denken orientieren zu koumlnnen Vielleicht in stringentester Weise wider-spricht ein sbquonegativistischeslsquo Denken das auf der Unversoumlhntheit der Weltbeharrt und seine Wahrheit aus dem Widerstand gegen das Negative gewinntden Praumlmissen metaphysischen Denkens ndash auch wenn es in solchem Wider-stand zugleich das spekulative Moment und darin das Erbe der Metaphysikbewahrt47

47 T W Adorno Negative Dialektik Frankfurt am Main 1967 46

42 Emil Angehrn

Die komplexe Konstellation der neueren Auseinandersetzungen um dieMetaphysik ist hier nicht zu entfalten Zu zeigen war nur inwiefern darinWeichenstellungen aufscheinen die den Gang der Metaphysik bestimmenund deren fruumlhe Profilierung sich in den Schriften des Aristoteles findetNicht nur im Blick auf die Tradierung Weiterentwicklung und Neuschrei-bung sondern auch auf die Problematisierung und kritische Auseinanderset-zung stellt die aristotelische Metaphysik ein Gruumlndungsdokument der euro-paumlischen Denkgeschichte par excellence dar Der Weg des Denkens den sieeroumlffnet indem sie sich einer tastenden Vorgeschichte vergewissert und sichin sie einschreibt bleibt offen sowohl im Blick auf die unabgeschlosseneArbeit des Erkennens wie auf die reflexive Selbstaufklaumlrung und kritischeBefragung Die Verschraumlnkung von Metaphysik und Metaphysikkritik bleibtunaufgeloumlst Sich uumlber die Gruumlnde dieser Unabschlieszligbarkeit zu verstaumlndigengehoumlrt zu den weiterfuumlhrenden letzten Fragen die an die Metaphysik selbstgestellt sind

Literatur

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Tugendhat E Ti kata tinos Eine Untersuchung zu Struktur und Ursprungaristotelischer Grundbegriffe FreiburgndashMuumlnchen 1958

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysikim Lichte sprachanalytischer Ontologie

Benedikt Strobel

Einleitung

Wer vorhat einen klassischen Text der Philosophiegeschichte im Lichte philo-sophischer Diskussionen der Gegenwart zu betrachten mag im Sinn habenden Text als Beitrag zu Fragen zu verstehen um die sich philosophischeDiskussionen der Gegenwart drehen oder er mag im Sinn haben Theorienund Konzeptionen die in philosophischen Diskussionen der Gegenwart einewichtige Rolle spielen als Licht zu verwenden um den Sinn dessen was indem Klassiker geaumluszligert wird aufzuhellen

Fuumlr die folgenden Uumlberlegungen zu Problemen der Theorie der οὐσία derMetaphysik habe ich beides im Sinn Ich moumlchte zum einen die Metaphysikals Beitrag zu Fragen verstehen die in der sprachanalytischen Ontologie derGegenwart eine wichtige Rolle spielen Zum anderen moumlchte ich das was inder Metaphysik zu diesen Fragen gesagt wird mit sprachanalytischen Mittelnzu klaumlren versuchen

Zu den zentralen Fragen mit denen sich Philosophen die Ontologiesprachanalytisch betreiben beschaumlftigen gehoumlren Fragen des folgenden TypsAuf die Annahme von Dingen welcher ontologischen Kategorien lege ichmich dadurch fest dass ich behaupte der-und-der Satz sei wahr Welche derAusdruumlcke die in dem Satz vorkommen (einschlieszliglich des Satzes selbst)stehen unter der Annahme seiner Wahrheit in bestimmen semantischen Rela-tionen zu bestimmen Dingen Um welche semantische Relation handelt essich jeweils Handelt es sich darum dass der Ausdruck etwas bezeichnet(eine bestimmte Referenz hat) Handelt es sich darum dass er einen be-stimmten von seiner Referenz zu unterscheidenden Sinn ausdruumlckt den erbesitzen muss um eine Referenz zu haben Wie sind die Entitaumlten (sei es aufder Referenz- sei es auf der Sinn-Ebene) ontologisch zu charakterisieren umverstaumlndlich zu machen dass die Ausdruumlcke die in einer semantischen Rela-tion zu ihnen stehen genau diese Relation zu ihnen unterhalten

Die Frageintention laumlsst sich beispielsweise an einem singulaumlr praumldikati-ven Satz wie Sokrates ist ein Menschlsquo erlaumlutern Dass der Ausdruck Sokra-

46 Benedikt Strobel

teslsquo etwas das Einzelding Sokrates bezeichnen muss falls der Satz wahr seinsoll scheint selbstverstaumlndlich1 aber unterhaumllt der Ausdruck Sokrateslsquo aucheine semantische Relation zu etwas das festlegt worauf er Bezug nimmtnaumlmlich zu etwas das man mit Frege2 den Sinn des Ausdrucks nennen kannWenn ja wie ist dieser Sinn ontologisch zu charakterisieren Und wie stehtes mit dem Rest des Satzes ist ein Menschlsquo Bezeichnet auch dieser Ausdrucketwas Oder eher nur sbquoein Menschlsquo (ohne die Kopula istlsquo) Oder keiner derbeiden Ausdruumlcke Wenn ist ein Menschlsquo (oder ein Menschlsquo) etwas bezeich-net handelt es sich hier um dieselbe semantische Relation wie die die Sokra-teslsquo zu Sokrates unterhaumllt oder ist mit Bezeichnenlsquo eine andere semantischeRelation gemeint Und wie ist das von ist ein Menschlsquo (oder ein Menschlsquo)Bezeichnete ontologisch zu charakterisieren v a in seiner Beziehung zu demEinzelding Sokrates Hat ferner auch der Ausdruck ist ein Menschlsquo (oderein Menschlsquo) einen von seiner Referenz verschiedenen Sinn der seine Refe-renz festlegt Wie verhaumllt es sich schlieszliglich mit dem Satz Sokrates ist einMenschlsquo insgesamt Hat er ebenfalls eine bestimmte Referenz Wenn ja wasbezeichnet er Einen Wahrheitswert (wie Frege3 dachte) Oder vielmehr eineTatsache Was ist eine Tatsache Wie verhaumllt sich die Tatsache zu dem Einzel-ding und dem Universale Ist sie aus beiden zusammengesetztlsquo Zudem Hatder Satz nicht auch einen von seiner Referenz verschiedenen Sinn Wenn jawie verhaumllt sich dieser Sinn die von dem Satz ausgedruumlckte Proposition zurReferenz des Satzes Wie sind Tatsachen und Propositionen ontologisch zucharakterisieren

Auch wenn Aristoteles in der Metaphysik keinen Beitrag zur neuerenDiskussion dieser (und aumlhnlicher) Fragen zu leisten gedachte (und gedenkenkonnte) sagt er hier vieles was so rekonstruiert werden kann dass es fuumlr sierelevant ist Allerdings ist der semantische Gehalt seiner Aumluszligerungen in demWerk weniger transparent als etwa in der Kategorienschrift deren σκοπόςdarin gesehen werden kann zu klaumlren Dinge welcher ontologischen Katego-rien die ndash von den spaumlteren Kommentatoren so genannten ndash einfachen Aus-druumlcke (ἁπλαῖ λέξεις ἁπλαῖ φωναί) bezeichnen4 Aristoteles knuumlpft in der Me-taphysik in manchen Punkten an die in den Kategorien entwickelte Theorie

1 Vgl G Frege Sinn und Bedeutung in Ders Kleine Schriften hrsg v I Angelelli Hildes-heimndashZuumlrichndashNew York 21990 143ndash162 hier 154 bdquoWenn man etwas behauptet so istimmer die Voraussetzung selbstverstaumlndlich dass die gebrauchten einfachen oder zusam-mengesetzten Eigennamen eine Bedeutung habenldquo

2 Vgl z B ebd 144 ff3 Vgl z B ebd 1494 Vgl hierzu B Strobel Von einem Subjekt ausgesagt werden und an einem Subjekt vorliegen

zur Semantik genereller Terme in der aristotelischen Kategorienschrift Phronesis 54 200940ndash75 hier 48

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 47

der Referenz der einfachen Ausdruumlckelsquo an scheint sie aber in anderen Punk-ten einer tiefgreifenden Revision zu unterwerfen Einerseits ist von Entitaumltendie Rede die in den Kategorien noch keine Rolle spielen naumlmlich von Formund Materie und es ist unklar wie sich diese Entitaumlten in die in den Kategori-en entwickelte Theorie der Referenz der einfachen Ausdruumlckelsquo integrierenlassen andererseits scheinen die in den Kategorien eingefuumlhrten Substanzenim sekundaumlren Sinne also die Arten und Gattungen der Substanzen im pri-maumlren Sinne von der ontologischen Bildflaumlche verschwunden zu sein (jeden-falls ist nicht mehr von zweiten Substanzenlsquo die Rede) Jedoch spielt diesemantische Analyse der Ausdruumlcke denen in den Kategorien (52 b 30) zu-geschrieben wird zweite Substanzen zu bezeichnen ndash es handelt sich z B umalltagssprachliche Ausdruumlcke des Typs ἄνθρωποςlsquo (ein Menschlsquo) oder desTyps βοῦςlsquo (ein Rindlsquo) ndash auch fuumlr die Theorie der οὐσία in der Metaphysikeine wichtige Rolle ohne dass unmittelbar klar waumlre was ndash der Metaphysikzufolge ndash solche Ausdruumlcke bezeichnen Vor allem ist unklar ob sie ndash derMetaphysik zufolge ndash substantielle Formen bezeichnen oder nicht und ob sieUniversalien bezeichnen oder nicht

Unter Ausdruumlckenlsquo verstehe ich hier und im folgenden nicht Ausdrucks-typen sondern Ausdrucksvorkommnisse (d h sinnlich wahrnehmbare Zei-chen) und lege fest dass jeder Ausdruck genau einen (Fregeschen) Sinn hatalso nicht mehrdeutig ist5 (Ebenso verfahre ich wenn ich von Termenlsquo ge-

5 Dieses Verstaumlndnis von Ausdrucklsquo scheint mir gut zu dem zu passen was Aristoteles unterλεγόμενονlsquo versteht In den Kategorien heiszligt es bdquoVon dem was ohne Verbindung geaumluszligertwird (τῶν κατὰ μηδεμίαν συμπλοκὴν λεγομένων) bezeichnet (σημαίνει) jedes entweder eineSubstanz oder etwas so-und-so Bemessenes oder etwas so-und-so Beschaffenes oder etwasin Bezug auf etwas oder etwas an einem Ort oder etwas zu einer Zeit oder daszlig es liegt oderdaszlig es hat oder daszlig es tut oder daszlig es leidetldquo (Cat 41 b 25ndash27) Aristoteles setzt hiervoraus dass Ausdruumlcke nicht unabhaumlngig von ihrem Sinn individuiert sind dass wir es alsomit verschiedenen Ausdruumlcken zu tun haben wenn Ausdruck A einen anderen Sinn hat alsAusdruck B Dies kann man sich an folgendem Beispiel klarmachen Wenn der AusdruckΣωκράτηςlsquo unabhaumlngig von seinem Sinn individuiert waumlre ndash sagen wir z B nach dem Krite-rium wie er buchstabiert wird (siehe zu den verschiedenen Kriterien fuumlr die Individuierungvon Ausdruckstypen W Kuumlnne Abstrakte Gegenstaumlnde Semantik und Ontologie Frank-furt am Main 22007 229) ndash so waumlre es falsch zu sagen dass er entweder eine Substanzoder etwas so-und-so Bemessenes oder (usw) bezeichnet Wenn er in einem Sinn verwendetwird in dem er eine bestimmte Person bezeichnet bezeichnet er eine Substanz aber wennich ihn ndash ungewoumlhnlicherweise ndash in einem Sinn verwende in dem er die Farbe Weiszlig bezeich-net bezeichnet er in diesem Kontext keine Substanz sondern eine Qualitaumlt Aristotelesscheint sich der Kontextvariabilitaumlt des Bezeichnens von Ausdruumlcken die unabhaumlngig vonihrem Sinn individuiert sind durchaus bewusst gewesen zu sein Vgl F A Lewis Predica-tion Things and Kinds in Aristotlersquos Metaphysics Phronesis 56 2011 350ndash387 hier 356mit Bezug auf De int 116 a 5ndash6 Mit der Voraussetzung dass Ausdruumlcke nicht unabhaumlngigvon ihrem Sinn individuiert sind legt sich Aristoteles nicht auf die Auffassung fest dass essich bei den Ausdruumlcken nicht um Ausdruckstypen sondern um Ausdrucksvorkommnissesinnlich wahrnehmbare Zeichen handelt Denn auch sinnlich wahrnehmbare Zeichen koumln-

48 Benedikt Strobel

nerellen Termenlsquo singulaumlren Termenlsquo Praumldikatenlsquo und Saumltzenlsquo spreche Ge-meint sind jeweils Ausdrucksvorkommnisse mit genau einem Sinn) DieseFestlegung hat auch den pragmatischen Vorteil dass ich wenn ich davonspreche dass ein Ausdruck etwas bezeichnet nicht immer hinzufuumlgen musswenn er in dem-und-dem Sinn gebraucht wirdlsquo

Die Ausdruumlcke denen in den Kategorien zugeschrieben wird zweiteSubstanzen zu bezeichnen werde ich im Folgenden als generelle Terme derSubstanz-Kategorielsquo bezeichnen Mit dieser Redeweise praumljudiziere ich wederAnnahmen daruumlber ob diese Ausdruumlcke laut der Metaphysik Universalienbezeichnen noch daruumlber ob sie laut der Metaphysik Substanzen bezeichnenIch moumlchte hier unter einem generellen Termlsquo einen Ausdruck verstandenwissen dessen Sinn damit vereinbar ist dass der Ausdruck zusammen miteinem Vorkommnis der Kopula ein vollstaumlndiges Praumldikat ergibt (selbst wenner de facto nicht Teil eines Praumldikats ist)6 Unter den generellen Termen gren-ze ich mit dem zusaumltzlichen Genitiv der Substanz-Kategorielsquo diejenigen ausdie einen Sinn haben der es nach aristotelischer Lehre erlaubt mit ihnensolche Fragen des Typs Was ist (τί ἐστι) xlsquo korrekt zu beantworten in denenfuumlr xlsquo der Name einer Substanz eintritt (wobei bewusst offenbleibe ob essich bei der Substanz um eine primaumlre oder sekundaumlre Substanz im Sinne derKategorien oder um eine substantielle Form im Sinne der Metaphysik han-delt) So sind z B alltagssprachliche Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo gene-relle Terme der Substanz-Kategorie da sie einen Sinn haben der es nacharistotelischer Lehre erlaubt mit ihnen solche Fragen des Typs Was ist (τίἐστι) xlsquo korrekt zu beantworten in denen fuumlr xlsquo der Name einer Substanz(z B Sokrateslsquo) eintritt

Die Frage was ndash der Metaphysik zufolge ndash generelle Terme der Substanz-Kategorie bezeichnen wird die Leitfrage der folgenden Uumlberlegungen seinSie haumlngt eng mit der vieldiskutierten Frage zusammen ob Aristoteles in derMetaphysik den primaumlren Kandidaten auf den Titel οὐσίαlsquo den substantiel-

nen zu ein und demselben Zeitpunkt oder zu verschiedenen Zeitpunkten mehr als einenSinn haben und umgekehrt kann auch das Kriterium fuumlr die Individuierung von Ausdrucks-typen so formuliert werden dass aus ihm folgt dass wir es mit verschiedenen Ausdrucksty-pen zu tun haben wenn ein Vorkommnis von Typ A einen anderen Sinn hat als ein Vor-kommnis von Typ B Gleichwohl denke ich dass Aristoteles hier unter Ausdruumlcken sinnlichwahrnehmbare Zeichen also Ausdrucksvorkommnisse verstanden wissen will (so jedochdass fuumlr die Zeichen festgelegt ist dass sie weder zu ein und demselben Zeitpunkt noch zuverschiedenen Zeitpunkten mehrdeutig sind) Ich sehe bei Aristoteles die klare TendenzAusdrucksvorkommnisse als die basalen sprachlichen Entitaumlten zu betrachten um die esder semantischen Theorie primaumlr geht Siehe fuumlr den Fall wahrheitsfaumlhiger Saumltze P CrivelliAristotle on Truth Cambridge 2004 72ndash75 und hier vor allem das erste Argument (72ndash73)

6 Vgl dazu Kuumlnne (wie Anm 5) 328 ff

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 49

len Formen zuschreibt Universalien zu sein oder nicht Denn wenn Aristote-les in der Metaphysik die Auffassung vertraumlte dass das was ein generellerTerm der Substanz-Kategorie bezeichnet sowohl eine substantielle Form alsauch ein Universale ist so waumlre dies ein gewichtiger Grund dafuumlr ihm dieAuffassung zuzuschreiben dass substantielle Formen Universalien sind

Nun gehen bekanntlich die Auffassungen daruumlber ob den Formen in derMetaphysik zugeschrieben wird Universalien zu sein weit auseinander undreichen vom Eingestaumlndnis der Unfaumlhigkeit eine uumlberzeugende Antwort zufinden die auf die Metaphysik als ganze zutraumlfe bis hin zur Entwicklungelaborierter unitarischer Argumente fuumlr oder wider die Universalitaumlt der aris-totelischen Formen7 Auf das Interpretationsproblem trifft zu was SheldonCohen einmal zur Deutung der aristotelischen Materiekonzeption bemerkte

bdquoOn the issues involved here as on so many others Aristotle says somany apparently incompatible things that it is virtually impossible tofind an interpretation against which some text cannot be cited This un-happy situation is aggravated because it is often difficult and sometimesimpossible to tell whether Aristotle is presenting his own view a rivalview or merely trying out an hypothesisldquo8

Ich erhoffe mir von der folgenden Untersuchung der Frage was ndash der Meta-physik zufolge ndash generelle Terme der Substanz-Kategorie bezeichnen keineerschoumlpfende Antwort auf die Frage ob den Formen in der Metaphysik zuge-schrieben wird Universalien zu sein Gleichwohl wird die Untersuchung dererstgenannten Frage ein Nebenresultat haben das eine Antwort auf diezweitgenannte Frage darstellt Denn es wird sich zeigen dass die Annahmenderen sich Aristoteles in der Metaphysik zur Beantwortung der Frage bedientwas generelle Terme der Substanz-Kategorie bezeichnen unvereinbar sindmit der These dass substantielle Formen sofern sie von sprachlichen Ausdruuml-cken bezeichnet werden koumlnnen Universalien sind Dies schlieszligt freilich nichtaus dass Aristoteles in anderen Kontexten der Metaphysik Annahmenmacht die die genannte These implizieren z B wenn er den Formen zu-schreibt definierbar zu sein Somit wird sich aus meinen Uumlberlegungen zwareine Antwort auf die Frage ergeben ob den Formen in der Metaphysik zuge-schrieben wird Universalien zu sein ndash jedoch sicher keine erschoumlpfende Ant-wort

Der erste Teil meiner Uumlberlegungen wird der Frage gewidmet sein obAristoteles in der Metaphysik (einigen) generellen Termen der Substanz-Kate-

7 Vgl dazu den Forschungsuumlberblick bei D Fonfara Die Ousia-Lehren des Aristoteles Unter-suchungen zur Kategorienschrift und zur Metaphysik BerlinndashNew York 2003 149ndash168

8 S Cohen Aristotlersquos Doctrine of the Material Substrate Philosophical Review 93 1984171ndash194 hier 173

50 Benedikt Strobel

gorie zuschreibt substantielle Formen zu bezeichnen Fuumlr die Beantwortungder Frage werde ich von einem explizit semantischen Argument ausgehendas Aristoteles am Ende des Aporienbuchs (Met Β) anfuumlhrt Aristoteles fuumlhrthier das Argument ohne behauptende Kraft an aber einige Thesen des Argu-ments kehren an spaumlteren Stellen der Metaphysik (insbesondere in Ζ) so wie-der dass sie Aristoteles dort mit behauptender Kraft zu aumluszligern scheint (ichsage bdquoscheintldquo denn auch seine Untersuchung an den spaumlteren Stellen traumlgtaporematische Zuumlge die es dem Interpreten schwer machen zu entscheidenwas Aristoteles an ihnen mit behauptender Kraft aumluszligert und was nicht) DieAnnahme dass Aristoteles das Argument als ganzes akzeptiert9 scheint mirplausibel sie ist jedoch nicht vorausgesetzt fuumlr meine Antwort auf die Frageob Aristoteles in der Metaphysik (einigen) generellen Termen der Substanz-Kategorie zuschreibt substantielle Formen zu bezeichnen fuumlr die Antwortsetze ich nur voraus dass Aristoteles eine der Zwischenkonklusionen desArguments akzeptiert (sowie die Praumlmissen mit denen sie in dem Argumentbegruumlndet wird) naumlmlich die These dass jeder Ausdruck der ein Universalebezeichnet kein τόδε τι sondern τοιόνδε bezeichnet Und dafuumlr dass er dieseThese (sowie die Praumlmissen mit denen sie begruumlndet wird) akzeptiert gibtes wie sich zeigen wird gute Gruumlnde

Im zweiten kuumlrzeren Teil werde ich zu zeigen versuchen dass Aristotelesmit der Behauptung dass jeder Ausdruck der ein Universale bezeichnet keinτόδε τι sondern τοιόνδε bezeichnet den Universalien etwas zuschreibt dasdem aumlhnlich ist was Frege Begriffen zuschreibt wenn er ihnen eine praumldikati-ve Natur zuschreibt10 Und ich werde zu zeigen versuchen dass sich Aristote-

9 Vgl S Menn Aporiai 13ndash14 in M CrubellierA Laks (Hrsg) Aristotle MetaphysicsBeta Symposium Aristotelicum Oxford 2009 211ndash265 hier 234 bdquoAristotle simply acceptsthe argument of B 14 1003a7ndash12ldquo Vgl auch ebd 222

10 Der Vergleich zwischen aristotelischen Universalien und Fregeschen Begriffen ist nicht neuEr wird etwa von H Weidemann ndash in seinem Kommentar zur Einteilung der Dinge (πράγμα-τα) in Universalien und Einzeldinge in De int 717 a 38 ndash b 1 ndash gezogen Weidemann zufolgebdquodeckt sich seine [sc Aristotelesrsquo] Unterscheidung zwischen allgemeinen und einzelnenπράγματα im wesentlichen mit der Unterscheidung die Gottlob Frege unter Berufung aufdie von ihm so genannte sbquopraumldikative Natur des Begriffslsquo [] zwischen einem Begriff alsder sbquoBedeutung eines grammatischen Praumldikatslsquo [] und einem Gegenstand als der Bedeu-tung eines (im Gegensatz zu einem Begriffswort nicht praumldikativ verwendbaren) Eigenna-mens machtldquo H Weidemann Aristoteles Peri Hermeneias (= Aristoteles Werke in deut-scher Uumlbersetzung Bd 1 Teil II) Berlin 1994 209 f Die Verwandtschaft zwischen Frege-schen Begriffen und aristotelischen Universalien betont auch J Kung Aristotle on ThisesSuches and the Third Man Argument Phronesis 26 1981 207ndash247 hier 209 Zwar binich nicht der Auffassung dass sich beide Unterscheidungen bdquoim wesentlichenldquo miteinanderdecken ndash die fuumlr Freges Begriffskonzeption sicher wesentliche Definition des Begriffs alsbdquoFunktion deren Wert immer ein Wahrheitswert istldquo G Frege Funktion und Begriff inDers Kleine Schriften hrsg v I Angelelli HildesheimndashZuumlrichndashNew York 21990 125ndash142 hier 133 hat in der aristotelischen Universalienkonzeption offenkundig kein Entspre-

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 51

les damit ein Problem einhandelt das dem aumlhnlich ist das als Freges Para-doxlsquo in die Annalen der Philosophiegeschichte eingegangen ist

I Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategoriein der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen zu

bezeichnen

1 Das Argument am Ende von Buch Beta

Das Argument von dem ich ausgehen moumlchte ist Teil der letzten Aporie vonBuch Beta (Met Β 61003 a 5ndash17)

bdquoDiese [vorher genannten] Aporien muszlig man nun mit Blick auf die Prin-zipien [des Seienden] eroumlrtern und auch [die Aporie] ob die PrinzipienUniversalien sind oder so wie wir die Einzeldinge auffassen [I] Wenn sienaumlmlich Universalien sind werden sie keine οὐσίαι sein Denn nichts derDinge die gemeinsam sind bezeichnet ein τόδε τι11 sondern τοιόνδε dieοὐσία [bezeichnet] aber τόδε τι Wenn es moumlglich ist das gemeinsam Aus-gesagte als τόδε τι und Eines anzusetzen12 wird Sokrates viele Lebewe-

chungsstuumlck ndash doch sehe ich wie Weidemann auffaumlllige Parallelen sowohl zwischen Frege-schen Gegenstaumlnden und aristotelischen Einzeldingen als auch zwischen Fregeschen Begrif-fen und aristotelischen Universalien

11 Ich lasse bdquoτόδε τιldquo hier und im folgenden unuumlbersetzt da ich mir unsicher bin wie diefolgenden Fragen zu beantworten sind Ist hier bdquoτιldquo wie der unbestimmte Artikel bdquoeinldquo zuverstehen und bdquoτόδε τιldquo im Sinne von bdquoein Diesesldquo So etwa W D Ross Aristotlersquos Meta-physics A Revised Text with Introduction and Commentary Vol I Oxford 1924 248 oderMenn (wie Anm 9) 223 Oder ist bdquoτιldquo im Sinne von bdquo(von) einer Artldquo und bdquoτόδε τιldquo imSinne von bdquoein Dieses einer Artldquo zu verstehen So etwa ndash allerdings ohne definitive Festle-gung ndash M FredeG Patzig Aristoteles Metaphysik Zlsquo Text Uumlbersetzung und KommentarZweiter Band Kommentar Muumlnchen 1988 15 Wie Ross sind auch Frede und Patzig inihren Uumlberlegungen dazu von den Bemerkungen bei J A Smith τόδε τι in Aristotle Classi-cal Review 35 1921 19 abhaumlngig

12 Uumlberliefert ist hier bdquoεἰ δrsquo ἔσται τόδε τι καὶ ἐκθέσθαι τὸ κοινῇ κατηγορούμενονldquo wozu Ross(wie Anm 11) 250 bemerkt bdquoThe manuscript reading would require the rendering lsquoif thecommon predicate is to be a this and it is to be possible to set it out apart from theparticularsrsquo (for the meaning of ἐκθέσθαι cf A 992b 10 n) ndash an intolerable zeugma I hadthought of ἐκθέσθαι ) ἐξέσται and Jaeger proposes ) δεῖ ἐκθέσθαι (to which 999a 30 offersas he remarks a good parallel) but Richardsrsquos ἓν θέσθαι (cf l 12 τόδε τι καὶ ἕν) is betterThe corruption goes back beyond Alexander (cf 236 8)ldquo Wie Ross denke ich dass dieuumlberlieferte Formulierung eine kaum ertraumlgliche sprachliche Haumlrte hat und bin geneigt dieEmendation bdquoἓν θέσθαιldquo zu akzeptieren Andererseits bemerkt Menn (wie Anm 9) 227zugunsten von bdquoἐκθέσθαιldquo mit Recht bdquo[] the reference to ἔκθεσις is entirely agrave proposldquoMenn rechtfertigt die These mit einer erhellenden Explikation des relevanten Sinns vonbdquoἔκθεσιςldquo 228ndash231 Freilich bemerkt Menn (wie Anm 9) 233 auch mit Recht dass fuumlr das

52 Benedikt Strobel

sen13 sein er selbst und der Mensch und das Lebewesen da ja jeder [derentsprechenden Ausdruumlcke] ein τόδε τι und eines bezeichnet Wenn nundie Prinzipien Universalien sind folgt dieses [II] Wenn sie nicht Univer-salien sind sondern wie die Einzeldinge werden sie nicht wiszligbar seindenn das Wissen von allem ist universal Somit wird es andere Prinzipiengeben vor den Prinzipien naumlmlich die universal ausgesagten wenn esvon ihnen Wissen geben sollldquo14

Die Aporie hat die Gestalt eines Dilemmas mit den folgenden beiden Houmlr-nern Entweder [I] sind die Prinzipien [des Seienden] Universalien oder [II]eine spezielle Sorte von Einzeldingen Tertium non datur Aristoteles ziehtzunaumlchst unerfreuliche Konsequenzen aus der Annahme dass die PrinzipienUniversalien sind sodann aus der gegenteiligen Annahme dass sie eine spezi-elle Sorte von Einzeldingen sind

Es ist unkontrovers dass die von Aristoteles hier bloszlig skizzierte Aporieeines der Hauptprobleme fuumlr seine Untersuchungen in den folgenden Buumlchernder Metaphysik darstellt insbesondere fuumlr die Untersuchungen in Metaphy-sik Z15 manche Interpreten sind sogar der Uumlberzeugung dass es Aristotelesnicht gelungen sei die Aporie zu loumlsen So fuumlhlte sich bereits Eduard Zeller

Verstaumlndnis des Arguments nicht viel davon abhaumlngt ob dem uumlberlieferten bdquoἐκθέσθαιldquo oderder Konjektur bdquoἓν θέσθαιldquo der Vorzug gegeben wird Erwaumlhnt sei auch noch dass Christbdquoκατrsquo ἔκθεσινldquo anstelle von bdquoκαὶ ἐκθέσθαιldquo vorschlaumlgt (vgl W Christ Aristotelis Metaphy-sica Nova impressio correctior Leipzig 1906) und hiermit das syntaktische Problem loumlstzugleich aber auch die Rede von bdquoἔκθεσιςldquo bewahrt gegen den Vorschlag spricht jedochdass die Korruption von bdquoκατrsquo ἔκθεσινldquo in bdquoκαὶ ἐκθέσθαιldquo schwer zu erklaumlren waumlre

13 Christ (wie Anm 12) und W Jaeger Aristotelis Metaphysica Oxford 1957 halten dasentsprechende bdquoζῷαldquo fuumlr zu tilgen aber die Tilgung ist nicht notwendig Aristoteles setztfuumlr den Zusatz von bdquoζῷαldquo die Guumlltigkeit der generellen Aussagen Der Mensch ist einMenschlsquo und Das Lebewesen ist ein Lebewesenlsquo voraus die ja in der Tat trivialerweisewahr sind handelte es sich nun bei den Subjekten der beiden Praumldikationen jeweils um einτόδε τι so waumlre im ersten Fall von einem bestimmten Menschen und im zweiten Fall voneinem bestimmten Lebewesen die Rede in beiden Faumlllen also von bestimmten Lebewesen

14 ταύτας τε οὖν τὰς ἀπορίας ἀναγκαῖον ἀπορῆσαι περὶ τῶν ἀρχῶν καὶ πότερον καθόλου εἰσὶν ἢὡς λέγομεν τὰ καθrsquo ἕκαστα εἰ μὲν γὰρ καθόλου οὐκ ἔσονται οὐσίαι (οὐθὲν γὰρ τῶν κοινῶν τόδετι σημαίνει ἀλλὰ τοιόνδε ἡ δrsquo οὐσία τόδε τι εἰ δrsquo ἔσται τόδε τι καὶ ἓν θέσθαι [ἓν θέσθαιRichards Ross ἐκθέσθαι Hss Alc siehe oben Anm 12] τὸ κοινῇ κατηγορούμενον πολλὰἔσται ζῷα [ζῷα Hss getilgt von Christ und Jaeger siehe oben Anm 13] ὁ Σωκράτης αὐτόςτε καὶ ὁ ἄνθρωπος καὶ τὸ ζῷον εἴπερ σημαίνει ἕκαστον τόδε τι καὶ ἕν) ndash εἰ μὲν οὖν καθόλου αἱἀρχαί ταῦτα συμβαίνει εἰ δὲ μὴ καθόλου ἀλλrsquo ὡς τὰ καθrsquo ἕκαστα οὐκ ἔσονται ἐπιστηταί(καθόλου γὰρ ἡ ἐπιστήμη πάντων) ὥστrsquo ἔσονται ἀρχαὶ ἕτεραι πρότεραι τῶν ἀρχῶν αἱ καθόλουκατηγορούμεναι ἄνπερ μέλλῃ ἔσεσθαι αὐτῶν ἐπιστήμη

15 Vgl A Code The Aporematic Approach to Primary Being in Metaphysics Z CanadianJournal of Philosophy Supplementary Volume 10 1984 1ndash20 hier 4

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 53

gezwungen bdquoan diesem Punkte [] einen houmlchst eingreifenden Widerspruchim System des Philosophen anzuerkennenldquo16

Auf das zweite Horn des Dilemmas werde ich im folgenden nicht naumlhereingehen es sei lediglich bemerkt dass Aristoteles das Argument in Metaphy-sik Μ 101087 a 10ndash25 entkraumlften zu wollen scheint17 ob dieser Versuchaber wirklich den Kern des Problems trifft ist umstritten18 Mein Interessegilt dem ersten Horn und hier insbesondere der These die von Aristoteles ananderen Stellen19 mit behauptender Kraft geaumluszligert wird bdquoDenn nichts derDinge die gemeinsam sind bezeichnet ein τόδε τι sondern τοιόνδεldquo (οὐθὲνγὰρ τῶν κοινῶν τόδε τι σημαίνει ἀλλὰ τοιόνδε ἡ δrsquo οὐσία τόδε τι)20

Das Argument ist enthymematisch mehrere seiner Praumlmissen bleiben un-ausgesprochen ndash ebenso wie seine Schlusskonklusion Ich werde in meinerRekonstruktion das Pferd von hinten aufzaumlumen also mich von der Schluss-konklusion nach vorne zu den Ausgangspraumlmissen vorarbeiten

Die (unausgesprochene) Schlusskonklusion lautet dass die Prinzipiennicht Universalien sind unmittelbar begruumlndet wird sie mit der Feststellungdass die Prinzipien wenn sie Universalien sind nicht οὐσίαι sind nun sindsie aber οὐσίαι ndash diese Praumlmisse wird nicht explizit ausgesprochen ndash also sindsie nicht Universalien

(K3) Wenn die Prinzipien [des Seienden] Universalien sind sind sie nichtοὐσίαι [aus (K2) siehe unten]

(P5) Die Prinzipien [des Seienden] sind οὐσίαι [implizit](K4) Die Prinzipien [des Seienden] sind nicht Universalien [implizit aus (K3)

und (P5)]

(P5) wird von Aristoteles natuumlrlich akzeptiert hauptsaumlchlich aufgrund derUumlberlegung dass nur οὐσίαι die Arten von Prioritaumlt besitzen die den Prinzipi-en des Seienden zukommen21 Der unausgesprochene Grund fuumlr (K3) liegt indem folgenden Prinzip

(K2) Alles was ein Universale ist ist nicht οὐσία [implizit aus (K1) und (P4)siehe unten]

16 E Zeller Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung Zweiter Theilzweite Abtheilung Aristoteles und die alten Peripatetiker Leipzig 31879 312

17 Vgl Ross (wie Anm 11) 25018 Vgl dazu z B R Heinaman Knowledge of Substance in Aristotle Journal of Hellenic

Studies 101 1981 63ndash77 Code (wie Anm 15) 6ndash7 Menn (wie Anm 9) 245ndash24819 Vgl Soph el 22178 b 38 f Met Ζ 81033 b 21 f Ζ 131039 a 1 f 1039 a 15 f in

eingeschraumlnkter Version auch Cat 53 b 13ndash1620 Met Β 61003 a 921 Vgl z B das Argument fuumlr die Prioritaumlt der οὐσία in Met Ζ 11028 a 29 ndash b 2

54 Benedikt Strobel

Auch dieses Prinzip aumluszligert Aristoteles an anderen Stellen mit wie es scheintbehauptender Kraft22 Das Prinzip wird an der vorliegenden Stelle wiederumdamit begruumlndet dass keines der Dinge die gemeinsam (κοινά) sind ein τόδετι bezeichnet (sondern τοιόνδε) die οὐσία aber ein τόδε τι [bezeichnet]

Hier stellt sich zunaumlchst die Frage was unter den bdquoκοινάldquo zu verstehenist Sind darunter die Universalien selbst zu verstehen Oder vielmehr Aus-druumlcke die ndash in welcher Weise auch immer ndash fuumlr Universalien stehen Denκοινά wird zugeschrieben dass sie etwas bezeichnen (bdquoσημαίνειldquo) Diesspricht auf den ersten Blick dafuumlr sie als Ausdruumlcke zu verstehen Denn stric-to sensu sind es Ausdruumlcke die das-und-das bezeichnen Andererseits ver-wendet Aristoteles bdquoσημαίνεινldquo (bdquobezeichnenldquo) haumlufig so dass er nicht vonAusdruumlcken sondern von den Dingen denen er zuschreibt von Ausdruumlckenbezeichnet zu werden sagt sie bezeichneten das-und-das23 Diese Stellen wer-fen die Frage auf ob Aristoteles wenn er von den Dingen spricht auf die erdie Ausdruumlcke bezieht eigentlich die Ausdruumlcke meint oder aber tatsaumlchlichdie Dinge ndash und nicht die Ausdruumlcke ndash meint aber etwas bezeichnenlsquo imSinne von etwas seinlsquo verwendet Ich denke dass die erste Annahme vorzugs-wuumlrdig ist denn mit ihr laumlsst sich besser erklaumlren warum er uumlberhaupt vonbezeichnenlsquo und nicht einfach von seinlsquo spricht Daraus ergibt sich fuumlr unse-re Stelle dass er mit den bdquoκοινάldquo ndash zumindest eigentlich ndash Ausdruumlcke meintund diesen zuschreibt τοιόνδε und nicht ein τόδε τι zu bezeichnen WelcheAusdruumlcke Nun offensichtlich Ausdruumlcke die Universalien bezeichnen (Icherinnere daran dass ich unter Ausdruumlckenlsquo sinnlich wahrnehmbare Zeichenverstehe die nicht mehrdeutig sind Der Ausschluss von Mehrdeutigkeit istauch hier wichtig da ja ein Ausdruck willkuumlrlich mal in einem Sinn verwen-det werden kann in dem er kein Universale bezeichnet dann wieder in einemSinn in dem er ein Universale bezeichnet)

Der zweite Teil des Satzes bdquoἡ δrsquo οὐσία τόδε τιldquo ist in dieser Hinsichtaumlhnlich zu verstehen wenn man ndash wozu ich neige ndash annimmt dass das Satz-fragment voll ausgesprochen zu bdquoἡ δrsquo οὐσία τόδε τι σημαίνειldquo zu erweiternist24 (auch wenn die alternative Erweiterung zu bdquoἡ δrsquo οὐσία τόδε τί ἐστιldquonicht ausgeschlossen ist25) gemeint ist dass jeder Ausdruck der eine οὐσίαbezeichnet ein τόδε τι bezeichnet

Die Begruumlndung des Prinzips dass alles was ein Universale ist nichtοὐσία ist laumlsst sich demnach folgendermaszligen rekonstruieren

22 Vgl Met Ζ 131038 b 8 f b 35 Ζ 161040 b 23 1041 a 4 Ι 21053 b 16 f23 Vgl z B Cat 53 b 10 πᾶσα δὲ οὐσία δοκεῖ τόδε τι σημαίνειν24 Vgl als Parallele die in der voraufgehenden Anmerkung zitierte Stelle25 Die Erweiterung mit bdquoἐστιldquo ist vorausgesetzt z B fuumlr die Uumlbersetzung bei Menn (wie

Anm 9) 221 bdquowhereas a substance is a thisldquo

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 55

(K1) Jeder Ausdruck der ein Universale bezeichnet bezeichnet nicht ein τόδετι26 [aus (P1) (P2) und (P3) siehe unten]

(P4) Jeder Ausdruck der eine οὐσία bezeichnet bezeichnet ein τόδε τι(K2) Alles was ein Universale ist ist nicht οὐσία [implizit aus (K1) und

(P4)]

Der Schluss von (K1) und (P4) auf (K2) ist nicht guumlltig Denn die Konjunkti-on von (K1) und (P4) ist damit kompatibel dass es Allgemeines gibt dasuumlberhaupt nicht bezeichnet wird (oder bezeichnet werden kann) und ein τόδετι ist Das Argument waumlre guumlltig wenn es ndash unter dem oben erwogenen Ver-staumlndnis von etwas bezeichnenlsquo als etwas seinlsquo ndash so reformuliert werdenwuumlrde

(K1) Alles was ein Universale ist ist nicht ein τόδε τι27 [aus (P1) und (P2)siehe unten]

(P4) Jede οὐσία ist ein τόδε τι(K2) Alles was ein Universale ist ist nicht οὐσία [implizit aus (K1) und

(P4)]

Aus den oben genannten Gruumlnden denke ich aber dass diese Rekonstruktiondem von Aristoteles gewaumlhlten Wortlaut weniger gerecht wird als die vorherangefuumlhrte alternative Rekonstruktion

In der Einleitung habe ich das Argument als ein semantisches bezeichnetDies ist es allemal unabhaumlngig davon welche der beiden Rekonstruktionenman waumlhlt Denn auch wenn in der zweiten Version nicht mehr von bezeich-nenlsquo die Rede ist verweisen die von Aristoteles gewaumlhlten Pronomina bdquoτόδετιldquo und bdquoτοιόνδεldquo jeweils auf bestimmte Typen von Ausdruumlcken fuumlr die diePronomina korrekterweise Pronomina sein koumlnnen d h Aristoteles unter-scheidet zwischen zwei Sorten von Entitaumlten derart dass er zwischen zweiSorten von Ausdruumlcken unterscheidet die jeweils diese Entitaumlten bezeichnenAuf die problematischen Konsequenzen die diese Unterscheidung hat werdeich unten im zweiten Teil ausfuumlhrlicher eingehen

(K1) stellt eine modifizierte ndash naumlmlich allgemeiner gefasste ndash Version deraus der Kategorienschrift bekannten These dar dass jeder Ausdruck der eineοὐσία im sekundaumlren Sinne also ein Universale der Substanz-Kategorie be-zeichnet nicht τόδε τι sondern ποιόν τι bezeichnet Aristoteles bemerkt ander betreffenden Kategorien-Stelle (die bereits Alexander in seinem Kommen-tar zu unserer Metaphysik-Stelle heranzieht28)

26 Ich lasse den Zusatz bdquosondern τοιόνδεldquo weg weil er fuumlr das Argument uumlberfluumlssig ist werdeauf ihn aber unten im zweiten Teil zuruumlckkommen

27 Siehe vorhergehende Anmerkung28 Vgl Alex Aphr In Met 2366 f

56 Benedikt Strobel

bdquoJede Substanz [d h jeder Ausdruck der eine Substanz bezeichnet B S]scheint ein τόδε τι zu bezeichnen Im Fall der ersten Substanzen ist esunumstritten und wahr dass sie ein τόδε τι bezeichnet denn das Bezeich-nete ist unteilbar und eines der Zahl nach Im Fall der zweiten Substan-zen scheint sie auf aumlhnliche Weise bedingt durch die Form des Aus-drucks ein τόδε τι zu bezeichnen wenn von sbquoMenschlsquo29 oder Lebewesenlsquodie Rede ist Dies ist aber nicht wahr sondern sie bezeichnet eher einποιόν τι Denn das Zugrundeliegende ist nicht eines [sc der Zahl nachB S] wie die erste Substanz sondern der Mensch und das Lebewesenwerden von vielen Dingen ausgesagt Andererseits bezeichnet sie auchnicht einfachhin ein ποιόν τι wie etwa das Weiszligelsquo Denn das Weiszligelsquobezeichnet nichts anderes als das ποιόν die Art und die Gattung bestim-men das ποιόν im Bereich der Substanz denn sie bezeichnen jeweils eineso-und-so-beschaffene Substanzldquo30

Aristoteles gibt hier zunaumlchst eine Begruumlndung der These dass jeder Aus-druck der eine Substanz im primaumlren Sinne also ein Particulare der Sub-stanz-Kategorie bezeichnet ein τόδε τι bezeichnet Das von diesen Ausdruuml-cken Bezeichnete ist unteilbar (ἄτομον) und eines der Zahl nach (ἓν ἀριθμῷ)Er nennt damit zwei Bedingungen dafuumlr ein τόδε τι zu sein naumlmlich unteilbarund eines der Zahl nach zu sein Dass es sich bei der Bedingung eines derZahl nach zu sein nicht nur um eine hinreichende sondern auch um einenotwendige Bedingung dafuumlr handelt ein τόδε τι zu sein geht aus der folgen-den Begruumlndung dafuumlr hervor dass jeder Ausdruck der eine οὐσία im sekun-daumlren Sinne also ein Universale der Substanz-Kategorie bezeichnet keinτόδε τι bezeichnet die Begruumlndung lautet bdquoDenn das Zugrundeliegende istnicht eines [sc der Zahl nach] wie die erste Substanz sondern der Menschwird von vielen ausgesagt und das Lebewesenldquo31 Da das von Ausdruumlckendes Typs ein Menschlsquo oder des Typs ein Lebewesenlsquo jeweils Bezeichnete die

29 Strenggenommen muumlsste die Uumlbersetzung lauten bdquowenn von ἄνθρωποςlsquo oder ζῷονlsquo dieRede istldquo Ich fuumlhre aber hier und im Folgenden einfachheitshalber die den von Aristotelesangefuumlhrten griechischen Ausdruumlcken jeweils entsprechenden deutschen Ausdruumlcke an

30 Cat 53 b 10ndash21 πᾶσα δὲ οὐσία δοκεῖ τόδε τι σημαίνειν ἐπὶ μὲν οὖν τῶν πρώτων οὐσιῶνἀναμφισβήτητον καὶ ἀληθές ἐστιν ὅτι τόδε τι σημαίνει ἄτομον γὰρ καὶ ἓν ἀριθμῷ τὸ δηλούμενόνἐστιν ἐπὶ δὲ τῶν δευτέρων οὐσιῶν φαίνεται μὲν ὁμοίως τῷ σχήματι τῆς προσηγορίας τόδε τισημαίνειν ὅταν εἴπῃ ἄνθρωπον ἢ ζῷον οὐ μὴν ἀληθές γε ἀλλὰ μᾶλλον ποιόν τι σημαίνει ndash οὐγὰρ ἕν ἐστι τὸ ὑποκείμενον ὥσπερ ἡ πρώτη οὐσία ἀλλὰ κατὰ πολλῶν ὁ ἄνθρωπος λέγεται καὶτὸ ζῷον ndash οὐχ ἁπλῶς δὲ ποιόν τι σημαίνει ὥσπερ τὸ λευκόν οὐδὲν γὰρ ἄλλο σημαίνει τὸ λευκὸνἀλλrsquo ἢ ποιόν τὸ δὲ εἶδος καὶ τὸ γένος περὶ οὐσίαν τὸ ποιὸν ἀφορίζει ndash ποιὰν γάρ τινα οὐσίανσημαίνει

31 Cat 53 b 16ndash18 οὐ γὰρ ἕν ἐστι τὸ ὑποκείμενον ὥσπερ ἡ πρώτη οὐσία ἀλλὰ κατὰ πολλῶν ὁἄνθρωπος λέγεται καὶ τὸ ζῷον

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 57

Bedingung verfehlt eines der Zahl nach zu sein ist es kein τόδε τι Aristotelessetzt also an der Kategorien-Stelle das Prinzip voraus dass etwas genau dannein τόδε τι ist wenn es eines der Zahl nach ist

An unserer Stelle in der Metaphysik liefert er ebenfalls eine Begruumlndungfuumlr die These dass jeder Ausdruck der etwas Allgemeines bezeichnet keinτόδε τι bezeichnet (also fuumlr (K1)) Prima facie zeigt Aristoteles mit seinerBegruumlndung nur dass einige Ausdruumlcke die Universalien bezeichnen keinτόδε τι bezeichnen Er zeigt naumlmlich nur dass Ausdruumlcke des Typs einMenschlsquo und ein Lebewesenlsquo in Saumltzen des Typs Sokrates ist ein Menschund er ist ein Lebewesenlsquo kein τόδε τι (sondern τοιόνδε) bezeichnen (wobeistillschweigend vorausgesetzt ist dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo undein Lebewesenlsquo in solchen Saumltzen Universalien bezeichnen) Aber fuumlr die Be-gruumlndung von (K1) anhand dieses Beispiels sind unausgesprochen allgemeineAnnahmen vorausgesetzt aus denen sich (K1) ableiten laumlsst

Ich betrachte die Argumentation zunaumlchst anhand des Beispiels das Aris-toteles gibt Die Argumentation laumlsst sich folgendermaszligen verstehen Wenndas mit Ausdruumlcken des Typs ein Menschlsquo in Saumltzen des Typs Sokrates istein Mensch und ein Lebewesenlsquo gemeinsam Ausgesagte (worunter er hiernicht den das Universale bezeichnenden Ausdruck sondern das vom Aus-druck bezeichnete Universale versteht) ein τόδε τι und [explikatives καὶ] einἕν (der Zahl nach) waumlre und das mit Ausdruumlcken des Typs ein LebewesenlsquoAusgesagte ebenso so waumlre Sokrates mehrere Lebewesen (der Zahl nach32)naumlmlich das von Sokrateslsquo bezeichnete τόδε τι das von ein Menschlsquo bezeich-nete τόδε τι und das von ein Lebewesenlsquo bezeichnete τόδε τι Nun ist aberSokrates nicht all dies also ist die Voraussetzung falsch

Fuumlr diese Begruumlndung setzt Aristoteles voraus dass in Saumltzen des TypsSokrates ist ein Mensch und ein Lebewesenlsquo Ausdruumlcke des Typs einMenschlsquo und ein Lebewesenlsquo je verschiedene Dinge bezeichnen33 waumlre nunjedes dieser Dinge ein τόδε τι so wuumlrde ndash dem Argument zufolge ndash mit Saumltzenjenes Typs die Identitaumlt von Sokrates mit zwei von ihm verschiedenen undvoneinander verschiedenen τόδε τι behauptet dem τόδε τι das von einMenschlsquo bezeichnet wird und dem τόδε τι das von ein Lebewesenlsquo bezeich-net wird Warum die Identitaumlt mit den beiden τόδε τι Weil ndash dies setzt Aristo-teles stillschweigend voraus ndash ein τόδε τι nur durch singulaumlre Terme bezeich-net werden kann und singulaumlre Terme wiederum nur so mit einem voraufge-henden istlsquo verbunden sein koumlnnen dass das istlsquo im Sinne von ist identischmitlsquo zu verstehen ist

32 Vgl zu diesem Zusatz Alex Aphr In Met 236933 Vgl Menn (wie Anm 9) 232

58 Benedikt Strobel

Das aristotelische Argument hat eine aufschlussreiche Parallele in FregesAufsatz bdquoUumlber Begriff und Gegenstandldquo (1892) in dem Frege die These dassein grammatisches Praumldikat keinen Gegenstand (bei Frege das Entspre-chungsstuumlck zum τόδε τι an unserer Aristoteles-Stelle) bedeuten oder andersformuliert die Bedeutung eines Eigennamens (unter der Frege einen Gegen-stand versteht) bdquonie als Begriff [d h als Bedeutung eines grammatischen Prauml-dikats] sondern nur als Gegenstand auftreten [kann]ldquo34 damit begruumlndetdass bdquoein Gegenstandsname [] ein Eigenname [] durchaus unfaumlhig [ist]als grammatisches Praumldikat gebraucht zu werdenldquo35 Mit dieser Begruumlndungsetzt Frege fuumlr den Gegenstand ndash aumlhnlich wie Aristoteles fuumlr das τόδε τι ndashstillschweigend voraus dass ein Gegenstand nur durch Eigennamen (in heuti-ger Terminologie singulaumlre Terme) bezeichnet werden koumlnne

Die Unfaumlhigkeit des Eigennamens als grammatisches Praumldikat gebrauchtzu werden erlaumlutert Frege anhand des folgenden Einwands bdquoKann mannicht ebensogut von etwas aussagen es sei Alexander der Groszlige oder es seidie Zahl Vier oder es sei der Planet Venus wie man von etwas aussagenkann es sei gruumln oder es sei ein Saumlugetierldquo36 Freges Antwort darauf lautetbdquoWenn man so denkt unterscheidet man nicht die Gebrauchsweisen desWortes istlsquo In den letzten beiden Beispielen dient es als Kopula als bloszligesFormwort der Aussage [] In den ersten drei Beispielen wird dagegen dasistlsquo wie in der Arithmetik das Gleichheitszeichen gebraucht um eine Glei-chung [Frege meint damit Identitaumlt wie er in der betreffenden Fuszlignote erlaumlu-tert] auszusprechenldquo37 Genau diese Unterscheidung zwischen dem istlsquo alsbdquobloszliges Formwort der Aussageldquo und dem istlsquo der Identitaumlt macht sich Aris-toteles fuumlr seine Argumentation implizit zunutze

Dass Aristoteles annimmt dass ein τόδε τι nur durch singulaumlre Termebezeichnet werden kann haumlngt eng damit zusammen dass er ndash wie die obenzitierte Kategorien-Stelle zeigt ndash annimmt dass etwas nur dann ein τόδε τιist wenn es eines der Zahl nach ist Eines der Zahl nach zu sein bedeutetfuumlr Aristoteles nicht von mehreren Dingen (zutreffend) ausgesagt werden zukoumlnnen38 d h nicht von Ausdruumlcken bezeichnet werden zu koumlnnen die aufmehrere Dinge zutreffen koumlnnen (ohne diese zu bezeichnen) Was eines derZahl ist kann also per definitionem nur durch einen Ausdruck bezeichnetwerden der auf nicht mehr als ein Ding zutreffen kann (das er zugleich be-

34 Vgl G Frege Uumlber Begriff und Gegenstand in Ders Kleine Schriften hrsg v I AngelelliHildesheimndashZuumlrichndashNew York 21990 167ndash178 hier 169

35 Vgl ebd 16836 Vgl ebd37 Vgl ebd38 Dies ist Aristotelesrsquo Definition von bdquoκαθrsquo ἕκαστονldquo in De interpretatione 717 a 40 die

genauso als Definition von bdquoἓν ἀριθμῷldquo gesehen werden kann

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 59

zeichnet) (Vorausgesetzt ist dafuumlr natuumlrlich dass der Ausdruck nicht mehr-deutig ist ndash siehe oben die Einleitung) Aristoteles unterstellt nun fuumlr seinIdentitaumlts-Argument dass die Bedingung auf nicht mehr als ein Ding zutref-fen zu koumlnnen nur von Ausdruumlcken erfuumlllt wird die wir ndash in der heute uumlbli-chen Terminologie ndash als singulaumlre Termelsquo (bei Frege Eigennamenlsquo) bezeich-nen wuumlrden

Diese Unterstellung impliziert ein Verstaumlndnis von singulaumlren Termendas in doppelter Hinsicht kritikwuumlrdig ist Erstens ist es irrefuumlhrend zu sa-gen dass ein singulaumlrer Term des Typs Sokrateslsquo auf Sokrates zutrifft selbstin Saumltzen des Typs Diese Person ist Sokrateslsquo ist der Ausdruck der hierauf das worauf mit einem singulaumlren Term des Typs diese Personlsquo Bezuggenommen wird zutrifft nicht eigentlich Sokrateslsquo sondern ist (ie ist iden-tisch mit) Sokrateslsquo39 Zweitens gibt es Ausdruumlcke die auf nicht mehr als einDing zutreffen koumlnnen und keine singulaumlren Terme sind der Ausdruck istidentisch mit Sokrateslsquo ist ein Beispiel

Auch wenn sich Aristoteles uumlber die Natur singulaumlrer Terme nur unzurei-chend klar geworden ist und die Bestimmung singulaumlrer Terme als Ausdruuml-cke die auf nicht mehr als ein Ding zutreffen koumlnnen problematisch istbleibt festzuhalten dass Aristoteles in der Begruumlndung von (K1) die Annah-me voraussetzt dass ein τόδε τι nur durch singulaumlre Terme bezeichnet werdenkann40 (aumlhnlich wie Frege voraussetzt dass ein Gegenstand nur durch singu-laumlre Terme bezeichnet werden kann) Auf diese Annahme deutet ja uumlbrigensschon die Rede von τόδε τι hin denn Vorkommnisse des Pronomens τόδεfungieren uumlblicherweise als singulaumlre Terme41

Daneben setzt er aber offenkundig auch voraus dass ein Universale nicht(oder zumindest nicht nur42) durch singulaumlre Terme bezeichnet werden kann

39 Vgl Kuumlnne (wie Anm 5) 25 Kuumlnne kritisiert mit diesem Argument nicht direkt Aristotelessondern Autoren die in der aristotelischen Tradition stehen es trifft aber Aristoteles ebenso

40 Menn (wie Anm 9) 229ndash232 weist in seiner Interpretation des Arguments zwar darauf hindass Aristoteles fuumlr seine reductio ad absurdum mit der Ersetzung von Ausdruumlcken diekeine singulaumlren Terme sind (ein Menschlsquo und ein Lebewesenlsquo) durch Ausdruumlcke diesingulaumlre Terme sind und fuumlr die Menn als Platzhalter die Buchstaben Blsquo und Clsquo verwendetoperiert (wobei Menn [wie Anm 9] 229 nicht von singular termslsquo sondern von [logischen]proper nameslsquo spricht) expliziert aber nicht die Praumlmisse die hinter dieser Operation stehtnaumlmlich die Praumlmisse dass jedes τόδε τι nur von singulaumlren Termen bezeichnet werden kann

41 Ich fuumlge das einschraumlnkende bdquouumlblicherweiseldquo hinzu da ich nicht ausschlieszligen moumlchte dasses eine Verwendungsweise von bdquoτόδεldquo gab in der Vorkommnisse des Pronomens nicht alssingulaumlre Terme fungierten Nur unter der Voraussetzung dass alle Vorkommnisse von τόδεsingulaumlre Terme sind kommt es uumlberhaupt in Betracht Aristoteles folgende Auffassungzuzuschreiben bdquoMost generally X is τόδε τι if X can in some context be referred to by apronoun such as τόδε or τοῦτο used either deictically or anaphoricallyldquo Menn (wie Anm 9)223

42 Siehe dazu unten Abschnitt II

60 Benedikt Strobel

sondern (auch) durch Ausdruumlcke die auf mehr als nur ein Ding zutreffenkoumlnnen (Eben dies dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo und des Typs einLebewesenlsquo auf mehr als nur ein Ding zutreffen koumlnnen erklaumlrt dass Saumltzedes Typs Sokrates ist ein Mensch und ein Lebewesenlsquo nicht als Identitaumltssaumltzegelesen werden koumlnnen)

Der Begruumlndung von (K1) liegen also letztlich folgende Annahmen zu-grunde

(P1) Jedes τόδε τι kann nur von singulaumlren Termen bezeichnet werden(P2) Jedes Universale kann von Ausdruumlcken bezeichnet werden die keine

singulaumlren Terme sind43

Daraus ergibt sich dass alles was ein Universale ist nicht ein τόδε τι ist (=(K1) oben) und unter der weiteren Annahme

(P3) Jeder Ausdruck der ein Universale bezeichnet bezeichnet nur dieses

ergibt sich

(K1) Jeder Ausdruck der ein Universale bezeichnet bezeichnet nicht ein τόδετι

Die Beobachtung dass Aristoteles fuumlr die Begruumlndung von (K1) die Praumlmis-sen (P1) und (P2) voraussetzt ist wie wir gleich sehen werden wichtig fuumlrdie Beantwortung der in der Einleitung aufgeworfenen Frage ob Aristotelesgenerellen Termen der Substanz-Kategorie zuschreibt substantielle Formenzu bezeichnen Dieser Frage werde ich mich nun in den folgenden beidenAbschnitten zuwenden wobei ich sie unter kontradiktorischen Hypothesenbetrachte der Hypothese dass substantielle Formen Universalien sind undder dass sie keine Universalien sind (Ich erinnere im uumlbrigen daran dass ichmit der Rede von generellen Termen der Substanz-Kategorielsquo nichts daruumlberpraumljudiziere ob solche Terme Substanzen bezeichnen oder nicht und auchnichts daruumlber ob sie Universalien bezeichnen oder nicht als generelle Termeder Substanz-Kategorielsquo bestimme ich vielmehr wie gesagt diejenigen gene-rellen Terme deren Sinn es nach aristotelischer Lehre erlaubt mit ihnen sol-che Fragen des Typs Was ist (τί ἐστι) xlsquo korrekt zu beantworten in denenfuumlr xlsquo der Name einer Substanz eintritt)

43 Es ist erwaumlgenswert dass fuumlr die Begruumlndung von (K1) nicht (P2) sondern die staumlrkerePraumlmisse (P2) bdquoJedes Universale kann nur von Ausdruumlcken bezeichnet werden die keinesingulaumlren Terme sindldquo vorausgesetzt ist Dafuumlr spricht dass sich aus (P1) und (P2) direkt(K1) folgern laumlsst aus (P1) und (P2) nicht ferner ist Aristoteles in der Tat die Akzeptanzvon (P2) zuzuschreiben (wie wir unten im zweiten Teil sehen werden) Da diese Zuschrei-bung jedoch weiterer Rechtfertigung bedarf ziehe ich es vorlaumlufig vor die Begruumlndung von(K1) unter Einschluss der schwaumlcheren Praumlmisse (P2) zu rekonstruieren

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 61

2 Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategoriein der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen

als Universalien verstanden zu bezeichnen

Um die Antwort auf die Frage ob Aristoteles generellen Termen der Sub-stanz-Kategorie zuschreibt substantielle Formen (ob als Universalien ver-standen oder nicht) zu bezeichnen gleich vorwegzunehmen sie lautetbdquoNeinldquo jedenfalls unter Voraussetzung der Konsistenz der Zuschreibungendie Aristoteles vornimmt Denn

(i) Aristoteles schreibt in der Metaphysik jeder substantiellen Form zu einτόδε τι zu sein44

(ii) er schreibt jedem generellen Term der Substanz-Kategorie zu ein Univer-sale zu bezeichnen45 und

(iii) unter Annahme von (K1) sind beide Zuschreibungen nur damit vertraumlg-lich jedem generellen Term der Substanz-Kategorie zuzuschreiben keinesubstantielle Form zu bezeichnen

These (i) ist unkontrovers Thesen (ii) und (iii) sind es nicht Bevor ich These(ii) ndash im naumlchsten Abschnitt ndash rechtfertige moumlchte ich ndash in diesem Abschnitt ndashThese (iii) verteidigen Sie wird von manchen Interpreten46 ndash mehr oder weni-ger explizit ndash bestritten und zwar so dass diese Interpreten (K1) einen Sinnbeilegen unter dessen Voraussetzung These (iii) in der Tat falsch waumlre Mitder alternativen Deutung von (K1) die diese Interpreten vertreten moumlchteich mich in diesem Abschnitt beschaumlftigen

Die betreffenden Interpreten gehen davon aus dass Aristoteles jedersubstantiellen Form zuschreibe ein τόδε τι zu sein47 und ndash als das τὸ τί ἦνεἶναι48 ndash definierbar49 zu sein Sie schreiben Aristoteles ferner die Auffassungzu dass nur Universalien definierbar seien50 Entsprechend schreiben sie ihmweiter Konsistenz auf seiner Seite vermutend die Auffassung zu dass sub-stantielle Formen Universalien sind51 So sollte Aristoteles ndash unter der Annah-me dass jede substantielle Form ein τόδε τι ist ndash vernuumlnftigerweise auch ge-

44 Vgl z B Met Δ 81017 b 24 f Ζ 31029 a 27ndash30 Θ 71049 a 35 Λ 31070 a 11 f45 Fuumlr diese These argumentiere ich unten I346 Es sind zu viele um sie hier alle aufzuzaumlhlen Ich beziehe mich im folgenden v a auf die

konzise Darstellung bei S M Cohen Substances in G Anagnostopoulos (Hrsg) A Com-panion to Aristotle Oxford 2009 197ndash212 hier 209 f wo sich Referenzen auf fruumlhereVertreter dieser Interpretation finden Weitere Vertreter werden genannt bei Lewis (wieAnm 5) 365 Anm 25

47 Vgl fuumlr Belege fuumlr die Zuschreibung oben Anm 4348 Vgl etwa Met Ζ 71032 b 1 f und Ζ 101035 b 3249 Vgl etwa Met Ζ 41030 a 6 f und Ζ 51031 a 1250 Vgl z B Met Ζ 111036 a 28 f und Ζ 151040 a 5ndash751 Was auch Aristoteles explizit zu konzedieren scheint vgl z B Met Ζ 81034 a 7 f und Ζ

111036 a 28 f

62 Benedikt Strobel

dacht haben dass manche Universalien den Status eines τόδε τι haben Unterder weiteren Annahme dass diese Universalien von Ausdruumlcken bezeichnetwerden sollte er schlieszliglich auch die Auffassung vertreten haben dass esAusdruumlcke gibt die etwas bezeichnen das ein Universale und ein τόδε τι ist

Wie aber laumlsst sich diese Auffassung mit (K1) in Einklang bringen Unterdem von mir vertretenen Verstaumlndnis von (K1) gar nicht denn nach diesemVerstaumlndnis sagt (K1) genau das was (K1) prima facie sagt dass jeder Aus-druck der ein Universale bezeichnet kein τόδε τι bezeichnet Und aus denoben rekonstruierten Praumlmissen die Aristoteles fuumlr seine Begruumlndung von(K1) voraussetzt ergibt sich erst recht dass es keine Ausdruumlcke gibt dieetwas bezeichnen das ein Universale und ein τόδε τι ist denn wir habengesehen dass diese Praumlmissen unvereinbar sind mit der Annahme dass etwasein Universale und ein τόδε τι ist

Unter der alternativen Interpretation von (K1) laumlsst sich dagegen ein Ein-klang herstellen zwischen (K1) und der Auffassung dass es Ausdruumlcke gibt dieetwas bezeichnen das ein Universale und ein τόδε τι ist Die Interpretation besagtnaumlmlich dass die Phrase Jeder Ausdruck der ein Universale bezeichnetlsquo in (K1)enger zu verstehen ist naumlmlich im Sinne einer Phrase der Form Jeder Ausdruckder im Kontext von Saumltzen des-und-des Typs ein Universale bezeichnetlsquo Die Ver-treter dieser Interpretation meinen dass es fuumlr Aristoteles vom jeweiligen Satz-kontext in dem ein genereller Termauftauche abhaumlnge ob er ein τόδε τιbezeich-ne oder nicht So bezeichne z B ein genereller Term des Typs ein Menschlsquo inSaumltzen des Typs Sokrates ist ein Menschlsquo kein τόδε τι (sondern τοιόνδε) wohlaber in Saumltzen des Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist ein Menschlsquo52

In ersteren bezeichne ein Menschlsquo die Art (kind) unter die Sokrates mit der Aumlu-szligerung des Satzes subsumiert werde in letzteren bezeichne ein Menschlsquo dagegeneine substantielle Form (und damit ein τόδε τι) die mit der Aumluszligerung des Satzesvon der Materie dem Haufen Fleisch und Knochen ausgesagt werde53

Die Unterscheidung dieser beiden Typen von Kontexten in denen einAusdruck ein Universale bezeichnen kann geht mit der Unterscheidung vonzwei Sorten von Praumldikation von Universalien einher Praumldikation die eineAntwort auf die Frage τί ἐστι gibt und mit der der Sache von der das Univer-sale praumldiziert wird zugeschrieben wird essentiell das-und-das zu sein undPraumldikation die keine Antwort auf die Frage τί ἐστι gibt und mit der derSache von der das Universale praumldiziert wird zugeschrieben wird akziden-tell das-und-das zu sein Sokrates ist essentiell ein Mensch aber seine Mate-rie dieser Haufen Fleisch und Knochen ist akzidentell ein Mensch

52 Die Beispielsaumltze nach Cohen (wie Anm 46) 209ndash210 Vgl zum zweiten Met Ζ 101035 a18 f 1035 a 33 Met Ζ 111036 b 11

53 Die Auffassung dass die Form von der Materie praumldiziert werde kann sich insbesondereauf Met Θ 61049 a 34ndash36 stuumltzen ὅσα δὲ μὴ οὕτως ἀλλrsquo εἶδός τι καὶ τόδε τι τὸ κατηγορούμε-νον τὸ ἔσχατον ὕλη καὶ οὐσία ὑλική Vgl ferner Met Ζ 171041 b 4ndash9 und Η 21043 a 5 f

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 63

Mithilfe dieser Unterscheidung laumlsst sich angeben um welche Saumltze esAristoteles bei der Aumluszligerung von (K1) geht und die entsprechende Paraphra-se von (K1) lautet

(K1) Jeder Ausdruck der im Kontext eines Satzes ein Universale so bezeich-net dass dieses mit der Aumluszligerung des Satzes von etwas anderem essen-tiell ausgesagt wird bezeichnet kein τόδε τι (sondern τοιόνδε)

An sich waumlre gegen eine solche einschraumlnkende Interpretation von (K1) nichtseinzuwenden aber die Begruumlndung die Aristoteles fuumlr (K1) gibt legt eineandere Lesart von (K1) nahe naumlmlich eine die ohne diese (oder andere)Einschraumlnkungen auskommt Denn die beiden Praumlmissen die Aristoteles sei-ner (exemplarischen) Begruumlndung von (K1) zugrunde legt rechtfertigen (K1)in einem uneingeschraumlnkten Sinn Dies laumlsst sich auch daran erkennen dassAristotelesrsquo reductio ad absurdum mit der er (K1) begruumlndet ebenso auf dieAnnahme dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in Saumltzen des Typs DieserHaufen Fleisch und Knochen ist ein Menschlsquo ein Universale und ein τόδε τιbezeichnen anwendbar ist Denn unter dieser Annahme und der fuumlr die re-ductio vorausgesetzten Annahme dass ein τόδε τι nur durch singulaumlre Termebezeichnet werden kann muumlsste ein Menschlsquo verstanden als Bezeichnungeines τόδε τι salva veritate durch einen singulaumlren Term ersetzbar sein ndash sagenwir die Form Menschlsquo Das Ergebnis der Ersetzung ist nun Dieser HaufenFleisch und Knochen ist die Form Menschlsquo Und dies ist falsch ndash zumindestwenn die Form ein Universale sein soll (ob es auch falsch ist wenn die Formnicht als Universale zu verstehen ist werde ich unten [I3] betrachten) denndieser Haufen Fleisch und Knochen ist gewiss nicht identisch mit der alsUniversale verstandenen Form Mensch Und so wird dieser Haufen Fleischund Knochen mehreres sein ndash dieser Haufen Fleisch und Knochen und dieForm Mensch []lsquo koumlnnte man auch im vorliegenden Fall folgern

Doch mag man einwenden ist es (a) nicht richtig zu sagen Dieser Hau-fen Fleisch und Knochen hat die Form Menschlsquo Und folgt daraus (b) nichtdass in Saumltzen des Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist ein MenschlsquoAusdruumlcke des Typs ein Menschlsquo die Form Mensch bezeichnen Auf diesenEinwand laumlsst sich entgegnen Der Schluss von (a) auf (b) ist unguumlltig unddies sieht man sehr einfach daran dass man etwas Falsches erhaumllt wennman in Saumltzen des Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist ein MenschlsquoAusdruumlcke des Typs ein Menschlsquo durch Ausdruumlcke des Typs die FormMenschlsquo ersetzt

Bisher habe ich die Schwierigkeiten betrachtet in die man geraumlt wenn manAristoteles die Auffassung zuschreibt dass gewisse Ausdruumlcke Universalien

64 Benedikt Strobel

bezeichnen und letztere zugleich den Status eines τόδε τι haben Ich habedafuumlr argumentiert dass (K1) in einem Sinne zu interpretieren ist in dem(K1) eben diese Auffassung ausschlieszligt

Und damit wollte ich zeigen dass von den folgenden drei (bereits obenangefuumlhrten) Thesen die dritte korrekt ist (i) Aristoteles schreibt in der Meta-physik jeder substantiellen Form zu ein τόδε τι zu sein (ii) er schreibt jedemgenerellen Term der Substanz-Kategorie zu ein Universale zu bezeichnenund (iii) unter Annahme von (K1) sind beide Zuschreibungen nur damit kom-patibel jedem generellen Term der Substanz-Kategorie zuzuschreiben keinesubstantielle Form zu bezeichnen

Wie aber steht es mit These (ii) Schreibt Aristoteles den generellen Ter-men der Substanz-Kategorie moumlglicherweise gar nicht zu Universalien zubezeichnen Nimmt er moumlglicherweise an dass Ausdruumlcke des Typs einMenschlsquo die Form Mensch bezeichnen diese Form jedoch kein Universaleist sondern von Mensch zu Mensch verschieden Mit dieser Interpretationderzufolge einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie in der Meta-physik zugeschrieben wird in Wirklichkeit singulaumlre Terme zu sein will ichmich im Folgenden beschaumlftigen

3 Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategoriein der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen

als Particularia verstanden zu bezeichnen

Namhafte Vertreter der Interpretation sind Michael Frede und Guumlnther Pat-zig in ihrem Kommentar zu Metaphysik Zeta sie bemerken zu den ZeilenMet Ζ 101035 b 27ndash3154

bdquoGegenstand der Definition sind Bestimmungen Wenn man nun etwasagt Sokrates ist ein Menschlsquo dann laumlszligt sich Menschlsquo auf zwei Weisenverstehen Es kann so verstanden werden daszlig es die bestimmte ousiabezeichnet welche Sokrates eigentlich ist Es kann aber auch so verstan-den werden daszlig es sich auf die allgemeine Eigenschaft ein Mensch zusein bezieht Wird der Ausdruck auf die letztere Weise verstanden dannhandelt es sich bei dem was er bezeichnet nicht um eine ousialdquo55

Frede und Patzig unterscheiden hier zwischen zwei Arten Ausdruumlcke desTyps ein Menschlsquo zu verstehen entweder versteht man sie so dass sie die

54 ὁ δrsquo ἄνθρωπος καὶ ὁ ἵππος καὶ τὰ οὕτως ἐπὶ τῶν καθrsquo ἕκαστα καθόλου δέ οὐκ ἔστιν οὐσία ἀλλὰσύνολόν τι ἐκ τουδὶ τοῦ λόγου καὶ τησδὶ τῆς ὕλης ὡς καθόλου καθrsquo ἕκαστον δrsquo ἐκ τῆς ἐσχάτηςὕλης ὁ Σωκράτης ἤδη ἐστίν καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων ὁμοίως

55 FredePatzig Bd 2 (wie Anm 11) 191

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 65

partikulare οὐσία dessen bezeichnet worauf sie zutreffen (im Beispielfall diepartikulare οὐσία des Sokrates) oder man versteht sie so dass sie etwas All-gemeines ein Universale bezeichnen Nun sagen hier Frede und Patzig nichtsdazu welcher der beiden Lesarten Aristoteles den Vorzug gibt oder ob er siebeide nebeneinander stehen laumlsst und fuumlr in gleicher Weise akzeptabel haumlltaber eine Seite zuvor hatten sie schon bemerkt

bdquoFerner ist zu bedenken daszlig der Mensch im allgemeinenlsquo wenn er keineousia ist uumlberhaupt nichts Reales sein kann Denn es handelt sich sichernicht um eine Qualitaumlt oder sonst ein Widerfahrnis Es kann also demMenschen im allgemeinenlsquo uumlberhaupt keine Existenz zugesprochen wer-den nicht einmal die Art von abhaumlngiger Existenz welche den Wider-fahrnissen eigen istldquo56

Frede und Patzig lassen also keine Zweifel daran dass die Lesart von Ausdruuml-cken des Typs ein Menschlsquo nach der sie ein Universale naumlmlich den Men-schen im allgemeinenlsquo bezeichnen fuumlr Aristoteles in der Metaphysik inakzep-tabel geworden ist Zwar raumlumen sie ein dass es auch der Metaphysik zufolgebdquoso etwas wie die Explikation des allgemeinen Praumldikats Menschlsquo [gibt]ldquo57Aber bereits in ihrer Einleitung machen sie deutlich dass mit dieser Explikati-on nichts Allgemeines bestimmt werde sondern die Allgemeinheit der Expli-kation lediglich in ihrer Allgemeinguumlltigkeit bestehe

bdquoWas Aristoteles im Auge hat wenn er behauptet eine Definition seiDefinition des Allgemeinen ist nicht dies daszlig es sich bei dem Gegen-stand auf den die Definition zutrifft um etwas Allgemeines handelnmuszlig Vielmehr kommt es allein darauf an daszlig die Definition allgemein-guumlltig ist d h auf alle Gegenstaumlnde einer Art zutrifftldquo58

So weit die von Frede und Patzig vorgeschlagene Interpretation Positiv istzunaumlchst zu werten dass die Auffassung die Frede und Patzig Aristoteleszuschreiben nicht im Widerspruch zu (K1) steht Denn dieser Auffassungnach bezeichnen Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in Saumltzen des Typs Sokra-tes ist ein Menschlsquo kein Universale mithin schlieszligt (K1) nicht aus dass sieein τόδε τι bezeichnen mithin ist (K1) damit vereinbar dass sie eine substanti-elle Form bezeichnen

Fragwuumlrdig ist aber ob Aristoteles in der Metaphysik wirklich die Auf-fassung vertritt dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in Saumltzen des Typs

56 Ebd 19057 Ebd 19158 M FredeG Patzig Aristoteles Metaphysik Zlsquo Text Uumlbersetzung und Kommentar Erster

Band Einleitung Text und Uumlbersetzung Muumlnchen 1988 55

66 Benedikt Strobel

Sokrates ist ein Menschlsquo kein Universale bezeichnen Die von Frede undPatzig kommentierte Stelle (Met Ζ 101035 b 27ndash31 siehe Zitat obenAnm 53) legt genau das Gegenteil nahe sie legt nahe dass Aristoteles hierdie Auffassung vertritt Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in Saumltzen des TypsSokrates ist ein Menschlsquo bezeichneten ein bdquoallgemein verstandenes Konkre-tes aus dieser Formel und dieser Materieldquo Die Vertreter der oben (2) bespro-chenen Interpretation sehen in dieser Formulierung mit Recht ein Indiz dafuumlrdass Aristoteles die Universalien die in der Kategorienschrift als Substanzenim sekundaumlren Sinnelsquo bestimmt werden auch in der Metaphysik annimmtnun jedoch so charakterisiert dass der in den Kategorien noch nicht beruumlck-sichtigten These Rechnung getragen ist dass die Einzeldinge die in den Kate-gorien als Substanzen im primaumlren Sinnelsquo bestimmt werden Konkreta ausForm und Materie sind Auch andere Stellen der Metaphysik legen dies naheetwa Met Ζ 81033 b 19ndash26 wo Aristoteles uumlber Ausdruumlcke des Typs eineKugellsquo in Saumltzen des Typs Dies ist eine Kugellsquo oder Ausdruumlcke des Typs einHauslsquo in Saumltzen des Typs Dies ist ein Hauslsquo bemerkt

bdquoGibt es nun noch irgendeine Kugel neben diesen bestimmten Kugelnoder ein Haus neben den aus Ziegelsteinen bestehenden Oder ist es nichtvielmehr so dass ein Dies von der Art erst gar nicht entstehen koumlnntewenn es so waumlre Vielmehr bezeichnen derlei Ausdruumlcke ein solches daund es handelt sich nicht um ein Dieses und um etwas Bestimmtes son-dern man macht und erzeugt aus diesem ein solches und wenn die Sacheerst einmal erzeugt ist dann ist sie ein Dieses solches Dies bestimmteGanze aber Kallias oder Sokrates entspricht dieser bestimmten ehernenKugel der Mensch und das Lebewesen hingegen entsprechen der ehernenKugel uumlberhauptldquo (Uumlbersetzung FredePatzig59)

Problematisch ist auch dass die semantische Position die Frede und PatzigAristoteles zuschreiben so wenig plausibel ist Sie impliziert dass Ausdruumlckedes Typs ein Menschlsquo in Saumltzen des Typs Sokrates ist ein Menschlsquo etwasAnderes bezeichnen als in Saumltzen des Typs Platon ist ein Menschlsquo naumlmlichin Saumltzen des ersten Typs die partikulare οὐσία des Sokrates in Saumltzen deszweiten Typs die partikulare οὐσία des Platon Sie impliziert weiter dass Aus-druumlcke des Typs ein Menschlsquo in falschen Saumltzen des Typs Fido mein Hundist ein Menschlsquo uumlberhaupt nichts bezeichnen denn die partikulare οὐσία von

59 FredePatzig Bd 1 (wie Anm 58) 87 πότερον ουν ἔστι τις σφαιρα παρα τάσδε ἢ οἰκία παρατας πλίνθους ἢ οὐδrsquo ἄν ποτε ἐγίγνετο εἰ οὕτως ην τόδε τι ἀλλα το τοιόνδε σημαίνει τόδε δὲκαὶ ὡρισμένον οὐκ ἔστιν ἀλλα ποιει καὶ γεννᾷ ἐκ τουδε τοιόνδε καὶ ὅταν γεννηθῇ ἔστι τόδετοιόνδε το δὲ ἅπαν τόδε Καλλίας ἢ Σωκράτης ἐστὶν ὥσπερ ἡ σφαιρα ἡ χαλκη ἡδί ὁ δrsquo ἄνθρωποςκαι το ζῷον ὥσπερ σφαιρα χαλκη ὅλως

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 67

Fido besteht ja nicht darin ein Mensch zu sein sondern ein Hund Sie impli-ziert weiter dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in generellen Saumltzen desTyps Ein Mensch ist ein Lebewesenlsquo ebenfalls nichts bezeichnen denn sielassen sich in Saumltzen eines solchen Typs offenkundig nicht auf irgendeinepartikulare οὐσία beziehen Es hat m E einen hohen Preis Aristoteles einesolche Theorie zuzuschreiben denn sie ist philosophisch fragwuumlrdig warumsollten Ausdruumlcke desselben Typs ndash ein Menschlsquo ndash bald das eine bald dasandere bald gar nichts bezeichnen obwohl keine Verschiedenheit des Sinnszu beobachten ist Ist die Annahme einer solchen Polysemasie nicht wenigglaubhaft

Allerdings haben Frede und Patzig fuumlr ihre Ablehnung der These dassAristoteles die Universalien die in der Kategorienschrift als Substanzen imsekundaumlren Sinnelsquo bestimmt werden in die Metaphysik uumlbernommen habeein gewichtiges Argument Aristoteles beim Wort nehmend wenn er in Meta-physik Z 13 schreibt es sei unmoumlglich dass ein Universale οὐσία sei (1038 b8 f vgl auch 1038 b 35) folgern sie

bdquoFerner ist zu bedenken dass der Mensch im allgemeinenlsquo wenn erkeine ousia ist uumlberhaupt nichts Reales sein kann Denn es handelt sichsicher nicht um eine Qualitaumlt oder sonst ein Widerfahrnis Es kann alsodem Menschen im allgemeinenlsquo uumlberhaupt keine Existenz zugesprochenwerden nicht einmal die Art von abhaumlngiger Existenz welche den Wi-derfahrnissen eigen istldquo60

Frede und Patzig setzen fuumlr ihr Argument folgende Annahmen voraus ers-tens dass der Mensch im allgemeinenlsquo laut der Metaphysik keine οὐσία istzweitens dass der Mensch im allgemeinenlsquo in Aristotelesrsquo Sicht kein Wider-fahrnis ist und drittens dass etwas um fuumlr Aristoteles real zu sein entwedereine οὐσία oder ein Widerfahrnis zu sein hat

Semantisch gewendet laumlsst sich Fredes und Patzigs Argument auch soformulieren Wenn dem oben in der Einleitung (Anm 5) zitierten Prinzipzufolge jeder einfache Ausdrucklsquo entweder eine οὐσία oder etwas der neunuumlbrigen Kategorien bezeichnet so gilt dies auch fuumlr Ausdruumlcke des Typs einMenschlsquo (denn es handelt sich hier um einfache Ausdruumlckelsquo) Wenn nunaber solche Ausdruumlcke etwas Allgemeines bezeichnen so bezeichnen sie (K1)zufolge kein τόδε τι und damit auch keine οὐσία Sie bezeichnen aber offen-kundig auch nicht irgendetwas anderes (von den neun uumlbrigen Kategorien)Also ist die Voraussetzung falsch dass solche Ausdruumlcke etwas Allgemeinesbezeichnen ndash zumindest falls das Prinzip weiterhin gelten soll dass jeder Aus-druck der sinnvollerweise an die Subjekt- oder Praumldikat-Stelle eines Satzestritt entweder eine οὐσία oder etwas der neun uumlbrigen Kategorien bezeichnet

60 FredePatzig Bd 1 (wie Anm 11) 190

68 Benedikt Strobel

Es gibt Grund zur Annahme dass Aristoteles in der Metaphysik an demPrinzip festhaumllt allerdings habe ich den Eindruck dass es eine Doktrin istdie im Rahmen der komplexen οὐσία-Untersuchung der Metaphysik ein allzuholzschnittartiger Fremdkoumlrper ist den Aristoteles nur gewaltsam zu integ-rieren vermochte Man denke nur an die Materie die sich der Einteilung ingewissen Hinsichten entzieht Sie ist fuumlr Aristoteles ohne Zweifel real sie istaber wie er in Ζ 3 begruumlndet in gewissen Hinsichten keine οὐσία (weil siezwei Kriterien fuumlr den οὐσία-Status verfehlt sie ist kein τόδε τι und sie istnicht χωριστόν vgl Ζ 31029 a 26ndash30) und sie ist sicher auch kein Wider-fahrnis

Ich denke also dass wenn man Aristoteles in dieser Sache eine Inkonsis-tenz ersparen moumlchte der Versuch dies zu tun an diesem Prinzip ansetzensollte Dagegen scheint mir die Folgerung die Frede und Patzig ziehen umAristoteles die Inkonsistenz zu ersparen mit einem zu hohen Preis erkauft zusein Denn die Auffassung dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in Saumltzendes Typs Sokrates ist ein Menschlsquo nichts Allgemeines sondern jeweils etwasPartikulares bezeichnen ist nicht nur philosophisch fragwuumlrdig ihr wirdauch von Aristoteles an verschiedenen Stellen explizit widersprochen

Nun sagt aber Aristoteles wie wir oben gesehen haben an diversen Stel-len dass die Form von der Materie praumldiziert werde und so koumlnnte man sichfragen ob Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo zwar nicht in Saumltzen des TypsSokrates ist ein Menschlsquo ndash mit Frede und Patzig als Particularia verstande-ne ndash Formen bezeichnen wohl aber in Saumltzen des Typs Dieser Haufen Fleischund Knochen ist ein Menschlsquo (Ich erinnere daran dass ich oben eine aumlhnli-che Frage mit Bezug auf die Annahme dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquoin Saumltzen des Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist ein Menschlsquo eineals Universale verstandene Form bezeichnen gestellt und dort verneint habeJetzt betrachte ich aber eine etwas andere Frage da es jetzt um eine als Parti-culare verstandene Form geht)

Eine positive Antwort auf diese Frage ist jedenfalls mit (K1) vereinbardenn unter der Annahme dass Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo in Saumltzendes Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist ein Menschlsquo partikulareFormen bezeichnen bezeichnen sie kein Universale und somit ist es mit (K1)vereinbar dass sie ein τόδε τι bezeichnen Aber ist eine positive Antwort aufdie Frage auch mit der Praumlmisse vereinbar die Aristoteles in der Begruumlndungvon (K1) voraussetzt mit der Praumlmisse naumlmlich dass ein τόδε τι nur vonsingulaumlren Termen bezeichnet werden kann Unter dieser Praumlmisse ergaumlbesich dass in Saumltzen des Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist einMenschlsquo Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo als singulaumlre Terme zu verstehenwaumlren mit Saumltzen dieses Typs also die Identitaumlt der Materie mit der partiku-laren Form behauptet werden wuumlrde und die Behauptung dieser Identitaumltscheint jedenfalls nicht so absurd wie die Behauptung der Identitaumlt der Mate-

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 69

rie mit einer als Universale verstandenen Form (s o) Immerhin legt ja Aris-toteles in Metaphysik Η 61045 b 17ndash19 nahe dass die Materie und die Formin gewisser Weise ein und dasselbe sind die eine potentialiter die andereactualiter Andererseits setzt Aristoteles fuumlr die These dass die Form von derMaterie praumldiziert werde offenkundig beider Verschiedenheit voraus Somitist es auch unter der Annahme dass die Form ein τόδε τι aber kein Universaleist schwierig Aristoteles die Auffassung zuzuschreiben dass in Saumltzen desTyps Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist ein Menschlsquo Ausdruumlcke desTyps ein Menschlsquo substantielle Formen bezeichnen

Aber sagt Aristoteles nicht dass die Form von der Materie praumldiziertwird Und schlieszligt das nicht ein dass in Saumltzen des Typs Dieser HaufenFleisch und Knochen ist ein Menschlsquo Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo eineForm bezeichnen Ersteres gebe ich zu letzteres wuumlrde ich gerne bestreitenZum einen ist nicht klar ob Aristoteles wenn er von der Praumldikation derForm von der Materie spricht uumlberhaupt einen Beitrag zur semantischenAnalyse von Saumltzen leisten moumlchte61 und zum anderen mag er ndash wenn erdoch einen solchen Beitrag leisten moumlchte ndash eine andere semantische Relationzwischen Ausdruumlcken des Typs ein Menschlsquo und der (jeweils partikularen)Form im Sinn gehabt haben als die des Bezeichnens In der Kategorienschriftregistriert Aristoteles ndash implizit ndash neben dem Bezeichnen noch eine anderesemantische Relation zwischen generellen Termen und Entitaumlten naumlmlich diedes Konnotierens62 Ausdruumlcke des Typs schreib- und lesekundiglsquo bezeichnenin Saumltzen des Typs Sokrates ist schreib- und lesekundiglsquo zwar nicht dieSchreib- und Lesekundigkeit (denn sonst wuumlrde mit diesen Saumltzen absurder-weise gesagt dass Sokrates mit der Schreib- und Lesekundigkeit identischist) aber sie konnotieren sie insofern gilt dass Sokrates schreib- und lese-kundig genau dann ist wenn er Schreib- und Lesekundigkeit besitzt Koumlnnteman in Bezug auf Saumltze des Typs Dieser Haufen Fleisch und Knochen ist einMenschlsquo nicht analog sagen Ausdruumlcke des Typs ein Menschlsquo bezeichnenhier zwar nicht die Form Mensch (anderenfalls wuumlrde mit diesen Saumltzen ndashwenig plausibel ndash gesagt dass dieser Haufen Fleisch und Knochen mit derForm Mensch identisch ist) konnotieren sie aber

II Paradoxe Konsequenzen der Thesedass jedes Universale τοιόνδε ist

Im vorhergehenden Teil dieses Aufsatzes habe ich versucht die Frage zu be-antworten ob einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie in der Me-

61 Vgl die skeptischen Bemerkungen bei Lewis (wie Anm 5)62 Vgl dazu Strobel (wie Anm 4)

70 Benedikt Strobel

taphysik zugeschrieben wird substantielle Formen zu bezeichnen Dabeihabe ich Gebrauch gemacht von einer bestimmten Interpretation des erstenTeils von Aristotelesrsquo These dass nichts der Dinge die gemeinsam sind einτόδε τι bezeichnet sondern τοιόνδε Diesen ersten Teil habe ich mit (K1) para-phrasiert und zu zeigen versucht welche Praumlmissen Aristoteles fuumlr die Be-gruumlndung von (K1) voraussetzt Der zweite Teil der These ndash paraphrasierbarmit bdquoJeder Ausdruck der ein Universale bezeichnet bezeichnet τοιόνδεldquo ndash istvon mir bisher nicht thematisiert worden (insofern mit gewissem Recht alser fuumlr Aristotelesrsquo Argumentation an der Β-Stelle keine Rolle spielt) Auchhabe ich mich bisher nicht mit der Frage befasst was Aristoteles hier (imRahmen der mit (K1) paraphrasierten Aussage) eigentlich unter einem Uni-versale verstanden wissen moumlchte und was unter einem Ausdruck der einUniversale bezeichnet Die Eroumlrterung dieser Fragen moumlchte ich nun im ver-bleibenden zweiten Teil nachholen zusammen mit der Betrachtung des zwei-ten Teils der aristotelischen These

Ich beginne mit der Frage was Aristoteles hier unter einem Ausdruckverstanden wissen will der ein Universale (und somit kein τόδε τι sondernτοιόνδε) bezeichnet Wie wir oben (I1) gesehen haben knuumlpft Aristoteles dieEinstufung eines Dings als ein τόδε τι an die Bedingung dass das Ding nurvon Ausdruumlcken bezeichnet werden kann die auf nicht mehr als ein Dingzutreffen koumlnnen und wie wir weiter gesehen haben hat er dabei Ausdruumlckeim Blick die wir heute als singulaumlre Termelsquo bezeichnen Als Ergaumlnzungsstuumlckzu der These dass ein τόδε τι nur von Ausdruumlcken bezeichnet werden kanndie auf nicht mehr als ein Ding zutreffen koumlnnen sind nun fuumlr das als τοιόνδεverstandene Universale zwei alternative Thesen in Betracht zu ziehen

(A) Ein Universale kann nicht nur von Ausdruumlcken bezeichnet werden dieauf nicht mehr als ein Ding zutreffen koumlnnen sondern auch von Ausdruuml-cken die auf mehr als nur ein Ding zutreffen koumlnnen

(B) Ein Universale kann nur von Ausdruumlcken bezeichnet werden die aufmehr als nur ein Ding zutreffen koumlnnen

(A) ist damit vereinbar dass ein Universale von einem Ausdruck bezeichnetwerden kann der auf nicht mehr als ein Ding zutreffen kann (B) schlieszligtdies dagegen aus

Bevor ich auf die Frage zu sprechen komme ob Aristoteles eher zu (A)oder eher zu (B) tendiert will ich zunaumlchst auf die Schwierigkeiten hinweisendie mit der einen wie mit der anderen These verbunden sind Ich nehme dafuumlrmit Aristoteles an dass unter Ausdruumlcken die auf nicht mehr als ein Dingzutreffen koumlnnen singulaumlre Terme zu verstehen sind63

63 Vgl zu den Problemen dieser Annahme allerdings oben I1

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 71

Die Schwierigkeiten von (A) Nehmen wir an Ausdruumlcke des Typs einMenschlsquo bezeichnen das Universale Mensch Ausdruumlcke dieses Typs dasUniversale Menschlsquo sind nun singulaumlre Terme und koumlnnen ndash nach dem aristo-telischen Verstaumlndnis von singulaumlren Termen ndash auf nicht mehr als ein Dingzutreffen sie koumlnnen naumlmlich nur auf das zutreffen was sie bezeichnen dasUniversale Mensch Unter der Annahme dass Ausdruumlcke des Typs einMenschlsquo das Universale Mensch bezeichnen haben wir nun einen Fall wieihn (A) fuumlr Universalien generell anzunehmen erlaubt das Universale Menschwird sowohl von Termen bezeichnet die auf nicht mehr als ein Ding zutreffenkoumlnnen (das Universale Menschlsquo) als auch von Ausdruumlcken die auf mehrals nur ein Ding zutreffen koumlnnen (ein Menschlsquo) Und was soll daran nunso schlimm sein Folgendes Die Annahme dass zwei Ausdruumlcke die dasselbebezeichnen in (von indexikalischen Ausdruumlcken freien) singulaumlr praumldikativenSaumltzen des Typs Sokrates ist ein Menschlsquo salva veritate durcheinander ersetz-bar sind scheint auf den ersten Blick plausibel zu sein64 so kann ich z BSokrateslsquo in Sokrates ist ein Menschlsquo salva veritate durch Der Sohn desSophroniskoslsquo ersetzen Der Sohn des Sophroniskos ist ein Menschlsquo DasPrinzip dass Ausdruumlcke die dasselbe bezeichnen in (von indexikalischenAusdruumlcken freien) singulaumlr praumldikativen Saumltzen des Typs Sokrates ist einMenschlsquo salva veritate durcheinander ersetzbar sind ist allerdings einer Ein-schraumlnkung unterworfen es gilt nur unter der Voraussetzung dass die Erset-zung nicht etwas Ungrammatisches zum Resultat hat wenn ich z B in Alki-biades liebt Sokrateslsquo Sokrateslsquo durch Der Sohn des Sophroniskoslsquo ersetzeergibt sich etwas Ungrammatisches und infolgedessen auch nichts Wahrheits-oder Falschheitsfaumlhiges Alkibiades liebt der Sohn des Sophroniskoslsquo DasPrinzip ist entsprechend so einzuschraumlnken Ausdruumlcke die dasselbe bezeich-nen sind in (von indexikalischen Ausdruumlcken freien) singulaumlr praumldikativenSaumltzen salva veritate durcheinander ersetzbar sofern sie salva congruitate(unter Erhaltung der grammatischen Wohlgeformtheit) ersetzbar sind Unddieses Prinzip scheint mir nun tatsaumlchlich plausibel zu sein Aber genau diesesPrinzip wird von der Annahme dass das Universale Mensch sowohl vonAusdruumlcken des Typs ein Menschlsquo als auch von Ausdruumlcken des Typs dasUniversale Menschlsquo bezeichnet wird verletzt denn wenn ich in einem wahrenSatz des Typs Sokrates ist ein Menschlsquo einen Ausdruck des Typs ein Menschlsquodurch einen Ausdruck des Typs das Universale Menschlsquo ersetze erhalte ichzwar etwas grammatisch Wohlgeformtes (Sokrates ist das UniversaleMenschlsquo) aber nichts Wahres Soviel zu den Schwierigkeiten von (A)

Die Schwierigkeiten von (B) sind noch gravierender Nehmen wir anAusdruumlcke des Typs ein Menschlsquo bezeichnen ein Universale wir duumlrften aber

64 Vgl Frege Sinn und Bedeutung (wie Anm 1) 150

72 Benedikt Strobel

um auf dieses Universale Bezug zu nehmen nur Ausdruumlcke verwenden dieauf mehr als nur ein Ding zutreffen koumlnnen und keine die auf nicht mehrals ein Ding zutreffen koumlnnen Genau das ist der Fall den (B) fuumlr Universalienvorsieht Ein sehr unangenehmer Fall Denn wir muumlssten uns aller Aussagender Form Das Universale Mensch ist so-und-solsquo enthalten wuumlrden wir dochim Rahmen solcher Aussagen zur Bezugnahme auf das Universale einen Aus-druck verwenden der auf nicht mehr als ein Ding zutreffen kann (sondernnur auf das Universale Mensch) Wir muumlssten uns also auch der Aussageenthalten dass das Universale Mensch etwas ist das nur von Ausdruumlckenbezeichnet werden kann die auf mehr als nur ein Ding zutreffen koumlnnenUnd wir duumlrften dann auch nicht mehr behaupten Das Universale Menschist ein Universalelsquo (Mancher wird sich hier an Freges Paradoxlsquo erinnert fuumlh-len diese Erinnerung werde ich spaumlter noch einmal wachrufen)

Die Schwierigkeiten die mit der Akzeptanz sowohl von (A) als auch von(B) verbunden sind lassen sich dadurch vermeiden dass man (B) ganz ver-wirft und (A) durch eine modifizierte Fassung ersetzt in der neben der se-mantischen Relation des Bezeichnens noch eine weitere semantische Relationzwischen Ausdruumlcken und Universalien beruumlcksichtigt ist naumlmlich die (be-reits oben erwaumlhnte) des Konnotierens

(A+) Ein Universale kann nicht nur von Ausdruumlcken bezeichnet werden dieauf nicht mehr als ein Ding zutreffen koumlnnen sondern auch von Aus-druumlcken konnotiert werden die auf mehr als nur ein Ding zutreffenkoumlnnen65

Mit (A+) im Gepaumlck kann man sagen dass das Universale Mensch von Aus-druumlcken des Typs das Universale Menschlsquo bezeichnet wird jedoch von Aus-druumlcken des Typs ein Menschlsquo (nicht bezeichnet sondern) konnotiert wird(A+) verletzt nun ndash anders als (A) ndash nicht das Prinzip dass Ausdruumlcke diedasselbe bezeichnen in singulaumlr praumldikativen Saumltzen wie Sokrates ist einMenschlsquo salva veritate durcheinander ersetzbar sind sofern sie salva congrui-tate (unter Erhaltung der grammatischen Wohlgeformtheit) ersetzbar sind

Wie aber sieht Aristoteles die Sache An anderer Stelle habe ich argumen-tiert dass ihm die Unterscheidung zwischen den Relationen des Bezeichnensund des Konnotierens ndash der Sache wenn auch nicht der Terminologie nach ndashnicht fremd ist In der Kategorienschrift ist die Unterscheidung implizit vo-rausgesetzt66 Dennoch bin ich geneigt ihm nicht These (A+) und auch nicht

65 Dieser Loumlsungsvorschlag ist in der Sache wie auch terminologisch angelehnt an den beiKuumlnne (wie Anm 5) 334ndash336 Vgl auch W Kuumlnne Die Philosophische Logik GottlobFreges Ein Kommentar Frankfurt am Main 2010 227ndash235

66 Vgl Strobel (wie Anm 4)

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 73

These (A) sondern These (B) zuzuschreiben Mein Hauptgrund dafuumlr ist sei-ne Charakterisierung des Universale als τοιόνδε

Die Charakterisierung des Universale als τοιόνδε ist nicht so zu verstehenals wuumlrden Universalien nur auf eine der zehn Arten der Praumldikation (γένητῶν κατηγοριῶν Top I 9103 b 20ndash2167) ausgesagt naumlmlich auf die dergemaumlszligetwas als so-und-so-beschaffen (ποιόν τοιόνδε) charakterisiert wird Dennerstens bemerkt Aristoteles in Soph el 22178 b 37 τὸ γὰρ ἄνθρωπος καὶἅπαν τὸ κοινὸν οὐ τόδε τι ἀλλὰ τοιόνδε τι ἢ ποσὸν ἢ πρός τι ἢ τῶν τοιούτων τισημαίνει und diese Bemerkung impliziert dass Universalien gemaumlszlig allen zehnArten der Praumldikation ausgesagt werden Und zweitens schraumlnkt er die in denKategorien formulierte These dass Ausdruumlcke des Typs bdquoἄνθρωποςldquo oder desTyps bdquoζῷονldquo also Ausdruumlcke die ein Substanz-Universale bezeichnen ποιόντι σημαίνει dahingehend ein dass sie οὐχ ἁπλῶς ποιόν τι σημαίνει ὥσπερ τὸλευκόν sondern ποιάν τινα οὐσίαν (Cat 53 b 18ndash21) Es liegt an der besonde-ren Verwendung der Pronomina bdquoτοιόνδεldquo bzw bdquoποιόν τιldquo die es erlaubtnicht nur von Beschaffenheits-Adjektiven sondern z B auch von Termen derersten Kategorie wie bdquoἄνθρωποςldquo oder bdquoζῷονldquo zu sagen sie bezeichneten einτοιόνδεldquo bzw bdquoποιόν τιldquo Denn die Pronomina bdquoτοιόνδεldquo und bdquoποιόν τιldquo las-sen sich anders als z B ποσόν als Pronomina fuumlr beliebige generelle Termeverwenden z B auch fuumlr generelle Terme des Typs bdquoἄνθρωποςldquo und bdquoζῷονldquo

Freilich ist fuumlr meine These dass Aristoteles mit der Charakterisierungdes Universale als τοιόνδε Position (B) voraussetzt eine andere Beobachtungentscheidend ndash naumlmlich die dass bdquoτοιόνδεldquo und bdquoποιόν τιldquo als Pronomina nursolche Ausdruumlcke zu vertreten geeignet sind die auf mehrere Dinge zutreffenkoumlnnen bdquoτοιόνδεldquo und bdquoποιόν τιldquo sind dagegen nicht geeignet als PronominaAusdruumlcke zu vertreten die nicht auf mehrere Dinge zutreffen koumlnnen Sokann ich z B nicht bdquoΣωκράτηςldquo in bdquoΣωκράτης ἄνθρωπός ἐστινldquo durch bdquoτο-ιόνδεldquo vertreten lassen und auch nicht bdquoὁ ἥλιοςldquo in bdquoὁ ἥλιος αἴτιος τῆς γενέ-σεωςldquo Daher scheint sich mir Aristoteles mit der These dass ein Universalekein τόδε τι sondern ein τοιόνδε ist auf (B) festzulegen

Daraus ergeben sich zugleich folgende Antworten auf die eingangs ge-stellten Fragen (i) was Aristoteles in (K1) unter einem Universale verstandenwissen will und (ii) was unter einem Ausdruck der ein Universale bezeichnetDie Antwort auf (i) lautet etwas das nur von Ausdruumlcken bezeichnet werdenkann die auf mehrere Dinge zutreffen koumlnnen die Antwort auf (ii) einenAusdruck der auf mehrere Dinge zutreffen kann

Im ersten Teil hatte ich festgestellt dass Aristotelesrsquo in der Begruumlndungvon (K1) vorausgesetzte Annahme ein τόδε τι koumlnne nur von singulaumlren Ter-

67 Vgl zur Stelle M Frede Categories in Aristotle in Ders Essays in Ancient PhilosophyOxford 1987 29ndash48 hier 32 ff

74 Benedikt Strobel

men bezeichnet werden (= [P1]) eine direkte Parallele bei Frege hat ZumAbschluss dieses zweiten Teils moumlchte ich zeigen dass auch Aristotelesrsquo Fest-legung auf (B) eine direkte Parallele bei Frege hat Die Parallele besteht darindass Aristoteles den Universalien mit (B) etwas zuschreibt das dem aumlhnlichist was Frege den Begriffen zuschreibt wenn er ihnen eine bdquopraumldikative Na-turldquo zuschreibt und dass sich Aristoteles mit dieser Zuschreibung ein aumlhnli-ches Problem einhandelt wie Frege ndash naumlmlich das Problem auf das ich bereitsoben bei der Besprechung von (B) hingewiesen habe

In dem Aufsatz bdquoUumlber Begriff und Gegenstandldquo einer Antwort auf sei-nen Kritiker Benno Kerry in der Frege die These verteidigt die EigenschaftenBegriff zu sein und Gegenstand zu sein schloumlssen einander aus insistiert Fregeauf der bdquopraumldikativen Natur des Begriffesldquo68 Gleich zu Beginn seiner Erwide-rung auf Kerrys Einwaumlnde stellt er fest bdquoDer Begriff ndash wie ich das Wortverstehe ndash ist praumldikativldquo69 Was mit dieser Feststellung gemeint ist erlaumluterter in einer kurzen Fuszlignote bdquoEr [sc der Begriff] ist naumlmlich Bedeutung einesgrammatischen Praumldikatsldquo70 D h wenn ein grammatisches Praumldikat etwasbedeutet dann bedeutet es einen Begriff

Frege versteht hier unter Bedeutunglsquo nicht das was man normalerweiseunter Bedeutunglsquo versteht naumlmlich den linguistisch feststellbaren Sinn einesAusdrucks Vielmehr versteht er unter der Bedeutung eines Ausdrucks daswas der Ausdruck bezeichnet seine Referenz Und unter einem grammati-schen Praumldikatlsquo versteht er hier auch nicht das was man uumlblicherweise untereinem grammatischen Praumldikatlsquo versteht In Saumltzen des Typs Romeo liebtJulialsquo fungieren Ausdruumlcke des Typs Romeolsquo als grammatische SubjekteAusdruumlcke des Typs Julialsquo als grammatische Objekte und Ausdruumlcke desTyps liebtlsquo als grammatische Praumldikate aber Ausdruumlcke des Typs liebtlsquo be-zeichnen laut Frege in solchen Saumltzen keinen Begriff (sondern eine Bezie-hung) in Saumltzen des Typs Der Morgenstern ist nichts anderes als die Venuslsquobezeichnen laut Frege71 Ausdruumlcke des Typs nichts anderes als die Venuslsquoeinen Begriff fungieren aber schwerlich als grammatisches Praumldikat Fregescheint unter einem grammatischen Praumldikatlsquo hier (eher) das verstehen zuwollen was uumlbrigbleibt wenn wir von einem Satz (oder Teil-Satz) dessengrammatisches Subjekt abziehen

Freges These dass der Begriff Bedeutung eines grammatischen Praumldikatsist impliziert nicht dass ein Begriff nur von einem ndash so verstandenen ndash gram-matischen Praumldikat bezeichnet werden kann aber sie impliziert dass jeder

68 Frege Begriff und Gegenstand (wie Anm 34) 17469 Ebd 16870 Ebd 168 Anm 171 Vgl ebd 169

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 75

Begriff faumlhig ist von einem grammatischen Praumldikat bezeichnet zu werdenZwei Beispiele zeigen dies (i) Fuumlr Frege bezeichnen in Saumltzen des Typs Ro-meo liebt Julialsquo Ausdruumlcke des Typs Romeo liebtlsquo einen Begriff Ausdruumlckedieses Typs sind nun aber nicht das was von Saumltzen des Typs Romeo liebtJulialsquo uumlbrigbleibt wenn man das grammatische Subjekt abzieht (was dannuumlbrigbleibt sind Ausdruumlcke des Typs liebt Julialsquo) und somit keine grammati-schen Praumldikate aber der Begriff der von Ausdruumlcken des Typs Romeo liebtlsquobezeichnet wird kann auch von einem grammatischen Praumldikat bezeichnetwerden naumlmlich von einem Ausdruck des Typs wird von Romeo geliebtlsquo(ii) Fuumlr Frege bezeichnen in Saumltzen des Typs Alle Saumlugetiere haben rotesBlutlsquo72 Ausdruumlcke des Typs Saumlugetierelsquo einen Begriff Ausdruumlcke des TypsSaumlugetierelsquo sind nun nicht das was von Saumltzen des Typs Alle Saumlugetierehaben rotes Blutlsquo uumlbrigbleibt wenn man jeweils das grammatische Subjektabzieht (was dann uumlbrigbleibt sind Ausdruumlcke des Typs haben rotes Blutlsquo)aber der Begriff der von Ausdruumlcken des Typs Saumlugetierelsquo in Saumltzen des TypsAlle Saumlugetiere haben rotes Blutlsquo bezeichnet wird kann auch von einem (imeben erlaumluterten Sinne) grammatischen Praumldikat bezeichnet werden naumlmlichvon ist ein Saumlugetierlsquo in Saumltzen des Typs Wenn etwas ein Saumlugetier ist hates rotes Blutlsquo

Fuumlr Frege ist nun darin dass der Begriff Bedeutung eines grammatischenPraumldikats ist eingeschlossen dass er kein Gegenstand ist denn ein Gegen-stand kann nur von singulaumlren Termen bezeichnet werden und singulaumlreTerme koumlnnen niemals als grammatisches Praumldikat fungieren wiewohl sieTeil eines solchen sein koumlnnen73

Frege geht aber noch einen Schritt weiter Er sagt nicht nur dass Gegen-staumlnde nur von singulaumlren Termen bezeichnet werden koumlnnen er meint auchdass singulaumlre Terme nur Gegenstaumlnde bezeichnen koumlnnen Nimmt man nundas vorhin gewonnene Resultat hinzu dass Begriffe keine Gegenstaumlnde sindergibt sich dass Begriffe nicht von singulaumlren Termen bezeichnet werdenkoumlnnen Und daher fuumlhlt sich Frege gezwungen anzuerkennen dass Ausdruuml-cke des Typs Der Begriff Pferdlsquo keinen Begriff bezeichnen und zu behauptenbdquoDer Begriff Pferd ist kein Begriffldquo74

Frege will damit nicht ausschlieszligen dass etwas von einem Begriff ausge-sagt werden koumlnne aber bdquoauch da wo etwas von ihm ausgesagt wirdldquo sagtFrege bdquoverhaumllt sich der Begriff wesentlich praumldikativldquo75 Frege hat dabeiquantifizierte Saumltze der Form Es gibt einen Menschenlsquo oder Alle Saumlugetiere

72 Vgl ebd 17173 Ebd 169 und 17474 Ebd 17075 Ebd 174

76 Benedikt Strobel

haben rotes Blutlsquo im Auge Warum verhaumllt sich der Begriff auch hier wesent-lich praumldikativ Weil die entsprechenden Saumltze sinnwahrend in Saumltze uumlber-setzt werden koumlnnen in denen der Begriff von grammatischen Praumldikatenbezeichnet wird Es gibt etwas das ein Mensch istlsquo Wenn etwas ein Saumluge-tier ist hat es rotes Blutlsquo

Diese Feststellung erlaubt es nun Freges Rede von der praumldikativen Na-tur des Begriffs folgendermaszligen zu explizieren Der Begriff hat eine praumldika-tive Natur weil fuumlr jeden Satz von dem einige seiner Elemente Begriffe be-zeichnen gilt entweder sind alle in ihm enthaltene Begriffsbezeichnungengrammatische Praumldikate oder er laumlsst sich sinnwahrend in einen Satz uumlberset-zen fuumlr den gilt dass alle in ihm enthaltene Begriffsbezeichnungen als gram-matische Praumldikate fungieren

Um nun zu Aristoteles zuruumlckzukehren Frege spricht von grammatischenPraumldikaten Aristoteles von Ausdruumlcken die auf mehrere Dinge zutreffenkoumlnnen Hier liegt ein wichtiger Unterschied Denn nicht alle grammatischenPraumldikate sind Ausdruumlcke die auf mehrere Dinge zutreffen koumlnnen (Fregeselbst weist darauf hin am Beispiel von nichts anderes als die Venuslsquo76) zu-dem versteht Aristoteles unter Ausdruumlcken die auf mehrere Dinge zutreffenkoumlnnen nicht grammatische Praumldikate der Form ist ein Menschlsquo sonderngenerelle Terme der Form ein Menschlsquo (allerdings nimmt es Frege hier selbstnicht so genau siehe wiederum sein Beispiel nichts anderes als die Venuslsquo)Ein weiterer Unterschied Frege spricht nicht davon dass Begriffe nur vongrammatischen Praumldikaten bezeichnet werden koumlnnen sondern davon dassfuumlr jeden Satz der Begriffsbezeichner enthaumllt gilt dass alle seine Begriffsbe-zeichner grammatische Praumldikate sind oder er sich in Saumltze des ersten Typssinnwahrend uumlbersetzen laumlsst Aristoteles legt hingegen nahe dass Universali-en nur von Ausdruumlcken die auf mehrere Dinge zutreffen koumlnnen bezeichnetwerden koumlnnen

Aber diese Unterschiede sollten nicht folgende wichtige Gemeinsamkeitverkennen lassen Frege legt sich (explizit) auf die Auffassung fest dass Be-griffe nicht von singulaumlren Termen bezeichnet werden koumlnnen und Aristote-les legt sich (implizit durch die Charakterisierung des Universale als τοιόνδε)auf die Auffassung fest dass Universalien nicht von singulaumlren Termen be-zeichnet werden koumlnnen

Waumlhrend sich Frege uumlber die Schwierigkeiten dieser Auffassung Rech-nung gibt finden wir bei Aristoteles keine aumlhnlichen Reflexionen Und manwird ohne Zweifel Stellen in seinem Werk finden an denen er ndash unvermeidli-cherweise ndash doch mit singulaumlren Termen auf Universalien Bezug nimmt Aberdies zeigt nicht dass er sich mit der Charakterisierung des Universale als

76 Ebd 169

Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik 77

τοιόνδε nicht auf die Auffassung festlegt die ich ihm zugeschrieben habe Eszeigt nur dass es sehr schwer ist diese Auffassung zu haben ohne sich inSchwierigkeiten zu verwickeln77

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77 Dieser Aufsatz ist aus verschiedenen Vorgaumlngerversionen hervorgegangen von denen icheine der fruumlheren bei der Tagung bdquoDie Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter ndash Rezeptionund Transformationldquo im Oktober 2011 und eine der spaumlteren im Kolloquium zur antikenPhilosophie an der Universitaumlt Bonn im April 2012 vortragen konnte Gerhard Krieger giltmein Dank fuumlr die Einladung mit einem Vortrag an der Tagung mitzuwirken ChristophHorn fuumlr die Einladung in das Bonner Kolloquium Weiter moumlchte ich Sebastian Gaumlb AnnaSchriefl und Simon Weber fuumlr hilfreiche Bemerkungen danken

78 Benedikt Strobel

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Die Metaphysik und metaphysisches Denkenam bdquoVorabendldquo der Aristoteles-Rezeption

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzender Metaphysik

Tiana Koutzarova

Mit der Uumlbertragung bedeutender Teile des Kitāb aš-šifāʾ (Buch der Gene-sung) etwa 100 Jahre nach dem Tode Ibn Sīnās (428 AH1037 n Chr) insLateinische haumllt Avicenna ins Abendland Einzug Sein Ansatz bei der Beant-wortung der grundlegenden philosophischen Frage nach dem Seienden (al-mawgūd) weist dabei eine in mehrfacher Hinsicht herausragende Wirkungs-geschichte auf Er markiert naumlmlich nichts Geringeres als die kritische Neube-gruumlndung der aristotelischen Ersten Philosophie als einer an den Kriteriender Zweiten Analytiken gemessenen Wissenschaft und erweist sich zudem inzwei unabhaumlngig voneinander sich entwickelnden Rationalitaumltstraditionenals aumluszligerst einflussreich Neben Albertus Magnus Thomas von Aquin Hein-rich von Gent oder auch Duns Scotus diskutieren naumlmlich Autoren wie z BFahr ad-Dīn ar-Rāzī (gest 6061209) Aṯīr ad-Dīn al-Abharī (gest 6631264) Nagm ad-Dīn al-Kātibī (gest 6751276) Nasīr ad-Dīn at-Tūsī (geb5971201 minus gest 6721273) ʿAdud ad-Dīn al-Īgī (geb um 7001300 minus gest7561355) Saʿd ad-Dīn at-Taftāzānī (7221322 -7931390) as-Sayyid aš-Šarīf al-Gurgānī (7401339ndash8161413) Galāl ad-Dīn ad-Dawānī (8301427ndash9081502ndash3) al-Maybuḏī (gest 9091503ndash4) al-Qūšgī (gest 8791474)Sadr ad-Dīn aš-Šīrāzī (gest 10501640) und Muḥammad Mahdīy b ʾAbīḎarr an-Narāqī (gest 12091794) dieselben von Avicenna zum ersten Malerschlossenen oder zumindest explizit eingefuumlhrten Fragen wie etwa die nachdem ersten Objekt der Erkenntnis (bayyin bi-nafsihī primum cognitum) odernach der Unterscheidung von Sein (wugūd esse) und Wesen (māhīyah essen-tia) etc

Avicennas Kritik an der aristotelischen Metaphysik betrifft ihren episte-mologischen Status Diesen in aller Klarheit herausgearbeitet zu haben undso die Disziplin der Ersten Philosophie zum zweiten mal begruumlndet zu habenhat schon manchen Forscher dazu veranlasst ihn den bdquozweiten Andronikosldquozu nennen1

1 Vgl A Bertolacci The Reception of Aristotlersquos Metaphysics in Avicennarsquos Kitāb al-Sifāʾ AMilestone of Western Metaphysical Thought (Islamic Philosophy Theology and ScienceBd 63) Leiden 2006 480

82 Tiana Koutzarova

Als 1988 D Gutasrsquo Werk Avicenna and the Aristotelian Tradition er-schien konnte man nicht ahnen daszlig es zu einer bedeutenden Wende in derHaltung gegenuumlber der arabischen Philosophie auch auszligerhalb der Arabis-tenkreise oder gar zu einem Sprung in der ihr gewidmeten Forschung in derwestlichen Welt fuumlhren wuumlrde Doch genau das ist eingetreten wie es ZahlQualitaumlt und das beinahe zeitgleiche Erscheinen der seitdem entstandenenArbeiten eindruumlcklich bezeugen Im besonderen Maszlige gilt dies fuumlr die Erfor-schung der avicennischen Ilāhīyāt (Metaphysik) des Kitāb aš-šifāʾ2 Auchwenn die unter der Leitung von I Madkūr zwischen 1952 und 1983 in Kairoerschienene Edition dieses gewaltigen Werkes sicherlich nicht als eine ausrei-chend kritische angesehen werden kann ndash eine solche und zwar des gesamtenKorpus des Avicenna einschlieszliglich vieler bislang unbekannter Schriften wirdzur Zeit in Iran vorbereitet ndash so erlaubt der heutiger Forschungstand zumin-dest differenziertere Fragestellungen Im Folgenden moumlchte ich einige zentraleVeraumlnderungen des Konzepts Avicennas gegenuumlber der aristotelischen Meta-physik skizzieren und sie anschlieszligend im Hinblick auf ihre Moumlglichkeitsbe-dingungen und in bestimmter Hinsicht neu entstehenden Problemen kritischhinterfragen

I Was ist Metaphysik

Verstand Aristoteles die Erste Philosophie als Wissenschaft vom allgemeinenSeienden (Met Γ 1 Ontologie) dessen ausgezeichnete Bedeutung die derSubstanz ist (Met Γ 2) so fuumlhrt die Untersuchung des Seienden als solchenkonsequenterweise zur Analyse der Substanz (Met Ζ Η Θ Ousiologie) an

2 Neben zahlreichen Artikeln und neuen Uumlbersetzungen ndash genannt sei hier nur die englischevon M E Marmura (Avicenna The Metaphysics of The Healing A parallel English-ArabicText Translated [Islamic Translation Series Al-Hikma] Introduced and Annotated by ME Marmura Provo [Utah] 2005) ndash sind auch die folgenden sich ausnahmslos auf diearabischen Originalquellen stuumltzenden Monographien erschienen R Wisnovsky AvicennarsquosMetaphysics in Context Ithaca 2003 Bertolacci Reception of Aristotlersquos Metaphysics (wieAnm 1) T Koutzarova Das Transzendentale bei Ibn Sīnā Zur Metaphysik als Wissen-schaft erster Begriffs- und Urteilsprinzipien (Islamic Philosophy Theology and ScienceBd 79) Leiden 2009 O Lizzini Fluxus (fayd) Indagine sui fondamenti della metafisica edella fisica di Avicenna Bari 2011 Zum Uumlberblick uumlber die Uumlbersetzungen und Forschungs-literatur zur Avicennas Metaphysik vgl J Janssens An Annotated Bibliography on IbnSīnā Leuven 1991 und das sich daran anschlieszligende First Supplement Louvain-la-Neuve1999 sowie A Bertolacci Arabic and Islamic Metaphysics in E N Zalta (Hrsg) TheStanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2012 Edition) Stanford 2012 Erwaumlhnenswertin diesem Zusammenhang ist auch D N HasseA Bertolacci (Hrsg) The Arabic Hebrewand Latin Reception of Avicennarsquos Metaphysics BerlinndashBoston 2012

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 83

deren Anschluss jedoch erneut ein Uumlbergang folgt ein Uumlbergang naumlmlich zueinem bestimmten Seienden das die Prinzipien der Substanz uneingeschraumlnktverwirklicht und darum als Inbegriff von Substantialitaumlt begriffen wird (MetΛ Theologie) Analog koumlnnte man das avicennische Programm wie folgt zu-sammenfassen Beginnend mit einer Neuerung gegenuumlber der Metaphysik desAristoteles naumlmlich mit einer Kritik der Erkenntnis zur Ermoumlglichung einerErsten Philosophie (Kritik) gewinnt Avicenna einen solchen Begriff des Sei-enden dessen Erkenntnis die Erkenntnis eines Anderes nicht nur nicht be-darf sondern diese uumlberhaupt erstlich bedingt (Prinzip aller begrifflichen undvermittels derer auch Urteilserkenntnis) Da dieser Begriff des Seienden soallgemein ist dass er gegenuumlber extramentaler und ausschlieszliglich denkabhaumln-giger Existenz indifferent ist ermoumlglicht er im Rahmen dieser Kritik die Klauml-rung des ontologischen Status der Gegenstaumlnde der Logik3 womit die Meta-physik ndash auch wenn nur vermittels der Kritik und nicht ihrem Subjekt nach ndashdie aristotelische Forderung nach einer houmlchsten Wissenschaft erfuumlllt die of-fengebliebene Fragen hinsichtlich der Gegenstaumlnde aller anderen Disziplinenklaumlrt Als Subjekt (mawḍūʿ) der Metaphysik kann dieser Begriff jedoch nurin der eingeschraumlnkten Bedeutung von bdquoetwas dem es nicht widersprichtdenkunabhaumlngige Realitaumlt zu habenldquo fungieren (Subjektsbestimmung) Diezweiten Intentionen werden somit ebenso wie bdquoChimaumlreldquo oder bdquoBockhirschldquoaus dem Gegenstandsbereich der Ersten Philosophie ausgeschlossen Ausge-hend von einem solch inhaltsarmen erstlich erkannten und nur noch vomschlechthin Nichtseienden abgrenzbaren Begriff wie dem des Seienden alssolchen kann man zur erweiterten Erkenntnis der so-und-so bestimmten Sei-enden nur dann gelangen wenn gezeigt werden kann in welcher Weise dieje-nigen Bestimmungen die das allgemeine Seiende als erste einzuteilen vermouml-gen erfaszligt werden koumlnnen Avicennas Loumlsung hierbei ist revolutionaumlr bdquoNot-wendigldquo und bdquomoumlglichldquo sind nicht nur wesentliche Eigenschaften desSeienden als solchen sondern dass es so ist ist eine Erkenntnis a prioriDamit schlaumlgt er einen gegenuumlber der aristotelischen Vorlage neuen Weg derExplikation des Seienden jenseits von Substanz und Akzidens naumlmlich dender modalen Bestimmung ein Alles Seiende ist entweder ein durch sich selbstextramental Bestehendes oder ein solches dem durch sich selbst weder realeExistenz noch Nichtexistenz widersprechen (modale Explikation) Der Got-

3 Vgl Ibn Sīnā Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt hrsg v G Anawati Saʿīd Zāyid mit Einl vonIbrāhīm Madkūr Kairo al-Hayʾah al-ʿāmmah li-šuʾūn al-matābiʿ al-ʾamīrīyah 1960 I 21017ndash112 (= Avicenna Latinus Liber de philosophia prima sive scientia divina IndashIV Eacutedi-tion critique de la traduction latine meacutedieacutevale par Simone van Riet introdution doctrinalepar G Verbeke LouvainndashLeiden 1977 I 2 1072ndash77) zur engl Uumlbersetzung vgl AvicennaThe Metaphysics of The Healing (wie Anm 2) 722ndash27 Dazu vgl Bertolacci Reception ofAristotlersquos Metaphysics (wie Anm 1) 272 ff und Koutzarova (wie Anm 2) 139 ff

84 Tiana Koutzarova

tesbeweis der im Rahmen der modalen Explikation durchgefuumlhrt wird stellteine weitere Veraumlnderung gegenuumlber der aristotelischen Metaphysik die jaden unbewegten Beweger der Physik (VIII 5) voraussetzt dar Schlieszliglichgeht die avicennische Erste Philosophie zur Explikation bestimmterer Seien-der uumlber und betrachtet sowohl das Moumlglich- wie auch das Notwendigseien-de das sich als Inbegriff an Seiendheit erweist (Theologie)

Auch wenn dieser Uumlberlick aumluszligerst knapp ist so durfte er verdeutlichthaben dass der Schluumlssel zum Verstaumlndnis des avicennischen Konzepts in dererwaumlhnten Kritik zu suchen ist Darum wende ich mich zunaumlchst ihr zu umdann in einem zweiten Schritt einige Probleme im Hinblick auf Methode undGrenzen der neuen Konzeption anzusprechen

II Kritik

Der eigentliche Ort der Kritik ist Buch I der insgesamt zehn Buumlcher umfassen-den ʾIlāhīyāt (Metaphysik) des Kitāb aš-šifāʾ Fuumlhrt man sich allerdings vorAugen dass diese gewaltige summa als eine zusammenhaumlngende Einheit ent-worfen worden ist4 so darf es auch nicht uumlberraschen dass sich Elementeder Kritik auch in anderen Disziplinen wie z B im Madḫal (Isagoge) al-Maqūlāt (Kategorien) oder auch und insbesondere im wissenschaftstheoreti-schen Buch Burhān (Zweite Analytik)5 des Buchs der Genesung finden Hin-weise darauf kann man aber auch auszligerhalb des Werkes ausfindig machenetwa in der beruumlhmten und so oft zitierten biographischen Notiz des Avicen-na oder in Spaumltwerken wie at-Taʿlīqāt (Anmerkungen) Ich fasse nun einigeder vielfaumlltigen und ihrer Natur nach heterogenen Hinweise zusammen

ndash An der houmlchsten Wissenschaft angekommen stoumlszligt Avicenna auf groszlige Ver-staumlndnisschwierigkeiten6 deren Uumlberwindung er explizit der Hilfe al-Fārā-bīs verdankt7

4 Vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 41ndash495 Worauf Avicenna auch selbst hinweist vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 1 51ndash3 (= Liber

de philosophia prima I 1 335ndash37 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing[wie Anm 2] 234ndash37)

6 Vgl The Life of Ibn Sīnā (Studies in Islamic Philosophy and Science) A Critical Editionand Annotated Translation by W E Gohlman New York 1974 321ndash344 Zur englischenUumlbers vgl D Gutas Avicenna and the Aristotelian Tradition Introduction to ReadingAvicennarsquos Philosophical Work (Islamic Philosophy Theology and Science Texts and Stu-dies Vol IV) LeidenndashNew York 1988 8 und Bertolacci Reception of Aristotlersquos Metaphy-sics (wie Anm 1) 44 zur deutschen Uumlbers vgl Koutzarova (wie Anm 2) 13 f

7 Es handelt sich dabei um das Traktat Fī ʾaġrāḍ kitāb mā baʿd aṭ-ṭabīʿah (Uumlber die Zieleder Metaphysik) Zur Edition vgl F H Dieterici (Hrsg) Alfārābīrsquos philosophische Ab-handlungen aus Londoner Leidener und Berliner Handschriften Leiden 1890 [ND Institu-

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 85

ndash Bereits im Madḫal (Isagoge) weist Avicenna auf seine eigene Systematisie-rungen in der Metaphysik des Kitāb aš-šifāʾ hin8

ndash Der epistemologische Status der Prinzipien der Metaphysik kann ndash so wirdschon im Burhān (Zweite Analytik) festgehalten ndash nur noch als bdquodurchsich selbst bekannteldquo (bayyinah bi-nafsihā) aufgefaszligt werden9

ndash Die Notwendigkeit erkenntnisapriorischer Urteile aber auch Begriffe wirdebenfalls im Burhān (Zweite Analytik) behauptet10

ndash Subjekt (mawḍūʿ) der houmlchsten Wissenschaft kann nur ein solches seindessen Gemeinsamkeit (ʿ umūm) sich auf alle Subjekte der uumlbrigen Wissen-schaften erstreckt ein hier im Burhān (Zweite Analytik) nur angenomme-nes Prinzip alles verursachten Seienden kann als eben solches nicht Subjekteiner partikularen Wissenschaft sein da es aber weder Allgemeines (kullī)noch allen anderen Seienden Gemeinsames (ʿ āmm) ist kann es nur Teilnicht aber Subjekt der houmlchsten Wissenschaft sein11

ndash Der aristotelische Gottesbeweis aus Physik (VIII 5)12 behauptet ausschlieszlig-lich ein Prinzip der Bewegung nicht aber des Seins13

te for the History of Arabic-Islamic Science at the Johann Wolfgang Goethe University(Publications of the Institute for the History of Arabic-Islamic Science Islamic PhilosophyBd 12) Frankfurt am Main 1999 34ndash38] zur Uumlbersetzung und ausfuumlhrliche Interpretationvgl Gutas (wie Anm 6) 238ndash254 Bertolacci Reception of Aristotlersquos Metaphysics (wieAnm 1) 65ndash103 und Koutzarova (wie Anm 2) 17ndash38

8 Vgl Ibn Sīnā Kitāb aš-šifāʾ al-Manṭiq I al-Madḫal (Isagoge) hrsg v G Anawati M al-Hudayrī ʾA F al-ʾAhwānī mit Einl von Ibrāhīm Madkūr Kairo 1952 I 1 917ndash104zitiert nach Koutzarova (wie Anm 2) 44 bdquoAlles Schaumltzenswerte das sich in den Buumlchernder Alten findet haben wir in diesem Buch angefuumlhrt Wenn etwas nicht an seinem uumlblichenOrt aufzufinden ist so befindet es sich an einer anderen Stelle die ich fuumlr angemessenerhalte Dem habe ich hinzugefuumlgt was ich selbst erkannt und durch eigene Untersuchunggewonnen habe insbesondere in der Physik der Metaphysik und der Logikldquo

9 Vgl Ibn Sīnā Kitāb aš-šifāʾ al-Manṭiq V al-Burhān (Zweite Analytik) hrsg v ʾAbū l-ʿAlāʾ ʿAfīfī mit Einl von Ibrāhīm Madkūr Kairo 1956 II 10 1843ndash7

10 Vgl Ibn Sīnā Kitāb aš-šifāʾ al-Burhān (wie Anm 9) I 6 771ndash511 Vgl ebd II 7 1653ndash10 Vgl dazu Bertolacci Reception of Aristotlersquos Metaphysics (wie

Anm 1) 119 Anm 23 und Koutzarova (wie Anm 2) 121 ff12 Einen aumlhnlichen Beweis eines unbewegten Bewegers fuumlhrt Avicenna selbst in der Physik

Vgl Kitāb aš-šifāʾ aṭ-Tabīʿīyāt (Physik) I as-Samāʿ aṭ-ṭabīʿī (Physikvorlesung) hrsg vonSaʿīd Zāyid mit Einl von Ibrāhīm Madkūr Kairo 1983 IV 15 329ndash333 Vgl dazu J McGinnes Avicenna (Great Medieval Thinkers) Oxford 2010 151

13 Vgl Ibn Sīnā Šarḥ kitāb ḥarf al-lām in ʿAbdar-RaḥmānBadawī (Hrsg) ʾAristūʿ ind al-ʿarab dirāsah wa-nusūs ġayr manšūrah (dirāsātʾislāmīyah Bd 5) 2al-Kuwayt 1978 2321ndash24 zitiert nach Koutzarova (wie Anm 2) 390 bdquoEr [Avicenna] tadelt Aristoteles und dieKommentatoren mit folgenden Worten Es ist schaumlndlich zum ersten Wirklichen (al-ḥaqqul-ʾawwalu [Gott]) auf dem Weg der Bewegung und dadurch dass Er Prinzip der Bewegungist zu gelangen und es ist vergebliche Muumlhe davon ausgehend es [d h das Prinzip derBewegung] zum Prinzip der Substanzen zu machen Denn diese Leute haben nichts mehrerbracht als den Erweis dass Er Beweger ist nicht aber dass Er Prinzip des Seienden istWie denn auch Wie kann die Bewegung der Weg sein um den Einen und Wahren der

86 Tiana Koutzarova

ndash Die Alten sind der Auffassung dass es keine Seinskontingenz sondern nurSeinsnotwendigkeit gibt14

Es ergeben sich mehrere Themenkomplexe die im Hinblick auf die Konzepti-on der Metaphysik als Wissenschaft und zwar als erste und houmlchste in einemZusammenhang und damit in eine bestimmte Ordnung gebracht werdenmuumlssen was Avicenna auch im Buch I von ʾIlāhīyāt (Metaphysik) tut Dieimmer wieder aufgeworfene Schwierigkeit im Zusammenhang mit der ErstenPhilosophie betrifft ihren Gegenstand ndash ist es das Seiende als Seiendes oderGott oder die letzten Ursachen oder das von der Materie Abgetrennte ndash unddie Antwort darauf bestimmt nicht nur das jeweilige Konzept von Metaphy-sik sondern auch die Verschiebung vieler Fragen aus den partikularen Wis-senschaften wie z B der Physik (etwa die Seele und ihr Verhaumlltnis zum Koumlr-per) in die Erste Philosophie Vor allem aber haumlngt von der Antwort daraufwas Subjekt der Metaphysik ist ab ob entsprechend der jeweils zugrundege-legten Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie von einem metaphysischen Wis-sen oder von Metaphysik als Wissenschaft gesprochen werden kann Da nunAvicenna in einer Tradition steht die die Bedeutung der Analytica posteriorades Aristoteles rasch erkannt hat15 und er auch selbst nicht nur eine solcheSchrift (al-Burhān) verfasst sondern ein gewaltiges Projekt der Darstellungaller theoretischen Wissenschaften und der Logik vollendet (Kitāb aš-šifāʾ)hat so ist seine bdquoZweite Analytikldquo nicht nur Teil des Kitāb aš-šifāʾ sondernnichts Geringeres als die wissenschaftstheoretische Grundlage des gesamtenWerkes16 Dass also auch die Erste Philosophie an dieser Wissenschaftstheoriegemessen werden muss wuszligte Avicenna nicht erst als er bei der letzten Dis-ziplin des Kitāb aš-šifāʾ angekommen war

Prinzip allen Seins ist zu er weisenlsquoldquo Ist aber der Beweis der Physik in seiner Aussagekrafteingeschraumlnkt so kann er doch aus didaktischen Gruumlnden sogar von Nutzen sein Vgl dazuauch Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 1 73ndash6 (= Liber de philosophia prima I 1 591ndash697[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 428ndash34) Uumlbersvon mir bdquoWas dir davon [d h von der Existenz Gottes] bereits im Zuumlge der Physik aufge-schienen ist ist ihr fremd und wurde obwohl es nicht zu ihr gehoumlrt in ihr verwendet Dennes wurde damit beabsichtigt eine gewisse Kenntnis von der Existenz des ersten Prinzipsvorweg zu nehmen damit der starke Wunsch entstehe die Wissenschaften zu erwerben undeben dorthin zu gelangen wo man dies in Wirklichkeit erkennen kannldquo

14 Vgl Ibn Sīnā at-Taʿlīqāt (Anmerkungen) hrsg v ʿAbdar-ar-Raḥmān Badawī (al-Makta-bah al-ʿArabīyah 130) Kairo 13921973 2920

15 Vgl dazu D Black bdquoFarabı ii Logicldquo in E Yarshater (Hrsg) Encyclopaedia IranicaVol IX Fasc 2 New York 1999 213ndash16 und M Maroacuteth Die Araber amp die antikeWissenschaftstheorie (Islamic Philosophy Theology and Science Texts and Studies VolXVII) Uumlbers aus dem Ungar von J Till und G Kerekes LeidenndashNew York 1994 73ndash171

16 Vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 44ndash49

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 87

Weder die Existenz Gottes noch die der letzten Ursachen der Dinge koumln-nen als bekannt vorausgesetzt werden und duumlrfen gemaumlszlig der Wissenschafts-theorie17 allein schon deshalb nicht als Subjekt der Ersten Philosophie aufge-fasst werden Sollte aber uumlberhaupt nach Gott und den letzten Ursachen ge-fragt werden so nur in der Metaphysik so dass beide notwendig den Statuseines bdquoGesuchtenldquo (maṭlūb) erfahren18 Wissenschaftstheoretisch bedeutetdas dass die zunaumlchst nur hypothetisch angenommenen letzten Ursachen derDinge und Gott in einem ganz bestimmten Verhaumlltnis zum Subjekt dieserWissenschaft stehen muumlssen so dass im Zuge seiner Explikation der Weg zusolch bdquoGesuchtemldquo uumlberhaupt gelegt werden kann Das Problem der Gegen-standsbestimmung der Metaphysik ist damit zwar nicht geloumlst seine Aus-gangsvoraussetzung hat sich aber wesentlich veraumlndert zwei der insgesamtdrei urspruumlnglich als moumlgliches Subjekt (mawḍūʿ) angenommenen Kandida-ten haben diesen Status verloren muumlssen aber sollte ihr Existenzerweis uumlber-haupt moumlglich sein zu den wie auch immer gearteten Teile des Subjekts ge-rechnet werden

Der Ausweis des Seienden als Seienden (al-mawgūd min ḥayṯu huwamawgūd) als Subjekt der Ersten Philosophie ist vielschichtig und koumlnnte wiefolgt zusammengefasst werdenndash Das Seiende als solches weist eine maximale Gemeinsamkeit (ʿumūm) auf

die sich sowohl auf Substanz und Akzidens als auch auf disjunktive trans-kategoriale Bestimmungen wie Notwendigkeit und Moumlglichkeit Akt undPotenz erstreckt19 waumlhrend Substanz und Akzidens wissenschaftstheore-tisch als die washeitlich uumlberhaupt erst bestimmten bdquoAls-ob-Artenldquo desSubjekts verstanden werden20 kann den disjunktiven Bestimmungen nur

17 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-Burhān (wie Anm 9) II 10 184718 Vgl ders al-ʾIlāhīyāt I 1 516ndash818 (= Liber de philosophia prima I 1 458ndash839 [wie

Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 320ndash617) Zu denentsprechenden Argumenten und Interpretationen vgl Bertolacci Reception of AristotlersquosMetaphysics (wie Anm 1) 116 ff und Koutzarova (wie Anm 2) 125ndash137

19 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 2 1211ndash1319 (= Liber de philosophia prima I 2 1211ndash1346 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 99ndash1016)Zur Analyse vgl Bertolacci Reception of Aristotlersquos Metaphysics (wie Anm 1) 121 ff undKoutzarova (wie Anm 2) 138ndash173

20 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 2 1314ndash16 (= Liber de philosophia prima I 2 1338ndash41[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 107ndash11) zitiertnach Koutzarova (wie Anm 2) 167 bdquoEinige von diesen Bestimmungen verhalten sich ihm[d h dem Begriff des Seienden] gegenuumlber so als ob sie Arten waumlren wie die Substanz dieQuantitaumlt und die Qualitaumlt Denn um in diese eingeteilt zu werden bedarf das sbquoSeiendelsquokeiner voraufgehenden Einteilung wie die Substanz Einteilungen benoumltigt ehe sie insbquoMenschlsquo und sbquoNicht-Menschlsquo geteilt werden kannldquo

88 Tiana Koutzarova

noch der Status von eigentuumlmlichen Eigenschaften (ʿ awāriḍu ḫāssah) desSeienden als solchen eingeraumlumt werden21

ndash Eine aumlquivoke Gemeinsamkeit waumlre aber Scheingemeinsamkeit und wuumlrdedaher keine Subjektgattung begruumlnden koumlnnen Deshalb verteidigt Avicen-na die Einheit des bdquoSeiendenldquo im Hinblick sowohl auf seine bdquoAls-ob-Teileldquoals auch seine Eigenschaften Die Verhaumlltnisart des bdquoSeiendenldquo beidem ge-genuumlber bestimmt er in al-Maqūlāt (Kategorien) I 2 als taškīk22 die demaristotelischen πρὸς ἕν zwar aumlhnlich mit ihm aber nicht identisch ist23

bdquoSeiendesldquo (das was Bestand haben kann) ist nach Avicenna demnach einsolcher gemeinsamer und fruumlherer Begriff der die einzelnen washeitlichoder modal bestimmten Seienden nur unexplizit erfaszligt da er dem jeweili-gen Grad an Seiendheit Substanz Qualitaumlt Quantitaumlt etc bzw Kontin-genz und Notwendigkeit gegenuumlber indifferent ist24

ndash Schlieszliglich gilt es und das ist der Kernpunkt der Kritik von ʾIlāhīyāt (Me-taphysik) des Kitāb aš-šifāʾ ebenfalls aus wissenschaftstheoretischenGruumlnden die Aprioritaumlt des bdquoSeiendenldquo zu verteidigen bdquoSeiendesldquo wirddabei (ʾ Ilāhīyāt I 5) in seinen beiden Hinsichten dem Was-es-ist (šayʾDingal-wugūdu l-ḫāssdas eigentuumlmliche Sein) und dem Dass-es-ist (al-wugūdul-ʾiṯbātīdas allgemeine Sein)25 als bdquodas was extramental Existenz haben

21 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 2 1316ndash19 (= Liber de philosophia prima I 2 1342ndash46[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 1011ndash16) zitiertnach Koutzarova (wie Anm 2) 169 bdquoEinige davon sind [d h verhalten sich zum sbquoSeiendenlsquo]sbquowie eigentuumlmliche Eigenschaftenlsquo wie das sbquoEinelsquo und das sbquoVielelsquo sbquoAktlsquo und sbquoPotenzlsquo dassbquoUniversalelsquo und das sbquoPartikularelsquo das sbquoMoumlglichelsquo und das sbquoNotwendigelsquo Denn um dieseEigenschaften aufzunehmen und um fuumlr sie aufnahmefaumlhig zu sein bedarf das sbquoSeiendelsquoweder als physisches noch als mathematisches noch als ethisches noch als etwas anderesspezifiziert zu werdenldquo

22 Zur Uumlbersetzung vgl Koutzarova (wie Anm 2) 214ndash21823 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-Manṭiq II al-Maqūlāt (Kategorien) hrsg v Ibrāhīm Madkūr Kairo

1954 I 2 115ndash7 Vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 227 ff24 Zur Taškīk-Gemeinsamkeit des Seienden als solchen gegenuumlber den washeitlich bestimmten

Seienden vgl Kitāb aš-šifāʾ al-Manṭiq II al-Maqūlāt (Kategorien) I 2 1013ndash16 zu denTextstellen die auch das Taškīk-Verhaumlltnis zu den modal bestimmten Seienden belegen vglKoutzarova (wie Anm 2) 289ndash302

25 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 315ndash9 (= Liber de philosophia prima I 5 3454ndash3561[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 2416ndash24) zitiertnach Koutzarova (wie Anm 2) 315 bdquoDas Dinglsquo und das was seinen Platz einnimmt [d hdessen Aumlquivalente als sprachliche Zeichen] koumlnnen in allen Sprachen als Zeichen fuumlr eineandere Bedeutung verwendet werden denn [es verhaumllt sich ja so] Eine jede Sache (ʾ amr)hat ihr Wesen (ḥaqīqah) kraft dessen sie das ist was sie ist So besteht das Wesen desDreiecks darin Dreieck zu sein das Wesen der Weiszlige darin Weiszlige zu sein Und dieses istdas was wir das sbquoeigentuumlmliche Seinlsquo (al-wugūdu l-ḫāss) nennen sollten wobei wir damitnicht das sbquobehauptbare Dass-Seinlsquo (al-wugūdu l-ʾiṯbātī) meinen Denn mit dem sprachlichenAusdruck (lafz) sbquoSeinlsquo (al-wugūd) werden mehrere begriffliche Strukturen (al-maʿānī) be-zeichnet von welchen eine die des Wesens (al-ḥaqīqah) ist durch das das Ding das ist was

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 89

kannldquo expliziert welches dann als bdquonotwendigldquo oder bdquokontingentldquo weiterbestimmt werden kann Dies erreicht Avicenna dadurch dass er zunaumlchstdie auf der vorpraumldikativen Ebene a priori unterschiedenen HinsichtenDing (aš-šayʾ) und Bestand-haben (wugūdu l-ʾiṯbātī) zusammen mit denModi notwendig (aḍ-ḍarūrīy) kontingent (al-mumkin) und unmoumlglich (al-mumtaniʿ) als Moumlglichkeitsbedingungen jedweder begrifflicher Erkenntnis(tasawwur) einfuumlhrt Da der Erweis ihrer Aprioritaumlt nicht erst Ergebniseiner Rechtfertigung sein kann beschreitet Avicenna den Weg einer trans-zendentalen Reflexion auf die Prinzipien aller begrifflichen Erkenntnis imModus eines bloszligen bdquoAufmerkam-Machensldquo (at-tanbīh)26

ndash In einem zweiten Schritt gilt es dann aber den Zusammenhang zwischenden eingefuumlhrten ersten Begriffen zu verdeutlichen Hierfuumlr schlaumlgt Avicen-na die Verknuumlpfung von Ding (aš-šayʾ) und Bestand-haben (wugūdu l-ʾiṯbātī) in der Form eines Aussagesatzes vor bdquoEin Wesen ist entweder imKonkreten oder in der Seele oder schlechthin (muṭlaq) ndash was beide [vorher

es ist (allatīʿalayhā š-šayʾu) so als ob das wodurch das Ding das ist was es ist [d h seinWesen] sein eigentuumlmliches Sein waumlreldquo

26 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 295ndash16 (= Liber de philosophia prima I 5 312ndash3219[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 2219ndash237) zitiertnach Koutzarova (wie Anm 2) 310 f bdquoWir sagen nun Die begrifflichen Strukturen (al-maʿānī) des Seienden (al-mawgūd) des Dinges (aš-šayʾ) und des Notwendigen (aḍ-ḍarūrī)praumlgen sich erstlich in der Seele (an-nafs) ein Diese Einpraumlgung ist nicht derart dass sie derHeranziehung von etwas Bekannterem als sie [d h als die Begriffe des Seienden des Dingesund des Notwendigen] beduumlrfen wuumlrde Denn wie es im Bereich des Urteilens (at-tasdīq)erste Prinzipien gibt die auf Grund ihrer selbst fuumlr wahr gehalten werden und die der Grundfuumlr das Urteilen uumlber anderes sind so dass wenn der auf diese [Prinzipien] hinweisendesprachliche Ausdruck (al-lafz) einem nicht einfaumlllt oder nicht verstanden wird das Fort-schreiten zu der Erkenntnis dessen was durch diese [Prinzipien] [als guumlltig] erkannt wird(yuʿrafu bi-hā) nicht moumlglich sein wird ndash dabei versucht die Bekanntmachung (at-taʿrīf)das Ins-Bewuszligtsein-Rufen dieser [Prinzipien] oder das Verstaumlndlich-Machen derjenigensprachlichen Ausdruumlcke durch die diese [Prinzipien] bezeichnet werden nicht um der Mit-teilung von Wissen willen welches [dem Menschen] gemaumlszlig seiner natuumlrlichen Verfassung(al-ġarīzah) nicht [ohnehin schon] praumlsent waumlre sondern [lediglich] um darauf aufmerksamzu machen was der Sprecher intendiert moumlglicherweise geschieht dies durch etwas was ansich (fī nafsihā) weniger bekannt (ʾ aḫfā) ist als dasjenige dessen Bekanntmachung erstrebtwird was jedoch aus irgendeinem Grunde und wegen eines [allgemein verbreiteten] Sprach-gebrauchs bekannter geworden ist ndash ebenso gibt es im Bereich des begrifflich Erfassbaren(at-tasawwurāt) Bestimmungen (ʾ ašyāʾ) welche Prinzipien des begrifflichen Erfassens (at-tasawwur) sind und durch sich selbst begriffen werden (mutasawwaratun li-ḏawātihā)Wuumlrde man auf diese hinweisen wollen waumlre dies in Wirklichkeit kein Erlaumlutern einesUnbekannten sondern ein Aufmerksam-Machen und ein Zum-Einfallen-Bringen durch einWort (ism) oder ein Zeichen (ʿalāmah) welche vielleicht an sich weniger bekannt als jenes[zu Erlaumluternde] sind es jedoch aus irgendeinem Grunde und dank irgendeines Umstandesdeutlicher (ʾ azhar) bezeichnenldquo

90 Tiana Koutzarova

genannten Seinsweisen] erfaszligt ndash seiendldquo27 Die bdquoWissenserweiterungldquo (ʾ ifā-dah) dieser Verknuumlpfung ist aber keine reale und laumlsst sich daher nur dannverstehen wenn die beiden Begriffe ausschlieszliglich formal logisch betrach-tet werden Wie schon al-Fārābī in aller Deutlichkeit zeigte ist bdquoSeiend-seinldquo kein reales Praumldikat denn es fuumlgt dem jeweiligen Subjekt nichts hin-zu28 Bei dem Vorschlag Avicennas handelt es sich ebenfalls keineswegs umeine reale Praumldikation der Form S ist P sondern nur um ein Experimentbei dem auf die Bedingung fuumlr eine reale Eigenschaftsexplikation eines Snaumlmlich das Gegeben-Sein von bdquoS istldquo als eine radikal von der Begriffslogikunterschiedene Ebene aufmerksam gemacht wird Das bdquoS istldquo ist abernichts anderes als jener Begriff des Seienden den Avicenna bereits als Sub-jekt der Metaphysik bestimmt hat Er meint bdquoetwas was eine extramentaleWirklichkeit haben kannldquo weswegen sich die fuumlr den Verstand a prioriunterschiedenen Gehalte bdquoSeiend-seinldquo (Dass-es-ist) und bdquoDingldquo (Was-es-ist) nur als dessen zwei voneinander nicht trennbare Hinsichten (mutalāzi-mān) zeigen koumlnnen29

ndash Fuumlr die Metaphysik ergibt sich damit notwendigerweise die Einschraumlnkungdes Umfangs der einzelnen Hinsichten bdquoChimaumlreldquo bdquoBockhirschldquo oderselbst das bdquoNichtsldquo das bdquoschlechthin Nichtseiendeldquo (al-maʿdūmu ʿalā l-ʾiṭlāqi) moumlgen als Gedachtes bestehen oder eine Washeit haben koumlnnenaber weder unter das bdquoWas-es-istldquo noch das bdquoDass-es-istldquo als die genann-ten Hinsichten fallen30 Bei den zahlreichen Diskussionen sowohl in derpost-avicennischen Tradition als auch in der heutigen Forschung31 mussalso bedacht werden dass es sich bei der Frage danach welchem der bei-den Erstheit zukaumlme um eine Frage ausschlieszliglich der formal-logischenEbene handelt auf die in al-ʾIlāhīyāt (Metaphysik) I 5 des Kitāb aš-šifāʾ

27 Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 3112ndash13 (= Liber de philosophia prima I 5 3566ndash67 [wieAnm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 2429ndash31) zitiert nachKoutzarova (wie Anm 2) 316

28 al-Fārābī Risālah li-l-muʿallim aṯ-ṯānī fī gawāb masāʾil suʾila ʿanhā in F H Dieterici(Hrsg) Alfārābīrsquos philosophische Abhandlungen Leiden 1890 84ndash103 hier 90 Zur Uumlber-setzung vgl F H Dieterici Alfārābīrsquos philosophische Abhandlungen Leiden 1892 148ndash149 N Rescher Studies in the History of Arabic Logic Pittsburgh 1963 40 ff sowie auchvon F A Shehadi Metaphysics in Islamic Philosophy (Studies in Islamic Philosophy andScience) DelmarndashNew York 1982 56 Koutzarova (wie Anm 2) 206 f

29 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 3110ndash325 und 341ndash10 (= Liber de philosophia primaI 5 3562ndash3683 und 3823ndash3939 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Heal-ing [wie Anm 2] 2425ndash2514 und 2631ndash2716)

30 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 326ndash3311 (= Liber de philosophia prima I 5 3684ndash3814 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 2515ndash2617)

31 Vgl z B die Ausfuumlhrungen in Wisnovsky Avicennarsquos Metaphysics in Context (wie Anm 2)161ndash180

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 91

Avicenna selbst unmissverstaumlndlich eine Antwort gibt bdquoDingldquo (Was-es-ist)und bdquoBestand-habenldquo (Dass-es-ist) sind zwei gleichurspruumlngliche und fuumlrden Verstand nicht nur unterscheidbare sondern voraufgehend zum jegli-chen Erkenntnisakt und darum a priori unterschiedene Gehalte32

ndash Welcher Zusammenhang besteht aber zwischen dem Subjekt der Metaphy-sik und den modalen Begriffen Die ebenfalls auf der formalen Ebene alsApriori begrifflicher Erkenntnis (tasawwur) eingefuumlhrten ModalitaumltenbdquoNotwendigkeitldquo bdquoMoumlglichkeitldquo (Kontingenz) und bdquoUnmoumlglichkeitldquo koumln-nen ja als solche gar nichts und also auch keine der uumlbrigen mit diesemStatus vorgestellten Begriffe explizieren33 Das gilt selbstverstaumlndlich auchumgekehrt eine formal-logische Betrachtungsweise vom bdquoWas-es-istldquo alsbdquoWas-es-istldquo und dem bdquoDaszlig-es-istldquo als bdquoDaszlig-es-istldquo schlieszligt ja an sich jedeExplikation aus Die beruumlhmten avicennischen Beispiele wie etwa bdquoPferd-heitldquo (al-farasīyahequinitas) zeigen ja eindruumlcklich dass ein derart Be-trachtetes weder ein Denkunabhaumlngiges noch ein mentales Seiendes wederEines noch Vieles ist34 Ein solches ist naumlmlich uumlberhaupt kein ontologischVermoumlgendes Nur ein ontologisch Vermoumlgendes aber und zwar im Ver-haumlltnis zu seiner Aktualitaumlt kann uumlberhaupt weiter bestimmt werden An-dererseits kann das was bdquonotwendigldquo und bdquokontingentldquo als Modi unselb-staumlndiger Existenz schlechthin voraussetzen und daher erstlich explizierennicht schon der Zusammenhang zwischen einem Subjekt und seinem Praumldi-kat (S ist P) sein sondern allein jenes bdquoSeiendeldquo (S ist) das Bedingungeiner Eigenschaftsexplikation uumlberhaupt ist35 Dass es sich hierbei um dasSubjekt der Metaphysik handelt zu dessen eigentuumlmlichen Eigenschaften(ʿawāriḍu ḫāssah) die beiden Modi gerechnet werden hat Avicenna ja anfruumlherer Stelle gezeigt36

ndash Die Bedingung fuumlr eine modale Aufteilung des bdquoSeiendenldquo ist eine zweifa-che in formaler Hinsicht besteht sie in der logisch-semantischen fuumlr denVerstand a priori gegebenen Unterscheidung zwischen den beiden Hinsich-ten auf das transzendentale gegenuumlber jeglicher Bestimmung noch gaumlnzlichindifferente bdquoSeiendeldquo (das was extramental Existenz haben kann) naumlm-

32 Vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 339ndash34633 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 353ndash366 (= Liber de philosophia prima I 5 4054ndash

4182 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 2732ndash2832) Vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 362ndash373

34 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt V 1 19610ndash13 (= Liber de philosophia prima V 1 22832ndash22938 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 14921ndash27)

35 Vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 373ndash38036 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 2 1316ndash19 (= Liber de philosophia prima I 2 1342ndash46

[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 1011ndash16)

92 Tiana Koutzarova

lich bdquodas Was-ldquo und bdquoDass-Seinldquo Erst hierbei kann uumlberhaupt von einerfuumlr den Verstand unterscheidbaren bdquoZweiheitldquo gesprochen werden derenBeziehung dann anhand des Kriteriums der bdquoAn-sichldquo-Inhaumlrenz als bdquonot-wendigldquo bzw bdquobeilaumlufigldquo (ʿaraḍī akzidentell kontingent) disjunktiv be-stimmbar waumlre Soll aber etwas das von sich selbst her keine Wirklichkeithat als ein im Unterschied zum Ersten Seienden (Gott) auf eine auszligerhalbseiner selbst liegende Ursache notwendig Angewiesenes (muḥtāgBeduumlrfti-ges) begriffen werden so muss auch eine andere Bedingung erfuumlllt werdenes darf naumlmlich keineswegs ausschlieszliglich in seiner Washeitsbestimmungbetrachtet werden sondern insofern es extramentale Aktualitaumlt habenkann Sein Wirklichkeitsmodus kann daher im Unterschied zu dem desErsten Seienden (Gott) vom Verstand als eine Zusammensetzung von We-senheit (Was-es-ist) und Sein (Dass-es-ist) nach dem Schema von Kontin-genz durch sich selbst und Notwendigkeit durch ein anderes erfasst wer-den ohne damit eine reale Verschiedenheit von Wesenheit und Sein imaktualen Seienden zu behaupten37

Mit all den genannten Schritten die fuumlr die Klaumlrung des epistemologischenStatus der Metaphysik einerseits und fuumlr die Moumlglichkeit der Durchfuumlhrungeiner nun in dieser Weise konzipierten Wissenschaft andererseits notwendigsind vollendet Avicenna seine Kritik Diese selbst erweist sich dabei als einerster und zugleich im houmlchsten Grade konstitutiver Bestandteil der ErstenPhilosophie als Wissenschaft Denn der aristotelische Wissenschaftsbegriffverpflichtet nicht nur zur Pruumlfung ihrer Moumlglichkeit sondern bestimmt auchden systematischen Ort fuumlr solch eine Pruumlfung Eine Reflexion uumlber ersteBegriffs- und Urteilsprinzipien kann darum nur Sache der Metaphysik sein

III Methode und Grenzen der Metaphysik Avicennas

Waumlhrend nun die Subjektsbestimmung als Ausweis aller von den ZweitenAnalytiken geforderten Merkmale viele der beruumlhmten Thesen Avicennas ndashwie die Aprioritaumlt und Einheit des bdquoSeiendenldquo sowie die transzendentaleRechtfertigung beider ndash geradezu erzwingt wirft die faktische Durchfuumlhrungeiner so konzipierten Ersten Philosophie viele Fragen auf insbesondere imHinblick auf ihre Methode und Grenzen denen ich mich im Folgenden zu-wende

37 Das wird eindruumlcklich gezeigt in Avicenna Šarḥ laquoKitābʾuṯūlūgīyāraquo al-mansūbʾilāʾArisṭūin Abd ar-Raḥmān Badawī (wie Anm 13) 35ndash74 hier 6018ndash19 6116ndash22 Vgl dazuKoutzarova (wie Anm 2) 277ndash288 373 ff

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 93

1 Wie verfaumlhrt eine uns moumlgliche Metaphysik

Der von Avicenna erhobene Anspruch an die von ihm in der oben eroumlrtertenWeise konzipierte Metaphysik lautet

bdquoDu solltest wissen daszlig es in Wirklichkeit einen Weg gibt um als Ziel(al-ġaraḍ) dieser Wissenschaft den Erweis [der Existenz] eines Prinzipszu setzen allerdings nur nachdem [zuvor] ein anderes gewusst wird (ʾ illābaʿda ʿilmin āḫara) Denn es wird dir im Folgenden ein Hinweis daraufdeutlich werden daszlig es uns moumlglich ist auf die Existenz des ersten Prin-zips [Gott] nicht von den sinneswahrnehmbaren Dingen sondern vonden ersten allgemeinen Verstandespraumlmissen zu schlieszligen die [einerseits]dazu zwingen daszlig das Seiende ein notwendigseiendes Prinzip hat unddie [andererseits] ausschlieszligen daszlig dieses ein in irgendeiner Weise Veraumln-derliches oder sich Vervielfaumlltigendes ist und die ferner erzwingen daszligdieses [Prinzip] Prinzip von allem sein soll und daszlig alles durch es [d hdurch dieses Prinzip] in der Ordnung des Ganzen notwendig wird AufGrund der Schwaumlche unserer Seelen [d h der Begrenztheit des menschli-chen Verstandes] vermoumlgen wir jedoch den Weg des Beweises der ja vonden Prinzipien zu den durch diese Prinzipiierten und von der Ursachezum Verursachten fuumlhrt nicht zu beschreiten Wir koumlnnen [auf diesemWege] lediglich einige Grundzuumlge der [kausal durch das Verhaumlltnis vonUrsache und Wirkung bestimmten] Ordnung der Seienden (marātibul-mawgūdāti) nicht jedoch die Einzelheiten [dieser Ordnung] erken-nenldquo38

Was die uumlblicherweise vorgetragene Interpretation des Zusatzes des erstenSatzes ndash ʾillā baʿda ʿilmin āḫara ndash von der von mir vorgeschlagenen unter-scheidet39 ist der Blickwinkel Verstehen die uumlbrigen Uumlbersetzungen darunter

38 Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 3 211ndash8

(= Liber de philosophia prima I 3 2329ndash2441 [wie Anm 3] Avicenna The Metaphysicsof The Healing [wie Anm 2] 1617ndash31) zitiert nach Koutzarova (wie Anm 2) 391 f

39 Die lateinische Uumlbersetzung (Liber de philosophia prima I 3 2329ndash2441 [wie Anm 3])verzeichnet hier nisi postquam probatum fuerit in alia scientia Marmuras (Avicenna TheMetaphysics of The Healing [wie Anm 2] 1618ndash19) bdquowithout [requiring first] anotherscienceldquo Bertolacci Reception of Aristotlersquos Metaphysics (wie Anm 1) 129 Anm 46 bdquolsquothegoalrsquo (al-ġaraḍ) of metaphysics is described as lsquoa determination [of reality] that does notbegin after another sciencersquoldquo

94 Tiana Koutzarova

bdquoohne dass hierfuumlr eine andere Wissenschaft vorauszusetzen waumlreldquo so leseich statt dessen bdquoallerdings nur nachdem [zuvor] ein anderes gewusst wirdldquoSie haben das Verhaumlltnis zwischen der Zielsetzung der Metaphysik und denanderen Wissenschaften im Blick ich hingegen das Verhaumlltnis zwischen derin al-ʾIlāhīyāt I 5 vorgetragenen Kritik und der Setzung des Ziels der ErstenPhilosophie Sachlich koumlnnte der Unterschied minimal erscheinen denn dieerwaumlhnte Zielsetzung der Gottesbeweis darf nach der expliziten Eroumlrterungder Wissenschaftstheorie im Burhān II 7 (Zweite Analytik)40 tatsaumlchlich keinin anderen Wissenschaften gewonnenes Wissen voraussetzen Doch heiszligt dasnicht dass der Gottesbeweis und damit die Erkenntnis eines besonderenSeienden keine Voraussetzungen uumlberhaupt hat Waumlre dem so waumlre eine derSubjektsetzung und der faktischen Durchfuumlhrung der Metaphysik voraufge-hende Kritik uumlberfluumlssig Auch wenn diese Kritik Bedingungen unserer Er-kenntnis eines Seienden uumlberhaupt betrifft und daher nur im Modus desbdquoAufmerksam-Machensldquo (tanbīh) moumlglich ist so liefert sie nichts Geringeresals die Fundierung einer uns moumlglichen Ersten Philosophie mithin also auchdie Begruumlndung dafuumlr dass das goumlttliche Seiende kein Subjekt (mawḍūʿ) son-dern nur im Zuge der Explikation des Subjekts erreichbares Ziel (maṭlūb)sein kann Das Verhaumlltnis zwischen dem auf Grund dieser Kritik erhobenenAnspruch einer metaphysischen Gotteserkenntnis und dem faktischen Wegden Avicenna dorthin beschreitet ist recht komplex und kann in diesem Rah-men adaumlquat wohl kaum erlaumlutert werden Hier wende ich mich wie schonangekuumlndigt nur der Methode der avicennischen Metaphysik zu

Der zitierte Text aus al-ʾIlāhīyāt I 3 zeigt deutlich dass die Metaphysikdie Avicenna intendiert zweifach abgegrenzt wird weder setzt sie den Got-tesbeweis der Physik voraus so dass sie dann jenes besondere Seiende dasals unbewegter Beweger erwiesen worden ist zum Gegenstand haumltte nochkann sie dem Ideal der Wissenschaftstheorie folgen und deduktiv verfahrenDer Grund hierfuumlr ist aber ausschlieszliglich die bdquoSchwaumlche unserer Seelenldquodenn selbst wenn die Existenz des ersten Seienden (Gott) als ein von derPhysik Bewiesenes angesehen werden koumlnnte muumlsste eine Metaphysik dieGott zum Subjekt hat auch sein bdquoeigentuumlmliches Seinldquo sein Wesenswas dis-tinkt erfaszligt haben Dieser Text ist nicht nur Teil der Kritik sondern bleibtihrem Geiste auch treu denn er verdeutlicht dass es bei dem Unternehmender Ersten Philosophie nicht um eine Metaphysik an sich sondern nur umeine uns moumlgliche gehen kann die aber gerade deswegen deduktiv nicht vor-gehen kann

40 Vgl dazu oben die Anm 11

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 95

2 Die Grenzen der uns moumlglichen Metaphysik

Es ist also klar dass die Methode der Metaphysik ganz und gar von denGrenzen unserer Erkenntnis abhaumlngig ist so dass zu fragen ist wo diese nachAvicenna zu ziehen sind Auskunft daruumlber findet man an einer meines Wis-sens kaum beachteten Stelle aus dem Spaumltwerk at-Taʿlīqāt

bdquoDas Wesen der Dinge ist dem Menschen nicht zugaumlnglich wir erkennennur die propria (al-ḫawāss) die notwendigen Attribute (al-lawāzim) unddie Akzidentien (al-aʿrāḍ) der Dinge Wir kennen nicht fuumlr ein jeglichesDing die es konstituierende differentia specifica welche auf sein Wesenverweist So erkennen wir weder das Wesen des Ersten noch des Intel-lekts noch der Seele noch der Sphaumlre noch des Feuers noch der Luftnoch des Wassers noch der Erde Ebenso wenig erkennen wir das Wesender Akzidentien Beispiel hierfuumlr ist es dass wir das Wesen von Substanznicht erkennen vielmehr erkennen wir etwas mit dieser Eigentuumlmlich-keit naumlmlich sbquonicht in einem Zugrundeliegenden seinlsquo was jedoch nichtsein Wesen istldquo41

An anderen Stellen derselben Schrift heiszligt es

bdquoDa nun der Mensch die Wesenheiten der Dinge insbesondere der einfa-chen (al-basāʾiṭ) nicht zu erkennen vermag wohl aber Attribute oderProprien [der Wesen] und das Erste [Seiende d h Gott] das einfachste(ʾ absaṭu) aller Dinge ist besteht hierbei das Maximum (al-ġāyah) des fuumlrden Menschen Erkennbaren in dem Attribut sbquoNotwendigkeit des Seinslsquo(wugūbu l-wugūdi) denn dies ist das eigentuumlmlichste seiner Attribute(ʾ aḫassu lawāzimihī)ldquo42

bdquoUnd desgleichen erkennen wir das Wesen des Ersten nicht Was wir aberin Bezug auf es [d h das erste Seiende] zu erkennen vermoumlgen ist sbquodassihm das Sein notwendig istlsquo oder eben sbquodass es das ist dem das Seinnotwendig istlsquo Und dies [sbquodass ihm das Sein notwendig istlsquo] ist freilichnicht sein Wesen sondern eines seiner Attribute Vermittels dieses Attri-

41 Ibn Sīnā at-Taʿlīqāt (wie Anm 14) 3417ndash22

42 Ebd 9ndash11

96 Tiana Koutzarova

butes erkennen wir dann andere Attribute wie die Einzigkeit und dieuumlbrigen Eigenschaftenldquo43

Die bekannte These Avicennas dass uns die Erkenntnis des goumlttlichen Wesensverwehrt bleibt wird zwar angesichts der zitierten Stellen nicht im geringstenerschuumlttert Was aber dadurch ganz und gar erschuumlttert scheint ist der episte-mische Optimismus der uns bekannten Werke Avicennas hinsichtlich unseresZugangs zu den Wesenheiten der Dinge dieser Welt Sind sie uns epistemischvollkommen unzugaumlnglich so muss der Anspruch die Dinge an sich erken-nen zu koumlnnen gaumlnzlich aufgehoben werden Dies hieszlige aber dass die Exten-sion eines solchen Philosophieverstaumlndnisses eingeschraumlnkt werden muumlssteauf die Dinge insofern sie erkannt werden Dafuumlr scheint die folgende Stelleaus al-Madḫal (Isagoge) zu sprechen

bdquoWollen wir uumlber die [realen] Dinge nachdenken und sie erkennen sokommen wir nicht umhin ihnen [d h den Dingen] Eingang in in dasDenken (tasawwur) zu gewaumlhren wodurch ihnen dann notwendig Merk-male zukommen werden die [dem Sein] im Denken (tasawwur) [eigen-tuumlmlich] sind Auf die Betrachtung der Merkmale die ihnen im Denkenzukommen sind wir aber notwendig insbesondere dann angewiesenwenn wir das Ziel verfolgen ausgehend vom Bekannten Unbekanntesdurch Uumlberlegen zu erfassenldquo44

All dies mutet doch seltsam kantisch an und fuumlhrt unvermeidlich zu der Fra-ge warum Avicenna angesichts dieses moumlglicherweise erst spaumlt gewonnenenVerstaumlndnisses seine bis dahin unkritisch durchgefuumlhrte und der realistischenAuffassung verpflichtete Philosophie die sich nicht nur auf Seiendes im Den-ken (al-mawgūdu fī l-ʿaqli) sondern auch auf das von seinem Gedacht- undErkanntwerden unabhaumlngige reale Seiende an sich erstreckt nicht revidiertWie sind also die angefuumlhrten Stellen zu deuten

Zur Gewinnung einer Antwort versuche ich diejenigen Grundlinien deravicennischen Metaphysik festzuhalten die ich fuumlr nicht bezweifelbar halte

1 Die Kritik in al-ʾIlāhīyāt I gruumlndet in einer transzendentalen nicht-empiri-schen Erhebung apriorischer Begriffe und Urteile deren Verteidigung im-mer nur a posteriori in Form eines Aufmerksam-Machens (tanbīh) moumlg-

43 Ebd 355ndash8

44 Vgl auch Kitāb aš-šifāʾ al-Manṭiq I al-Madḫal (Isagoge) (wie Anm 8) I 2 159ndash12

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 97

lich ist45 Hinsichtlich der Frage ob damit die Dinge an sich erreicht wer-den koumlnnen oder nicht ist sie als solche aber indifferent

2 Gegenstand der Metaphysik ist allerdings ein Begriff der gegenuumlber einernaumlheren washeitlichen Bestimmung ganz und gar unterbestimmt (etwaswas extramental sein kann) ist und aller inhaltlich-sachhaltigen Erkennt-nis deswegen nur noch voraufgehen und sie zugleich erst ermoumlglichenkann so dass im Zuge seiner Explikation maximal heterogene Teile wieNotwendigseiendes Substanz und Akzidens erreicht werden Gegenstandder Metaphysik ist darum nicht ein bestimmtes Seiendes wie z B Gottdie Substanz oder bestimmte Substanzen46 sondern jenes Seiende als sol-ches durch das wir alles Seiende uumlberhaupt erst erkennen koumlnnen

3 Die Gemeinsamkeit des bdquoSeiendenldquo ist keine washeitliche Seine Einheitwird im Ruumlckgriff auf den Nichtwiderspruchssatz und den Satz vom aus-geschlossenen Mittleren in al-Maqūlāt (Kategorien) II 1 des Kitāb aš-šifāʾtranszendental verteidigt und in Folge dessen als die eines notwendigenAttributs (lāzim) begriffen Jedwedes so-und-so Bestimmtes ist (mawgūd)oder ist nicht47

4 Der Begriff des Seienden (al-mawgūd) erfasst fuumlr Avicenna aber nicht nurGedachtes sondern auch Wirklichkeit an sich In al-ʾIlāhīyāt (Metaphy-sik) I 2 wird er als nicht leer (maʿnan muḥaqqaq)48 und sogar als ein apriori auf Realitaumlt an sich beziehbarer Begriff verstanden Denn dort be-hauptet Avicenna dass nicht nur das Wissen um sein bdquoWas-Seinldquo sondernauch das um sein bdquoDass-Seinldquo nicht erst erworben werden muss49 womit

45 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 5 295ndash16 (= Liber de philosophia prima I 5 312ndash3219[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 2219ndash237)

46 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 8 549ndash15 (= Liber de philosophia prima I 8 634ndash6414[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 4357ndash444) zitiertnach Koutzarova (wie Anm 2) 423 Anm 79 bdquoWendet man sich ferner keiner anderenWissenschaft zu und wird das Subjekt dieser Wissenschaft [d h der Metaphysik] selbst inSubstanz und in ihre eigentuumlmlichen Eigenschaften eingeteilt so wird jene Substanz dieSubjekt irgendeiner [partikularen] Wissenschaft oder Substanz schlechthin ist nicht Subjektdieser Wissenschaft sein sondern Teil ihres Subjektes und wird damit der Natur ihresSubjektes welches naumlmlich das sbquoSeiendelsquo ist in irgendeiner Weise zukommen da ja dieNatur des sbquoSeiendenlsquo ohne die Vermittlung eines anderen vermag sich mit jener Substanzzu verbinden bzw sie zu sein Das sbquoSeiendelsquo ist naumlmlich eine Natur die von allem ausgesagtwerden kann (yasiḥḥu ḥamluhā) ob dies nun Substanz oder etwas anderes ist Denn wiedir im Vorangegangenen bereits klar geworden ist ist etwas nicht auf Grund seines Seiend-Seins Substanz eine bestimmte Substanz oder ein bestimmtes Subjektldquo

47 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-Manṭiq II al-Maqūlāt (Kategorien) (wie Anm 23) II 1 596ndash614Zur Uumlbersetzung und Analyse vgl dazu Koutzarova (wie Anm 2) 230ndash246 und 255ndash258

48 Vgl Kitāb aš-šifāʾ al-ʾIlāhīyāt I 2 1212ndash14 (= Liber de philosophia prima I 2 1214ndash18[wie Anm 3] Avicenna The Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 911ndash15)

49 Vgl ebd 138ndash10 (= Liber de philosophia prima I 2 1230ndash32 [wie Anm 3] AvicennaThe Metaphysics of The Healing [wie Anm 2] 931ndash35)

98 Tiana Koutzarova

wohl kaum die Existenz des bdquoSeiendenldquo als bloszlig Gedachtes sondern al-lein seine tatsaumlchliche Exemplifizierbarkeit an den Dingen gemeint seinkann

Was laumlsst sich aber auf Grund dieser Punkte im Hinblick auf die genannteFrage antworten Mir erscheint es berechtigt folgendes zu behaupten Selbstwenn die Wesenheiten der Dinge uns epistemisch unzugaumlnglich bleiben soverfuumlgen wir nach Avicenna uumlber einen maximal sicheren und auf reale Seien-de beziehbaren Begriff der aber gegenuumlber aller washeitlichen oder modalenBestimmung indifferent ist Einer prinzipiellen Grenze unserer Erkenntnis imHinblick auf die Wesenheiten der Dinge wuumlrde Avicenna mit seinem Subjektder Metaphysik ein Maximum an Gewissheit gegenuumlberstellen das allerdingsnur noch ein Minimum an washeitlicher Bestimmtheit ndash naumlmlich ein Etwas(al-wugūdu l-ḫāss) das Sein haben kann (al-wugūdu l-ʾiṯbātī) ndash beinhaltetso dass dann die Frage nach der Moumlglichkeit seiner Entfaltung zu stellenwaumlre Die avicennische Antwort darauf ist ja bekannt Die erste Aufteilungdes uns moumlglichen Subjekts der Ersten Philosophie ist eine modale und dieseErkenntnis ist uns unmittelbar mit der Erkenntnis des bdquoSeienden als solchenldquozugaumlnglich Auch die Einteilung in Substanz und Akzidens ist nach Avicennaeine uns unmittelbar mit dem Begriff des Seienden gegebene Mit den beidennur die apriorische Erkenntnis des Seienden voraussetzenden und fuumlr unsdaher maximal sicheren Bestimmungsverfahren lassen sich so mehrere Begrif-fe ndash etwa notwendig und kontingent Seiendes wie auch Seiendes nicht bzwin einem Zugrundeliegenden ndash gewinnen die dann die jeweiligen Teilmengendes Seienden etwas naumlher aber eben nur von den genannten Attributen herund keineswegs wesenhaft erfassen koumlnnen Auch wenn dieses Verfahreneiner vom Prinzip zu dem durch es Konstituierten fortschreitenden Dedukti-on nicht genuumlgen kann die neben der Existenz des Prinzips sowohl die Ein-sicht in sein Wesen als auch in das Wesen alles anderen erfordert so stellt esfuumlr Avicenna die an den Grenzen unserer Erkenntnis gemessen einzig moumlgli-che Methode dar

Das von Aristoteles erhobene Ideal einer deduktiv verfahrenden Meta-physik kann fuumlr Avicenna wie die folgende Stelle ebenfalls aus at-Taʿlīqātdeutlich belegt nur einem ersten Seienden vorbehalten sein

bdquoDie Weisheit (al-ḥikmah) ist die Erkenntnis des Notwendigseiendennaumlmlich des Ersten [Seienden d h Gott] Da nun kein Verstand es [d hdas Notwendigseiende] so erkennt wie dieses sich selbst ist es nur dasErste das wirklich weise ist [Denn] unter sbquoWeisheitlsquo (ḥikmah) verstehenja die Philosophen das vollkommene Wissen Das vollkommene Wissenauf der Seite des Begriffs (tasawwur) ist das Erfassen [einer Sache] in[ihrer] Wesensdefinition Auf der Seite des Urteils (tasdīq) wiederum be-

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 99

steht das vollkommene Wissen darin etwas von seinen Gruumlnde her zuwissen sofern es denn Gruumlnde hat Was das angeht was keinen Grundhat so wird es durch sich selbst erfasst und durch sich selbst erkanntwie das sbquoNotwendigseiendelsquo denn es [d h das Notwendigseiende] hat

keine Definition und wird durch sich selbst erfaszligt in seinem Erfasst-

Werden ist es schlechthin voraussetzungslos [woumlrtlich bedarf es keiner

Sache] denn es ist ein Ersterfassbares (ʾ awwalīyu t-tasawwuri) und es

wird durch sich selbst erkannt da es ja keine Ursache hat [hellip] Das Not-

wendigseiende kennt jegliches Ding von seinen Gruumlnden her denn es

weiszlig ein jegliches nicht vermittels auszligerhalb seiner liegender Dinge son-

dern durch sein Selbst da es ja der Grund fuumlr alles ist In diesem Sinne

ist es weise und seine Weisheit ist sein Wissen durch sich selbstldquo50

Hier zeigt sich wohl besonders deutlich die oben angesprochene bdquoSchwaumlche

unserer Seelenldquo Steht alles Intelligible nicht bloszlig einem abgetrennten Intel-

lekt sondern einem goumlttlichen Vermoumlgen immer schon zur Verfuumlgung so

steht es notwendigerweise und unmittelbar auch in der Ordnung vom Ersten

her Das Sich-in-Bezug-Setzen zum Ersten wuumlrde zwar das menschliche Er-

kenntnisvermoumlgen gemeinsam mit den abgetrennten Intellekten aufweisen

allerdings nicht durch sich selbst sondern erst als Ergebnis seiner Aktualisie-

rung Durch sich selbst ist das menschliche Erkenntnisvermoumlgen kein taumltiger

Intellekt sondern wesentlich komplexere weil auf externes Material ange-

wiesene Seele Als solche verfuumlgt sie uumlber kein Wissen weder von sich selbst

noch von einem anderen51 und ist nichts mehr als eine bloszlige Wahrnehmung

ihrer selbst (šuʿūr bi-ḏāt)52 Wissen kann fuumlr die menschliche Seele nur erwor-

50 Ibn Sīnā at-Taʿlīqāt (wie Anm 14) 2023ndash21 2

51 Vgl dazu z B at-Taʾlīqāt (wie Anm 14) 107 bdquoDie Seele erkennt sich selbst nicht solangesie mit Materie verbunden ist Wuumlrde sie sich naumlmlich selbst erkennen waumlre sie vollkommenwie die [abgetrennten] Intellekte die ja ihr Selbst erkennenldquo

52 Vgl Ibn Sīnā at-Taʿlīqāt (wie Anm 14) 161 bdquoDie Wahrnehmung unseres Selbst ist unserSein selbst (šuʿūruna bi-ḏatina huwanafsuwugudina) [hellip] Die Selbst-Wahrnehmung ist demSelbst seiner Natur nach gegeben (ġarızī) denn es ist sein Sein selbst so dass wir keinesAumluszligeren beduumlrfen um das Selbst zu erfassen sondern es ist vielmehr das Selbst selbstdurch das wir das Selbst erfassenldquo

100 Tiana Koutzarova

ben sein53 Mag nun die aristotelische Theorie der Zweiten Analytiken zwei-felsohne auch fuumlr Avicenna die beste Anweisung zum Erwerb von Wissensein54 so kann sie ihre Ausgangsbedingung die Potentialitaumlt des menschli-chen Erkenntnisvermoumlgens nicht aufheben und vermag daher allenfalls dieBestform eines uns moumlglichen Wissens zu garantieren Erreicht unsere Er-kenntnis der seienden Dinge sogar ihr Prinzip und vermag sie daher einedaran ausgerichtete Ordnung des Seienden aufzustellen so ist sie in ihrerQualitaumlt aumluszligerst defizitaumlr Auch wenn ihr alles Seiende zugaumlnglich ist so dochnur von den a priori erkannten Attributen her Die unterstellten Traumlger dieserAttribute bleiben jedoch letztlich auszligerhalb ihrer Reichweite

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Avicenna Latinus Liber de philosophia prima sive scientia divina VndashX Eacutediti-on critique de la traduction latine meacutedieacutevale par Simone van Riet intro-duction doctrinale par G Verbeke LouvainndashLeiden 1980

53 Vgl Ibn Sīnā at-Taʿlīqāt (wie Anm 14) 116 23ndash25 bdquoDas Wissen des Ersten ist nicht vonden seienden Dingen gewonnen sondern durch sein Selbst Denn sein Wissen ist die Ursachefuumlr das Sein der Seienden so dass keine Veraumlnderung in seinem Wissen moumlglich ist UnserWissen hingegen ist von aussen seine Ursache ist also das Sein der Dingeldquo

54 Vgl dazu Ibn Sīnā Kitāb aš-šifāʾ al-Burhān (wie Anm 9) I 1 5315ndash18 zitiert nach Koutz-arova (wie Anm 2) 112 bdquoWenn wir des Zieles dieses Buches naumlmlich der Bestimmung derWege [d h der Methoden] die zum gewissen Urteil (at-tasdīqu l-yaqīnī) und zur wirklichenBegriffsbildung (at-tasawwuru l-ḥaqīqī) fuumlhren eingedenk sind dann ist der Nutzen diesesBuches offensichtlich naumlmlich die Erlangung des gewissen Wissens (al-ʿilmu l-yaqīnī) undder wirklichen Begriffe die fuumlr uns nuumltzlich ja notwendig sind wenn wir daran gehen dasWerkzeug der Logik anzuwenden und sowohl die theoretischen als auch die praktischenWissenschaften an ihrem [d h der Logik] Maszligstab zu messenldquo

Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik 101

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bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo ndash Zur Rezeptiondes Aristoteles und seiner Metaphysik in der

mittelalterlichen juumldischen Philosophie

Frederek Musall

I Hinfuumlhrung

Im litauischen Vilnius einem der Zentren rabbinischer Gelehrsamkeitgibt es eine Jeshivah eine Talmudakademie aus der die groumlszligten Gelehr-ten ihrer Zeit hervorgegangen sind Nur einer ist ein wirklich hoffnungs-loser Fall und der Rosh Jeshivah der Leiter der Talmudakademie istgelinde gesagt verzweifelt da es ihm nicht zu gelingen vermag diesen anirgendeine Gemeinde zu vermitteln Eines Tages erreicht ihn schlieszliglichein Schreiben aus einer kleinen galizischen Gemeinde die ganz dringendeinen Rabbiner sucht sbquoGalizien da leben nur Bauernlsquo denkt sich derLeiter der Talmudakademie taucht seine Feder in das Tintenfass uumlber-legt kurz und verfasst folgende Zeilen bdquoLiebe Gemeinde die Zeit EuresWartens hat ein Ende Ich werde Euch einen meiner Schuumller schickender ist wie Moses wie Salomon und wie Aristotelesldquo Im weit entferntenGalizien ist die Freude natuumlrlich entsprechend groszlig Was fuumlr ein TalmidChakham ndash ein Gelehrter ndash und Gadol ba-Torah ndash ein Riese des Torah-Studiums ndash wird da in ihre Gemeinde kommen Doch Vorfreude ist be-kanntlich die schoumlnste Freude aber sie waumlhrt haumlufig nicht lange nachnoch nicht einmal zwei Wochen nach Ankunft des neuen Rabbiners(wenn man den damaligen Postweg bedenkt also quasi postwendend)erreicht den Leiter der Talmudakademie ein wuumltender Brief bdquoRosh Jeshi-vah Du bist ein Luumlgner Der Mann den Du uns geschickt hast ist einNarr obwohl Du uns versprochen hast er sei wie Moses Salomon undAristoteles Du bist ein gemeiner und hinterlistiger Luumlgner erklaumlre DichldquoDer Leiter der Talmudakademie ist erschuumlttert und erbost zugleich ndash erein Luumlgner Das will das kann er nicht auf sich sitzen lassen und setztsogleich sein Antwortschreiben auf bdquoWie koumlnnt Ihr Schmoumlcke es wagenmich der Luumlge zu bezichtigen Seid Ihr denn voumlllig von Sinnen DerMann welchen ich Euch geschickt habe er ist wie Moses wie Salomon

104 Frederek Musall

und wie Aristoteles Er stottert wie Moses ist hinter den Weibern herwie Salomon und er kann genauso gut Hebraumlisch wie Aristotelesldquo

Zugegeben dieser einleitende Witz hat keinerlei besondere didaktische Poin-te aber hoffentlich sind trotzdem zwei grundlegende Dinge deutlich gewor-den Erstens dass der nichtjuumldische Philosoph Aristoteles von dem Leiter derTalmudakademie als bedeutend genug eingestuft wird um in eine Reihe mitden Meistern der juumldischen Weisheit dem Propheten Moses und Koumlnig Salo-mon gestellt zu werden und zweitens dass Aristoteles kein Hebraumlisch konn-te was gewissermaszligen die zuvor nahegelegte Behauptung sogleich wiederrelativiert Was Aristoteles letzten Endes repraumlsentiert liegt folglich im Augedes Betrachters Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden diesesambivalente Aristoteles-Bild im Rahmen der mittelalterlichen juumldischen Phi-losophie auf Basis der Rezeption seiner Schriften insbesondere der Metaphy-sik praumlzisierend zu umreiszligen In diesem Zusammenhang ist das hier verwen-dete Kompositum bdquojuumldische Philosophieldquo eher als eine Art Arbeitsbegriff zuverstehen denn was man eigentlich genau unter bdquojuumldischer Philosophieldquo zuverstehen vermag ndash einen Fremdimport wie Julius Guttmann konstatiert1

oder einen philosophischen Kommentar zur Traditionsliteratur wie ColletteSirat im Bezug auf die mittelalterliche juumldische Philosophie feststellt2 umhier nur zwei Zugangsweisen anzufuumlhren ndash ist Gegenstand einer bis heuteandauernden Debatte3

II Die Entwicklung des Bezugs zu Aristoteles bis Maimonides

Unter alexandrinischen Juden existierte scheinbar die Legende dass Aristote-les tatsaumlchlich ein Schuumller des Hohepriesters Simon dem Gerechten (hebrShimon ha-Tzaddik um 310ndash291 bzw 300ndash273 v Z) gewesen sei4 So ist

1 Vgl J Guttmann Philosophie des Judentums Berlin 1933 hier 92 Vgl C Sirat A History of Jewish Philosophy in the Middle Ages Cambridge 1985 hier 53 Vgl E L FackenheimR Jospe (Hrsg) Jewish Philosophy and the Academy MadisonNew

Jersey 1996 A W HughesE R Wolfson (Hrsg) New Directions in Jewish PhilosophyBloomingtonIndiana 2010 siehe zusammenfassend auch A B Kilcher Zum Begriff derjuumldischen Philosophie in A B KilcherO Fraisse (Hrsg) unter Mitarbeit von Y SchwartzMetzler Lexikon Juumldischer Philosophen Stuttgart 2003 VIIIndashXVIII Musall F JuumldischePhilosophie Philosophische Rundschau 53 2006 332ndash344 bezuumlglich der in diesem Beitragthematisierten mittelalterlichen juumldischen Philosophie siehe ferner Y Schwartz Mittelalterli-ches Philosophieren Zur Saumlkularisierung der interreligioumlsen Problematik in E Goodman-Thau (Hrsg) Zeit und Welt Denken zwischen Philosophie und Problematik Heidelberg2002 185ndash205

4 Vgl Sirat Jewish Philosophy (wie Anm 2) 7 Im Babylonischen Talmud Traktat Joma 69awird von einer Begegnung zwischen Simon dem Gerechten und Aristotelesrsquo Schuumller Alexan-

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 105

es auch nicht verwunderlich dass der hellenistisch-juumldische Philosoph Aristo-bolus von Paneas (vermutlich aus Alexandrien stammend um 160 v Z) derals erster juumldischer Autor Aristoteles namentlich erwaumlhnt konstatiert dassAristotelesrsquo philosophisches Denken ndash wie im Uumlbrigen auch das seiner Vor-laumlufer Pythagoras Sokrates und Plato ndash im Wesentlichen auf griechischenUumlbersetzungen der biblischen Offenbarung beruhe5 folglich bestehe auchkein prinzipieller Unterschied zwischen griechischer Philosophie und juumldi-scher Tradition und die offensichtlich zwischen den beiden bestehenden Wi-derspruumlche (etwa das Problem der Anthropomorphismen) muumlssen nur ent-sprechend allegorisch umgedeutet werden Allerdings laumlsst sich das Denkenund Werk des Aristobolus nur fragmentarisch rekonstruieren6 und nicht alleWiderspruumlche lassen sich so einfach mittels hermeneutischer Interpretationharmonisieren wie spaumlter Philon von Alexandrien (um 1510 v Z ndash nach40) deutlich macht dessen Denken vor allem von mittelstoischen und mittel-platonischen Konzeptionen beeinflusst ist und die aristotelische Philosophieeher eklektisch aufgreift Auch Philon sieht die grundlegende Uumlbereinstim-mung zwischen griechischer Philosophie und juumldischer Tradition etwa in denplatonisch-aristotelischen Gottesvorstellungen und dem juumldischen Monothe-ismus Doch sowohl in seinen exegetischen (De opificio mundi) als auch inseinen philosophischen Schriften (De aeternitate mundi De providentia) arti-kuliert Philon wiederholt Kritik an der mit dem biblischen Schoumlpfungsnarra-tiv unvereinbaren aristotelischen Lehre von der Ewigkeit der Welt Philonsetzt dieser das auf Platons Timaeus basierende Konzept eines staumlndigenSchoumlpfungsprozesses entgegen wonach Gott immerwaumlhrend die intellegiblenFormen denkt wodurch er die intelligible Welt des Logos des goumlttlichenUrbildes hervorbringt was sich wiederum auf deren schattenhaftes Gegen-bild die sinnlich-wahrnehmbare Welt staumlndig aktualisierend auswirkt7

der dem Groszligen berichtet das Motiv dass Aristoteles ein Schuumller von Simon dem Gerechtenwar wird spaumlter vom litauischen Rabbiner und Kabbalisten Jechiel Heilprin (1660ndash1746)in seinem historiographischen Werk Seder ha-Dorot (bdquoBuch der Generationenldquo) noch weiterausgefuumlhrt Demnach sei Aristoteles sogar zum Judentum konvertiert Dagegen schreibtnach Josephus Flavius Gegen Apion (lat Contra Apionem) I 22 Aristoteles laut seinemSchuumller Klearchos von Soli den Juden folgende Herkunft zu bdquoDie Juden stammen von denindischen Philosophen ab sie werden von den Indern sbquoCalamilsquo und von den Syrern sbquoJudaeilsquogenannt und nehmen ihren Namen von dem Land in welchem sie wohnen was sbquoJudaealsquoheiszligt aber der Name ihrer [Haupt-]Stadt der ist sonderbar denn sie nennen sie sbquoJerusa-lemlsquoldquo

5 Vgl P Kershenbaum Jews in Egypt The Special Case of Septuagint in A T Levenson(Hrsg) The Wiley-Blackwell History of Jews and Judaism Chichester 2012 121ndash141 hier127

6 Vgl C R Holladay (Hrsg) Fragments from Hellenistic Jewish Authors (Bd 3) Aristobu-lus AtlantaGeorgia 1995

7 Vgl Philon von Alexandrien prov 1 7 Op 7 Aet 83ndash84

106 Frederek Musall

Anders als noch sein Vorgaumlnger Aristobolus setzt sich Philon also kritischmit den grundsaumltzlichen Problemfaumlllen ndash wie Schoumlpfungslehre goumlttliche Vor-hersehung das jenseitige Leben ndash auseinander in denen sich aristotelischeLehre und juumldische Tradition widersprechen Damit nimmt er in gewisserWeise jene Diskurse vorweg die die mittelalterliche juumldische Philosophie we-sentlich bestimmen Doch ausgerechnet Philon der eine paradigmatischeStellung im Denken der Patristik einnimmt und nach Hegel aufgrund seinerLogos-Theologie einen Wendepunkt in der europaumlischen Philosophiege-schichte markiert8 spielt in diesen Diskursen keinerlei einflussgebende Rolle9

Mit dem aufkommenden Christentum verlieren die hellenistisch-juumldischenDiaspora-Gemeinden wie Alexandria allmaumlhlich an Bedeutung und mit ihnendas von ihnen repraumlsentierte Modell einer moumlglichen kulturellen Synthesezwischen Hellenismus und Judentum Die sich auf die religioumlse Tradition be-rufenden philosophischen Weltdeutungen eines Aristobolus oder Philons ver-moumlgen zwar dem Fruumlhchristentum eine weiterfuumlhrende Perspektive zu eroumlff-nen aber im Vergleich zu den alternativen rabbinischen Weltdeutungsmodel-len die in den beiden anderen juumldischen Zentren Palaumlstina und Babylonienartikuliert werden und beispielsweise in der reichhaltigen Midrash-Literaturzum Ausdruck kommen erweisen sie sich als zu wenig eigenstaumlndig abgrenz-bar von aumluszligeren Einfluumlssen Trotz seines Fokus auf der Kommentierung derschriftlichen und muumlndlichen Lehre ist auch im Rahmen des rabbinischenJudentums eine Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie spuumlr-bar so legen etwa die in Mishnah und Talmud vorkommenden logischenArgumentationsregeln durchaus eine gewisse Vertrautheit mit vergleichbarenaristotelischen Modellen und Methoden nahe wenngleich deren Redakteurees aber bewusst vermeiden auf moumlgliche Einflussgeber auszligerhalb der eigenenTradition zu verweisen Stattdessen wird in Verarbeitung der als konstitutivesKrisenmoment wahrgenommenen hellenistischen Zeit in aller Deutlichkeit alljenes verdammt was als bdquogriechische Weisheitldquo (hebr chokhmat jevanit wo-mit ein eben spezifisches kulturelles Wissen gemeint ist) als suspekt gilt10

Auszligerhalb des kulturellen Referenzrahmens des hellenistischen Juden-tums stellt die griechische Philosophie keine weltdeuterische Option dar undfolglich befindet sich auch Aristoteles zunaumlchst einmal auszligerhalb des Juden-tums Umso bemerkenswerter ist seine triumphale wenn auch nicht unum-strittene Ruumlckkehr ndash dieses Mal allerdings nicht in ein Himation sondern in

8 Siehe hierzu ausfuumlhrlich D Westerkamp Die philonische Unterscheidung ndash AufklaumlrungOrientalismus und Konstruktion der Philosophie Muumlnchen 2009

9 Philons Schriften werden erst wieder von den beiden italienisch-juumldischen Renaissance-Phi-losophen Azariah dei Rossi (1511ndash1578) und Jehudah Moscato (vor 1530ndashum 1593) aufge-griffen

10 Vgl Babylonischer Talmud Sotah 49b Menachot 64b vergl auch Bava Kamma 82andashb

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 107

eine Galabija verpackt Denn die mittelalterliche juumldische Philosophie ist inihrer formativen Phase in die arabisch-islamische11 Philosophie eingebettetderen Problem- und Fragestellungen sie aufnimmt reflektiert und verarbeitetund an deren Diskursen sie sich beteiligt12 Der aumlgyptische Wissenschaftshis-toriker A(bdelhamid) I Sabra hat den Wissenstransfer im arabisch-islami-schen Mittelalter in zwei konstitutive Phasen unterteilt In der ersten Phaseerfolgt die Aneignung des antiken Wissens (darunter eben auch die Philoso-phie) insbesondere durch die Uumlbersetzung der Schriften aus dem Griechi-schen ins Arabische und in der anschlieszligenden zweiten Phase wird das er-worbene Wissen bdquonaturalisiertldquo bzw bdquoislamisiertldquo d h den religioumls-kulturel-len Beduumlrfnissen angepasst13 Uumlbertraumlgt man nun Sabras Modell auf diejuumldische Philosophie im arabisch-islamischen Kulturraum ergeben sich wei-tere Differenzierungen naumlmlich die Aneignung bzw bdquoJudaisierungldquo der uumlber-setzten Originalschriften oder aber die Aneignung bzw bdquoJudaisierungldquo derbdquoislamisiertenldquo Verarbeitungen Charakteristisches Merkmal dieser bdquojudai-siertenldquo Verarbeitungen ist dass die meisten Texte in arabischer Sprache inhebraumlischen Lettern verfasst sind weswegen man sie aufgrund ihrer spezifi-schen sprachlichen Aumluszligerungen manchmal auch als bdquojudaumlo-arabische Philo-sophieldquo bezeichnet Zwar vermoumlgen arabisch-juumldische Denker beispielsweisedie auf Arabisch verfassten Werke muslimischer oder christlicher Denker zurezipieren umgekehrt aber ist der Adressatenkreis ndash bis auf wenige Ausnah-men die hebraumlische Lettern lesen koumlnnen ndash auf ein juumldisches Publikum be-schraumlnkt

Wie in der arabisch-islamischen Philosophie nimmt auch in den unter-schiedlichen Denkstroumlmungen der judaumlo-arabischen Philosophie der bdquoersteLehrerldquo (arab muʽallīm al-awwal) Aristoteles eine Schluumlsselstellung ein

11 Bezuumlglich der Verwendung der Bezeichnung bdquoarabisch-islamischldquo P AdamsonR C TaylorIntroduction in Dies (Hrsg) The Cambridge Companion to Arabic Philosophy Cam-bridge 2005 1ndash9 hier 3 f bezuumlglich der alternativen Bezeichnung bdquoPhilosophie im Islamldquowelche in einem noch staumlrkeren Ausmaszlig andere religioumlse Traditionen und sprachliche Arti-kulationen einbeziehen moumlchte siehe T-A Druart Philosophy in Islam in A S McGrade(Hrsg) The Cambridge Companion to Medieval Philosophy Cambridge 2003 97ndash120hier 97ndash100

12 Vgl S M Wasserstrom The Islamic social and cultural context in D H FrankO Leaman(Hrsg) History of Jewish Philosophy London 1997 93ndash114 J L Kraemer The Islamiccontext of medieval Jewish Philosophy in D H FrankO Leaman (Hrsg) The CambridgeCompanion to Medieval Jewish Philosophy Cambridge 2003 38ndash68 Zonta M Influenceof Arabic and Islamic Philosophy on Judaic Thought The Stanford Encyclopedia of Philo-sophy (Spring 2011 Edition) Stanford 2011

13 Vgl A I Sabra The Appropriation and Subsequent Naturalization of Greek Science inMedieval Islam History of Science 25 1987 223ndash243 [nachgedruckt in F Jamil Ragepu a (Hrsg) Tradition Transmission Transformation Proceedings of Two Conferences onPre-modern Science Held at the University of Oklahoma Leiden 1996 3ndash27]

108 Frederek Musall

nicht zuletzt da bereits im 10 Jh fast das gesamte Korpus des Aristoteles(mit Ausnahme der Politik) in arabischer Uumlbersetzung vorlag und daruumlberhinaus durch dessen Kommentatoren wie Alexander von Aphrodisias (2 Jh)Porphyrius (233ndash3015) Themistius (um 317ndash388) und Proklos (412ndash485)ergaumlnzt wurde14 Aber auch pseudoaristotelische Werke wie das von Gerhardvon Cremona (1114ndash1187) ins Lateinische uumlbersetzte Liber de Causis (arabKitāb al-īḍāḥ [li-Arisṭūṭālis] fī l-ḫayr al-maḥd oder bdquoBuch der Erklaumlrung [desAristoteles] uumlber das reine Guteldquo)15 das sich im Wesentlichen aus den Ele-mente(n) der Theologie des Proklos zusammensetzt oder die sogenannteTheologie des Aristoteles (arab Uṯūlūğiyyāʼ Arisṭū)16 welche auf Plotins En-neaden IVndashVI basiert praumlgten das Aristoteles-Verstaumlndnis nachhaltig so dassman in diesem Zusammenhang eher von einem neuplatonisch gepraumlgten Aris-totelismus sprechen muss der je nach Denker zwischen neuplatonischen oderaristotelischen Positionen oszilliert Klare Trennlinien zwischen Platon undAristoteles wie sie das Denken der lateinischen Scholastik kennt existierenin der arabisch-islamischen Philosophie (und damit auch in der judaumlo-arabi-schen Philosophie) nicht was aber auch auf die vorhandene Textgrundlagezuruumlckgefuumlhrt werden kann da sich das arabisch vorliegende Korpus desPlaton im Wesentlichen auf Timaios Politeia Nomoi und Teilen des Sympo-sium beschraumlnkte17

14 Vgl R Walzer Greek into Arabic Essays on Islamic philosophy CambridgeMassachusetts1962 D Gutas Greek Wisdom Literature in Arabic Translation A Study of Graeco-ArabicGnomologia New HavenConnecticut 1975 ders Greek Thought Arabic Culture TheGraeco-Arabic Translation Movement in Baghdad and Early lsquoAbbasid Society (2ndndash4th 8thndash10th centuries) London 1998 ders Greek Philosophers in the Arabic Tradition Alder-shot 2000 siehe zusammenfassend ferner auch C drsquoAncona Costa Greek Sources in Arabicand Islamic Philosophy in E N Zalta The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter2011 Edition) Stanford 2011

15 Vgl C drsquoAncona Costa Recherches sur le Liber de causis Paris 2002 C drsquoAncona CostaR C Taylor Le Liber de causis in R Goulet u a (Hrsg) Dictionnaire des philosophesantiques Ergaumlnzungsband Paris 2003 599ndash647

16 Vgl M Aouad La Theacuteologie drsquoAristote et autres textes du Plotinus Arabus in R Gouletu a (Hrsg) Dictionnaire des philosophes antiques Bd 1 Paris 1989 541ndash570 PS Adamson Arabic Plotinus A Philosophical Study of the lsquoTheology of Aristotlersquo London2002 ders The Theology of Aristotle in E N Zalta (Hrsg) The Stanford Encyclopediaof Philosophy (Winter 2012 Edition) Stanford 2012 bezuumlglich ihrer hebraumlischen Uumlberset-zung und Rezeption im Mittelalter siehe ferner P Fenton The Arabic and Hebrew Versionsof the Theology of Aristotle in J KrayeC B SchmittW F Ryan (Hrsg) Pseudo-Aristotlein the Middle Ages The sbquoTheologylsquo and Other Texts London 1986 241ndash264

17 Vgl F Rosenthal On the Knowledge of Platorsquos Philosophy in the Islamic World IslamicCulture 14 1940 387ndash422 R Walzer Platonismus in der islamischen Philosophie (Arabi-sche Uumlbersetzung aus dem Griechischen) in W P EckertP Wilpert (Hrsg) Antike undOrient im Mittelalter Vortraumlge der Koumllner Mediaevistentagungen 1956ndash1959 (MiscellaneaMediaevalia Bd 1) Berlin 1962 179ndash195 D Gutas Platorsquos Symposion in the Arabic tradi-tion Oriens 31 1988 36ndash60 ders Platon Tradition arabe in R Goulet u a (Hrsg)

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 109

Aus dem aristotelischen Diktum dass alle Menschen von Natur aus nachWissen (εἰδέναι) streben18 ziehen auch juumldische Denker die Konsequenz ihresPhilosophierens Doch es stellt sich diesbezuumlglich auch die grundlegende Fra-ge auf welchen Wissensquellen19 das erstrebte Wissen letztlich beruht Aufder Vernunft oder auf der Offenbarung ndash auf den Werken des Aristotelesoder auf der Torah Schlieszligen die beiden als unterschiedliche Erkenntniszu-gaumlnge zur Wahrheit einander aus oder ist eine Form der Synthese (hierar-chisch komplementaumlr) moumlglich

An einer Synthese von aristotelischer und neuplatonischer Philosophie inmuslimischer Verarbeitung und juumldischer Tradition versucht sich der insbe-sondere von dem muslimischen Philosophen Al-Kindī (um 800ndash873) demAutor des Buch(es) uumlber die Erste Philosophie (arab Kitāb fī ʾl-falsafa al-ūlā) beeinflusste Isaak Israeli (um 84050ndash932) der im Allgemeinen als dererste juumldischer Neuplatoniker gilt Seine beiden spaumlter von Gerhard von Cre-mona (um 1114ndash1187) ins Lateinische uumlbertragenen philosophischen Haupt-werke das Buch der Definitionen und Beschreibungen (arab Kitāb al-ḥudūdwa-ʾr-rusūm hebr Sefer ha-gevulim we-ha-reshumim lat Liber definito-rum) das konzeptionell und strukturell von der Zweiten Analytik beeinflusstist und das Buch der Elemente (arab Kitāb al-usṭuqusāt hebr Sefer ha-jesodot lat Liber elementorum) in welchem Isaak Israeli ausfuumlhrlich diearistotelische Elementenlehre diskutiert spiegeln einen durch neuplatonischeund pseudo-aristotelische Schriften gefilterten Aristotelismus wieder IsaakIsraeli der sich intellektuell in der Tradition der al-qudamāʾ der bdquoantikenPhilosophenldquo verortet geht von einer ontologischen Hierarchie des Kosmosaus die von der vollkommenen Gottheit bis hinunter in die unvollkommenesublunare Welt reicht Allerdings emanieren im Gegensatz zur klassischenneuplatonischen Vorstellung die bdquoerste Materieldquo und die bdquoerste Formldquo nichtungewollt und unzeitlich aus Gott sondern werden von ihm ex nihilo er-schaffen wodurch Isaak Israeli den Schoumlpfungsgedanken in seine Emanati-onslehre integriert20

Obwohl Moses Maimonides spaumlter zahlreiche bereits von Isaak Israelithematisierte Fragestellungen und Probleme aufgreift kritisiert er seine philo-

Dictionnaire des philosophes antiques Bd 5a Paris 2012 845ndash63 R Arnzen ArabischesMittelalter in C HornJ MuumlllerJ Soumlder (Hrsg) Platon-Handbuch Stuttgart 2009 439ndash446 ders Platonische Ideen in der arabischen Philosophie Texte und Materialien zur Be-griffsgeschichte von sbquosuwar aflātūniyyalsquo und sbquomuthul aflātūniyyalsquo Berlin 2011

18 Vgl Met Α 1980 a 119 Vgl Y Elkana Anthropologie der Erkenntnis Die Entwicklung des Wissens als episches

Theater einer listigen Vernunft Frankfurt am Main 1986 hier 47ndash5120 Vgl Sirat Jewish Philosophy (wie Anm 2) 61 zur entsprechenden Textstelle bei Isaak

Israeli siehe A AltmannS M Stern Isaac Israeli A Neoplatonic Philosopher of the EarlyTenth Century 2 Aufl Chicago 2009 85 f

110 Frederek Musall

sophische Unschaumlrfe zwischen neuplatonischen und aristotelischen Ansichtenund bezeichnet ihn im Hinblick auf seine eigentliche Profession polemischbdquoals Arztldquo (und eben nicht als ernstzunehmenden Philosophen)21 dagegenwerden Isaak Israelis Schriften spaumlter von christlichen Denkern wie Domini-cus Gundisalvi (um 1110ndashnach 1181) Albertus Magnus (um 1200ndash1280)Thomas von Aquin (um 1225ndash1274) oder Nikolaus von Kues (1401ndash1464)durchaus positiv rezipiert

Einen etwas anderen Ansatz der das Verhaumlltnis von Vernunfterkenntnisund goumlttlicher Offenbarung zum Gegenstand hat verfolgt Saʽadiah ben JosefGaon (882ndash942) der Vorsteher der Talmudakademie von Sura mit dem Isa-ak Israeli waumlhrend der gemeinsamen Zeit in Aumlgypten korrespondierte ver-mutlich lassen sich Saʽadiah Gaons Konzeption der bdquoVernunftgesetzeldquo (arabʽaqliyyāt hebr sikhlijot) nicht nur auf entsprechende muʽtazilitische Modellesondern auch auf den Einfluss Isaak Israelis zuruumlckfuumlhren22 Saʽadiah Gaonszeigt in seinem philosophischen Hauptwerk Buch der Glaubenslehren und-meinungen (arab Kitāb al-ʼamānāt wa-ʾl-iʽtiqādāt hebr Sefer emunot we-deʽot) eine grundsaumltzliche Vertrautheit mit der aristotelischen Lehre23 undteilt deren zentrale Positionen etwa bezuumlglich der Logik oder der allgemeinenSprachauffassung dass die Sprache des Menschen konventionell ist24 Auchim Rahmen der Diskussion der Schoumlpfungslehre und seiner daraus gefolger-ten vier Beweisfuumlhrungen fuumlr die Erschaffenheit der Welt ex nihilo (1 dieWelt ist endlich 2 die Welt ist aus Teilen zusammengesetzt 3 alle Gegen-staumlnde veraumlndern ihre akzidentiellen Eigenschaften 4 die Zeit ist nicht un-endlich) greift er auf aristotelische Argumentationsmuster zuruumlck um diesegegen die Atomtheorie des Kalām zu richten welche er strikt ablehnt aller-dings bezieht er im vierten Beweis ndash naumlmlich dass Zeit nicht unendlich ist ndashdann explizit gegen die Meinung des Aristoteles Stellung

Mit der Zeit entwickelten Philosophen des Ostens der islamischen Weltallen voran Al-Fārābī (um 872ndash9501) und Avicenna (um 980ndash1037) weg-weisende kosmologische Modelle in denen sie aristotelische Ursachenmeta-physik plotinische Emanationskosmologie und ptolemaumlische Astronomiemiteinander zu verbinden versuchen25 Im muslimischen Westen legt der an-

21 Vgl A Marx Texts By and About Maimonides Jewish Quarterly Review 25 1934ndash35371ndash428 hier 378

22 Vgl AltmannStern Isaac Israeli (wie Anm 20) 21723 In einem zuvor verfassten Werk seinem Kommentar zum Sefer Jetzirah (bdquoBuch der Schoumlp-

fungldquo) hat Saʽadiah Gaon bereits die aristotelische Kategorienlehre ausfuumlhrlich behandelt24 Vgl S Stroumsa Saadya and Jewish kalam in FrankLeaman Medieval Jewish Philosophy

(wie Anm 12) 71ndash90 hier 84 f25 Vgl D Reisman Al-Farabi and the Philosophical Curriculum in AdamsonTaylor Arabic

Philosophy (wie Anm 11) 52ndash71 hier 56 bezuumlglich dieser kosmologischen Modelle siehe

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 111

dalusische Dichter und Neuplatoniker Salomon ibn Gabirol (10212ndash10578) in seiner als Lehrer-Schuumller-Gespraumlch verfassten Lebensquelle (arab Jan-būʼ al-ḥayāt hebr Meqor chajim lat Fons Vitae) ein eigenstaumlndiges kosmo-logisches Modell vor26 welches den goumlttlichen Schoumlpfungsakt als Emanati-onsprozess beschreibt und damit die neuplatonische Emanationslehre und dieErschaffenheit der Welt ex nihilo miteinander zu verbinden versucht wasnicht von ungefaumlhr an Isaak Israeli erinnert der als einer seiner Einflussgeberausgemacht werden kann27 Ibn Gabirol uumlbernimmt in der Lebensquelle zwarden grundsaumltzlichen aristotelischen MaterieForm-Dualismus doch seine ei-gene hylemorphistische Konzeption geht von der Annahme einer universellenMaterie aus d h im Gegensatz zu Aristoteles fuumlr den allein die koumlrperlicheWelt aus Materie und Form zusammengesetzt ist ist fuumlr Ibn Gabirol diesauch bezuumlglich der seelisch-geistigen Welt der Fall worin sich der deutlicheEinfluss pseudo-aristotelischer Schriften wie des Liber de Causis ndash also Pro-klos ndash zeigt Anders als die meisten juumldischen Denker vor und nach ihmversucht sich Ibn Gabirols Lebensquelle nicht an einer philosophischen Apo-logie des Judentums sondern vertritt eine radikale universalistische Perspek-tive die letzten Endes keinerlei Ruumlckschluumlsse auf eine bestimmte religioumlseVerortung mehr zulaumlsst Seit der Scholastik wurde der unter dem NamenAvicebron oder Avencebrol bekannte Verfasser der Fons vitae irrtuumlmlich fuumlreinen christlichen augustinisch gepraumlgten Denker gehalten bis ihn derdeutsch-franzoumlsische Orientalist Salomon Munk 1846 anhand einer vonShem-Tov ben Josef ibn Falaquera angefertigten hebraumlischen Uumlbersetzungvon Auszuumlgen aus der arabischen Originalfassung der Lebensquelle mit demjuumldischen Dichter Salomon ibn Gabirol identifizierte28 Wenngleich andereneuplatonisch orientierte juumldische Denker wie Moses ibn Ezra (um 1055ndash1138) Josef ibn Tzaddik (um 1075ndash1149) und Abraham ibn Ezra (1089ndash1164) durchaus mit seinem Denken vertraut waren verlieren die neuplatoni-schen Erklaumlrungsmodelle im Verlauf des 12 Jahrhunderts nach und nach anBedeutung und werden von aristotelischen zuruumlckgedraumlngt Zudem bestim-men andere Fragestellungen den philosophischen Diskurs wie etwa das Ver-haumlltnis von Vernunft und Glauben29

ausfuumlhrlich I R Netton Allah Transcendent ndash Studies in the Structure and Semiotics ofIslamic Philosophy Theology and Cosmology London 1995

26 Vgl S Pessin Solomon Ibn Gabirol [Avicebron] in E N Zalta (Hrsg) The StanfordEncyclopedia of Philosophy (Spring 2013 Edition) Stanford 2013

27 Siehe hierzu auch H A Wolfson The meaning of ex nihilo in Isaac Israeli Jewish QuarterlyReview 50 1959 1ndash12 (nachgedruckt in I TwerskyG H Williams [Hrsg] Harry AustrynWolfson Studies in the History of Philosophy and Religion Bd 1 Cambridge 1973 222ndash33)

28 Vgl S Munk Meacutelanges de philosophie juive et arabe Paris 1955 hier 152 f29 Vgl Sirat Jewish Philosophy (wie Anm 2) 80

112 Frederek Musall

Dieses ist zentraler Gegenstand in dem Buch des Chazaren(koumlnigs) (arabKitāb al-ḥuğğah wa-d-dalīl fī nusr al-dīn aḏ-ḏalīl oder Buch des Beweisesund des Argumentes fuumlr den geringgeschaumltzten Glauben hebr Sefer ha-Kuza-ri) des andalusischen Arztes und Dichters Jehudah ha-Lewi (1075ndash11412)der eine grundsaumltzliche Differenz zwischen dem seiner Schoumlpfung und Ge-schoumlpfen gegenuumlber indifferenten Gott der Philosophen (womit Aristotelesim Allgemeinen und Al-Fārābī Avicenna und Ibn Bāğğa im Speziellen ge-meint sind) und dem Gott Abrahams Isaaks und Jakobs (Israels) der sichin der Geschichte offenbart konstatiert30 Ha-Lewis Aristoteles-Kritik erin-nert an die seines muslimischen Vorlaumlufers Al-Ġazālīs (10589ndash1111)31 dochwaumlhrend dieser sich mit seinen beiden Werken Absichten der Philosophen(arab Maqāsid al-falāsifa) welches im Wesentlichen die Lehren der Philoso-phen zusammenfasst und Inkohaumlrenz der Philosophen (arab Tahāfut al-fa-lāsifa) in welchem er eine Widerlegung der neuplatonisch-aristotelischenLehren auf Basis demonstrativer Beweisfuumlhrung vornimmt dem Problem sys-tematisch annaumlhert32 verfolgt Jehudah ha-Lewi die primaumlr apologetische Ab-sicht die Uumlberlegenheit eines auf Erfahrung basierenden religioumlsen Glaubensuumlber die Vernunft darzustellen Da letztere seiner Uumlberzeugung nach den Wegzur religioumlsen Vervollkommnung behindert ndash schlieszliglich widersprechen dieunterschiedlichen Philosophen nicht nur der Offenbarung sondern auchnoch einander was zusaumltzliche epistemologische Verwirrung stiftet ndash ver-sucht Ha-Lewi die Philosophen bewusst aus dem Bereich der Religion hinaus-zudraumlngen33 Die aristotelische Elementenlehre weist er als unzureichendesErklaumlrungsmodell fuumlr die Entstehung der koumlrperlichen Dinge zuruumlck und ver-wirft ndash aumlhnlich wie Al-Ġazālī ndash die aristotelische Metaphysik da diese sichauf Hypothesen anstatt auf demonstrative Beweise stuumltze Das hindert ihnjedoch nicht daran bestimmte Elemente der aristotelischen Philosophie ndash wiebeispielsweise die Seelenlehre die er jedoch um eine weitere Stufe naumlmlichdie der bdquoprophetischen Seeleldquo erweitert ndash in seine Argumentation aufzuneh-men Trotz seiner grundsaumltzlichen wenn auch im Rahmen des Werkes nicht

30 Vgl Y Silman Philosopher and Prophet Judah Halevi the Kuzari and the Evolution ofHis Thought Albany 1995 3ndash13 siehe ferner auch H Kreisel Judah Halevirsquos KuzariBetween the God of Abraham and the God of Aristotle in R MunkF J Hoogewoud(Hrsg) Joodse filosofie tussen rede en traditie Kampen 1993 24ndash34

31 Vgl B S Kogan Al-Ghazali and Halevi on Philosophy and the Philosophers in J Inglis(Hrsg) Medieval Philosophy and the Classical Tradition Richmond 2002 64ndash80 N SinaiMenschliche oder goumlttliche Weisheit ndash Zum Gegensatz von philosophischem und religiouml-sem Lebensideal bei al-Ghazali und Yehuda ha-Levi Wuumlrzburg 2003

32 Zu dem Verhaumlltnis der beiden Werke (Absichten der Philosophen und Inkohaumlrenz der Philo-sophen) zueinander siehe auch F Griffel Al-Ghazali in E N Zalta (Hrsg) The StanfordEncyclopedia of Philosophy (Fall 2008 Edition) Stanford 2008

33 Vgl D Schwartz Central Problems in Jewish Philosophy Leiden 2005 hier 171ndash175

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 113

sonderlich tiefbegruumlndeten Ablehnung der aristotelischen Lehre von der(Ur-)Ewigkeit der Welt-Elemente verarbeitet er in seiner Diskussion bezuumlg-lich der Frage der Erschaffenheit der Welt platonische aristotelische und stoi-sche Positionen34

Wenn man so will formuliert Jehudah ha-Lewi im Buch des Chaza-ren(koumlnigs) eine philosophische Kritik an der Philosophie um angesichts deraktuellen existenziellen wie spirituellen Krise des andalusischen Judentumseine genuin juumldische Alternative zu eroumlffnen Der bdquogeringgeschaumltzte Glau-benldquo mag sich historisch-politisch als unbedeutend und schwach erweisenaber aufgrund seiner spezifischen religioumlsen Erfahrungsinhalte ist er der ver-nunftbegruumlndeten Philosophie sowohl bdquowissenschaftlichldquo als auch spirituelluumlberlegen Bereits 1167 wird das Buch des Chazaren(koumlnigs) von Jehudahibn Tibbon (um 1120ndashum 1190) dessen Familie ebenfalls aus Andalusienfliehen musste aus dem Arabischen ins Hebraumlische uumlbersetzt allerdings wirdes rezeptionsgeschichtlich erst ab der Renaissance bedeutsam35

Als Gegenentwurf zu Jehudah ha-Lewis religioumlsem Partikularismus undals explizite Kritik an der neuplatonischen Philosophie Ibn Gabirols kanndas philosophische Hauptwerk Buch des Erhabenen Glaubens (arab Kitābʽaqīda rafīʽa hebr Sefer Emunah Ramah) des ebenfalls aus Andalusien stam-menden Abraham ibn Daud (1110ndash1180) verstanden werden Es ist der erstesystematische Versuch aristotelische Philosophie und juumldische Traditionenmiteinander zu verbinden weshalb Abraham ibn Daud noch vor seinem juumln-geren Zeitgenossen Maimonides als der erste Repraumlsentant eines juumldischenAristotelismus gilt36 Der eigentliche Zweck des Werkes ist das Problem derWillensfreiheit zu ergruumlnden doch Abraham ibn Daud gibt einleitend zu ver-stehen dass dies ohne ein grundlegendes Verstaumlndnis der physikalischen Weltunmoumlglich sei Von daher dient der erste Teil des Buches als eine ausfuumlhrlicheEinfuumlhrung in die zentralen aristotelischen Lehren und deren Begrifflichkei-ten wie beispielsweise die Substanz- die Kategorien- die Hylemorphismus-und die Bewegungslehre Anders als sein Vorgaumlnger Jehudah ha-Lewi folgertAbraham ibn Daud dass es kein spezifisches Verstaumlndnis der Wahrheitengeben kann Religioumlse und wissenschaftliche Wahrheitsanspruumlche unterliegenbeide dem gleichen Kriterium d h ihre Wahrheiten muumlssen demonstrativ

34 Vgl H A Wolfson The Platonic Aristotelian and Stoic Theories of Creation in Halleviand Maimonides in I EpsteinE LevineC Roth (Hrsg) Essays in Honour of the VeryRev Dr J H Hertz on the Occasion of his 70th Birthday London 1942 427ndash442

35 Zur vielschichtigen Rezeptionsgeschichte siehe ausfuumlhrlich A Shear The Kuzari and theShaping of Jewish Identity 1167ndash1900 Cambridge 2008

36 Vgl T A M (Resianne) Fontaine In Defence of Judaism Abraham Ibn Daud Sources andStructure of ha-Emunah ha-Ramah Leiden 1990 A Eran From Simple Faith to SublimeFaith Ibn Daudrsquos Pre-Maimonidean Thought Tel Aviv 1998 (hebr)

114 Frederek Musall

nachgewiesen werden Widerspricht der Offenbarungstext einer demonstra-tiv bewiesenen wissenschaftlichen Erkenntnis muss der Offenbarungstextentsprechend uminterpretiert werden

Es ist bemerkenswert dass ausgerechnet Moses Maimonides (1138ndash1204) Abraham ibn Daud in seinem epochemachenden Wegweiser fuumlr dieVerwirrten37 (arab Dalālat al-hāʼirīn hebr Moreh nevuchim lat Dux Neu-trorum) an keiner Stelle erwaumlhnt obwohl ndash oder gerade vielleicht weil ndash sichihre philosophischen Projekte in zentralen Punkten gleichen Wie schon seinVorgaumlnger beabsichtigt Maimonides zu erklaumlren denjenigen eine Orientie-rung zu geben die aufgrund der scheinbaren Widerspruumlchlichkeiten von Ver-nunfterkenntnis und Offenbarungswissen in einen Zustand der Verwirrunggeraten sind Dabei macht er bereits in der Einleitung zum ersten Buch desWegweiser(s) fuumlr die Verwirrten die grundsaumltzliche Uumlbereinstimmung von re-ligioumlser und Vernunftwahrheit deutlich indem er die bdquoLehre vom Schoumlp-fungswerkldquo (hebr marsquoaseh bereshit) mit der (aristotelischen) Physik und diebdquoLehre von der Thronwagen[-vision Ezechiels]ldquo (hebr marsquoaseh merkavah)mit der aristotelischen Physik bzw Metaphysik identifiziert Er leitet dadurcheine Uumlbersetzung von der Bildsprache der Bibel hin zur wissenschaftlichenBegriffssprache der Philosophie ein wobei Physik und Metaphysik fuumlr ihndie semantischen Schluumlssel sind um die bdquoGeheimnisse des Gesetzesldquo (hebrsitrei torah) zu entschluumlsseln38 Zudem bezeichnet er Aristoteles als dasbdquoHaupt der Philosophenldquo der bezuumlglich seiner Erkenntnisfaumlhigkeit nur vondem bdquoMeister derer die wissenldquo naumlmlich dem Propheten Moses uumlbertroffenwird Mit seiner wegweisenden Erlaumluterung der 25 bzw 26 aristotelischenPraumlmissen mit denen er das zweite Buch und damit die Diskussion um die(Ur-)Ewigkeit der Welt versus ihrer Erschaffenheit ex nihilo einfuumlhrt machtMaimonides deutlich dass Aristoteles hinsichtlich der Erkenntnis der physi-kalischen (sublunaren) Welt das beste wissenschaftliche Erklaumlrungsmodellbietet wohingegen bezuumlglich der metaphysischen Erkenntnis Grenzen gesetztsind die nur durch die Prophetie zugaumlnglich ist Trotz seiner hohen Wert-schaumltzung fuumlr Aristoteles hat Daniel H Frank ndash in Anlehnung an RalphMcInernys Deutung von Thomas von Aquin ndash treffend angemerkt dass Mai-

37 Warum hier anstatt des gebraumluchlichen auf die Uumlbersetzung von Adolf Weiss zuruumlckgehen-den Titels bdquoFuumlhrer der Unschluumlssigenldquo vom bdquoWegweiser fuumlr die Verwirrtenldquo die Rede istsiehe F Musall (Aus-)Wege aus der Wuumlste Moses Maimonides zwischen Philosophie und(Religions-)Gesetz in G Krieger (Hrsg) Herausforderung durch Religion Begegnungender Philosophie mit Religionen in Mittelalter und Renaissance Wuumlrzburg 2011 70ndash83

38 Vgl A Ravitzky The Secrets of Maimonides Between the Thirteenth and the TwentiethCenturies in Ders History and Faith Amsterdam 1997 246ndash303 hier 272

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 115

monides ihn letzten Endes fuumlr seine eigenen Zwecke gebraucht39 was auchseine zahlreichen auf Avicenna basierenden Positionen verdeutlichen40

III Das Verhaumlltnis zu Aristoteles bei Maimonides

Dass sich der Wegweiser fuumlr die Verwirrten und damit der juumldische Aristote-lismus als Paradigma juumldischen Philosophierens etablieren konnte haumlngtauch mit der herausragenden Uumlbersetzungsarbeit von Salomon ibn Tibbon(um 1160ndashum 1232) zusammen der das Werk 1204 ins Hebraumlische uumlber-traumlgt41 Dadurch werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse der arabisch-islamischen Philosophie erstmals den Juden in Lateineuropa zugaumlnglich Al-lerdings stand Samuel ibn Tibbon vor der besonderen Herausforderung ei-nen wissenschaftlich-philosophischen Text in eine Sprache zu uumlbersetzen dieuumlber keinerlei dementsprechende Terminologie verfuumlgte Deshalb stand erwaumlhrend des Uumlbersetzungsprozesses in Kontakt mit Maimonides42 In einemepochemachenden Brief formuliert Maimonides schlieszliglich eine Liste jenerBuumlcher die er maszliggeblich fuumlr das Studium der (aristotelischen) Philosophieund damit zum Verstaumlndnis seines eigenen Werkes erachtet Wie Steven Har-vey aufgezeigt hat definiert Maimonides damit nicht nur ein wissenschaft-lich-philosophisches Curriculum sondern uumlbt auch Einfluss auf die Auswahlder Texte aus die in den naumlchsten Jahren aus dem Arabischen ins Hebraumlischeuumlbersetzt werden43 Ausgangspunkt bilden die Physik und die Meteorologiedes Aristoteles nicht zuletzt da laut Maimonides darin dessen grundlegendephilosophische Begriffe und Kategorien definiert werden44 Nicht von unge-

39 Vgl D H Frank Maimonides and medieval Jewish Aristotelism in FrankLeaman Medie-val Jewish Philosophy (wie Anm 12) 136ndash156 hier 143 f

40 Siehe hierzu exemplarisch M Zonta Maimonidesrsquo Knowledge of Avicenna Some TentativeConclusions About a Debated Question in G Tamer (Hrsg) The Trias of MaimonidesDie Trias des Maimonides Jewish Arabic and Ancient Culture of KnowledgeJuumldischearabische und antike Wissenskultur Berlin 2005 211ndash222

41 Zum Uumlbersetzungsprozess des Werkes aus dem Arabischen ins Hebraumlische siehe C Fraen-kel From Maimonides to Samuel Ibn Tibbon The Transformation of the Dalālat Al-HāʼirīnInto the Moreh Ha-Nevukhim Jerusalem 2007 (hebr)

42 Vgl A Ravitzky Samuel ibn Tibbon and the Esoteric Character of the Guide of the Per-plexed in Ders History and Faith (wie Anm 38) 204ndash245 hier 243

43 Vgl S Harvey Did Maimonidesrsquo Letter to Samuel ibn Tibbon Determine Which Philoso-phers Would be Studied by Later Jewish Thinkers Jewish Quarterly Review 83 1992 52ndash70

44 Man beachte auch die besondere semantische Bedeutung die Maimonides der Meteorologiein Bezug auf die Schoumlpfungsfrage beimisst in Wegweiser fuumlr die Verwirrten II 30 siehehierzu auch R Fontaine Meteorology and Zoology in medieval Hebrew Science in G

116 Frederek Musall

faumlhr uumlbersetzt Samuel ibn Tibbon 1210 die Meteorologie als ersten Text desAristoteles aus dem Arabischen ins Hebraumlische was sich allerdings aufgrundder schlechten arabischen Vorlage als schwieriges Unterfangen erweist undnur unter Hinzuziehung der entsprechenden Kommentarliteratur (Alexandervon Aphrodisias Avicenna und Averroes) vollendet werden kann45

In dem Vermittlungsprozess der antiken griechischen bzw arabisch-isla-mischen Philosophie und Wissenschaften kommt den hebraumlischen Uumlberset-zern eine zentrale Rolle zu46 Da Maimonides aristotelische Philosophie zumParadigma des Philosophierens erklaumlrt hat besteht das vornehmliche Interes-se der Uumlbersetzer darin die Werke des Aristoteles oder seiner Kommentato-ren ndash wie Alexander von Aphrodisias Themistius und schlieszliglich Averroes ndasheinem hebraumlisch-sprachigen Publikum zugaumlnglich zu machen47 Dagegen fin-den interessanterweise andere zentrale Schriften der arabisch-islamischenPhilosophietradition wie etwa Avicennas Buch der Genesung (arab Kitābaš-šifāʼ lat Liber de philosophia prima sive scientia divina) anfangs kaumBeachtung

1255 uumlbersetzt schlieszliglich Moses ben Samuel ibn Tibbon (um 1200ndash1283) Samuel ibn Tibbons Sohn Themistiusrsquo Kommentar zum 12 Buch(Lambda) der Metaphysik aus dem Arabischen ins Hebraumlische ferner exis-tiert eine Uumlbersetzung von Al-Fārābīs Kommentar Buch bezuumlglich der Ab-sichten des Aristoteles im Buch der Metaphysik (arab Kitāb fi aghrāḍ Aristofī kitāb mā baʽd at-tabī ʽa) die anonym unter dem Titel Be-khavvanot Aristobe-sifro mah she-akhar ha-tevaʽ erschien

Wenngleich Maimonides in seinem Brief an Ibn Tibbon angibt die Schrif-ten seines Landsmannes und Zeitgenossen Averroes (1126ndash1198) nur ober-flaumlchlich rezipiert zu haben dieser aber als die beste Quelle zum Verstaumlndnisder aristotelischen Schriften gilt etabliert sich im Zuge der Uumlbersetzung ausdem Arabischen ins Hebraumlische jenes Phaumlnomen welches man allgemeinhin

Freudenthal (Hrsg) Science in Medieval Jewish Cultures Cambridge 2012 217ndash229 hier224ndash226

45 Vgl A Ravitzky Aristotlersquos Meteorology and the Maimonidean Modes of Interpreting theAccount of Creation Aleph 8 2008 361ndash400 urspruumlnglich erschienen auf Hebraumlisch inJerusalem Studies in Jewish Thought 9 2 1990 The Shlomo Pines Jubilee Volume 225ndash250 [nachgedruckt in A Ravitzky Maimonidean Essays Jerusalem 2006 139ndash156]

46 Siehe hierzu u a A L Ivry Philosophical Translations from the Arabic into Hebrew duringthe Middle Ages in J HarmesseM Fattori (Hrsg) Rencontres de cultures dans la philoso-phie medieval Louvain-la-Neuve 1990 167ndash186 G Freudenthal Les sciences dans lescommunauteacutes juives meacutedieacutevales de Provence Leur appropration leur rocircle Revue des Etu-des Juives 152 1993 29ndash136

47 Vgl S Harvey Arabic into Hebrew The Hebrew Translation Movement and the Influenceof Averroes upon Jewish Thought in FrankLeaman Medieval Jewish Philosophy (wieAnm 12) 258ndash280 hier 262

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 117

als bdquojuumldischen Averroismusldquo bezeichnet48 So liegen etwa von Averroesrsquo Mitt-lere(m) Kommentar zur Metaphysik gleich drei hebraumlische Versionen vor1258 uumlbersetzt durch Moses ibn Tibbon 1284 von dem Maimonidianer Ze-rachiah ben Shealtiel Chen (vor 1290) in Rom unter dem Titel Mah she-achar ha-tevaʽ und schlieszliglich 1317 von Kalonymus ben Kalonymus aus Ar-les (1286-nach 1328) Dessen Lehrer Moses Lewi ben Salomon von Beau-caire (1 Haumllfte 14 Jh) hat wiederum eine Uumlbersetzung von Averroesrsquo LangerKommentar zur Metaphysik erstellt von der allerdings nur einige wenigehebraumlische Fragmente existieren49

Die besondere Attraktivitaumlt die die averroistische Lehre fuumlr mittelalterli-che juumldische Denker ausmacht erklaumlrt sich durch die fuumlr Averroes moumlglicheVereinbarkeit von Vernunft und religioumlser Erkenntnis was sich in besondersradikaler Form in Isaak Albalags (2 Haumllfte 13 Jh) Buch der Berichtigungder Glaubensmeinungen (hebr Sefer tikkun ha-deʽot) zum Ausdruckkommt50 Das Werk ist im Grunde genommen ein Kommentar zu Al-ĠazālīsAbsichten der Philosophen das Albalag aus dem Arabischen ins Hebraumlischeuumlbersetzte und welches fuumlr ihn die wahre Meinung Al-Ġazālīs repraumlsentiertAlabalag vertritt darin allerdings weniger die Lehre bdquodoppelter Wahrheitldquowie ihm haumlufig zugeschrieben wird sondern beabsichtigt in letzter Konse-quenz eine radikale Trennung von Philosophie und Religion herbeizufuumlhrenso dass die intensiv gefuumlhrten Auseinandersetzungen bezuumlglich Vernunft- undOffenbarungswissen welche wesentlich den philosophischen Diskurs im mit-telalterlichen Judentum ausmachen und praumlgen im Grunde genommen philo-sophisch voumlllig irrelevant sind51 Nach Albalags Verstaumlndnis ist die Aufgabeder Philosophie die theoretischen Wahrheiten zu ergruumlnden waumlhrend dieReligion die praktische Lebensfuumlhrung zum Gegenstand hat Folglich hat Al-balag als bdquojuumldischer Philosophldquo auch keinerlei Schwierigkeiten damit gegenMaimonides fuumlr die Ewigkeit der Welt zu argumentieren52

Eine gemaumlszligigtere Haltung nimmt Lewi ben Gershon (lat Gersonides1288ndash1344) ein53 Dessen Kriege des Herrn (hebr Milchamot ha-Shem) kann

48 O Leaman Jewish Averroism in S H NasrO Leaman (Hrsg) History of Islamic Philo-sophy London 1996 769ndash780

49 Vgl A S HalkinA Saacuteenz-Badillos Translation and Translators in M BerenbaumF Skol-nik (Hrsg) Encyclopaedia Judaica 2nd edition Bd 20 Detroit 2007 94ndash102 hier 97

50 Vgl G Vajda Isaac Albalag ndash Averroiste juif traducteur et annotateur drsquoAl-Ghazali Paris1960

51 Vgl S Feldman An Averroist Solution to a Maimonidean Perplexity Maimonidean Studies4 2000 15ndash30

52 E Schweid The Classic Jewish Philosophers From Saadia Through the Renaissance Leiden2008 321

53 Vgl G Freudenthal (Hrsg) Studies on Gersonides A Fourteenth-Century Jewish Philoso-pher-Scientist Leiden 1992 S Feldman Gersonides Judaism Within the Limits of ReasonPortlandOregon 2010

118 Frederek Musall

als ein kritischer Kommentar zu Maimonidesrsquo Wegweiser fuumlr die Verwirrtenverstanden werden Auch Lewi ben Gershon versucht sich an einer Synthesevon aristotelischer Philosophie und juumldischen Glaubensvorstellungen jedocherweist er sich in vielen Punkten als konsequenterer Aristoteliker als seinVorbild Maimonides Anders als Isaak ist Albalag jedoch auch kein radikalerAverroist was ihm erlaubt durchaus eigenstaumlndige Positionen zu vertretenBeispielsweise versucht er die widerspruumlchlichen Ansichten des Aristotelesund des Maimonides bezuumlglich der goumlttlichen Vorhersehung (nach Aristotelesist es unmoumlglich dass Gott Kenntnis uumlber die Einzeldinge haben kann waumlh-rend eben dies nach der in eine allgemeine und eine spezielle Vorhersehungunterteilten Vorhersehungslehre des Maimonides durchaus moumlglich ist) da-durch nahezubringen indem er argumentiert dass Gott die Einzeldinge auf-grund ihrer Ordnung kennen kann54

Ein weiterer prominenter Vertreter dieser Stroumlmung ist schlieszliglich MosesNarboni (um 1300ndash1362)55 der in seinem Kommentar zum Wegweiser fuumlrdie Verwirrten (hebr Biʼur le-moreh nevukhim) Maimonides konsequent imSinne des Averroes interpretiert und sich insbesondere gegen die neuplato-nisch-avicennistischen Tendenzen im maimonidischen Denken richtet56

IV Die weitere Verbreitung der aristotelischen Lehrenbis zum 15 Jahrhundert

Es sind aber nicht nur Uumlbersetzungen und Kommentarliteratur die zu einerweiten Verbreitung der aristotelischen Lehren beitragen Im Verlauf des13 Jahrhunderts finden Bestrebungen statt mittels wissenschaftlicher Enzy-klopaumldien das philosophische Wissen zu popularisieren57 Jehudah ben Salo-

54 Vgl N M Samuelson Gersonidesrsquo Account of Godrsquos Knowledge of Particulars Journalof the History of Philosophy 10 1972 399ndash416 T M Rudavsky Divine OmniscienceContingency and Prophecy in Gersonides in Dies (Hrsg) Divine Omniscience and Omni-potence in Medieval Philosophy Dordrecht 1984 161ndash181 S Klein-Braslavy Determi-nism Possibility Choice and Foreknowledge in Ralbag Darsquoat 22 1989 4ndash53 C H Man-kin On the Limited-Omniscience Interpretation of Gersonidesrsquo Theory of Divine Knowl-edge in E R WolfsonA L IvryA Arkush (Hrsg) Perspectives on Jewish Thought andMysticism Amsterdam 1998 135ndash170

55 Vgl M-R Hayoun La Philosophie et la theacuteologie de Moiumlse de Narbonne Tuumlbingen 198956 Vgl H A Davidson Averroes and Narboni on the material intellect AJS Review 9 1984

175ndash18457 Vgl S Harvey (Hrsg) Mediaeval Hebrew Encyclopedias of Science and Philosophy Am-

sterdam 2007 bezuumlglich der Rezeption der Metaphysik im Rahmen dieser enyklopaumldischenProjekte siehe darin M Zonta The place of Aristotelian metaphysics in the thirteenth-century 414ndash426

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 119

mon ha-Kohen Matkah (1 Haumllfte 13 Jh) praumlsentiert in seiner Erlaumluterungder Wissenschaft (hebr Midrash ha-chokhmah) eine erste systematische Dar-stellung der aristotelischen Physik und Metaphysik in averroistischer Deu-tung58 Um 1270 legt der spanische Maimonides-Kommentator und Uumlberset-zer Shem Tov ben Josef ibn Falaquera (um 1225ndashum 1295) unter dem TitelMeinungen der Philosophen (hebr Deʽot ha-filosofim) eine enzyklopaumldischeTextsammlung vor die eigens von ihm aus dem Arabischen ins Hebraumlischeuumlbersetzte Auszuumlge aus den naturwissenschaftlichen und metaphysischenWerken von Aristoteles und seinen Kommentatoren (u a Alexander vonAphrodisias Themistius Al-Fārābī Avicenna Averroes) enthaumllt und damitals umfassendes Kommentarwerk zur aristotelischen Philosophie fungiert59

Ein aumlhnliches bdquoaufklaumlrerischesldquo Vorhaben verfolgt auch Lewi ben Abrahamben Chajim von Villefranche (1235-nach 1305) mit seinem enzyklopaumldischenWerk Strophen uumlber Broschen und Anhaumlnger (hebr Battei ha-nefesh ve-le-chashim) in welchem er sich in zehn Buumlchern mit Fragen der Ethik LogikbdquoSchoumlpfungs[-werk]ldquo (hebr maʽaseh bereshit) Psychologie bdquoThronwagen[-vision]ldquo (hebr maʽaseh merkavah) Prophetie Mathematik Physik Astrono-mie und Astrologie sowie Metaphysik im Sinne des Maimonides auseinander-setzt60

Zudem finden die auf der aristotelischen Philosophie basierenden wissen-schaftlichen Erkenntnisse auch in den mittelalterlichen juumldischen Bibelkom-mentaren Niederschlag wie etwa bei Zerachiah ben Shealtiel Chen Immanu-el ben Salomon von Rome (1261ndashnach 132835) oder Jehuda Romano61 (um1293ndashnach 1330) in Italien oder auch bei eher der aufkommenden Kabbalahzugewandten Denkern wie Isaak ibn Latif (um 1210ndash1280) und Moses benNachman (lat Nachmanides 1194ndash1270)62

58 Vgl R Fontaine The first survey of the Metaphysics in Hebrew in R FontaineR GlasnerR LeichtG Veltri (Hrsg) Studies in the History of Science and Culture A Tribute to GadFreudenthal Leiden 2011 265ndash282 dies The early reception of Aristotle through Averroesin medieval Jewish philosophy the case of the Midrash ha-Hokhmah in A M I VanOppenraaij (Hrsg) The Letter before the Spirit The importance of text editions for thestudy of the reception of Aristotle (Aristoteles Semitico-Latinus) Leiden 2012 211ndash226

59 Vgl S Harvey Shem-Tov Falaquerarsquos Deʽot ha-filosofim Its Sources and Use of Sourcesin Ders (Hrsg) Mediaeval Hebrew Encyclopedias of Science and Philosophy Amsterdam2007 191ndash210

60 Vgl W Z Harvy Levi ben Abraham of Villefranchersquos Controversial Encyclopedia inS Harvey (Hrsg) Mediaeval Hebrew Encyclopedias of Science and Philosophy Amster-dam 2007 171ndash178

61 Vgl C Rigo The Beʽurim on the Bible of Rabbi Jehudah Romano ndash The PhilosophicalMethod which comes out of them their Sources in Jewish Philosophy and in ChristianScholasticism Dissertation 2 Bde Jerusalem 1996

62 Vgl J T Robinson Philosophy and Science in Mediaeval Jewish Commentaries on theBible in Freudenthal Science in Medieval Jewish Cultures (wie Anm 44) 454ndash475

120 Frederek Musall

Mit dem Aufkommen der sogenannten bdquohebraumlischen Scholastikldquo die imVerlauf des 14 und 15 Jahrhunderts in Italien und Spanien entsteht und denauf den Kommentaren des Averroes basierenden juumldischen Aristotelismus alszentrales Modell des juumldischen Philosophierens abloumlst entwickelt und etab-liert sich ein auf anderen philosophischen Voraussetzungen gruumlndender Zu-gang zur aristotelischen Philosophie63 Thomas von Aquin und William vonOckham treten hier nun an die Stelle von Maimonides und insbesondereAverroes Vorlaumlufer dieser Bewegung ist Hillel ben Samuel ben Elazar vonVerona (um 122030ndash1295) dessen Buch vom Lohn der Seele (hebr Sefertagmulei ha-nefesh) von christlichen Philosophen wie Dominicus GundisalviAlbertus Magnus und Thomas von Aquin beeinflusst ist64 Hillel verteidigtzwar waumlhrend des Maimonides-Streits von 1289ndash90 die philosophische Leh-re des Maimonides tritt zugleich aber als ein entschiedener Gegner der aver-roistischen Position auf wie sie von seinem Freund Zerachiah ben ShealtielChen aus Rom vertreten wird65

Ein verstaumlrktes Interesse an den philosophischen Diskursen der lateini-schen Scholastik fuumlhrt zu einer zweiten Uumlbersetzungsbewegung diesmal ausdem Lateinischen ins Hebraumlische66 Unter den zahlreichen Schriften die Jehu-da Romano aus dem Lateinischen ins Hebraumlische uumlbersetzt67 befindet sichauch der Metaphysikkommentar von Alexander Bonini von Alessandria (um1270ndash1314)68 Der Spanier Elijah ben Josef Chabillo (oder Habillo taumltig um

63 Vgl M Zonta Hebrew Scholasticism in the Fifteenth Century A History and Source Book(Amsterdam Studies in Jewish Thought) Dordrecht 2006 1 siehe auch T M RudavskyThe Impact of Scholasticism upon Jewish Philosophy in the fourteenth and fifteenth centu-ries in FrankLeaman Medieval Jewish Philosophy (wie Anm 12) 345ndash370

64 Vgl Y Schwartz Die Seelenlehre des Hillel aus Verona Aristotelische Psychologie zwischenMaimonismus und Thomismus in M Lutz-BachmannA FidoraP Antolic (Hrsg) Er-kenntnis und Wissenschaft Probleme der Epistemologie in der Philosophie des MittelaltersKnowledge and Science Problems of Epistemology in Medieval Philosophy Berlin 2004253ndash264 ders Einleitung in Y Schwartz (Hrsg u Uumlbers) Hillel von Verona Die Vollen-dung der SeeleTagmule ha-nefesh Freiburg i Br 2009 9ndash48

65 Vgl A Ravitzky The Thought of R Zerahiah b Isaac b Shealtiel Hen and the Maimoni-dean-Tibbonian Philosophy in the 13th Century Dissertation Jerusalem 1977

66 Vgl G Freudenthal Arabic and Latin Cultures as Resources for the Hebrew TranslationMovement Comparative Considerations Both Quantitative and Qualitative in DersScience in Medieval Jewish Cultures (wie Anm 44) 74ndash105 Siehe ferner auch die Arbeitender internationalen Forschergruppe bdquoLatin into Hebrew ndash Intercultural Networks in 13th

and 14th Century Europeldquo unter httpgrupsderecercauabcatlatintohebrew67 Vgl W Z Harvey Knowledge of God in Aquinas Judah Romano and Crescas Jerusalem

Studies in Jewish Thought 14 1998 223ndash238 S Pines Scholasticism after Thomas Aqui-nas and the Teachings of Hasdai Crescas and His Predecessors Proceedings of the IsraelAcademy of Science and Humanities I 10 1967 1ndash101

68 Vgl C Rigo Yehudah b Mosheh Romano traduttore degli Scolastici latini Henoch 171995 141ndash170 insb 161ndash164

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 121

1465ndash1480) uumlbersetzt die Quaestiones super XII libros Metaphysicorum desDuns Scotus-Schuumllers Antonius Andreas (um 1280ndash1320) und besorgt eineUumlbersetzung des Buches I (Alpha major) der Metaphysik auf Grundlage derlateinischen Uumlbersetzung von William von Moerbeke (1215ndash1286) Um 1485fertigt schlieszliglich Baruch b Jaʽish (taumltig um 1480ndash1490) ebenfalls eine aufdem Text von William von Moerbeke basierende hebraumlische Uumlbersetzung derBuumlcher IndashXII der Metaphysik fuumlr Samuel Sarfati (gest 1519) Gemeindevor-stand der juumldischen Gemeinde von Rom und Leibarzt Papst Clemens VII(reg 1523ndash1534) an69 Und Thomas von Aquins Commentarii in Metaphysi-cam Aristotelis wird schlieszliglich 1490 von Abraham Nechemiah ben Josef(Ende 15 Jh) ins Hebraumlische uumlbertragen Neben den Uumlbersetzungen entste-hen auch von der lateinischen Scholastik gepraumlgte Kommentare wie das vondem spanisch-juumldischen Philosophen Abraham ben Shem Tov Bibago (oderBibag taumltig um 1446ndash1489) verfasste Kommentar zu Averroesrsquo Mittlere(m)Kommentar zur Metaphysik welcher wiederum auf der hebraumlischen Uumlberset-zung von Kalonymus ben Kalonymus beruht70

Mit dem Aufkommen der verstaumlrkt wieder neuplatonische Elemente auf-greifenden Kabbalah etabliert sich eine weitere intellektuelle juumldische Alter-native die mit dem juumldischen Aristotelismus (insbesondere averroistischerPraumlgung) in Konkurrenz tritt71 Dieser Diskurs spiegelt sich exemplarischauch in dem komplexen dogmatischen Werk Licht des Herrn (hebr Or Ha-shem) von Chasdai Kreskas (um 1340ndash141011) wieder der in seinem Den-ken sowohl aristotelische scholastische und kabbalistische Elemente verar-beitet72 Kreskasrsquo erklaumlrte Absicht ist es die juumldische Religion von dem aristo-telischen Weltbild zu befreien an das sie seiner Meinung nach Maimonidesin dem einleitenden Buch der Erkenntnis (hebr Sefer ha-maddaʽ) seines Reli-gionskodex Wiederholung der Lehre (hebr Mishneh Torah) gebunden hatTrotz seiner innovativen Kritik der aristotelischen Physik in der er die Exis-

69 Vgl M Steinschneider Die hebraumlischen Uumlbersetzungen des Mittelalters und die Juden alsDolmetscher Berlin 1893 (Neudruck Graz 1956) 157 f zu Baruch ibn Jaʽish siehe auchZonta Hebrew Scholasticism (wie Anm 63) 109ndash115

70 Vgl Steinschneider Die hebraumlischen Uumlbersetzungen (wie Anm 69) 168ndash171 Zonta He-brew Scholasticism (wie Anm 63) 36

71 Vgl H Tirosh-Samuelson Kabbalah and Science in the Middle Ages Preliminary Remarksin Freudenthal Science in Medieval Jewish Cultures (wie Anm 44) 476ndash510

72 Vgl H A Wolfson Crescas Critique of Aristotle CambridgeMassachusetts 1929 W ZHarvey Physics and Metaphysics in Hasdai Crescas Amsterdam 1998 J T RobinsonHasdai Crescas and anti-Aristotelianism in FrankLeaman Medieval Jewish Philosophy(wie Anm 12) 391ndash413 bezuumlglich seiner kabbalistischen Einfluumlsse siehe W Z HarveyKabbalistic Elements in Crescasrsquo Light of the Lord Jerusalem Studies in Jewish Thought 21982 75ndash109 N Ophir The Secret of the Kaddish ndash A Kabbalistic Text Attributed to RavHasdai Crescas Daʽat 46 2001 13ndash28

122 Frederek Musall

tenz des Vakuums beweist erweist sich Kreskas bezuumlglich der Methoden sei-ner Kritik als noch zu tief im juumldischen Aristotelismus verwurzelt um dieintendierte Abkehr davon zu vollziehen

Als letzter bedeutender Vertreter eines juumldischen Aristotelismus gilt derjuumldische Renaissance-Philosoph Elijah Delmedigo (ca 1458ndash93)73 der alsPrivatlehrer und Uumlbersetzer in Diensten von Giovanni Pico della Mirandola(1463ndash1494) stand Allerdings konnte er dessen Revitalisierung der platoni-schen Philosophie sowie den diesbezuumlglichen Harmonisierungsbestrebungenmit der aristotelischen Philosophie nur wenig abgewinnen

Allerdings wird sein von Averroesrsquo Maszliggebliche(r) Abhandlung (arabFasl al-maqāl) beeinflusstes philosophisches Hauptwerk Pruumlfung des Glau-bens (hebr Bechinat ha-dat) welches die Frage der Vereinbarkeit von Philo-sophie und juumldischem Religionsgesetz zum Gegenstand hat spaumlter von Ba-ruch Spinoza (1632ndash1677) aufgegriffen74

V Fazit

Zusammenfassend laumlsst sich festhalten dass die Metaphysik des Aristotelestiefe Spuren in der mittelalterlichen juumldischen Philosophie hinterlassen hatwenngleich sie meistens in Form von Kommentarliteratur und Paraphrasenrezipiert wurde die dann spaumlter auch vom Arabischen ins Hebraumlische uumlber-tragen wurden Erst mit dem Aufschwung der bdquohebraumlischen Scholastikldquokommt es verstaumlrkt zu direkten Uumlbersetzungen aus dem Lateinischen diehaumlufig als Auszuumlge in die mittelalterlichen juumldischen Enzyklopaumldien eingear-beitet werden Wenngleich Maimonides als maszliggeblicher Initiator und seinUumlbersetzer Samuel ibn Tibbon als Katalysator eines juumldischen Aristotelismusausgemacht werden koumlnnen existieren seit dem Ende des 13 Jahrhundertszwei unterschiedliche Rezeptionslinien der aristotelischen Philosophie eine

73 Vgl A L Ivry Remnants of Jewish Averroism in the Renaissance in Cooperman B D(Hrsg) Jewish Thought in the Sixteenth Century CambridgeMassachusetts 1983 243ndash265 A L Motzkin Elia del Medigo Averroes and Averroism Italia 6 1987 7ndash20 K PBland Elijah Del Medigo Unicity of Intellect and Immortality of Soul Proceedings of theAmerican Academy for Jewish Research 61 1995 1ndash22 C Fraenkel Reconsidering theCase of Elijah Delmedigorsquos Averroism and its Impact on Spinoza in A A AkasoyGGiglioni (Hrsg) Renaissance Averroism and its Aftermath Arabic Philosophy in EarlyModern Europe Dordrecht 2013 213ndash236

74 Vgl C Fraenkel Der Status der Theologie Von der Magd der Philosophie zu einer unab-haumlngigen Disziplin im Renaissance-Averroismus und bei Spinoza in H Busche (Hrsg)Departure for Modern Europe A Handbook of Early Modern Philosophy (1400ndash1700)Hamburg 2011 564ndash576

bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo 123

die sich an den Kommentaren des Averroes orientiert und die andere an denAutoren der lateinischen Scholastik Jedoch entsteht im 13 Jahrhundert inSpanien mit der Kabbalah ein konkurrierendes und dem Selbstanspruch nachgenuines Modell juumldischen Philosophierens das in den folgenden Jahrhun-derten zunehmend an Bedeutung gewinnt Auch die juumldischen Renaissance-Philosophen nach Elijah del Medigo wenden sich anderen philosophischenStroumlmungen hin75

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Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritikdes Dominicus Gundissalinus (ca 1150)

Alexander Fidora

I Einfuumlhrung

Fuumlr die Geschichte der Metaphysik am Vorabend der Aristoteles-Rezeptionist Dominicus Gundissalinus aus zwei Gruumlnden von zentraler Bedeutung

Zum einen uumlbersetzte der Toledaner Gelehrte in der Mitte des 12 Jahr-hunderts eine Reihe metaphysisch hoch relevanter Texte aus dem Arabischenins Lateinische namentlich Ibn Gabirols Fons vitae al-Ġazālīs Summa theo-ricae philosophiae d h die Maqāsid al-falāsifa sowie vor allem AvicennasLiber de philosophia prima sive scientia divina aus dessen Kitāb aš-šifāʾ

Zum anderen befasste sich Gundissalinus auch in seinen eigenstaumlndigenWerken mit spezifischen metaphysischen Fragen so z B in seiner Schrift Deprocessione mundi die in Auseinandersetzung mit lateinischen und arabisch-juumldischen Autoren einen beeindruckenden kosmologischen Entwurf vorlegt1

sowie ferner in dem lange Zeit dem Boethius zugeschriebenen KurztraktatDe unitate et uno in dem Gundissalinus in Orientierung an Ibn Gabirol seineLoumlsung des Form-Materie-Problems entwickelt2

Die systematischste Behandlung der Metaphysik qua Wissenschaft findetsich freilich in seiner wirkmaumlchtigen Enzyklopaumldie De divisione philosophi-ae3 die ausdruumlcklich zwischen theologischem und philosophischem Wissen

1 Nicht von Ungefaumlhr hat De processione mundi in den vergangenen Jahren viel Aufmerksam-keit erfahren und liegt unterdessen in einer kritischen Edition mit spanischer Uumlbersetzungvon M J Soto Bruna und C Alonso del Real (De processione mundi Pamplona 1999)sowie in einer englischen Uumlbersetzung von J A Laumakis (The Procession of the WorldMilwaukee 2002) vor

2 Eine deutsch-lateinische Ausgabe des Textes findet sich in A FidoraA Niederberger VomEinen zum Vielen ndash Der neue Aufbruch der Metaphysik im 12 Jahrhundert Frankfurt amMain 2002 66ndash79

3 Dominicus Gundissalinus De divisione philosophiae ndash Uumlber die Einteilung der Philosophie(Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters Bd 11) hrsg v A FidoraD WernerFreiburg i Br 2007

132 Alexander Fidora

unterscheidet um sich exklusiv Letzterem zu widmen4 Auch fuumlr diese Schriftbilden arabisch-juumldische Quellen den Hintergrund namentlich al-Fārābī Avi-cenna und al-Ġazālī die mit den maszliggeblichen Quellen der lateinischen Tra-dition v a boethianischer Provenienz zusammengebracht werden Dabeigruumlndet die philosophiegeschichtliche Bedeutsamkeit von De divisione philo-sophiae v a darin dass das Werk mit seiner Synthese eine Vielzahl neuerWissenschaften in die lateinische Philosophie einfuumlhrt etwa die Politik aberv a die Metaphysik die Gundissalinus als erster (lateinischer) Denker alsTitel einer Disziplin und nicht eines Werkes versteht Charakteristisch fuumlrseine Darstellung der Wissenschaften zumal der Metaphysik ist sein dezi-diertes Interesse daran wie sich Selbstaumlndigkeit und wechselseitiger Zusam-menhang der verschiedenen Disziplinen zugleich denken lassen5

Die folgenden Ausfuumlhrungen strukturieren sich entsprechend in drei Tei-le ein erster begriffsgeschichtlicher Anlauf soll zeigen wie Gundissalinus dieMetaphysik erstmalig als Titel einer Disziplin interpretiert ein zweiter Schrittanalysiert die wissenschaftstheoretische Grundlegung der Metaphysik alsselbstaumlndiger Wissenschaft im Metaphysik-Kapitel von De divisione philoso-phiae mit einem besonderen Blick auf Gundissalinusrsquo Kritik an der Theolo-gik des 12 Jahrhunderts ein dritter Schritt ruumlckt schlieszliglich einen zentralenwenngleich kaum beachteten Text aus der Divisionsschrift in den Fokus desInteresses naumlmlich eine von Gundissalinus in sein Werk inkorporierte Uumlber-setzung aus Avicennas Kitāb al-burhān worin die diffizile Frage der Unter-ordnung der uumlbrigen philosophischen Disziplinen unter die Metaphysik ver-handelt wird

II Dicitur metaphysica id est post naturam

Wie allgemein bekannt wurde der Titel μετὰ τὰ φυσικά von Andronikos vonRhodos in seiner um die Mitte des 1 Jahrhunderts vor Christus besorgtenEdition des aristotelischen Corpus eingefuumlhrt um jene Buumlcher zu bezeichnenderen Inhalt Aristoteles selbst unter den Begriff der Weisheit oder der ersten

4 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 54 Honesta autem scientia alia est divina aliahumana Divina scientia dicitur quae Deo auctore hominibus tradita esse cognoscitur []Humana vero scientia appellatur quae humanis rationibus adinventa esse probatur ut om-nes artes quae liberales dicuntur

5 Vgl zu Gundissalinusrsquo Wissenschaftstheorie wie sie in De divisione philosophiae entwickeltwird A Fidora Die Wissenschaftstheorie des Dominicus Gundissalinus ndash Voraussetzungenund Konsequenzen des zweiten Anfangs der aristotelischen Philosophie im 12 JahrhundertBerlin 2003

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 133

Philosophie bzw Theologik stellte μετὰ τὰ φυσικά bezeichnete so zunaumlchstden bibliographischen Ort eines Textzusammenhangs den Andronikos vonRhodos nach den Buumlchern der Physik edierte

Die spaumltantike griechische Tradition von Alexander von Aphrodisiasuumlber Themistius bis Ammonios blieb dieser bibliographischen Traditiontreu Mehr noch Auch auszligerhalb des griechischen Schrifttums sollte die Be-zeichnung μετὰ τὰ φυσικά im Sinne dessen was in der editorischen Dispositi-on nach der Physik kommt dominant bleiben dies gilt sowohl fuumlr den latei-nischen Kulturraum als auch fuumlr die arabische falsafa6

Bei Boethius etwa dem fuumlr die fruumlhe lateinische Metaphysik-Traditionmaszliggeblichen Autor tritt der Ausdruck μετὰ τὰ φυσικά vier Mal in Erschei-nung davon zwei in seinem Kommentar zu De interpretatione und zwei inseinem Kategorien-Kommentar In allen vier Faumlllen wird die Bezeichnung desAndronikos von Rhodos den Boethius verehrungsvoll als bdquogenauen undsorgfaumlltigen Richter und Sammler der Buumlcher des Aristotelesldquo apostrophiert7

bdquoagrave la lettreldquo uumlbernommen und zwar nicht im Sinne des Namens einer Diszip-lin sondern als rein bibliographische Sammelbezeichnung fuumlr die metaphysi-schen Buumlcher8

Dort wo Boethius hingegen die Metaphysik als Wissenschaft adressiertbedient er sich konsequent eines anderen Begriffs naumlmlich desjenigen derTheologie So heiszligt es etwa in seinem Porphyrios-Kommentar dass es dreitheoretische Wissenschaften gibt naumlmlich die Naturwissenschaft die Mathe-matik sowie eine dritte welche sich mit der speculatio dei und der considera-tio animi befasst quam partem graeci θεολογiacuteαν nominant9 Letztere Bezeich-nung im Porphyrios-Kommentar in griechischen Buchstaben findet sich lati-

6 Die folgenden Ausfuumlhrungen zur Genealogie des Begriffs der Metaphysik schlieszligen eng andie leider viel zu wenig bekannten Arbeiten von I Peacuterez Fernaacutendez an vgl I Peacuterez Fernaacuten-dez Verbizacioacuten y nocionizacioacuten de la metafiacutesica en la tradicioacuten siro-aacuterabe Pensamiento31 1975 245ndash271 ders Verbizacioacuten y nocionizacioacuten de la metafiacutesica en la tradicioacutenlatina Estudios filosoacuteficos 24 1975 161ndash222 sowie zusammenfassend ders Influjo delaacuterabe en el nacimiento del teacutermino latino-medieval metaphysica in S Goacutemez Nogales(Hrsg) Actas del V Congreso Internacional de Filosofiacutea Medieval 2 Bde Madrid 1979hier Bd 2 1099ndash1107

7 Boethius Commentarii in librum Aristotelis ΠΕΡΙ HERMENEIAΣ hrsg v C Meiser Leip-zig 18761880 I 11 exactum diligentemque Aristotelis librorum et iudicem et repertorem

8 Vgl Boethius In Categorias Aristotelis (MPL 64) III 252 u 262 Quae vero hic desuntin libros qui μετὰ τὰ φυσικά inscribuntur [Aristoteles] apposuit und De omnibus [praedi-camentis] quidem altius subtiliusque in his libris quos μετὰ τὰ φυσικά vocavit exquiriturSowie Boethius Commentarii in librum Aristotelis ΠΕΡΙ HERMENEIAΣ (wie Anm 7) II5 102 (1880) Et de eo disputat [Aristoteles] in his libris quos μετὰ τὰ φυσικά inscripsitquod est opus philosophi primum I 5 74 (1876) Quae autem causa sit ut una sit ipse[Aristoteles] discere distulit sed in libris eius operis quod μετὰ τὰ φυσικά inscribitur expe-diet

9 Boethius In Isagogen Porphyrii commenta hrsg v S Brandt Leipzig 1906 ed prima I 3 8

134 Alexander Fidora

nisiert in Boethiusrsquo Opuscula sacra wieder genauerhin in der bekanntenEinteilung der theoretischen Wissenschaften aus dem Trinitaumltstraktat wo esheiszligt [hellip] tres sint speculativae partes naturalis [hellip] mathematica [hellip]theologica10

Ganz klar zeigt sich so bei Boethius dass der Ausdruck μετὰ τὰ φυσικάin einem strikt bibliographischen Kontext seine Verwendung findet waumlhrendfuumlr die sachliche Diskussion der Gegenstaumlnde der metaphysischen Buumlcher deraristotelische Begriff der Theologie bzw Theologik reserviert ist Es ist dieseNomenklatur aus den Opuscula sacra die fuumlr die lateinischen Philosophenund Theologen der folgenden Zeit bis hin zur ersten lateinischen Uumlbersetzungder metaphysischen Buumlcher im 12 Jahrhundert durch Jakob von Venedig ndashund sogar noch daruumlber hinaus ndash Geltung behalten sollte Zu nennen sindhier vor allem die Chartreser Autoren ndash also Gundissalinusrsquo unmittelbareZeitgenossen ndash die in ihrer Boethius-Kommentierung ausfuumlhrlich auf die Me-taphysik als Wissenschaft eingehen dabei befleiszligigen sich Thierry von Char-tres Gilbert von Poitiers und Clarembald von Arras der boethianischen Ter-minologie und sprechen durchweg von theologi(c)a11

Diese hier nur skizzenhaft durchgefuumlhrte begriffsgeschichtliche Rekons-truktion der lateinischen Tradition weist erstaunliche Parallelen mit der ter-minologischen Entwicklung im arabischen Raum auf Aristotelesrsquo metaphysi-sche Buumlcher wurden fruumlher als im lateinischen Westen uumlbertragen Die ersteUumlbersetzung fertigte Astāt im 9 Jahrhundert im Auftrag al-Kindīs an einJahrhundert spaumlter folgte die Uumlbersetzung Ishāq ibn Hunains vermutlich aufder Grundlage der von seinem Vater angefertigten syrischen UumlbertragungAuf den Titel der Schrift beziehen sich die arabischen Autoren entweder intransliterierter Form als matātāfusīyqā oder aber in Uumlbersetzung als mā baʿdat-tabīʿa also das was nach der Natur ist Letztere Bezeichnung findet sichetwa in dem auch und gerade fuumlr die lateinische Tradition auszligerordentlichbedeutsamen Werk Kitāb ihsāʾ al-ʿulūm des al-Fārābī das von Gundissalinusins Lateinische uumlbersetzt wurde und explizit auf Aristotelesrsquo Kitāb fimā at-tabīʿa Bezug nimmt12 Zugleich jedoch und hierin liegt die bemerkenswerteParallele zwischen lateinischer und arabischer Tradition gelingt es diesenAdaptationen des griechischen μετὰ τὰ φυσικά nicht sich als Bezeichnung der

10 Boethius Die theologischen Traktate uumlbers eingel u mit Anm versehen v M ElsaumlsserHamburg 1988 tr I II 6 u 8

11 Vgl Thierry von Chartres Commentaries on Boethius by Thierry of Chartres and HisSchool hrsg v N M Haumlring Toronto 1971 bes II 27 163 Gilbert von Poitiers TheCommentaries on Boethius by Gilbert of Poitiers hrsg v N M Haumlring Toronto 1966bes II 9 80 sowie Clarembald von Arras Life and Works of Clarembald of Arras ATwelfth-Century Master of the School of Chartres hrsg v N M Haumlring Toronto 1965bes II 16 112

12 Vgl al-Fārābī Cataacutelogo de las ciencias hrsg v a Gonzaacutelez Palencia Madrid 21953 87

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 135

Wissenschaft zu etablieren von der die metaphysischen Buumlcher des Aristote-les handeln Hier setzt sich allmaumlhlich uumlber al-Kindī al-Fārābī bis zu Avicen-na der Begriff al-lsquoilm al-ilāhī durch also eben die Wissenschaft von den goumltt-lichen Dingen im Sinne von Aristotelesrsquo Theologik bzw der theologi(c)a derlateinischen Autoren So bezieht sich al-Fārābīs Kitāb ihsāʾ al-ʿulūm zwarwie soeben erwaumlhnt auf Aristotelesrsquo Kitāb fimā at-tabīʿa also auf das Buchdessen was nach der Natur kommt bezeichnet die entsprechende Wissen-schaft allerdings als al-lsquoilm al-ilāhī als Wissenschaft von den goumlttlichen Din-gen13

Die lateinische und arabische Rezeptionsgeschichte von Aristotelesrsquo Ers-ter Philosophie teilen damit das Geschick eines zweifachen Bezugs auf dieMetaphysik je nachdem ob es sich um Aristotelesrsquo so genannte Schrift han-delt oder aber um die in dieser entfaltete Wissenschaft Die Gruumlnde hierfuumlrkoumlnnen nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein allerdings gilt es anzu-merken dass in der aristotelischen Architektonik der Wissenschaften die bib-liographische Einordnung der metaphysischen Buumlcher nach der Physik unbe-friedigend oder doch zumindest kontingent ist denn die systematische Klassi-fikation der Wissenschaften anhand ihrer Objektbereiche positioniert dieMetaphysik klarerweise nach der Mathematik nicht nach der Physik Sogesehen ist es wahrscheinlich kein schierer Zufall dass sowohl die lateinischeals auch die arabische Tradition dem Begriff der Theologik trotz all seinerAmbivalenz zunaumlchst den Vorzug geben wenn es darum geht die Metaphy-sik als Wissenschaft anzusprechen

Dies ist der intellektuelle Hintergrund vor dem Gundissalinus um 1150seine Divisionsschrift verfasst ndash und nicht nur der passive Hintergrund viel-mehr sind die genannten Autoren und Diskussionszusammenhaumlnge nament-lich die Boethius-Rezeption der Chartreser einerseits sowie al-Fārābī und Avi-cenna andererseits die direkten Bezugsgroumlszligen in Auseinandersetzung mitdenen er seine Wissenschaftseinteilung entwickelt14

Umso bemerkenswerter ist es dass De divisione philosophiae den Ur-sprung der Metaphysik als Bezeichnung einer Wissenschaft markiert dennals solche findet sie sich weder in der griechischen noch in der lateinischenoder arabischen Tradition Es ist das Verdienst des Toledaner Gelehrten den

13 Ebd 8714 Gundissalinusrsquo Abhaumlngigkeit von arabischen Quellen ist unumstritten Weniger bekannt

ist seine Verbindung mit dem Chartreser Kontext bzw allgemein mit dem franzoumlsischenintellektuellen Milieu Und dies obwohl N M Haumlring hierauf schon vor geraumer Zeithingewiesen hat Thierry of Chartres and Dominicus Gundissalinus Mediaeval Studies 261964 271ndash286 vgl ferner meinen Beitrag Le deacutebat sur la creacuteation Guillaume de Conchesmaicirctre de Dominique Gundisalvi in B ObristI Caiazzo (Hrsg) Guillaume de ConchesPhilosophie et science au XIIe siegravecle Florenz 2011 271ndash288

136 Alexander Fidora

bibliographischen Titel μετὰ τὰ φυσικά so ins Lateinische gebracht zu habendass er zu einem weiblichen Substantiv des Singulars wird womit er sichden Bezeichnungen der uumlbrigen Wissenschaften wie Physik (physica) oderMathematik (mathematica) annaumlhert

So heiszligt es gleich zu Beginn seiner Divisionsschrift in deren Prolog

bdquoDer erste Teil der Einteilung aber heiszligt Physik (physica) oder Naturwis-senschaft (naturalis) welcher der erste und unterste ist der zweite [Teil]heiszligt Mathematik (mathematica) oder lernmaumlszligige Wissenschaft (discipli-nalis) welcher der mittlere ist der dritte [Teil] heiszligt Theologie (theolo-gia) erste Wissenschaft (scientia prima) erste Philosophie (philosophiaprima) oder Metaphysik (metaphysica) Und deswegen sagt Boethiusdass die Physik nicht abstrakt und mit Bewegung [verbunden] ist dieMathematik abstrakt und mit Bewegung [verbunden ist] die Theologiejedoch abstrakt und ohne Bewegung istldquo15

Ganz klar greift Gundissalinus hier die boethianische Einteilung der Wissen-schaften aus dessen Trinitaumltstraktat auf die er mit seiner Avicenna-Lektuumlreverbindet wie der Begriff der prima philosophia suggeriert den er aus seinerUumlbersetzung der Ersten Philosophie aus Avicennas Šhifārsquo uumlbernimmt16 Dochbringt er nicht nur beide Traditionsstraumlnge zusammen sondern uumlberbietetsie eben indem er den Begriff metaphysica als ein substantivum femininumformuliert

Dass es Gundissalinus mit der Bezeichnung der Ersten Philosophie alsmetaphysica im nicht-bibliographischen sondern sachlichen Sinne ernst istbestaumltigt ein Blick in das Metaphysik-Kapitel seiner Divisionsschrift Zwarsteht dieses unter dem traditionellen Titel De scientia divina doch heiszligt esauch hier hinsichtlich des Namens dieser Wissenschaft unmissverstaumlndlichwie folgt

bdquoWarum [diese Wissenschaft] so benannt ist Diese Wissenschaft wird aufviele Weisen benannt Sie heiszligt naumlmlich sbquogoumlttliche Wissenschaftlsquo (scientiadivina) von ihrem wuumlrdigeren Teil her weil sie von Gott fragt ob erexistiert und beweist dass er existiert Sie heiszligt sbquoerste Philosophielsquo (phi-losophia prima) weil sie die Wissenschaft von der ersten Ursache des

15 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 68 Prima autem pars divisionis dicitur scientiaphysica sive naturalis quae est prima et infima secunda dicitur scientia mathematica sivedisciplinalis quae est media tertia dicitur theologia sive scientia prima sive philosophiaprima sive metaphysica Et ob hoc dicit Boethius quod physica est inabstracta et cummotu mathematica abstracta et cum motu theologia vero abstracta et sine motu

16 Vgl Avicenna Liber de philosophia prima sive scientia divina hrsg v S van Riet 2 BdeLouvainndashLeiden 1977ndash1980 hier I 1 215 Et haec est philosophia prima quia ipsa estscientia de prima causa esse

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 137

Seins ist Sie heiszligt auch sbquoUrsache der Ursachenlsquo (causa causarum) weiles in ihr um Gott geht der die Ursache von allem ist Sie heiszligt auchsbquoMetaphysiklsquo (metaphysica) also sbquonach der Physiklsquo weil sie von demhandelt was nach der Natur kommtldquo17

Hier faumlllt nicht nur erneut der Begriff der metaphysica als Wissenschaft viel-mehr liefert Gundissalinus wiederum in Anlehnung an Avicenna18 auch dieentsprechende Begriffserklaumlrung die Metaphysik handelt von dem was nachder Natur kommt Klarerweise ist hierbei mit bdquonach der Naturldquo nicht derbibliographische Ort gemeint sondern der charakteristische Untersuchungs-bereich der Metaphysik Dass diese Begriffserklaumlrung letztlich fragwuumlrdig istund Gundissalinus besser daran getan haumltte seine Metaphysik als Antephysikzu deklarieren wie Th Kobusch zu Recht bemerkt hat19 braucht an dieserStelle nicht zu stoumlren Wichtig ist dass Gundissalinus den Begriff metaphysicadezidiert als Denomination einer Wissenschaft und nicht eines Buches ein-fuumlhrt und sich zugleich bemuumlht ihm eine angemessene Interpretation zu geben

Wie Gundissalinus zu dieser fuumlr die Geschichte der Metaphysik wegwei-senden Neubenennung der theologi(c)a kommt ist fraglich Die kurz vorseiner Divisionsschrift entstandene erste lateinische Uumlbersetzung der Meta-physik durch Jakob von Venedig duumlrfte ihm kaum bekannt gewesen seinund selbst wenn ist der handschriftliche Befund im Hinblick auf ihren Titelkeinesfalls eindeutig20 Naumlher liegt es zu vermuten dass Gundissalinus denBegriff der Metaphysik aus seiner Lektuumlre der boethianischen Kommentarezu den Kategorien und De interpretatione adaptierte21

17 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 102 Quare sic vocatur Multis modis haec scien-tia vocatur Dicitur enim sbquoscientia divinalsquo a digniori parte quia ipsa de Deo inquirit an sitet probat quod sit Dicitur sbquophilosophia primalsquo quia ipsa est scientia de prima causa esseDicitur etiam sbquocausa causarumlsquo quia in ea agitur de Deo qui est causa omnium Dicituretiam sbquometaphysicalsquo ie sbquopost physicamlsquo quia ipsa est de eo quod est post naturam

18 Vgl Avicenna Liber de philosophia prima (wie Anm 16) I 1 324 ipsa est de eo quod estpost naturam

19 Vgl Th Kobusch Die Philosophie des Hoch- und Spaumltmittelalters Muumlnchen 2011 15720 sbquoMetaphysicalsquo scheint zunaumlchst von Jakob von Venedig als neutrum pluralis verstanden

worden zu sein Vgl G Vuillemin-Diem Praefatio Wilhelm von Moerbekes Uumlbersetzungder aristotelischen Metaphysik (Aristoteles latinus XXV 31) Leiden 1995 31

21 Moumlglicherweise begegnete ihm der Titel in seinem Boethius-Manuskript schon in der unshier interessierenden kondensierten Form als metaphysica Wie naumlmlich mehrere Boethius-Handschriften aus der Zeit des Gundissalinus bezeugen hatten die Kopisten ihre Not mitdem Ausdruck meta ta physica Einige hielten den bestimmten Artikel fuumlr eine fehlerhafteDopplung und verkuumlrzten meta ta physica zu meta physica In diese Tradition gehoumlrt auchAbaelard der in seiner Dialectica sowie in seinen Glossen zu den Kategorien Boethiusrsquo zweioben erwaumlhnte Bezugnahmen auf die Buumlcher der meta ta physica aus dem Kategorien-Kommentar zitiert dabei allerdings den Ausdruck als metaphysica wiedergibt Ganz ohneAnknuumlpfungspunkt in der Tradition ist Gundissalinusrsquo Nomenklatur mithin nicht gleich-

138 Alexander Fidora

III Materia huius scientiae est ens

Mit Gundissalinusrsquo nomineller Abwendung von der Ersten Philosophie alstheologi(c)a und seiner Hinwendung zur metaphysica stellt sich freilich auchin verschaumlrfter wenn nicht sogar in gaumlnzlich neuer Weise die Frage nachihrem wissenschaftstheoretischen Status

Die Etablierung der Metaphysik als Wissenschaft in De divisione philo-sophiae gehorcht dem Schema das der Toledaner Gelehrte auch zur Bestim-mung der uumlbrigen Wissenschaften verwendet So wird die Metaphysik eben-so wie die weiteren Wissenschaften am Leitfaden der sogenannten διδασκα-λικά oder auch κεφάλαια entfaltet das sind Fragen die in der Tradition derspaumltantiken Aristoteles-Kommentare die Darstellung der einzelnen Wissen-schaften strukturieren22

Die fuumlr den lateinischen Raum maszliggebliche Version der διδασκαλικά gibtBoethius in seiner Schrift De topicis differentiis Diese werden hier als Struk-turmerkmale der artes eingefuumlhrt so heiszligt es dass in Bezug auf jede Disziplinzunaumlchst folgende Fragen zu behandeln seien de generis artis speciebus etmateria et partibus et instrumento instrumentique partibus opere etiamofficioque actoris et finis23

Diese Fassung der διδασκαλικά sollte im 12 Jahrhundert groszliges Gewichterhalten und zwar zunaumlchst und v a im Umkreis der Schule von ChartresDabei sind es diesmal nicht die Boethius-Kommentare in denen sich dasInteresse an den boethianischen διδασκαλικά kristallisiert sondern vorwie-gend die den Triviums-Wissenschaften gewidmeten Chartreser Glossen24

etwa zu Cicero und Priscian25

Das Chartreser accessus-Schema so die nahezu einhellige Meinung derbisherigen Forschung26 ist auch das Vorbild fuumlr Gundissalinus gewesen In

wohl gilt es zu betonen dass der Ausdruck in der Boethius-Uumlberlieferung und -Exegese einestrikt bibliographische Referenz bleibt

22 Eine tabellarische Uumlbersicht der κεφάλαια bei den einschlaumlgigen spaumltantiken Autoren gibtE A Quain The Medieval accessus ad auctores Traditio 3 1945 215ndash264

23 Vgl Boethius De topicis differentiis (MPL 64) IV 120724 Vgl R W Hunt The Introductions to the Artes in the Twelfth Century in Studia Mediae-

valia in Honor of R J Martin Bruumlgge 1948 85ndash11225 Hier ist vor allem der vielleicht bekannteste Chartreser accessus zu nennen der aus der

Feder Thierrys von Chartres stammt und sich in seinem Kommentar zu Ciceros De inventio-ne findet The Latin Rhetorical Commentaries by Thierry of Chartres hrsg v K M Fred-borg Toronto 1988 49 Circa artem rhetoricam decem consideranda sunt quid sit genusipsius artis quid ipsa ars sit quae eius materia quod officium quis finis quae partes quaespecies quod instrumentum quis artifex quare rhetorica vocetur

26 Vgl hierzu u a K M Fredborg in ihrer Einleitung zu Thierry von Chartres The LatinRhetorical Commentaries by Thierry (wie Anm 25) 15ndash20 sowie C Burnett A New

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 139

De divisione philosophiae werden die Fragen des Chartreser accessus-Sche-mas gleich zu Anfang des Werkes programmatisch als Leitfaden der Analysealler Wissenschaften eingefuumlhrt27 So beginnt die Divisionsschrift mit der An-kuumlndigung

bdquoHinsichtlich eines jeden [Teils der Philosophie] ist [] Folgendes zu un-tersuchen naumlmlich was er ist welches sein Genus ist was seine Materieist welche seine Spezies sind welche seine Teile sind was seine Aufgabeist was sein Ziel ist was sein Instrument ist wer der Kuumlnstler ist warumer [d i der Teil] so genannt wird in welcher Anordnung er zu lesenistldquo28

Wissenschaftstheoretisch besonders interessant sind hierbei die Fragen nachgenus und species einer Wissenschaft aber auch und vor allem nach derenmateria also dem spezifischen Untersuchungsobjekt das die Selbstaumlndigkeiteiner jeden Wissenschaft verbuumlrgt

Den fundamentalen Begriff des Untersuchungsobjektes versteht Gundis-salinus ganz im Sinne des Aristoteles und verbindet ihn systematisch mit des-sen Lehrstuumlck von der Unbeweisbarkeit des einer jeden Wissenschaft zugrun-deliegenden Gegenstandes So heiszligt es etwa im Logik-Kapitel aus De divisio-ne philosophiae bdquoDie These ist nicht die Materie dieser Kunst [d h derLogik] wie einige meinen Nach Aristoteles in den Analytiken beweist naumlm-lich keine Wissenschaft ihre Materie aber die Logik beweist jede Theseldquo29

Denselben Grundsatz des Aristoteles den Gundissalinus hier ausdruumlck-lich mit den Analytica posteriora in Verbindung bringt formuliert er nunauch fuumlr die Metaphysik

bdquoAls Materie dieser Kunst haben einige die vier Ursachen die Material-und Formal- Wirk- und Zielursache bezeichnet Andere behauptetenGott sei die Materie dieser Kunst All diese taumluschten sich Nach demZeugnis des Aristoteles ermittelt naumlmlich keine Kunst ihre eigene Mate-

Source for Dominicus Gundissalinusrsquos Account of the Science of the Stars Annals ofScience 47 1990 361ndash362

27 Ausnahmen sind die Kapitel De aspectibus De ponderibus De ingeniis und die praktischePhilosophie die nicht am Leitfaden der Fragen diskutiert werden

28 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 74 Circa unamquamque autem earum haec in-quirenda sunt scilicet quid ipsa sit quod genus est quae materia quae partes quae speciesquod officium quis finis quod instrumentum quis artifex quare sic vocetur quo ordinelegenda sit

29 Ebd 152 Non est autem thesis materiam huius artis sicut quidam putant Dicente enimAristotele in sbquoAnalyticislsquo nulla scientia probat materiam suam Sed logica probat omnemthesim

140 Alexander Fidora

rie Doch in dieser Wissenschaft wird ermittelt ob Gott existiert Alsoist Gott nicht ihre Materie Genauso wenig die Ursachenldquo30

Der aristotelische Grundsatz von der Unbeweisbarkeit des spezifischen Ge-genstandes einer jeden Wissenschaft aus den Analytica posteriora I 171 a 1ndash11 und passim wird hier zur Grundlage einer scharfen Kritik an der philoso-phischen Tradition weder die Ursachen noch Gott sind der spezifische Ge-genstand der Metaphysik wer dies behauptet hat sich getaumluscht Denn gera-de weil in der Metaphysik Gottes Existenz bewiesen wird eine Wissenschaftjedoch nach Aristoteles niemals ihre Materie beweisen kann ist Gott folglichnicht materia der Metaphysik Daher und weil keine andere Wissenschaftdie materia der Metaphysik grundlegen kann bleibt als deren Gegenstandeinzig das Allgemeinste und Offenbarste

bdquoWeil nun aber dasjenige was in jeder Wissenschaft als Materie gesetztwird notwendigerweise in einer anderen bewiesen wird nach dieser [alsoder Metaphysik] jedoch keine Wissenschaft mehr uumlbrig ist in der ihreMaterie bewiesen wird ist die Materie dieser Wissenschaft notwendiger-weise dasjenige was allgemeiner und offensichtlicher (communius et evi-dentius) ist als alles andere naumlmlich das Seiende (ens) wovon man janicht fragen muss ob oder was es ist so als muumlsste man sich dessen ineiner anderen Wissenschaft nach dieser vergewissernldquo31

Eine ganz aumlhnliche Argumentation findet sich schon bei Avicenna in seinervon Gundissalinus uumlbersetzten Prima philosophia aus dem Kitāb aš-šifāʾ diedem Toledaner Gelehrten zweifelsohne als Ausgangspunkt seiner Bestim-mung des Gegenstandes der Metaphysik als ens dient32 Gleichwohl fehlt beiAvicenna an dieser Stelle der emphatische Verweis auf Aristoteles und seineAnalytia posteriora vor allem aber auch die zugespitzte Kritik an denen diesich in der Bestimmung des Gegenstandes der Metaphysik taumluschen indemsie ihn im Sinne einer Theologik konzipieren

30 Ebd 100 Materiam huius artis quidam dixerunt esse quattuor causas materialem et for-malem efficientem et finalem Alii vero materiam huius artis dixerunt esse Deum Quiomnes decepti sunt Teste enim Aristotele nulla scientia inquirit materiam suam sed in hacscientia inquiritur an sit Deus Ergo Deus non est materia eius Similiter de causis

31 Ebd 100 Sed quia in omni scientia id quod materia ponitur necessario in alia probaturpost hanc autem nulla restat scientia in qua materia eius probatur ideo necessario materiahuius scientiae est id quod communius et evidentius omnibus est scilicet ens quod siqui-dem non oportet quaeri an sit vel quid sit quasi in alia scientia post hanc debeat hoccertificari

32 Vgl Avicenna Liber de philosophia prima (wie Anm 16) I 1 15 Postquam inquiritur inhac scientia [= philosophia prima] an [deus] sit tunc non potest esse subiectum huius scien-tiae [hellip] Nulla enim scientiarum debet stabilire esse suum subiectum Statt auf Aristotelesverweist Avicenna in einem vorangehenden Passus auf seinen Kitāb al-burhān

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 141

Wen hat Gundissalinus aber mit dieser Kritik im Visier Es ist unwahr-scheinlich dass er sich auf die diesbezuumlgliche Kontroverse zwischen Avicennaund Averroes bezieht zumal sich von Letzterem keine Spur in seinem Werknachweisen laumlsst Viel wahrscheinlicher scheint mir indessen dass der spani-sche Philosoph hier Positionen aus seiner eigenen lateinisch-christlichen Tra-dition attackiert genauerhin die Reflexionen aus der Chartreser Boethius-Kommentierung Denn in der Tat definieren die Chartreser mit deren WerkenGundissalinus wie bereits betont vertraut war die boethianische theologicapraumlzise in dem von ihm kritisierten Sinn So beschreibt etwa Thierry vonChartres in seinen Lectiones in Boethii librum De Trinitate die theologiafolgendermaszligen

bdquoUnd nun zur dritten spekulativen Disziplin die ohne Bewegung ist d hohne Veraumlnderbarkeit denn sie betrachtet die goumlttliche Einfachheit undEwigkeit [] Das naumlmlich was sie betrachtet ist Gott ohne den wederMaterie noch sonst etwas sein kann [hellip] die Ursache also und den Seins-grund von allem aus dem das Sein von allen Dingen kommtldquo33

Gundissalinus setzt sich so nicht nur nominell von der boethianischen Be-schreibung der Metaphysik als theologica ab sondern distanziert sich auchinhaltlich von der auf Boethius folgenden Tradition weder die erste Ursachenoch Gott die Thierry und mit ihm die restlichen Chartreser zum Gegen-stand ihrer theologi(c)a erklaumlren sind die materia der gundissalinischen me-taphysica Diese ist vielmehr das ens34

Dieser zunaumlchst recht eindeutige Befund wird deutlich komplexer wennman sich den beiden weiteren zuvor genannten wissenschaftstheoretisch ein-schlaumlgigen Kategorien zuwendet die Gundissalinusrsquo Darlegung der Metaphy-sik strukturieren genus und species So heiszligt es naumlmlich zum genus der Meta-physik in scheinbar widerspruumlchlicher Weise

bdquoDas Genus dieser Kunst aber ist es dass sie abstrakt und ohne Bewe-gung ist Waumlhrend die uumlbrigen Wissenschaften naumlmlich davon handeln

33 Thierry von Chartres Commentaries on Boethius (wie Anm 11) II 38 163ndash167 Ecce detertia parte speculativae quae est sine motu ie sine mutabilitate quia considerat divinamsimplicitatem [et] aeternitatem [hellip] Id enim quod ipsa considerat est deus sine quo materianec aliud potest esse [hellip] causa scilicet et origo essendi omnium rerum et ex qua est esseomnium rerum

34 Gundissalinusrsquo Kritik wird spaumlter u a in Alberts des Groszligen Metaphysik-Kommentar auf-gegriffen Metaphysica Opera omnia Ed Coloniensis XVI 1 Muumlnster 1960 l I tr 1 c2 Albert verwirft hier zuerst die Kausalitaumlt als Gegenstand der Metaphysik an zweiterStelle Gott um schlieszliglich das Seiende als ihren eigentuumlmlichen Gegenstand zu praumlsentierenMit dieser Argumentationsfolge (Ursache Gott Seiendes) steht Albert Gundissalinus letzt-lich naumlher als Avicenna den W Senner als seine Quelle anfuumlhrt Vgl W Senner Alberts desGroszligen Verstaumlndnis von Theologie und Philosophie Muumlnster 2009 38

142 Alexander Fidora

was in der Materie ist z T davon abstrahierend wie die lernmaumlszligigeWissenschaft [also die Mathematik] z T ohne davon zu abstrahierenwie die Naturwissenschaft ist diese die einzige die daruumlber handelt wasvoumlllig ndash der Daseinsweise und der Definition nach ndash von Bewegung undMaterie getrennt ist Sie handelt naumlmlich von den ersten Ursachen desnatuumlrlichen und mathematischen Seins und davon was von jenen ab-haumlngt und von der Ursache der Ursachen und dem Prinzip der Prinzipi-en welches der erhabene Gott istldquo35

Hier bringt Gundissalinus in affirmativer Form die von ihm soeben striktabgelehnte Bestimmung der Metaphysik als Theologik in Anschlag das ge-trennte und unbewegliche Sein also Gott und die ersten Ursachen werdennun von ihm als genus der Metaphysik ausgewiesen Und dies in offenbarnaiver Uumlbernahme der boethianisch-chartresischen Diktion

Wie ist dieser scheinbare Widerspruch zu deuten Zwar ist immer wiederauf den patchwork-Charakter von Gundissalinusrsquo Divisionsschrift hingewie-sen worden um moumlgliche Ungereimtheiten in seinem Wissenschaftsentwurfzu erklaumlren gleichwohl bleibt eine solche Erklaumlrung des vermeintlichen Wi-derspruchs der zwei Bestimmungen der Metaphysik vordergruumlndig zumaldie beiden zitierten Abschnitte im Text unmittelbar aufeinander folgen

Mir scheint vielmehr dass Gundissalinus hier an eine immanente Schwie-rigkeit der aristotelischen Metaphysik selbst ruumlhrt und ihr so paradox dieszunaumlchst erscheinen mag eine systematische Loumlsung zu geben versucht DieSchwierigkeit auf die ich mich beziehe haumlngt mit Aristotelesrsquo Einsicht zu-sammen dass das Seiende keine Gattung darstellt Anders als Platon naumlmlichder das Seiende unter die μέγιστα γένη also die groumlszligten Gattungen zaumlhlterklaumlrt Aristoteles wiederholt sowohl in der Metaphysik als auch in den Ana-lytica posteriora dass das Seiende kein γένος darstellt36 Gleichwohl bestimmtAristoteles aber den Untersuchungsgegenstand der Metaphysik in Buch Γ 1als τὸ ὂν ῃ ὂν (1003 a 21) also als das Seiende als Seiendes Damit ergibtsich freilich eine nicht geringe Spannung zwischen der in den Analytica poste-riora I 7 formulierten Anforderung an eine jede Wissenschaft uumlber ein ὑπο-κείμενον γένος (75 a 42) eine zugrundeliegende Gattung zu verfuumlgen undder Tatsache dass das zugrundeliegende genus der Metaphysik eben gerade

35 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 98ndash100 Genus autem huius artis est quod ipsaest abstracta et sine motu Cum enim ceterae scientiae agant de his quae sunt in materiased aliquando abstractis ut disciplinalis aliquando inabstractis ut naturalis haec sola estquae agit de his quae omnino sunt separata a motu et a materia secundum existentiam etdefinitionem Agit enim de primis causis naturalis et disciplinalis esse et de eo quod pendetex his et de causa causarum et de principio principiorum quod est Deus excelsus

36 Siehe Platon im Soph 254D sowie Aristoteles in Met Β 2998 b 22 und passim

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 143

kein genus ist Aristoteles selbst loumlst die so entstehende Spannung nicht aufliefert allerdings eine Alternative wenn er in Buch Ε 1 der Metaphysik dasgenus derselben als das immaterielle und unbewegliche Seiende bestimmt sogesehen handelt die Metaphysik von der obersten Gattung des Seienden περὶτὸ τιμιώτατον γένος (1026 a 21) Prima facie hat die Metaphysik damit beiAristoteles aber einen doppelten Gegenstand einmal naumlmlich das Seiende alsihr eigentuumlmliches Untersuchungsobjekt zum anderen ein bestimmtes Seien-des als ihre Gattung

Die spaumltantiken Kommentatoren des Aristoteles versuchten diese Span-nung durch eine intelligente Lektuumlre eines Passus aus Buch Γ 2 der Metaphy-sik zu loumlsen wo es heiszligt dass das Seiende nicht schlechthin aumlquivok ausge-sagt werde sondern πρὸς ἕν (1003 a 33) also auf ein Eines hin37 WaumlhrendAristoteles mit diesem Einen die ουϛσία im Auge hatte interpretierten diespaumltantiken Kommentatoren das πρὸς ἕν im Hinblick auf die oberste Klassedes Seienden so lassen sich beide Gegenstandsbestimmungen aus MetaphysikΓ 1 und Ε 1 kompatibilisieren der Gegenstand der Metaphysik ist in der Tatdas Seiende das allerdings in Relation zur Gattung des obersten Seiendenausgesagt wird

Mir scheint dass Gundissalinus dieser Interpretation nicht fern steht dieMaterie bzw den Gegenstand der Metaphysik versteht er klar als das enswaumlhrend er ihre Gattung mit Aristoteles und seinen Kommentatoren als dasoberste Seiende bestimmt Interessant dabei ist sein Versuch begrifflicherTrennschaumlrfe so scheidet Gundissalinus letztlich den aristotelischen Begriffdes ὑποκείμενον γένος in zwei separate Aspekte zum einen die zugrundelie-gende materia auch subiectum genannt die das ens darstellt zum anderendas genus naumlmlich die oberste Klasse des Seienden

In dieser Hinsicht kann Gundissalinus tatsaumlchlich ohne Widerspruch be-haupten dass die materia der Metaphysik einzig und allein im ens bestehtund dass es falsch ist Gott oder die erste Ursache als materia der Metaphysikzu bezeichnen obwohl Letztere die Gattung derselben ausmachen insofernnaumlmlich das ens im Hinblick auf dessen oberste Klasse praumldiziert wird dieals solche eine Gattung darstellt

Gundissalinusrsquo Einlassungen lassen sich somit in ihrer Differenzierungvon materia bzw subiectum einerseits und genus andererseits als ein auf-schlussreicher Versuch interpretieren den ontologischen Primat des Meta-physik-Begriffs mit den epistemologischen Anforderungen an die Metaphysikqua Wissenschaft in Einklang zu bringen

37 Vgl J Owens The Doctrine of Being in the Aristotelian Metaphysics Toronto 1951 9ndash15 sowie S D Dumont Scotusrsquos Doctrine of Univocity and the Medieval Tradition ofMetaphysics in J A AertsenA Speer (Hrsg) Was ist Philosophie im Mittelalter Berlin1998 197

144 Alexander Fidora

Dass fuumlr Gundissalinus die ontologische Deutung der Metaphysik aus-schlaggebend ist zeigt sich schlieszliglich auch in seiner Bestimmung ihres drit-ten Strukturmerkmals naumlmlich ihrer species Denn auch wenn das genus derMetaphysik im eigentlichen Sinne die oberste Klasse des Seienden darstelltbestimmt er ihre species im Ausgang von ihrer materia bzw ihrem subiectumSo heiszligt es im Metaphysik-Kapitel der Divisionsschrift weiter

bdquoDie Spezies dieser Kunst aber sind das was das Seiende begleitet inwelche das Seiende naumlmlich unterteilt wird Das eine Seiende ist naumlmlichSubstanz das andere Akzidens das eine Allgemeines das andere Beson-deres das eine Ursache das andere Verursachtes das eine in Moumlglich-keit das andere in Wirklichkeit und so weiter woruumlber in derselben Wis-senschaft hinreichend gehandelt wirdldquo38

Gundissalinus greift hier den Begriff der consequentia entis aus seiner Uumlber-setzung von Avicennas Prima philosophia auf39 Die detaillierte Aufzaumlhlungdieser das Seiende begleitenden Eigenschaften findet sich allerdings in dieserForm nicht bei Avicenna sondern geht auf Gundissalinus zuruumlck Dabei istinsbesondere das Begriffspaar bdquoUrsache und Verursachtesldquo hervorzuhebendas es Gundissalinus und auch der spaumlteren Tradition insbesondere Thomasvon Aquin erlauben sollte die Theologik in ihre ontologische Metaphysik-Deutung systematisch zu integrieren denn gerade als ens causatum d h inseiner Geschaffenheit verweist das Seiende als Gegenstand der Metaphysikauf seine Ursache also Gott der damit auch innerhalb einer primaumlr ontolo-gisch ausgelegten Metaphysik seinen Platz bekommt

Die Metaphysik muss von dem ausgehen was allgemein und durch sichselbst evident ist und dies ist das Seiende Doch gerade indem sie dieses undseine Ursachen untersucht gelangt sie zur ersten Ursache selbst naumlmlichGott den Gundissalinus wie seine weiteren Ausfuumlhrungen zeigen aus seinerMetaphysik nicht verbannt

Aufs Ganze gesehen stellen diese Reflexionen aus dem Metaphysik-Kapi-tel von Gundissalinusrsquo Divisionsschrift den Versuch dar die boethianisch-chartresische Theologik-Tradition im Lichte des uumlber Avicenna vermitteltenAristotelismus kritisch zu revidieren und zu transformieren Ziel dieserTransformation ist es die Metaphysik qua Ontologie im lateinischen Raum

38 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 100 Species vero huius artis sunt consequentiaentis in quae scilicet dividitur ens Ens enim aliud est substantia aliud accidens aliuduniversale aliud particulare aliud causa aliud causatum aliud in potentia aliud in actu etcetera de quibus sufficienter tractatur in eadem scientia

39 Vgl Avicenna Liber de prima philosophia (wie Anm 16) Bd 1 13 Ideo primum subiec-tum huius scientiae est ens inquantum est ens et ea quae inquirit sunt consequentia entis

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 145

auf einem wissenschaftstheoretisch soliden Fundament als eigenstaumlndige Wis-senschaft zu etablieren

IV Ceterae scientiae sunt sub scientia de ente

Komplementaumlr zu Gundissalinusrsquo Uumlberlegungen im Metaphysik-Kapitel ver-haumllt sich ein weiteres Kapitel am Ende seiner Divisionsschrift Geht es imMetaphysik-Kapitel naumlmlich um die Etablierung der Metaphysik als einerWissenschaft mit einem eigenem Gegenstandsbereich so stellt sich Gundissa-linus spaumlter die schwierige Frage nach dem Verhaumlltnis dieses Gegenstandsbe-reiches zu den Gegenstandsbereichen der uumlbrigen Wissenschaften

Er tut dies in einem Kapitel das den Titel bdquoSumma Avicennae de conveni-entia et differentia subiectorumldquo traumlgt Dabei handelt es sich um die Uumlberset-zung eines Abschnitts aus dem Kitāb al-burhān des Avicenna also jenemTeil seines Kitāb aš-šifāʾ der die Beweistheorie enthaumllt und den Analyticaposteriora entspricht Gundissalinusrsquo Uumlbersetzung umfasst das 7 Kapitel des2 Buches des Kitāb al-burhān das Lateinisch allein in der Divisionsschriftuumlberliefert ist Im Zentrum dieses Kapitels steht die bereits von Aristotelesaufgeworfene Frage nach der Unterordnung bzw Subordination und Binnen-differenzierung der Wissenschaften

Tatsaumlchlich bietet Aristoteles in seinen Analytica posteriora zwei ver-schiedene Modelle zur Erklaumlrung der Unterordnung verschiedener Wissen-schaften So behauptet er in den Analytica posteriora I 7 dass zwei Wissen-schaften denselben Gegenstand in verschiedener Hinsicht betrachten koumlnnennaumlmlich absolut (ἁπλως) oder in qualifizierter Weise (ἢ πῃ) (75 b 8ndash9) Waumlh-rend die absolute Betrachtung der uumlbergeordneten Wissenschaft entsprichtcharakterisiert die qualifizierte bzw relative Betrachtung die untergeordneteWissenschaft In Kapitel 9 der Analytica posteriora I wird hingegen ein zwei-ter Vorschlag entwickelt hier erklaumlrt Aristoteles dass die Harmonik derArithmetik untergeordnet sei weil Erstere allein das Dass (ὅτι) der Phaumlnome-ne kenne waumlhrend Letztere auch um ihr Warum (διότι) wisse (76 a 11ndash15)

Wie R McKirahan gezeigt hat40 sind diese beiden Modelle letztlich alter-native Loumlsungen des Problems der Subordination der Wissenschaften die sichnicht ohne Weiteres ineinander uumlberfuumlhren lassen Avicenna und mit ihmsein Uumlbersetzer Gundissalinus greift Aristotelesrsquo erstes Modell auf um esin systematisch anspruchsvoller Weise zu erweitern So erklaumlrt die Summa

40 Vgl R McKirahan Aristotlersquos Subordinate Sciences The British Journal for the History ofScience 11 1978 197ndash220

146 Alexander Fidora

Avicennae41 in einem ersten Schritt dass es der Fall sein kann dass eineWissenschaft ein subiectum x betrachtet waumlhrend eine zweite Wissenschaftein Subjekt xrsquo betrachtet das sich zu x so verhaumllt wie die species zum genusDieses Verhaumlltnis zwischen dem subiectum x und dem derivativen Subjektxrsquo etabliert eine klare Hierarchie zwischen den beiden in Frage stehendenWissenschaften insofern die mit x befasste Wissenschaft umfassender ist alsjene die xrsquo betrachtet In einem zweiten Schritt unterscheidet die SummaAvicennae daraufhin mindestens zwei Arten auf die eine Wissenschaft dasderivative Subjekt xrsquo betrachten kann Im ersten Fall betrachtet sie das deri-vative Subjekt xrsquo in absoluter Weise und wird daher als Teil bzw pars dermit x befassten Wissenschaft bezeichnet Ein Beispiel hierfuumlr ist die Biologiein ihrem Verhaumlltnis zur Physik beide Wissenschaften befassen sich mit demKoumlrper jedoch betrachtet die Physik das genus sbquoKoumlrperlsquo waumlhrend die Biolo-gie dessen species sbquolebendiger Koumlrperlsquo betrachtet und zwar in absoluter Wei-se Die Biologie ist daher eine pars bzw ein Teil der Physik bzw Naturphilo-sophie Der zweite Fall liegt dann vor wenn eine Wissenschaft allein gewisseAkzidenzien des derivativen Subjekts xrsquo betrachtet eine solche Wissenschaftsteht dann unter der Wissenschaft die x betrachtet ist dieser also subordi-niert Die Medizin z B ist kein konstitutiver Teil der Physik bzw der Natur-philosophie sondern ist dieser subordiniert beide sind mit dem genus sbquoKoumlr-perlsquo befasst doch die Medizin betrachtet dessen species sbquolebendiger Koumlrperlsquound dies lediglich im Hinblick auf einige seiner eigentuumlmlichen Akzidenziennaumlmlich Krankheit und Gesundheit also nicht absolut wie die BiologieFolglich unterscheidet die Summa Avicennae zwei Arten auf die eine Wissen-schaft in einer anderen enthalten sein kann entweder als konstitutiver Teilderselben wie die Biologie in Bezug auf die Naturphilosophie oder aberals eine ihr untergeordnete Wissenschaft wie die Medizin hinsichtlich derNaturphilosophie

Diese allgemeinen wissenschaftstheoretischen Uumlberlegungen muumlnden inder Summa Avicennae schlieszliglich in die Frage nach dem Status der Metaphy-sik Wie verhaumllt sich die Metaphysik zu den restlichen Wissenschaften odervielmehr umgekehrt wie verhalten sich die uumlbrigen Wissenschaften zur Meta-physik Die Summa Avicennae gibt eine eindeutige Antwort auf diese Frage

bdquoDie Wissenschaft von jenen Dingen aber die unter dem sind dessenAllgemeinheit so ist wie die Allgemeinheit von Seiendem und Einemkann kein Teil der Wissenschaft von diesen sein [] Das Allgemeinere

41 Vgl fuumlr die folgenden Ausfuumlhrungen den Text der Summa Avicennae in Gundissalinus (wieAnm 3) 236ndash244 Eine ausgezeichnete Interpretation der schwierigen Passage bietet HHugonnard-Roche La classification des sciences de Gundissalinus et lrsquoinfluence drsquoAvicennein J JolivetR Rashed (Hrsg) Eacutetudes sur Avicenne Paris 1984 54ndash57

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 147

findet sich naumlmlich nicht im weniger Allgemeinen und auch nicht umge-kehrt Daher sind die Einzelwissenschaften notwendigerweise keine Teileder Wissenschaft vom Seienden sondern weil das Seiende und das Eineallgemeiner sind als alle Gegenstaumlnde ist es notwendig dass die uumlbrigenWissenschaften unter der Wissenschaft sind die diese behandeltldquo42

Jedwede Wissenschaft die unter der Allgemeinheit der scientia de ente derWissenschaft vom Seienden steht kann nicht als pars derselben verstandenwerden so wie die Biologie ein Teil der Naturphilosophie ist Vielmehr muumls-sen die Partikularwissenschaften als subordinierte Wissenschaften aufgefasstwerden weil und insofern ihr Gegenstand letztlich nicht gattungskonstitutivfuumlr das Wesen des Gegenstandes der Metaphysik ist

Gleichwohl ergibt sich hieraus in der Summa Avicennae nicht zwangslaumlu-fig das Konzept einer Metaphysik als master science Denn auch wenn dieanderen Wissenschaften der Metaphysik subordiniert sind so ist der Er-kenntnisweg doch nicht der eines Abstiegs von den Wahrheiten der Metaphy-sik zu jenen der Partikularwissenschaften vielmehr handelt es sich um einenrekursiven Prozess der von den Partikularwissenschaften ausgeht die in derMetaphysik ihr letztes Fundament erhalten

bdquoNachdem wir aber behauptet haben dass von den Prinzipien der Wis-senschaften einige nicht an sich bekannt sind ist es notwendig dass sieim Rahmen einer anderen Wissenschaft geklaumlrt werden entweder in ei-ner genauso partikularen wie sie selbst oder in einer allgemeineren alssie selbst und in diesem Fall wuumlrde man damit sicher bis zu einer Wissen-schaft kommen die allgemeiner ist als alle anderen Daher muss mansich uumlber die Prinzipien der uumlbrigen Wissenschaften innerhalb dieser Wis-senschaft Gewissheit verschaffen Das wird aber [zunaumlchst] so sein alsob alle Wissenschaften durch miteinander verbundene hypothetische Ar-gumente bewiesen wuumlrden z B Wenn der Kreis ist ist das Dreieck sooder so Wenn man aber [endlich] zur ersten Philosophie gelangt seinwird so wird das Sein der Voraussetzung klar werden wenn [naumlmlich]bewiesen werden wird dass dem Prinzip naumlmlich dem Kreis Sein zu-kommt und dann wird auch der Beweis der Folge vollendet werden koumln-nen dass ihr [naumlmlich] Sein zukommt und so weiter weil keine Partiku-

42 Gundissalinus De divisione (wie Anm 3) 244 Scientia vero de rebus quae sunt sub eocuius communitas est sicut communitas entis et unius non potest esse pars scientiae de eis[] Communius enim non invenitur in minus communi nec e contrario Unde oportet utscientiae particulares non sint partes scientiae de ente sed quia ens et unum communia suntomnibus subiectis oportet tunc ut ceterae scientiae sint sub scientia quae tractat de eis

148 Alexander Fidora

larwissenschaft ohne hypothetische Argumentation bewiesen werdenkannldquo43

So betrachtet sind die restlichen Wissenschaften der Metaphysik subordi-niert weil diese ihre Prinzipien verbuumlrgt es ist die Metaphysik die die zu-naumlchst hypothetisch angenommenen Untersuchungsbereiche der Partikular-wissenschaften authentifiziert und ihnen ihre Geltung verleiht

Das hier zum ersten Mal in der lateinischen Welt formulierte Konzeptvon Metaphysik als subordinierender Wissenschaft sollte in den folgendenJahrhunderten houmlchst kontrovers diskutiert werden Es seien hier nur zweiAutoren genannt Robert Kilwardby und Johannes Duns Scotus

Der englische Dominikaner Robert Kilwardby widmet in seinem starkvon Gundissalinus abhaumlngigen Werk De ortu scientiarum das 32 Kapitel derFrage nach dem Verhaumlltnis der Metaphysik zu den anderen WissenschaftenZwar konstatiert er zunaumlchst dass die Metaphysik das Seiende schlechthinbetrachte die anderen Wissenschaften hingegen nur Teile desselben doch seidies noch kein Grund von Subordination bzw Subalternation zu sprechenVielmehr seien fuumlr ein solches Verhaumlltnis drei Kriterien zu erfuumlllen erstensmuumlsse die subalternierte Wissenschaft dem Subjekt der subalternierendenWissenschaft etwas hinzufuumlgen zweitens duumlrfe diese Hinzufuumlgung nicht indie Gattung des Subjekts der subalternierenden Wissenschaft fallen und drit-tens muumlsse die Beweisrichtung von der subalternierenden zur subalterniertenWissenschaft fuumlhren Keine dieser drei Bedingungen jedoch so Kilwardbytreffe in vollem Umfang auf das Verhaumlltnis der Metaphysik zu den uumlbrigenWissenschaften zu44

43 Ebd 244ndash246 Postquam autem posuimus quod de principiis scientiarum quaedam suntquae non sunt manifesta per se tunc oportet ut manifestentur in alia scientia aut in parti-culari qualis ipsa sit aut in communiore quam ipsa sit et sic perveniet hoc sine dubio adcommuniorem omnibus scientiis Oportet igitur principia ceterarum scientiarum certificen-tur in hac scientia Hoc autem sic erit quasi omnes scientiae probentur argumentationibushypotheticis coniunctis verbi gratia si circulus est talis vel talis triangulus est Cum autempervenerimus ad philosophiam primam tunc manifestabitur esse antecedentis cum proba-bitur quod principium scilicet circulus habet esse et tunc complebitur probatio consequen-tis quod habet esse et ita quia nulla scientiarum particularium probetur sine hypothetica

44 Robert Kilwardby De ortu scientiarum hrsg V A G Judy LondonndashToronto 1976 c 32115 Quaeritur enim an [metaphysica] subalternat sibi omnes alias speculativas [hellip] Etvidetur quod sic [hellip] Sed haec [argumenta] solvuntur per hoc quod sicut supra dictum estquod ad subalternationem tria requiruntur unum est quod subiectum subalternatae sit exappositione respectu subiecti subalternantis aliud quod illud adiectum sit res alterius gene-ris in natura [hellip] tertium quod descendat demonstratio a subalternante ad subalternatamPrimum aliquo modo est in metaphysica et aliis speculativis non tamen omnino [hellip] Secun-dum non est illic [hellip] Tertium etiam non Eine sehr aumlhnliche Argumentation findet sich ineinem von G Gaacutel edierten anonymen Metaphysik-Kommentar der stark von Kilwardbyabhaumlngig ist auch wenn Kilwardby nicht ndash wie Gaacutel behauptet ndash als dessen Autor in Frage

Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus 149

Kilwardby erteilt damit der von Avicenna und Gundissalinus vorgebrach-ten Konzeption eine klare Absage Anders Johannes Duns Scotus in seinerPariser Reportatio Hier erklaumlrt Duns Scotus dass ein Wissen um die Prinzi-pien auf zweierlei Weise vorliegen kann entweder weiszlig man um die Prinzipi-en in Form einer notitia confusa wie es der Fall bei der Sinneswahrnehmungund der Erfahrung ist oder man weiszlig um die Prinzipien in Form einer notitiadistincta wie es der Fall des metaphysischen Wissens ist Und daher so kon-kludiert er omnes scientiae possunt dici sibi subalternatae scilicet metaphysi-cae45

Es ist hier nicht der Ort um auf Kilwardby und Duns Scotus weitereinzugehen entscheidend ist allein dass die Idee von Metaphysik als sub-alternierender Wissenschaft wie sie in Gundissalinusrsquo Avicenna-Adaptationaufscheint in der Folge eine lebhafte Diskussion nach sich zog Diese Diskus-sion selbst geht uumlber die simplen textuellen Abhaumlngigkeiten und direkten Fili-ationen hinaus Kilwardby der Gundissalinus sonst sehr nahe steht wendetsich gegen die Idee der Subordination waumlhrend Duns Scotus den historischnichts mit dem spanischen Gelehrten verbindet sie affirmativ reformuliert

V Konklusion

Gundissalinusrsquo Verdienst innerhalb der Geschichte der Metaphysik be-schraumlnkt sich bei Weitem nicht auf die Bereitstellung metaphysischer Schluumls-seltexte in lateinischer Uumlbersetzung wie etwa Avicennas Prima philosophia

Wie die vorangegangenen Analysen zeigen wollen stellt Gundissalinusdaruumlber hinaus entscheidende begriffliche wie auch systematische Weichenfuumlr die Rezeption der aristotelischen Metaphysik im 13 Jahrhundert Dennbegrifflich wie auch systematisch vollzieht sich bei Gundissalinus die Abkehrvom boethianisch-chartresischen Konzept der Metaphysik als Theologik hin

kommt Vgl die Fragmente in G Gaacutel Robert Kilwardbyrsquos Questions on the Metaphysicsand Physics of Aristotle Franciscan Studies 13 1953 7ndash28

45 Vgl Johannes Duns Scotus The Examined Report of the Paris Lecture Reportatio I-ALatin Text and Engl Translation by A B Wolter O Bychkov St Bonaventure (NY) 2004q 2 sect 157 56ndash57 Ad auctoritatem Philosophi dico quod principia dupliciter possuntesse nota Uno modo notitia confusa ut si termini confuse apprehendantur per sensum etexperientiam et hoc sufficit ad scientiam terminorum in scientia qualibet speciali ut quodlinea sit longitudo ignorando utrum quiditas eius sit substantia quantitas vel qualitas etcAlio modo possunt cognosci notitia distincta sciendo ad quod genus pertinet quiditas eo-rum cum definitiones terminorum distincte cognoscuntur ex evidentia terminorum et hoccontingit per scientiam metaphysicalem dividendo et componendo Et sic omnes scientiaepossunt dici sibi subalternatae scilicet metaphysicae

150 Alexander Fidora

zu einer Metaphysik verstanden als Ontologie diese Abkehr kuumlndigt sich mitder Einfuumlhrung des Begriffs der metaphysica als Gegenbegriff zur theologi(c)aan und gelangt mit der Bestimmung des ens als deren eigentuumlmlicher materiain ihr Ziel Seinen Weg von der Theologik zur Ontologie findet Gundissalinusin der uumlber die arabische Tradition vermittelten aristotelischen Wissenschafts-theorie diese erlaubt es ihm den fuumlr die lateinische Welt neuen Metaphysik-Begriff auf der Grundlage eines soliden epistemologischen Fundaments einzu-fuumlhren ndash ein Fundament das der Frage nach der Selbstaumlndigkeit der Meta-physik und ihrem Zusammenhang mit den anderen Wissenschaften gleicher-maszligen Rechnung traumlgt

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Metaphysikentwuumlrfe im13 Jahrhundert

Metaphysik als TheologikRezeption und Transformation der Metaphysik

bei Albertus Magnus

Hannes Moumlhle

I Alberts Metaphysik im Kontext der Aristoteles-Paraphrase

Mit dem Physikkommentar beginnt Albertus Magnus zu Beginn der 50erJahre des 13 Jahrhunderts ein philosophisches Groszligprojekt in dessen Rah-men auch die Auseinandersetzung mit der aristotelischen bzw der fuumlr aristo-telisch gehaltenen Metaphysik faumlllt Mit der Abfassung seines Kommentarszum Liber de causis (abgeschlossen 1267) haumllt Albert dieses Projekt wasden metaphysischen Teil betrifft fuumlr abgeschlossen Der erste bzw je nachSichtweise der letzte Teil der Realphilosophie ist nach der Kommentierungder Metaphysik des Aristoteles (um 1264) und der anschlieszligenden Kommen-tierung des Liber de causis den Albert fuumlr eine Kompilation aus aristoteli-schen Texten haumllt vollstaumlndig bearbeitet Damit folgt Albert den im zweitenViertel des 13 Jahrhunderts in Paris uumlblichen Vorgaben wonach der Teildis-ziplin der natuumlrlichen Philosophie naumlmlich der Metaphysik drei Werke zu-grunde zu legen sind Wie der zwischen 1230 und 1240 in Paris entstandeneStudienfuumlhrer zeigt der als Leitfaden des uumlblichen Lehrbetriebs gelten kannund damit einen gemeinsam geteilten Hintergrund repraumlsentiert gehoumlrt zumStudium der Metaphysik die Lektuumlre der Metaphysica vetus der Metaphysicanova also des aristotelischen Werkes der Metaphysik sowie des Liber decausis der eine arabische Kompilation aus der Elementatio theologica desProklos darstellt und dessen wahre Herkunft Albert noch unbekannt war1

Das Aristoteles-Projekt ist aber fuumlr Albert nicht nur ein zeitlicher Rah-men sondern bedeutet vor allem eine sachliche und methodische Einheit die

1 Vgl C Lafleur bdquoGuide de lrsquoeacutetudiantldquo drsquoun maicirctre anonyme de la faculteacute des arts de Parisau XIIIe siegravecle Queacutebec 1992 sect 10 33 Vgl hierzu A de Libera Structure du corpus scolairde la meacutetaphysique dans la premiegravere moitieacute du XIIIe siegravecle in C LafleurJ Carrier (Hrsg)Lrsquoenseignement de la philosophie au XIIIe siegravecle Autour du bdquoGuide de lrsquoeacutetudiantldquo du msRipoll 109 (Studia Artistarum V) Turnhout 1997 61ndash88

156 Hannes Moumlhle

ihre besonderen Ziele und Anspruumlche hat Auf den ersten Blick nimmt sichdas von Albert genannte Ziel dieses Projektes wenig spektakulaumlr und eherbescheiden aus Er will alle Teile der Philosophie die er weitgehend durcharistotelische Schriften bearbeitet sieht den Lateinern verstaumlndlich machennostra intentio est omnes dictas partes [philosophiae] facere Latinis intelligi-biles2 Betrachtet man z B die Auseinandersetzung die Albert bereits sehrfruumlh mit David von Dinant fuumlhrt und in der er versucht Aristoteles von denFehldeutungen zu befreien fuumlr die er David verantwortlich macht so er-scheint das zuruumlckhaltende facere intelligibiles in einem ganz anderen LichtDavid und die von ihm betriebene Aristoteles-Exegese waren beispielhaft da-fuumlr verantwortlich dass die Lektuumlre aristotelischer Schriften vor allem dernaturphilosophischen und der metaphysischen an der Pariser Universitaumlt ver-boten wurde3 Aristoteles zu erklaumlren bedeutet damit fuumlr Albert ihn so zudeuten dass er in den Kontext der christlichen Lehre zu integrieren und seineSchriften dem universitaumlren Lehrbetrieb einzufuumlgen waren

Fuumlr die von Albert angestrebte Deutung der Metaphysik ergibt sich da-raus die Aufgabe das unter diesem Titel bekannte Werk des Aristoteles undden Liber de causis einer einheitlichen Deutung zu zufuumlhren die was ihreInhalte betrifft mit der christlichen Lehre in Einklang zu bringen ist unddie was ihren wissenschaftstheoretischen Status angeht ein Nebeneinander

2 Die Werke des Albertus Magnus werden in folgender Weise angegebenAlberti Magni Physica I l 1ndash4 Opera Omnia Editio Coloniensis IV1 Muumlnster 1987[= Op om IV1]Alberti Magni Metaphysica I l 1ndash5 Opera Omnia Editio Coloniensis XVI1 Muumlnster1960 [= Op om XVI1]Alberti Magni De causis et processu universitatis a prima causa Opera Omnia EditioColoniensis XVII2 Muumlnster 1993 [= Op om XVII2]Alberti Magni Summa de mirabili scientia dei I (q1ndash50A) Opera Omnia Editio Colonien-sis XXXIV1 Muumlnster 1978 [= Op om XXXIV1]Alberti Magni Super Dionysium de divinis nominibus Opera Omnia XXXVII1 Muumlnster1972 [= Op om XXXVII1]Alberti Magni Super Dionysium mysticae theologiae Opera Omnia XXXVII2 Muumlnster1972 [= Op om XXXVII2]Alberti Magni Logicae secunda pars Editio Borgnet 2 Paris 1890 [= Ed Bor 2]Alberti Magni Commentarii in I Sententiarum (d IndashXXV) Editio Borgnet 25 Paris 1893[= Ed Bor 25]Alberti Magni Commentarii in I Sententiarum (d XXVIndashXLVIII) Editio Borgnet 26 Paris1893 [= Ed Bor 26]Die angegebene Stelle findet sich Op om IV1 48ndash49

3 Vgl H DenifleAe Chatelain Chartularium Universitatis Parisiensis IndashIII Paris 1889ndash1894 I n 20 Hierzu H Anzulewicz David von Dinant und die Anfaumlnge der aristotelischenNaturphilosophie im Lateinischen Westen in L Honnefelder u a (Hrsg) Albertus Mag-nus und die Anfaumlnge der Aristoteles-Rezeption im lateinischen Mittelalter (Subsidia Alberti-na Bd 1) Muumlnster 2005 71ndash112

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 157

der Disziplinen der Ersten Philosophie und der christlichen Theologie er-laubt

Das Intelligibel-Machen der aristotelischen Philosophie das Albert alsseine primaumlre Intention zu Beginn seines Physikkommentars bezeichnet solldiejenige Ignoranz beseitigen die der Aufnahme des Aristoteles in den christ-lichen Kontext im Wege steht Blickt man auf das Ende seiner Auseinander-setzung mit der aristotelischen Metaphysik gemeint ist auf das Ende seinesKommentars zum Liber de causis dann stellt Albert den Bezug zu seinerurspruumlnglich formulierten Intention wieder her denn was die Metaphysikbetrifft ist seine Intention erst jetzt d h nach der Kommentierung des Liberde causis und der Anknuumlpfung der dort erwogenen Lehren an das elfte Buch4

der aristotelischen Metaphysik erfuumlllt Woumlrtlich bringt Albert die von ihmunterstellte Einheit des aristotelischen Werkes der Metaphysik und des Liberde causis zum Ausdruck wenn es dort heiszligt

bdquoIn diesem Buch also sind wir zum Ziel unserer Intention gelangt Wirhaben naumlmlich die erste Ursache und die Ordnung der zweiten Ursachengezeigt und auf welche Weise das Erste Prinzip des umfassenden Seins ist(primum universi esse principium) und wie das Sein von allem entspre-chend der Auffassung der Peripatetiker aus dem Ersten flieszligt Und wenndiese [Lehren] dem elften Buch der Ersten Philosophie angefuumlgt sein wer-den dann erst ist das Werk vollendetldquo5

Diese von Albert verfolgte Intention ist kein Sonderweg sondern entsprichtdem geistigen Klima in Paris waumlhrend der 40er Jahre des 13 Jahrhundertswie de Libera vor allem mit Blick auf die zeitgenoumlssische Einleitungsliteraturzur Philosophie an der Pariser Artistenfakultaumlt betont6 Um das Verhaumlltnisvon Metaphysik Buch 11 und den Lehren des Liber de causis zu bezeichnenverwendet Albert nicht den unspezifischen Ausdruck der Hinzufuumlgung son-dern den der inneren Verbindung er spricht nicht von addita sondern adi-

4 Da die von Albert kommentierte lateinische Vorlage der Metaphysik nicht das nach heutigerZaumlhlung elfte Buch enthaumllt entspricht das heute als Buch 12 gezaumlhlte Buch Lambda inAlberts Metaphysik dem Buch XI Vgl G Vuillemin-Diem Praefatio in Aristoteles LatinusXXV 2 Leiden 1976 ixndashlxix vor allem xiindashxiii

5 Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 191 In hoc ergo libro ad finem intentionispervenimus Ostendimus enim causam primam et causarum secundarum ordinem et quali-ter primum universi esse est principium et qualiter omnium esse fluit a primo secundumopiniones Peripateticorum Et haec quidem quando adiuncta fuerint XI Primae philoso-phiae tunc primo opus perfectum est

6 Compleacuteter les Livres de meacutetaphysique drsquoAristote par un autre livre ndash le Livre des causes ndashpour arriver agrave la science meacutetaphysique complegravete crsquoest-agrave-dire agrave la theacuteologie de lrsquoeacutemanation[] voilagrave le geste philosophique qui sous-tend le programme scolaire parisien des anneacutees1240 Vgl de Libera (wie Anm 1) 76ndash77

158 Hannes Moumlhle

uncta offensichtlich um die innere Einheit des metaphysischen Unterneh-mens zu unterstreichen Den Lateinern ist demnach Aristoteles mit seinemEntwurf einer ersten Philosophie nur dann intelligibel zu machen und d hvon den Fehldeutungen zu befreien die seinerzeit zur Verurteilung des Aristo-teles und seiner Metaphysik gefuumlhrt haben wenn es gelingt die innere Ein-heit der Schriften der Metaphysik und des Liber de causis aufzuzeigen

II Einfache oder zweigeteilte Metaphysik

Aber genau das ist das groszlige Problem der Metaphysikkonzeption Alberts desGroszligen Wie verhalten sich die aristotelische Metaphysik im engeren Sinneund die neuplatonischen Lehren des Liber de causis zu einander Bilden diesebeiden Ansaumltze uumlberhaupt eine moumlgliche Einheit und wenn ja wie sind sieim Einzelnen zu deuten damit man zusammengenommen eine innere Verbin-dung unterstellen kann Liegt auf den ersten Blick eine Zweistufentheorienahe wie sie Alain de Libera vertritt7 wonach Alberts Kommentar zum Li-ber de causis einen die genuin aristotelische Metaphysik ergaumlnzenden unduumlberhoumlhenden Neuanfang mit neuplatonischen Mitteln darstellt so steht die-ser Interpretation allein schon das Wort adiuncta im Wege Aber der Verweisauf eine einzige Stelle wird so lange nicht uumlberzeugen bis es gelingt diesystematische Stringenz aufzuzeigen die die aristotelische und die neuplato-nische Metaphysik in der Perspektive Alberts des Groszligen verbindet

Aber auch ein anderes Modell wie es etwa Jan Aertsen vertritt laumlsstdurchaus Fragen offen Aertsen widerspricht zunaumlchst der Deutung von deLibera und betont die Einheit von Alberts Metaphysik Der Kerngedanke isthierbei dass Albert die Metaphysik durchgaumlngig als Transzendentalwissen-schaft konzipiert die im Anschluss an Met I und IV ihren Gegenstand imSeienden als Seienden hat

Die Deutung dass Albert den Gegenstand der Metaphysik im Anschlussan den aristotelischen Text als das ens inquantum ens versteht und damit denCharakter dieser Fundamentalwissenschaft daran festmacht dass ihr Gegen-stand sich durch die Allgemeinheit eines uumlbergeordneten Praumldikates auszeich-net scheint im Grundsatz kaum bestreitbar zu sein Hierzu sind Alberts Aumlu-szligerungen vor allem im ersten Buch seines Metaphysikkommentars viel zuklar8 Nicht ein ausgezeichnetes Erstes sondern ein Ersterkanntes das sich

7 Vgl A de Libera Albert le Grand et Thomas drsquoAquin interpregravetes du Liber de causis Revuedes Sciences Philosophiques et Theacuteologiques 74 1990 347ndash378 Ders Meacutetaphysique etnoeacutetique Albert le Grand Paris 2005 insbes 69ndash74

8 Vgl etwa Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 3ndash5

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 159

als letztes Glied einer Begriffsresolution erweist ist Gegenstand dieser Wis-senschaft und der Grund fuumlr ihren fundamentalen Charakter9 In diesem Sin-ne ist das Sein der erste aller Begriffe ndash wobei Albert soweit erkennbar indiesem Kontext nicht strikt zwischen den Begriffen bdquoSeinldquo und bdquoSeiendesldquobdquoesseldquo und bdquoensldquo unterscheidet Der so verstandene Seinsbegriff ist deshalbder erste weil er als Endpunkt eines Verfahrens hervortritt in dem alle Be-griffe auf die jeweils zugrundeliegenden Begriffselemente zuruumlckgefuumlhrt wer-den wie Albert bereits in seinem Kommentar zu De divinis nominibus fest-stellt10 Aus diesem Primat des Seinsbegriffs resultiert dann die Grundlegungs-funktion der Metaphysik anderen wissenschaftlichen Disziplinen gegenuumlber

bdquoDeshalb scheint es angemessen in Uumlbereinstimmung mit allen Peripate-tikern die die Wahrheit sagen zu behaupten dass das Subjekt [der Metaphy-sik] das Seiende ist insofern es Seiendes ist und dass die Bestimmungen dieaus dem Seienden folgen insofern es Seiendes ist und nicht insofern es diesesSeiende ist seine Eigenschaften sind wie es Ursache [und] VerursachtesSubstanz und Akzidens Getrenntes und Nicht-Getrenntes Moumlglichkeit undWirklichkeit und derartiges sind Denn da diese die erste Wissenschaft unterallen ist ist es notwendig dass sie vom Ersten handelt Das ist aber dasSeiendeldquo11

Der Charakter der Metaphysik als der allen anderen Wissenschaften vor-geordneten Disziplin ergibt sich daraus dass die Grundannahmen aller Ein-zelwissenschaften letztlich auf die fundamentalen Prinzipien zuruumlckgefuumlhrtwerden koumlnnen die sich aus diesem Gegenstand der Metaphysik naumlmlichdem Seienden als Seienden ergeben wobei das Seiende selbst von Albertausdruumlcklich als erstes Prinzip von allem bezeichnet wird

9 Vgl A Zimmermann Ontologie oder Metaphysik Diskussion uumlber den Gegenstand derMetaphysik im 13 und 14 Jahrhundert Texte und Untersuchungen (Recherches de Theacuteolo-gie et Philosophie meacutedieacutevales Biblioteca Bd 1) Leuven 21998 186ndash198

10 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 314 Dicendum quod esse simplicitersecundum naturam et rationem est prius omnibus aliis est enim prima conceptio intellectuset in quo intellectus resolvens ultimo stat

11 Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 4 Ideo cum omnibus Peripateticis vera dicenti-bus dicendum videtur quod ens est subiectum inquantum ens et ea quae sequuntur ensinquantum est ens et non inquantum hoc ens sunt passiones eius sicut est causa ltetgtcausatum substantia et accidens separatum et non-separatum potentia et actus et huius-modi Cum enim sit prima ista inter omnes scientia oportet quod ipsa sit de primo hocautem est ens Der deutsche Text folgt der Uumlbersetzung von S Donati in Albertus MagnusInstitut (Hrsg) Albertus Magnus und sein System der Wissenschaften Schluumlsseltexte inUumlbersetzung Lateinisch-Deutsch uumlbersetzt und fuumlr den Druck vorbereitet von H Moumlhleu a Muumlnster 2011 301 Zu Alberts Haltung gegenuumlber den Peripatetikern vgl die Bemer-kung in seinem Kommentar zum Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 192 Liberde causis Ea enim quae dicta sunt secundum Peripateticorum rationes determinata sunt etnon assertionibus nostris inducta et assiduis postulationibus sociorum nostrorum potiusextorta quam impetrata

160 Hannes Moumlhle

bdquoUnd [da] sie die Prinzipien aller Einzelwissenschaften sowohl die zu-sammengesetzten als auch die einfachen stuumltzt und diese nur durch ih-nen vorgeordneten [Prinzipien] gestuumltzt werden koumlnnen und nur das Sei-ende und die Prinzipien des Seienden insofern es Seiendes ist ihnen vor-geordnet sind allerdings nicht Prinzipien die das Seiende begruumlndetenda das Seiende das erste Prinzip aller Dinge ist sondern Prinzipien dieaus dem Seienden folgen insofern es Seiendes ist ist es notwendig dassdie Prinzipien aller [Einzelwissenschaften] durch diese Wissenschaft ge-stuumltzt werden deswegen weil sie vom Seienden handelt das die ersteGrundlage aller Dinge ist das seinerseits in uumlberhaupt nichts was ihmvorgeordnet waumlre begruumlndet istldquo12

Bei diesen Uumlberlegungen zum Gegenstand der Metaphysik ist allerdings zubedenken ndash so hebt Aertsen mit Recht hervor ndash dass Albert aufgrund derVorgaben des Liber de causis den Begriff des Seienden bzw des Seins auf dasgeschaffene Sein reduziert13 Diese fuumlr das Verstaumlndnis von Alberts Metaphy-sik folgenreiche Beschraumlnkung auf den Bereich des Kreatuumlrlichen ergibt sichaus der zentralen These des Liber de causis wonach das Sein zwar das ersteGeschaffene aber eben ein Geschaffenes ist und deshalb nicht das erste Prin-zip bzw Gott als Voraussetzung der Schoumlpfung mit umfassen kann bdquoDaserste von den geschaffenen Dinge ist das Sein und kein anderes Geschaffenesist vor ihm sbquoPrima rerum creatarum est esse et non est ante ipsum creatumaliudlsquoldquo14

Betrachtet man diesen Begriff des Seins in einer praumldikationslogischenPerspektive wie es aufgrund der Vorgaben von Alberts Metaphysikkommen-tar und der dort getroffenen Entscheidung hinsichtlich des Gegenstandes die-ser Wissenschaft naheliegt dann ergibt sich folgendes Bild Die Beschraumlnkungdieses Seinsbegriffes betrifft zunaumlchst den Bereich der durch ihn bezeichnetenGegenstaumlnde er kann also nicht extensional umfassend sein Aus diesemGrund muss sein Bedeutungsgehalt etwas enthalten das die Anwendung aufGott bzw auf das erste Prinzip verhindert Offensichtlich konnotiert dieserSeinsbegriff das Geschaffensein so dass er auch in intensionaler Perspektive

12 Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 4 Uumlbersetzung nach Albertus Magnus Institut(wie Anm 11) 301 [E]t bdquocumldquo stabiliat omnium particularium principia tam complexaquam incomplexa nec stabiliri possint nisi per ea quae sunt ipsis priora et non sint eisaliqua priora nisi ens et entis secundum quod ens principia non quidem quae ens principi-ent cum ipsum sit principium omnium primum sed principia quae sunt ex ente secundumquod est ens oportet quod omnium principia per istam scientiam stabiliantur per hoc quodipsa est de ente quod est primum omnium fundamentum in nullo penitus ante se fundatum

13 Vgl auch G Wieland Untersuchungen zum Seinsbegriff im Metaphysikkommentar Albertsdes Groszligen (Beitraumlge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters NeueFolge Bd 7) Muumlnster 21992 57ndash66

14 Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 88

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 161

nicht wirklich alles umfasst und in diesem Sinne auch kein erstes weil allge-meinstes Praumldikat sein kann Allerdings findet diese Beschraumlnkung des Be-griffs des Seins bei Albert nicht erst im Kommentar zum Liber de causisErwaumlhnung sondern wird auch ausdruumlcklich zu Beginn des Metaphysikkom-mentars hervorgehoben wenn es dort bereits unter Anspielung auf den Wort-laut des Liber de causis und auf dem Hintergrund gleichlautender Vorgabenaus dem Guide de lrsquoeacutetudiant15 heiszligt

bdquoDeswegen wird diese Wissenschaft sbquojenseits der Physiklsquo [transphysica]genannt weil dasjenige was eine durch die Quantitaumlt oder die Gegen-saumltzlichkeit bestimmte Natur ist durch die Prinzipien des Seins schlecht-hin begruumlndet wird die jedes sogenannte bdquoPhysischeldquo uumlbersteigen [trans-cendunt] Aber sie wird auch goumlttlich genannt da alle Dinge die vondieser Art sind goumlttlich und vorzuumlglich und die ersten sind und alleanderen Dinge bezuumlglich des Seins vollenden Das Sein naumlmlich das dieseWissenschaft betrachtet wird nicht als auf dieses oder jenes verengt auf-gefasst sondern eher insofern es das erste Hervorflieszligen Gottes [primaeffluxio dei] und das erste Geschaffene [creatum primum] ist dem keinanderes Geschaffenes vorangeht Diese Dinge werden allerdings im Fol-genden genauer untersuchtldquo16

Das Seiende das Gegenstand der Metaphysik ist ist einerseits nicht auf etwasbestimmtes beschraumlnkt ndash so wie die Gegenstaumlnde der Physik aufgrund ihrerMaterialitaumlt immer nur bestimmte sind ndash doch ist das Sein der Metaphysikals Hervorgang aus Gott auf das beschraumlnkt was man in einer theologischenSprache als Geschaffenes bezeichnet

Aertsen selbst macht in Anschluss an die Uumlberlegungen von Beroald Tho-massen17 auf das sich hieraus ergebende Folgeproblem aufmerksam wenn er

15 Et dicitur a sbquomethalsquo quod est sbquotranslsquo et sbquophisislsquo quod est sbquonaturalsquo quasi sbquotranscendens phisimlsquoin eo quod de maxime transcendentibus naturam considerat scilicet de divinis Lafleur LebdquoGuide de lrsquoeacutetudiantldquo (wie Anm 1) sect 9 33 Diese Formulierung nimmt die Deutung der Me-taphysik in ihrer besonderen Beziehung zu den transcendentia die Aertsen genuin AlbertsAnsatz zuschreibt vorweg Vgl J A Aertsen Medieval Philosophy as TranscendentalThought From Philip the Chancellor (ca 1225) to Francisco Suaacuterez Leiden 2012 206

16 Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 2 f Uumlbersetzung nach Albertus Magnus Insti-tut (wie Anm 11) 293 Propter hoc ista scientia transphysica vocatur quoniam quod estnatura quaedam determinata quantitate vel contrarietate fundatur per principia esse simpli-citer quae transcendunt omne sic vocatum physicum Vocatur autem et divina quia omniatalia sunt divina et optima et prima omnibus aliis in esse praebentia complementum Esseenim quod haec scientia considerat non accipitur contractum ad hoc vel illud sed potiusprout est prima effluxio dei et creatum primum ante quod non est creatum aliud De hisautem in CONSEQUENTIBUS perquiretur subtilius

17 Vgl B Thomassen Metaphysik und Lebensform Untersuchungen zur Grundlegung derMetaphysik im Metaphysikkommentar Alberts des Groszligen (Beitraumlge zur Geschichte derPhilosophie und Theologie des Mittelalters Neue Folge Bd 27) Muumlnster 1985 71ndash82

162 Hannes Moumlhle

nun fragt ob das Seiende als solches das Gegenstand der Metaphysik istnicht seine Transzendentalitaumlt und die Metaphysik ihren Status als Funda-mentalwissenschaft verlieren18 Denn offensichtlich meint esse weder ein Ers-tes im strengen Sinne noch besitzt der so interpretierte Begriff eine uneinge-schraumlnkte extensionale Allgemeinheit Zudem ergibt sich von der Sache herdie Schwierigkeit zu erklaumlren wie es vereinbar ist einerseits das Sein ausdem Liber de causis als verursacht zu denken und anderseits im Metaphysik-kommentar als Grund fuumlr Subjektcharakter dieses Begriffs hinsichtlich derMetaphysik darauf zu verweisen dass das Seiende alles Nachfolgende fun-diert selbst aber in nichts was ihm vorausliegt selbst fundiert ist19 Wiekann es sich um ein und denselben Begriff des Seienden handeln wenn ereinmal als verursacht und ein anderes Mal als nicht in etwas anderem fun-diert gedacht werden soll

Aertsen sieht diese Schwierigkeiten und fuumlhrt zwei Argumente an mitdenen er die genannten Bedenken beheben moumlchte Zum einen beruft er sichdarauf dass das Sein auch als Geschaffenes in einem hinreichenden Maszligevoraussetzungslos ist Das ist der Fall weil das Sein durch sein Geschaffen-sein zwar den Schoumlpfer voraussetzt aber was seine konstituierenden Bestim-mungen betrifft unabhaumlngig von diesem ist Analysiert man alles was dasWesen eines Geschaffenen ausmacht so gelangt man als letzte Bestimmungzum esse und nicht noch uumlber dieses hinaus Als Beleg dient folgende Stelleaus Buch II des Liber de causis

bdquoWenn man sagt dass das Erste nichts voraussetzt meint man dass esnichts von sich [nihil sui] voraussetzt d h nichts mit Blick auf die Be-stimmungen die in sein Wesen eingehen und es innerlich konstituierenUnd so ist das Sein ein Erstes das nichts voraussetzt Weil [das Sein] aberein Hervorgang oder ein Ausfluszlig vom Ersten ist ist es notwendig dasses den Schoumlpfer voraussetzt Aber dieser ist nichts von ihm [nihil sui]Das erste Prinzip geht naumlmlich nicht wesentlich in die Konstitution ir-gend eines Dinges ein Deshalb gelangt die Aufloumlsung des Seienden [reso-lutio entium] nicht bis zum ersten Prinzip wenn die Aufloumlsung in We-sensmerkmale geschiehtldquo20

18 Vgl J A Aertsen Die Frage nach dem Ersten und Grundlegenden in W Senner u a(Hrsg) Albertus Magnus Zum Gedenken nach 800 Jahren Neue Zugaumlnge Aspekte undPerspektiven (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens Neue Fol-ge Bd 10) Berlin 2001 91ndash112 109 Hierzu auch Aertsen Medieval Philosophy (wieAnm 15) 202ndash204

19 Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 4 [O]portet quod omnium principia peristam scientiam stabiliantur per hoc quod ipsa est de ente quod est primum omnium funda-mentum in nullo penitus ante se fundatum

20 Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 81 Cum enim dicitur quod primum nihilsupponit ante se intelligitur quod nihil sui supponit ante se hoc est de essentiantibus et

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 163

Zum anderen argumentiert Aertsen dafuumlr dass der transzendentale Charak-ter des Seinsbegriffes auch dann erhalten bleibt wenn er sich allein auf denBereich des Kreatuumlrlichen bezieht Denn wenn bdquotranszendentalldquo die univer-selle Praumldizierbarkeit eines Begriffes und nicht die Voraussetzungslosigkeiteines Gegenstandes meint dann haumlngt die Kennzeichnung der Metaphysikals Transzendentalwissenschaft zunaumlchst davon ab ob ens ein universell prauml-dizierbarer Begriff ist auch wenn er auf das Geschaffene begrenzt ist Diesscheint der Fall zu sein da Albert dem Begriff des Seins eine Allgemeinheitzuspricht die wie Aertsen sagt zwar von einer anderen Art als die der Uni-versalien ist die aber gleichwohl als unbegrenzt gelten kann Als Beleg fuumlhrtAertsen ebenfalls eine Aussage Alberts aus dem zweiten Buch des Liber decausis an allerdings aus dem Kontext einer Frage die das Verhaumlltnis desSeins als dem ersten Geschaffenen und der seienden Dinge im Einzelnen be-trifft Auf dieses Argument und den besonderen Kontext in den es einzuord-nen ist wird noch einzugehen sein

Diese beiden Argumente betreffen den Status der Metaphysik da sichbeide auf die Interpretation des Begriffes des Seins und damit auf den fuumlr dieMetaphysik zentralen Gegenstand beziehen Die Frage die sich mit Blick aufdie unterschiedliche Deutung der Metaphysik Alberts durch de Libera undAertsen ergibt betrifft den Zusammenhang der in diesem Argument im Vor-dergrund stehenden Grundbestimmungen des Seins naumlmlich die der Voraus-setzungslosigkeit und die der umfassenden Praumldizierbarkeit Wie verhaltensich diese Momente zueinander und welche Bedeutung kommt ihnen jeweilsin der Gegenstandsbestimmung der Metaphysik Alberts zu Zunaumlchst istnach dem Argument hinsichtlich der Voraussetzungslosigkeit des Seins zufragen (III) in einem naumlchsten Schritt steht dann die Frage nach dem trans-zendentalen Charakter des Seinsbegriffes im Vordergrund (IV)

III Die Voraussetzungslosigkeit des esse

Was den Aspekt der Voraussetzungslosigkeit des Seins betrifft differenziertAlbert in seinem Argument zwischen zwei Formen der Abhaumlngigkeit bzwder Voraussetzungslosigkeit Das Sein ist in einer anderen Weise von einemersten Prinzip abhaumlngig als alles das was dem Sein nachfolgt eben von die-

intrinsece constituentibus ipsum Et sic esse primum est quod nihil ante se supponit Quiatamen est processus sive effluxus a primo necesse est quod supponat ante se creatoremSed ille nihil sui est Primum enim principium non ingreditur essentialiter constitutionemrei alicuius Propter quod resolutio entium non devenit usque ad primum principium quan-do in essentialia fit resolutio

164 Hannes Moumlhle

sem abhaumlngig ist Fuumlr die Abhaumlngigkeit des Seins vom ersten Prinzip verwen-det Albert die Ausdruumlcke processus effluxus oder creatio Creatio meint eineVerursachung besonderer Art naumlmlich eine causatio ex nihilo Eine solchecausatio ist nicht nur voraussetzungslos sondern sie teilt dem folgenden alsodem esse keinerlei Bestimmungsmoment mit denn von sich her ist das essenichts nur durch das Vermoumlgen und die Kraft des ersten Prinzips ist es Nonenim secundum seipsum est sed a potentia et virtute primi Secundum autemseipsum nihil est21

Der Gegenbegriff zur creatio ist der der informatio22 Alles was nachdem Sein ist ist nicht im engeren Sinne geschaffen sondern informiert Infor-matio setzt eine Unterscheidung zwischen dem Akt des Seins und der je eigen-tuumlmlichen Auspraumlgung des Seienden voraus So ist beispielsweise das Lebendie besondere Weise in der bestimmten Seienden naumlmlich den Lebewesendas Sein eigen ist Den sinnenbegabten Wesen ist wiederum eine bestimmteWeise zu eigen wie ihnen das Lebendigsein zukommt Informatio meint alsoeinen Prozess fortschreitender Bestimmung und Konkretion die als solcheeben nicht voraussetzungslos ist Das Sein ist das Anfangsmoment einer jedenBestimmungsreihe und wird deshalb in Bezug auf alles Folgende als incohatioaufgefasst23

Alles was ist laumlsst sich also in die zugrundeliegenden Bestimmungsmo-mente zerlegen Am Ende einer solchen Resolution gelangt man zum esse alsdem Moment das nicht weiter zu zerlegen ist da es als einfach zu gelten hatwenngleich es von der Einfachheit der ersten Ursache ausgeschlossen ist24

Als Konsequenz dieses Ansatzes dass das esse seinerseits als geschaffen mitBlick auf alles Geschaffene aber als das Erste zu verstehen ist ergibt sich eineInterpretation des Seins die dieses sowohl als Akt wie auch als Potentialitaumltdeutet Albert behauptet sowohl dass das Sein Akt des Seienden ist25 wieauch dass es von sich aus im Status der Potentialitaumlt ist26 Gemeint ist offen-sichtlich eine jeweils unterschiedliche Blickrichtung Gegenuumlber dem erstenPrinzip ist das Sein in potentia ja sogar eine nihil wie Albert ausdruumlcklichsagt Als Erklaumlrungsgrund der seienden Dinge aber ist das Sein Akt d hdasjenige Moment das die je eigentuumlmlichen Bestimmungsmomente die je-des Seiende kennzeichnet verwirklicht Das Sein kann also fuumlr Albert gleich-zeitig als geschaffen und doch als erstes gelten als im weitesten Sinne verur-sacht und doch als voraussetzungslos insofern Sein eben beides ist Erstes

21 Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 8122 Vgl Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 31423 Vgl Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 8124 Vgl ebd25 Ebd [E]sse actus est entium26 Ebd Et secundum seipsum in potentia est

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 165

und Zweites Akt und Potenz nichts und nichts seiner selbst voraussetzend[nihil et nihil sui supponens]

Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass die durch den Liber de causisbedingte Neigung zur negativen Theologie sich dem Seinsbegriff der aristote-lischen Metaphysik insofern anschlieszligt als hier eine Lehre von disjunktivenpassiones entis einen geeigneten Anknuumlpfungspunkt bietet Allerdings solltehierbei nicht die Differenz missachtet werden die man annehmen muss zwi-schen einem allgemein praumldizierbaren Seinsbegriff sowie den ihn explizieren-den disjunktiven Praumldikaten auf der einen Seite und dem Sein als einer onto-logischen Instanz die sowohl dem uumlbergeordneten Prinzip als auch den un-tergeordneten Seienden gegenuumlber in einer Kausalrelation steht

Nicht nur die Bestimmungen die Albert vom Sein gibt scheinen dieseneinander widerstreitenden Charakter zu haben sondern der Seinsbegriffselbst scheint in seiner Anwendbarkeit nicht klar zuzuordnen zu sein Denneinerseits scheint er fuumlr das primum creatarum bzw primum causatum vor-behalten zu sein doch wendet ihn Albert eben auch auf die erste Ursachebzw das erste Prinzip selbst an wenn er vom esse dictum de primo principiospricht Albert traumlgt damit der Intuition Rechnung dass auch das erste Prin-zip in gewisser Weise ist Er selbst hat bereits im ersten Buch seines Kommen-tars zum Liber de causis unter Ruumlckgriff auf die Metaphysik Algazalis unddie dort aufgefuumlhrten zwoumllf Eigenschaften des Ersten eben dieses nicht nurals Sein sondern als notwendiges Sein apostrophiert27 Die Frage wie dieseVerwendungsweise des Begriffs esse zu rechtfertigen ist laumluft auf eine Unter-suchung der Einheit des Begriffs und damit auf die Frage nach der univokenoder aequivoken bzw analogen Praumldikation des Begriffs des Sein hinaus Die-se Frage nach der Einheit des Seinsbegriffes betrifft damit unmittelbar daszweite Grundsatzproblem der Metaphysik naumlmlich die Frage inwiefern dieMetaphysik eine Transzendentalwissenschaft genannt werden kann

IV Die Transzendentalitaumlt des Seinsbegriffes

Wenn transzendental eine jede Wissenschaft ist die transkategoriale Begriffezum Gegenstand hat dann kann man Alberts Analyse an den Schluumlsselstellenseines Kommentars zum Liber de causis tatsaumlchlich als Beleg dafuumlr ansehendass die Metaphysik mit ihrem Gegenstand des ens inquantum ens durchgaumln-gig als Transzendentalwissenschaft zu begreifen ist Denn Albert wendet sichausdruumlcklich gegen die Annahme dass durch die Anwendung des Seinsbegrif-

27 Vgl ebd 17 f

166 Hannes Moumlhle

fes sowohl auf das erste Prinzip als auch auf das primum creatum die Einheitdes esse als eines transkategorialen Begriffes in Frage gestellt wuumlrde Zwarist es so dass esse in den beiden genannten Verwendungsweisen nicht mehrdasselbe meinen kann also keine univoke Praumldikation vorliegen kann dochhebt dies nicht die Einheit einer uumlberkategorialen Aussage dieses Begriffesauf In einem ersten Schritt stellt Albert die nicht-univoke Bedeutung des esseexplizit fest bdquoAus dem zuvor gesagten folgt dass Sein wenn es vom erstenPrinzip ausgesagt wird und Sein wenn es von den zweiten ausgesagt wirdnicht univok ist Etwas univok Ausgesagtes ist naumlmlich wesentlich in allenDingen von denen es ausgesagt wirdldquo28

Diese These wird erlaumlutert und begruumlndet indem Albert die Moumlglichkeiteinen Begriff univok zu verwenden ganz auf das Praumldikationsschema derkategorialen Begriffe reduziert Eine univoke Aussage ist immer die einerGattung von den darunter fallenden Dingen Albert spricht explizit nur vonder Aussage eines genus was der Sache nach auf die Art- und Differenzbegrif-fe zu erweitern waumlre Die Aussage eines Gattungsbegriffes so argumentiertAlbert beinhaltet aber immer eine essentielle Gemeinsamkeit mit den durchdie Gattung konstituierten Gegenstaumlnden Dass das erste Prinzip in diesemSinne eine wesentliche Gemeinsamkeit mit dem Nachfolgenden haben koumlnn-te die im Begriff esse ausgesagt wuumlrde haumllt Albert fuumlr eine absurde Annah-me29 Soll sich der Zusammenhang von erstem Prinzip nachfolgendem Seinund den konkreten Einzelgegenstaumlnden nicht vollends aufloumlsen bleibt aufdieser Grundlage nur die Moumlglichkeit eine Gemeinsamkeit aufgrund einesanalogen Verhaumlltnisses anzunehmen

bdquoWenn also das erste Prinzip Sein genannt wird und das Geschaffenebzw Verursachte Sein genannt werden dann handelt es sich in diesemFall nur um eine Gemeinsamkeit aufgrund von Analogie Diese Gemein-samkeit besteht in dem einen durch sich und im eigentlichen Sinne inden anderen aber durch eine Nachahmung von jenem wie im viertenBuch der Ersten Philosophie bewiesen wurdeldquo30

28 Ebd 82 Ex quo sequitur quod esse dictum de primo principio et esse dictum de secundisnon sit univocum Univocum enim in omnibus his est essentialiter de quibus praedicatur

29 Ebd Sequitur etiam ulterius quod esse dictum de primo principio et esse dictum de secun-dis nec unum genus sit entium nec in uno genere Si enim esset unum genus cum naturaquae genus est secundum essentiam sit in his quorum genus est et essentialiter constituensea sequeretur quod esse primi principii essentialiter constitueret entia quod impossibileest Si vero esset in uno genere cum esse aliorum sequeretur quod aliquid esset prius primoprincipio et simplicius eo quod absurdum est

30 Ebd Cum ergo primum principium esse dicitur et creata sive causata esse dicuntur nonest ibi communitas nisi per analogiam Quae communitas in uno est per se et proprie inaliis autem per imitationem illius sicut in IV PRIMAE PHILOSOPHIAE probatum est

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 167

Dieses Argument ist fuumlr die im Raume stehende Frage nach der Einheit vonAlberts Metaphysikkonzeption von besonderer Bedeutung Offensichtlich istes Alberts Absicht die Metaphysik wie sie sich einerseits in Metaphysik Αund Ζ darstellt und wie sie andererseits auf der Grundlage der Ausfuumlhrungenzum ersten Prinzip und zum Sein als dem ersten Geschaffenen im Liber decausis entfaltet wird in einer Einheit zu begreifen Diese Einheit ergibt sichnicht aus einer wesentlichen Gemeinsamkeit all dessen was Seiendes genanntwird sondern aus der Bezogenheit jeder Verwendung des Seinsbegriffes aufein erstes von woher sich eine analog gemeinsame Praumldikation des metaphy-sischen Grundbegriffes esse ergibt Der Seinsbegriff auf den man stoumlszligt wennman eine Resolution aller von den seienden Dingen aussagbaren Bestimmun-gen durchfuumlhrt ist deshalb nur auf das Sein des primum creatum anwendbarund dieser wird eben nicht univok vom schlechthin Ersten wie es im Liberde causis thematisiert wird also vom ersten Prinzip ausgesagt31

Dieser Aspekt von Alberts Praumldikationstheorie der das Verhaumlltnis desersten Prinzips zum Sein als dem Ersterschaffenen betrifft geht nicht in dieUumlberlegungen ein die Aertsen hinsichtlich der Transzendentalitaumlt der Meta-physik anstellt Aertsen beantwortet die Frage nach der Einheit des Seinsbe-griffes und der davon abhaumlngenden Transzendentalitaumlt unter Ruumlckgriff aufein Argument das Albert als Antwort auf eine andere Frage entwickelt Dieresolutive Analyse des konkreten Seienden fuumlhrt zu einem ersten Begriff dereben nicht das erste Prinzip einschlieszligt Er mag transkategorial sein wirdaber wohl nicht im Sinne einer Fundamentalwissenschaft als transzendentalgelten koumlnnen

Ist fuumlr Albert mit den bisher genannten Uumlberlegungen die Frage nach derUnivokation des Begriffs des Seins in Bezug auf das erste Prinzip und dasprimum creatum beantwortet und zwar negativ beantwortet harrt die Fragenach der Einheit des Seinsbegriffes hinsichtlich des primum creatum und al-lem Seienden das diesem nachgeordnet ist noch einer Klaumlrung Im Ergebnisgeht Albert von einer Einheit des Seinsbegriffes aus die sich aber nicht alsEinheit eines kategorialen Begriffes ergibt so dass esse in dem Sinn ein ein-heitlicher Begriff waumlre wie es die Begriffe Mensch oder Lebewesen sindGleichwohl ist der Begriff des esse einheitlich wie einfach und zeichnet sichzudem durch die groumlszligte moumlgliche Allgemeinheit aus

bdquoDie umfassendste Praumldikation ist die die in allem vorkommt Das Seinaber als erstes Geschaffenes ist durch keine Differenz bestimmt Der Um-fang seiner Praumldikation ist also durch nichts beschraumlnkt Es folgt also

31 Ebd Est ergo esse quod primum est in entium compositione et in resolutione ultimumnon simpliciter primum sed primum creatum

168 Hannes Moumlhle

dass [dem Sein] die umfassendste Allgemeinheit zu eigen ist obwohl sei-ne Allgemeinheit weder die einer Gattung einer Differenz einer Art ei-nes Propriums noch die eines Akzidens ist sondern die eines ersten Prin-zips das in das Sein aller Dinge eingeht und durch eine Analogie aufalles Seiendes bezogen ist Das Sein ist also ein erstes Geschaffenes eineseinfach und ein im Sinne der umfassendsten Allgemeinheit allgemei-nesldquo32

Zu beachten ist allerdings dass die hier genannte umfassendste Allgemeinheitinsofern einer Einschraumlnkung unterliegt als Albert mit diesem Ausdruck aufdie urspruumlngliche Frage antwortet ob der Begriff des Seins allgemeiner istund weiter reicht als alles Seiende das dem Sein nachfolgt universalius etlatius omnibus entibus se sequentibus33 Der Superlativ latissima universalitaszur Kennzeichnung des Seinsbegriffes ist also einzuschraumlnken auf die kompa-rativische Verwendung zu Beginn des Kapitels wo von einer groumlszligeren Allge-meinheit des Seinsbegriffes im Vergleich zu den Begriffen die konkret Seien-des bezeichnen die Rede ist Diese gegenuumlber den seienden Dingen weitrei-chendere Allgemeinheit kommt dem Begriff des Seins aufgrund seinerAnnaumlherung zum ersten Prinzip zu In Nachahmung der Einheit des Erstendie das Sein als creatum primum nicht selbst erreicht besitzt es eine in Relati-on gesehen groumlszligere Allgemeinheit als die anderen Seienden bdquoDas Sein alsdas erste Geschaffene ist aufgrund seiner Annaumlherung zu jenem [ersten Prin-zip] und durch die Nachahmung von [dessen] Einheit in einem houmlheren Maszligeeines als alles Nachfolgende wenngleich es keine reine Einheit besitztldquo34

Dies liegt an seinem transgenerischen Charakter der allerdings nichtgleichbedeutend ist mit einer uneingeschraumlnkten Allgemeinheit wie sie einemuneingeschraumlnkt und univok praumldizierbaren Seinsbegriff zukaumlme

Albert erlaumlutert mit Blick auf das Sein den Grund weshalb sich die Ein-heit des Seins gegenuumlber den nachfolgenden Seienden auszeichnet Nach Al-bert ist es die Art und Weise wie sich Akt und Potenz im Sein bzw denkonkreten Dingen verhalten Alles was dem Sein nachfolgt ist durch eineZusammensetzung oder Vereinigung von Akt und Potenz gekennzeichnet die

32 Ebd 83 Latissima enim praedicatio est quae est in omnibus Esse autem primum creatumnulla differentia determinatum est Ambitus ergo suae praedicationis a nullo restrictus estSequitur ergo quod latissimae universalitatis est quamvis universalitas sua non sit generisvel diffentiae vel speciei vel proprii vel accidentis sed principii primi ingredientis in essererum omnium quod per analogiam refertur ad entia Est igitur esse creatum primumunum simplex universale latissimae universalitatis

33 Ebd 82 Ex praeinductis accipitur quod esse unicius sive simplicius est et per consequensuniversalius et latius omnibus entibus se sequentibus

34 Ebd Esse autem creatum primum ex accessu ad illud per unitatis imitationem unicius[Fauser liest unius] est omnibus sequentibus sed non vere unum purum

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 169

darin besteht dass sich nicht ein und dasselbe in Akt und Potenz befindetSeiendes in diesem Sinne enthaumllt sowohl aktuierte Momente als auch dasVermoumlgen dass andere Bestimmungen erst noch aktualisiert werden DasGegenmodell zu einer solchen congregatio aus Akt und Potenz besteht darindass sich ein und dasselbe in Akt und Potenz befindet Albert denkt hieroffenbar an einen einheitlichen und das Ganze betreffenden Uumlbergang voneinem Anfangszustand den er incohatio nennt zu einem Endzustand dener als perfectio bezeichnet35 Diese Beschreibung einer zwar dem konkretenSeienden uumlberlegenen Einheit die aber gleichwohl eingeschraumlnkt bleibt trifftoffensichtlich auf das Sein zu Denn dieses ist wie bereits gesehen fuumlr Albertsowohl Akt als auch Potenz allerdings nicht in Gestalt einer Zusammenset-zung aus aktuellen und noch in Potenz befindlichen Teilen sondern als eineVermittlung von Anfang und Vollendung die sich jeweils auf ein und dassel-be bezieht und nicht nur Teile eines Ganzen betrifft Anders ausgedruumlcktkann man vielleicht sagen Das Sein ist als Ganzes dynamisch da es gegen-uumlber dem ersten Prinzip im Status der Moumlglichkeit ist waumlhrend es mit Blickauf die Vielheit des Seienden das Moment des Wirklichseins beinhaltet

Das Sein als Ganzes in seiner Dynamik von Akt und Potenz zu deutenhat im Liber de causis selbst kein Vorbild sondern geht offensichtlich aufAlberts durch die aristotelischen Vorgaben gepraumlgtes Verstaumlndnis zuruumlck Mitdieser Dynamik ist eine Grundstruktur gemeint wie sie immer schon voraus-gesetzt werden muss wenn man etwa das Sinnesvermoumlgen eines Tieres alsdie Weise verstehen will in der sich das Lebendigsein der Tiere verwirklichtoder die Vernunft als das begreifen will worin sich die besondere Ausprauml-gung der Sinnlichkeit des Menschen zeigt

Albert deutet das Sein nicht nur als Einheit von Akt und Potenz sondernauch als Einheit von Endlichkeit und Unendlichkeit das Sein ist naumlmlichauf gewisse Weise beides endlich und unendlich36 Vieleicht liegt in dieserEigenschaft des Seins widersprechende Bestimmungen wie Akt und PotenzEndlichkeit und Unendlichkeit in sich zu enthalten auch ein Hinweis dasesse des Liber de causis deutlicher in einer praumldikationslogischen Weise zuverstehen Die genannten Bestimmungen sind dann nicht als Eigenschafteneiner ontologischen Instanz sondern als moumlgliche begriffliche Entfaltungen

35 Ebd 82 f Sequentia vero unitatem non habent nisi compositionis potentiae et actus quaeunitas non esset sed congregatio si idem et unum non esset in potentia et actu Idem enimet unum est cuius esse secundum incohationem est in potentia et secundum perfectionemest in actu

36 Ebd 143 Ens autem creatum primum quod est intelligentia non simpliciter est infinitumquid Et si dicitur esse infinitum non est infinitum secundum seipsum et proprie loquendonec simpliciter est finitum nec simpliciter infinitum sed quodam modo finitum et quodammodo infinitum

170 Hannes Moumlhle

eines uumlbergeordneten allgemeinen Praumldikates naumlmlich dem des Seiendenauszufassen

V Zwischen zwei Traditionen von Metaphysik

Der Seinsbegriff bietet Albert die Gelegenheit die durch den Liber de causisvorgegebene Lehre vom processus bzw effluxus des Alls aus einem erstenPrinzip mit der aristotelischen Doktrin vom Seienden als dem ausgezeichne-ten Gegenstand der Metaphysik zu verbinden Albert hat beide Ansaumltze dieer zumindest einer einheitlichen Schultradition zugeschrieben hat mehrfachin seinem Werk als einen in sich stimmigen und einheitlichen Ansatz vonMetaphysik zu begreifen versucht Albert steht mit diesem Vorgehen ganz inder Pariser Tradition des Guide de lrsquoeacutetudiant der ganz selbstverstaumlndlich denGegenstand der Metaphysik als erstes Seiendes bezeichnet um diesen dannunmittelbar folgend als den Begriff des Seienden aufzufassen der in allgemei-ner Weise von allen Prinzipien der Dinge aussagbar ist37 Erstheit im Sinneeiner Fundierung des Emanationsprozesses und Erstheit im Sinne der allge-meinen Praumldizierbarkeit verbinden sich in dieser Tradition des Studienfuumlhrersmit Blick auf den Gegenstand der Metaphysik ganz selbstverstaumlndlich undohne eine weiter gehende Problematisierung hervorzurufen Fuumlr den Guidede lrsquoeacutetudiant verbindet sich im Gegenstand der Metaphysik ganz offensicht-lich ein Begriff des Seienden der als Ursprung eines Emanationsprozessesgedacht wird mit einem praumldikationslogisch allgemeinsten Begriff dessenPrinzipiencharakter davon abhaumlngt dass er als Begriffsgehalt in allen ande-ren Begriffen enthalten ist

Neben dieser bei Albert erkennbaren Tendenz die Einheitlichkeit der bei-den Deutungsmoumlglichkeiten zu betonten ist allerdings auch auf Alberts Auf-fassung zu verweisen wonach es sich hierbei tatsaumlchlich um sich ausschlie-szligende Konzeptionen handelt In besondere Weise wird dies im zweiten Kapi-tel von Alberts Einleitung zum Metaphysikkommentar deutlich Es ist nichtzu bestreiten dass hier explizit die Unvereinbarkeit einer Deutung des Gegen-standes der Metaphysik im Sinne eines praedicatum commune das einheit-lich von den disjunktiven Bestimmungen ausgesagt wird auf der einen Seiteund einer causa prima auf die alle kategorialen Bestimmungen zuruumlckgefuumlhrtwerden auf der anderen Seite ausgeschlossen wird Gerade in dieser Diffe-

37 Lafleur Le bdquoGuide de lrsquoeacutetudiantldquo (wie Anm 1) sect 12 34 Subiectum uero methaphisicepotest dici primum ens eo quod est illud a quo omnia alia exeunt in esse et a quo conseru-antur Et potest dici subiectum eius ens communiter dictum ad omnia uniuersalia principiarerum

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 171

renzierung liegt Alberts Hauptargument gegen die von ihm fuumlr falsch gehalte-nen Interpretationen des Gegenstandes der Metaphysik Alberts zentrale The-se besteht ausdruumlcklich darin dass das Subjekt der Metaphysik nicht dieUrsache sein kann insofern sie als Ursache oder insofern sie als ein Erstesbegriffen wird38

Gleichwohl versucht Albert offensichtlich in Metaphysik IV die drohendeSpannung zu beheben die daraus resultiert dass man den Gegenstand derMetaphysik einerseits aus der Prioritaumlt eines allgemeinsten Praumldikats ableitetoder andererseits auf der Prioriaumlt in einem Fundierungsgefuumlge und damit ineiner dem Sein eigentuumlmlich zukommenden Voraussetzungslosigkeit gruumlndetDas entscheidende Interpretament ist hierbei die aus dem Liber de causisherruumlhrende These wonach das Sein insofern das Erste ist als es kein anderesSeiendes voraussetzt Das Sein selbst ist in diesem Sinne voraussetzungsloswas daher kommt dass es nicht durch Einformung die ein Seiendes bereisvoraussetzt sondern durch Schoumlpfung die unabhaumlngig von jedem Seiendenist hervorgebracht wird39

Die Ausfuumlhrungen im Liber de causis zeigen dass hierzu gewisse Modifi-kationen notwendig sind die Albert bereits in seinem Metaphysikkommentar

38 Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 3 Ex his igitur et huiusmodi talem isti accepe-runt opinionem Sed quod errent non difficile est ostendere quoniam subiectum est inscientia ad quod sicut ad commune praedicatum reducuntur partes et differentiae quarumquaeruntur proprietates in ipsa et ad quod consequuntur passiones quae inesse subiectodemonstrantur Certo autem certius est quod substantia quantitas qualitas et huiusmodinon reducuntur ad causam sicut ad praedicatum commune cum tamen de modis et proprie-tatibus talium omnium in hac scientia determinetur Similiter autem per se esse et per acci-dens potentia et actus unum et multum idem et diversum conveniens et contrariumseparatum et non-separatum et huiusmodi quae sunt passiones quae subiecto istius scien-tiae universaliter et ubique probantur inesse non sequuntur causam inquantum causa autinquantum est prima Et cum passio immediata sit subiecto in scientia omni non potestesse causa subiectum scientiae istius

39 Ebd 163 Ens enim est subiectum habens accidentia multa quae accidunt ei per se quaelicet realem ad ipsum non habeant differentiam habent tamen differentiam in modo Quodpatet per hoc quia cum ens nihil habeat ante se patet quod non procedit in esse sicut formaalicui addita praecedenti sed sicut subiectum in quo informata sunt omnia sequentia Vitaenim est ex additione formae cuiusdam se habens ad ens et similiter substantia et sensus etratio et intellectus Nec dicitur esse subiectum sicut species quae subicitur generi differentiaconstitutiva sed dicitur subiectum sicut id quod praesupponitur in omnibus sequentibus etomnibus substat eis Et sic patet quod licet sequentia realem ad ipsum non habeant diffe-rentiam habent tamen ad ipsum differentiam in modo et haec differentia sufficit scientiaeprimae philosophiae Sic enim omnia sequentia enti demonstrantur inesse ut entia per infor-mationem esse habentia insunt enti per creationem solam esse habenti eo quod nihil penitusante se habeat reliqua autem ad minus sibi praesupponunt ipsum ens Sic enim intelligiturquod in LIBRO DE CAUSIS dicitur quod sbquoprima rerum creatarum est esse et non est anteipsum creatum aliudlsquo Omnia autem alia sunt per informationem ut bonum et omnia alia

172 Hannes Moumlhle

andeutet wenn er die Metaphysik dort als scientia transphysica und ebensoals scientia divina bezeichnet Die Frage die sich jetzt stellt betrifft die Span-nungen die zwischen den unterschiedlichen Deutungsweisen einer erstenWissenschaft bestehen und die sich aus Alberts eigenen Ausfuumlhrungen erge-ben Behaumllt der von Albert in den verschiedenen Kontexten der Auseinander-setzung mit Aristoteles mit dem Liber de causis und mit dem Werk des Dio-nysius Ps Areopagita entworfene Seinsbegriff eine hinreichende Einheitlich-keit um als Gegenstand der alle anderen Wissenschaften fundierendenMetaphysik dienen zu koumlnnen

Die allgemeine Praumldizierbarkeit des Seinsbegriffes so wie sie von Aristo-teles zumindest in Metaphysik I und auch in IV zum Ausdruck gebracht wirdkann mit Blick auf den Liber de causis nur bedingt aufrecht erhalten werdenda in der dort vorgetragenen Reihung von primum principium esse und entiadas Sein eben nicht an erster Stelle steht so dass ein entsprechender Begriffdes Seins in praumldikationslogischer Hinsicht nicht alles umfassend sein kannGelegentlich finden sich Andeutungen den Seinsbegriff auch auf das erstePrinzip auszudehnen was naheliegt da man eben davon sprechen kann dassdas principium primum ist Albert schraumlnkt diese Praumldikation aber dahinge-hend ein dass der Seinsbegriff in diesem Fall nur in Analogie nicht aber ineiner univoken Bedeutung verwandt wird Ebenfalls haumllt Albert die Anwen-dung des transkategorialen Seinsbegriffes auf das kategorial Aussagbare auchfuumlr einen Fall analoger Praumldikation Albert gelangt zwar zu einer Interpretati-on der umfassenden Allgemeinheit des Begriffes esse und damit zu einer kor-respondierenden Einheit der Aussage allerdings ist er nicht der Meinungdass diese Einheit des Begriffs zu einer univoken Praumldikation des esse fuumlhrtStatt einer strikt praumldikationslogischen Deutung greift Albert deshalb auf dieeher metaphorische Beschreibung einer imitatio40 des jeweiligen Analogonzuruumlck Wenn man also Alberts Ansatz der Metaphysik mit Aertsen alsTranszendentalphilosophie bezeichnen moumlchte sollte man im Blick behaltendass der zentrale Begriff dieser Metaphysik in seinem Umfang eingeschraumlnktist bzw seine Aussage aufgrund der Analogielehre einen Rest metaphorischenSprechens nicht ablegen kann Fuumlr Albert schwingt im Ausdruck transcende-re eben immer die Konnotation auf die transphysica mit weshalb die Meta-physik nicht eine Transzendentalwissenschaft ist die einer scientia divina ge-genuumlbersteht sondern die mit dieser zusammenfaumlllt oder zumindest auf dieseausgerichtet ist Wobei der von Aristoteles her uumlbernommene Begriff der goumltt-lichen Wissenschaft nicht ein grenzuumlberschreitendes weil goumlttlich offenbartesWissen meint

40 Vgl Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 82

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 173

Der tiefere Grund dieses Befundes scheint darin zu bestehen dass Albertin seiner Metaphysik tatsaumlchlich zwei unterschiedliche Ansaumltze zu verbindensucht L Honnefelder spricht deshalb davon dass Albert den Versuch unter-nimmt ein ganzheitstheoretisches Modell einer transzendentalen Metaphysikmit einem reihentheoretichen Ansatz eines am Leitfaden der Kausalitaumltsver-haumlltnisse orientierten Entwurfs der ersten Philosophie zu verbinden41 Albertschlieszligt auf diese Weise die Metaphysik mit der aus dem Liber de causisgewonnen Lehre von Gott als dem Ursprung aller Dinge ab42

Die sachliche Differenz unterschiedlicher Ansaumltze im Werk Albertsscheint ebenso evident zu sein wie der Versuch Alberts diese zu vereinenLetzteres wird von de Libera unterschaumltzt wenn er zwei voumlllig losgeloumlsteAnsaumltze Alberts konstatiert ersteres wird nicht ausreichend gewuumlrdigt wennAertsen Alberts Metaphysik als ganze und ohne Differenzierung als Trans-zendentalwissenschaft deutet43 Gegenuumlber Honnefelder ist zu fragen woraufsich die Verbindung der beiden Ansaumltze bei Albert im Detail stuumltzt und wieweit sie aufgrund der inneren Spannungen die sich aus der Kombinationzweier unterschiedlicher Paradigmen ergeben tatsaumlchlich reicht

VI Ganzheits- und reihentheoretischer Ansatz der Metaphysik

Honnefelder hebt hervor dass fuumlr diese Verbindung zweier zumindest primafacie heterogener Ansaumltze Alberts Interpretation der Zweiten Analytiken undinsbesondere seine Deutung des Begriffs des Subjektes einer Wissenschaft eineentscheidende Rolle spielen44 Im Gegensatz zu anderen zeitgenoumlssischen In-terpreten der Zweiten Analytiken antwortet Albert auf die Frage was denn

41 Vgl L Honnefelder Metaphysik als bdquoErste Wissenschaftldquo Die kritische Rezeption der ari-stotelischen Metaphysik durch Albert den Groszligen in Ders (Hrsg) Albertus Magnus undder Ursprung der Universitaumltsidee Die Begegnung der Wissenschaftskulturen im 13 Jahr-hundert und die Entdeckung des Konzepts der Bildung durch Wissenschaft Berlin 2011insbes 347

42 Vgl ders Albertus Magnus und die kulturelle Wende im 13 Jahrhundert Perspektiven aufdie epochale Bedeutung des groszligen Philosophen und Theologen (Lectio Albertina Bd 13)Muumlnster 2012 insbes 11

43 Eine gewisse Akzentverschiebung scheint in Aertsens juumlngestem Buch festzustellen zu seinGegenuumlber dem fast gleichlautenden Aufsatz aus dem Jahr 2001 ergaumlnzt er seine urspruumlngli-che Deutung nun um den Hinweis dass Albert zur Begruumlndung der Annahme dass dasSeiende als solches Gegenstand der Metaphysik sei weniger auf bdquocommonness of beingldquoals eher auf seine bdquofirstnessldquo abhebt Vgl Aertsen Medieval Philosophy (wie Anm 15) 204

44 Zum folgenden vgl H Moumlhle Albertus Magnus und die Vielheit der Wissenschaften inHonnefelder Ursprung der Universitaumltsidee (wie Anm 41) 301ndash331 511ndash520 insbes 303ndash314

174 Hannes Moumlhle

unter einem Subjekt einer Wissenschaft zu verstehen ist und wodurch sichdie Einheit der in einer Wissenschaft zugrundegelegten Beweisprinzipien alsodie Einheit eines Wissenschaftsgenus ergibt mit dem Hinweis dass es sichhierbei um einen Kausalzusammenhang handelt45 Die Einheit einer Wissen-schaft ergibt sich nicht auf der Ebene von unter- und uumlbergeordneten Begrif-fen und Saumltzen wie man vermuten koumlnnte wenn man eine Wissenschafts-theorie am Leitfaden der demonstrativ verfahrenden Geometrie betreibt wieAristoteles dies uumlber weite Strecken der Zweiten Analytiken tut Vielmehrsieht Albert die Loumlsung der Frage nach der Einheit einer Wissenschaft durchden Hinweis auf einen jeweils abgrenzbaren und erklaumlrungskraumlftigen Kausal-zusammenhang gegeben46

Fuumlr die Metaphysik scheinen diese beiden Optionen der Gegenstandsbe-stimmung naumlmlich aufgrund der praumldikativen Ordnung allgemeiner und we-niger allgemeiner also uumlber- und untergeordneter Begriffe mit einem allge-meinsten Begriff an der Spitze einerseits und einem System auseinander fol-gender Kausalzusammenhaumlnge andererseits eine entscheidende Rolle zuspielen Doch ist dieser methodische Dualismus tatsaumlchlich ein adaumlquatesMittel sich den Texten Albert in allen ihren Facetten zu naumlhern Wird hiervielleicht eine idealtypische Unterscheidung die aus heutiger Sicht durchauseine sachliche Angemessenheit postulieren kann auf die von Albert vertrete-nen Metaphysikdeutung uumlbertragen die sich der modernen Perspektive nichtfuumlgt und aufgrund der durch mehrere Traditionen bestimmten konkreten his-torischen Situation von Alberts Denken weitaus komplexer ist

VII Die Ambivalenz der resolutiven Methode

Es scheint tatsaumlchlich so dass diese fuumlr die moderne Interpretation der meta-physischen Modelle zum Standard gewordene Unterscheidung im Werk Al-berts weitaus weniger trennscharf ist Dies zeigt sich vor allem in AlbertsDeutung des Begriffs der resolutio die eben nicht nur die Begriffsresolutionmeint sondern auch unmittelbar gleichgesetzt wird mit der Zuruumlckfuumlhrungeiner Kausalkette auf ihr erstes Glied Offensichtlich wendet Albert das reso-

45 Alberti Magni Ed Bor 2 (wie Anm 2) 60 Ex his autem quae dicta sunt ulterius quasi excorollario concluditur quod non est sive contingit ex alio genere descendentem in aliudgenus demonstrare Genus autem hic non dicimus praedicabile unum vel primum secundumordinem praedicati sed dicimus genus quod est generationis principium sicut causa eademenim est per se causa subiecti et per consequens passionis principium quia quod est causacausae est etiam causa causati unde generans subiectum generat per se passiones

46 Vgl Moumlhle Vielheit der Wissenschaften (wie Anm 44) 301ndash331 511ndash520

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 175

lutive Verfahren sowohl im begriffslogischen als auch im kausaltheoretischenKontext an Es bildet damit eine Klammer die die Bezugnahme auf allgemei-ne Begriffe mit der Eroumlrterung kausaler Zusammenhaumlnge verbindet Pro-grammatisch entfaltet Albert diesen Zusammenhang als Grundlage fuumlr seineAuseinandersetzung mit Dionysius Ps Areopagita zu Beginn seines Kommen-tars zu De divinis nominibus Demnach ist eine zweifache Verwendung desBegriffs einer resolutiven Methode zu beachten zum einen die aristotelischeMethode der Begriffsresolution die auf allgemein praumldizierbare Begriffsge-halte zielt und zum anderen die kausalresolutive Methode die Albert entfal-tet und die eine Zuruumlckfuumlhrung der fuumlr uns erkennbaren Wirkungen auf diezugrundeliegende Ursache im Blick hat und in diesem Sinne synthetisierendund nicht analytisch vorgeht47 Albert gibt diese Gleichstellung keineswegsauf wenn er auch an spaumlterer Stelle vom Sein spricht das einerseits der End-punkt der vom Verstand betriebenen Begriffsresolution ist und das aber auchgenau jenes ist das selbst durch Schoumlpfung und nicht durch Einformunghervorgebracht wurde und deshalb als erster der goumlttlichen Hervorgaumlnge zudeuten ist48

Die gleiche Ambivalenz die der Begriff der resolutio zeigt wiederholtsich auch im Blick auf den Begriff der Allgemeinheit Allgemeinheit kannnaumlmlich ebenfalls praumldikationslogisch und kausaltheoretisch gedeutet wer-den Im ersten Fall betrifft die Allgemeinheit ein Praumldikat das eine maximaleExtension hat und sich darin zeigt dass sich kein weiterer Begriff findenlaumlsst der den vorliegenden in sich enthielte49 Im zweiten Fall kann man voneiner mehr oder weniger allgemeinen Kausalitaumlt sprechen je nachdem wel-cher Bereich moumlglicher Verursachung groumlszliger ist Albert scheint diesen Begriff

47 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 2 f Quis autem sit auctor patet per eaquae dicta sunt in principio CAELESTIS HIERARCHIAE et similiter quis habitus regens inhac scientia quia fides secundum quod tradita est in sacra scriptura Modus autem duplexest scilicet modus agendi et modus materiae Modus agendi in omnibus suis libris est resolu-torius Sed videtur quod in hoc libro sit modus compositivus Determinat enim sicut dic-tum est de nominibus significantibus causam secundum exitum causatorum ab ipsa proce-dere autem causatum a causa pertinet ad modum compositionis ergo modus huius libri estcompositivus Et dicendum quod est duplex modus quo proceditur de causa in causatumaut e converso Unus est factivus secundum quod causa producit effectum et hic modusest compositivus quia effectus recedit a simplicitate causae Sed quia nos non possumuscognoscere causam ipsam secundum quod est simplex in se ut per eam accipiamus cogni-tionem causati sed potius e converso ideo est alius modus cognoscitivus quo per causataaccipimus causam et hic est resolutorius et talis est modus huius scientiae non secundumquod fit resolutio in causam prout est ignota propter eminentiam sui ad modum significan-di per nomen quia hoc pertinet ad mysticam theologiam sed secundum quod fit resolutioin causam prout est univoce producens causatum

48 Vgl ebd c 5 n 20 31449 Vgl ebd

176 Hannes Moumlhle

der kausalen Allgemeinheit sogar als Maszligstab und Ursprung praumldikativerAllgemeinheit aufzufassen wenn er explizit davon spricht dass sich die Ord-nung dieser nach jener naumlmlich der kausaltheoretischen bemisst Beide For-men der Allgemeinheit lassen sich aus Alberts Perspektive auf den Begriff desSeins anwenden50

Die Ambivalenz des Begriffes einer Resolution wird auch in Alberts Sen-tenzenkommentar deutlich wenn er mit Blick auf die Frage nach der Einfach-heit des durch die resolutio Erreichten auf eine Inkompatibilitaumlt zweier Ver-fahren aufmerksam macht Das Verfahren einer Begriffsresolution fuumlhrt dem-nach zu einem allgemeinen Begriff des Seienden der hinsichtlich derKennzeichnung als geschaffenes oder ungeschaffenes Seiendes indifferent istDieser Begriff so argumentiert Albert ist aber auf keine Weise identisch miteiner Bestimmung die auf Gott angemessen angewandt werden koumlnnte Diesliegt daran dass erst der durch eine Differenz zusammengesetzte Begriff desens increatum Gott bezeichnen wuumlrde Damit wird aber eine Zusammenset-zung von Teilmomenten naumlmlich Seiendheit und Ungeschaffenheit auf Gottuumlbertragen und so seine schlechthinnige Einfachheit nicht adaumlquat zum Aus-druck gebracht Dies vermag hingegen der Begriff der causa denn diesererlaubt es die Unzusammengesetztheit Gottes und die Vorgaumlngigkeit des Be-griffes ens increatum vor dem Begriff ens die durch das begriffsresolutiveVerfahren nicht abgebildet werden kann zu erfassen51 Im Ergebnis bleibt

50 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 314 [C]ausalitas boni communior estquam causalitas entis quia inquantum est finis extendit se etiam ad non-existentia quaeeam desiderant ut supra dictum est et ideo secundum principium communicationis eiusest ordo nominum

51 Alberti Magni Ed Bor 25 (wie Anm 2) 253 Ad primum quod obiicitur de ente dicendumquod id in quo stat resolutio nostri intellectus est simplex secundum quid et simplicitercompositum Intellectus enim resolvens abstrahit universale a particulari et ulterius magisuniversale a minus universali ndash et ideo non aufert nisi differentias coarctantes et verum estquod secundum ablationem illarum differentiarum ens simplex est et ideo stat in ipsoresolutio sed ulterius compositum est et concretum habitudinibus potentialibus scilicetquod ipsum est post nihil et ideo variabile in nihil et ideo privatio et potentia decidentiaeest in eo nisi contineatur et etiam habet habitudinem ad ea cum quibus est componibilequae habitudo non nihil est in eo sicut supra diximus sed tamen illae habitudines abstrahipossunt ab eo secundum intellectum sed illa quae est potentiae privationis non potestabstrahi ab ente creato quia in ratione eius est per hoc quod ipsum est creatum Si autemobiicitur quod ens abstrahit ab ente creato et increato dicendum quod hoc frivolum estquia ex hoc sequitur quod ens increatum esset compositum si enim ens per unam rationemcommunem conveniret ei et creato oporteret quod ens commune coarctaretur in ipso peraliquam differentiam et sic ab alio haberet esse et hoc esse et hoc supra improbatum estergo ens in quo stat resolvens intellectus non est ens increatum sed ens increatum est anteipsum sicut causa Ad hoc autem quod obiicitur quod unum verum et bonum et aliquidsunt de primis simplicibus dicendum quod hoc frivolum est quia non convertuntur cumente secundum suas intentiones sed secundum sua supposita et ideo non est dubium quinilla sint composita

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 177

festzuhalten dass diese unterschiedlichen Resolutionsverfahren das begriffs-logische und das kausaltheoretische nicht zur Deckung gebracht werdenkoumlnnen ja was gravierender ist offensichtlich zu Spannungen fuumlhren undsich deshalb nicht ohne weiteres einem einheitlichen Ansatz subsumieren las-sen

Diesen Befunden entspricht es dann auch wiederum dass der Begriff derFundierung und damit der Prinzipiencharakter von Begriffen und den darausabgeleiteten Wissenschaften ebenfalls ambivalent wird Das ist naumlmlich inso-fern der Fall als ein Begriff als Fundamentalbegriff verstanden wird weil erder allgemeinste im Sinne der Aussagbarkeit ist gleichwohl aber auch voneinem ersten Begriff deshalb die Rede ist weil er ein Erstes in einem kausalenProzess bezeichnet52 Fundierung geschieht in Alberts Perspektive in beiderleiHinsicht weshalb es kein einseitig ausgerichtetes Fundierungsverhaumlltnis ge-ben kann Diese Mehrdeutigkeit des Fundierungsparadigmas macht dann imUumlbrigen auch die von de Libera mit Blick auf die Pariser Magister der 1240erJahre vertretene These53 in ihrer Anwendung auf Albert zweifelhaft wonacheine genuin aristotelische Metaphysik deren Fundierungsparadigma praumldika-tionslogisch ausgerichtet ist eine darauf folgende neuplatonisch bestimmteTheologie die kausaltheoretisch bestimmt ist fundieren wuumlrde

VIII Ergaumlnzung der Metaphysik alsFokussierung ihrer Perspektive

Trotz dieser Ambivalenzen benutzt Albert die Unterscheidung der begriffs-logischen Methode vom kausalanalytischen Verfahren wiederum fuumlr einekeineswegs in Frage gestellte Differenzierung von theologischer und philoso-phischer Vorgehensweise Wie Albert zu Beginn des fuumlnften Kapitels seinesKommentars zu De divinis nominibus deutlich macht laumlsst sich durch eineUnterscheidung eines begriffslogischen und eines kausalanalytischen Verfah-rens eine theologische Rede uumlber das Sein von einer philosophischen Betrach-tungsweise abheben Waumlhrend der Theologe die kausale Interpretation desSeienden verfolgt richtet sich das Interesse des Philosophen auf die Begriffs-resolution die bei einem ersten allgemeinen Praumldikat zum Stillstand kommtDer Kontext fuumlr diese Feststellung ist die Aussage des Dionysius Pseudo-Areopagita dass er sich nun zu Beginn des fuumlnften Kapitels seiner Schriftuumlber die Gottesnamen dem theologischen Lob des wahrhaft existierendenGottes zuwenden wolle Albert schreibt

52 Vgl Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 2 f ebd 453 Vgl De Libera Structure de corpus scolair (wie Anm 1) 77

178 Hannes Moumlhle

bdquo[Dionysius] sagt also zuerst Gesprochen ist genug uumlber das Gute jetztaber ist uumlberzugehen zum wahrhaft existierenden theologischen Lob deswahrhaft existierenden Gottes d h zur Auslegung des Lobes Gottesdurch das er in diesem Namen sbquowahrhaft Existierenderlsquo gelobt wird und[Dionysius] sagt theologisches [Lob] im Unterschied zur philosophischenBeschaumlftigung mit dem Seienden deren Absicht darin besteht dasjenigeSeiende zu bestimmen bei dem die resolutio des Verstandes wie bei einemersten Begriff zum Halten kommt indem seine Eigenschaften und Teilebezeichnet werden Die Absicht des Theologen besteht aber darin vomSeienden zu handeln insofern uumlber die Ursache eines jeden Seienden ge-sprochen wird wie naumlmlich von ihm alles Existierende herausflieszligtldquo54

Der Begriff des Lobes gehoumlrt natuumlrlich in den Kontext des dionysischen Tex-tes die Unterscheidung einer philosophischen und einer theologischen Redevom Seienden hingegen findet sich ebenso in den im engeren Sinne metaphy-sischen Schriften Alberts wie sich dort auch die inhaltliche Abgrenzung derbeiden Blickrichtungen findet Waumlhrend der philosophische Ansatz die Be-griffsresolution verfolgt steht fuumlr das theologische Verfahren der Kausalitaumlts-leitfaden im Mittelpunkt der sich wie im Liber de causis ndash und auch bereitsim Metaphysikkommentar angekuumlndigt ndash an der Fluxustheorie orientiertWas hier unter Theologie zu verstehen ist bedarf sicher weiterer AnalysenEine Theologie die sich auf die Kenntnis uumlbernatuumlrlich geoffenbarter Prinzi-pien stuumltzt wie sie Albert zu Beginn des Sentenzenkommentars entwirft unddie sich zudem durch Ihren Charakter als scientia affectiva auszeichnet kannin diesem Kontext keinesfalls gemeint sein Jede Form einer im engeren Sinnewasheitlich von Gott handelnden Theologie ist hiervon zu unterscheiden55

Albert weiszlig von Anbeginn seiner akademischen Laufbahn deutlich zwi-schen den Untersuchungsgegenstaumlnden und -methoden der Philosophen undder Theologen zu unterscheiden Dies ist insbesondere der Fall wenn es umdie zentralen metaphysischen Grundbegriffe geht In seinem Sentenzenkom-mentar stellt er mit Nachdruck fest dass Aristoteles aus philosophischer Per-spektive die transzendentalen Begriffe des ens und unum und nicht die siebegleitenden Begriffe des verum und bonum in den Vordergrund der Betrach-

54 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 303 Dicit ergo primo Dictum est suffi-cienter de bono nunc autem transeundum est ad vere existentem laudationem theologicamdei existentis vere idest ad exponendum laudem dei qua laudatur in hoc nomine quod estsbquovere existenslsquo et dicit theologicam ad differentiam philosophici negotii de ente cuius inten-tio est determinare de ente in quod stat resolutio intellectus sicut in primam conceptionemassignando passiones et partes eius theologi autem intentio est determinare de ente secund-um quod dicitur de causa omnis entis prout ab ipso fluunt omnia existentia

55 Vgl etwa Op om XXXVII2 c 1 458 f

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 179

tung stellt was hingegen die Sancti die Kirchenlehrer wobei vor allem Dio-nysius Ps Areopagita gemeint sein duumlrfte tun56 Der Grund hierfuumlr bestehtnach Albert darin dass Aristoteles den Begriff des Seienden als letztes Ergeb-nis eines begriffsresolutorischen Verfahrens und nicht als Bezeichnung einesersten Seienden versteht das Ursprung einer Fluxus-Bewegung ist In diesemletzten Sinne wird das Seiende dann von den Sancti als erstes Seiendes EinesWeises und Gutes betrachtet das jeweils Ursprung einer Kette von Hervor-bringungen ist deren Quellgrund jeweils das Erste ist Dieses Verfahren derSancti naumlmlich ihr Modus der Betrachtung ruumlckt dann andere transzenden-tale Begriffe wie vor allem das bonum in den Blickpunkt der Betrachtung

Im Ergebnis ist an den Eigenheiten der unterschiedlichen Perspektivenfestzuhalten die zwar aufeinander bezogen werden koumlnnen die aber keinEinheitsmodell einer neuplatonisch-aristotelischen Einheitswissenschaft seinkann in der die Sancti ebenso wie die Philosophi das ihnen jeweils Eigentuumlm-liche unter einem gemeinsamen Dach aufgeben muumlssen Dies gilt auch wennman dieses Dach transzendentalphilosophisch konstruieren will Denn I Sentd 46 a 14 macht ja gerade deutlich dass fuumlr Albert die Grenzlinie zwischeneiner universalistisch philosophischen Methode der Begriffsresolution und ei-nes an der Fluxustheorie orientierten Verfahrens der Sancti mitten durch dievermeintlich transzendentalen Begriffsbestimmungen verlaumluft weshalb voneiner theologischen Grundlegung der transcendentia wie mehrfach von Aert-sen behauptet57 nicht die Rede sein kann Denn offensichtlich geht die Be-handlung verschiedener transzendentaler Begriffe Hand in Hand mit einerjeweils grundlegend anderen Methode naumlmlich der praumldikationslogischenBegriffsresolution einerseits und der am Kausalitaumltsleitfaden vollzogenen Flu-xustheorie andererseits Albert traumlgt dieser Differenz zudem dadurch Rech-nung dass er zwischen dem Philosophen Aristoteles der paradigmatisch denersten Weg repraumlsentiert und den Sancti die die zweite Zugangsweise ver-koumlrpern unterscheidet Ausschlaggebend ist bei dieser Vorgehensweise dassAlbert sehr genau zwischen einer Metaphysik die sich des Verfahrens derBegriffsresolution bedient und einer Theorie der Sancti die ihren Ausgangs-punkt vom fluxus ab ente primo nimmt zu differenzieren weiszlig Im Einzelnensind es drei Elemente die Albert als Kennzeichen des philosophisch-metaphy-sischen Verfahrens anfuumlhrt die durch die Begriffsresolution erreichbare Zu-ruumlckfuumlhrung des Spaumlteren auf das Fruumlhere die Reduktion des Zusammenge-setzten auf das Einfache und schlieszliglich die hieraus resultierende Allgemein-heit die alles in sich versammelt (colligit omnia) und die ndash so ist zu er-

56 Vgl hierzu Aertsen Medieval Philosophy (wie Anm 15) 183ndash18657 Vgl ebd184 Ders Die Frage nach dem Ersten (wie Anm 18) 97

180 Hannes Moumlhle

gaumlnzen ndash durch den umfassenden Begriff des Seienden insofern es Seiendesist gegeben ist58

Das von Albert den Sancti zugeschriebene theologische Wissen das sichdes kausalresolutorischen Verfahrens bedient steht aber wie Albert an ande-rer Stelle ausfuumlhrt unter einem deutlich ausgesprochenen Erkenntnisvorbe-halt der dieses zwar einerseits uumlber die Lehre der Philosophen heraushebtes aber gleichwohl an die mit der Endlichkeit des menschlichen Verstandesgegebenen Grenzen bindet

bdquoDie goumlttliche Substanz kann in gewisser Weise von uns erkannt werdenauch an sich allerdings nicht vollkommen Dass etwas vollkommen er-kannt wird sagt man wenn man von etwas weiszlig was es ist und wasseine Eigenschaften sind Dies vermag der geschaffene Verstand abernicht hinsichtlich der goumlttlichen Substanz aufgrund [Gottes] Unendlich-keit [Gott] wird aber erkannt wie der Endpunkt einer Resolution inso-fern wir ihn nach allem Verursachten und nach jeder Einfachheit derKreaturen finden Aber eine solche Erkenntnis richtet sich eher auf daswas er nicht ist als auf das was er ist insofern wir naumlmlich die goumlttlicheSubstanz durch Beiseitelassen alles Geschaffenen erkennen und indemwir so zu ihr gelangen benennen wir sie auch Und deshalb sagt [Diony-sius] dass [Gott] unbekannt und unaussprechlich istldquo59

Gott faumlllt aus der Perspektive einer Seinsmetaphysik die sich an das impliziteVerdikt des Liber de causis haumllt Gott auszligerhalb des Skopus des Seins zu

58 Alberti Magni Ed Bor 26 (wie Anm 2) 449 f Si autem quaeritur secundum quem ordi-nem se habeant ad invicem unum verum bonum et ens dicendum quod secundum Philoso-phum ante omnia sunt ens et unum Philosophus enim non ponit quod verum et bonumsint dispositiones generaliter concomitantes ens nec divisio entis secundum quod est ensest per verum et bonum Quia Philosophus non considerat ens secundum quod fluit ab enteprimo et uno et sapiente et bono sed ipse considerat ens secundum quod stat in ipsointellectus resolvens posterius in prius et compositum in simplex et secundum quod ipsumper prius et posterius colligit omnia Et ideo de vero et bono non determinat per huncmodum sed de bono quod est finis ad quem est motus et ideo dicit quod nec una estdemonstratio in mathematicis per rationem boni Et ideo sic generaliter considerando istaut consideraverunt Sancti dicemus quod inter ista scilicet essentia et ens est primum natu-ra circa quod ut substratum sibi ponuntur alia

59 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 304 Solutio Dicendum quod divinasubstantia aliquo modo a nobis cognosci potest etiam secundum se sed non perfecteperfecte enim cognosci dicitur de quo scitur quid ipsum sit et proprietates eius hoc autemnon potest intellectus creatus in substantia divina propter sui infinitatem Cognoscitur ta-men ut terminus resolutionis secundum quod invenimus ipsum post omnia causata et postomnem simplicitatem creaturarum Sed talis cognitio potius est quid non est quam quidest inquantum scilicet cognoscimus substantiam divinam per remotionem ab omnibus cau-satis et sic devenientes in ipsam etiam nominamus ipsam et propter hoc dicit quod estignotum et ineffabile

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 181

denken heraus Erweitert man aber diesen Ansatz der Metaphysik durch dieFrage nach dem Grund des Seins d h versteht man das Sein als herausragen-des aber doch als Glied einer Kausalreihe wie es der Liber de causis nahe-legt ergibt sich die Moumlglichkeit in einer anderen Weise von einem Ersten zusprechen Die oben angedeutete Theorie einer negativen Theologie erlaubt esnaumlmlich die resolutiv gewonnenen Letztbestimmungen einer Seinsmetaphy-sik in Richtung auf ein quid zu uumlberschreiten von dem man dann zumindestsagen kann was es nicht ist

In Alberts Interpretation des Dionysischen Ansatzes wird diese negativeTheologie begleitet durch eine Abbild- oder Aumlhnlichkeitsmetaphorik DieGrundlage hierfuumlr ist das von Albert beispielhaft im ersten Kapitel von Dedivinis nominibus zugrundegelegte Analogieverstaumlndnis wonach Gott eineder analogen Aussage zugrundeliegende Konvenienz gegenuumlber allem vonihm Verursachten zukommt die einem Urbild-Abbild Verhaumlltnis von Gottund Schoumlpfung entspricht Dieser Analogiekonzeption entspricht dann einesich hieraus ergebende Partizipationslehre die diese Urbild-Abbild Metapherontologisch ausdeutet60 Albert beruft sich fuumlr dieses Vorgehen einer exemp-larursaumlchlich motivierten Deutung die er auf die grundlegenden transzenden-talen Begriffe des Wahren Guten und Seienden anwendet ausdruumlcklich aufPlaton und dessen Begriff des ersten Guten61 Auf diesem Hintergrund laumlsstsich in einem reihentheoretischen Ansatz eine Ursachenfolge als abbildhafteExplikation eines processus aus der goumlttlichen Substanz deuten so dass esdann im fuumlnften Kapitel von De divinis nominibus heiszligt bdquoDie ursprungshaf-te goumlttliche Substanz schreitet in alle Seiende fort wie eine wirkmaumlchtige undformhafte Ursache die in jede Substanz die Aumlhnlichkeit ihrer eigenen Subs-tanz verstroumlmtldquo62

60 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 35 Dicimus quod haec ratio est suffi-ciens ut deus possit nominari ab omnibus causatis quia est causa omnium et bene concedi-mus quod habet convenientiam cum causatis non univocationis sed analogiae non tamentalis analogiae quod aliquid idem participetur a deo per prius et a causatis per posteriusquia sic esset aliquid simplicius et prius deo sed quia deus est secundum substantiam aliquidut vita vel sapientia vel huiusmodi non per participationem et alia participant illud acceden-do ad primum quantum possunt sicut est convenientia exemplatorum ad exemplar ut siintelligeretur aliqua rectitudo per se existens quae imprimeretur diversis lignis quaedamplus participarent rectitudinem secundum quod essent minus nodosa nullum tamen parti-ciparet rectitudinem secundum simplicitatem exemplaris Similiter in exitu rerum ad esseunumquodque tantum participat de esse quantum similatur divino radio secundum for-mam suam et similiter in reditu ad finem unumquodque in tantum est bonum et appetibilequantum habet de similitudine ultimi finis quod est primum bonum et ideo propter talemconvenientiam causatorum ad causam potest deus nominari ex omnibus causatis

61 Vgl Alberti Magni Op om XXXIV1 (wie Anm 2) 18262 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 305 [] divina substantia principalis

procedit in omnia entia sicut causa effectiva formalis profundens in omnem substantiamsimilitudinem suae substantiae

182 Hannes Moumlhle

Die Absicht des Dionysius in diesem Kontext besteht nach Albert darinuumlber das Existierende zu sprechen insofern es in Gott ist bzw von ihmausgeht Dies kann aber nur auf die Weise geschehen dass Gott als Ursachebegriffen wird indem der Hervorgang des Seienden hinreichend durch denHervorgang der goumlttlichen Substanz expliziert wird Der tiefere Grund liegtdarin dass ein Ansatz einer ganzheitstheoretischen Metaphysik zwar mit demBegriff des Seins uumlber das Praumldikat verfuumlgt das umfassender ist als der Begriffder Substanz communior quam intellectus substantiae In der Substanz aberso interpretiert Albert den Text des Dionysius findet sich das Sein zuerst undungetruumlbt primo et simpliciter Die Substanz aber so faumlhrt Albert fort laumlsstsich qua causa und d h reihentheoretisch explizieren

bdquoObwohl der Begriff des Seienden allgemeiner ist als der Begriff der Subs-tanz erfasst man [den Begriffsgehalt des] Seienden erstlich und schlecht-hin im [Begriffsgehalt der] Substanz Anderes insofern es Seiendes isthat eben diese [Bestimmung des Seienden] von der Substanz als einerUrsache Und alles was auf Gott zuruumlckgefuumlhrt wird faumlllt aus dem Be-griffsfeld des Akzidentellen heraus Und weil [Dionysius] hier beabsich-tigt vom Existierenden zu handeln insofern es in Gott in der Weise istin der er Ursache ist wird der Hervorgang des Seienden durch den Her-vorgang der Substanz hinreichend erlaumlutertldquo63

In dieser Passage stellt Albert zwei Leistungsmerkmale die man dem Begriffdes Seienden zuschreiben kann gegenuumlber zum einen die Allgemeinheit zumanderen die grundlegende und uneingeschraumlnkte Bedeutung die diesem Be-griff zukommt Alberts These lautet nun dass beides nicht notwendig zusam-menfaumlllt Der Grund hierfuumlr besteht darin dass die groumlszligte Allgemeinheit desBegriffs des Seienden gerade dadurch zu Stande kommt dass man von derEinschraumlnkung auf den Begriff der Substanz absieht also unter Sein nichtausschlieszliglich das Sein einer Substanz versteht Will man aber auf der ande-ren Seite ndash so argumentiert Albert ndash den Begriff des Seienden erstlich undschlechthin also in grundlegender Weise begreifen dann muss man ihn vomSubstanzsein her denken Dies bedeutet Seiendes kausal zu interpretierenalso von seiner Verursachung her zu verstehen Seiendes soll von der Substanzher verstanden werden insofern diese als Ursache verstanden wird (a sub-stantia sicut a causa) Der substantielle Charakter des Seienden kommt am

63 Ebd 305 Et dicendum quod quamvis intellectus entis sit communior quam intellectussubstantiae ens tamen primo invenitur et simpliciter in substantia Alia autem secundumquod sunt entia et hoc ipsum habent a substantia sicut a causa et omnia reducta in deumcadunt a ratione accidentis Et quia hic intendit determinare de existente secundum quodest in deo per modum quo est causa ideo sufficienter explicatur processus entis per proces-sionem substantiae

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 183

deutlichsten dadurch zustande dass man die Substanz nicht nur irgendwieals Ursache versteht sondern sie bis auf Gott als die eigentliche Ursachezuruumlckfuumlhrt In diesem Fall verliert der Begriff alle Konnotationen des akzi-dentiellen Seins und wird im engeren Sinne als SubstanzUrsache in den Blickgenommen

Was das fuumlnfte Kapitel seines Kommentars zu De divinis nominibus be-trifft scheint Albert tatsaumlchlich von einer einheitlichen Interpretation der Me-taphysik uumlberzeugt zu sein unabhaumlngig davon welcher Methode sie sichbedient Offensichtlich besteht nur eine perspektivische Differenz innerhalbder Metaphysik ob sie den Weg der Begriffsresolution mit dem Zielpunkteines ersten Verstandesbegriffes beschreitet oder ob sie die kausale Rekons-truktion der Emanationsprozesse bis hin zu der grundlegenden Differenz ei-ner nur Gott zukommenden Schoumlpfung und eine alles weitere bestimmendenInformationsprozesses betreibt Die Erstheit des Seinsbegriffes stellt sichnaumlmlich fuumlr Albert in beiden Faumlllen ein sowohl in praumldikationslogischer Per-spektive als auch mit Blick auf die von Gott ausgehenden Emanationsprozes-se innerhalb derer dem Sein wiederum eine entsprechende Erstheit zukommt

bdquoMan muss naumlmlich sagen dass das Sein schlechthin gemaumlszlig der Naturund dem Begriff nach fruumlher als alles andere ist Es ist naumlmlich der ersteBegriffsgehalt des Verstandes und hierin kommt der aufloumlsende Verstandletztlich zu einem Stillstand Nur [das Sein] selbst wird aber auch durchSchoumlpfung hervorgebracht ohne das etwas anderes vorausgesetzt wuumlrdealles andere aber [wird hervorgebracht] durch Einformung naumlmlich uumlberdas vorausexistierende Seiende hinaus wie der Kommentator im Liberde causis sagt Jenes aber ist das Erste das von einem anderen hervor-geht und das nicht hervorgeht indem etwas [anderes] vorausgesetztwird Und so bleibt [als Ergebnis] uumlbrig dass unter allen goumlttlichen Her-vorgaumlngen das Sein das Erste istldquo64

So eng Albert in dieser Passage die genannten Perspektiven mit Blick auf dieErstheit des Seins als Einheit begreift so nachdruumlcklich wird durch diesesVorgehen aber auch die Differenz eines auf das Geschaffene beschraumlnktenSeinsbegriffes zu einem allgemeinsten Praumldikat das Gott und Schoumlpfung um-fasst deutlich Von der Sache her scheinen hier nicht alle Folgeproblemegeloumlst zu sein Entweder fuumlhrt die Begriffsresolution nicht wirklich zu einem

64 Ebd 314 Dicendum quod esse simpliciter secundum naturam et rationem est prius omni-bus aliis est enim prima conceptio intellectus et in quo intellectus resolvens ultimo statIpsum etiam solum per creationem producitur non praesupposito alio omnia autem aliaper informationem scilicet supra ens praeexistens ut dicit Commentator in LIBRO DE CAU-

SIS Illud autem est primum procedens ab alio quod non procedit supposito quodam et itarelinquetur quod inter omnes processiones divinas esse sit primum

184 Hannes Moumlhle

Ersten oder der Seinsbegriff muss sich in einer hier scheinbar ausgeschlosse-nen Weise doch noch auf Gott beziehen lassen

IX Erweiterung der aristotelischen Metaphysikund deren Verhaumlltnis zur Theologie

Im Ergebnis zeigt sich also dass die ganzheitstheoretische Betrachtungsweisedie von einem allgemeinen Begriff des Seins ausgeht reihentheoretisch zuergaumlnzen ist So stellt sich zumindest Alberts Vorgehen dar wenn man esvon seinem in den Aristoteleskommentaren hervortretenden Kernbestand herversteht Der Blick auf die Auseinandersetzung mit Dionysius zeigt aber auchdass Albert hierbei von einer urspruumlnglichen Einheit in der Sache ausgehtdie sich praumldikationslogisch oder kausaltheoretisch erfassen laumlsst In diesemSinne naumlmlich dass eine Wissenschaft vom transzendentalen Seinsbegriff umeine am Leitfaden der Kausalverhaumlltnisse orientierte Betrachtung zu erwei-tern ist koumlnnte man versucht sein in Bezug auf die Metaphysik Alberts voneiner Theologik oder besser von einer Gott als Ursache in den Blick nehmen-den Erweiterung der Metaphysik zu sprechen Die Rede von der Erweiterungunterstellt eine Nachordnung der Inhalte dieses Teils der Metaphysik wasAlbert selbst betont wenn er von den Hervorgaumlngen aus dem goumlttlichen We-sen die hier zur Sprache kommen sagt dass sie in der Erkenntnisordnungnachgeordnet sind weil sie als naumlhere Bestimmungen dem Sein nachfolgendas in epistemologischer Hinsicht das Erste und damit im eigentlichen SinneGegenstand der Metaphysik ist65

Gleichwohl sollte man diese Deutung der Metaphysik die ein inklusivesModell von Theoriestuumlcken mit heterogener Herkunft nahelegt nicht uumlber-spitzt als eine grenzuumlberschreitende Vermischung einer genuin philosophi-schen und einer genuin theologischen Perspektive verstehen Vielmehr scheintdas Verhaumlltnis beider eher das einer vertiefenden Fokussierung des ganzheits-theoretischen Verfahrens durch die kausal orientierte und an den Substanzbe-griff anknuumlpfende Betrachtung zu sein Diese Verbindung der Perspektivenintegriert das kausaltheoretische Vorgehen ohne dass dadurch die Ursacheals solche das eigentliche Subjekt der Metaphysik wuumlrde Diese Position die

65 Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 4 [] processiones illae divinae quas inducitnon sunt primae per hoc quod sunt divinae sed per hoc quod ad entis primi sunt simplicita-tem reductae Et ideo patet quod nulla ipsarum est absolute prima nisi ens et omnes suntad ens consequentes et ideo solum ens simplex est primum et subiectum et alia consequun-tur ad ipsum sicut partes et passiones eius Talia etiam licet sint causata divina et processio-nes simplices non tamen esse habent extra materiam []

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 185

als Gegenstand der Metaphysik eine erste Ursache annaumlhme schlieszligt Albertmit Nachdruck zu Beginn seines Metaphysikkommentars aus66 um demge-genuumlber das Seiende als Seiende ausdruumlcklich als Gegenstand der Metaphysikherauszustellen Diese Deutung Alberts wird davon getragen dass das Seien-de als Gegenstand der Metaphysik eben auch als Substanz und damit alsUrsache verstanden werden kann Mit Blick auf den Anfang von AlbertsMetaphysikkommentar ist hervorzuheben dass diese Einheit insofern vorge-zeichnet ist als die Kennzeichnungen der Ursache und der Substanz als Eigen-schaften (passiones) des allgemeinen Begriffs des Seienden und damit des ei-gentlichen Gegenstandes der Metaphysik verstanden werden67

Die aus der Verbindung unterschiedlicher Verfahren auf die Albert zu-ruumlckgreift resultierenden Spannungen sind Spannungen nicht etwa zwischender Theologie und der Philosophie sondern entstehen innerhalb der Meta-physik selbst Das begriffslogische Verfahren gelangt demnach bis zu einemprimum creatum naumlmlich dem durch den Begriff esse Beschreibbaren unddamit nicht bis zu Gott als dem ersten Prinzip selbst Bei einem kausaltheore-tischen Vorgehen innerhalb der Metaphysik gelingt zumindest uumlber den Ursa-chenbegriff noch eine eingeschraumlnkte Erfassung des Ersten das dadurch inden Blick kommt dass man es als erste Ursache begreift An dieser Stellegelangt allerdings auch die kausaltheoretisch argumentierende Metaphysikan eine Schnittstelle an der die metaphysisch ausweisbaren Begriffe der Ver-ursachung und der Einformung vom theologischen Begriff der Schoumlpfunguumlberboten und in ihrer Begrenzung als philosophische Grundbegriffe erkenn-bar werden68 Die Rede von einer Metaphysik als Theologik scheint deshalbin Bezug auf Albert nicht angemessen zu sein Gegenuumlber einer solchen Ver-mutung unterscheidet Albert viel zu deutlich zwischen dem Goumlttlichen wiees in der Philosophie durch entsprechende Ersatzbegriffe wie den der Ursa-che in den Blick kommt und dem Goumlttlichen das eine auf Offenbarungrekurrierende affirmative oder eine auf bejahende Aussagen verzichtende ne-gative Theologie zum Gegenstand hat

Zwar laumlsst sich Gott als Ursache begreifen so dass sich im Ausgang voneiner kausalen Kette affirmative Aussagen von ihm treffen lassen doch uumlber-steigt Gott diese Ursachenkette wesentlich so dass seine Washeit letztlichauch dem kausalen Zugriff entzogen bleibt69 Soll die geschaffene Welt in

66 Vgl Alberti Magni Op om XVI1 (wie Anm 2) 367 Vgl ebd 468 Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 80 f Sicut enim SAEPIUS dictum est creare

ex nihilo producere est Quod autem causat non supposito quodam alio quo causet conse-quenter sequitur quod causet ex nihilo Primum autem causat non supposito quodam alioquo causet Primum ergo causat ex nihilo Causatio ergo ipsius creatio est

69 Alberti Magni Op om XXXVII2 (wie Anm 2) 458 f [E]t dicit quod deus est causaomnium et tamen essentialiter est super omnia Et ideo quamvis causaliter omnium affirma-

186 Hannes Moumlhle

ihrem Verursachtsein verstanden werden koumlnnen ndash was fuumlr die Metaphysikund ihren Gegenstand von ganz zentraler Bedeutung ist insofern das Seindas primum causatum ist ndash so ist vor diesem Hintergrund zu fragen inwie-fern dies auf der Grundlage der geschilderten Transzendenz Gottes moumlglichsein soll Albert beantwortet diese Frage die er sich selbst in Form einesEinwandes im Anschluss an die dionysische Konzeption der negativen Theo-logie stellt70 mit einer spezifischen Analogielehre Gilt einerseits dass dieWasheit Gottes auszligerhalb des kausalen Zugriffes liegt so ist doch anderer-seits eine gewisse Gemeinsamkeit von Gott als Ursache und den verursachtenDingen selbst zu konstatieren Diese Gemeinsamkeit verbindet Ursache undWirkung nicht durch kategorial aussagbare Praumldikate sondern durch eineAnalogie der Nachahmung (analogia imitationis) in der die verursachtenDinge als Bilder oder Aumlhnlichkeiten Gottes erscheinen koumlnnen die in Begrif-fen wie sbquoWeisheitlsquo und sbquoGutheitlsquo ausgedruumlckt werden

bdquoDazu dass eine Wirkung von der Ursache ausgesagt werden kann istes erforderlich dass Ursache und Wirkung auf irgendeine Weise etwasmiteinander teilen Daher sagen wir dass Gott wenngleich er mit denGeschoumlpfen weder der Gattung noch der Art noch der Analogie nachin Gemeinschaft steht wodurch etwas ein sbquoeineslsquo waumlre in ihm und denanderen so steht er doch in einer gewissen Gemeinschaft der Analogieder Nachahmung insofern andere ihn nachahmen soweit sie es koumlnnenEinige aber ahmen ihn nur als von ihm Gedachte nach wie die die nichterstlich in ihm sind wie Esel und Stein in ihrer Gestalt und diese werdenvon Gott nicht wesenhaft ausgesagt sondern nur ursaumlchlich Einige aberahmen ihn nach als Bild oder Aumlhnlichkeit seiner selbst welche erstlichin ihm sind wie Weisheit Gutheit usf und diese werden von Gott we-senhaft und ursaumlchlich ausgesagtldquo71

tiones ponantur in ipso tamen multo magis essentialiter omnia removentur ab ipso et ipsenihil est eorum Et istae negationes non sunt oppositae illis affirmationibus quia non suntsecundum idem sed oportet causam omnium ponere et super negationes et super affirmatio-nes quia per neutrum horum comprehenditur quiditas dei

70 Vgl ebd 45971 Ebd Solutio Dicendum quod ad hoc quod effectus praedicetur de causa oportet quod

causa et effectus sint communicantia aliquo modo unde dicimus quod deus quamvis noncommunicet cum creaturis genere vel specie vel analogia per quam aliquid unum sit in ipsoet aliis communicat tamen quadam analogia imitationis secundum quod alia imitanturipsum quantum possunt Quaedam tamen imitantur ipsum tantum ut ideata sicut quaenon sunt per prius in ipso sicut asinus et lapis in formis suis et ista non praedicantur dedeo essentialiter sed causaliter tantum Quaedam imitantur ipsum ut imago vel similitudoipsius quae per prius sunt in ipso sicut sapientia bonitas etc et ista dicuntur de ipsoessentialiter et causaliter Uumlbersetzung nach Albertus Magnus Institut (wie Anm 11) 473

Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik 187

Die kausale Deutung des Seinsbegriffes die Albert dem Liber de causis ent-nimmt bietet die Moumlglichkeit den praumldikationslogisch betrachtet allgemei-nen Begriff des ens inquantum ens auf einen Grundbestand seiner Bedeutunghin zu fokussieren die Albert im Substanzcharakter einer wirkmaumlchtigencausa prima erblickt Der Preis dieser Fokussierung ist eine Einschraumlnkungdes Allgemeinheitscharakters des Seinsbegriffes Albert lehnt sich mit seinerKombination eines praumldikationslogischen und eines kausaltheoretischen Vor-gehens insofern an die Moumlglichkeiten der aristotelischen Metaphysik selbstan als Aristoteles die vielfache Aussagbarkeit des Seinsbegriffes auf eine pri-maumlre Bedeutung hin zuspitzt die ebenfalls das substantielle Sein akzentu-iert72 Die neuplatonische Fluxuslehre verbindet sich in Alberts Perspektivemit der aristotelischen Substanzmetaphysik insofern als der Ursachenbegriffdie Bruumlcke zwischen der goumlttlichen Substanz einerseits und den aus ihr her-vorflieszligenden Wirkungen andererseits zu schlagen vermag was Albert unterRuumlckgriff auf Dionysius feststellen kann73 Die aristotelische Analogielehrewiederum findet Aufnahme in eine neuplatonisch inspirierte Urbild-AbbildRelation die Albert im Anschluss an Dionysius als Nachahmungsanalogieversteht Diese Analogie druumlckt die Gemeinsamkeit aus die man zwischenUrsache und Wirkung annehmen muss um dass Hervorgebrachte als Wir-kung letztlich einer ersten Ursache begreifen zu koumlnnen wie es die Lehre desLiber de causis nahelegt

Literatur

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Editio Coloniensis XXXIV1 Muumlnster 1978

72 Diesen Zusammenhang der Lehre von der Analogie der Nachahmung zu den entsprechen-den Thesen des Aristoteles stellt Albert ausdruumlcklich her Vgl Alberti Magni Op om XVII2 (wie Anm 2) 82

73 Alberti Magni Op om XXXVII1 (wie Anm 2) 305 [] divina substantia principalisprocedit in omnia entia sicut causa effectiva formalis profundens in omnem substantiamsimilitudinem suae substantiae

188 Hannes Moumlhle

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Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics

Eleonore Stump

I Introduction

Aristotle and Aquinas inhabit vastly different cultures one pagan and oneChristian and their metaphysics are correspondingly different The ultimatefoundation of reality for Aquinas is the triune God and this is obviouslyldquonotrdquo the ultimate foundation of reality for Aristotle As Aristotle sees itthe metaphysical foundation of reality is being which is transcendental toeverything there is and the modes of which are given in the ten categoriesof everything there is On Aquinasrsquos Christian worldview it is also true thatat the metaphysical foundation there is being but this being is a God whocreates knows and loves creatures

The difference in outlook between Aristotlersquos pagan worldview andAquinasrsquos Christian worldview has far-ranging effects in many areas of phi-losophy and most notably in the area of metaphysics which has to do withbeing For Aquinas there is such a thing as subsistent being as distinct fromthe being of the categories1 In this paper I will explore what Aquinas hasto say about subsistent being and the way in which it influences his distinctlynon-Aristotelian understanding of the ultimate foundation of reality

The heart of Aquinasrsquos view of subsistent being is comprised in his under-standing of the doctrine of divine simplicity As Aquinas understands it thedoctrine can be summarized in three claims

The first distinguishes God from material objects2

1 Aquinas has a place for this kind of esse in his metaphysics too of course (See especiallyDe ente et essentia c5) On his view this esse is common to everything there is when it isabstracted by the mind it is a universal in the sense that it is common to many althoughunder different significations What distinguishes the esse which is God from the commonesse is that the divine esse precludes combination with anything else whereas the commonesse is open to combination with form and matter

2 Die Werke Thomas von Aquins werden in folgender Weise angegebenSancti Thomae Aquinitatis Summa theologiae ed Leonina IVndashXII Rom 1888ndash1906 [=ST]In quattuor Libros Sententiarum Stuttgart 1980 [= In Sent]Summa contra gentiles ed Leonina XXXIII Rom 1918 [= SCG]Quaestiones disputatae de potentia Turin 1965 [= QDP]

192 Eleonore Stump

1 It is impossible that God have any spatial or temporal parts that couldbe distinguished from one another as here rather than there or as nowrather than then

The second claims that the standard distinction between an entityrsquos essentialand intrinsic accidental properties cannot apply to God3

2 It is impossible that God have any intrinsic accidental properties

And the third rules out the possibility of components of any kind in theessence that is the divine nature Even when it has been recognized that allGodrsquos intrinsic properties must be essential to him it must be acknowledgedas well that

3 whatever can be intrinsically attributed to God must just be the singleundivided unity that is God

For this reason God is his own essence or nature4 For all things other thanGod there is a real distinction between what they are and that they arebetween their essence and their existence but on the doctrine of simplicitythe essence that is God is not different from Godrsquos existence Therefore un-like all created entities God is his own being

II Difficulties raised by the doctrine of simplicity

There is a large literature attempting to explain and evaluate the claims con-stitutive of the doctrine of simplicity and it is not possible in this short paperto explore all the controversies at issue in this literature Here I will focus onjust one which Norman Kretzmann and I raised in earlier work5 It has todo with the apparent incompatibility of Godrsquos simplicity and Godrsquos free

Quaestiones disputatae de veritate ed Leonina XXII Vol III Rom 1973 [= QDV]De ente et essentia ed Leonina XLIII Rom 1976 [= ENTE]Expositio libri Boetii De ebdomadibus ed Leonina L RomndashParis 1992 [= In De hebd]Die angegebene Stelle in der ST findet sich I q3 a1ndash2 cf also q9 a1 and q10 a1

3 Sancti Thomae Aquinitatis ST (wie Anm 2) I q3 a64 Ebd a35 See N KretzmannE Stump ldquoAbsolute Simplicityrdquo Faith and Philosophy 2 1985 353ndash

382 For further development of our original view and attempts to take account of objecti-ons to it see the chapter on simplicity in E Stump Aquinas LondonndashNew York 2003 92ndash130 Some paragraphs of this paper are taken from that chapter

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 193

choice In my view this is the most challenging difficulty for the doctrine ofsimplicity

On the face of it the doctrine of simplicity seems to entail that the onlythings God can do are the things God does in fact do6 If God could dootherwise than he does then some characteristics of God would be contin-gent not necessary But contingent features of God would be accidents inGod or so it seems In medieval logic an accident is just a characteristic thata thing can have or lack and still be what it is7 Since the doctrine of simplici-ty rules out accidents in God it seems to entail that everything about God isessential to him and therefore necessary for him For this reason on thisinterpretation of divine simplicity God is the same in all possible worlds ascontemporary philosophers would put it Or to put the same point in otherwords on this interpretation of divine simplicity God cannot do other thanhe does

It is perfectly clear however that Aquinas does hold that God can doother than he does In fact Aquinas takes God to be possessed of choice orliberum arbitrium8 and he argues for this claim vigorously in a variety ofplaces But for Aquinas liberum arbitrium is the power for choosing amongalternative possibilities In addition to the standardly cited passage in Summatheologiae I q19 a10 for example Aquinas says in Quaestiones disputataede veritate q24 a3 ldquothere remains to God a free judgment [liberum iudici-um] for willing either this or that as there is also in us and for this reasonwe must say that liberum arbitrium is found in Godrdquo9

In particular Aquinas holds that God was free to create or not to createGodrsquos creating was not brought about in God by any necessity of nature10

6 The question whether God could do what he does not do or refrain from doing what hedoes is a well-recognized problem in the tradition of rational theology Aquinas for in-stance discusses it several times ndash z B Sancti Thomae Aquinitatis Commentarii in librossententiarum [= In Sent] (wie Anm 2) I 43 11ndash2 Sancti Thomae Aquinitatis SCG (wieAnm 2) II c23 26ndash27 Sancti Thomae Aquinitatis QDP (wie Anm 2) q1 a5 SanctiThomae Aquinitatis ST (wie Anm 2) I q25 a5 I discuss this question further later in thispaper

7 See for example Peter of Spain (Petrus Hispanus Portugalensis) Tractatus AfterwardsCalled Summule logicales ed L M de Rijk Assen 1972 23 Accidens est quod adest etabest praeter subiecti corruptionem

8 The notion of liberum arbitrium is not equivalent to our notion of free will but is rather anarrower concept falling under the broader concept of freedom in the will For more expla-nation of Aquinasrsquos understanding of liberum arbitrium see the chapter on freedom inStump Aquinas (wie Anm 5) 277ndash306

9 Sancti Thomae Aquinitatis QDV (wie Anm 2) q24 a3 unde remanet ei liberum iudiciumad volendum hoc vel illud sicut etiam et in nobis est Et propter hoc oportet dicere in Deoliberum arbitrium inveniri [hellip] The translations of Aquinasrsquos texts in this paper are mine

10 See for example Sancti Thomae Aquinitatis SCG (wie Anm 2) II c23

194 Eleonore Stump

And since this is so with regard to creating God could do other than hedid In fact God did create but it was open to God not to create Notcreating is therefore something that God could have done but did not do

Thomists have typically supposed that Aquinasrsquos claim that God has noaccidents is consistent with Aquinasrsquos claim that God could do other thanhe does For example Reginald Garrigou-Lagrange says ldquoGodrsquos free act ofcreation although it would be possible for Him not to act is not an acci-dentrdquo11

And later he says ldquoGod is absolutely immutable although it was in Hispower not to choose that which He freely chooses from eternity For thisfree choice is not even in the least degree a superadded accident in God andit posits no new perfection in Himrdquo12

But how are these positions to be reconciled If God can do other thanhe does then it is possible for God to exist as God and yet act differentlyfrom the way he actually does act In that case however the way God actual-ly acts is not necessary to him Hence that God acts in the way he does is acontingent fact about God For this reason Godrsquos acting in this way certainlydoes appear to be an accident of Godrsquos And yet Aquinas holds not only thatGod has no accidents but even that God is his own nature and so since thenature of God is invariable it seems that God cannot do other than he doesPut in contemporary terms on this interpretation of divine simplicity Godmust be the same in all possible worlds in which he exists

We can put the conundrum this way Since no one whose will is boundto just one set of acts makes real choices among alternative acts it looks asif accepting Godrsquos absolute simplicity as a datum leads to the conclusion thatGod has no alternative to doing what he does If we begin from the otherdirection by taking it for granted that God does make choices among alter-natives then it seems that God cannot be absolutely simple

Furthermore this problem looks particularly intractable because it seemsto show a deep and irreducible difference among those things characterizingGod contrary to the doctrine of simplicity which seems to imply that Godrsquosnature is utterly and indivisibly one If God has free choice then some of thethings characterizing God are things God chooses to be characterized by ndashsuch as his being a God who creates But it makes no sense to suppose thatGod freely chooses all the things that characterize him so that it is up tohim for example whether or not the principle of non-contradiction appliesto him or whether or not he is omnipotent good eternal or simple Consid-erations of this sort evidently require us to draw a distinction between two

11 R Garrigou-Lagrange The One God St LouisndashLondon 1943 190ndash19112 Ebd 511 f

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 195

groups of things characterizing God those that are freely chosen by God andthose regarding which God has no choice

And this apparently real distinction among things characterizing Godcannot be explained as only a reflection of diversity in the temporal effectsbrought about by the single eternal activity which is God or as no morethan different manifestations of a single active goodness Instead on thisinterpretation of divine simplicity this distinction appears to express a radi-cal diversity within the divine nature itself in that some characteristics ofGod ndash such as his existing ndash are not subject to his control while others ndashpresumably such as his creating the world ndash are consequences of his freechoice13

In this paper I will first outline the heart of the doctrine of simplicity byfocusing on Aquinasrsquos connection between Godrsquos simplicity and the quid estor essence of God Then I will argue that these considerations provide acertain resolution of the apparent incompatibility between divine simplicityand divine free will The result is a metaphysics of the ultimate foundationof all reality that is decidedly non-Aristotelian but rich and powerful in itsapplications

III Agnosticism about Godrsquos nature

It is helpful to begin by setting aside one interpretation of Aquinasrsquos positionAquinas places a discussion of Godrsquos simplicity at the start of his treat-

ment of the nature of God in the Summa theologiae14 and he begins thatdiscussion with a short prologue In the prologue he says

13 This apparent diversity is clearly expressed by Aquinas in such passages as these (SanctiThomae Aquinitatis SCG I c80) (wie Anm 2) Deus de necessitate velit suum esse et suambonitatem nec possit contrarium velle (ldquoGod necessarily wills his own being and his owngoodness and he cannot will the contraryrdquo) Sancti Thomae Aquinitatis SCG I c88 (wieAnm 2) [hellip] respectu sui habeat voluntatem tantum respectu autem aliorum electionemElectio autem semper per liberum arbitrium fit Deo igitur liberum arbitrium competit (ldquoinrespect of himself God has only volition but in respect of other things he has selection(electio) Selection however is always accomplished by means of free choice Thereforefree choice is suited to Godrdquo) Ebd Nam liberum arbitrium dicitur respectu eorum quaenon necessitate quis vult sed proprie sponte [hellip] (ldquofree choice is spoken of in respect ofthings one wills not necessarily but of onersquos own accordrdquo) Notice that even though Godrsquosexistence and attributes are conceived of here as being willed by God they are expresslyexcluded from among the objects of Godrsquos free choice This diversity is discussed furtherlater in this paper

14 Sancti Thomae Aquinitatis ST (wie Anm 2) I q3 Cognito de aliquo an sit inquirendumrestat quomodo sit ut sciatur de eo quid sit Sed quia de Deo scire non possumus quid sitsed quid non sit non possumus considerare de Deo quomodo sit sed potius quomodo non

196 Eleonore Stump

ldquoWhen we know with regard to something that it is we still need to askabout its mode of being (quomodo sit) in order to know with regard toit what it is (quid sit) But because we are not able to know with regardto God what he is but [rather] what he is not we cannot consider withregard to God what the mode of being is but rather what the mode ofbeing is not hellip it can be shown with regard to God what the mode ofbeing is not by removing from him those things not appropriate to himsuch as composition and motion and other things of this sortrdquo

This passage and others like it have sometimes been cited as evidence for aninterpretation of Aquinas as committed to the via negativa in a radical waySo for example Leo Elders says ldquoThe comprehension of Godrsquos essence isaltogether excluded This conclusion is presupposed in the Prologue to theThird Question Even if we say that God is perfect good or eternal we mustrealize that we do not know what these terms mean when predicated ofGodrdquo15

Claims such as this can give the impression that for Aquinas becauseof Godrsquos simplicity it is not possible for human beings to have any positiveknowledge of God On this interpretation of Aquinasrsquos views Aquinas main-tains that because God is simple human beings can know what God is notbut they cannot know anything of what God is16

But caution is warranted here It is true that Aquinas explains divinesimplicity in terms of what God is not ndash not a body not composed of matterand form and so on On the other hand however in the course of showingwhat God is not Aquinas relies heavily on positive claims about God Sofor example he argues that God is not a body on the basis of these claimsamong others God is the first mover God is pure actuality God is the firstbeing God is the most noble of beings In arguing that God is not composedof matter and form Aquinas in fact makes a huge substantial positive meta-physical claim about the nature of God He says ldquoa form which is not ableto be received in matter but is subsistent by itself (per se subsistens) is individ-uated in virtue of the fact that it cannot be received in something else AndGod is a form of this sortrdquo17

sit [hellip] Potest autem ostendi de Deo quomodo non sit removendo ab eo ea quae ei nonconvenient utpote compositionem motum et alia hujusmodi

15 E L Elders The Philosophical Theology of St Thomas Aquinas Leiden 1990 14316 For discussion of this position in the secondary literature see the chapter on simplicity in

Stump Aquinas (wie Anm 5) 92ndash13017 Sancti Thomae Aquinitatis ST (wie Anm 2) I q3 a2 ad 3 Sed illa forma quae non est

receptibilis in materia sed est per se subsistens ex hoc ipso individuatur quod non potestrecipi in alio et hujusmodi forma est Deus

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 197

In Summa theologiae I q13 the question about the names of God Aqui-nas explicitly repudiates the sort of agnosticism some scholars attribute tohim Aquinas himself associates such a position with Moses Maimonides andattacks it vigorously In still other texts Aquinas bluntly rejects the viewthat human beings can have no positive knowledge of God In Quaestionesdisputatae de potentia q7 a5 for example he says ldquo[hellip] the understandingof a negation is always based on some affirmation And this is clear fromthe fact that every negation is proved by an affirmation For this reasonunless the human intellect knew something affirmatively about God it wouldbe unable to deny anything of Godrdquo18

For all these reasons it is a mistake to read the prologue to Summatheologiae I q3 as implying a radical agnosticism with regard to knowledgeof God

In my view the problem in interpreting Aquinasrsquos remarks in the pro-logue has to do with the expression lsquoquid estrsquo in the claim that we do notknow of God what he is (quid est)19 The expression lsquoquid estrsquo is a technicalterm of medieval logic For example Peter of Spain the author of a standardscholastic logic text gives the traditional medieval formula for a genus asldquothat which is predicated of many things differing in species in respect ofwhat they are (in eo quod quid)rdquo20 This phrase (lsquoin eo quod quid estrsquo) in aslightly different definition captures the notion of species as well The quidest of something therefore has to do with the genus or species of that thingor more generally with the kind of thing it is So if one cannot know some-thingrsquos quid est one cannot know what kind of thing it is

It is helpful to see in this connection that one can know a great dealabout something even if one does not know (or cannot know) what kind ofthing it is According to quantum physics we do not know what kind ofthing light is The best we can do is sometimes to think of light as a waveand sometimes to think of it as a particle although we recognize that lsquowaversquoand lsquoparticlersquo are not synonymous terms and we certainly understand thatnothing can be at the same time both a wave and a particle So we do notknow the quid est of light and our modes of speaking about light are irredu-

18 Sancti Thomae Aquinitatis QDP (wie Anm 2) q7 a5 intellectus negationis semper fun-datur in aliqua affirmatione quod ex hoc patet quia omnis negativa per affirmativam pro-batur unde nisi intellectus humanus aliquid de Deo affirmative cognosceret nihil de Deoposset negare

19 See in this connection particularly Sancti Thomae Aquinitatis SCG (wie Anm 2) I c1420 Peter of Spain Tractatus (wie Anm 7) 17 Et sic diffinitur genus est quod predicatur de

pluribus differentibus specie in eo quod quid (19) Species est que predicatur de pluribusdifferentibus numero in eo quod quid est

198 Eleonore Stump

cibly imprecise Even so however we have a great deal of positive knowledgeabout light

So it is not accurate to take Aquinas as embracing a radical agnosticismabout Godrsquos nature However we are to understand his version of the doc-trine of divine simplicity it does not imply that we cannot know anythingpositive about God With this worry over agnosticism put to one side wecan now turn again to the doctrine of simplicity

IV Esse and id quod est

On the doctrine of simplicity God is his own essence or quid est and hisessence is being or esse It seems to follow from these claims that God justis identical to esse If God is the ultimate foundation of all reality and Godis esse then Aquinasrsquos position seems at least similar to Aristotlersquos at leastinsofar as it privileges being as foundational in metaphysics

Furthermore in his commentary on Boethiusrsquos treatise De hebdomadi-bus Aquinas makes a careful distinction between esse and an entity or idquod est21 Among the many differences between esse and id quod est thatAquinas introduces he calls attention to the fact that lsquoid quod estrsquo signifiessomething concrete whereas lsquoessersquo does not22 He also highlights the fact thatid quod est is particular23 whereas esse is not In these and other ways Aqui-nas argues for the metaphysical difference between esse and id quod estSince on the doctrine of simplicity God is esse and esse is distinct from idquod est in these ways some scholars conclude that for Aquinas God is nota concrete particular in fact God is not an entity at all24

It is an advantage of this interpretation of Aquinasrsquos view of divine sim-plicity that it helps to explain the three basic claims of the doctrine of simplic-ity formulated above Nothing which is not an id quod est has temporal orspatial parts And nothing which is not an id quod est has intrinsic accidentseither For example ldquorednessrdquo is not an id quod est and it has no intrinsicaccidents It is the wrong ldquosortrdquo of thing we might say to have intrinsicaccidents If we think of intrinsic accidents as belonging somewhere in the

21 In this connection cf also Sancti Thomae Aquinitatis ENTE (wie Anm 2) c3 Cf alsoJohn Wippel Being The Oxford Handbook of Aquinas ed B DaviesE Stump Oxford2011 77ndash84

22 Sancti Thomae Aquinitatis In De hebd (wie Anm 2) II 2223 Ebd II 2424 Vgl z B Elders Philosophical Theology (wie Anm 15) 22 ldquoFor St Thomas God is never

ldquoan objectrdquo for God is far above our understandingrdquo

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 199

nine Aristotelian categories other than substance then it is easy to see whynothing that is not an id quod est should be thought to have intrinsic acci-dents ldquoRednessrdquo does not have a certain size or quantity for example itdoes not engage in action or receive the action of anything else ndash and so onRedness is what it is ndash redness ndash and nothing else at all

In addition with regard to something that is not an id quod est evenexistence cannot be attributed to it Because ldquorednessrdquo is not an id quod estthen it might be true that there is redness but its being redness would be allthere is to it For Aquinas who is not tempted to Platonism in this connec-tion redness is not the kind of thing that can exist Consequently we cannotseparate redness into itself and its existence The same point holds as regardsesse There is no distinction between esse and the existence of esse If therewere esse would become something concrete and particular an id quod estrather than only esse

So the supposition that God is only esse helps to make sense of the threeclaims of simplicity presented at the outset Nonetheless this supposition ismisleading at best and at worst certainly false if not nuanced carefully

One problem is that on this supposition the concept of God as onlyesse seems religiously pernicious Alvin Plantinga puts the problem in termsof Godrsquos being a property but his objections remain the same if we transposehis lsquopropertyrsquo into lsquoessersquo Plantinga says ldquoThis view [that God is identical toesse alone] is subject to a difficulty both obvious and overwhelming Noproperty could have created the world no property could be omniscient orindeed know anything at allrdquo25

On Aquinasrsquos own views of the difference between esse and id quod estPlantingarsquos conclusions are right As Aquinas himself explains nothing thatis not an id quod est can exercise any causal efficacy or enter into any causalrelations whether in creating or in knowing

Consequently if the doctrine of simplicity implies that God is esse alonethen it seems that many of the standard divine attributes discussed and ac-cepted by Aquinas cannot be applied to God Those attributes apply only tosomething that is an id quod est Moreover many of the biblical storiesabout Godrsquos interactions with human persons which Aquinas himself takesseriously and literally26 cannot be understood as Aquinas understands themif God is only esse and not id quod est

So here is where matters stand As Aquinas himself is at pains to showin his commentary on Boethiusrsquos De hebdomadibus there is all the difference

25 A Plantinga Does God Have a Nature Milwaukee 1980 4726 As he does for example with regard to Godrsquos interactions with Job see his prologue to

his Expositio super Job

200 Eleonore Stump

in the world between something which is esse and something which is an idquod est If the doctrine of simplicity is correctly understood as some defend-ers of the doctrine and also some detractors of it suppose to mean thatGod is only esse then it is hard to know how to ward off the dramaticinfelicities Plantinga laments and Aquinas appears caught in large obviousself-contradictions

V Quantum metaphysics

It is worth noticing however that on this interpretation of Aquinasrsquos viewof divine simplicity as found in some defenders and detractors of the doc-trine of simplicity we do in fact know the quid est of God That is becauseon this interpretation we know that God is esse and we know somethingabout the nature of esse as Aquinasrsquos own discussion of it in his commentaryon Boethiusrsquos De hebdomadibus shows where he gives a detailed characteri-zation of esse So if the doctrine of simplicity has to be interpreted as claim-ing that God is only esse and nothing more then on Aquinasrsquos own viewswe would actually know a reasonable amount about the quid est of GodBut as is clear from Aquinasrsquos prologue to the question on simplicity inSumma theologiae Aquinas is insistent that we are unable to know the quidest of God because of Godrsquos simplicity And so the implication of the viewthat God is esse alone namely that we do know a reasonable amount aboutthe quid est of God should be a warning sign about this interpretation

In my view the problem with this interpretation is not that it identifiesGod with esse The problem is that it rejects the notion of God as id quodest This rejection looks sensible especially given Aquinasrsquos care to distin-guish esse from id quod est but in fact it is not true to Aquinasrsquos positionas can be seen from the very commentary on Boethius in which Aquinasexercises so much care to distinguish esse from id quod est

In his commentary on Boethiusrsquos De hebdomadibus Aquinas begins hisdiscussion of esse and id quod est by saying

ldquoWe signify one thing by lsquoessersquo and another thing by lsquoid quod estrsquo justas we signify one thing by lsquorunningrsquo (lsquocurrerersquo) and another thing by lsquoarunnerrsquo (lsquocurrensrsquo) For lsquorunningrsquo and lsquoessersquo signify in the abstract justas lsquowhitenessrsquo also does but lsquoid quod estrsquo that is lsquoan entityrsquo and lsquoarunnerrsquo signify in the concrete just as lsquoa white thingrsquo also doesrdquo27

27 Sancti Thomae Aquinitatis In De hebd (wie Anm 2) II 22 Aliud autem significamus perhoc quod dicimus esse et aliud per id quod dicimus id quod est sicut et aliud significamuscum dicimus currere et aliud per hoc quod dicitur currens Nam currere et esse significatur

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 201

And Aquinas concludes that discussion this way

ldquoit is evident on the basis of what has been presented that [hellip] in com-posite things esse and id quod est differ as regards the things themselves(realiter)28hellip And so [Boethius] says that in every composite thing esseis one thing and the composite thing itself [the thing as an id quod est]is anotherrdquo29

But having worked so hard to distinguish between esse and id quod est inthis way Aquinas then goes on immediately to say something that is on theface of it quite surprising He says ldquoIn simple things [however] esse itselfand id quod est must be one and the same as regards the things themselves(realiter)rdquo30

And after giving an argument that there cannot be more than one thingwhich is both esse and also id quod est Aquinas sums up his position bysaying ldquoThis one sublime simple is God himselfrdquo31

On Aquinasrsquos view then the distinction he has been arguing for betweenesse and id quod est does not hold in Godrsquos case It is right to say that Godis esse as the doctrine of simplicity makes clear But this esse is also ndash some-how ndash an id quod est

We could suppose that in making this claim about God Aquinas is willingto violate the laws of logic as regards God since he himself has just shownthat the characteristics of esse and those of id quod est are incompatible Butthis would be a rash conclusion since in many other places Aquinas mani-festly supposes that even God cannot do what is logically contradictory32

But if we remember Aquinasrsquos insistence that we cannot know the quid estfor God then another interpretation suggests itself Another way to think

in abstracto sicut et albedo sed quod est id est ens et currens significatur in concreto velutalbum

28 The qualifier lsquorealiterrsquo is needed here because in the preceding discussion Aquinas has ex-amined the distinction between esse and id quod est considered just as concepts Once thatconceptual distinction has been established he moves next to show that the conceptualdistinction is exemplified by all composite things but that it does not apply to the onething which is entirely simple namely God

29 Sancti Thomae Aquinitatis In De hebd (wie Anm 2) II 32 sicut esse et quod est differuntsecundum intentiones ita in compositis differunt realiter Quod quidem manifestum est expraemissis [hellip] et ideo dicit quod in omni composito aliud est esse et aliud ipsum composi-tum quod est participando ipsum esse

30 Ebd II 33 in simplicibus in quibus necesse est quod ipsum esse et id quod est sit unum etidem realiter Vgl also Sancti Thomae Aquinitatis SCG (wie Anm 2) I c38

31 Sancti Thomae Aquinitatis In De hebd (wie Anm 2) II 3532 For an excellent discussion of Aquinasrsquos theory of modality and its connection to Godrsquos

nature see T Pawl Thomistic Account of Truthmakers for Modal Truths Saint LouisUniversity Dissertation 2008

202 Eleonore Stump

about the doctrine of simplicity as Aquinas understands it is as the expressionof a kind of quantum metaphysics

What kind of thing is it which has to be understood both as a wave andas a particle We do not know That is we do not know the quid est of lightAt the ultimate foundation of all reality things get weird we might say Theultimate foundation of physical reality includes light and quantum physicswhich is our best attempt at understanding the kind of thing light is requiresalternately attributing to light incompatible characteristics

Analogously we can ask What kind of thing is it which can be bothesse and id quod est We do not know The idea of simplicity is that atthe ultimate metaphysical foundation of reality is something that has to beunderstood as esse ndash but also as id quod est We do not know what kind ofthing this is either And this conclusion is precisely what we should expectfrom Aquinasrsquos insistence that we do not know the quid est of God

Nonetheless on Aquinasrsquos view we can have considerable positive knowl-edge about God even so just as we can have a significant body of knowl-edge about light on quantum physics

We can begin by recognizing that Godrsquos nature is such that there is some-thing false about conceiving of it either as esse alone or as id quod est aloneThat is why Aquinas says of God ldquoWith regard to what God himself is(secundum rem) God himself is neither universal nor particularrdquo33

For this reason we have to exercise care in the way we frame our claimsabout God It is acceptable to say that God is esse provided that we under-stand that this claim does not rule out the claim that God is id quod est anentity a concrete particular

Aquinas puts the point this way

ldquoThose [material] creatures that are whole and subsistent are compositeBut the form in them is not some complete subsisting thing Rather theform is that by means of which some thing is For this reason all thenames imposed by us to signify some complete subsisting thing signifyin the concrete as is appropriate for composite things But those namesthat are imposed to signify simple forms signify something not as subsist-ing but rather as that by means of which something is as for examplelsquowhitenessrsquo signifies that by means of which something is white There-fore because God is both simple and subsistent we attribute to God bothabstract names ndash to signify Godrsquos simplicity ndash and concrete names ndash tosignify Godrsquos wholeness and subsistence Nonetheless each kind of name

33 Sancti Thomae Aquinitatis ST (wie Anm 2) I q13 a9 ad 2 Deus secundum rem non sitnec universalis nec particularis

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 203

falls short of Godrsquos mode [of being] just as our intellect does not knowGod as he is in this liferdquo34

We can gain insight into Aquinasrsquos position here by considering that thereare Scriptural texts claiming that God is loving and Scriptural texts claimingthat God is love35 It seems however that these claims cannot be true togeth-er If they were it would have to be true that love is loving But love isabstract and universal And as Plantingarsquos lines call to our attention anabstract universal is not the sort of thing that can be loving It isnrsquot a personand only persons can be loving36 So it seems just a category mistake toattribute loving to love On Aquinasrsquos understanding of the doctrine of sim-plicity however we can make sense of both these Scriptural claims BecauseGod is simple and we do not comprehend his quid est the best we can do isto adopt quantum metaphysics Sometimes we have to characterize God withabstract terms ndash and so we say that God is love ndash and sometimes we have tocharacterize God with concrete terms ndash and so we say that God is loving

Consequently it turns out that in one sense Plantinga is after all inagreement with Aquinas Each of them thinks that God must be character-ized as an id quod est a concrete entity The difference between them liesprecisely in the quantum metaphysics mandated by the doctrine of simplicityFor Aquinas it is right to describe God as an id quod est capable of creatingloving and acting ndash but only with the proviso that it is also right to describeGod as esse

34 Sancti Thomae Aquinitatis ST (wie Anm 2) I q13 a1 ad 2 Et quia in hujusmodi creaturisea quae sunt perfecta et subsistentia sunt composita forma autem in eis non est aliquidcompletum subsistens sed magis quo aliquid est inde est quod omnia nomina a nobisimposita ad significandum aliquid completum subsistens significant in concretione proutcompetit compositis quae autem imponuntur ad significandas formas simplices significantaliquid non ut subsistens sed ut quo aliquid est sicut albedo significat ut quo aliquid estalbum ndash Quia igitur Deus et simplex est et subsistens est attribuimus ei et nomina abstrac-ta ad significandam simplicitatem ejus et nomina concreta ad significandam subsistentiamet perfectionem ipsius quamvis utraque nomina deficient a modo ipsius sicut intellectusnoster non cognoscit eum ut est secundum hanc vitam Vgl also Sancti Thomae Aquinita-tis SCG I c30

35 For an example of the first see 1 Joh 4 10 and for an example of the second see 1 Joh 48

36 In this context I am using lsquopersonrsquo in a contemporary sense not the medieval sense inwhich it is true that there are three persons in the Trinity On medieval theology there isone mind and one will in God and therefore God counts as a person in our contemporarysense of lsquopersonrsquo

204 Eleonore Stump

VI Simplicity contingency and divine free will

On the doctrine of eternity God is outside time37 Some scholars have takenthat doctrine to imply that God cannot act since (on their view) all actionpresupposes temporal duration or temporal location Or they have supposedthe doctrine implies that Godrsquos mode of existence is that of a frozen pointas it were without duration of any kind since (on their view) all duration ispersistence through time In effect such interpretations of the doctrine ofeternity take the doctrine to imply a metaphysical smallness about an eternalGod by comparison with temporal creatures

But on Aquinasrsquos view this is to get the doctrine backwards as it wereThe mode of existence of an eternal God is greater than that of temporalentities God is able to act at any and every point in time and his mode ofexistence is broad enough to encompass all of time within it38 Just as all ofa two-dimensional world can be here from the point of view of a personinhabiting a three-dimensional world so all of time is present from the pointof view of an eternal God inhabiting the now of eternity For Aquinas thedoctrine of eternity implies not a metaphysical smallness in God but rathera metaphysical greatness in God whose mode of duration encompasses thewhole world of time in which temporal creatures live

There is an analogous conceptual move to be made as regards the doc-trine of simplicity On the doctrine of simplicity God is subsistent esse Somescholars have interpreted the doctrine to imply that God is identical only toesse39 giving rise to the complaint voiced by Plantinga that a simple Godcannot act as persons do or to the equally worrisome objection that every-thing about God is absolutely necessary since there are no accidents in GodIn effect such an interpretation of the doctrine of simplicity takes it to implythat God is metaphysically more limited than concrete things such as com-posite human beings who can act and who can do otherwise than they do

But this is to get the doctrine of simplicity backwards The doctrine ofsimplicity implies that at the ultimate metaphysical foundation of all realitythere is the esse that is God But it also implies that this esse without losingany of its character as esse is also somehow an id quod est subsistent andconcrete with more ability to act and with more freedom in its acts thanany concrete composite entity has

37 For defense of this claim see the chapter on eternity in Stump Aquinas (wie Anm 5) 131ndash158

38 For explanation and defense of these claims see the chapter on eternity in Stump Aquinas(wie Anm 5) 131ndash158

39 That is not to common esse but to the esse that is God

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 205

On this way of understanding divine simplicity when the esse that isGod acts its action is not an accident in it This is not because esse is aninert universal like redness that is the same in all possible worlds Ratherbecause this esse is subsistent because it is also an id quod est it is moreactive than anything composite is and it has more power to do otherwisethan any composite entity does

It is not that Aquinas fails to see that there is an incompatibility betweenesse and id quod est or that he supposes the laws of logic do not hold inGodrsquos case Rather on his interpretation of the doctrine of simplicity it isnot strictly speaking correct to assert just that God is esse or just that Godis an id quod est In fact Godrsquos true nature is unknown to us at least in thislife Human reason can see that human reason cannot comprehend the quidest of God But what human reason can comprehend is that whatever Godrsquosnature really is it is such that those things true of esse and those things trueof an id quod est should both be affirmed of it even if differently and indifferent contexts

Since it is right to say that God is esse even if his real nature is notcorrectly and precisely specified as identical to esse then it is also right tosay that God has no accidents Nothing characterizable as esse can haveaccidents any more than redness can have accidents Redness is redness andnot redness plus accidents Redness is only its own nature The same pointapplies to God as the doctrine of simplicity affirms

But one very big metaphysical difference between redness and God liesin the difference between the nature of redness and the nature of the subsist-ent esse that God is Redness is not the kind of thing that exists since it isnot a particular But the esse that is God is not a universal like rednessRather this esse is such that it is also right to say that it is an id quod estAs such it is right to say that it is a particular an entity and that it doesexist Since it nonetheless remains right to say of it that it is esse it is rightto say that there is nothing to it except its nature as esse Even its existencethen is its esse

Similar things have to be said about Godrsquos acts Nothing that is only anabstract universal could act But because it is also right to say that God isan id quod est it is right to hold that God has the power to act and doesact Nonetheless when God acts it is also right to say that what acts is esseand so Godrsquos acting remains within his nature as esse That is the acts en-gaged in by the esse that is also an id quod est are not added on to esse assomething additional to esse In acting the esse that is God remains esse itdoes not become esse plus the property of acting

Our mode of speaking is therefore inaccurate as regards God but wecan nonetheless see how to frame a quantum metaphysics just as we can

206 Eleonore Stump

work out the mathematics of a quantum physics even if our mode of speak-ing about light is analogously imprecise

On the doctrine of simplicity then the esse that is the ultimate founda-tion of reality has the power to do more than created composite things cando but without its ceasing to be esse In the power and the richness that isthe subsistent esse which God is God can do otherwise than he does withoutceasing thereby to be esse Creation is a free and not a necessitated act onGodrsquos part40

Consequently on Aquinasrsquos interpretation of divine simplicity not allGodrsquos acts are necessitated as contemporary philosophers would put thispoint God is not the same in all possible worlds On the contrary on Aqui-nasrsquos interpretation of divine simplicity it is in fact right to say that there iscontingency in God in our sense of the term lsquocontingencyrsquo But if so thenthere is no problem about Godrsquos having alternative possibilities open to himIt is true that God is not changeable across time At each and every timeGod is one and the same But since even on the doctrine of simplicity Godcan do other than he does this is sufficient for the claim that God has freewill that God has the power to choose among alternative possibilities

Furthermore for the same reasons it is also the case that a simple Godis responsive to things in time A simple God cannot do anything after some-thing happens in time but a simple God has the power to act because ofsomething that happens in time That is because if something in time hadbeen otherwise a simple God might have acted otherwise than he did Tosay this is clearly not to say that God decides what to do after somethinghappens in time or that God can change in time or that there is any potencyin God To say this is only to claim that God has the power to do otherwisethan he does as Aquinas himself argues41 As long as a simple God does atleast some of what he does because of what happens in time God is respon-sive to things in time

But it is still not the case that there are accidents in God or a radicaldiversity within God For composite things contingency (in our sense of theterm) comes with composition of subject and accident but not for God Toascribe contingency free will and action to God is to affirm God as an idquod est a subsistent particular who has causal power of a sort providedby his nature as other particulars also do The subsistent esse that is Godhas more power to act than a composite thing does not less But because

40 For a discussion of this point and the relevant Thomistic texts see the chapter on simplicityin Stump Aquinas (wie Anm 5) 92ndash130

41 For a more detailed discussion of this point see the chapter on simplicity in Stump Aquinas(wie Anm 5) 92ndash130

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 207

the doctrine of simplicity requires simultaneously affirming that God is esseit remains the case that what acts with free will is esse and there are noaccidents in esse or any other radical diversity within it either

Finally just as it is true that redness is one single indivisible unity notdivisible into subject and accident or even into entity and existence so it isright to say the same things about the esse that is God Esse is one singleindivisible unity But because this esse is also an id quod est it is right todistinguish in God those things which are subject to his control such as hiscreating and those that are not such as his divine nature This conclusiondoes not deny that God is esse however on the quantum metaphysics man-dated by the doctrine of simplicity On the doctrine of simplicity it is rightto say that God is an id quod est without its thereby being necessary to denythat God is esse

That these apparently contradictory claims all have to be affirmed showsthat there is a deficiency in our mode of speaking because of course strictlyspeaking these claims cannot all be true Furthermore the laws of logic stillapply to God and not just anything can be correctly affirmed of God Butthe problem is that we do not know how to formulate the claims about Godin an accurate mode of speaking If we could do so then we would knowthe true nature of God We would know the quid est of God But this isprecisely what we do not know So although on Aquinasrsquos view we can haveconsiderable positive knowledge of God the modes of speaking about Godretain their inaccuracy in anything having to do with the quiddity of God

What is it at the ultimate foundation of all reality which is neither anabstract universal nor a concrete particular but which is such that it has tobe affirmed sometimes as esse and sometimes as an id quod est Because wecannot give the answer to this question the best we can do is a sort ofquantum metaphysics analogous to quantum physics where we are in thesame position as regards light We do not understand the quid est of lighteither but we have a large and well-developed physics anyway which givesus a powerful connection to physical reality even if its modus dicendi isdeficient For Aquinas the same is true as regards the metaphysics of beingand the philosophical theology of Godrsquos nature

And so in lines that sum up well the idea of God as esse that is also idquod est Aquinas says

ldquoalthough God is esse only [and not something composite as materialcreatures are] hellip nonetheless God has all the perfections which are inall the genera [of created things] hellip And this is because all these perfec-tions come together in him in accordance with his simple esse By wayof analogy if someone could bring about the functioning of all qualities

208 Eleonore Stump

by means of one quality he would have [in effect] all the qualities inthat one quality In just this way God has all the perfections in hisesserdquo42

VII Conclusion

The difficulty of thinking onersquos way up the ladder of being can leave onewith the impression that the immutable impassible eternal simple God ofThomistic philosophical theology is frozen static inert unresponsive totallynecessitated and incapable of action But Aquinasrsquos notion of God is exactlythe opposite If it were not so subject to misinterpretation one might wellsay that for Aquinas God is maximally dynamic and not static at all OnAquinasrsquos views there is more ability to act ndash one might say more action ndashand more responsiveness on the part of a God with the classical divine attrib-utes than there could be on the part of a composite entity acting in time43

That is why Aquinas can say that in the esse that is God there are all theperfections of all the genera of created things ndash including responsiveness andaction which are perfections of any id quod est with mind and will44

To try to explain the doctrine of simplicity in this way is not to providean argument for the truth or even the compatibility of its claims It is justto try to contribute to insight into this most challenging part of Thomisticphilosophical theology If contra Aquinas we could grasp the quid est ofsomething that is both esse and id quod est we might understand exactlyhow to explain what kind of thing can be described in all these ways andwhat arguments might demonstrate such a description of a simple God Butas it is on Aquinasrsquos views we do not comprehend Godrsquos quid est It is

42 Sancti Thomae Aquinitatis ENTE (wie Anm 2) c5 quamvis sit esse tantum habet omnesperfectiones que sunt in omnibus generibus Et hoc est quia omnes ille perfectiones conveni-unt sibi secundum esse suum simplex sicut si aliquis per unam qualitatem posset efficereoperationes omnium qualitatum in illa una qualitate omnes qualitates haberet ita Deus inipso esse suo omnes perfectiones habet

43 Godrsquos actuality or act of being is an important implication of the doctrine of divine simplici-ty but a detailed exploration of this issue has to be left to one side in this brief paper

44 In this connection it is hard to resist calling attention to the case of light again WhenNewton first discovered that white light contained within it all the richness of the othercolors of light there was considerable opposition to his finding The opposition supposedthat the simplicity of white light excluded the other colors whose richness was thought tobe somehow tarnishing of the pure whiteness of white light Goethe who was among theopposition summed up this sort of attitude by saying that white light is ldquothe simplest mostundivided most homogenous being that we knowrdquo I am indebted to Andrew Pinsent forthe point and the historical information

Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics 209

easy to imagine how difficult it would be for a two-dimensional creature tocomprehend three-dimensional beings But the metaphysical distance be-tween God and creatures is very much greater than this And so we arelimited to the kind of quantum metaphysics sketched here On this quantummetaphysics a great deal of positive knowledge about God is possible butthe modes of speaking retain an irreducible inaccuracy as regards Godrsquos quid-dity

At the ultimate foundation of all reality for Aquinas there is thensomething very different from the transcendental being which is the Aristote-lian metaphysical ultimate It is being too but being that is somehow alsoan entity with the ability to create to know and to love45

Literatur

QuellenPeter of Spain (Petrus Hispanus Portugalensis) Tractatus Afterwards Called

Summule logicales ed L M de Rijk Assen 1972Sancti Thomae Aquinitatis Summa theologiae ed Leonina IVndashXII

Rom 1888ndash1906Sancti Thomae Aquinitatis In quattuor Libros Sententiarum Stuttgart 1980Sancti Thomae Aquinitatis Summa contra gentiles ed Leonina XXXIII

Rom 1918Sancti Thomae Aquinitatis Quaestiones disputatae de potentia Turin 1965Sancti Thomae Aquinitatis Quaestiones disputatae de veritate ed Leonina

XXII Vol III Rom 1973Sancti Thomae Aquinitatis De ente et essentia ed Leonina XLIII Rom

1976Sancti Thomae Aquinitatis Expositio libri Boetii De ebdomadibus ed Leo-

nina L RomndashParis 1992

45 I owe a debt of gratitude to Theodore Vitali C P whose relentless questioning of myprevious presentation of the doctrine of simplicity led me to want to examine the topicagain And I have learned a great deal from the seminar presentations on divine simplicitygiven by John Foley S J His seminar presentations led me to rethink the doctrine in theway I have outlined it here I am also grateful to him for trenchant criticisms of more thanone earlier draft which caused me to rework some central parts of this paper Finally I amgrateful as well to David Burrell Brian Davies Tim Pawl and Andrew Pinsent for helpfulcomments on an earlier draft

210 Eleonore Stump

Sonstige LiteraturElders L The Philosophical Theology of St Thomas Aquinas Leiden 1990Garrigou-Lagrange R The One God St LouisndashLondon 1943Kretzmann NStump E ldquoAbsolute Simplicityrdquo Faith and Philosophy 2

1985 353ndash382Pawl T A Thomistic Account of Truthmakers for Modal Truths Saint Louis

2008Plantinga A Does God Have a Nature Milwaukee 1980Stump E Aquinas LondonndashNew York 2003Wippel J Being The Oxford Handbook of Aquinas ed B DaviesE

Stump Oxford 2011 77ndash84

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique

Olivier Boulnois

Dans la Meacutetaphysique du Shifa Avicenne soutenait que le sujet de la meacuteta-physique eacutetait lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant Il donnait agrave son analyse une dimensionnoeacutetique en affirmant que lrsquoeacutetant est lrsquoobjet premier de notre intellect Albertle Grand Thomas drsquoAquin et Duns Scot qui lisent Aristote agrave travers Avi-cenne ne contestent pas ces deux points Le problegraveme est plutocirct de savoirougrave se situe Dieu dans ce scheacutema Soit lrsquoon fait de Dieu le principe du sujetde la meacutetaphysique mais cela oblige agrave situer Dieu au-delagrave de lrsquoeacutetant et denotre intellect Soit lrsquoon inclut Dieu agrave lrsquointeacuterieur de lrsquoeacutetant mais alors nerisque-t-on pas de sacrifier la transcendance de Dieu Henri de Gand partdrsquoun ideacuteal de science a priori qui permet de deacuteduire par la cause lrsquoensembledes thegraveses meacutetaphysiques il interpregravete lrsquoanalogie de lrsquoecirctre comme une analo-gie au sein du concept drsquoecirctre enfin il croit pouvoir construire une deacutemons-tration a priori de lrsquoexistence de Dieu

Cette voie qui inclut Dieu a lrsquointeacuterieur de lrsquoeacutetant saisi en un conceptfut celle que Duns Scot choisit De nombreux travaux ont analyseacute ses thegraveses1Mais la reacutecente eacutedition critique des Quaestiones super libros Metaphysico-rum eacutebranle bien des certitudes acquises En effet dans ce commentaire parquestions sur la Meacutetaphysique2 Duns Scot srsquoefforce drsquounifier des deacuteveloppe-ments provenant drsquoœuvres logiques ou theacuteologiques et de les harmoniser demaniegravere agrave construire un systegraveme philosophique et theacuteologique coheacuterent Leprojet de Scot est tout simplement de fonder la meacutetaphysique comme scienceau sein du systegraveme geacuteneacuteral des sciences Compareacute au caractegravere complexe etaporeacutetique des deacuteveloppements drsquoAristote cette entreprise est une veacuteritablerefondation

Une premiegravere version de cet article a eteacute publiceacute dans O Boulnois Meacutetaphysiques rebellesParis 2013

1 Par exemple L Honnefelder Ens inquantum ens Muumlnster 1979 ders Scientia transcen-dens Die formale Bestimmung der Seiendheit und Realitaumlt in der Metaphysik des Mittelal-ters und der Neuzeit (Duns Scotus ndash Suarez ndash Wolff ndash Kant ndash Pierce) Hamburg 1990 OBoulnois Etre et Repreacutesentation Une geacuteneacutealogie de la meacutetaphysique moderne agrave lrsquoeacutepoquede Duns Scot Paris 1999

2 Quelques fragments de son commentaire litteacuteral de la Meacutetaphysique viennent drsquoecirctre retrou-veacutes par G Pini mais ils sont encore ineacutedits

212 Olivier Boulnois

Duns Scot caracteacuterise drsquoabord la meacutetaphysique comme une laquo sciencetranscendantale raquo (scientia transcendens) Srsquoappuyant sur le prologue ducommentaire de Thomas (qui suit le fil conducteur de Gundissalinus) DunsScot reprend le mecircme point de deacutepart la meacutetaphysique porte sur le souverai-nement connaissable Mais parmi les trois dimensions ouvertes par ThomasDuns Scot nrsquoen retient que deux laquoLes connaissables au plus haut point sontappeleacutes connaissables en deux sens [a] ou bien parce qursquoils sont connus enpremier lieu et que sans eux les autres ne peuvent ecirctre connus [b] ou bienparce qursquoils sont les connaissables les plus certains raquo3 ndash Concernant la pre-miegravere dimension [a] Scot retient agrave la suite drsquoHenri de Gand lrsquoorientation

3 Die Werke Johannes Duns Scotusrsquo werden in folgender Weise angegebenDuns Scotus Quaestio de cognitione Dei ed by C R S Harris Duns Scotus vol 2Oxford 1927 [= Q c d]Ioannis Duns Scoti Ordinatio prologus (Opera omnia Bd 1) edited by C Balić et aliiCittagrave del Vaticano 1950 [= Ord prol]Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d 3 (Opera omnia Bd 3) ed by C Balić et alii Cittagravedel Vaticano 1954 [= Ord I3]Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d 4ndash10 (Opera omnia Bd 4) ed by C Balić et alii Cittagravedel Vaticano 1956 [= Ord I4ndash10]Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d 26ndash48 (Opera omnia Bd 6) ed by C Balić et alii Cittagravedel Vaticano 1963 [= Ord I26ndash48]Ioannis Duns Scoti Lectura I prologus d 1ndash7 (Opera Omnia Bd 16) ed by C Balić etalii Cittagrave del Vaticano 1960 [= Lect prol I1ndash7]Ioannis Duns Scoti Lectura I d 8ndash45 (Opera Omnia Bd 16) ed by C Balić et alii Cittagravedel Vaticano 1966 [= Lect I8ndash45]Ioannis Duns Scoti Collatio 24 ed by K Balic Bogoslovni Vestnik 9 (1929) 212ndash219[= Col]Ioannis Duns Scoti Reportata Parisiensia III ed Wadding-Vivegraves Vol XXIII Paris 1894[= Rep III]Ioannis Duns Scoti In Categorias (Opera Philosophica Bd I [Quaestiones in LibrorumPorphyrii Isagoge et Quaestiones super Praedicamenta Aristotelis]) ed R Andrews et aliiSt Bonaventure (NY) 1999 [= Cat]Ioannis Duns Scoti Quaestiones in Librorum Porphyrii Isagoge et Quaestiones super Prae-dicamenta Aristotelis (Opera Philosophica Bd I) ed R Andrews et alii St Bonaventure(NY) 1999 [= Praed]Ioannis Duns Scoti Quaestiones Super Librum Elenchorum Aristotelis (Opera philosophicaBd II) ed by R Andrews et alii St Bonaventure NY 2004 [= sup Elench]Ioannis Duns Scoti Quaestiones super libros Metaphysicorum Aristotelis IndashV (Opera Philo-sophica Bd III) ed R Andrews et alii St Bonaventure (NY) 1997 [= In Met IndashV]Ioannis Duns Scoti Quaestiones super libros Metaphysicorum Aristotelis VIndashIX edited byG Etzkorn et alii (Opera Philosophica Bd IV) St Bonaventure NY 1997 [= In Met VIndashIX]Ioannis Duns Scoti Quaestiones super secundum et tertium De anima ed by C Bazaacuten etalii (Opera philosophica Bd V) St Bonaventure NY 2006 [= De an]Ioannis Duns Scoti Cuestiones Cuodlibetales In Obras del Doctor Sutil Juan Duns Escotoed Felix Alluntis Madrid 1963 [= Q q]

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 213

primordiale de la meacutetaphysique vers les conditions de possibiliteacute les pluscommunes le souverainement connaissable est eacutegalement le plus commun(communissimum) comme lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant et ce qui en deacutecoule laquo dece que les reacutealiteacutes les plus communes sont penseacutees en premier ndash ainsi que lrsquoamontreacute Avicenne ndash il en reacutesulte que les autres reacutealiteacutes plus speacuteciales nepeuvent ecirctre connues sans que ces choses communes soient connuesdrsquoabord raquo4 Ainsi Duns Scot privileacutegie lrsquointerpreacutetation avicennienne de la meacute-taphysique en surimpression de la lecture ontologique qursquoen donnait Aris-tote dans la Meacutetaphysique IV Ce qui est le plus commun ne peut pas ecirctreconnu dans les sciences particuliegraveres au contraire il est la condition de celles-ci laquo Il est donc neacutecessaire qursquoil existe une science universelle qui considegraverepar elle-mecircme ces transcendantaux (transcendentia) Et cette science nouslrsquoappelons lsaquomeacutetaphysique rsaquo de lsaquometa rsaquo qui signifie lsaquo trans rsaquo et de lsaquo ycos rsaquolsaquo science rsaquo crsquoest-agrave-dire lsquoscience transcendantalersquo puisqursquoelle porte sur lestranscendantaux raquo5 La structure de la science justifie son eacutetymologie (fantai-siste) laquomeacutetaphysique raquo est un eacutequivalent de laquo science transcendantale raquo quideacutesigne clairement agrave la fois la science des reacutealiteacutes les plus communes et celledes reacutealiteacutes connues drsquoabord ndash autrement dit la condition de possibiliteacute uni-verselle des savoirs particuliers

Duns Scot nrsquooublie pourtant pas la seconde branche de lrsquoalternative [b]Le deacuteveloppement reste pourtant tregraves succinct La meacutetaphysique porte aussisur les objets les plus certains laquo les connaissables les plus certains sont lesprincipes et les causes et ils sont drsquoautant plus certains par eux-mecircmes qursquoilssont anteacuterieurs En effet toute la certitude des choses posteacuterieures en deacutependOr cette science considegravere les principes et les causes de cette sorte comme leprouve le Philosophe au livre I chapitre 2 parce qursquoelle est une sagesse raquo6Il y a donc dans la premiegravere reacutedaction de ses Questions sur la Meacutetaphysiqueune ambivalence non reacutesorbeacutee entre deux sujets et deux dimensions de lameacutetaphysique la consideacuteration des transcendantaux et lrsquoenquecircte sur les pre-miegraveres causes7

John Duns Scotus The Examined Report of the Paris Lecture Reportatio IndashA Latin Text andEngl Translation by A B Wolter O Bychkov St Bonaventure (NY) 2004 [= Rep IndashA]Die angegebene Stelle findet sich in In Met IndashV Prologus sect 16 8

4 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) Prologus sect 17 8 en reacutefeacuterence agrave Avicenna Liberde philosophia prima sive scientia divina I 5 ed S Van Riet LouvainminusLeyde 1977 31et Met Γ 11003 a 21 f

5 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) Prologus sect 18 96 Ebd sect 21 10 vgl Met A 2982 a 5ndash107 J A Aertsen nrsquoa donc pas tort de dire que le prologue des Questions sur la Meacutetaphysique

de Duns Scotus garde un laquo caractegravere traditionnel raquo J A Aertsen Medieval Philosophy asTranscendental Thought From Philip the Chancelor (ca 1225) to Francisco Suarez Lei-denndashBoston 2012 375 Mais on ne peut nier que degraves cette eacutepoque Duns Scotus met toutson effort sur lrsquoanalyse de la possibiliteacute drsquoune science transcendantale Et lrsquoaddition posteacuterie-

214 Olivier Boulnois

Mais lrsquoeacutedition critique de Duns Scot teacutemoigne drsquoune addition posteacuterieurequi prouve que Duns Scot nrsquoeacutetait pas satisfait de sa premiegravere reacutedaction tou-chant lrsquouniversaliteacute de la science transcendantale laquo Cette preuve nrsquoapparaicirctpas efficace puisque lrsquoecirctre se dit prioritairement de la substance drsquoapregraves lelivre IV de cet [ouvrage] Et il en va de mecircme de lrsquoun srsquoil est un transcendan-tal et srsquoil relegraveve seulement du genre de la quantiteacute [hellip] il nrsquoest pas dit agrave eacutegaliteacutede toutes choses raquo8 Pour que la science des transcendantaux puisse ecirctre lapremiegravere il faudrait qursquoelle srsquoapplique indiffeacuteremment agrave toutes les diffeacute-rences agrave commencer par la diffeacuterence entre la substance et les autres cateacutego-ries Il faudrait ainsi que lrsquoecirctre et lrsquoun se disent agrave eacutegaliteacute de toutes choses etnon par prioriteacute de la substance (pour lrsquoecirctre) ou de la quantiteacute (pour lrsquoun)Or une telle eacutegaliteacute de preacutedication ne peut ecirctre acquise que si lrsquoon admetlrsquounivociteacute des transcendantaux et drsquoabord lrsquounivociteacute de lrsquoecirctre Cette addi-tion marginale nous donne accegraves agrave lrsquoatelier du penseur Duns Scot se relisanta pleine conscience de lrsquoideacutee que la dimension transcendantale de la meacutetaphy-sique ne sera pleinement conquise qursquoavec la deacutemonstration de lrsquounivociteacute delrsquoecirctre Il doit donc affronter la question aristoteacutelicienne de lrsquoeacutequivociteacute delrsquoecirctre qui semblait rendre impossible une science univoque

Pour analyser ce travail jrsquoeacutetudierai drsquoabord sa theacuteorie de la science (I)puis son eacutelaboration de lrsquoaporie aristoteacutelicienne en trois solutions successives(II III et IV) et enfin les ambiguiumlteacutes qursquoil legravegue agrave la posteacuteriteacute (V)

I La dimension critique

Dans ses premiegraveres Questions sur la Meacutetaphysique Duns Scot pose la ques-tion de la possibiliteacute de la science Qursquoest-ce qui lrsquoa conduit agrave cette ques-tion ndash Rien de moins que la question de la possibiliteacute de la meacutetaphysiquePour reacutepondre agrave la question laquo agrave quelles conditions de possibiliteacute la meacutetaphy-sique est-elle possible raquo Duns Scot doit drsquoabord demander laquo agrave quelles con-ditions de possibiliteacute une science est-elle possible raquo Cette question il la posedans ses Questions sur la Meacutetaphysique I q4 laquo La science est-elle engendreacuteepar lrsquoexpeacuterience raquo Provient-elle de lrsquoexpeacuterience des sens ou de principes in-

ure que nous allons eacutetudier ne fait que renforcer cette orientation lrsquoensemble de ses travauxtendant agrave reconqueacuterir la connaissance de la cause premiegravere agrave partir de celle des transcendan-taux

8 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) Prologus sect 19 9 Ou encore dans la relation entreDieu et la creacuteature il faudrait que les transcendantaux soient preacutediqueacutes eacutegalement de Dieuet de la creacuteature Mais cet aspect theacuteologique ne joue un rocircle deacutecisif que dans les commentai-res des Sentences

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 215

neacutes ou a priori ndash Si la meacutetaphysique est originairement la connaissance delrsquoeacutetant de la substance et de Dieu il faut parvenir agrave deacuteterminer lrsquoessence decette science Or srsquoenqueacuterir de lrsquoessence de la meacutetaphysique crsquoest deacuteterminerde lrsquointeacuterieur sa possibiliteacute et la distinguer de ce qui lui est impossible reacuteali-ser une critique Pour Duns Scot la critique fait partie inteacutegrante de la deacuteter-mination de lrsquoessence de la meacutetaphysique

Duns Scot affronte deux thegraveses opposeacutees 1 Drsquoune part une lecture stric-tement empiriste drsquoAristote pour laquelle toute connaissance provient delrsquoexpeacuterience sensible 2 De lrsquoautre la theacuteorie platonicienne de la science etsa reprise par Augustin pour lesquelles toute science a une origine transcen-dante et intelligible

1 La position empiriste est impossible Lrsquoexpeacuterience ne nous montre qursquounepluraliteacute limiteacutee drsquoeacuteveacutenements singuliers or la science supposer une reacutegu-lariteacute universelle Il ne serait donc pas leacutegitime drsquoextrapoler agrave partir deces cas singuliers pour conclure agrave une loi universelle Ce type de deacuteduc-tion commet la faute de logique appeleacutee fallacia consequentis il y a plusdans les conseacutequences que dans les preacutemisses

2 Lrsquoorigine transcendante de la science a ses lettres de noblesses Lrsquoesclavedu Meacutenon a su trouver en lui-mecircme la reacuteponse aux interrogations qursquoonlui faisait Augustin avec la doctrine de lrsquoillumination pensait trouverla laquo veacuteriteacute authentique raquo (veritas sincera) dans une connaissance perma-nente intelligible et universelle qui ne venait pas du sensible et dumuable Et Henri de Gand a fait de la sinceritas veritatis la cleacute de sadoctrine de lrsquoillumination ndash Mais dans son analyse Duns Scot souligneqursquoil faut distinguer entre la neacutecessiteacute objective drsquoune science et lrsquoaccegravessubjectif et peacutedagogique agrave cette science Lrsquoaide que peut donner un maicirctredans lrsquoenseignement est comparable agrave celle du meacutedecin crsquoest principale-ment la nature qui gueacuterit le malade le meacutedecin nrsquoest qursquoun instrumentexteacuterieur de mecircme crsquoest principalement la science qui instruit lrsquoeacutelegravevelrsquoenseignement nrsquoest qursquoune aide exteacuterieure Lorsque laquo la lumiegravere natu-relle de lrsquointellect est assez puissante pour deacuteduire les conclusions agrave partirdes principes raquo9 cette science est acquise par une deacutecouverte Mais lors-qursquoon a besoin drsquoun maicirctre celui-ci (comme le disait deacutejagrave Augustin dansle De Magistro) ne fait que fournir des signes sensibles exteacuterieurs lrsquoeacutelegraveveconccediloit les termes et tire de lui-mecircme les conclusions Finalement toutsavoir doit ecirctre un savoir par soi-mecircme

Pour construire une science il faut enchaicircner trois opeacuterations de lrsquointellectlrsquoappreacutehension des termes simples la composition de propositions articuleacutees

9 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q4 sect 11 98

216 Olivier Boulnois

et enfin lrsquoargumentation deacuteductive10 Or la connaissance des termes simplesa pour condition sine qua non leur sensation dans le singulier11 On ne peutpas concevoir le rouge si on nrsquoa pas deacutejagrave vu ou moins une fois la couleurrouge Pour Scot comme pour Aristote le concept drsquoexpeacuterience ne deacutesigneeacutevidemment pas ce que nous appellerions une connaissance expeacuterimentale(construite et reproductible) il indique des perceptions freacutequentes accumu-leacutees dans la meacutemoire Par conseacutequent la science des termes nrsquoexige mecircmepas une expeacuterience mais elle requiert au minimum une sensation12 Lrsquoabstrac-tion de lrsquouniversel ne vient pas drsquoun processus expeacuterimental de surimpressiondes sensations une seule perception suffit pour abstraire

Agrave lrsquoaide de cette connaissance des termes simples nous pouvons eacutelaborerla science des principes ceux-ci nous apparaissent avec eacutevidence degraves que nousen connaissons les termes13 Ainsi le principe laquo le tout est plus grand que lapartie raquo nous apparaicirct comme eacutevident degraves lors que nous savons ce qursquoest untout et ce qursquoest une partie Objectivement une fois donneacutee la connaissancedes termes la science se construit par son eacutevidence formelle Pourtant DunsScot indique que lrsquoon peut en avoir une connaissance par les effets (quia) agravepartir drsquoune expeacuterience nous veacuterifions ainsi que les termes du principe serencontrent freacutequemment dans les objets sensibles Par exemple je peux per-cevoir freacutequemment par les sens que tel tout singulier coiumlncide avec ce quiest plus grand14 Dans lrsquoexpeacuterience il y a donc une confirmation subjectivede la coheacuterence objective de la science mais celle-ci nrsquoen deacutepend pas

La certitude des connexions intelligibles est plus forte que celle de lrsquoexpeacute-rience laquoMecircme lagrave ougrave le sens perccediloit la conjonction des termes singuliers dansla reacutealiteacute on adhegravere encore plus certainement agrave un principe complexe par lalumiegravere naturelle de lrsquointellect qursquoen raison drsquoune appreacutehension du sens raquo15Il est possible de raisonner juste avec des figures fausses ou de produire despropositions correctes alors qursquoon est victime drsquoune illusion des sens16 Jepeux voir une tour comme ronde alors qursquoelle est carreacutee mais je ne me trom-perai pas sur la deacutefinition du cercle

La science a donc une structure axiomatico-deacuteductive En droit elle par-vient agrave ses conclusions sans recourir agrave lrsquoexpeacuterience sauf pour lrsquoappreacutehensiondes termes simples dont elle se sert laquo Crsquoest pourquoi ceux qui ont acquis

10 Ebd sect 12 99 vgl De an III 6430 a 27-b 6 reacutesumeacute dans J Hamesse (Ed) AuctoritatesAristotelis LouvainndashParis 1975 187

11 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q4 sect 13 99 vgl Anal post I 1881 a 37ndash3912 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q4 sect 16 100 frequens acceptio sensibilium13 Ebd sect 14 100 vgl Anal post I 372 b 23ndash2514 Ebd sect 14 100 hanc totalitatem et hanc maioritatem coniungi15 Ebd sect 17 10116 Ebd sect 18 101

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 217

lrsquoexpeacuterience drsquoune conclusion par les effets (quia est) semblent se rapporteragrave elle comme ceux qui srsquoeacutetonnent (admirantes) ignorant encore la cause dece qursquoils connaissent comme vrai par les effets et agrave partir de lagrave ils com-mencent agrave philosopher et agrave rechercher la cause raquo17 La science nrsquoest pas ladialectique En dialectique lorsqursquoune proposition est confirmeacutee par plu-sieurs expeacuteriences et qursquoon ne peut pas preacutesenter drsquoobjection on admet cettethegravese La dialectique se satisfait drsquoune approche empiriste humienne de lascience Mais elle nrsquoest pas vraiment la science Pour qursquoil y ait science ilfaut une connaissance universelle qui permette de deacuteduire neacutecessairement lesconclusions agrave partir de principes Lrsquoexpeacuterience est seulement lrsquolaquo occasion raquo dela science et les propositions expeacuterimentales sont du domaine du probable18

Scot rejette ainsi avec vigueur tout empirisme laquo toutes les conclusionsqui nous sont naturellement connnaissables par une deacutemonstration pour-raient ecirctre connues mecircme si tous les sens se trompaient raquo19 Un aveugle-neacutepeut former des propositions parfaitement scientifiques sur les couleursmecircme srsquoil ne les perccediloit pas20

On ne peut pas pour autant admettre lrsquohypothegravese drsquoune source transcen-dante de la science On ne peut recourir agrave la reacuteminiscence car celle-ci croitretrouver la science au fond de notre meacutemoire or il importe que celui quiconnaicirct ait conscience de ce qursquoil connaicirct Augustin lui-mecircme a montreacute contrePlaton qursquoil ne suffit pas drsquointerroger un jeune homme pour qursquoil retrouve lascience il faut lrsquointerroger avec ordre Cela signifie fondamentialement qursquoonlui fait apercevoir lrsquoeacutevidence objective de lrsquoenchaicircnement des propositions21

Duns Scot peut alors eacutenumeacuterer quatre degreacutes drsquoaccegraves agrave la science

1 Lrsquohomme deacutepourvu drsquoexpeacuterience et de deacutemonstration nrsquoa qursquounecroyance il croit que telle proposition est vraie

2 Lrsquohomme drsquoexpeacuterience mais sans deacutemonstration a un savoir certainmais contingent Il voit un effet et il est certain que la nature agit demaniegravere reacuteguliegravere Il peut bien affirmer que le soleil se legravevera demainmais crsquoest une connaissance intuitive du contingent ce nrsquoest pas unescience

3 Lrsquohomme qui a la science du principe mais nrsquoen tire pas les conclusionsa seulement une science virtuelle

17 Ebd sect 20 10118 Ebd sectsect 22ndash23 102ndash10319 Ebd sect 45 109 laquo il en deacutecoule que toutes les conclusions qui sont naturellement connaissa-

bles par nous par une deacutemonstration pourraient ecirctre connues mecircme si tous les sens setrompaient raquo

20 Ebd sect 46 109ndash11021 Ebd sect 37 107 vgl Augustinus De Trinitate XII 15 24

218 Olivier Boulnois

4 Lrsquohomme qui atteint la deacutemonstration applique le principe aux conclu-sions il a la vraie science la science laquo par la cause raquo (propter quid)22

Ainsi la structure de la science est celle drsquoune deacuteduction propter quid ellepart de certains principes et arrive agrave des conclusions de maniegravere deacuteductive eta priori Tandis que lrsquoexpeacuterience ne nous donne que lrsquoeacutetonnement et le deacutesirde rechercher la cause agrave partir de ses effets (quia) ndash Nous arrivons ainsi agrave ladeacutefinition de la science selon Duns Scot dans le prologue des ReportataParisiensia et celui de lrsquoOrdinatio La science est 1 la connaissance laquo cer-taine raquo 2 drsquoune veacuteriteacute neacutecessaire 3 ayant pour nature de tirer son eacutevidencedrsquoune autre veacuteriteacute neacutecessaire 4 par un discours syllogistique 23

1 Elle est certaine ce qui exclut lrsquoillusion lrsquoopinion et le doute2 Elle porte sur un objet neacutecessaire car si la science faite de propositions

neacutecessaires portait sur une veacuteriteacute contingente son objet pourrait changeret elle deviendrait fausse

3 Elle est deacuteductive et ne se reacuteduit pas agrave une intelligence des principes4 Elle passe drsquoune proposition agrave une autre au moyen drsquoun discours syllogis-

tique ce nrsquoest pas une vision intuitive des relations intelligibles entre lesveacuteriteacutes Autrement dit ce nrsquoest pas la science que Dieu possegravede elle estle propre drsquoun sujet fini de connaissance

Nous pouvons donc reacutepondre au problegraveme des conditions de possibiliteacutes dela science Celle-ci commence avec lrsquoexpeacuterience ou plus exactement avec lasensation Mais elle a sa valeur objective indeacutependamment de lrsquoexpeacuteriencequi nrsquoen est que lrsquooccasion Certes nous avons besoin de penser les termespremiers de la science mais on peut produire ces termes premiers agrave partirdrsquoune expeacuterience sensible fausse ou mecircme sans expeacuterience sensible On peutdonc dire que pour Scot (comme plus tard pour Kant) la science commenceavec lrsquoexpeacuterience mais qursquoelle nrsquoen deacuterive pas

22 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q4 sect 79 11823 Duns Scotus Rep IndashA (wie Anm 3) Prologus q1 sectsect 9ndash13 Prima condicio scilicet quod

scientia sit cognitio certa excludens omnem deceptionem opinionem et dubitationem con-venit omni virtuti intellectuali [ 2] Secunda condicio scilicet quod sit veri necessariisequitur ex prima Quia si scientia esset veri contingentis posset sibi subesse falsum proptermutationem obiecti [ 3] Tertia condicio [quod natum est habere evidentiam ex necessa-rio prius evidente] est propria distinguens scientiam ab intellectu principiorum quia isteest veri habentis evidentiam ex terminis [hellip 4] Quarta condicio scilicet quod notitia eviden-tiae posterioris sit causata a priore per discursum syllogisticum est imperfectionis nec estde per se ratione scientiae secundum se sed tantum scientiae imperfectae

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 219

II La premiegravere solution scotiste lrsquoanalogie vers la substance

Le lecteur qui srsquoefforce de comprendre lrsquoensemble de la penseacutee de Duns Scotrencontre une seacuterie tregraves complexe drsquoaffirmations ndash Drsquoune part concernantle sujet de cette science nous trouvons des textes ougrave Duns Scot soutient quelrsquoeacutetant est le sujet premier de la meacutetaphysique Mais nous avons aussi destextes ougrave il admet conformeacutement agrave la tradition que crsquoest Dieu ou la sub-stance ndash Drsquoautre part touchant sa structure nous avons des textes ougrave DunsScot soutient conformeacutement agrave la tradition que lrsquoecirctre est eacutequivoque Maisnous en rencontrons drsquoautres ougrave il affirme de maniegravere absolument inouiumledans lrsquohistoire de la meacutetaphysique que lrsquoecirctre est univoque

Cela forme un puzzle assez complexe que je vais essayer de scheacutematiserici en partant de lrsquohypothegravese que pour fonder la meacutetaphysique commescience Duns Scot doit affronter lrsquoaporie fondatrice de la meacutetaphysiquedrsquoAristote Lrsquoavantage de cette complexiteacute est qursquoelle nous permet de voir lagenegravese de la penseacutee de Scot et la maniegravere dont il deacutepasse progressivementlrsquointerpreacutetation drsquoAristote

La position aristoteacutelicienne sur la meacutetaphysique peut ecirctre exprimeacutee entrois propositions incompatibles

1 La laquo science rechercheacutee raquo porte sur lrsquoecirctre2 Il nrsquoy a de science que drsquoun genre-sujet3 Lrsquoecirctre se dit en plusieurs sens il nrsquoest pas un genre

La seule maniegravere de deacutepasser lrsquoaporie aristoteacutelicienne consiste agrave remodelerchacune des trois propositions Dans ses commentaires de lrsquoOrganon drsquoAris-tote et dans la premiegravere version de son commentaire de la MeacutetaphysiqueDuns Scot a reacuteeacutelaboreacute chacune drsquoelles Afin drsquoatteindre sa nouvelle deacutefinitionde la meacutetaphysique il a fallu que Duns Scot fasse eacutevoluer le concept de sujetdrsquoune science en mecircme temps que sa structure24

24 Certains travaux reacutecents (notamment ceux de D Demange S Dumont T Noone G PiniR Wood) suggegraverent que plusieurs passages des Questions sur la Meacutetaphysique seraientplus tardifs que les œuvres theacuteologiques Malheureusement lrsquoeacutedition des Questions sur laMeacutetaphysique ne propose ni stemma ni datation des couches reacutedactionnelles Crsquoest pour-quoi je parle ici de deux couches posteacuterieures lrsquoune agrave lrsquoautre et consideacutereacutees de maniegravereimmanente Je deacutecris ici une geacuteneacutealogie conceptuelle et non une eacutevolution chronologiqueMais selon une communication reacutecente de K Emery qui travaille agrave lrsquoeacutedition critique desReportata Parisiensia il faut distinguer aussi diverses eacutetapes reacutedactionnelles du Commentai-re des Sentences Drsquoabord le commentaire drsquoOxford puis celui qui fut donneacute agrave Paris de1302 agrave 1305 ce dernier fit lrsquoobjet drsquoune Reportatio laquelle fut ensuite compleacuteteacutee par deseacuteleacutements venus de lrsquoenseignement drsquoOxford pour former une nouvelle synthegravese destineacutee agraveecirctre publieacutee dans ce que nous appelons lrsquoOrdinatio Cela signifie qursquoon ne peut plus consideacute-rer tous les passages communs avec les Reportata parisiensia comme des interpolations

220 Olivier Boulnois

1 Lrsquouniteacute du sujet de la meacutetaphysique

La proposition 3 avait deacutejagrave eacuteteacute remodeleacutee par lrsquohistoire de la meacutetaphysiqueoccidentale depuis le neacuteoplatonisme25 Elle consistait agrave surdeacuteterminer philo-sophiquement la remarque drsquoAristote en Meacutetaphysique Γ 2 lrsquoecirctre se dit enplusieurs sens mais par reacutefeacuterence agrave un terme premier la substance Cettereacutefeacuterence (attributio) eacutetait penseacutee comme une analogie crsquoest-agrave-dire une pro-venance et une participation au terme premier la substance ou agrave Dieu Laposition la mieux connue de Scot eacutetait celle drsquoHenri de Gand qui soutenaitagrave la fois comme Avicenne que le premier concept que nous avons danslrsquointellect est celui drsquoeacutetant et comme Thomas drsquoAquin que lrsquoeacutetant creacuteeacute sedisait par analogie de lrsquoeacutetant increacuteeacute il rendait ces deux thegraveses compatibles enaffirmant que le concept drsquoeacutetant creacuteeacute obtenu par abstraction agrave partir de notreexpeacuterience eacutetait privativement indeacutetermineacute tandis que le concept de drsquoeacutetantincreacuteeacute obtenu par neacutegation de toutes les imperfections eacutetait neacutegativementindeacutetermineacute pourtant dans notre esprit agrave la suite drsquoune erreur drsquoaccommo-dation lrsquoun se confondait avec lrsquoautre Henri appelait cela un laquo concept com-mun analogue raquo

Au deacutepart Duns Scot ne semble pas avoir contesteacute les deux thegraveses fonda-mentales sur lesquelles srsquoappuie cette interpreacutetation Il a drsquoabord soutenu enbonne tradition aristoteacutelicienne que lrsquoeacutetant est eacutequivoque aux dix cateacutegoriesauxquelles correspondent dix concepts Mais cela nrsquoempecircche pas qursquoil y aiten mecircme temps une relation reacuteelle drsquoattribution entre les reacutealiteacutes qursquoils signi-fient ndash Sur ce point Scot se conforme agrave une longue tradition Albert le Grandet Henri de Gand ont deacutejagrave soutenu que lrsquoeacutetant eacutetait eacutequivoque selon le logi-cien et analogue selon le meacutetaphysicien26 Scot admet donc la thegravese deacutejagravedeacutefendue par Albert le Grand que lrsquoens est eacutequivoque logiquement tout eneacutetant analogue reacuteellement27 Lrsquoeacutetant est analogue pour ce qui concerne la

(ainsi que lrsquoont fait les eacutediteurs) Ainsi il est vraisemblable que la premiegravere couche reacutedac-tionnelle des Questions sur la meacutetaphysique est contemporaine de lrsquoenseignement drsquoOxfordet la seconde contemporaine ou posteacuterieure agrave lrsquoenseignement de Paris

25 Vgl J-F Courtine Inventio analogiae Paris 200526 Albertus Magnus De praedicabilibus Opera Omnia I Ed Borgnet Paris 1890 70 b

Tamen quia in talibus respectus est ad unum quod est simpliciter ens ideo non simpliciterest aequivocum Quare non omnium ad unum respicientium est idem modus et ratio respi-ciendi unum enim est ut mensura alterum ut dispositio Ideo quoad hoc est aequivocumEt ideo totum simul analogum hoc est commune secundum proportionem vocatur quodmedium est inter univocum et aequivocum vgl Henricus a Gandavo Quodlibetum XIq11 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) IV q1 sect 70 315 f Voir A de Libera Lessources greacuteco-arabes de la theacuteorie meacutedieacutevale de lrsquoanalogie de lrsquoecirctre Les Eacutetudes philosophi-ques 3ndash4 1989 319ndash345

27 Duns Scotus Praed (wie Anm 3) q4 sect 38 285 Intelligendum tamen quod vox quaeapud logicum simpliciter aequivoca est quia scilicet aeque primo importat multa apud

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 221

relation des autres cateacutegories agrave la substance parce qursquoelle suppose une deacutepen-dance reacuteelle tandis que la signification logique est simplement eacutequivoqueaucun sens de lrsquoecirctre nrsquoa de prioriteacute logique sur les autres

Dans ce sens on pourrait admettre que lrsquouniteacute du sujet de la meacutetaphy-sique est une uniteacute drsquoanalogie il suffit qursquoil y ait une uniteacute drsquoanalogie entretous les termes qui sont attribueacutes agrave ce sujet crsquoest-agrave-dire que tous ces termesaient une attribution agrave un terme premier

2 La structure de la science

Mais pour que la meacutetaphysique soit une science il faut remplir des condi-tions drastiques Connaicirctre crsquoest connaicirctre par la cause28 La science devraitdonc se deacuteployer a priori Avicenne lrsquoa rappeleacute suivi par Henri de GandMais pouvons-nous avoir une connaissance a priori de Dieu ou de la sub-stance

Dans le sujet simple drsquoune science sont contenus tous les principes ettoutes les conclusions que lrsquoon peut eacutetablir sur ce sujet29 Dans ce cas cha-cune des veacuteriteacutes de cette science appartient au mecircme genre30 Il faudrait doncpour ecirctre science par la cause que la meacutetaphysique puisse deacuteduire les autresproprieacuteteacutes agrave partir de son sujet Or cette preacutetention se heurte agrave un pheacutenomegravenedeacutecrit par Aristote lrsquoeacutequivociteacute de lrsquoecirctre qui se dit en plusieurs sens DunsScot en conclut lrsquoimpossibiliteacute drsquoavoir une science unique de lrsquoecirctre il sembleqursquoil y ait autant de sciences qursquoil y a de genres-sujets Or les cateacutegories sontles reacutealiteacutes ultimes au-delagrave drsquoelles il nrsquoy a rien

Une voie vers la solution consiste agrave dire que lorsqursquoun sujet est analogueles proprieacuteteacutes deacutemontreacutees ne se deacuteduisent pas du sujet mais se rapportent agravelui comme au terme premier auquel tous les autres sont attribueacutes31 Scotabandonne ainsi lrsquoideacuteal drsquoune science a priori ou deacuteductive La connaissancedu sujet de la science ne peut permettre de deacuteduire ses proprieacuteteacutes Lorsqursquoon

metaphysicum vel naturalem qui non considerant vocem in significando sed ea quae signifi-cantur secundum illud quod sunt est analoga propter illud quod ea quae significantur licetnon in quantum significantur tamen in quantum exsistunt habent ordinem inter se Ideolsaquo ens rsaquo a metaphysico in IV et VII Metaphysicae ponitur analogum ad substantiam et acci-dens quia scilicet haec quae significantur in essendo habent ordinem sed apud logicum estsimpliciter aequivocum quia in quantum significantur per vocem aeque primo significan-tur

28 Anal Post I 271 b 9ndash1229 Duns Scotus In Met VIndashIX (wie Anm 3) VI q1 sectsect 39ndash40 15 f30 Anal post I 2887 a 38 f vgl Duns Scotus In Met VIndashIX (wie Anm 3) VI q4 sect 38 15

et sect 41 1731 Duns Scotus Cat (wie Anm 3) q4 sectsect 48 f 288 f

222 Olivier Boulnois

possegravede une science par analogie son sujet ne peut pas servir de majeuredans une deacutemonstration Ici il srsquoagit de la substance qui selon Aristote jouele rocircle drsquouniteacute focale de reacutefeacuterence (attributio) Dans le cas de lrsquoeacutetant il y abien un concept univoque crsquoest celui drsquoeacutetant mais tous les preacutedicats qui luisont attribueacutes sont dits par analogie la science ne peut pas porter sur lesdivers sens de lrsquoeacutetant selon leur analogie (les cateacutegories posteacuterieures) maiselle porte sur le terme premier univoque auxquels les autres sont attribueacutesla substance La deacutemonstration ne pourra pas porter sur une proprieacuteteacute uni-verselle du sujet mais on deacutemontrera les proprieacuteteacutes des analogueacutes avant deles reporter sur le terme premier auquel tous les objets de la science sontattribueacutes

Quelle structure peut-on alors donner agrave cette science Duns Scot estimeque son uniteacute est moins forte que lrsquouniteacute geacuteneacuterique La meacutetaphysique enraison de la pluraliteacute des sens de lrsquoecirctre (et des genres correspondants) necontient pas virtuellement toutes les propositions scientifiques comme in-cluses dans son sujet En effet le concept drsquoeacutetant ne contient en lui-mecircmeaucune autre connaissance On ne peut en deacuteduire ni Dieu ni la substancePourtant la deacutetermination des divers sens de lrsquoecirctre (du sens propre de chacundes analogueacutes) deacutepend de la deacutetermination du sens du terme premier auqueltout le reste est attribueacute laquoQuand le sujet est analogue les deacutemonstrationsne portent pas sur ce sujet pris en lui-mecircme mais sur le laquo termeraquo premierauquel tous les autres sont attribueacutes Car pour deacuteterminer une multipliciteacutedrsquoanalogueacutes il suffit de deacuteterminer le laquo termeraquo premier auxquels tous lesautres sont attribueacutes comme il est dit au commencement de la MeacutetaphysiqueVII Et si on ne peut montrer aucune proprieacuteteacute du sujet de la science quandil est analogue ce nrsquoest pas inconveacutenient du moins tant que ces proprieacuteteacutessont deacutemontreacutees du laquo termeraquo premier auquel tous les autres sont attri-bueacutes raquo32 Faute drsquoune saisie complegravete et deacuteductive qui deacuteduirait de la connais-sance du terme premier la science de tous les autres objets de cette scienceon se limitera agrave une connaissance plurielle des diverses relations drsquoattributiondes sens de lrsquoecirctre envers la substance

3 Le sujet de la meacutetaphysique

Venons-en maintenant au troisiegraveme problegravemeLa premiegravere Question sur la Meacutetaphysique porte sur le sujet de cette

science srsquoagit-il de lrsquoeacutetant de Dieu ou de la substance Lrsquoambivalence structu-relle de la meacutetaphysique dans ses traditions motive le questionnement sco-

32 Duns Scotus Praed (wie Anm 3) q4 sect 49 288

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 223

tiste laquo Pour ce qui est de lrsquoobjet de cette science il a eacuteteacute montreacute plus hautque cette science porte sur les transcendantaux Il a aussi eacuteteacute montreacute qursquoelleporte sur les causes les plus hautes [hellip] Crsquoest pourquoi on se demandera enpremier lieu si le sujet propre de la meacutetaphysique est lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant(comme le soutient Avicenne) ou bien Dieu et les Intelligences (comme lesoutient le Commentateur Averroegraves) raquo33

La premiegravere reacuteponse examineacutee par Scot est celle drsquoAverroegraves qui estimeque ce sujet est constitueacute par laquo les substances seacutepareacutees crsquoest-agrave-dire Dieu etles intelligences raquo34 La seconde est celle drsquoAvicenne laquo le premier sujet de cettescience est lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant raquo35 Il est facile agrave Duns Scot de montrerque les deux objets eacutevoqueacutes par Averroegraves nrsquoont pas drsquouniteacute entre eux etlaissent de cocircteacute le troisiegraveme thegraveme de la meacutetaphysique agrave savoir lrsquoeacutetant36 Lareacutefutation drsquoAvicenne est plus longue et plus difficile drsquoautant plus que celui-ci peut srsquoappuyer sur la Meacutetaphysique IV (Γ) Le fondement principal delrsquoavicennisme est la neacutecessiteacute drsquoavoir une science qui considegravere les termesles plus communs une science universelle condition de toute connaissancescientifique des reacutealiteacutes particuliegraveres37 Lrsquoesprit geacuteneacuteral de la reacuteponse de Scotest qursquoen toute science il faut partir des principes or lrsquoeacutetant comme tel nrsquoapas de principe38

Averroegraves et Avicenne ayant eacuteteacute reacutefuteacutes Duns Scot envisage finalement lasubstance comme sujet premier Une telle deacutecision eacutetait deacutejagrave impliqueacutee dansle concept drsquoanalogie drsquoattribution puisque la Meacutetaphysique IV (Γ) 2 drsquoAris-tote atteacutenuait deacutejagrave lrsquoeacutequivociteacute des sens de lrsquoecirctre en invoquant la reacutefeacuterence agraveun sens premier la substance Scot invoque aussi la prioriteacute de la substancedrsquoapregraves la Meacutetaphysique VII (Z) drsquoAristote39 ndash Par conseacutequent la meacutetaphy-sique deacutemontre non les proprieacuteteacutes de lrsquoeacutetant reacuteellement analogue et logique-ment eacutequivoque mais celles de la substance comme uniteacute focale et objet

33 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q1 sect 1 1534 Ebd sect 13 1935 Ebd sect 68 3836 Vgl ebd sectsect 34ndash35 et 71 29 et 3937 Vgl ebd sect 70 3938 Vgl ebd sect 76 41 et sect 84 4339 Vgl Met Ζ 11028 a 29ndash34 δηλον ουν ὅτι δια ταύτην κἀκείνων ἕκαστον ἔστιν ὥστε το

πρώτως ὂν και οὐ τι ὂν ἀλλ᾿ ὂν ἁπλως ἡ οὐσία ἂν εἴη πολλαχως μεν ου ν λέγεται το πρωτονὅμως δε πάντως ἡ οὐσία πρωτον και λόγῳ και γνώσει και χρόνῳ των μεν γαρ ἄλλων κατη-γορημάτων οὐδεν χωριστόν αὕτη δε μόνη laquo Agrave lrsquoeacutevidence donc crsquoest par cette substance quechacun de ces ecirctres aussi existe de sorte que lrsquoecirctre au sens premier et non pas un ecirctrequelconque mais lrsquoecirctre au sens absolu serait la substance Sans aucun doute premier sedit en plusieurs sens pourtant dans tous les sens la substance est premiegravere par lrsquoeacutenonceacutepar la connaissance et chronologiquement car aucun de tous les autres preacutedicats nrsquoestseacuteparable seule la substance lrsquoest raquo

224 Olivier Boulnois

drsquoattribution pour toutes les propositions meacutetaphysiques Ici le sujet nrsquoestpas un sujet commun mais un sujet drsquoattribution par reacutefeacuterence auquel lesautres cateacutegories se disent Il est lrsquouniteacute agrave laquelle on se raccroche malgreacute lapluraliteacute des cateacutegories

Reacutesumons tout le travail de deacuteplacement accompli par Duns Scot agravegauche nous avons la position drsquoAristote agrave droite la reacuteeacutelaboration de DunsScot

Aristote Duns Scot

1 Toute science est science par les causes et 1 Une science peut connaicirctre une pluraliteacutepreacutesuppose lrsquouniteacute drsquoun sujet commun drsquoobjets selon leur attribution agrave un sujet

premier2 Lrsquoeacutetant nrsquoest pas un genre 2 Lrsquoeacutetant est eacutequivoque conceptuellement

mais reacuteellement analogue (Albert leGrand)

3 La meacutetaphysique porte sur lrsquoousia 3 Le sujet de la meacutetaphysique est la sub-(Γ 2 Z 1) stance

1 Parti de lrsquoideacutee aristoteacutelicienne qursquoune science est a priori et preacutesupposelrsquouniteacute de son sujet Duns Scot invoque la structure drsquoune science quideacutemontre les proprieacuteteacutes des divers sens de lrsquoeacutetant puis les attribue agrave sonsujet

2 Scot va de lrsquoideacutee aristoteacutelicienne que lrsquoeacutetant nrsquoest pas un genre mais esteacutequivoque agrave lrsquoideacutee qursquoil est eacutequivoque conceptuellement mais reacuteellementanalogue

3 Il en conclut que la meacutetaphysique porte sur lrsquoeacutetant en tant que substanceMais celle-ci est le sujet drsquoattribution des autres propositions que lrsquoondeacutemontre drsquoelle

On peut appeler cette premiegravere figure de la meacutetaphysique une meacutetaphysiquede lrsquoecirctre analogue Pour penser la meacutetaphysique seul compte ici le problegravemede la preacutedication transcateacutegoriale La question de la causaliteacute reacuteelle passe agravelrsquoarriegravere-plan

III La deuxiegraveme solution scotiste lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant

Dans ses œuvres theacuteologiques la Lectura la Reportatio parisiensis et lrsquoOrdi-natio Duns Scot reacuteeacutelabore en profondeur la question La distinction entremeacutetaphysique et theacuteologie ne vient pas de la distinction entre leurs deux

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 225

sujets Dieu et lrsquoeacutetant mais de leur mode de connaissance En effet la theacuteolo-gie porte sur Dieu et sur toutes choses en tant que connaissables agrave partir delrsquoessence divine connue dans sa singulariteacute (mais sous le mode de la reacuteveacutela-tion) la meacutetaphysique porte sur toutes choses connaissables naturellementagrave partir de notions universelles40

Dans la Lectura et lrsquoOrdinatio Duns Scot nrsquoheacutesite pas agrave affirmer que lesujet de la meacutetaphysique est lrsquoeacutetant Avicenne a bien montreacute qursquoune science nepeut deacutemontrer lrsquoexistence de son sujet mais doit le preacutesupposer41 Commelrsquoexistence de Dieu est deacutemontreacutee en meacutetaphysique celui-ci ne peut ecirctre sonpremier sujet Si Dieu en eacutetait le sujet il faudrait une science preacutealable delrsquoeacutetant qui deacutemontrerait lrsquoexistence drsquoun eacutetant premier42 Plus geacuteneacuteralementle sujet est constitueacute par les transcendantaux obtenus par abstraction drsquounterme commun lrsquoeacutetant ou drsquoautres proprieacuteteacutes coextensives Mais pour quelrsquoeacutetant soit le sujet de la meacutetaphysique il faut donner agrave son sujet une autreuniteacute et agrave la science une autre structure

1 Lrsquouniteacute de lrsquoobjet de lrsquointellect

Duns Scot fait deacutependre lrsquoune de lrsquoautre deux thegraveses drsquoAvicenne lrsquoeacutetant estle sujet de la meacutetaphysique parce qursquoil est aussi lrsquoobjet premier de notrepenseacutee laquo id quod primo cadit in intellectu raquo Pourquoi fonder ainsi la meacuteta-physique sur la noeacutetique Et que veut dire ici premier

La Lectura et lrsquoOrdinatio distinguent trois types de prioriteacute le premierobjet connu peut lrsquoecirctre selon lrsquoorigine la perfection ou lrsquoadeacutequation43

1 Le premier objet selon lrsquoorigine est lrsquoespegravece sensible si lrsquoon srsquoen tient agravedes connaissances confuses mais crsquoest lrsquoeacutetant si on le considegravere selonlrsquoordre des connaissances distinctes lrsquoeacutetant est le concept le plus simpleet le plus universel la meacutetaphysique est donc la science premiegravere danslrsquoordre des reacutealiteacutes connues distinctement44

2 Le premier objet selon lrsquoordre de perfection est Dieu si lrsquoon considegravere lascience la plus parfaite que nous puissions avoir Mais le plus proportion-

40 Duns Scotus Ord prol (wie Anm 3) sect 200 13541 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) p2 q2 sect 97 34 f Ord prol (wie Anm 3)

p3 q2 sectsect 193 f 129ndash131 Rep I-A prol (wie Anm 3) q3 sect 215 74 Avicenna benedicit et Averroes valde male

42 Duns Scotus In Met VIndashIX (wie Anm 3) VI q4 sect 10 8743 Lrsquoopposition entre origine et perfection remonte agrave la Met Θ 81050 a 4ndash8 la deacutefinition de

lrsquoobjet adeacutequat provient de la celle de lrsquouniversel dans les Anal post I 473 b 32 f44 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sectsect 70ndash81 251ndash256 Duns Scotus Ord

I3 (wie Anm 3) sectsect 71ndash94 surtout 81 sectsect 49ndash61 surtout 55

226 Olivier Boulnois

neacute agrave notre connaissance est le sensible Dieu nrsquoest pas une sorte drsquoideacuteeinneacutee il nrsquoest pas le premier objet connu par nous dans lrsquoordre de notreapprentissage45

3 Lrsquoobjet premier par adeacutequation (ou par preacutecision) est penseacute agrave partir drsquounpassage ougrave Aristote analyse lrsquoextension eacutegale entre le sujet et le preacutedicatIl se prend encore en deux sens Au premier sens celui drsquoune communau-teacute formelle parce que sa raison est incluse dans tout ce qui peut ecirctrelrsquoobjet de cette puissance Au second sens celui drsquoune primauteacute virtuelleparce que lrsquoobjet meut la puissance agrave lrsquoacte envers tout ce qui est virtuel-lement contenu en lui Crsquoest ainsi que lrsquoessence divine est lrsquoobjet premiervirtuel de la science que Dieu a de toutes choses en se connaissant ilconnaicirct toutes choses Or en ces deux sens lrsquoobjet premier de lrsquointellectfini nrsquoest ni Dieu (thegravese attribueacutee par Scot agrave Henri de Gand) ni la quiddi-teacute de la chose mateacuterielle (thegravese attribueacutee agrave saint Thomas) ni la substanceCar aucun de ces trois objets nrsquoest contenu dans tous les objets que notreintellect peut consideacuterer Et aucun drsquoeux ne meut lrsquointellect agrave connaicirctretout le reste

Selon la Lectura une alternative srsquoouvre laquo soit il nrsquoy aura aucun objet pre-mier [adeacutequat] de notre intellect soit il faut poser lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant raquo46Il faut que lrsquoeacutetant soit univoque sans quoi il nrsquoy a pas drsquoobjet premier etadeacutequat de notre intellect47 ndash Pourtant laquo il nrsquoest pas dit univoquement et demaniegravere quidditative raquo de tous les intelligibles48 Il faut lire ce passage commeun hendiadys lrsquoeacutetant dit univoquement est lrsquoeacutetant dit in quid or lrsquoeacutetant nrsquoestpas dit de maniegravere quidditative de toutes choses

Mais selon lrsquoOrdinatio ce nrsquoest plus une alternative les deux thegraveses sontvraies en mecircme temps Il nrsquoy a tout simplement pas drsquoobjet premier de lrsquointel-lect au sens strict et lrsquoeacutetant est univoque Lrsquounivociteacute est pourtant la conditionsine qua non de lrsquoexistence drsquoune certaine uniteacute de lrsquoobjet de notre intellectqui nrsquoest ni lrsquouniteacute formelle ni lrsquouniteacute virtuelle deacutejagrave eacutevoqueacutees49 La nature et

45 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sect 85 257 Duns Scotus Ord I3 (wieAnm 3) sectsect 94ndash98 62 f

46 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sect 97 26147 Vgl ebd sect 98 261 Oportet ponere quod ens sit univocum quod etiam sit obiectum

primum adaequatum intellectui nostro48 Ebd sect 99 261 Dico quod ens non est dictum univoce et in quid de omnibus per se

intelligibilibus mecircme doctrine dans la Collatio 13 sect 349 Vgl Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 129 80 pour la traduction vgl Jean Duns Scot

Sur la connaissance de Dieu et lrsquounivociteacute de lrsquoetant Introduction traduction et commentai-re p O Boulnois Paris 1988 138 Quod si ens ponatur aequivocum creato et increatosubstantiae et accidenti cum omnia ista sint primum obiectum intellecus nostri nec proptervirtualitatem nec propter communitatem Sed ponendo illam positionem [hellip] potest aliquomodo salvari aliquod esse primum obiectum intellectus nostri

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lrsquoextension de lrsquoobjet de notre intellect correspondent agrave la nature et agrave lrsquoexten-sion de lrsquounivociteacute qui deacutepend agrave son tour de la structure de la preacutedicationAutrement dit la meacutetaphysique de lrsquounivociteacute deacutepend de lrsquouniteacute du concept

Cela permet agrave Duns Scot drsquointroduire une analyse preacutecise du conceptdrsquoeacutetant Le concept drsquoeacutetant est un concept laquo absolument simple raquo qui laquo nrsquoestpas analysable en plusieurs concepts raquo En cela il se distingue drsquoun conceptlaquo simple mais non absolument simple raquo lequel correspond agrave laquo tout ce quipeut ecirctre conccedilu par lrsquointellect drsquoun acte drsquointelligence simple quoique pou-vant ecirctre analyseacute en plusieurs concepts concevables seacutepareacutement raquo50 parexemple le concept drsquoeacutetant infini ndash Discregravetement Duns Scot renverse unetradition multiseacuteculaire le concept le plus simple que nous puissions avoirnrsquoest pas celui de Dieu mais celui drsquoeacutetant

On peut alors aborder la question de la primauteacute du concept drsquoeacutetantPour eacutetablir ce point Duns Scot doit drsquoabord preacuteciser ce qursquoil entend parconcevoir confuseacutement ou distinctement Aristote affirmait que laquo les chosesconfuses sont connues drsquoabord raquo51 Saint Thomas soutenait que nous avonsdrsquoabord une connaissance imparfaite et indistincte sous un mode confus52Mais pour Scot connaicirctre un objet confus nrsquoest pas neacutecessairement con-naicirctre confuseacutement53 Il existe des reacutealiteacutes confuses crsquoest-agrave-dire qui mecirclent demaniegravere indistincte diverses parties Mais une mecircme reacutealiteacute peut ecirctre conccedilueconfuseacutement crsquoest-agrave-dire simplement viseacutee par une deacutefinition nominale etelle peut ecirctre conccedilue distinctement lorsqursquoon possegravede la deacutefinition qui deacutecritson essence54 Lrsquoeacutetant enveloppe bien une reacutealiteacute plus ou moins complexeMais parce qursquoil est absolument simple laquo lrsquoeacutetant ne peut ecirctre conccedilu que dis-tinctement raquo Il est mecircme le laquo premier concept distinctement concevable raquo55Cela fait de la meacutetaphysique la condition de possibiliteacute de toute science dis-tincte laquo il peut ecirctre conccedilu distinctement sans les autres et non pas les autressans qursquoil soit conccedilu distinctement raquo56 ndash Second renversement lrsquoeacutetant nrsquoestpas lrsquoobjet drsquoune connaissance confuse et imparfaite mais drsquoune connais-

50 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 71 49 trad Boulnois (wie Anm 49) 11651 Phys I 1 184 a 21ndash22 citeacute par Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 83 57 trad Boulnois

(wie Anm 49) 12152 Thomas drsquoAquin Summa theologiae II q85 a3 sub quadam confusione53 Duns Scotus De an (wie Anm 3) q16 sect 27 154 laquo Thomas a eacuteteacute trompeacute [hellip] parce qursquoil

nrsquoa pas distingueacute entre connaicirctre quelque chose confuseacutement et distinctement et connaicirctrequelque chose de confus raquo (trad Boulnois) vgl W Goris The Confuse and the Distinct ndashTowards a Proper Starting Point of Human Knowledge in Thomas Aquinas and Duns Sco-tus in R L FriedmanJ M Counet (Eds) Soul and Mind Ancient and Medieval Perspec-tives on the De anima (agrave paraicirctre)

54 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 71 49 trad Boulnois (wie Anm 49) 11655 Ebd sect 80 54 f trad Boulnois (wie Anm 49) 11956 Ebd sect 55 trad Boulnois (wie Anm 49) 119

228 Olivier Boulnois

sance distincte et parfaite parce qursquoelle est simple Sa connaissance distinctenrsquoest pas atteinte au terme de la science mais donneacutee au commencementCette prioriteacute conduit agrave opposer lrsquoordre transcendantal agrave lrsquoordre expeacuterimen-tal car toute expeacuterience commence par la connaissance de lrsquoespegravece la plusspeacuteciale57

La reacuteflexion sur la primauteacute de lrsquoobjet de lrsquointellect permet de com-prendre laquo en quel sens la meacutetaphysique est premiegravere et en quel sens elle nelrsquoest pas raquo58 Elle est derniegravere dans lrsquoordre de lrsquoapprentissage car elle est con-nue apregraves toutes les autres Mais elle est premiegravere dans lrsquoordre de la distinc-tion car non seulement elle est la science premiegravere dans lrsquoordre de la connais-sance distincte mais elle est celle qui permet aux autres sciences de devenirdistinctes En effet les principes des sciences particuliegraveres sont admis commeeacutevidents par eux-mecircmes agrave partir de la combinaison des concepts confus deleurs termes Mais laquo agrave partir de la science meacutetaphysique on a ensuite lapossibiliteacute de rechercher distinctement la quidditeacute de se termes raquo et de cettefaccedilon les laquo principes des sciences speacuteciales sont connus plus distinctementqursquoauparavant raquo59 Mieux vaut ecirctre meacutetaphysicien et geacuteomegravetre que geacuteomegravetreAu lieu de principes admis agrave partir drsquoune connaissance confuse la scienceparticuliegravere aura une connaissance distincte de ses propres principes Ellepourra mecircme en deacutecouvrir de nouveaux Ainsi la meacutetaphysique est la condi-tion de possibiliteacute non certes de tout exercice de la science mais de toutescience distincte fondeacutee sur des preacutemisses conccedilues distinctement Crsquoest unecondition structurelle en soi dont nous nrsquoavons pas neacutecessairement con-science

2 La structure de la preacutedication

La cleacute pour penser lrsquouniteacute de la meacutetaphysique consiste en effet agrave penser lesmodes drsquoarticulation de lrsquoeacutetant crsquoest-agrave-dire ses modes de preacutedication DunsScot repart drsquoune deacutefinition stricte de la science qui provient des Secondsanalytiques le sujet drsquoune science est celui de la conclusion eacutetablie par unedeacutemonstration qui lui attribue des proprieacuteteacutes par soi Il lrsquoassouplit cependanten soulignant que pour Aristote il y a deux modes drsquoinclusion par soi60

Lrsquoinclusion per se primo modo ougrave le sujet est inclus dans le preacutedicatsrsquoarticule agrave lrsquoinclusion per se secundo modo ougrave le preacutedicat est inclus dans lesujet Lrsquoexemple aristoteacutelicien montre bien que lrsquoinclusion per se secundo

57 Ebd sect 73 50 trad Boulnois (wie Anm 49) 11758 Ebd sect 81 56 trad Boulnois (wie Anm 49) 121 modifieacutee59 Ebd trad Boulnois (wie Anm 49) 120 modifieacutee60 Anal Post I 473 a 34-b 3

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 229

modo convient particuliegraverement agrave des proprieacuteteacutes disjonctives par paires tellesque lrsquoensemble formeacute par leur conjonction a la mecircme extension que le sujetqursquoils qualifient Or preacuteciseacutement Duns Scot utilisera des proprieacuteteacutes disjonc-tives par paires comme finiinfini contingentneacutecessaire pour les appliqueragrave lrsquoeacutetant et parvenir ainsi agrave remonter jusqursquoagrave Dieu

Lrsquoideacutee drsquoarticuler les deux modes de preacutedication pour fonder une scienceremonte agrave Aristote lui-mecircme laquo Donc agrave propos des objets de science au sensabsolu ceux qui sont dits lsaquo par soi rsaquo de telle sorte qursquoils soient contenus dansles sujets dont ils sont preacutediqueacutes ou que ces sujets les contiennent sont agrave lafois du fait drsquoeux-mecircmes et par neacutecessiteacute raquo61 Toute science est science depreacutedicats qui contiennent analytiquement les sujets ou qui sont contenusvirtuellement en eux Or lrsquoeacutetant nrsquoest pas preacutediqueacute quidditativement de toutce qui est intelligible par soi parce qursquoil nrsquoest preacutediqueacute ainsi ni des diffeacuterencesultimes ni des autres transcendantaux62 En effet les diffeacuterences ultimes etles transcendantaux ne tombent pas sous lrsquoeacutetant ils nrsquoen sont pas des sous-ensembles Les diffeacuterences ultimes sont tout agrave fait exteacuterieures au conceptdrsquoeacutetant auquel elles srsquoajoutent pour le deacuteterminer lrsquoeacutetant se dit quidditative-ment (per se primo modo) de ses infeacuterieurs (cateacutegories genres espegraveces) maisles autres transcendantaux et les diffeacuterences ultimes srsquoen disent qualitative-ment (per se secundo modo)63 En drsquoautres termes la preacutedication quidditativeconcerne uniquement le concept drsquoeacutetant et ce qui lui est infeacuterieur les cateacutego-ries (substance) les genres (animal) les espegraveces (homme)

Pourquoi exclure les autres transcendantaux de la preacutedication essen-tielle ndash Parce qursquoils introduiraient une redondance (nugatio) Les transcen-dantaux convertibles ne sont pas drsquoautres ensembles drsquoessences chaque eacutetantest vrai et bon et pourtant le vrai et le bien ne sont pas autre chose quelrsquoeacutetant mais toujours lrsquoeacutetant pris sous un autre rapport en tant qursquointelligibleou deacutesirable64 Les transcendantaux disjonctifs ne sont pas non plus autrechose que lrsquoeacutetant mais des modaliteacutes de lrsquoeacutetant tout eacutetant est neacutecessaire oucontingent infini ou fini mais la neacutecessiteacute et lrsquoinfiniteacute sont des modes delrsquoeacutetant divin la contingence et la finiteacute des modes de lrsquoeacutetant creacuteeacute65 ndash Pourquoiexclure les diffeacuterences ultimes pour la mecircme raison si la diffeacuterence ultime

61 Anal Post I 473 b 1662 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 131 81 trad Boulnois (wie Anm 49) 138 Sur les

laquo deux orientations principales du savoir raquo ebd 47 f63 Vgl Collatio 24 (wie Anm 3) sect 21 212ndash219 trad Boulnois (wie Anm 49) 30364 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sectsect 134ndash136 83ndash85 trad Boulnois (wie Anm 49) 139ndash

14165 Sur lrsquoexplication modale de lrsquoeacutetant voir Duns Scotus Ord I4ndash10 (wie Anm 3) d8

sectsect 100ndash109 136ndash140 199ndash203 221ndash223 et lrsquoanalyse de Honnefelder Scientia transcen-dens (wie Anm 1)

230 Olivier Boulnois

eacutetait infeacuterieure agrave lrsquoeacutetant lrsquoobjet deacutefini par elle serait deux fois eacutetant une foispar son genre qui est un eacutetant une fois par sa diffeacuterence qui serait aussi uninfeacuterieur de lrsquoeacutetant Lrsquohomme nrsquoest pas deux fois eacutetant en tant qursquoanimal eten tant que rationnel par son genre (animal) lrsquohomme est un eacutetant mais ladiffeacuterence (rationnel) est purement qualitative elle nrsquoa rien de quidditatif66

Comme le dit un ceacutelegravebre adage inspireacute drsquoAristote souvent citeacute par Duns Scotlaquo il ne faut pas multiplier les entiteacutes sans neacutecessiteacute raquo Crsquoest bien lrsquoeacutetant qui estle fondement auquel srsquoarticulent qualitativement les autres transcendantauxet les diffeacuterences ultimes

Pourtant malgreacute cette articulation complexe ou plutocirct gracircce agrave cette arti-culation complexe entre deux ordres de primauteacute on peut encore dire que lepremier objet de notre intellect est lrsquoeacutetant en un sens indirect Il lrsquoest au senspreacutecis ougrave se rencontre en lui cette articulation on ne peut pas dire que tousles intelligibles incluent essentiellement le concept drsquoeacutetant Mais on peut ren-verser le sens de lrsquoinclusion et lrsquoassouplir pour dire qursquoil inclut laquo essentielle-ment raquo une partie des intelligibles et qursquoil est inclus qualitativement dans lereste Lrsquoeacutetant est bien le premier objet adeacutequat de lrsquointellect parce qursquoil a unelaquo double primauteacute de communauteacute et de virtualiteacute raquo de communauteacute enverscertains objets de virtualiteacute envers drsquoautres laquo Tout ce qui est intelligible parsoi ou bien inclut essentiellement la raison drsquoeacutetant ou bien est contenu vir-tuellement ou essentiellement dans ce qui inclut essentiellement la raisondrsquoeacutetant raquo67 Lrsquoeacutetant reste un preacutedicat univoque mais il nrsquoest pas preacutediqueacute uni-voquement de toutes choses Il a une primauteacute de communauteacute envers sesinfeacuterieurs qui lrsquoincluent essentiellement ou quidditativement et une primauteacutede virtualiteacute envers les concepts qualitatifs des diffeacuterences ultimes et des pro-prieacuteteacutes transcendantales Les intelligibles qui incluent essentiellement lrsquoeacutetantsont les conceptrsquos universels qui le divisent genres espegraveces individus etlrsquoeacutetant infini Les autres sont soit contenus essentiellement dans ce qui inclutlrsquoeacutetant comme les diffeacuterences ultimes soit contenus virtuellement danslrsquoeacutetant comme les transcendantaux convertibles La mention drsquoune primauteacutevirtuelle de lrsquoeacutetant pose un problegraveme difficile comment une notion irreacuteducti-blement simple peut-elle causer une connaissance des transcendantaux con-vertibles ndash Du moins cette solution complexe signifie que lagrave ougrave lrsquoeacutetant nrsquoestpas un terme univoque preacutediqueacute quidditativement comme le supeacuterieur delrsquoinfeacuterieur il est inclus dans lrsquoalteacuteriteacute de la diffeacuterence et des autres transcen-dantaux68 La solution est eacuteminemment subtile mais elle permet de maintenir

66 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 131 81 laquo son concept est seulement qualitatif tandisque le genre ultime a seulement un concept quidditatif raquo trad Boulnois (wie Anm 49) 138

67 Ebd sect 137 85 trad Boulnois (wie Anm 49) 141 commentaire 51ndash5368 Ebd trad Boulnois (wie Anm 49) 121 laquo En lui se rencontre une double primauteacute de

communauteacute et de virtualiteacute puisque tout ce qui est intelligible par soi ou bien inclut

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 231

une uniteacute indirecte et minimale du concept drsquoeacutetant en le soumettant auxregravegles logiques des relations entre sujet et preacutedicat

La seconde difficulteacute que doit aborder Duns Scot est le problegraveme de lrsquoar-ticulation entre meacutetaphysique et connaissance de Dieu Si lrsquoon veut conserverles deux principales affirmations drsquoAvicenne lrsquoeacutetant est le sujet de la meacuteta-physique et celle-ci a pour but la connaissance de Dieu Mais nous devonsrenoncer agrave la deacutefinition habituelle de la science le concept drsquoeacutetant nrsquoest pasune cause qui nous permet de deacuteduire lrsquoexistence de Dieu Le concept drsquoeacutetantest le plus simple et le plus indeacutetermineacute de tous il nrsquoinclut en lui-mecircme au-cune deacutetermination et surtout pas la plus parfaite lrsquoexistence de Dieu Lapreuve ontologique nrsquoest pas possible Et la meacutetaphysique ne peut pas ecirctreune science a priori Elle est une science quia par les effets

3 Lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant

Remarquons que le problegraveme poseacute dans ces œuvres theacuteologiques est celui dela connaissance de Dieu crsquoest-agrave-dire de la preacutedication de cateacutegories finies agravepropos de lrsquoinfini Lrsquoanalogie ne porte plus cateacutegorialement sur les diverssens de lrsquoecirctre par rapport agrave la substance mais transcendantalement sur lerapport entre notre concept drsquoecirctre reacutefeacutereacute au creacuteeacute et le concept drsquoecirctre reacutefeacutereacute agravelrsquoincreacuteeacute

Comme Henri de Gand Duns Scot admet que les transcendantaux sontla voie drsquoaccegraves agrave Dieu Mais contrairement agrave lui Duns Scot pense qursquoil existeun seul concept drsquoeacutetant sous-jacent agrave la preacutedication analogique des termes agraveDieu laquoDieu nrsquoest pas seulement conccedilu dans un concept analogue au conceptde la creacuteature crsquoest-agrave-dire [un concept] qui soit entiegraverement autre que celuiqui est dit de la creacuteature mais dans un certain concept univoque agrave lui et agrave lacreacuteature raquo Crsquoest preacuteciseacutement en cela que consiste lrsquounivociteacute laquo Jrsquoappelle con-cept univoque celui qui est drsquoune telle uniteacute que celle-ci suffit agrave lsaquo produire rsaquoune contradiction si on lrsquoaffirme ou si on le nie du mecircme lsaquo terme rsaquo il suffitaussi agrave tenir lieu de moyen terme dans un syllogisme de telle faccedilon que lrsquoonpuisse conclure que les extrecircmes unis dans un moyen terme doteacute drsquoune telleuniteacute sont unis entre eux raquo69 Lrsquounivociteacute signifie deacutesormais qursquoil srsquoagit drsquounconcept unique obtenu par abstraction agrave partir des creacuteatures il possegravede une

essentiellement la raison drsquoeacutetant ou bien est contenu virtuellement ou essentiellement dansce qui inclut essentiellement la raison drsquoeacutetant raquo vgl Boulnois laquo Introduction La destructionde lrsquoanalogie et lrsquoinstauration de la meacutetaphysique raquo

69 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 26 18 trad Boulnois (wie Anm 49) 94ndash95 vglDuns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sect 21 232 ce critegravere logique a eacuteteacute eacutelaboreacutepar Simplicius vgl aussi Duns Scotus Sup elench (wie Anm 3) q15ndash16 331ndash345

232 Olivier Boulnois

uniteacute telle qursquoil peut servir de moyen terme dans un syllogisme et qursquoil suffitagrave entraicircner une contradiction logique lorsqursquoon le nie et qursquoon lrsquoaffirme enmecircme temps drsquoun mecircme sujet La question de lrsquounivociteacute est donc soumise agravela theacuteorie de la deacutemonstration supposeacutee par les Reacutefutations sophistiques Unescience ne peut ecirctre une science que si ses concepts sont univoques sinon ilse glisse entre eux une tromperie (fallacia)

Dans un second temps lrsquoeacutetant est distingueacute par des modes propres enfini et infini Le grand argument en faveur de lrsquounivociteacute est alors la certitudeau double sens de discernement objectif (certitudo vient de cernere discerner)et drsquoexpeacuterience subjective nous discernons et nous expeacuterimentons que le con-cept drsquoeacutetant dit en lui-mecircme est certain alors que nous pouvons douter deses modes douter de Dieu par exemple Le concept drsquoeacutetant comme tel estdonc distinct du concept drsquoeacutetant divin et drsquoeacutetant creacuteeacute70 En mecircme temps touteconnaissance de Dieu suppose que lrsquoon possegravede un concept commun agrave Dieuet aux creacuteatures71 Ainsi lrsquoeacutetant est conccedilu anteacuterieurement agrave toute autre no-tion Contrairement au concept drsquoeacutetant tel que le deacutecrivait Henri de Gandobtenu par surimpression du concept laquo privativement indeacutetermineacute raquo de lrsquoeacutetantcreacuteeacute et du concept laquo neacutegativement indeacutetermineacute raquo de Dieu il est absolumentsimple

Enfin il faut deacutemontrer lrsquounivociteacute Parmi les cinq arguments deacuteveloppeacutespar Scot lrsquoun drsquoentre eux concerne la structure de la deacutemarche meacutetaphysiquelaquo Toute enquecircte meacutetaphysique agrave propos de Dieu procegravede en consideacuterant laraison formelle de quelque chose en ocirctant de cette raison formelle lrsquoimperfec-tion qursquoelle a dans les creacuteatures en reacuteservant cette raison formelle en luiattribuant totalement la perfection souveraine et en attribuant cela agraveDieu raquo72 Toute enquecircte meacutetaphysique a pour but la connaissance de Dieumais suppose que lrsquointellect construise par abstraction un concept identiqueet univoque dont il niera le mode imparfait et auquel il attribuera la perfec-tion la plus haute en le preacutediquant de Dieu Les trois voies dionysiennescausaliteacute neacutegation et eacuteminence srsquointegravegrent dans un substrat conceptuel affir-matif73 Duns Scot deacutemontre ainsi qursquoune perfection absolue nrsquoest ni propre

70 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sectsect 21ndash25 232 f omnis intellectus certusde uno conceptu et dubius de duobus habet aliquem conceptum de quo certus est aliumab utroque de quo dubius est aliter enim de eodem conceptu esset dubius et certus sedomnis intellectus viatoris habet conceptum certum de ente et bono dubitando per accidensde bono Dei et de bono creaturae et de ente Dei et de ente creaturae igitur ens et bonumsecundum se important alium conceptum a conceptu boni et entis in Deo et in creaturavgl Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sectsect 26ndash55 18ndash38

71 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sect 29 23572 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 39 26 trad Boulnois (wie Anm 49) 9973 Vgl Boulnois O Introduction La destruction de lrsquoanalogie et lrsquoinstauration de la meacutetaphy-

sique Duns Scotus Sur la connaissance de Dieu (wie Anm 49) 63ndash69

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 233

agrave la creacuteature ni propre agrave Dieu mais qursquoelle est une perfection pure qui a unconcept commun distinct de la deacutetermination qui le rend propre agrave Dieulaquo On connaicirct en premier lieu qursquoune chose est de cette sorte et en second lieuon lrsquoattribue agrave Dieu raquo74 Au lieu drsquoapercevoir les perfections pures dans latranscendance du principe comme le neacuteoplatonisme y invitait on peut deacuteter-miner ce qursquoest une perfection pure sans lrsquoattribuer agrave Dieu Lrsquounivociteacute estdevenue la condition de possibiliteacute de la science transcendantale Il y a unmoment ontologique anteacuterieur au moment theacuteologique

Certes lrsquounivociteacute des attributs divins nrsquoest pas un scoop Crsquoest plutocirctun retour par-delagrave Thomas drsquoAquin et Henri de Gand aux auteurs anciensceux du deacutebut du XIIIeme siegravecle comme Preacutevotin de Creacutemone Pierre deCapoue Guillaume drsquoAuxerre et mecircme Alexandre de Halegraves qui affirmentsans heacutesitation que les attributs divins ou des concepts propres comme celuide personne sont univoques agrave Dieu et agrave la creacuteature75 Mais ce qui est nouveauchez Scot crsquoest drsquoidentifier cette univociteacute theacuteologique agrave une deacutemarche meacuteta-physique Pour lui la theacuteologie srsquoappuie sur la meacutetaphysique les theacuteologienspartent des concepts communs agrave Dieu et agrave la creacuteature qui sont des laquo conceptsmeacutetaphysiques raquo et ils les attribuent agrave Dieu au plus haut degreacute76 Meacutetaphy-sique et transcendantal sont devenus synonymes

Crsquoest donc lrsquounivociteacute des transcendantaux qui deacutetient la cleacute de la solu-tion Ces concepts sont eacutetudieacutes par Scot agrave partir drsquoune exigence theacuteologiquela possibiliteacute drsquoattribuer agrave Dieu des preacutedicats77 Le problegraveme le plus aiguumldepuis Maiumlmonide est drsquoeacuteviter de porter atteinte agrave la transcendance et agrave lasimpliciteacute de Dieu en lui attribuant des proprieacuteteacutes qui ne conviennent qursquoagrave lacreacuteature Lrsquoanalogie servait preacuteciseacutement agrave eacuteliminer les imperfections de lacreacuteature pour eacuteviter de les transposer en Dieu Et lorsqursquoon remplace lrsquoanalo-gie des attributs divins par leur univociteacute comme le fait Scot cette purifica-tion nrsquoest plus possible Mais pour Scot il est possible drsquoaffirmer lrsquounivociteacutede lrsquoeacutetant sans faire de Dieu une reacutealiteacute finie (geacuteneacuterique) Il faut soutenir deuxthegraveses lrsquoune neacutegative laquo rien de ce qui est dit de Dieu nrsquoest dans un genre raquoen raison de son infiniteacute et de son ecirctre neacutecessaire lrsquoautre positive laquo tout cequi est dit de Dieu est transcendantal raquo78

74 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 38 25 trad Boulnois (wie Anm 49) 9975 Vgl Boulnois Etre et repreacutesentation (wie Anm 1) 265ndash26776 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sect 29 235 conceptus metaphysicales77 Duns Scotus Ord I4ndash10 (wie Anm 3) d8 sectsect 112ndash115 205ndash207 voir le commentaire A

B de Wolter The Transcendentals and their Function in the Metaphysics of Duns ScotusSt Bonaventure (NY) 1946 4ndash11

78 Duns Scotus Ord I4ndash10 (wie Anm 3) d8 sect 112 annotation de Duns Scotus 205 tradBoulnois (wie Anm 49) 241

234 Olivier Boulnois

Or cette thegravese positive dissimule un renversement remarquable de la pro-bleacutematique elle pousse Duns Scot dans ses derniers retranchements lrsquoobligeagrave une nouvelle deacutefinition du transcendantal Alors que transcendantal (trans-cendens) signifie originairement laquo ce qui transcende lrsquouniteacute drsquoun genre raquoDuns Scot remarque laquo Lrsquoeacutetant est diviseacute plus tocirct en infini et en fini qursquoen dixcateacutegories puisque lrsquoun de ceux-ci le fini est commun aux dix genres Donctout ce qui convient agrave lrsquoeacutetant en tant qursquoindiffeacuterent au fini ou agrave lrsquoinfini ouen tant que propre agrave lrsquoeacutetant infini lui convient [hellip] en tant qursquoil est transcen-dantal et hors de tout genre raquo79 Le sens ordinaire de transcendantal est tropeacutetroit un concept commun agrave tous les genres peut encore srsquoappliquer au finiDeacutejagrave les proprieacuteteacutes transcendantales sont ici (en theacuteologie) consideacutereacuteescomme communes agrave Dieu et agrave la creacuteature elles sont donc indiffeacuterentes aufini et agrave lrsquoinfini Lrsquouniteacute du transcendantal est donc exteacuterieure agrave tout genreparce qursquoelle est anteacuterieure agrave la division entre fini et infini Mais Scot vaencore plus loin en caracteacuterisant le transcendantal un attribut propre agrave Dieuest lui-mecircme transcendantal Drsquoune maniegravere deacutecisive Duns Scot abandonnela deacutefinition traditionnelle du transcendantal comme proprieacuteteacute commune (agravetoutes choses)

Crsquoest ainsi que lrsquoon peut consideacuterer des preacutedicats theacuteologiques les attri-buts propres agrave Dieu comme des transcendantaux Ainsi pour Scot la sagesseest un transcendantal crsquoest pourtant un attribut qui convient par eacuteminenceagrave Dieu et qui nrsquoest pas commun agrave tous les eacutetants Il va donc falloir redeacutefinirneacutegativement les transcendantaux laquo De mecircme que la raison de [genre] tregravesgeacuteneacuteral nrsquoest pas drsquoavoir au-dessous de soi plusieurs espegraveces mais de ne pasavoir de genre qui vienne par-dessus [hellip] de mecircme un transcendantal quel-conque nrsquoa aucun genre sous lequel il soit contenu raquo80 La veacuteritable deacutefinitiondu transcendantal est neacutegative elle consiste dans sa souveraineteacute Or unetelle deacutefinition permet justement de maintenir lrsquoambiguiumlteacute onto-theacuteologiquedu transcendantal81 Dieu en raison de sa transcendance aussi bien quelrsquoeacutetant en raison de son universaliteacute ne sont contenus dans aucune cateacutegorieLes attributs divins sont transcendantaux par eacuteminence tandis que lrsquoeacutetantest transcendantal en raison de sa communauteacute Ce sont pourtant lrsquoun etlrsquoautre des transcendantaux

79 Duns Scotus Ord I4ndash10 (wie Anm 3) d8 sect 111 205 trad Boulnois (wie Anm 49) 241ndash242 je souligne

80 Ebd sect 114 206 trad Boulnois (wie Anm 49) 242 on retrouve le mecircme jeu logique quecelui drsquoAvicenne Liber de philosophia prima VIII 4 402 l55ndash60

81 Comme le dit J Aertsen (wie Anm 7) 386 laquoLa deacutefinition neacutegative dissimule des raisonstregraves diffeacuterentes pour nrsquoecirctre pas deacutetermineacute par un genre la communauteacute preacutedicative ou latranscendance ontologique raquo (i e theacuteologique) vgl aussi O Boulnois Quand commencelrsquoontotheacuteologie Aristote Thomas drsquoAquin et Duns Scotus Revue thomiste 95 (1995) 108

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 235

Pour que les preacutedicats univoques ne portent pas atteinte agrave la transcen-dance de Dieu il faut qursquoils soient transcendantaux et non geacuteneacuteriques Maissi tous les attributs divins sont transcendantaux il faut que les proprieacuteteacutesdisjonctives soient elles-mecircmes des transcendantaux Cela nrsquoest nullementeacutevident en quoi des preacutedicats laquo speacutecifiques raquo approprieacutes agrave Dieu commelrsquoecirctre neacutecessaire la sagesse ou la volonteacute seraient-ils des transcendantaux82

Ils sont speacutecifiques en ce qursquoils appartiennent agrave une meacutetaphysique speacuteciale ndashcelle qui traite de Dieu Par extension crsquoest agrave la mecircme science de traiter destranscendantaux communs (lrsquoecirctre lrsquoun le vrai etc) des proprieacuteteacutes disjonc-tives par paire (ecirctre neacutecessaire ou ecirctre possible infini ou fini) et de laquo chacundes deux membres de ce qui est disjoint raquo la premiegravere extension est eacutevidenteune paire de proprieacuteteacutes est convertible avec un transcendantal commun maisla seconde est subtile chaque membre drsquoune paire est particulier et diffeacuteren-cieacute de lrsquoexteacuterieur par rapport au socle fondamental qursquoest lrsquoeacutetant Pourtantpuisqursquoil revient agrave laquo la mecircme science raquo transcendantale de connaicirctre lrsquoeacutetantet Dieu il faudra que les concepts propres agrave Dieu soient transcendantaux

Les transcendantaux culminent ainsi dans lrsquoattribution agrave Dieu laquo tous lestranscendantaux disent des perfections absolues (perfectiones simpliciter) etconviennent agrave Dieu au plus haut point raquo83 Le concept de perfection absolueest un terme preacutecis dans le vocabulaire de Scot il deacutesigne les proprieacuteteacutes quisont telles que les posseacuteder est supeacuterieur au fait de ne pas les posseacuteder Crsquoestle fond de lrsquoargument de saint Anselme laquo tout x qui est absolument meilleurque non-x doit ecirctre attribueacute agrave Dieu raquo84 La position de Scot lrsquoentraicircne eacutetran-gement agrave identifier tous les transcendantaux agrave des perfections absolues et agravefaire fi du membre imparfait dans les transcendantaux disjonctifs par paireCela montre encore une fois que les transcendantaux disjonctifs ne sontqursquoune meacutediation provisoire entre les transcendantaux communs (commelrsquoeacutetant) et les proprieacuteteacutes construites par voie drsquoeacuteminence (et attribueacutees agraveDieu) crsquoest-agrave-dire dans les deux sens du mot une simple laquo cheville raquo pourlrsquoarticulation onto-theacuteologique

Ainsi parti de lrsquoideacutee que laquo tout ce qui est dit de Dieu est transcendantal raquoDuns Scot conclut laquo est un transcendantal tout ce qui est dit de Dieu raquo dans

82 Vgl Duns Scotus Lect I8ndash45 (wie Anm 3) d8 sect 108 37 laquo Tu diras si la sagesse convi-ent drsquoabord agrave lrsquoeacutetant avant qursquoil soit diviseacute en genres la sagesse sera transcendantale (tran-scendens) ndash ce qui semble faux puisque crsquoest un preacutedicat speacutecial raquo

83 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 135 84 trad Boulnois 140 je souligne vgl DunsScotus Ord I4ndash10 (wie Anm 3) d8 sect 78 188 trad Boulnois (wie Anm 49) 229 laquo lesattributs sont des perfections absolues dites de Dieu formellement raquo

84 Anselmus Cantabrigiensis Monologion 15 citeacute par Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3)sect 38 25 trad Boulnois (wie Anm 49) 99

236 Olivier Boulnois

un cercle que lrsquohistorien pourra qualifier selon son degreacute de chariteacute de vi-cieux ou drsquohermeacuteneutique

Dans les œuvres theacuteologiques Duns Scot montre que toute possibiliteacute deconnaicirctre Dieu repose drsquoabord sur lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant laquo Comme on a mon-treacute par lrsquoargumentation que Dieu nrsquoest pas connaissable naturellement parnous agrave moins que lrsquoeacutetant ne soit univoque au creacuteeacute et agrave lrsquoincreacuteeacute de mecircme onpeut argumenter agrave propos de la substance et de lrsquoaccident raquo85 Crsquoest la theacuteolo-gie qui exige et eacutetablit lrsquounivociteacute meacutetaphysique laquo et non lrsquoinverse raquo Elle nesrsquoapplique agrave lrsquoontologie de la creacuteature qursquoapregraves-coup Et pourtant elle est sifondamentale que Duns Scot nrsquoheacutesite pas agrave dire que sans lrsquounivociteacute crsquoest laphilosophie elle-mecircme qui serait deacutetruite dans son ensemble86

Pour une raison theacuteologique la connaissance de Dieu Duns Scot eacutetablitune thegravese meacutetaphysique lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant qui deacutepend elle-mecircme drsquounethegravese eacutepisteacutemologique sur lrsquouniteacute de lrsquoobjet de la meacutetaphysique celui-ci nepeut ecirctre lrsquoeacutetant que si lrsquoon admet une combinaison complexe de preacutedicationquidditative et de preacutedication qualitative87 Ainsi dans ses œuvres theacuteolo-giques (Lectura et Ordinatio) Duns Scot a reformuleacute autrement les troisthegraveses principales de la meacutetaphysique

1 Lrsquouniteacute drsquoune science provient drsquoune combinaison complexe de preacutedicatsqui incluent formellement leur sujet et de preacutedicats qui sont virtuelle-ment inclus dans le sujet

2 Lrsquouniteacute de lrsquoeacutetant correspond preacuteciseacutement agrave cette combinaison complexede preacutedication quidditative et qualitative

3 La meacutetaphysique porte sur le concept transcendantal drsquoeacutetant qui en estle sujet

Paradoxalement ce nrsquoest pas dans un traiteacute de meacutetaphysique mais dans uneœuvre theacuteologique que Duns Scot pose lrsquounivociteacute de lrsquoecirctre On peut appelercette troisiegraveme figure de la meacutetaphysique une meacutetaphysique de lrsquoecirctre univoqueLa question de la preacutedication devient si radicale que ce sont des critegraveres lo-giques qui permettent de deacutefinir lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant (une identiteacute qui reacutesiste agravela fallacia) et de comprendre sa structure (la double preacutedication per se) Crsquoest

85 Duns Scotus Ord I3 (wie Anm 3) sect 139 8786 Duns Scotus Lect prol I1ndash7 (wie Anm 3) d3 sect 110 265 voir mon introduction agrave Duns

Scotus Sur la connaissance de Dieu (wie Anm 49) 13ndash23 comme lrsquoa montreacute G Pini Scotuson Doing Metaphysics in statu isto Archa Verbi Subsidia 3 (2011) 29ndash55 cette extensionrepose sur lrsquoideacutee que sans lrsquounivociteacute la connaissance des substances serait impossible

87 Position semblable dans Duns Scotus De an (wie Anm 3) q21 sectsect 6ndash7 208 f lrsquoeacutetant estlrsquoobjet premier de notre intellect par une double primauteacute drsquoadeacutequation selon la puissanceet selon la preacutedication

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 237

agrave cette condition que lrsquoeacutetant devient le sujet de la meacutetaphysique et qursquoil srsquoap-plique agrave tous ses modes y compris Dieu devenu ens infinitum Crsquoest cette posi-tion diffuseacutee par les nombreuses copies du Commentaire des Sentences qui amarqueacute la posteacuteriteacute Elle est devenue la plus classique et la plus commenteacuteeMais en raison de sa porteacutee theacuteologique elle ne va pas jusqursquoau bout delrsquoorientation ontologique exigeacutee par une science transcendantale

IV La troisiegraveme solution scotiste lrsquoattributiondu multiple agrave Dieu

Et pourtant comme lrsquoa montreacute un article pionnier de D Demange appuyeacutesur une eacutetude minutieuse de la nouvelle eacutedition critique ainsi que plusieurstravaux reacutecents (Wood Pini) il semble que Scot nrsquoait pas eacuteteacute satisfait de sapropre deacutefinition de la science Dans ses Questions sur la Meacutetaphysique ilsemble avoir entrepris une reacutevision et avoir ajouteacute de nouveaux deacuteveloppe-ments88

1 Une nouvelle structure de la science lrsquoagreacutegation

Dans ces additions Duns Scot examine la structure de la meacutetaphysique etsouligne qursquoune meacutetaphysique a priori est inaccessible La meacutetaphysique quiva de la cause aux effets est le propre des intelligences seacutepareacutees crsquoest-agrave-diredes bienheureux et des anges partant drsquoune connaissance intuitive de lrsquoes-sence de Dieu ils peuvent en deacuteduire les attributs89 Neacuteanmoins ce nrsquoest pasune connaissance discursive et donc pas tout agrave fait une science90 Duns Scot

88 Vgl D Demange Pourquoi Duns Scot a critiqueacute Avicenne Antonianum Giovanni DunsScotus Studi e Ricerche nel VII centenario della sua morte ed M Carbajo Nunez Rome2008 235ndash269 R Wood The Subject of the Aristotelian science of Metaphysics in RPasnau C Van Dyke (Eds) The Cambridge History of Medieval Philosophy Vol II 2010609ndash622 Selon ces auteurs la reacutevision a eacuteteacute entreprise apregraves la reacutedaction des œuvres theacuteolo-giques Par exemple un texte des Questions sur la Meacutetaphysique VI renvoyant selon leseacutediteurs agrave la Lectura a eacuteteacute biffeacute par Duns Scotus qui lui preacutefegravere manifestement une autresolution (OPh IV 708) Cependant il me semble difficile de srsquoappuyer sur certaines annota-tions ou ratures posteacuterieures pour affirmer que toutes le sont

89 Duns Scotus Q q (wie Anm 3) VII sect 33 266 Primum principium ad quod attingitmetaphysicus et hoc proprium de Deo non est sibi notum nisi tantum quia esset autemnotum sibi propter quid si posset habere conceptum de Deo virtualiter et evidenter inclu-dentem veritates ordinatas de Deo

90 Vgl Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q1 sect 135 62 Talem metaphysicam habetDeus sed non est sibi scientia

238 Olivier Boulnois

poleacutemique en effet contre lrsquointerpreacutetation de la meacutetaphysique comme unescience par la cause proceacutedant more geometrico agrave la deacuteduction des veacuteriteacutesqursquoelle contient

Dans les Quaestiones de cognitione Dei Duns Scot oppose la meacutetaphy-sique en soi agrave la meacutetaphysique pour nous91 La meacutetaphysique en soi suppose-rait qursquoen connaissant parfaitement le concept drsquoeacutetant on puisse en deacuteduirepar la cause (propter quid) toutes les veacuteriteacutes meacutetaphysiques Mais pour nousle concept drsquoeacutetant est absolument simple obtenu par abstraction il ne con-tient aucune deacutetermination Pour atteindre les veacuteriteacutes meacutetaphysiques le vaga-bond sur terre (viator) est obligeacute de srsquoen tenir agrave ses propres limites il nepourra que remonter vers le principe agrave partir de ses effets (quia) En soi onpourrait sans doute agrave partir du seul concept drsquoeacutetant et par la cause deacuteduirelrsquoexistence drsquoun eacutetant infini ndash ce serait une preuve a priori de lrsquoexistence deDieu telle qursquoHenri de Gand a cru la reacutealiser92 Mais pour nous une tellepreuve est impossible on ne peut connaicirctre cette existence qursquoagrave partir deseffets en remontant vers Dieu agrave partir de notre connaissance finie

Selon les Questions sur la Meacutetaphysique une meacutetaphysique a priori estpossible en soi mais non pour nous toute notre connaissance meacutetaphysiquepart des effets (quia)93 Dans le mecircme texte Duns Scot renonce agrave donner agravetoute science la rigueur de conclusions incluses per se primo ou secundomodo dans le sujet Car il est encore possible de prendre le terme de scienceen un autre sens Dans ce cas la science constitue lrsquoagreacutegation drsquoune seacuterielaquo de termes simples et complexes de principes et de conclusions raquo un peucomme la geacuteomeacutetrie est une alors qursquoelle consiste agrave la fois en eacuteleacutements enaxiomes et en conclusions94 Degraves lors Scot peut agrave la fois dire que le sujet decette science est commun agrave tous les sujets qui sont examineacutes dans cettescience (le concept de figure srsquoapplique agrave toutes les figures geacuteomeacutetriques) etque crsquoest un terme premier auquel tous les autres sont attribueacutes (on deacutemontretelle proprieacuteteacute du triangle mais la figure comme telle a drsquoautres proprieacuteteacutes)En ce sens la meacutetaphysique ne deacutemontrerait pas les proprieacuteteacutes de son sujeten tant que tel mais celui-ci serait agrave la fois un terme commun et le termeauquel on attribue toutes les proprieacuteteacutes des sujets consideacutereacutes dans cettescience

Or dans ce cas nous dit Scot mecircme si on admettait lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant(alternative qursquoil commence agrave envisager seacuterieusement) on pourrait encore

91 Vgl Duns Scotus Q c d (wie Anm 3) 379 384ndash38592 Vgl P Porro Enrico di Gand La via delle proposizioni universali Bari 199093 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q1 sect 119 56 sect 136 62ndash63 sect 150 6794 Ebd sect 103 50ndash51

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 239

poser Dieu comme sujet de la meacutetaphysique comme crsquoest le cas en theacuteolo-gie95

Est-ce simplement un retour agrave la position drsquoAverroegraves ndash Non car le veacuteri-table problegraveme nrsquoest pas de savoir si Dieu ou la substance sont le sujet dela meacutetaphysique mais de savoir si les principes premiers et absolus de lameacutetaphysique contiennent les principes des sciences qui en deacutependent96 OrScot insiste sur le fait que la science premiegravere ne permet pas de deacuteduire lesautres Il y a de nombreuses causes de lrsquohomme mais aucune qui expliquelaquo pourquoi lrsquohomme est lrsquohomme raquo97 La meacutetaphysique de Scot porte sur desquidditeacutes et non sur des existences Or les essences ne peuvent pas se deacuteduirea priori laquoCe nrsquoest pas parce que Dieu est Dieu que lrsquohomme est lrsquohommemecircme si lrsquohomme vient de Dieu raquo98 La cleacute de la deuxiegraveme solution scotisteest dans la meacutethode (modus)99 Selon cette meacutethode nous avons virtuelle-ment lrsquoideacutee drsquoune autonomie des sciences comme ensembles discursifs indeacute-pendants

Il y a des principes plus ou moins primitifs mais cela ne veut pas direque lrsquoun est la cause de veacuteriteacute de lrsquoautre Il peut donc y avoir un ordre desprincipes sans deacuteduction causale100 Pour ce modegravele non-causal de la scienceselon lequel il y a plusieurs principes indeacuteductibles les uns des autres il nrsquoestpas possible de partir de la cause pour deacuteduire toutes les propositions decette science Loin de revenir agrave Averroegraves Duns Scot deacutecouvre lrsquoautonomiedes essences et des discours

Scot propose donc un nouveau modegravele drsquouniteacute de la science par agreacutega-tion de mecircme que lrsquoon peut construire la geacuteomeacutetrie agrave partir de lrsquoagreacutegationdes sciences du cercle du triangle etc on peut atteindre la meacutetaphysiqueagrave partir de lrsquoaddition des sciences de la substance et des autres cateacutegoriesLrsquoagreacutegation doit se comprendre comme la superposition de divers principesil existe des principes pour chaque science qui sont des eacutenonceacutes complexeset ces eacutenonceacutes ont un certain ordre drsquoanteacuterioriteacute les uns par rapport auxautres Ainsi mecircme si lrsquohomme a une cause la proposition laquo lrsquohomme esthomme raquo nrsquoa pas de cause La causaliteacute ontologique nrsquoest pas la mecircme choseque lrsquoordre de prioriteacute formelle crsquoest dans ce cadre que la meacutetaphysique peutecirctre une science par agreacutegation

95 Vgl ebd sect 153 68 Lrsquounivociteacute mentionneacutee ici en meacutetaphysique est lrsquounivociteacute entre lasubstance et les accidents et non comme en theacuteologie entre Dieu et la creacuteature

96 Vgl ebd sect 104 5197 Ebd sect 105 5298 Ebd sect 109 53 Non quia lsaquo Deus est Deus rsaquo ideo lsaquo homo est homo rsaquo licet a Deo sit homo99 Vgl ebd sect 110 53ndash54100 Ebd sect 108 52

240 Olivier Boulnois

2 Le sujet de la meacutetaphysique

Duns Scot relie ensuite la question de la structure de la meacutetaphysique agrave cellede son sujet Une agreacutegation de principes et de conclusions nrsquoa drsquouniteacute quesi elle est attribueacutee agrave un terme premier en lrsquooccurrence Dieu De mecircme nouspouvons accepter lrsquounivociteacute du concept drsquoeacutetant agrave condition de soutenir quecrsquoest lrsquoeacutetant creacuteeacute attribueacute au premier eacutetant crsquoest-agrave-dire encore agrave Dieu101

Duns Scot semble dire que lrsquoeacutetant creacuteeacute est univoque laquo sous la raison du pre-mier eacutetant raquo crsquoest-agrave-dire sous la raison par laquelle il a le mecircme concept queDieu De ce fait la meacutetaphysique comme agreacutegat ne se rapporte plus agrave lasubstance mais agrave Dieu Lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant est maintenant inteacutegreacutee agrave lrsquointeacute-rieur drsquoune analogie de la creacuteature agrave Dieu

Degraves lors la meacutetaphysique a Dieu pour sujet Mais ce nrsquoest plus au sensdrsquoAverroegraves Cela peut arriver de deux faccedilons soit parce que crsquoest la connais-sance de Dieu qui les fait connaicirctre et crsquoest une science par la cause soitparce que les preacutedicats ainsi attribueacutes le font connaicirctre et crsquoest une sciencepar les effets Certes lrsquoange peut avoir une connaissance deacuteductive de lacreacuteature agrave partir de Dieu dans une meacutetaphysique qui procegravede par la cause(propter quid) Mais ce nrsquoest pas celle qui nous est accessible Notre meacutetaphy-sique est une connaissance de Dieu par les effets qui part de lrsquoexpeacuteriencefinie du viator et qui en abstrait des concepts universels102 En partant drsquounedeacutefinition nominale gracircce au principe qursquoil nrsquoy a pas drsquoeffet sans cause onpeut conclure agrave partir drsquoun effet donneacute lrsquoexistence et la nature de sa cause

Une fois devenue science par les effets la meacutetaphysique construite paragreacutegation peut ecirctre une science de lrsquoeacutetant premier elle porte sur touteschoses mais en tant qursquoattribuables agrave Dieu Dans lrsquoeacutetat preacutesent (nunc)lrsquohomme peut seulement avoir une meacutetaphysique selon la seconde meacutethode(quia) car toute notre connaissance provient des sens Crsquoest pourquoi la pre-miegravere science accessible agrave lrsquohomme par la raison naturelle est une science par

101 La science est une agreacutegation de conclusions et de principes Et mecircme si lrsquoon admet uneunivociteacute du concept drsquoeacutetant creacuteeacute (dit de la substance et des accidents) on peut le consideacuterercomme attribueacute au premier concept drsquoeacutetant crsquoest-agrave-dire au concept du premier eacutetant donccomme attribueacute agrave Dieu Mais alors la consideacuteration de tous les eacutetants sera meacutetaphysiqueen tant qursquoelle est attribueacutee au premier eacutetant et non plus agrave la substance la meacutetaphysiqueporte donc sur toutes choses sous la raison drsquoeacutetant Ou bien elle porte sur toutes chosesparce qursquoelles sont connues agrave partir de la connaissance de Dieu comme ses attributs Maiscela ouvre un abicircme car ce sont deux voies opposeacutees la premiegravere voie passe par les effets(quia) la seconde par la cause (propter quid) vgl Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3)I q1 sect 134 61ndash62

102 Vgl ebd sect 132 60 f

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 241

les effets (quia) ndash elle porte sur Dieu comme sujet premier et sur tout eacutetantcomme sur sa laquo matiegravere raquo en tant qursquoil est attribueacute au premier eacutetant103

Duns Scot admet donc ici une structure analogique et une prioriteacute deDieu comme sujet de la meacutetaphysique Mais attention Il ne srsquoagit plus drsquounemeacutetaphysique deacuteductive Crsquoest une laquo scientia quia aggregata raquo ndash une agreacutega-tion de propositions disparates

En passant Duns Scot mentionne un doute ndash une hypothegravese qursquoil neretiendra pas Selon celui-ci la science de lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant semble anteacute-rieure agrave la science des eacutetants dans leur relation agrave Dieu104 Ainsi une autremeacutetaphysique (alia metaphysica prior) celle qui considegravere lrsquoeacutetant en tantqursquoeacutetant sera anteacuterieure agrave la science qui a Dieu pour sujet Dans sa reacuteponseScot accepte de dire que cette consideacuteration de lrsquoeacutetant en tant que tel estanteacuterieur par lrsquoorigine (prioritate originis) mais non par la viseacutee (prioritateintentionis) Or le premier objet drsquoune science est celui qui est viseacute principale-ment crsquoest-agrave-dire celui envers qui est ordonneacutee lrsquoagreacutegation des connais-sances qui composent cette science105 Ainsi lorsque Duns Scot affirme queDieu est le laquo sujet raquo de la meacutetaphysique il veut dire qursquoil est le principe viseacutepar toutes les sciences agreacutegeacutees et impliqueacutees par elles crsquoest-agrave-dire au fondencore un terme viseacute par une analogie drsquoattribution

Une objection surgit alors srsquoil existe au moins une meacutetaphysique portantsur lrsquoeacutetant a priori (propter quid) pourquoi la science de Dieu nrsquoen fait-elle

103 Vgl ebd sect 136 62 f Secundo modo tantum potest homo nunc metaphysicam habere(quidquid sit de notitia naturali Dei beati vel in statu innocentiae) quia nunc lsaquo omnis nostracognitio oritur a sensu rsaquo tantum Igitur sic potuit tradi a Philosopho Potest igitur primascientia possibilis homini per rationem naturalem acquiri et poni scientia quia ndash et de Deout de subiecto primo et de omni ente ut de materia in quantum attribuitur ad primumens ndash quae nec supponet Deum esse nec ab eius notitia incipiet ad cognoscendum alialicet utrumque oporteret si esset scientia propter quid Sicut enim in scientia quia propriedicta non praesupponitur de subiecto nisi tantum quid dicitur per nomen et concluditurtam esse quam quid est ut praedictum est similiter potest esse in scientia quia aggregataQuod enim in alia scientia posset probari Deum esse lsaquo quia rsaquo et non in tali esset inconveni-ens cum talis consideret effectus ita immediatos eius sicut aliqua alia Quare etiam scientiaquia non probat propter quid subiectum esse quare etiam scientia propter quid praesuppo-nit subiectum esse et quid est cum hoc posset probare per principia subiecti si habetprincipia

104 Vgl ebd sect 137 63 Prima dubitatio est circa hoc quod ponitur Deum esse subiectum inmetaphysica et quod consideret entia ut attribuuntur ad Deum quoniam consideratio enti-um in quantum entia videtur esse prior quam in quantum attribuuntur ad primum ensigitur erit alia metaphysica prior quae consideret entia in quantum entia quam illa quaeponitur de Deo ut de subiecto

105 Vgl ebd sect 140 64 Illa consideratio qua considerantur entia in se prior est prioritateoriginis [hellip] sed non prioritate intentionis Et primum sub-iectum ponitur cuius cognitioprincipaliter intenditur vel ad quod ut ad principium tota aggregatio multarum cognitio-num principaliter ordinatur

242 Olivier Boulnois

pas autant106 Si lrsquoon atteint Dieu crsquoest agrave partir drsquoune proprieacuteteacute disjonctivepar exemple lrsquoeacutetant contingent puis en remontant agrave Dieu comme agrave sa causepar exemple au neacutecessairement ecirctre on lrsquoatteint donc par les effets (quia) Etmecircme si on peut eacutetablir propter quid un certain nombre de thegraveses agrave partir delrsquoattribut necesse esse (par exemple lrsquoimmutabiliteacute divine) la premiegravere preacute-misse eacutetait eacutetablie par une deacutemonstration quia donc lrsquoensemble de la deacute-monstration est tout entier par les effets Il y a ici une tension entre la meacuteta-physique portant sur lrsquoeacutetant qui va de la cause agrave lrsquoeffet et la science de Dieuqui remonte de lrsquoeffet vers la cause

Mais en raison de la prioriteacute logique du concept drsquoeacutetant crsquoest toute lascience de lrsquoeacutetant qui est ordonneacutee agrave la connaissance de Dieu par les effets107

Duns Scot envisage en passant lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant laquo Si lrsquoeacutetant est drsquouneseule et mecircme raison en Dieu et en les autres pourquoi ne peut-on pas ad-mettre que lrsquoeacutetant est le premier sujet sous lequel sont contenus toutes lesreacutealiteacutes connues aussi bien la premiegravere que les autres raquo108 ndash La reacuteponse estclaire laquo mecircme si lrsquoon admet que lrsquoeacutetant est univoque le sujet principal seraencore ici Dieu car cette science nrsquoa pas eacuteteacute transmise en vue drsquoacqueacuteriren elle la connaissance de lrsquoeacutetant en effet elle viserait alors eacutegalement laconnaissance de toutes choses sous elle-mecircmeraquo109 Mecircme si lrsquoeacutetant eacutetait uni-voque la meacutetaphysique ne serait pas une ontologie indiffeacuterente aux diffeacute-rents objets qui tombent sous elle La connaissance de lrsquoobjet suprecircme de lameacutetaphysique reste ce en vue de quoi tout le reste est connu Dans cette phasede sa reacuteflexion lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant nrsquoeacutetait qursquoune hypothegravese et Duns Scotnrsquoadmettait absolument pas que la meacutetaphysique soit drsquoorientation ontolo-gique

106 Vgl ebd sect 149 67 Cum scientia de ente in quantum ens sit propter quid quare scientiade Deo est tantum quia Metaphysica est propter quid quare etiam de Deo non est scientiapropter quid Nam habita prima proprietate eius de ipso possunt aliae ut videtur propterquid de ipso ostendi Je ne comprends pas on vient de dire que la meacutetaphysique eacutetait quiaet pas propter quid ndash la preacutemisse nrsquoest plus bonne dans cet eacutetat de la penseacutee de Scot

107 Vgl ebd sect 150 67 Respondeo quod tota illa scientia propter quid quae est de ente inquantum ens ordinatur ad quia de Deo Metaphysica vero ut est nobis possibilis nuncnon est principaliter scientia propter quid de Deo Semper enim prima proprietas habeturquia Et licet ex illa demonstretur secunda propter quid tamen secunda non cognoscitursimpliciter propter quid quia eius cognitio dependet ex cognitione quia primae passionis

108 Ebd sect 152 68 Si ens est unius rationis Deo et aliis quare non potest ens poni primumsubiectum sub quo continentur omnia cognita tam primum quam alia

109 Ebd sect 153 68 Dato quod ens sit univocum adhuc principale subiectum erit hic Deusquia non traditur scientia propter cognitionem de ente in se habendam tunc enim aequaliterintenderet cognitionem omnium sub ipso quia propter cognitionem totam eius primo

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 243

3 Lrsquoarticulation fondamentale de la meacutetaphysique

Henri de Gand distinguait deacutejagrave entre une laquo science universelle raquo qui considegraverelaquo lrsquoeacutetant pris absolument raquo et les laquo sciences particuliegraveres qui considegraverent uneacutetant particulier creacuteeacute raquo pour rechercher son principe pour lui laquo Dieu tombesous la science philosophique comme une partie de son sujet raquo110

Duns Scot donne agrave ces deux aspects de la science les noms de laquo sciencetranscendantale raquo (scientia transcendens) et laquo science speacuteciale raquo (scientia spe-cialis) Au sein de la deacutemarche meacutetaphysique la science transcendantale por-tant sur lrsquoeacutetant et les transcendantaux doit preacuteceacuteder la science speacuteciale por-tant sur un objet speacutecifique le premier eacutetant Ainsi le divin nrsquoest pas le sujetdrsquoune science diffeacuterente de la science de lrsquoeacutetant car les reacutealiteacutes immobiles etseacutepareacutees sont bien consideacutereacutees comme des laquo parties principales raquo de son su-jet111 Cela exclut en tout cas que Dieu soit consideacutereacute comme au-delagrave delrsquoeacutetant ou comme laquoprincipe du sujet raquo de la meacutetaphysique

La meacutetaphysique a pour but de deacutemontrer lrsquoexistence de Dieu et de sesprincipaux attributs Mais pour cela il faut partir du concept drsquoeacutetant etsrsquoefforcer de montrer que lrsquoexistence drsquoun premier eacutetant est drsquoabord possiblecrsquoest-agrave-dire non-contradictoire puis reacuteelle comme chez Henri de Gand

Si lrsquoon part de la prioriteacute conceptuelle de lrsquoeacutetant la meacutetaphysique laquo consi-degravere seulement lrsquoeacutetant en commun raquo pour consideacuterer le premier eacutetant il fautajouter des laquo caracteacuteristiques speacutecifiques (speciales) de lrsquoeacutetant raquo112 Une diffi-culteacute remet en cause lrsquouniteacute de cette science si la meacutetaphysique est une sciencetranscendantale Dieu ne peut ecirctre connu que par lrsquointermeacutediaire des trans-cendantaux proprieacuteteacutes universelles de lrsquoeacutetant Mais le concept de Dieu ajoutequelque chose de particulier il nrsquoest distingueacute que comme primum ens crsquoest-agrave-dire comme un particulier agrave partir drsquoune deacutetermination suppleacutementaireexteacuterieure accidentelle Et comme lrsquoessentiel est anteacuterieur agrave lrsquoaccidentel laproprieacuteteacute transcendantale sera connue avant la deacutemonstration de Dieucomme premier de mecircme que la connaissance des proprieacuteteacutes du nombre estanteacuterieure agrave la deacutemonstration de lrsquouniteacute premiegravere Puisque la meacutetaphysiqueconstruit lrsquoessence divine agrave partir du concept universel drsquoeacutetant et que sonexistence nrsquoest eacutetablie que par des preacutemisses posteacuterieures un deacutedoublement

110 Henricus a Gandavo Summa Quaestionum Ordinariarum a7 q6 ad 3 I 56 v T111 Duns Scotus In Met IndashV (wie Anm 3) I q1 sect 59 36 Haec scientia est lsaquo circa separabilia

et immobilia rsaquo non tanquam circa subiecta sed tamquam circa principales partes subiectiquae non participant rationes subiecti alterius scientiae Il nrsquoy a pas sur ce point de revire-ment chez Scot

112 Ebd sect 142 65 dicendum quod condiciones principales concludendae de primo ente sequ-untur ex proprietatibus entis in quantum ens Speciales enim condiciones entis non conclu-dunt primo aliquid de ipso ideo tantum considerat de ente in communi

244 Olivier Boulnois

de la meacutetaphysique en reacutesulte ce qui pose un problegraveme laquoCrsquoest ainsi qursquoilfaut drsquoabord deacutemontrer les proprieacuteteacutes du nombre en geacuteneacuteral avant de deacutemon-trer qursquoil y a un premier nombre La meacutetaphysique transcendantale sera donctout entiegravere anteacuterieure agrave la science divine et il y aura alors quatre sciencestheacuteoreacutetiques une science transcendantale et trois sciences speacuteciales raquo113

Cette difficulteacute formule pour la premiegravere fois dans lrsquohistoire lrsquohypothegravesede ce qursquoon appellera lrsquoontologie une quatriegraveme science preacuteceacutedant les troissciences theacuteorecirctiques traditionnelles (physique matheacutematique et theacuteologique)pour les fonder Selon cette objection il faudrait abandonner la tripartitiondes sciences en Meacutetaphysique E Ce serait aussi lrsquoabandon de lrsquoorthodoxiearistoteacutelicienne La meacutetaphysique commune (ontologie) devrait preacuteceacuteder lameacutetaphysique de lrsquoobjet speacutecial (theacuteologique) La meacutetaphysique se scinderaiten meacutetaphysique transcendantale et meacutetaphysique speacuteciale une articulationque lrsquoon retrouvera chez Suarez et chez Kant

Mais Duns Scot reacutepond en prenant pour cleacute sa propre deacutemonstration delrsquoexistence de Dieu Crsquoest agrave une mecircme science de deacutemontrer les proprieacuteteacutescommunes et simples convertibles avec son sujet (pour la meacutetaphysique lrsquounet le bien) de deacutemontrer les proprieacuteteacutes convertibles par disjonction avec cesujet (ecirctre neacutecessaire et ecirctre contingent infini et fini) et de deacutemontrer lrsquounedes deux parties de cette disjonction par une deacutemonstration particuliegravere114Scot regimbe donc devant les conseacutequences radicales de sa deacutecouverte ilpreacutefegravere dire qursquoil nrsquoy a que trois sciences theacuteoreacutetiques donc une seule meacuteta-physique laquelle comprend une partie geacuteneacuterale et une partie approprieacutee agraveDieu laquo Pour eacuteviter qursquoil nrsquoy ait quatre sciences theacuteoriques et si lrsquoon pose quecette science-ci [la meacutetaphysique] porte sur Dieu tout ce qui est connaissablenaturellement de Dieu ce sont des transcendantaux raquo115 Pour eacuteviter qursquoilnrsquoy ait quatre sciences theacuteoriques on soulignera que tous les preacutedicats quisrsquoappliquent agrave Dieu sont des transcendantaux ou leurs modes (summum pri-mum etc) Finalement on ne parlera que drsquoune seule science qui est trans-

113 Ebd sect 155 69 Sed demonstratio concludens lsaquo primum rsaquo de ente cum sit particularis nonpotest esse per naturam entis Igitur demonstra-tio passionis transcendentis de ente priorest istaacute sicut universalis particulari sicut medium medio sicut omnis demonstratio de nu-mero in communi est ante illam qua probatur aliquis numerus esse primus Igitur metaphy-sica transcendens erit tota prior scientia divina et ita erunt quattuor scientiae speculativaeuna transcendens et tres speciales

114 Ebd sect 159 70115 Ebd sectsect 160ndash161 71 Finis cognitionis metaphysicae est cognitio entis in summo et hoc

est in primo ente ergo ad metaphysicum pertinet de primo ente considerare [hellip] Ideovitando quattuor esse scientias speculativas et hanc ponendo de Deo omnia naturalitercognoscibilia de ipso sunt transcendentia Finis huius est perfecta cognitio entis quae estcognitio primi Sed primo occurrens et notissimum intellectui est ens in communi et exipso probatur primitas et alia in quibus est consummatio

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 245

cendantale parce qursquoelle contient en elle-mecircme les moyens de deacuteduire le par-ticulier la science speacuteciale ou theacuteologie est donc incluse dans la meacutetaphysiquetranscendantale

La meacutetaphysique est donc une science unique qui deacutemontre lrsquoexistencede Dieu uniquement agrave partir de proprieacuteteacutes transcendantales et non depreuves physiques elle se speacutecialise transcendantalement116 Pour atteindreDieu au sein de lrsquoeacutetant on utilisera un moyen terme les proprieacuteteacutes disjonc-tives par paire (par exemple infinifini) agrave la fois transcendantales puisquechaque paire recouvre dans son extension la totaliteacute de lrsquoeacutetant et particu-liegraveres puisqursquoelles se singularisent dans chacune des deux proprieacuteteacutes viseacuteesLa structure meacutetaphysique de la preuve de Dieu fonde alors lrsquouniteacute de lameacutetaphysique comme science agrave la fois transcendantale et capable de se speacute-cialiser laquoCrsquoest agrave la mecircme science de deacutemontrer une proprieacuteteacute commune etsimple convertible avec le sujet une proprieacuteteacute disjonctive convertible avec cesujet et lrsquoune des deux parties de cette proprieacuteteacute disjonctive agrave propos dumecircme sujet par une deacutemonstration particuliegravere raquo117

La mecircme science eacutetablit les proprieacuteteacutes transcendantales de lrsquoeacutetant (lrsquounle vrai etc) la disjonction entre un premier et un second dans lrsquoeacutetant etlrsquoexistence drsquoun premier agrave lrsquointeacuterieur de lrsquoeacutetant Il nrsquoy a donc pas quatresciences theacuteoriques mais trois parce que la meacutetaphysique comporte deuxaspects transcendantal et speacutecial ce que la Schulmetaphysik appellera plustard lrsquoontologie meacutetaphysique transcendantale de lrsquoeacutetant et la theacuteologie na-turelle meacutetaphysique speacuteciale de Dieu La mecircme science sera science de lrsquouni-versel et du particulier Autrement dit crsquoest agrave la science des transcendantauxde traiter de Dieu selon le principe que la connaissance parfaite de lrsquoeacutetantculmine dans la connaissance de lrsquoeacutetant parfait118 La connaissance de Dieufait partie de la science transcendantale

Ainsi Duns Scot refuse la conseacutequence ultime de lrsquointerpreacutetation de lameacutetaphysique comme science transcendantale Dans les Questions sur la Meacute-taphysique il envisage bien un deacutedoublement de la meacutetaphysique en sciencetranscendantale (ontologie) et science speacuteciale (theacuteologique) mais il le rejettecar ce serait enfreindre la tripartition aristoteacutelicienne des sciences119 La cleacute

116 Vgl ebd sect 159 70 f117 Ebd 70 Et ideo ipisus metaphysicae est demonstrare passiones entis ut unum verum etc

de ente si possunt demonstrari de deo et primum vel secundum de ente et esse primumde ente

118 Ebd sect 161 71119 Il faut donc maintenir pour sa validiteacute objective lrsquohypothegravese que je formulais dans lsaquo Etre

et repreacutesentation rsaquo (wie Anm 1) 508 laquo La grande mutation de la meacutetaphysique agrave la fin duXIIIe siegravecle est son deacutedoublement en scientia transcendens et scientia specialis raquo mais ajou-ter que subjectivement dans les Questions sur la meacutetaphysique Duns Scotus recule encoredevant elle comme le fait observer J Aertsen (wie Anm 7) 381 Cependant ce nrsquoest pas sa

246 Olivier Boulnois

de sa solution est le concept de proprieacuteteacute disjonctive qui permet de dire quela science transcendantale se speacutecialise en restant transcendantale et atteintDieu objet speacutecifique transcendantalement La compleacutetude de lrsquoanalysetranscendantale de lrsquoeacutetant doit inclure la theacuteologie naturelle Il nrsquoempecirccheque cette formalisation a priori bute sur une limite dans la deacutemonstrationmecircme de lrsquoexistence de Dieu selon Scot il faut admettre une expeacuterience delrsquoeacutetant fini pour remonter agrave lrsquoeacutetant infini Il faut au moins minimalementsortir du concept et accepter de constater une existence

Deacutejagrave dans le livre VI de ses Questions sur la Meacutetaphysique Duns Scotinsiste sur lrsquoideacutee que lrsquoidentification entre le sujet de la meacutetaphysique et leconcept drsquoeacutetant peut aussi se justifier uniquement agrave partir drsquoarguments philo-sophiques laquo De tous les objets des sciences speacuteculatives on peut abstraire unlsaquo terme rsaquo commun agrave savoir lrsquoeacutetant raquo120 Lrsquoeacutetant apparaicirct donc comme une uni-teacute minimale universelle car constituant une sorte drsquoobjet commun sous-ja-cent agrave toutes les sciences theacuteoriques laquo Ce lsaquo terme rsaquo commun possegravede des pro-prieacuteteacutes qui lui sont propres selon le Philosophe Meacutetaphysique IV et telssont tous les transcendantaux deacutenominatifs tels que lsaquo bon rsaquo lsaquo un rsaquo lsaquo vrai rsaquolsaquo acte rsaquo et lsaquo puissance rsaquo etc Donc une science de lrsquoeacutetant est possible pour cequi concerne de telles proprieacuteteacutes Et elle est neacutecessaire car notre connaissanceprocegravede laquo agrave partir des lsaquo termes rsaquo communs vers les lsaquo termes rsaquo propres raquo selonla Physique I Or lrsquoeacutetant est un objet reacuteel ce qui est manifeste parce qursquoil estpreacutediqueacute quidditativement des choses Et il est proprement lrsquoobjet drsquounescience speacuteculative [hellip] Et ses proprieacuteteacutes peuvent ecirctre montreacutees agrave partir desprincipes connaissables par la voie des sens et lui ecirctre attribueacutees raquo121 Lrsquouniver-saliteacute de lrsquoeacutetant est preacutesupposeacutee dans chaque science theacuteorique elle est doncnon seulement possible mais neacutecessaire pour fonder lrsquoensemble du savoirtheacuteorique

Duns Scot oriente ainsi la meacutetaphysique vers une direction nouvelle Lestrois thegraveses fondamentales qui lui permettent de prendre rang parmi lessciences srsquoeacutenoncent maintenant

1 La meacutetaphysique a pour fin la connaissance de Dieu2 Lrsquouniteacute de la science est une agreacutegation de multiples propositions qui ne

se deacuteduisent pas neacutecessairement les unes des autres

position deacutefinitive il fera un pas de plus dans son Commentaire des Sentences avec lrsquounivo-citeacute de lrsquoeacutetant (drsquoorigine theacuteologique) Il reviendra agrave lrsquoeacutecole scotiste de faire le pas deacutecisifvers une ontologie indeacutependante

120 Duns Scotus In Met VIndashIX (wie Anm 3) VI q1 sect 47 19121 Ebd 19 f Scot renvoie aux laquo proprieacuteteacutes de lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant raquo de Met Γ 21004 b

5 f

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 247

3 Par conseacutequent on peut dire que lrsquoensemble des principes et des conclu-sions scientifiques est attribueacute agrave Dieu comme sujet

Dans cette troisiegraveme figure Duns Scot oriente la meacutetaphysique vers la con-naissance de Dieu Duns Scot insiste sur le problegraveme de la causaliteacute reacuteelle ausein de lrsquoecirctre Mais alors on ne peut partir ni de lrsquoeacutetant ni de Dieu commecauses il faut donc avoir une scientia quia portant sur Dieu agrave lrsquointeacuterieur delrsquoeacutetant

V Deux questions en suspens

1 Lrsquoambiguiumlteacute de la res

Jusqursquoici il est clair que Duns Scot pense lrsquoobjet de la meacutetaphysique commeun ecirctre reacuteel (ens reale) Que faut-il entendre par lagrave Neacutegativement lrsquoecirctre reacuteelexclut lrsquoecirctre de raison (ens rationis) objet de la logique ce qui signifie quelrsquoobjet de la meacutetaphysique et lrsquoobjet de la logique ne sont pas sur le mecircmeplan Certes la meacutetaphysique comme la logique reposent toutes les deuxsur le concept La meacutetaphysique soutient lrsquouniteacute du concept commun drsquoeacutetantmalgreacute la diversiteacute des reacutealiteacutes qui nrsquoont rien de commun entre elles (Dieu etla creacuteature) Mais la logique eacutetudie le concept en tant que repreacutesentationtandis que la meacutetaphysique eacutetudie le concept en tant qursquoil renvoie au reacuteel122

Pourtant dans le Quodlibet III Duns Scot propose une analyse impor-tante du concept de res qui fait rebondir le problegraveme Comme dans lrsquoeacutenumeacute-ration drsquoAvicenne ce concept fait partie des termes les plus universels et lespremiers connus aux cocircteacutes drsquoens et drsquoaliquid il faut passer par son contrairepour parvenir agrave le penser Dans son extension la plus vaste le concept de reslaquo srsquoeacutetend agrave tout ce qui nrsquoest pas rien (nihil) raquo Les diffeacuterents sens du neacuteantformeront le fil conducteur du tableau des sens de la res

Au sens laquo le plus veacuteritable raquo est neacuteant ce qui inclut une contradictioncrsquoest-agrave-dire ce qui nrsquoest mecircme pas pensable telles la chimegravere ou la fiction Lepur neacuteant nrsquoest mecircme pas intelligible Son contraire la chose (res) prise laquo dela maniegravere la plus commune raquo (communissime) est alors laquo tout concevablequi nrsquoinclut pas de contradiction raquo En ce sens la chose inclut lrsquoecirctre de raison(ens rationis) et lrsquoecirctre reacuteel (ens reale) laquo Le nom de chose nrsquoest pas deacutetermineacuteagrave la chose hors de lrsquoacircme raquo

122 Duns Scotus Quaestiones in librum Porphyrii Isagogegrave in Praed (wie Anm 3) q8 sect 2842 le logicien considegravere lrsquointention en tant qursquointention et le meacutetaphysicien lrsquointention entant qursquoeacutetant

248 Olivier Boulnois

Au second sens le neacuteant est un simple neacuteant drsquoexistence Prise laquo de ma-niegravere moins commune raquo la res son contraire correspond agrave ce qui a ou peutavoir une entiteacute (entitas) laquo hors de la consideacuteration raquo Cela exclut lrsquoens ratio-nis qui ne peut avoir drsquoecirctre que dans lrsquointellect qui le considegravere et celacorrespond agrave lrsquoens reale ce qui a un ecirctre drsquoessence et qui peut avoir un ecirctredrsquoexistence

Il y a donc deux sens de la res ou de lrsquoecirctre le simple pensable le repreacute-sentable et le possible les quidditeacutes ou les entiteacutes On peut consideacuterer cetteanalyse comme une variation sur le thegraveme des deux sens de la res chez Henride Gand res a reor (le repreacutesentable) ou res a ratitudine (le possible lrsquoecirctrequidditatif) Or eacutetrangement elle est deacutelieacutee de toute consideacuteration sur lrsquoobjetde la meacutetaphysique Scot semble sous-entendre (par preacuteteacuterition) que la ques-tion de lrsquoanalogie ou de lrsquounivociteacute ne se pose pas seulement sur le plan delrsquoecirctre reacuteel mais encore sur celui du pur repreacutesentable de la res comme non-nihil laquo est appeleacute chose ou eacutetant tout concevable qui nrsquoinclut pas de contra-diction (que cette communauteacute soit drsquoanalogie ou drsquounivociteacute je ne mrsquoensoucie pas pour lrsquoinstant) raquo ndash la mecircme remarque eacutetant formuleacutee agrave propos delrsquoecirctre quidditatif

De plus Duns Scot proclame que le premier objet de lrsquointellect est bienla res au sens du repreacutesentable ce qui veut dire qursquoil inclut agrave la fois lrsquoensrationis et lrsquoens reale Je peux penser tout ce qui nrsquoest pas rien le non-nihileacutegale le repreacutesentable

Scot a voulu geacuteneacuteraliser la deacutemarche de lrsquoOrdinatio et rappeler que lrsquoensrationis est aussi (voire drsquoabord) un objet de penseacutee Mais ce faisant il ouvrela voie agrave une nouvelle interrogation si la res = non-nihil est lrsquoobjet premierde la penseacutee et srsquoil est licite de demander si ce concept est univoque ouanalogue pourquoi ne pourrait-on pas faire de la res au sens le plus universelle sujet de la meacutetaphysique Celui-ci inclurait agrave la fois lrsquoecirctre reacuteel et lrsquoecirctre deraison il ne serait plus alors un transcendantal mais ce que lrsquoon appelleraplus tard un surtranscendantal

Duns Scot lui-mecircme nrsquoa pas franchi ce pas mais drsquoautres le feront apregraveslui

2 Lrsquohypothegravese drsquoun Dieu non-existant

On sait que la theacuteorie moderne du droit srsquoappuie sur lrsquohypothegravese drsquoun Dieunon-existant123 Pensons agrave la thegravese de Grotius qui caracteacuterise le droit naturel

123 Vgl O Boulnois Si Dieu nrsquoexistait pas faudrait-il lrsquoinventer Philosophie 61 (1999) 50ndash74

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 249

moderne comme valide etiamsi Deus non daretur ndash mecircme si aucun Dieunrsquoexistait Or cette hypothegravese a eacuteteacute formuleacutee pour la premiegravere fois par DunsScot Se demandant si notre fin est le bien pris en lui-mecircme ou plutocirct ce quiest bien pour nous Duns Scot reacutepond qursquoil srsquoagit du bien en soi ce quiapparaicirct clairement si lrsquoon considegravere que le bien doit neacutecessairement ecirctreaimeacute par Dieu autant que par nous laquo Si par impossible un autre Dieu eacutetaitposeacute qui ne nous ait pas creacuteeacute et qui ne devrait pas nous glorifier il seraitencore de maniegravere absolue souverainement aimable par nous Mecircme si Dieunrsquoeacutetait ni notre principe ni notre fin mecircme srsquoil nrsquoeacutetait pas lui-mecircme la Provi-dence il demeurerait le suprecircme objet de notre amour parce que le souverainbien comme souverain devrait ecirctre aimeacute par nous par-dessus tout raquo124 Onne peut pas dire que le bien est bien parce qursquoil est bon pour nous ndash lesouverain bien est le mecircme qursquoil soit notre creacuteateur et notre reacutemuneacuterateurou non Ainsi le bien resterait bon mecircme si le Dieu creacuteateur nrsquoexistait pas

Duns Scot semble donc envisager ici une coheacuterence nouvelle du bien telqursquoil demeure le bien en soi mecircme si Dieu nrsquoeacutetait pas notre Dieu Bien sucircrDuns Scot ne va pas jusqursquoagrave supprimer tout ideacutee de souverain bien mais iladmet qursquoil reste un bien mecircme srsquoil ne srsquoidentifie avec le Dieu creacuteateur doncqursquoil a une consistance autonome indeacutependante de lrsquoexistence de Dieu Ainsicontrairement agrave sa deacutefinition habituelle des transcendantaux il semble entre-voir la possibiliteacute que les transcendantaux ne soient plus des attributs divinsIls se trouvent ainsi deacutelieacutes de leur fonction theacuteologique la plus obvie

Or cette thegravese croise le problegraveme des sens de la res Lorsqursquoil distinguaitentre la res comme pur objet de repreacutesentation et la res comme doteacutee drsquouneessence Henri de Gand soutenait que la res rata (doteacutee drsquoune essence) tiraitsa soliditeacute (ratitudo) de la participation agrave lrsquoecirctre divin et de son imitation desideacutees divines une chose eacutetait possible de par sa relation agrave Dieu Or pourScot le possible est possible en lui-mecircme non contradictoire en soi et netire cette proprieacuteteacute drsquoaucune relation agrave quoi que ce soit drsquoautre Ainsi le con-tradictoire resterait contradictoire lrsquoimpossible demeurerait impossiblemecircme si Dieu nrsquoexistait pas

laquo Ce qui est contradictoire est contradictoire par soi-mecircme et non immeacute-diatement en raison drsquoune relation affirmative ou neacutegative agrave quelquechose drsquoautre En effet toute contradiction est une contradiction destermes provenant de leur raison formelle et inheacuterente abstraction faitede tout autre rapport [] des deux extrecircmes agrave quoi que ce soit drsquoautre[] Est donc absolument impossible ce agrave quoi lrsquoecirctre reacutepugne par soi et

124 Duns Scotus Rep III (wie Anm 3) d27 n 6 481

250 Olivier Boulnois

ce qui est immeacutediatement tel qursquoecirctre lui reacutepugne Au contraire ecirctre luireacutepugnerait mecircme si par impossible Dieu nrsquoexistait pas raquo125

De mecircme la possibiliteacute logique reste possible laquo mecircme si par impossible au-cune toute-puissance ne srsquoy rapportait raquo126 La possibiliteacute et lrsquoimpossibiliteacutereposent sur des fondements logiques et ne peuvent pas ecirctre deacuteriveacutees de lapuissance divine si Dieu nrsquoexistait pas ou eacutetait impuissant la possibiliteacute res-terait la mecircme

La possibiliteacute de lrsquoecirctre ainsi que le deacutesideacuterabiliteacute du bien peuvent doncecirctre analyseacutes indeacutependamment drsquoune reacutefeacuterence agrave Dieu Il semble donc qursquoavecces perceacutees (qui sont reacutealiseacutees dans les œuvres theacuteologiques les plus tardives)Duns Scot ait implicitement deacutetacheacute les deux dimensions de la meacutetaphysiqueqursquoil avait distingueacutees sans les seacuteparer dans les Questions sur la Meacutetaphy-sique Srsquoil est maintenant possible de consideacuterer certains transcendantaux ndashau moins lrsquoeacutetant en tant qursquoeacutetant ou le bien en tant que bien ndash sans lesrapporter agrave Dieu il semble que la scission soit accomplie qursquoil y ait deuxsciences meacutetaphysiques lrsquoune consideacutererait les objets transcendantaux (com-munissima) comme lrsquoecirctre en tant qursquoecirctre et la seconde consideacutererait les objetsspeacutecifiques (particularia) la premiegravere eacutetant la conditio sine qua non de laderniegravere La meacutetaphysique serait alors articuleacutee en laquo deux sciences distinc-tes raquo une science transcendantale et une science particuliegravere En un mot lrsquoon-tologie serait seacutepareacutee de la theacuteologie naturelle

Cette conclusion Scot ne la tire pas explicitement mais drsquoautres le ferontpour lui

La penseacutee de Duns Scot est en travail permanent mais ce travail estresteacute inacheveacute interrompu par sa mort Rappelons les points saillants de soneacutevolution Lors de la premiegravere reacutedaction des Questions sur la MeacutetaphysiqueDuns Scot soutient lrsquoeacutequivociteacute de lrsquoeacutetant lors de la seconde lrsquounivociteacute delrsquoeacutetant De mecircme Duns Scot a soutenu trois thegraveses diffeacuterentes sur le sujet dela meacutetaphysique

1 Le sujet de la meacutetaphysique est la substance (Questions sur la Meacutetaphy-sique premiegravere reacutedaction)

2 Le sujet de la meacutetaphysique est le concept drsquoeacutetant (eacutecrits theacuteologiques)

125 Duns Scotus Ord I26ndash48 (wie Anm 3) d43 sect 5 353 f Sur cette question voir T Hoff-mann Creatura intellecta Die Ideen und Possibilien bei Duns Scotus mit Ausblick auf Franzvon Mayronis Poncius und Mastrius Muumlnster 2002 O BoulnoisJ-C Bardout (eacuteds) Surla science divine Paris 2002 41 laquo Drsquoune part lrsquoobjet est anteacuterieur agrave la penseacutee divine par sateneur formelle drsquoautre part la penseacutee divine produit lrsquoobjet dans son ecirctre intelligible raquo

126 Duns Scotus Ord I26ndash48 (wie Anm 3) d36 sect 61 296

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 251

3 Le sujet de la meacutetaphysique est le premier eacutetant Dieu comme sujet drsquoat-tribution (Questions sur la Meacutetaphysique deuxiegraveme reacutedaction)

Mais Duns Scot nrsquoest pas une girouette Seul un regard superficiel qui nesrsquoattache pas au fond du problegraveme peut donner lrsquoimpression que Duns Scota passeacute sa vie agrave changer de position En reacutealiteacute ce sont les diverses facettesdrsquoune mecircme difficulteacute qursquoil srsquoest efforceacute de saisir drsquoassumer dans un gigan-tesque travail sur lui-mecircme et sur lrsquoaporie aristoteacutelicienne

La difficulteacute est alors de penser les relations entre ces diffeacuterentes figuresLe paradoxe est qursquoau moment mecircme ougrave Duns Scot srsquoefforccedilait de surmonterlrsquoaporie de la penseacutee aristoteacutelicienne ses diverses tentatives drsquointerpreacutetationconstruisent agrave leur tour une aporie au second degreacute Il est tentant de srsquoentenir agrave une explication chronologique qui privileacutegierait lrsquoeacutevolution de sa pen-seacutee Mais il semble difficile de srsquoen tenir agrave cela agrave un niveau fondamentalcrsquoest la question de la compatibiliteacute de ses diffeacuterentes approches qui resteposeacutee Par exemple il semble indispensable de distinguer lrsquoapproche desQuestions sur la Meacutetaphysique qui srsquointerrogent drsquoabord sur lrsquounivociteacute delrsquoeacutetant selon les divers sens des cateacutegories et celle des œuvres theacuteologiquesqui srsquointerrogent sur lrsquounivociteacute dans le rapport des creacuteatures agrave Dieu On doitconsideacuterer que crsquoest preacuteciseacutement parce qursquoil a ducirc reacutesoudre le problegraveme de laconnaissance de Dieu que Duns Scot a pu poser lrsquounivociteacute de lrsquoecirctre et doncla nouvelle construction de la meacutetaphysique comme science

Rappelons que lrsquoanalogie reacuteelle et lrsquounivociteacute logique sont logiquementcompatibles et que Duns Scot entend deacutemontrer que les concepts des attri-buts divins ne sont pas seulement analogues mais encore univoques Lrsquouniteacutedrsquoattribution est moindre que lrsquouniteacute drsquounivociteacute mais elle demeure mecircmequand on admet lrsquounivociteacute du concept laquo Les attributs ont une uniteacute drsquounivo-citeacute raquo127 Scot est donc passeacute drsquoune situation ougrave lrsquoanalogie reacuteelle se doublaitdrsquoune eacutequivociteacute logique (premiegravere reacutedaction des Questions sur la Meacutetaphy-sique et œuvres logiques) agrave une situation ougrave elle se doublait drsquoune univociteacutelogique (œuvres theacuteologiques)128

Dans toutes ces consideacuterations Duns Scot fait passer au premier plan lesexigences logiques et eacutepisteacutemologiques Quant au statut de la science Scoteacutetablit drsquoune maniegravere critique que toute science commence avec la sensationqui en est lrsquooccasion mais que sa validiteacute objective nrsquoen deacuterive pas

Il y a en effet des constantes sous-jacentes agrave la position de Scot si on la com-pare agrave alles de ses contemporains dans la classification de Zimmermann129

127 Duns Scotus Ord I4ndash10 (wie Anm 3) d8 sect 83 191 trad Boulnois (wie Anm125) 230 f128 Vgl Boulnois Etre et Repreacutesentation (wie Anm 1) 223ndash292129 A Zimmermann Ontologie oder Metaphysik Die Diskussion uumlber den Gegenstand der

Metaphysik im 13 und 14 Jahrhundert Leuven 21998

252 Olivier Boulnois

il fait partie (du moins pour son œuvre theacuteologique) de ceux qui considegraverentDieu comme une partie du sujet de la meacutetaphysique et non comme le prin-cipe de ce sujet (comme par exemple saint Thomas) La question de lrsquouniver-saliteacute de lrsquoeacutetant lrsquoa deacutefinitivement emporteacute sur celle de la causaliteacute Le prin-cipe est consideacutereacute agrave lrsquointeacuterieur du concept drsquoeacutetant mecircme srsquoil faut ensuitereacutefleacutechir sur la causaliteacute au niveau des essences

Degraves les Questions sur la Meacutetaphysique Duns Scot envisageait une nou-velle configuration de la meacutetaphysique ougrave la scientia transcendens eacutetait uneorientation dominante sinon exclusive Mais il y renonccedilait au nom de lrsquoarti-culation onto-theacuteologique de la meacutetaphysique qui devait asseoir la connais-sance de Dieu sur celle des transcendantaux passant de lrsquoun agrave lrsquoautre par lejeu drsquoune orientation prioritaire sur le divin crsquoest-agrave-dire de lrsquoanalogie drsquoattri-bution Dans lrsquoOrdinatio Duns Scot agrave la suite de son travail acharneacute re-fonde la meacutetaphysique comme science Il y parvient en eacutetablissant lrsquounivociteacutedu concept drsquoeacutetant Deacutesormais lrsquoanalogie eacutetant exclue lrsquoarticulation destranscendantaux porte agrave elle seule le passage de lrsquoontologique au theacuteologiquedes transcendantaux convertibles avec lrsquoeacutetant aux perfections absolues parle biais des transcendantaux disjonctifs La science transcendantale reposesur une science des transcendantaux

Mais pour eacutetablir cette univociteacute de lrsquoeacutetant et la structure de la meacutetaphy-sique qui lui correspond Duns Scot a ducirc deacutevelopper trois autres thegraveses

1 Une nouvelle conception du transcendantal qui ne se deacutefinit plus parune compreacutehension transgeacuteneacuterique mais neacutegativement comme lrsquoabsencedrsquoun englobant supeacuterieur et positivement comme perfection absolue

2 Le primat noeacutetique de lrsquoeacutetant comme premier concept distinct et condi-tion de toute science distincte qui lui donne valeur de condition a prioriet structurelle

3 Enfin pour conserver la distinction du concept drsquoeacutetant Scot doit accep-ter de renoncer agrave tout inclure en lui Cela deacutebouche sur une articulationcomplexe de la preacutedication de lrsquoeacutetant telle que le concept primordial nese preacutedique pas univoquement de toutes choses parce qursquoil ne srsquoen preacute-dique pas essentiellement Scot articule savamment drsquoune part les reacuteali-teacutes infeacuterieures agrave lrsquoeacutetant quidditativement incluses en lui et de lrsquoautreles reacutealiteacutes qualitativement distinctes comme les transcendantaux et lesdiffeacuterences ultimes

Dans le cours de sa reacuteflexion Duns Scot eacutetablit quelques points essentielsnotamment lrsquoimpossibiliteacute pour nous drsquoune preuve a priori de lrsquoexistence deDieu Surtout chez lui la metaphysica transcendens est devenue une deacute-marche anteacuterieure et neacutecessaire agrave la metaphysica specialis crsquoest-agrave-dire quelrsquoontologie est une condition de possibiliteacute de la theacuteologie transcendantaleCette articulation restera la structure porteuse de lrsquohistoire de la meacutetaphy-

Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique 253

sique de Suarez agrave Kant Ce travail imnense a durablement modifieacute la struc-ture de la meacutetaphysique Il lui a donneacute le statut de science Il lui a leacutegueacutelrsquoarticulation moderne entre ontologie et theacuteologie rationnelle jusqursquoagrave laSchulmetaphysik et jusqursquoagrave Kant

Pourtant nous lrsquoavons vu Scot renacirccle devant les conseacutequences ultimesde ses deacutecouvertes il nrsquoaccepte pas de faire de la meacutetaphysique une quatriegravemescience totalement seacutepareacutee de la metaphysica specialis Car finalement lestranscendantaux restent orienteacutes vers le divin agrave tel point que la doctrineculmine en une identification circulaire entre les attributs divins les perfec-tions absolues et les transcendantaux Ce cercle en reacutesumait un autre celuide lrsquoensemble de la deacutemarche crsquoest au nom drsquoexigences theacuteologiques de vali-diteacute des attributs divins que Duns Scot deacuteveloppait lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetantnouveau fondement de lrsquoorientation ontologique de la meacutetaphysique Et reacuteci-proquement au cœur de la nouvelle orientation ontologique de la meacutetaphy-sique lrsquoorientation theacuteologique restait preacutesente puisque les transcendantauxservaient agrave nommer Dieu

Lrsquoeacutecole scotiste heacuteritait ainsi drsquoune double tacircche peacutedagogique et theacuteo-rique puisque la deacutefinition la plus radicale de la meacutetaphysique ne se trouvaitpas dans ses questions sur la Meacutetaphysique mais dans son commentaire deslaquo Sentences raquo il restait agrave verser ses analyses dans le commentaire drsquoAris-tote130 puisque Scot refusait de tirer les conseacutequences les plus radicales de sesanalyses et drsquoaffirmer lrsquoautonomie drsquoune ontologie distincte de la theacuteologienaturelle la tacircche srsquooffrait aux diffeacuterentes sortes de scotismes

Literatur

QuellenAlbertus Magnus De praedicabilibus Opera Omnia I ed Borgnet Paris

1890Anselmus Cantuariensis Monologion Turnhout 2010Avicenna Liber de philosophia prima sive scientia divina ed S Van Riet

LouvainndashLeyde 1977

130 Crsquoest ce que fait Antoine Andreacute dont les Quaestiones super Metaphysicam firent lrsquoobjet de17 eacuteditions (la plus accessible est celle de Venise 1495) bien plus que les Quaestiones deDuns Scotus mecircme Cet ouvrage ne fait preuve drsquoaucune originaliteacute par rapport agrave Scotmais reverse les analyses de lrsquoOrdinatio dans les passages correspondants du commentairedrsquoAristote Vgl G Pini Sulla fortuna delle Quaestiones super metaphysicam di Duns Scotole Quaestiones super metaphysicam di Antonio Andrea Documenti e Studi sulla tradizionefilosofica medievale 6 1995 281ndash361

254 Olivier Boulnois

Duns Scotus Quaestio de cognitione Dei ed by C R S Harris Duns Sco-tus vol 2 Oxford 1927

Ioannis Duns Scoti Ordinatio prologus (Opera omnia Bd 1) edited by CBalić et alii Cittagrave del Vaticano 1950

Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d3 (Opera omnia Bd 3) ed by C Balićet alii Cittagrave del Vaticano 1954

Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d4ndash10 (Opera omnia Bd 4) ed by C Balićet alii Cittagrave del Vaticano 1956

Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d26ndash48 (Opera omnia Bd 6) ed by CBalić et alii Cittagrave del Vaticano 1963

Ioannis Duns Scoti Lectura prologus I d1ndash7 (Opera Omnia Bd 16) ed byC Balić et alii Cittagrave del Vaticano 1960

Ioannis Duns Scoti Collatio 24 ed by K Balic Bogoslovni Vestnik 9 (1929)212ndash219

Ioannis Duns Scoti Reportata Parisiensia III ed Wadding-Vivegraves Vol XXIIIParis 1894

Ioannis Duns Scoti Quaestiones in Librorum Porphyrii Isagoge et Quaes-tiones super Praedicamenta Aristotelis (Opera Philosophica Bd I) ed RAndrews et alii St Bonaventure (NY) 1999

Ioannis Duns Scoti Quaestiones Super Librum Elenchorum Aristotelis (Ope-ra philosophica Bd II) ed by R Andrews et alii St Bonaventure NY2004

Ioannis Duns Scoti Quaestiones super libros Metaphysicorum Aristotelis IndashV (Opera Philosophica Bd III) ed R Andrews et alii St Bonaventure(NY) 1997

Ioannis Duns Scoti Quaestiones super libros Metaphysicorum AristotelisVIndashIX edited by G Etzkorn et alii (Opera Philosophica Bd IV) St Bo-naventure NY 1997

Ioannis Duns Scoti Quaestiones super secundum et tertium De anima edby C Bazaacuten et alii (Opera philosophica Bd V) St Bonaventure NY2006

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de lrsquoecirctre Les Eacutetudes philosophiques 3ndash4 1989 319ndash345Demange D Pourquoi Duns Scot a critiqueacute Avicenne Antonianum Giovan-

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Honnefelder L Scientia transcendens Die formale Bestimmung der Seiend-heit in der Metaphysik des Mittelalters und der Neuzeit (Duns Scotus ndashSuarez ndash Wolff ndash Kant ndash Pierce) Hamburg 1990

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Pini G Sulla fortuna delle Quaestiones super metaphysicam di Duns Scotole Quaestiones super metaphysicam di Antonio Andrea Documenti eStudi sulla tradizione filosofica medievale 6 1995 281ndash361

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Meister Eckhart Aristotelische Metaphysikohne aristotelische Ontologie

Rolf Schoumlnberger

I Vorbemerkungen

Vor geraumer Zeit hat der Freiburger Religionsphilosoph Bernhard WeltebdquoMeister Eckhart als Aristotelikerldquo interpretiert1 Man kann freilich bei fastjedem Denker eine Zuordnung zu einer philosophischen Schule vornehmendoch sollte dabei nicht die Frage uumlbersprungen werden ob man damit einenwesentlichen Aspekt seines Denkens trifft Im Falle von Eckharts Aristotelis-mus lag die Begruumlndung zudem in einem Gedanken der gar nicht in jederHinsicht als spezifisch aristotelisch gelten kann denn die Bestimmungslosig-keit als Bedingung des Bestimmtwerdenkoumlnnens betrifft zwar das Verhaumlltnisvon Form und Materie also die komplementaumlre Beziehung der beidenGrundbegriffe der aristotelischen Metaphysik allerdings findet sich dieserGedanke auch schon beim spaumlten Platon2 Nun lassen sich bei Meister Eck-hart in der Tat wichtige Anknuumlpfungspunkte an Aristoteles ndash dem princepsphilosophorum wie er ihn mit Maimonides nennt3 ndash wie etwa an dessen

1 B Welte Meister Eckhart als Aristoteliker Philosophisches Jahrbuch 69 1961 64ndash74 jetztin Ders Auf der Spur des Ewigen Freiburg 1965 197ndash210

2 Vgl Tim 50 bndashe Aristoteles selbst hat ja in Platons Raum eine Verwechslung mit derMaterie gesehen Phys IV 2 209 b 11ndash12

3 Die Werke Meister Eckharts werden in folgender Weise angefuumlhrtMeister Eckhart Die lateinischen Werke StuttgartBd 11 Prologi in Opus Tripartitum hrsg v Weiszlig 1964 [ND 1988] [= Prol gen in Optrip und Prol in Op prop]Bd 12 Expositio Libri Genesis hrsg v K Weiszlig 1964 [ND 1988] [= In Gen I]Bd 13 Liber parabolarum Genesis hrsg v K Weiszlig 1964 [ND 1988] [= In Gen II]Bd 21 Expositio Libri Exodi hrsg v K Weiszlig 1992 [= In Exod]Bd 22 Sermones et Lectiones super Ecclesiastici cap 24 hrsg v J Koch u H Fischer1992 [= In Eccli]Bd 23 Expositio Libri Sapientiae hrsg v J Koch u H Fischer 1992 [= In Sap]Bd 3 Expositio sancti Evangelii secundum Iohannem hrsg v K Christ u a 1994 [= InIoh]Bd 4 Sermones hrsg v E Benz B Decker u J Koch 1956 [= Ser]Bd 5 Magistri Echardi opera Parisiensia hrsg v B Geyer u a Stuttgart 2006 [= QuPar]

258 Rolf Schoumlnberger

Theorie der Einheit von wirklich Erkennendem und wirklich Erkannten nam-haft machen4 doch dies betrifft eben nicht spezifisch die Metaphysik im ur-spruumlnglichen sondern eher im abgeleiteten Sinne insofern naumlmlich in dieserKonzeption der Erkenntnis die in der Metaphysik entwickelte Unterschei-dung von Wirklichkeit und Moumlglichkeit eine bedeutungsvolle Konkretisie-rung findet

Wie also vorgehen wenn man bei der Bestimmung des Verhaumlltnisses Eck-harts zur aristotelischen Metaphysik sich nicht in Beliebigkeiten verlierenwill Es geht um einen Text den die Tradition zu einem Werk des Aristotelesgemacht hat und das als solches in der Philosophie des Mittelalters haumlufigund in verschiedener Form kommentiert worden ist Eckhart hatte sicherlichnicht ndash wie etwa Ockham5 ndash die nur eben nicht realisierte Absicht einensolchen Kommentar zu schreiben In seinen Schriften finden sich auch keinePassagen in denen er sich laumlnger mit einer Aristoteles-Stelle oder gar mitihren alternativen Interpretationen auseinandersetzt Auslegungsvariationenbeziehen sich in seinem Werk immer nur auf biblische Saumltze und AusdruumlckeEtwa fuumlnfzig verschiedene Stellen fuumlhrt Eckhart aus der Metaphysik des Aris-toteles in seinem Werk an ndash im Vergleich zu anderen scholastischen Autoreneine eher geringe Zahl doch als eine quantitative Angabe ist sie naturgemaumlszligwenig aussagekraumlftig fuumlr die Substanz seines Denkens Es kann sich also beider Bestimmung der Praumlsenz der aristotelischen Metaphysik im Denken Eck-harts nur um die Form oder die Formen der Inanspruchnahme handeln da-rum also was Eckhart zitiert und in welchem Sinne er sie zitiert aber gewissauch darum was er nicht zitiert ndash sofern es sich nicht um eine rein faktischeNichterwaumlhnung handelt

Da die direkten und erst recht die indirekten Bezugnahmen auf die Meta-physik des Aristoteles sowohl unuumlbersehbar als auch so gut wie nicht spezifi-zierend sind laumlge es vielleicht nahe die Gesamtkonzeption des EckhartrsquoschenDenkens mit Aristoteles in Bezug zu setzen Dies ist denn auch tatsaumlchlichvorgeschlagen worden Heribert Fischer hat darauf verwiesen dass fuumlr dasgeplante Opus propositionum das ja uumlber 1000 Thesen umfassen sollte eine

Meister Eckhart Die deutschen Werke StuttgartBd 1 Meister Eckharts Predigten (1ndash24) hrsg v J Quint 1958 [ND 1986] [= Pred 1]Bd 3 Meister Eckharts Predigten (60ndash86) hrsg v J Quint 1976 [ND 1999] [= Pred 3]Die zitierte Stelle findet sich In Exod n 10 1514

4 Vgl R Schoumlnberger Intellectus in actu est intellectum in actu Der aristotelische Begriff derEinheit der Erkenntnis im Mittelalter in J-M NarbonneA Reckermann (Hrsg) Penseacuteesde lrsquosbquounlsquo dans lrsquohistoire de la philosophie Eacutetudes en hommage au Professeur Werner Beier-waltes Queacutebec 2004 143ndash179

5 Vgl Guillelmi de Ockham Expositio in libros physicorum Aristotelis Prologus et libri IndashIII (Opera Philosophica Bd IV) St Bonaventure (NY) 1985 prol 4 14 II 5 3 282

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 259

Gliederung in 14 Traktate vorgesehen war Dies schien ihm kein zufaumllligeGliederung sondern geradewegs an die 14 Buumlcher der aristotelischen Meta-physik angelehnt6 Da er eine Erlaumluterung ganz unterlaumlsst scheint es sichtatsaumlchlich auf die Uumlbereinstimmung der schieren Anzahl zu beschraumlnken Esbleibt somit von dieser Entsprechung die man wie Karl Albert schon ver-merkt hat fuumlr die Traktate IXndashXI des Opus propositionum kaum wird nach-liefern koumlnnen7 eigentlich nichts uumlbrig was dem Verstaumlndnis Eckharts dien-lich sein koumlnnte

Daher scheint wohl nur noch der Weg uumlbrigzubleiben sich auf bestimmteThemen zu beschraumlnken um an diesen die Aneignung und die Inanspruch-nahme sichtbar zu machen Wenn es sich um solche Beziehungen handeltdann sind eigentlich noch Reflexionen zur Methode und zum Status des da-mit Gewonnenen vonnoumlten Diese seien aber an dieser Stelle beiseitegelassen8

Aufs Ganze gesehen darf zunaumlchst der Eindruck nicht relativiert werdendass Eckhart ein im Wesentlichen durch den Neuplatonismus gepraumlgter Den-ker ist Aber ist damit alles gesagt Sicherlich nicht alles denn es kommtdarauf an zu bestimmen welcher Platonismus denn vorliegt worin EckhartsDistanzierung von Aristoteles begruumlndet liegt und wie sich seine vielfaumlltigenund ja unuumlbersehbaren Berufungen auf Aristoteles zu dem ebenso unverkenn-bar bestimmenden Platonismus verhalten Die Art und Weise wie Eckhartsolche Autoren anfuumlhrt ist nach meinem Eindruck nicht bestimmt durch einebestimmte Schulorientierung und kann deshalb eine solche auch nicht zumAusdruck bringen Er beruft sich nicht auf Aristoteles statt auf Platon aufDionysius statt auf Augustinus ndash oder umgekehrt Die Thomas-Polemik Diet-richs hat er ohnehin nicht wiederholt Es ist bei Eckhart aber auch nichtdas Bemuumlhen des Neuplatonismus erkennbar die beiden groszligen Autoren derantiken Philosophie moumlglichst nicht auf ihre konzeptionellen Alternativen zufixieren sondern ihre Konvergenz aufzuzeigen9 Es fehlt eine entsprechendeThese und selbst eine dahingehende Bemerkung Allerdings die Kritik des

6 Vgl H Fischer Die theologische Arbeitsweise Meister Eckharts in den lateinischen Werkenin A ZimmermannR Hoffmann (Hrsg) Methoden in Wissenschaft und Kunst des Mittel-alters (Miscellanea Mediaevalia Bd VII) Berlin 1970 50ndash75 hier 57

7 Vgl K Albert Meister Eckharts These vom Sein Untersuchungen zur Metaphysik desOpus tripartitum Saarbruumlcken 1976 jetzt in Ders Meister Eckhart und die Philosophiedes Mittelalters (Betrachtungen zur Geschichte der Philosophie Teil II) Dettelbach 199911ndash358 hier 39 n 108

8 Solche Fragen habe ich an anderer Stelle aufgeworfen wo es um die Beziehung zweier nochweit unterschiedlicherer Denker geht Bergson und Heidegger in Bergson und Deutschlandhrsg v M Vollet [im Erscheinen]

9 Vgl R Schoumlnberger Die Transformation des klassischen Seinsverstaumlndnisses (Studien zurVorgeschichte des neuzeitlichen Seinsbegriffs im Mittelalter) BerlinndashNew York 1986 44 fn 11

260 Rolf Schoumlnberger

Aristoteles an seinem Lehrer Platon die von manchen mittelalterlichen Auto-ren10 ndash auch von solchen die man nicht einem reinen Platonismus zurechnenwuumlrde ndash in ihrer Berechtigung und Treffsicherheit relativiert worden ist hater ohnehin nicht wiederholt11 Bemerkenswert scheint aber doch immerhindass die Infragestellung des Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten das imNeuplatonismus in der Theorie des Einen radikal betrieben worden ist beiEckhart nicht fortgefuumlhrt wird er beruft sich vielmehr auf die einschlaumlgigenPassagen der aristotelischen Metaphysik in denen der Gegensatz von Seinund Nichts als ein letzter Gegensatz aufgefasst wird12 Es gilt jetzt aber insge-samt die Frage zu verfolgen an welchen Gedanken der aristotelischen Meta-physik er anknuumlpft in welchem Sinne und in welchem Zusammenhang erdies tut Fuumlr die Bewaumlltigung dieser Fragen kann es wohl nur einen Einsatz-punkt geben Dieser liegt im Begriff des Seins

II Der Begriff des Seins

Die Frage nach dem Seienden wird von Aristoteles als eine alte und bis heuteimmer umstritten gebliebene Frage charakterisiert13 Umstritten ist dabeinicht allein der Inhalt der Bestimmung sondern auch die Art der Gewinnungdieser Bestimmung Das Seiende ist der Grundbegriff der houmlchsten Wissen-schaft14 In dem Standardwerk zu den Metaphysikkonzeptionen des Mittelal-

10 Vgl ders Relation als Vergleich Die Relationstheorie des Johannes Buridan im Kontextseines Denkens und der Scholastik Leiden 1994 293 f

11 Die metaphorische Sprache ist fuumlr ihn ndash anders als fuumlr Aristoteles Anal post II 1397 b37ndash39 Top VI 2139 b 34 f Met A 9991 a 21 f M 51079 b 24ndash26 Thomas von AquinIn Post Anal II 16 (ed R Spiazzi nr 559 ed Leon I2 p 231 151ndash153) AlbertusMagnus Metaph III 2 10 (ed Col XVI1 127 3ndash5) Et ideo praeter nos philosophosinter quos peccatum in problematibus est metaphoris uti [] ndash kein Gegenstand der KritikIn Gen II n 2 451 (wie Anm 3) Die Unbewegtheit des alles Bewegenden (Boethius Philosconsol III metr 9 (Corpus Christianorum Series Latina 94 p 51) ist keine Alternative zurSelbstbewegung selbst nicht zur Seele als sich selbst bewegende Zahl In Gen II n 42 509(wie Anm 3)

12 Vgl In Sap n 255 5876ndash7 (wie Anm 3) Nihil enim tam adversum nihil tam contradicto-rium quam ens et non ens esse et nihil De quolibet enim dicitur ens vel non ens et innullo simul

13 Vgl Met Z 11028 b 2ndash4 bdquoUnd so ist denn das wonach man von alters und jetzt undimmer sucht und was immer in Verlegenheit fuumlhrt naumlmlich die Frage sbquoWas ist das Seien-delsquoldquo (Th A Szlezaacutek) (και δη και το πάλαι τε και νῦν και ἀεί ζητούμενον και ἀεί ἀπορούμενοντί το ὄν)

14 Vgl Met Г 11003 a 21 f

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 261

ters von Albert Zimmermann15 fehlt eine Darstellung Meister Eckharts Diesist kein Zufall und kein Manko Denn Eckhart hat dazu keine eigene Theorieentwickelt Eckhart verweist gelegentlich auf die aristotelische Bestimmungwenn er sagt metaphysicus considerans ens inquantum ens hellip16 Doch erkann eben auch sagen evangelium contemplatur ens inquantum ens17 Dieskann er wohl nur deswegen sagen weil bdquoSeiendseinldquo hier so viel heiszligt wieUnkoumlrperlich-Sein Unvergaumlnglich-Sein Eckhart macht sich ersichtlich dieje-nige Konzeption der Metaphysik zu eigen welche diese als Wissenschaft vomhoumlchsten Seienden bestimmt Er beruft sich daher ebenso auf die Dreigliede-rung der theoretischen Wissenschaft aus dem ersten Kapitel von MetaphysikΕ18 Waumlhrend Thomas von Aquin eine innere Verbindung beider Metaphysik-konzeptionen herzustellen versucht hatte hat waumlhrend Eckharts fruumlher PhaseDuns Scotus die Auffassung der Metaphysik als allgemeiner Ontologie entwi-ckelt und in Grundzuumlgen ausgefuumlhrt Von grundlegender Bedeutung scheinthier uumlbrigens dass Eckhart den Grundgedanken des Aristoteles wonach dasSein vielfaumlltig aber mit Bezug auf eine primaumlre Bedeutung ausgesagt wird19

und mit dem dieser ja die Einheit der Metaphysik als Disziplin begruumlndetnirgends zitiert worauf bereits Heribert Fischer20 hingewiesen hat Dies istsicherlich kein zufaumllliges Ignorieren Aristotelesrsquo Hinweis auf die Mehrdeutig-keit des Seins war gegen den Eleatismus ebenso wie gegen Platon gerichtetBei Eckhart fehlt wiederum nicht zufaumlllig diese kritische Distanzierung viel-mehr beruft er sich fuumlr die Einheit des Seins gerade auf Parmenides und Me-lissos deren These er aus Aristoteles kennt ohne freilich dessen Problemati-sierung zu erwaumlhnen oder gar zu eroumlrtern21

15 A Zimmermann Ontologie oder Metaphysik Die Diskussion um den Gegenstand derMetaphysik im 13 und 14 Jahrhundert Texte und Untersuchungen (RThPhMA Bibl1)Leuven 21998 (11965)

16 In Sap n 20 3411ndash2 (wie Anm 3) In Ioh n 443 3808 (wie Anm 3) metaphysicacuius subiectum est ens inquantum ens

17 In Ioh n 444 38013 f (wie Anm 3)18 Vgl Met Ε 11025 b 25ndash1026 a 32 die Editoren verweisen an anderen Stellen auf Met Г

1 ndash ist dies wirklich gemeint19 Vgl Met Г 21003 a 33 Δ 71017 a 7 ff Ε 21026 a 33ndash34 Z 11028 a 1020 Vgl H Fischer Meister Eckhart Einfuumlhrung in sein philosophisches Denken Freiburgndash

Muumlnchen 1974 50 schreibt von dieser Aussage sie finde bdquosich an keiner Stelle in seinemGesamtwerk nicht einmal andeutungsweise erwaumlhntldquo

21 Vgl Prol in Op prop n 5 1688ndash12 (wie Anm 3) Ad hoc facit quod Parmenides etMelissos I Physicorum ponebant tantum unum ens ens autem hoc et hoc ponebant pluraignem et terram et huiusmodi sicut testatur Avicenna in libro suo Physicorum quem Suffi-cientiam vocat dies ist im Uumlbrigen nicht der einzige Ruumlckgriff auf die Vorsokratiker viaAristoteles vgl R Schoumlnberger Das gleichzeitige Auftreten von Nominalismus und Mystikin A Speer (Hrsg) Die Bibliotheca Amploniana Ihre Bedeutung im Spannungsfeld vonAristotelismus Nominalismus und Humanismus (Miscellanea Mediaevalia Bd XXIII) Ber-lin 1995 409ndash433 hier 416 n 28

262 Rolf Schoumlnberger

Eckhart will auch in der Tat weder eine begriffliche Vielfaumlltigkeit behaup-ten noch die interne Struktur des Seinsbegriffs mit Aristoteles bestimmenBekanntlich greift er durchaus das aristotelische Konzept der Pros-hen-Attri-bution aus Metaphysik Γ auf er legt allerdings den Akzent vollstaumlndig aufden Verweis als solchen und damit zugleich auf die Negation des In-sich-Bestimmtseins Was in sich ist und fuumlr sich bestimmt ist verweist nicht aufanderes Es ist fuumlr ihn kein Einwand zu sagen dass es als etwas das vonanderem hervorgebracht worden ist doch zu diesem in der Relation der Kau-salitaumlt steht Die causa efficiens geht nach Eckhart nicht in den Wesensbegriffein22

Fuumlr Eckhart ist der Begriff des Seins ebenfalls von elementarer Bedeu-tung Die erste Proposition in seinem Opus propositionum bestimmt das Seinmit dem beruumlhmten Satz esse est deus23 Aristoteles hatte umgekehrt Gottals eine () οὐσία bestimmt und zwar als eine solche die keinerlei Potenzialitaumltin sich enthaumllt und daher reine ἐνέργεια ist bdquodaszlig sein Wesen Wirksamkeit(Aktualitaumlt) istldquo (Szlezaacutek) bdquodessen Wesen Taumltigkeit istldquo (Gadamer)24 Dieskann hier nicht im Einzelnen expliziert werden es geht ja in erster Linie umEckhart Angesichts von dessen Bestimmung kommt man nicht umhin zufragen Ist Gott identisch mit Sein Wie kann mit Sein uumlberhaupt etwas iden-tisch sein Wie muss Sein gedacht werden damit es mit etwas und im erstenAnsatz sogar mit Gott selbst als identisch gesetzt werden kann Bekanntlichist an dieser Ineinssetzung nicht diese selbst neu ndash nach Gilsons nicht unwi-dersprochen gebliebener These kennzeichnet dies uumlberhaupt den Gottesbe-griff der christlichen Philosophie25 ndash sondern die Umkehrung von deus estipsum esse zum schon zitierten esse est deus Es scheint allerdings dass Eck-hart dieser Umkehrung ndash anders als Heidegger26 ndash keine sonderliche Bedeu-

22 Vgl R Schoumlnberger Causa causalitatis Zur Funktion der aristotelischen Ursachenlehre inder Scholastik in I Craemer-RuegenbergA Speer (Hrsg) Scientia und ars im Hoch- undSpaumltmittelalter (Miscellanea Mediaevalia Bd XXII) Berlin 1994 421ndash439 hier 428ndash430

23 Prol gen in Op trip n 12 15615 (wie Anm 3) Prol in Op prop n 1 1662 weitereBelege K Albert Meister Eckharts These vom Sein in Ders (wie Anm 7) 265 f n 920

24 Met Г 61071 b 19 f δεῖ ἄρα εἶναι ἀρχὴν τοιαύτην ἧς ἡ οὐσία ἐνέργεια Aristoteles Metaphy-sik XII Uumlbersetzung und Kommentar von Hans-Georg Gadamer Frankfurt 52004 (11948)Aristoteles Metaphysik uumlbers u eingel von Thomas Alexander Szlezaacutek Berlin 2003 GW F Hegel Vorlesungen uumlber Geschichte der Philosophie (Vorlesungen Bd 8) hrsg v PGarniron u W Jaeschke Hamburg 1996 71 bdquoDie absolute Substanz das wahrhaft anund fuumlr sich Seiende ist danach das Unbewegte Unbewegliche und Ewige was aber zugleichreine Taumltigkeit actus purus ist Die Scholastiker haben dies mit Recht fuumlr die DefinitionGottes angesehen daszlig Gott der actus purus ist Gott ist die reine Taumltigkeit ist das was anund fuumlr sich istldquo

25 Eacute Gilson Lrsquoesprit de la philosophie meacutedieacutevale Paris 1932 I p 5426 Heidegger hat den ersten Satz als einen metaphysischen den zweiten als einen spekulativen

angesehen wie man in einem Protokoll aus Le Thor vom Sommer 1968 lesen kann Semina-re (1951ndash1973) GA XV ed C Ochwadt Frankfurt 1986 325 bdquoAls Beispiel nimmt Hei-

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 263

tung zugeschrieben hat Denn er verwendet beide Formeln haumlufig ohne dassman aus diesen Verwendungen entnehmen koumlnnte welche Differenz er damitverbindet Auszligerdem beruft er sich fuumlr beide Aussagen auf dieselben bibli-schen Texte zumeist auf Exodus 3 14

Von besonderer Bedeutung ist hier vielmehr wie Eckhart diesen Satz be-gruumlndet Er tut dies naumlmlich in der Weise dass er an erster Stelle sich aufeinen Satz aus einem philosophischen Werk beruft ndash naumlmlich auf die Katego-rienschrift des Aristoteles Denn wenn es sich dabei nicht um eine terminolo-gische Identifizierung handelt sondern um eine Erkenntnis dann muss Eck-hart unweigerlich einen Schritt zuruumlck tun Denn er muss dem Begriff bdquoSeinldquoja schon eine Bedeutung zugeschrieben haben damit seine Identitaumlt mit Gottnotwendig und also einsichtig wird Diese Bestimmung kann nur vollzogenwerden wenn man den Weg verstaumlndlich machen kann auf dem wir dahingelangen von dem Sein oder vom Sein uumlberhaupt zu sprechen Eine solcheBestimmung ist wiederum nur moumlglich wenn das Sein mit irgendetwas we-nigstens in irgendeiner Hinsicht vergleichbar ist27 Auch Aristoteles hat demSein eine einzigartige weil universelle Bedeutung zugeschrieben denn alleAussagen enthalten diesen Begriff28 sie enthalten aber keinen anderen ge-meinsam gleichwohl unterscheidet er sich doch von semantisch bedeutsamenTermini Auf dieser Voraussetzung beruht denn auch in der Tat das ArgumentMeister Eckharts Er vollzieht in diesem Sinne zwei Schritte

1 Sein wird nicht unmittelbar durch das bestimmt was es bezeichnet Dennes ist selbst etwas worauf etwas verweist naumlmlich das Wort ens

degger den Satz Deus est ipsum esse Gott ist das Sein selbst Das ist ein normaler metaphy-sischer Satz [hellip] Von ihm kommt man zum spekulativen wenn das Praumldikat dieses Satzes(Sein) zum Subjekt gemacht wird Subjekt wird Naumlmlich das Sein ist Gott Dabei geschiehtaber keine bloszlige Umkehrung der grammatikalischen Struktur des normalen Satzes Es hatsich etwas geaumlndert Und was hat sich geaumlndert [hellip] Es handelt sich nicht nur um eineUmkehrung sondern um einen Gegenstoszlig eine auf das erste sbquoistlsquo wirkende Gegenbewegungdes zweiten sbquoistlsquo Aber was bedeutet nun das so umgestoszligene sbquoistlsquo Meister Eckhart sagteIstic-heit Das Sein ist Gott jetzt spekulativ verstanden bedeutet das Sein sbquoistetlsquo Gott dasheiszligt das Sein laumlszligt Gott Gott sein sbquoIstlsquo spricht hier transitiv und aktivldquo (Hervorheb imOriginal)

27 Aumlhnlich bin ich bei Thomas von Aquin verfahren Ipsum esse nondum est Zu einer Neuin-terpretation einer neudatierten Thomasschrift in G LeiboldW Loumlffler (Hrsg) Entwick-lungslinien mittelalterlicher Philosophie Wien 1999 107ndash119

28 Met Δ 71017 a 27ndash30 bdquoSo bezeichnet sbquoseinlsquo dasselbe wie jede dieser Formen der Aussagedenn es ist kein Unterschied zwischen den Aussagen sbquoder Mensch ist bei gutem Befindenlsquound sbquoder Mensch befindet sich wohllsquo auch nicht zwischen den Aussagen sbquoder Mensch istgehend oder schneidendlsquo und sbquoder Mensch geht oder schneidetlsquo und ebenso bei den anderen(Kategorien)ldquo (Th A Szlezaacutek) (Hervorheb im Original) (ἑκάστω τούτων το ειναι ταὐτοσημαίνει οὐδὲν γαρ διαφέρει το ἄνθρωπος ὑγιαίνων ἐστὶν ἢ το ἄνθρωπος ὑγιαίνει οὐδὲ τοἄνθρωπος βαδίζων ἐστὶν ἢ τέμνων του ἄνθρωπος βαδίζει ἢ τέμνει ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ των ἄλλων)

264 Rolf Schoumlnberger

2 Dieses Bezeichnungsverhaumlltnis in dem das Sein in der Weise bestimmtwird dass es selbst das von einem anderen Wort Bezeichnete ist hates nun mit vielen anderen Begriffen gemein Genauer gesagt mit allenBegriffen bei denen sich eine konkrete Form von einer abstrakten Formunterscheiden laumlsst

Und genau fuumlr diesen zweiten Schritt beruft sich Eckhart hier und an vielenanderen Stellen auf Aristoteles Denn fuumlr die Verhaumlltnisbestimmung ens so-lum esse significat29 bezieht er sich auf einen Aristoteles-Satz der dieses Ver-haumlltnis auch an einem voumlllig beliebigen Beispiel vorzufinden scheint und da-her als Beleg fuumlr ein generelles Verhaumlltnis gelten kann album solam qualita-tem significat30 Und hier ergibt sich bereits eine erste Gelegenheit dasVerhaumlltnis Eckharts zur Metaphysik des Aristoteles zu bestimmen Denn eshandelt sich nicht um die Berufung auf einen aristotelischen Satz mithindarauf was Aristoteles gemeint oder woran er gedacht hat sondern um eineInanspruchnahme bei der Zitat und zu belegender Sinn voumlllig entgegenge-setzt sind Waumlhrend nach Aristoteles mit diesem Wort bdquoweiszligldquo dasjenige be-zeichnet wird dem sein Inhalt zukommt wird nach Eckhart umgekehrtnichts anderes als dieser Inhalt selbst bezeichnet

Aristoteles bringt den von Eckhart oftmals angefuumlhrten Satz als Beispieldafuumlr dass zweite Substanzen nicht wie es durch die sprachliche Form denAnschein hat ein bdquoDiesesldquo bezeichnen sondern wie er sagt bdquoeherldquo (μᾶλλον)etwas Qualitatives Doch gehoumlren Begriffe wie bdquoMenschldquo oder bdquoLebewesenldquodie da sie von vielem ausgesagt werden fuumlr zweite Substanzen stehen nichtim strengen Sinne in die Kategorie der Qualitaumlt Es handelt sich kategorialbetrachtet somit nicht um denselben Fall wie beim Begriff der Qualitaumltbdquoweiszligldquo Und hier sagt Aristoteles bdquoWeiszlig bezeichnet nichts anderes als einQualitativesldquo

Nach Aristoteles scheint es also so bestellt zu sein dass das Praumldikatetwas im Hinblick auf seine Qualitaumlt hier die Qualitaumlt der Farbe und zwardie Farbe bdquoweiszligldquo bezeichnet Dies trifft fuumlr Eckhart eben gerade nicht zuDas Praumldikat bdquoweiszligldquo bezeichnet das Weiszligsein als solches soll heiszligen geradenicht in irgendeiner Weise dasjenige dem das Weiszligsein zukommt Das zufaumll-lige Zukommen der Eigenschaft des Weiszligseins kann ebenso wenig wie daswas das Weiszlig-sein im Wesentlichen ausmacht in dem begruumlndet liegen des-sen Eigenschaft es ist Denn waumlre dies moumlglich dann waumlre es eben keinefaktische Eigenschaft Also muss sie in der allgemeinen Form begruumlndet lie-gen Eckhart laumlsst also den Umstand dass es sich im Falle von bdquoweiszligldquo um

29 Prol in Op prop n 2 1666 (wie Anm 3)30 Cat 53 b 19 οὐδὲν γὰρ ἄλλο σημαίνει τὸ λευκὸν ἀλλ᾽ ἢ ποιόν

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 265

eine Qualitaumlt und bei einer Qualitaumlt um eine faktische Eigenschaft (accidens)handelt ganz beiseite Wovon es eine Eigenschaft ist oder sein kann besagtnichts im Hinblick auf seinen Inhalt

Fuumlr das Verhaumlltnis von konkreter und abstrakter Wortform fuumlhrt Eckhartso viele verschiedene Beispiele an31 dass man denken muss es gebe davonkeinerlei Ausnahme weder betrifft es nur die transzendentalen Begriffe nochnur die positiven Begriffe Eckhart behauptet somit ein gaumlnzlich formalesVerhaumlltnis der Bezeichnung das bei ausnahmslos allen konkreten Begriffenstatthat und sich in allen Faumlllen ausnahmslos auf den Gehalt als solchenbezieht Eckhart vermerkt weder die Differenz zu Aristoteles ndash im Gegenteiler beruft sich ja gerade auf ihn ndash noch begruumlndet er explizit seine AuffassungSein Argument koumlnnte in Folgendem liegen Nur diese Beziehung zwischender konkreten Bezeichnung und der abstrakten Bedeutung ist eine notwendi-ge wohingegen die Beziehungen zu den Dingen denen der Gehalt des Ge-meinten zukommt in ihrer Wirklichkeit unbestimmt bleiben Natuumlrlichkommt das Weiszligsein nur an konkreten Dingen vor ndash die Vorstellung KarlAlberts es gaumlbe nach Eckhart eine Idee des Weiszligseins ist voumlllig abwegig32 ndashaber an welchem Ding und in welcher Weise es vorkommt ist doch notwen-diger Weise kontingent

Diese Bezeichnungsrelation scheint somit voumlllig unabhaumlngig davon zugelten von welchem Inhalt das jeweilige Praumldikat ist Sobald freilich dieserGesichtspunkt der Praumldikatsform ins Spiel kommt gilt es einen prinzipiellenUnterschied zu beachten Es macht erstens einen wichtigen Unterschied ausob es sich um einen spezifischen Begriff oder um einen uumlberkategorialen Be-griff handelt Man muumlsse in beiden Faumlllen anders auffassen ndash sentiendum33 ndashwenn es sich um den Begriff ens handelt im Unterschied dazu dass es sichum ein bestimmtes Seiendes handelt Dies gilt nach Eckhart fuumlr alle transzen-dentalen Bestimmungen Allerdings ist zu beachten dass Eckhart diesen Un-terschied dreimal anfuumlhrt und die beiden ersten Differenzen das Begriffsfeld

31 Prol in Op prop n 2 1666ndash11 (wie Anm 3) Similiter autem se habet et in aliis putaquod unum solum unitatem significant verum veritatem bonum bonitatem honestum ho-nestatem rectum rectitudinem iustum iustitiam et sic de aliis et horum oppositis putamalum solum malitiam falsum solum falsitatem obliquum obliquitatem iniustum iniustiti-am et sic de aliis

32 K Albert Meister Eckharts These vom Sein Untersuchungen zur Metaphysik des Opustripartitum Saarbruumlcken 1976 jetzt in Ders (wie Anm 7) 65 bdquoDas von Eckhart gemeinteWeiszligsein ist wie wir soeben feststellten ein im Sinne der Platonischen Philosophie fuumlr sichbestehendes Weiszligsein das fuumlr alles einzelne Weiszligsein die Ursache dafuumlr ist daszlig es weiszligistldquo

33 Die Kochrsquosche Uumlbersetzung bdquourteilenldquo scheint auf den ersten Blick zu spezifisch zu sein inseiner Zusammenfassung verwendet Eckhart aber dann selbst loquendum vgl In Exod n54 583 (wie Anm 3) aliter loquendum est et sentiendum

266 Rolf Schoumlnberger

Sein betreffen ens und ens hoc et et hoc sodann esse absolute und essehuius et huius Eckhart meint wohl einerseits das Seiende im Allgemeinenund andererseits das konkrete Seiende dieses Buch und dieses Blatt PapierIm zweiten Fall spricht er einerseits von dem was mit dem Seienden bezeich-net wird und das als solches keine Einschraumlnkung enthaumllt und andererseitsvon dem was das Sein dieser Dinge ausmacht das Buchsein das Papiersein

Eckhart gibt am Ende dieser Modellproposition eine Zusammenfassungdie zum einen die doppelte Unterscheidung beim Sein unterlaumlsst und zumanderen das sentiendum durch das loquendum ersetzt Es geht also eindeutigum das Urteil Anders als bei Aristoteles steht dabei wie bereits vermerktdie These im Hintergrund dass bdquoSeinldquo nur in einem Sinne ausgesagt wird

Die Zusammenfassung erbringt nun noch eine doppelte ErlaumluterungDurch die Unterscheidung des Redens ergibt sich eine Folgerung und ein Wegzu ihrer Begruumlndung Wenn vom Seienden die Rede ist dann ist lediglich voneinem die Rede wohingegen selbstredend das ens hoc aut hoc ein Begriff fuumlrdie Mannigfaltigkeit der Dinge ist Die entscheidende Frage ist allerdings inwelcher Weise anders zu reden ist und woraus dies hervorgeht

Eckhart zieht eine bekannte Unterscheidung heran der er aber eine neueDeutung gibt Von bdquoistldquo kann in einem Satz in zweifacher Weise die Redesein Zum einen im Sinne eines Existenzurteils zum anderen in der Formeiner Kopula durch die Subjekt und Praumldikat miteinander verbunden wer-den Die unproblematische Form ist die zweite Wenn man von etwas etwasBestimmtes aussagt dann hat das bdquoistldquo die Funktion einer copula bzw einesadiacens praedicati Von etwas zu sagen es ist ein Mensch ist ein Beispieldafuumlr Dasselbe gilt fuumlr die anderen Transzendentalien Man kann von etwasauch sagen es sei ein Mensch ein Gutes ein Eines etc bdquoSeiendldquo meint also ineiner Hinsicht etwas Bestimmtes mit einem aus der Tradition entnommenenAusdruck ens hoc Gemeint ist damit kein Dieses sondern ein solches Na-tuumlrlich wird erst durch die Kopula die Verbindung zweier Begriffe hergestelltund damit ein Satz gebildet Dann liegt dasjenige vor was wahr oder falschsein kann

Von entscheidender Bedeutung ist hingegen seine Deutung des Existen-zurteils34 Eckhart formuliert es im ACI cum dico aliquid ens (und entspre-chend unum verum bonum) Soll das heiszligen bdquoEtwas ist seiend (aliquid esseens)ldquo oder bdquoEtwas ist (aliquid est)ldquo Irrefuumlhrend ist vielleicht die Verwendungdes aliquid Es kann nicht irgendetwas im unbestimmt gelassenen Unter-schied zu irgendetwas anderem gemeint sein Eckhart denkt offenbar wennnicht etwas Bestimmtes und damit Begrenztes ausgesagt wird dann wird nurSein ausgesagt Dies kann dann nur die Bedeutung Existenz haben Es ist

34 Prol in Op prop n 25 (wie Anm 3)

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 267

nicht ganz sicher ob sich Eckharts Aussagen voumlllig zur Klarheit bringen las-sen Von etwas etwas aussagen heiszligt immer bereits eine Einschraumlnkung vor-genommen zu haben Aber man kann doch von Einzeldingen die Existenzaussagen Allerdings so die These Eckharts nicht im selben Sinne NachEckharts Auffassung in die erstmals Alain de Libera35 Licht gebracht hat istSein bei allen transzendentalen Bestimmungen Teil des Praumldikats ndash wodurchEckhart zwar von der mittelalterlichen Semantik grundlegend abweicht aberein semantisches Konzept artikuliert das seiner Metaphysik entspricht36

An zweiter Stelle ndash der Sache nach nicht im Hinblick auf die Abfolge imText ndash geht es um die Gemeinschaft mit den anderen termini generales dentranszendentalen Bestimmungen Der Umkreis entnimmt Eckhart natuumlrlichunmittelbar der mittelalterlichen Tradition aber zuletzt der Metaphysik desAristoteles Auch fuumlr sie gilt was fuumlr alle konkreten Bestimmungen gilt naumlm-lich das dargelegte Verhaumlltnis von konkreter und abstrakter Wortform Aberim Unterschied zu den hinzukommenden Eigenschaften sind diese Begriffeschlechterdings allgemeine Bestimmungen Sie enthalten nichts wodurch sichdie Dinge unterscheiden Eckharts Bestimmung prima in rebus et omnibuscommunia37 formuliert einen Zusammenhang parataktisch der doch der Sa-che nach als ein Begruumlndungszusammenhang gedacht ist Diese Bestimmungsind nicht erstrangig und allgemein sondern weil allem gemeinsam deshalberstrangig Alle anderen Bestimmungen die einer Sache zukommen kommenihr unter Voraussetzung dieser Bestimmungen zu Sie selbst gehen auf eineUrsache zuruumlck was man sowohl lesen kann im Sinne auf jeweils eine Ursa-che oder auf eine einzige Ursache Diese Ursache wird demgemaumlszlig als einebestimmt die zwar universell ist sofern sie eine allgemeine Bestimmung ver-mittelt aber doch Raum laumlsst fuumlr das andere Dies ergibt sich notwendigdaraus dass sie eben schlechterdings allgemeine Bestimmungen vermitteltdie Dinge haben als je spezifische und besondere daruumlber hinaus aber nochweitere Bestimmungen Wenn man auch die Vorform der Transzendentalien-lehre bei Aristoteles nachweisen kann38 so kommt ihr doch erst jetzt imMittelalter eine systembildende Funktion zu

35 A de Libera Le problegraveme de lrsquoecirctre chez Maicirctre Eckhart logique et meacutetaphysique de lrsquoana-logie (CRThPh Bd 4) Genegraveve 1980 28ndash37

36 Juumlngst dazu wenn auch weitgehend rekapitulierend T Tsopurashvili Sprache und Meta-physik Meister Eckharts Praumldikationstheorie und ihre Auswirkung auf sein Denken (Bo-chumer Studien zur Philosophie 52) AmsterdamndashPhiladelphia 2011 uumlber die Praumlsenz derneuplatonischen Semantik in der Scholastik L M de Rijk Die Wirkung der neuplatoni-schen Semantik auf das mittelalterliche Denken in J P Beckmann u a (Hrsg) Spracheund Erkenntnis im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia Bd XIII1) Berlin 1981 19ndash35

37 Prol in Op prop n 11 17111 f (wie Anm 3)38 K Baumlrthlein Die Transzendentalienlehre der alten Ontologie Bd I Die Transzendentalien-

lehre im Corpus Aristotelicum Berlin 1972

268 Rolf Schoumlnberger

Darin liegt eine ganz offenkundige Abkehr von Aristoteles Denn ein In-begriff laumlsst sich nur bilden wenn ihm ein gemeinsamer Begriff zugrundeliegt Das Gute selbst ist daher fuumlr Platon eine Idee nicht aber fuumlr AristotelesDiese kritische Abkehr ist ein metaphysischer Exkurs in der NikomachischenEthik (im zweiten Kapitel des ersten Buchs)39 gewidmet Hier wendet sichAristoteles nicht nur mit den bekannten Argumenten gegen die Annahme vonIdeen sondern ganz spezifisch gegen Platons Auffassung von der begriffli-chen Verfassung des Guten welches ja nur unter der angegebenen Bedingunguumlberhaupt eine Idee zulaumlsst

Hinsichtlich der Aussageweise stellt Eckhart das Sein mit den anderentranszendentalen Bestimmungen gleich Es gibt aber gleichwohl einen letztenUnterschied und dieser bezieht sich nicht allein auf die aus Avicenna entnom-mene Aussage wonach Sein das erste was der Verstand auffasst ist sonderndarauf dass Sein das Prinzip der Vollkommenheit ist Es sieht uumlber weiteStrecken so aus als wuumlrde Eckhart das Sein nun doch als Form auffassenDie Entsprechung mit der Eckharts Bestimmung des Seinsbegriffes einsetztlaumlsst erwarten dass er es als eine Form nimmt und wie eine Form bestimmtDies rechtfertigt er nicht eigens doch lassen sich zum einen zwei Gedankenanfuumlhren die er wohl als Argumente fuumlr diese Statusbestimmung angesehenhat Jede allgemeine () Form wie Leben und Denken ist bereits eine bestimm-te soll heiszligen eine eingeschraumlnkte Weise ndash des Seins Das Sein ist also inallem vorausgesetzt Sein ist das erste des Geschaffenen wie er mit dem Liberde causis haumlufig sagt40 Eckhart zitiert aber auch wiederholt den Satz desAvicenna id quod desiderat omnis res est esse et perfectio esse inquantumest esse41 Dies ist freilich nur dann ein Argument wenn mit sbquoSeinlsquo hier nichtdas je spezifische Sosein gemeint ist Und dies ist denn auch tatsaumlchlich nichtder Fall Die drastische Formulierung in der Predigt 8 bdquoKeine Kreatur ist sogering dass sie nicht nach dem Sein begehrte Die Raupen wenn sie von denBaumlumen herabfallen so kriechen sie an einer Wand hoch auf dass sie ihrSein erhalten So edel ist das Seinldquo42 Zum anderen aber scheint sich Eck-hart ndash wohl gerade wegen des Charakters des Erstbestimmenden ndash doch nichtvollstaumlndig auf den Formstatus festzulegen

39 Vgl H Flashar Die Platonkritik (I 4) in O Houmlffe (Hrsg) Aristoteles NikomachischeEthik Berlin 1995 63ndash82 [zuvor unter dem Titel bdquoDie Kritik der platonischen Ideenlehrein der Ethik des Aristotelesldquo in Synusia Festschrift fuumlr Wolfgang Schadewaldt Pfullingen1965 223ndash246]

40 Vgl Anonymus Liber de causis (Philosophische Bibliothek Bd 553) uumlbers v A SchoumlnfeldHamburg 2003 161 f

41 Avicenna Met VIII 6 (ed S Van Riet Louvain 1980 412 63ndash64) zitiert in Prol gen inOp trip n 8 (wie Anm 3) Qu Par Responsio (wie Anm 3) I n 115 288 16ndash289 2

42 Pred 8 (wie Anm 3) Pred 1 134 1ndash4

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 269

Eckhart greift durchaus auch die Konzeption des Thomas auf wonachdas Sein ein Akt ndash auch der Formen selbst ndash ist Ein Akt hat aber fuumlr sichgenommen keinen Inhalt sondern nur sofern er der Akt einer bestimmtenWirklichkeit ist43

Die vorangegangene Analyse von Eckharts Seinsbegriff sollte gezeigt ha-ben dass dieser in seiner Struktur ebenso wie in der Weise seiner Gewinnungungeachtet von Eckharts Berufungen und Inanspruchnahmen auf markanteWeise vom aristotelischen Begriff des Seins abweicht und damit in deutlicherDistanz zu dessen Metaphysik steht Da die Aufklaumlrung des Seinsbegriffessich aber nur zu einem Teil auf das stuumltzen kann was Eckhart selbst dazuexplizit sagt ndash und was er sagt variiert oder iteriert er oftmals ndash muss ineinem zweiten Teil der Schwerpunkt darauf gelegt werden wie er mit demSeinsbegriff umgeht Dies ist wohl am aufschlussreichsten dort wo er ihnnicht fuumlr sich bestimmt sondern in einen anderen Zusammenhang bringt alsden der Transzendentalien

III Denken und Leben

An einer beruumlhmten Stelle in Metaphysik Λ bestimmt Aristoteles die Wesens-zuumlge des ersten unbewegten Bewegers Nachdem er ihn zuerst als Geist undsodann den Bezug seines Denkens erschlossen hat faumlhrt er fort

bdquoAuch Leben kommt ihm natuumlrlich zu Denn die Taumltigkeit des Geistesist Leben und jener ist die Taumltigkeit Seine Taumltigkeit ist an ihm selbstvollkommenes und ewiges Leben Wir behaupten also daszlig der Gott ein

43 Er sagt aber etwa Prol gen in Op trip n 8 1537ndash8 (wie Anm 3) Ipsum enim essecomparatur ad omnia sicut actus et perfectio et est ipsa actualitas omnium In Eccli n 442737ndash9 (wie Anm 3) Sine esse enim non plus valet totum universum quam musca necplus sol quam carbo nec sapientia plus quam ignorantia dies erinnert wiederum an Thomasvon Aquin (Sancti Thomae Aquinitatis Summa contra gentiles ed Leonina XXXIII Rom1918 [= SCG]) I 28 260 Omnis enim nobilitas cuiuscumque rei est sibi secundum suumesse nulla enim nobilitas esset homini ex sua sapientia nisi per eam sapiens esset ST I 4 3omnium autem perfectiones pertinent ad perfectionem essendi secundum hoc enim aliquaperfecta sunt quod aliquo modo esse habent Aber Eckhart beruft sich selbst in seinerRechtfertigungsschrift Responsio ad articulos sibi impositos Qu Par I n 115 288 f (wieAnm 3) auf Thomas (Sancti Thomae Aquinitatis Summa theologiae ed Leonina IVndashXIIRom 1888ndash1906 [= ST ] I 4 1 ad 3 ipsum esse est perfectissimum omnium comparaturenim ad omnia ut actus Nihil enim habet actualitatem nisi inquantum est unde ipsumesse est actualitas omnium rerum et etiam ipsarum formarum Das Sein des Menschen wirdnicht als dasjenige betrachtet dem Sein zukommt sondern ut formale et receptum DieFrage ist was hier das ut heiszligt Man kann es als Vergleich lesen bdquowie ein Formbestimmen-desldquo oder als Bestimmung des Sinnes bdquoim Sinne vonldquo In dieser zweiten Deutung waumlreauch das Sein eine Form und in diesem Sinne versteht es Eckhart

270 Rolf Schoumlnberger

lebendiges Wesen ewig und vollkommen ist so daszlig Leben und bestaumlndi-ges ewiges Dasein dem Gotte zukommen denn dies ist das Wesen desGottesldquo44

Auf diese Stelle verweist Eckhart so scheint es zwar nirgends selbst seineEditoren freilich schon45 etwa dort wo er den Satz formuliert intelligereintellectui ut sic est vivere Zunaumlchst ist dabei auffaumlllig dass er selbst denSatz als einen analogen formuliert naumlmlich zu einem anderen aber ebenfallsaristotelischen Satz vivere viventibus est esse Diesen Satz aus De anima46

zitiert Eckhart uumlberaus haumlufig47

Bemerkenswert ist daruumlber hinaus dass Eckhart ndash wie uumlbrigens bereitsAlbertus Magnus48 aber im Unterschied zu Thomas von Aquin ndash auch nocheinen weiteren analogen Satz formuliert ndash und ebenfalls mehrfach vorbringtintelligere intelligentibus est esse49 Er stellt die Verbindung zwischen beidenauch ausdruumlcklich selbst her cognoscere cognoscentibus est vivere sicut sbquovi-vere viventibus est esselsquo ut ait philosophus50

Es ergibt sich also ein dreistufige Folge von Sein ndash Leben ndash DenkenEckhart erlaumlutert nicht explizit was es mit dieser Abfolge auf sich hat und

44 Met Λ 71072 b 26ndash30 και ζωη δέ γ ὑπάρχει ἡ γὰρ νοῦ ἐνέργεια ζωή ἐκεῖνος δὲ ἡ ἐνέργειαἐνέργεια δὲ ἡ καθ᾽ αὑτην ἐκείνου ζωὴ ἀρίστη καὶ ἀΐδιος Φαμεν δε τὸν θεον εἶναι ζῷον ἀΐδιονἄριστον ὥστε ζωη καὶ αἰων συνεχης καὶ ἀΐδιος ὑπάρχει τῷ θεῷ τοῦτο γαρ ὁ θεός (UumlbersGadamer wie Anm 34) E N X 81178 b 21ndash23 25ndash26 bdquoSo muss denn die Taumltigkeit derGottes die an Seligkeit alles uumlbertrifft eine betrachtende sein [hellip] Das Leben der Goumltter istseiner Totalitaumlt nach seligldquo (Uumlbers O Gigon) (ὥστε ἡ του θεου ἐνέργεια μακαριότητι δι-αφέρουσα θεωρητικὴ ἂν εἴη [hellip] τοις μεν γαρ θεοις ἅπας ὁ βίος μακάριος) De an II 2413 a22ndash25 bdquoNun hat aber das Wort Leben mehrere Bedeutungen wenn auch nur eine von ihnenzutrifft so sprechen wir einem Wesen Leben zu so bei Geist Wahrnehmung Bewegungund Ruhe im Raume endlich Bewegung im Sinne von Ernaumlhrung Verfall und Wachstumldquo(Uumlbers O Gigon) πλεοναχως δε του ζην λεγομένου κἂν ἕν τι τούτων ἐνυπάρχη μόνον ζηναὐτό φαμεν οιον νουϛ αἴσθησις κίνησις καὶ στάσις ἡ κατα τόπον ἔτι κίνησις ἡ κατα τροφὴνκαὶ φθίσις τε καὶ αὔξησις

45 In Ioh n 679 593 (wie Anm 3)46 De an II 4415 b 13 τὸ δὲ ζῆν τοῖς ζῶσι τὸ εἶναί ἐστιν47 In Sap n 270 600 n 289 623 In Eccli n 2 232 n 68 298 In Gen I n 78 240 In

Gen II n 103 368 In Ioh n 136 116 n 141 118 n 291 244 n 341 290 n 545477 n 679 593 Ser II 2 n 15 17167 Ser XVII 4 n 174 165 Ser XVII 5 n 179167 f Ser LIV 1 n 528 445 (insgesamt wie Anm 3)

48 De homine ed Col XXVII2 p 54 79ndash8049 In Ioh n 61 51 n 136 116 n 139 117 n 141 118 n 294 244 n 341 290 n 426

361 n 500 431 n 679 593 n 681 595 (insgesamt wie Anm 3)50 In Ioh n 545 476 f In Gen I n 78 2406ndash7 cognoscere siquidem proprie et vere vivere

est cognoscentibus et vivere esse In Ioh n 679 5932ndash3 sicut sbquovivere viventibus est esselsquosic intelligere intellectui ut sic est vivere die Editoren des Genesis-Kommentars verweisenzudem auf In Ioh n 139 1179ndash10 (insgesamt wie Anm 3) dort ist aber vom Liber decausis die Rede esse et intelligere in vita sunt vel potius vita est et vivere ut patet ex Decausis Liber de causis prop XI n 105 (ed Schoumlnfeld [wie Anm 39] 26)

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 271

auf Grund wovon sie gebildet wird Er uumlbernimmt sie aus der ndash ja nicht deraristotelischen sondern offenkundig der neuplatonischen51 ndash Tradition aberdieser Umstand macht diese Begriffsfolge nicht hinreichend verstaumlndlich daes ja noch einen Grund dafuumlr geben muss warum er sich dieser Traditionangeschlossen hat und noch zu klaumlren ist in welchem Sinne er diese Triadeverstanden hat Da diese Zitate aber besonders haumlufig vorkommen muss esmit ihnen eine besondere Bewandtnis haben Diese zu erschlieszligen bedarf esmangels einer expliziten Erlaumluterung eines rekonstruktiven Zugangs DieFrage lautet also Wie muss Eckhart diese Begriffe aufgefasst haben damitsich diese besondere Rangfolge ergibt

Auf den ersten Blick scheint dies eine schlichte Stufung der Allgemeinheitzu sein Sein ist gegenuumlber Leben und Leben ist gegenuumlber dem Erkennendas je Allgemeinere weil es auch Seiendes gibt das nicht lebendig ist undLebendiges das nicht erkennt Dies stellt Eckhart durchaus auch selbst fest52

Dies wuumlrde es ermoumlglichen beides zu sagen bdquoDas Erkennen ist fuumlr die Erken-nenden das Seinldquo aber auch bdquoErkennen ist fuumlr das Erkennende das LebenldquoEr verwendet fuumlr die houmlchste Taumltigkeit des Erkennens den mittlere und denallgemeinsten Begriff und fuumlr den mittleren des Lebens die allgemeinste Be-stimmung Sein Warum ist das so Eckhart zieht hierfuumlr einen Text aus demLiber de causis heran Dieses Prinzip verweist eindeutig auf die platonischeTradition Das Enthaltende ist zugleich das Bestimmende ndash es bestimmt nichtden Inhalt aber immerhin doch seine Realisierungsweise Es geht aber vorallem um die Bestimmung des Verhaumlltnisses der drei Begriffe Eckhart begruumln-det es nicht ausdruumlcklich so dass es scheinen koumlnnte er verweise eben dochunausgesprochen auf einen klassischen Text ndash hier wohl die Metaphysik desAristoteles Er stellt dabei aber eine Verknuumlpfung her die Aristoteles nichthergestellt hat (schon die Verbindung von Denken und Leben scheint auchden neueren Interpreten53 einige Schwierigkeit zu tun bereiten) Eckhart gibtdiesem Zusammenhang zwar keine Begruumlndung im Ganzen aber doch fuumlrdie engere Beziehung von Leben und Erkennen Genauer gesagt er gibt dreiBegruumlndungen

1 Das Aufnehmende ist das Bestimmende Dieser eben schon gestreifte Satzaus der neuplatonischen Tradition54 gilt generell und hat als solcher mit

51 P Hadot Ecirctre vie penseacutee chez Plotin et avant Plotin in Les sources de Plotin (Entretienssur lrsquoantiquiteacute classique V) VandoeuvresndashGenegraveve 1960 105ndash141

52 In Ioh n 500 43110ndash11 (wie Anm 3) Intellectivum abundantius est quam vivum sicutvivum abundantius est quam ens

53 M Bordt Aristotelesrsquo bdquoMetaphysik XIIldquo Darmstadt 2006 121 E Sonderegger Aristote-lesrsquo Metaphysik Lambda Ein spekulativer Entwurf Einfuumlhrung Uumlbersetzung KommentarBern 2008 393ndash395

54 Liber de causis prop 9 n 93 u 7 n 73 ff (ed O Bardenhewer Freiburg i Br 1882 [NDFrankfurt 1957] 173 u 170 ed Schoumlnfeld [wie Anm 39] 24 u 18) Omne receptum

272 Rolf Schoumlnberger

dem Verhaumlltnis von Denken und Leben gar nichts spezifisch zu tun nureben in der Weise dass der Verstand etwas aufnehmen in der Lage istDamit dreht sich das Verhaumlltnis um denn jetzt ist bdquodas Leben im Ver-standldquo als Begriff bdquoLebenldquo oder als Vollzug des Erkennens d h als Ver-wirklichung des Verstandesvermoumlgens

2 Die Bestimmung des Erkennens als Leben ergibt sich aus der Beziehungdie fuumlr das Erkennen nun wirklich spezifisch ist durch die Beziehungauf ein Objekt Eckhart behauptet dass dies zu einer Wirklichkeit vonLebendigkeit dadurch wuumlrde dass es erkannt wird Dies ist das Be-stimmtwerden durch eine Form Damit kommt er dem Aristoteles schonnaumlher

3 Die eigentlich interessante Version ist nun aber tatsaumlchlich diejenige vonder wir ausgegangen sind Warum ist fuumlr die erkennenden Wesen dasErkennen ein Leben und fuumlr die Lebendigen das Leben das Sein Wennes sich einfach um die jeweils allgemeinere Bestimmung handelte waumlretatsaumlchlich auch nur etwas Allgemeineres gesagt Gehen ist eine Art derFortbewegung und Fortbewegung ist eine Art der Taumltigkeit Es handeltsich aber gar nicht um eine generische Bestimmung Denn diese lieszligesich auch alle begrifflichen Beziehungen anwenden und haumltte mit derkonkreten begrifflichen Konstellation der Triade gar nichts zu tun Mankann denken dass Gattungsbegriffe durch Abstraktion von spezifischenBestimmungen gebildet werden aber wovon etwas eine Weise ndash und ebenkeine Art ndash ist ergibt sich keinesfalls durch dieses Verfahren Bei Descar-tes etwa hat das Denken nur mit Bewusstsein nichts mit dem Leben zutun55 Es kann also nur mit dem besonderen begrifflichen Charakter derin Frage stehenden Begriffe zu tun zu haben Dieser scheint in Folgendemzu liegen Sowohl Denken als auch Leben enthalten zwei formal unter-schiedliche Momente ein inhaltliches und ein Moment des VollzugesbdquoLebenldquo kommt demjenigen zu was durch seine Beseelung eine organi-sche Struktur hat gleichzeitig ist aber Leben ein Vollzug fuumlr uns einzunaumlchst zeitlich bestimmter Vollzug mit einem besonderen von rein un-

est in recipiente per modum recipentis Mit bedeutsamer Anwendung auf den Begriff derErkenntnis Boethius Phil consol V pr 4 25 (Corpus Christianorum Series Latina 94p 96 f) Omne enim quod cognoscitur non secundum sui vim sed secundum cognoscenti-um potius comprehenditur facultatem ebd V pr 5 1 (Corpus Christianorum Series Latina94 p 100 f) vgl R Schenk Die Gnade vollendeter Endlichkeit Zur transzendentaltheolo-gischen Auslegung der thomanischen Anthropologie FreiburgndashBaselndashWien 1989 153 f255 ff 555 ff

55 Zu dieser Alternative und ihren jeweiligen Implikationen R Spaemann Das Sum in Descar-tesrsquo Cogito Sum jetzt in Schritte uumlber uns hinaus Gesammelte Reden und Aufsaumltze IStuttgart 22010 136ndash148

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 273

belebten Dingen unterschiedenen Verhaumlltnis zur Zeit Im Begriff bdquoDen-kenldquo liegt ebenfalls ein Bezug auf einen Inhalt auf den Gedanken zu-gleich aber auch auf den Prozess des Denkens auf die Taumltigkeit und denVollzug des Nachdenkens in all seinen Formen Die Frage ist ob diesewechselseitige Bedingtheit der beiden Momente sich auch beim Seinsbe-griff zeigen laumlsst Eckhart scheint jedenfalls dieser Auffassung zu seindenn er sagt Vom reinen Sein muumlsse da es keinerlei Negativitaumlt enthaltenkoumlnne auch die Existenz ausgesagt werden56

Die Autoren die jenen aristotelischen Satz vom Leben als Sein des Lebendi-gen ebenfalls haumlufig anfuumlhren57 und im Blickfeld Eckharts stehen haben die-sen Satz wohl ganz im Sinne des Aristoteles verstanden Thomas von Aquingeht in seinem Kommentar zu De anima der Behauptung nach dass die Seeleim mehrfachen Sinne Prinzip des lebendigen Koumlrpers ist weil der BegriffbdquoPrinzipldquo selbst mehrfach ausgesagt wird In einem ersten Sinne ist das We-sen soll heiszligen die Form einer Sache was Grund fuumlr dessen Sein ist (causaessendi) Die Form ndash bzw ihre Praumlsenz ndash macht ein Ding zu einem wirklichenDiese Form ist bei den Lebewesen die Seele Er faumlhrt fort per animam enimvivunt et ipsum vivere est esse eorum58 Das Sein des Lebendigen zu seinheiszligt also genauer deren Seinsgrund zu sein Dies offenbar nicht in demSinne dass es ein aumluszligerlicher Grund waumlre Es ist ja von der Form die Rede ndashdiese wiederum wird hier nicht im Sinne einer wirklichkeitsindifferentenStruktur verstanden sondern im Sinne eines inneren WirklichkeitsgrundesDiese Konzeption der Form scheint ohnehin fuumlr Eckhart maszliggebend weil erausdruumlcklich die Form zusammen mit der Materie als eine innere Ursacheauffasst59 Sie macht das Ding zu dem was es ist Aber kein indifferentesSosein sondern eine wenn man so sagen kann strukturierende Strukturkeine abstrakte Konstellation die gegenuumlber Sein und Nichtsein gaumlnzlich in-different waumlre Die Ambivalenz dieses Formbegriffs der einerseits als bestim-mendes Moment des Wesens keinerlei Existenz mit einschlieszligt andererseitsaber als Bestimmungsgrund die Existenz gerade begruumlndet gehoumlrt vielleicht

56 Prol gen in Op trip n 13 15811ndash13 (wie Anm 3)57 Soweit es sich hat uumlberpruumlfen lassen hat Duns Scotus an jenem Adagium kein Interesse er

scheint es nirgends anzufuumlhren Wenn das Sein von allen Differenzierungen abstrahiertdann kann es auch nicht durch den Verweis auf solche Differenzierungen naumlher bestimmtwerden Der Frage ob nicht gleichwohl in der Art der Bestimmung eine Analogie in An-spruch genommen wird eben statt der verschiedenen Weisen zu dem dessen Weise sie sinddie Analogie zur Differenzierung von Gattung in seine Arten muumlsste gesondert nachgegan-gen werden

58 In De an II 7 (ed Leon XLVI1 p 98 179ndash180)59 Vgl oben Anm 22

274 Rolf Schoumlnberger

nicht zum aristotelischen Grundgedanken in seiner Metaphysik aber dochwohl zu einem repraumlsentativen Zug des mittelalterlichen Aristotelismus

Albertus Magnus versteht jenen Satz in seinem Kommentar zu De animaganz aumlhnlich Auch er bezieht ihn auf eine der Prinzipienbestimmungen derSeele naumlmlich auf ihren Charakter als causa formalis Was er ndash uumlbrigensnicht nur hier ndash hinzufuumlgt ist der Verweis darauf dass es sich um einenkontinuierlichen Vollzug handelt vivere est actus animae in corpus continu-us60 Die Verbindung der beiden begrifflichen Beziehungen aus der sich dieberuumlhmte Triade ergibt wird freilich bei Eckhart nicht zum ersten Mal herge-stellt Sie findet sich etwa auch bei Albertus Magnus Dieser hat auch schondie Analogie sentire sentientibus est esse gefunden61

Es scheint Eckhart weiter nicht erforderlich auf diese beruumlhmten Adagiaeine eigene interpretatorische Anstrengung zu wenden Solche Schnittstellensind aber gerade dann interessant wenn sie ein Selbstverstaumlndnis zum Aus-druck bringen demgegenuumlber sich das unsere deutlich veraumlndert hat SolcheSchnittstellen sind fuumlr beide Voraussetzung von Belang sowohl fuumlr die desTextes wie fuumlr die seiner spaumlteren Interpreten Auffaumlllig ist dass in einem Falleine Taumltigkeit gefasst wird die des Geistes im anderen Fall ein Sein Das Seindes Lebendigen ist das Leben Im einen Fall wird so scheint es die Aussageauf eine allgemeinere Ebene verlagert er sagt eben nicht das Sein des Geistesist Leben sondern die Taumltigkeit des Verstandes ist Leben und nicht ErkennenIn beiden Faumlllen wird etwas allgemeiner gefasst Das Sein des Lebendigen imanderen Fall die Taumltigkeit des Verstandes Leben ist auch nach Aristoteleseine Art von Praxis also eine Taumltigkeit ὁ δὲ βίος πρᾶξις οὐ ποίησις62

Was freilich von erheblicher Bedeutung ist ist der Umstand dass in die-ser Traide der Begriff des Lebens von dem der Seele abgeloumlst wird HatteAristoteles in De anima uumlberlegt ob denn der Verstand zur Seele gehoumlrt unddiese Frage in dem beruumlhmten Kapitel 5 des dritten Buches verhandelt dannbleibt doch der Umstand dass Gott zwar lebendig aber doch kein beseeltesWesen ist Was kann das heiszligen In der Tradition des Neuplatonismus wirddas Leben zu einer eigenen vom Geist unterschiedenen Stufe Dies verbindetsich mit der Weltseele die sich wiederum von den Lebensstufen des Aristote-les abhebt Das Leben scheint in gewisser Weise eher eine Form als eine Taumltig-keit zu sein Denn es handelt sich um eine bestimmte von anderen abgehobe-ne Taumltigkeit und diese Abhebung ist wiederum unweigerlich von einer Form

60 De an II 22 (ed Col VII1 p 85 13) De causis et proc univ I 2 2 (ed Col XVII2p 27 49ndash50) Esse vivere et intelligere actus continui sunt qui sunt in fieri

61 Metaph I 1 6 (ed Col XVI1 p 8 40ndash42) Actus enim animalis est sensibilis anima etsentire secundum potentias vitae sensibilis ipsis sentientibus animalibus est esse De homineed Col XXVII2 col 603 a 415 b 13

62 Pol I 41254 a 7

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 275

bestimmt Diese begriffliche Verschiebung ist aber wohl mit dem Konzeptdieser Triade selbst zwar nicht notwendig aber doch eng verbunden gehtalso nicht aus einer Neuinterpretation Eckharts hervor

Die Bedeutung und Eigenart der Triade Sein ndash Leben ndash Denken ist aberauch gar nicht in einem Zuge zu bestimmen Schon Thomas von Aquin hatdarauf aufmerksam gemacht dass wie bei allen Begriffen hier eine doppelteMoumlglichkeit vorliegt63 Es ist naumlmlich nicht gleichguumlltig ob diese Begriffekonkret oder abstrakt gefasst werden Sie verhalten sich naumlmlich was denCharakter der Vollkommenheit angeht sogar spiegelverkehrt Innerhalb derOrdnung der abstrakten Termini muss Sein als vollkommener als Leben undDenken angesehen werden Dem Sein (esse) selbst kann keine Form oderWeise der Vollkommenheit abgesprochen werden Denn so das Argumentdes Thomas es kann ja dem Sein selbst nichts abgesprochen werden JedeUnvollkommenheit enthaumllt ein Nichtsein bzw bringt ein Fehlen zum Aus-druck somit das Gegenteil des Seins Entsprechend ist auch Leben edler alsErkennen Beim konkreten Ausdruck verhaumllt es sich freilich umgekehrt Dasjeweils Konkrete hat seine Bestimmung durch Teilhabe ndash an dem naumlmlichwas durch die abstrakte Wortform zum Ausdruck gebracht wird Von dieserkonkreten Wirklichkeit sagt Eckhart nun dass sie fuumlr sich genommen nacktalso bar jeder Bestimmung und damit bar jeder Vollkommenheit ist Die ver-schiedenen Bestimmungen vermitteln unterschiedliche TeilhabeverhaumlltnisseDeren Vollkommenheit richtet sich nach dem sachlichen Gehalt Es ist mehrlebendig zu sein als nur zu sein und in den Augen Eckharts ist es sogar nichtbloszlig mehr erkennend zu sein als nur zu leben denn ein Erkennendes zu seinist die houmlchste Stufe der Teilhabe uumlberhaupt Der Begriff bdquolebendigldquo enthaumlltmehr als der Begriff bdquoseiendldquo Eckhart sagt nun nicht auf Grund dessendass es diese Bestimmung vivens est als vielmehr auf Grund dessen dass esetwas nur dann lebendig ist wenn es auch ist Das Sein ist der Grund rationeesse quod includit64 Dies gilt allein auf Grund dessen dass es ist denn vonden nicht-lebendigen aber wirklichen Dingen kann uumlberhaupt nur gesagtwerden dass sie sind also nicht etwas sind in dem das Sein daruumlber hinausnoch eingeschlossen waumlre

Diese Stelle ist deswegen besonders aufschlussreich weil Eckhart diesenGedanken aus Thomas von Aquin uumlbernimmt wobei man freilich fragenmuss ob er ihn auch wirklich im Sinne des Thomas auffasst Bevor wir aberdas tun muss noch ein Blick auf eine andere Stelle geworfen werden in derer ebenfalls auf jene Thomas-Stelle sich bezieht hier aber in kritischer Ab-sicht Er gibt die thomasische Fassung der Triade aus der Summa theologiae

63 ST I 4 2 ad 364 In Ioh n 63 533 (wie Anm 3)

276 Rolf Schoumlnberger

wieder und bekundet in der fruumlhen Pariser Quaestio Ego autem credo totumcontrarium65 Warum das Eckhart gibt mehrere Begruumlndungen Wenn dochim Prolog des Johannes-Evangeliums gesagt wird dass im Anfang das Wortwar das Wort aber zum Verstand gehoumlrt dann ist doch das Erkennen ndashintelligere ndash dasjenige was den houmlchsten Grad der Vollkommenheit innehatAndernfalls waumlre es nicht das Erste Seiend und Sein wird an dieser Stelledurch ein vel verbunden bzw gleichgesetzt waumlhrend bei Thomas gerade dergegensaumltzliche Charakter der Wortformen die Pointe gewesen war Es handeltsich bei Eckhart gleichwohl in allen Faumlllen um Vollkommenheiten

Und Eckhart bezieht und beruft sich zudem gerade auch auf die Meta-physik des Aristoteles der doch ndash davon war schon die Rede ndash von denmathematischen Gegenstaumlnden des Gute ndash das doch mit dem Sein austausch-bar ist ausschlieszligt66 Und einer anderen Stelle der aristotelischen Metaphysikglaubt Eckhart nochmals einen Einwand gegen die Universalitaumlt des Seinsentnehmen zu koumlnnen Gut und Schlecht findet sich in den Dingen aber nichtWahr und Falsch die ihren Ort in der Seele haben67 Das darin implizierteArgument ist wohl ein doppeltes

1 Erkennen darf gerade nicht als eine Weise von Sein verstanden werdensondern als Nichtsein Andernfalls waumlre all das was mit Wahrheit Er-kenntnis Wort zusammenhaumlngt nichts Urspruumlngliches stattdessen eineSpezifikation von anderem und erst diesem koumlnnte dann Urspruumlnglich-keit zugeschrieben werden

2 Sein enthaumllt keinen kognitiven Bezug Nur was als Nichtseiendes gedachtwird kann auch als etwas gedacht werden das auf anderes verweistSeiendes verweist immer nur auf sich selbst

Also ist der Begriff des Erkennens umfassender und bringt damit eine houmlhereVollkommenheit zum Ausdruck als der Begriff des Seins denn er bezieht sichzwar auf Seiendes ist aber selbst keines Das Sein in der Seele ist kein Fall

65 Qu Par I n 6 433 (wie Anm 3) der Sache nach setzt sich Eckhart damit auch von Albertab De causis et proc univ I 3 13 (ed Col XVII2 p 150 44ndash56) Primum enim inomnibus est esse quia nihil ante se supponit secundum intellectum necesse est quod exnihilo sit Et ideo in omnibus in quibus est necesse est ipsum fieri per creationem Percreationem enim fit quod ex nihilo fit Vita autem ante se supponit ens secundum naturamet intellectum et ex esse producitur sicut determinatum ex confuso Unde vita non dicitsimplicem esse conceptum sed dicit esse formatum ad aliquid Vita igitur per creationemfieri non potest quid fit ex aliquot Relinquitur igitur quod fiat per informationem Simili-ter autem est de intellectivo et scitivo Hoc enim supponit ante se vivere et esse

66 Vgl Met Β 4996 a 29ndash3267 Vgl Met Ε 41027 b 25ndash27

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 277

oder Modus von Sein sondern das Gegenteil von Sein Waumlre das Erkenntnis-bild in der Seele selbst etwas fuumlr sich genommen ein Seiendes koumlnnte es nichtauf anderes verweisen wo doch dieser Verweis gerade seinen Bildcharakterausmacht Sofern um noch weiter den Argumenten Eckharts zu folgen so-fern etwas ist faumlllt es unter die Allmacht Gottes Im Denken koumlnnen wir aberFeuer und Hitze trennen wie ja auch verbinden Auch daraus ergibt sich einegroumlszligere Reichweite des Denkens gegenuumlber dem Sein Eckhart uumlbernimmtauch den schon augustinischen Gedanken dass das goumlttliche Wissen Grundder Dinge die Dinge aber Grund unseres Wissens sind Wenn aber das Seinder Dinge im Wissen begruumlndet wird dann hat dies einen weiteren RadiusAll dies sind Gruumlnde dafuumlr dass das Denken den reicheren Inhalt als derBegriff des Seins hat Auf die konkreten Termini und ihr Verhaumlltnis zueinan-der geht Eckhart gar nicht mehr ein Dies scheint ihm mit den vorgebrachtenArgumenten bei dem abstrakten Begriff bereits erledigt und hinfaumlllig gewor-den Es geht jetzt nicht darum den Gruumlnden fuumlr die spaumltere Wendung bzwauf die Hinsicht der Wendung zu reflektieren Hinzuweisen ist freilich nochdass die spaumltere Ansetzung welche den thomasischen Gedanken uumlbernimmtsich auch in einer Predigt findet68

Thomas von Aquin hatte sich demgegenuumlber auf Dionysius berufen ImBegriff des Seienden sind der des Lebens und der der Weisheit nicht einge-schlossen und daher ist dieser der aumlrmere Begriff In ihm wird etwas gedachtmit dem nicht notwendig der Begriff Leben verbunden ist Dass bdquoseiendldquolebendig nicht (begrifflich) einschlieszligt ist nur ein anderer Ausdruck dafuumlrDenn seiend ist etwas durch seine Teilhabe am Sein aber in diesem Fall desLebendigseins wird nur eine Weise der Teilhabe am Sein gedacht Das SeinGottes hingegen schlieszligt notwendig alle Vollkommenheiten d h alle voll-kommenen Seinsweisen ein69 Welche Vollkommenheit auch immer gedachtwird es ist doch immer eine wirkliche Vollkommenheit Denn ndash und dies istdie entscheidende Behauptung ndash vollkommen wird etwas nur dadurch dasses wirklich ist70 Wie dies mit Eckharts semantischer Theorie konkreter Be-griffe zur Kohaumlrenz zu bringen ist ist nicht ohne weiteres ersichtlich

Die rekonstruktiven Uumlberlegungen blieben unvollstaumlndig bliebe ausge-blendet dass Eckhart in die Triade SeinLebenDenken auch selbst einenBruch einfuumlgt Er unterscheidet grundsaumltzlicher als dies in den zitierten Stel-len zu entnehmen oder auch nur zu erahnen ist zwischen dem Sein einerseits

68 Pred 8 (wie Anm 3) Pred 1 1296ndash130369 ST I 4 2 ad 3 De pot 72 ad 970 SCG I 28 (260) Omnis enim nobilitas cuiuscumque rei est sibi secundum suum esse nulla

enim nobilitas esset homini ex sua sapientia nisi per eam sapiens esset ST I 4 3 Omniumautem perfectiones pertinent ad perfectionem essendi secundum hoc enim aliqua perfectasunt quod aliquo modo esse habent

278 Rolf Schoumlnberger

und Leben und Denken andererseits Waumlhrend Sein das Moment der Er-schaffbarkeit enthaumllt kann dies von Leben und Denken seiner Auffassungnach nicht behauptet werden71 Er fasst diese beiden also in ihrer Unterschie-denheit vom Sein Dies ist weder fuumlr sich genommen leicht zu verstehen nochohne weiteres mit der anderen Aussagereihe in Einklang zu bringen Eckhartversteht sowohl Leben als auch Erkennen als etwas Unableitbares von innenher Bestimmtes Insofern ist von diesen Begriffen keine Bruumlcke zu einer Ursa-che zu schlagen Obgleich Eckhart anfangs und grundlegend Gott als Seinund damit Seinverleihendes denkt denkt er dann Leben und Denken dochnicht als Weisen von Sein denn dann duumlrften sie dessen Grundbestimmungnur modifizieren Sie stehen dazu aber in diesem Kontext gerade in einemOppositionsverhaumlltnis

Neben den Kohaumlrenzproblemen sollte nicht ganz uumlbergangen werden inwelchen Zusammenhaumlngen die Verknuumlpfung der Begriff Leben und Denkeneine Rolle spielen Dabei seien nur einige Beispiele herangezogen Innerhalbder Gnadenlehre ist der Lebensbegriff von entscheidender Bedeutung Gratiadei vita aeterna72 Dies verbindet Eckhart mit dem Satz ego veni ut vitamhabent73 Die Gnade ist im eigentlichen Sinne Leben ndash und da erhebt sich dieFrage da erhebt sich fuumlr Eckhart die Frage wie der Lebensbegriff zu bestim-men ist Er stellt eine Frage Quid tam formale quam vita Er antwortetdarauf mit dem schon eroumlrterten Aristoteles-Zitat und sagt dann Nihil estipso esse formalius Es wird dabei nicht eigentlich die erste Aussage uumlberbo-ten sondern interpretiert Wenn das Leben das Sein des Lebendigen betrifftdann heiszligt das in der Deutung Eckharts negativ nicht die Vermoumlgen derSeele und nicht deren Aumluszligerungen sondern dieses Leben bezieht sich auf dasWesen der Seele (in diesem Sinne ihr Sein) selbst74

Sed li esse ndash sbquosumuslsquo ndash quanto communius quanto abstractius tantopurius vitam quod li sbquoviverelsquo significant75 Hier kehrt also wenn auch ver-klausuliert formuliert wieder bdquoDas Leben ist das Sein des Lebendigenldquo DieVerknuumlpfung beider Begriffe geschieht jedoch nicht im Hinblick auf den Voll-zugssinn sondern im Hinblick auf den Gehalt als solchen Auf diesen beziehtsich so sagt er hier auch das Verbum vivere Es steht also nicht der konkreteLebensbegriff des Aristoteles im Blick der die verschiedenen Lebensformen

71 In Sap n 22 343 In Ioh n 62 51 Ser XXXI 5 n 323 f 283 Pred 3 Pred 66 123Pred 82 425 f etc (insgesamt wie Anm 3)

72 Roumlm 6 2373 Joh 10 1074 Ser XVII 6 n 179 16711 f (wie Anm 3)75 In Eccli n 2 232 (wie Anm 3) vgl Thomas von Aquin SCG I 93 (817) Vita enim

viventis est ipsum vivere in quadam abstractione significatum sicut cursus non est secun-dum rem aliud quam currere

Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie 279

einerseits unterschieden andererseits in eine Stufenfolge gebracht hat Genaudies hat ja zu der neuralgischen Stellung des Verstandes gefuumlhrt bei dem erstentschieden werden muss ob dieser denn selbst auch eine Lebensfunktion istoder umgekehrt sich zu den Lebensfunktionen heterogen verhaumllt Wenn Gottlebendig ist wie Aristoteles selbst sagt76 dann jedenfalls nicht durch die See-le sondern eben durch seinen Verstand Mit diesem wird der Lebensbegriffhier ja auch verknuumlpft Dies erklaumlrt den Ansatz des neuplatonischen Begriffesvon Leben der als eine Form verstanden wird und eben nicht im Hinblickauf die diversen Funktionen und Formen des Lebendigen

IV Schlussbemerkungen

Diese Vergegenwaumlrtigung von Eckharts Verhaumlltnis zur Metaphysik des Aris-toteles die im Wesentlichen durch Analyse Eckhartrsquoscher Bestimmungen undihrer argumentativen Gewinnung unternommen wurde hat sich auf Themen-kreise bezogen die unmittelbar mit dem Begriff des Seins zu tun haben derdas Kernthema der aristotelischen Metaphysik ausmacht Die Resultatekoumlnnten erst dann mit der erforderlichen Praumlgnanz beurteilt werden wennsie gegen andere Inanspruchnahmen Berufungen und Kommentare gehaltenwuumlrden Dies ist in diesem Rahmen nicht moumlglich Es laumlsst sich zudem abse-hen dass andere mittelalterliche Auseinandersetzungen mit der aristoteli-schen Metaphysik ndash Albertus Magnus Thomas von Aquin Johannes DunsScotus Johannes Buridan ndash zwar allesamt uumlber Aristoteles mehr oder wenigerweit hinausgehen dass man aber sehr stark vermuten muss dass dies beiEckhart in der radikalsten Weise der Fall ist Dies wiederum hat aber nichtsspezifisch mit dem aristotelischen Metaphysikkonzept und einzelnen meta-physischen Theoremen des Aristoteles zu tun ndash auch wenn er sonst etwa inder Theorie der Erkenntnis mitunter Aristoteles sicherlich naumlher steht ndash son-dern gilt generell fuumlr seine Beziehung auf philosophische77 auctoritates Siesind nicht Gegenstand kommentierender Aneignung sondern Quelle der Ins-piration und Material der Inanspruchnahme Unter dem Maszligstab exegeti-scher Aufschlieszligungskraft wirkt das von Eckhart Vorgelegte zweifellos will-kuumlrlich In den Augen Eckharts selbst liegt dabei wohl keinerlei Beliebigkeitvor denn er sieht sie in dem Sinne in der er sie versteht zugleich als wahran Wenn ein Satz inhaltlich als wahr anerkannt werden muss ist nicht mehr

76 Vgl oben Anm 4477 Zur Methode biblischer Exegese S Grotz Auslegung oder Zerlegung Interpretatorische

Gewalt bei Meister Eckhart in R SchoumlnbergerS Grotz (Hrsg) Wie denkt der Meister(Meister-Eckhart-Jahrbuch Bd 5) Stuttgart 2012 99ndash115

280 Rolf Schoumlnberger

entscheidend ob sein Sinn im historischen Sinne zutreffend bestimmt ist Daswiederum heiszligt dass die Bedeutung eines Satzes nicht auf die Intention desAutors festgelegt werden kann ndash oder um es im Sinne Eckharts zu formulie-ren reduziert werden darf

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282 Rolf Schoumlnberger

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Metaphysikentwuumlrfe und Metaphysikkritikim Spaumltmittelalter

Metaphysik als Ontologie und SprachanalyseWilhelm von Ockham

Matthias Kaufmann

I Was ist Metaphysik was tut der Metaphysiker

Wilhelm von Ockham hat bekanntlich keinen Kommentar zur aristotelischenMetaphysik und erst recht keine Abhandlung oder Disputation entsprechen-den Titels verfasst Er laumlsst indessen entgegen einer in der Sekundaumlrliteraturimmer wieder vorgetragenen Einschaumltzung1 keineswegs grundsaumltzliche Skep-sis gegenuumlber dieser Wissenschaft erkennen eine Bemerkung im Prolog zuseinem Physikkommentar deutet sogar darauf hin dass er vorhatte die aristo-telische bdquoMetaphysikldquo zu kommentieren2 Womoumlglich ist er in Oxford oder

1 Vgl die Beispiele bei O Boulnois Une meacutetaphysique nominaliste est-elle possible Le casdrsquoOccam Le reacutealisme des universaux Cahiers de Philosophie de lrsquouniversiteacute de Caen 38ndash39 2002 187

2 Die Werke Ockhams werden in folgender Weise angegebenGuillelmi de Ockham Opera philosophica St Bonaventure (NY) [= Oph]Bd 1 Summa logicae 1974 [= Oph 1]Bd 2 Expositionis in libros artis logicae prooemium et expositio in librum Porphyrii de

praedicabilibus expositio in librum praedicamentorum Aristotelis expositio in li-brum perihermenias Aristotelis tractatus de praedestinatione et de praescientia deirespectu futurorum contingentium 1978 [= Oph 2]

Bd 3 Expositio super libros elenchorum 1979 [= Oph 3]Bd 4 Expositio in libros physicorum Aristotelis prologus et libri IndashIII 1985 [= Oph 4]Bd 5 Expositio in libros physicorum Aristotelis libri IVndashVIII 1985 [= Oph 5]Bd 6 Brevis summa libri physicorum summula philosophiae naturalis et quaestiones in

libros physicorum Aristotelis 1984 [= Oph 6]Bd 7 Opera dubia et spuria Venerabili Inceptori Guillelmo de Ockham adscripta 1988

[= Oph 7]Guillelmi de Ockham Opera theologica St Bonaventure (NY) [= Oth]Bd 1 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio prologus et distinctio prima

1967 [= Oth 1]Bd 2 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio distinctiones IIndashIII 1970

[= Oth 2]Bd 3 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio distinctiones IVndashXVIII 1977

[= Oth 3]Bd 4 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio distinctiones XIXndashXLVIII

1979 [= Oth 4]

286 Matthias Kaufmann

London durch die Einbestellung nach Avignon nicht mehr dazu gekommeneine derartige Schrift zu verfassen nach der Ankunft in Muumlnchen hat er sichallemal nur noch politischen und rechtstheoretischen Schriften gewidmetMan muss seine Auffassungen zur Metaphysik somit aus den unterschiedli-chen Schriften aus mitunter eher nebensaumlchlichen Anmerkungen extrahierenMan erhaumllt hinsichtlich des Gegenstandsbereichs der Metaphysik ein ehertraditionelles Bild So ist es eher Aufgabe des Metaphysikers als des Logikersuumlber die Natur des Begriffes nachzudenken und z B uumlber die Bemerkungendes Porphyrius zum Status der Universalien aber auch uumlber die Seinsweisedes Begriffes selbst zu reflektieren3 generell sich mit dem Seienden zu befas-sen Der Metaphysiker befasst sich hinsichtlich des Vorrangs der Aussagenzuerst mit dem Seienden hinsichtlich des Vorrangs der Vollkommenheit mitGott4 so wie jede Wissenschaft ihre Aussagen und ihre Gegenstaumlnde nachunterschiedlichen Kriterien ordnen kann und moumlglicherweise Aussagen diein einer Wissenschaft als nicht mehr thematisierte Prinzipien fungieren ineiner anderen Untersuchungsgegenstand sind5 Offenbar nimmt Ockhamselbstverstaumlndlich an dass die Metaphysik eine Wissenschaft mit eigener Auf-gabenstellung und eigenem Gegenstandsbereich ist Dabei muss er angesichtsder Mehrdeutigkeit des Wortes scientia klarstellen dass damit Verschiedenesgemeint sein kann Einmal ist es naumlmlich die Kenntnis eines wahren Satzesuumlber einen bestimmten Gegenstand uumlber ein subiectum die wiederum in(evidente) Kenntnis notwendiger oder kontingenter Wahrheiten eingeteiltwerden kann6 Zum anderen handelt es sich um einen Habitus der verschie-dene Habitus umfasst eine in sich geordnete Sammlung verschiedener Kennt-nisse zu der auch die Kenntnis der unzusammengesetzten Termini wie derSaumltze gehoumlrt7 heute wuumlrde man wohl von einer Theorie sprechen Eine solcheTheorie hat nicht einen Gegenstand ein subiectum wie eine einzelne Aussa-ge vielleicht allerdings ein primaumlres Objekt wie etwa das Seiende mit demsich die Metaphysik befasst

Bd 5 Quaestiones in librum secundum Sententiarum (Reportatio) 1981 [= Oth 5]Bd 6 Quaestiones in librum tertium Sententiarum (Reportatio) 1982 [= Oth 6]Bd 7 Quaestiones in librum quartum Sententiarum (Reportatio) 1984 [= Oth 7]Bd 8 Quaestiones variae 1984 [= Oth 8]Bd 9 Quodlibeta septem 1980 [= Oth 9]Bd 10 Tractatus de quantitate et tractatus de corpore Christi 1986 [= Oth 10]Die angegebene Stelle im Prolog zum Physikkommentar findet sich Oph 4 sect 4 14

3 Guillelmi de Ockham Oph 2 (wie Anm 2) 3494 Guillelmi de Ockham Oph 4 (wie Anm 2) 105 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 251 f 255 f Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie

Anm 2) 106 Guillelmi de Ockham Oph 4 (wie Anm 2) 5 f7 Guillelmi de Ockham Oth 1 (wie Anm 2) 8 f

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 287

Ockham akzeptiert so koumlnnte man sagen ohne Einschraumlnkung die zuBeginn des vierten Buches der aristotelischen Metaphysik gestellte Aufgabesich dem Seienden als Seiendes mit seinen Attributen und Widerfahrnissen zuwidmen (Met Γ 11003 a 21 f) und das Verhaumlltnis zu den Prinzipien derdiversen Wissenschaften zu bestimmen Er warnt allerdings davor die Ver-bindung von Metaphysik und natuumlrlicher Theologie die in der Metaphysikbei der Rede vom ersten Beweger dessen Untersuchung nicht zur Physik ge-houmlren koumlnne nahegelegt wird (Met E 11026 a 18 f) falsch zu interpretie-ren Wenn man den Begriff der natuumlrlichen Theologie und den der Metaphy-sik weit auslegt kann es gewisse Uumlberschneidungen geben im Kern aberso haumllt Ockham in expliziter Wendung gegen Duns Scotus fest bleibt dieMetaphysik eine spekulative8 und die Theologie eine teils spekulative zuanderen Teilen jedoch ndash dies gegen Heinrich von Gent und andere ndash einepraktische Wissenschaft weil sie sich auf unser Handeln bezieht9

Selbstverstaumlndlich hat Ockham keinerlei Probleme sich mit den traditio-nellen insbesondere im Kontext der Sentenzen des Petrus Lombardus vonAutoren wie Heinrich von Gent und insbesondere Duns Scotus diskutiertenFragen der Gotteserkenntnis und anderen theologischen Problemen zu befas-sen darunter der Frage ob die Existenz Gottes von Natur und fuumlr sich be-kannt sei10 ob sich in jedem Geschoumlpf eine Spur der Trinitaumlt finde11 und objedes rationale Geschoumlpf ein Bild der Trinitaumlt sei12 Er wendet dabei wie inanderen Zusammenhaumlngen seine auf der sorgfaumlltigen Differenzierung von Be-deutungsnuancen der verwendeten Termini basierende Methode an So unter-sucht er jeweils erst wie vestigium und imago gewoumlhnlich gebraucht werdenehe er der Frage nach der Uumlbertragung auf Gott13 nachgeht

In allgemeiner Verwendung ist eine Spur bdquoeine Wirkung die von einerder Art oder gar nur der Gattung nach bestimmten Ursache hinterlassen wur-de an diese erinnert und nach einem allgemeinen Gesetz zum Glauben aneine kontingente Aussage fuumlhrt die sagt dass etwas mit dieser Ursache prauml-sent ist oder war oder dergleichenldquo14 In dieser Weise sind der Rauch unddas Verbrannte eine Spur des Feuers und der Geruch eine Spur eines vorbeige-

8 Ebd 325 ff 3659 Ebd 335 ff10 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 432 ff11 Ebd12 Ebd 552 ff13 Ebd 54314 Ebd 548 vestigium prout una creatura dicitur vestigium alterius tripliciter accipitur Uno

modo large et sic vestigium est effectus derelictus ex aliqua causa determinatae specieivel saltem generis rememorativum ipsius ducens ex communi lege in adhaesionem alicuipropositioni contingenti enuntianti esse vel fuisse vel aliquid tale de illa causa

288 Matthias Kaufmann

gangenen Tieres Strenger genommen bedeutet bdquoSpurldquo den Eindruck denetwas in etwas hinterlaumlsst wenn es wieder verschwindet wie etwa der Siegel-ring im Wachs Im engsten Sinne ist Spur der Eindruck irgendeines Teilesirgendeines Ganzen der zuruumlckbleibt wenn dieses Ganze verschwindet (etwader Eindruck eines Hufs)

Auch bdquoBildldquo kann mehrfach verstanden werden

bdquoIm engsten Sinne ist es eine Substanz die von einem Kuumlnstler so geformtwurde dass sie etwas gemaumlszlig einiger Akzidentien aumlhnlich istldquo etwa eineHolzfigur die Herkules darstellt In einem anderen Sinn bezieht sichbdquoBildldquo auf alles bdquowas so geformt ist ob nun zur Nachahmung hergestelltoder nicht In dritter Weise kann man unter Bild das verstehen was ein-deutig von einem anderen hervorgebracht wird und aus Gruumlnden seinerHervorbringungsweise mit einer Aumlhnlichkeit entsteht Auf diese Weisekann man den Sohn ein Bild seines Vaters nennenldquo15

Diese Untersuchungen schlieszligen an an die Auseinandersetzung mit dem Uni-versalienproblem mit der erkenntnistheoretischen Frage nach der Erkenntnisdes Einzelnen und des Allgemeinen ebenso wie mit der Frage ob GottesWesen das erste von unserem Intellekt Erkannte sei was im Hinblick auf dieEntstehung und die Angemessenheit des Erfassens nicht gilt wohl aber imHinblick auf die Vollkommenheit16 oder auch die Frage ob es etwas Univer-sales gibt das univok fuumlr Gott und seine Geschoumlpfe gilt wofuumlr Ockham diePraumldizierbarkeit des Seienden ens ermittelt17 Ockham folgt in diesem Punktrelativ weitgehend der Auffassung von Ioannes Duns Scotus kann durchseinen praumldikationstheoretischen Zugang jedoch einige von dessen theoreti-schen Problemen vermeiden18

Ockham gibt also wenig Anlass fuumlr die These er befasse sich nicht mitden Fragen und Problemen die man traditionell der Metaphysik zuordnet19

Er vermeidet nur eine uumlbereilte Identifikation der Metaphysik mit der natuumlrli-

15 Ebd 553 imago tripliciter accipitur Uno modo strictissime et sic imago est substantiaformata ab artifice ad similitudinem alterius secundum aliqua accidentia conformia et eius-dem speciei cum accidentibus illius ad cuius similitudinem fit [] minus Alio modo accipiturimago pro tali formato sive fiat ad imitationem alterius sive non minus Tertio modo accipiturimago pro omni univoce producto ab alio quod secundum rationem suae productionisproducitur ut simile et isto modo Filius potest dici imago Patris

16 Ebd 38917 Ebd 31718 L Honnefelder Wilhelm von Ockham Die Moumlglichkeit der Metaphysik in T Kobusch

u a (Hrsg) Groszlige Philosophen Bd 2 Darmstadt 2010 154 f19 So auch L M de Rijk War Ockham ein Antimetaphysiker in J P BeckmannL Honne-

felderG SchrimpfG Wieland (Hrsg) Philosophie im Mittelalter Hamburg 1996 313ndash328

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 289

chen Theologie setzt seine besondere Ontologie voraus und wendet seinesprachanalytische Methode an weshalb es unvermeidlich wird diese seineontologischen und methodischen Praumlmissen zu untersuchen

Die Metaphysik wird bei Ockham auszliger von der Theologie auch von derNaturphilosophie einerseits der Logik andererseits abgegrenzt Die Meta-physik trifft z B andere Aussagen uumlber die Materie als die NaturphilosophieWaumlhrend letztere z B uumlber das Verhaumlltnis von Materie und Form reflektiertetwa dass die Materie nicht von sich eine bestimmte Form hat aber niemalsjeglicher Form entkleidet werden kann befasst sich die Metaphysik damitdass sie zum Wesen des Ganzen gehoumlrt dass aus ihr ein Teil der Definitionentstammt etc20 Der Commentator will andererseits so Ockham in seinemKommentar zur Physikvorlesung nicht sagen dass die abgetrennten Substan-zen genau der Gegenstand das subiectum der Metaphysik seien nur dass siezu einem wesentlichen Teil derselben gehoumlren waumlhrend sich ein anderer mitdem Seienden als solchem befasst In jedem Fall kann sie wie es fuumlr jedeWissenschaft gilt die Existenz ihres Gegenstandsbereichs nicht beweisen die-se ist entweder offenkundig oder wird von einer anderen Wissenschaft bewie-sen21 Auch die Metaphysik als Wissenschaft vom Unbewegten kann fernerunseren unvollkommenen Verstand nicht zur Erkenntnis des ersten Bewegersan sich fuumlhren aber doch deutlich mehr an Eigenschaften zusammentragenals die Physik die ihn nur im Hinblick darauf versteht dass er anderes be-wegt22

Ebenso selbstverstaumlndlich behandelt Ockham erklaumlrtermaszligen innerhalbseiner logischen Werke auch metaphysische Probleme um Missverstaumlndnis-sen vorzubeugen23 Dabei legt er Wert darauf dass die Metaphysik keineneuen seienden Dinge schafft sondern sich mit der Frage befasst welcheFormen des Seienden es gibt So gibt es keinen metaphysischen neben demnatuumlrlichen Menschen24 Ockham wendet sich insbesondere gegen die voneinigen (alii)25 seiner scholastischen Kollegen vorgenommene Verdinglichungz B von Orts- und Zeitangaben zur bdquoWoheitldquo und bdquoWannheitldquo

Aumlhnlich wie die Naturwissenschaft aber auch die Logik ist die Metaphy-sik also durchaus eine scientia realis Natuumlrlich nicht weil es Dinge sind diegewusst werden denn wissen kann man nach Ockham nur Komplexes alsoSaumltze und Komplexes gibt es da Ockham in seiner Ontologie nur erste Subs-

20 Guillelmi de Ockham Oph 4 (wie Anm 2) 26921 Ebd 20822 Ebd 354 ff23 Guillelmi de Ockham Oph 2 (wie Anm 2) 624 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 86 f Guillelmi de Ockham Oth 9 (wie Anm 2)

54225 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 59 f

290 Matthias Kaufmann

tanzen und einige Qualitaumlten nicht jedoch Sachverhalte anerkennt auszliger-halb der Seele nur als Gesprochenes oder als eine andere Form von Zei-chen26 Doch supponieren zumindest die Termini einiger Aussagen die zudiesen Wissenschaften gehoumlren fuumlr Gegenstaumlnde auszligerhalb der Seele wes-halb man von einer scientia realis sprechen kann27 Wie Olivier Boulnoisfestgehalten hat le nominalisme nrsquoest pas un idealisme28 Das Bestreben amdirekten Realismus festzuhalten war vermutlich eines der Motive warumOckham seine Ansicht uumlber den ontologischen Status des Begriffs revidierte

Ockhams besondere Weise sich dem was ist zu widmen die Methodikseiner metaphysischen Reflexionen bringt die Metaphysik freilich in beachtli-che Naumlhe zu Logik und Sprachphilosophie einerseits zur Erkenntnistheorieandererseits Da er bei den angesprochenen Fragestellungen gerade im Um-gang der Erkenntnis Gottes und der Trinitaumlt zwar eigene Positionen vertrittsich indessen durchaus im Rahmen der bdquogaumlngigenldquo Auffassungen bewegtwaumlhrend seine Auseinandersetzung mit Logik Sprachphilosophie aber auchdem was man spaumlter Erkenntnistheorie nannte enorme Innovationskraft be-saszlig und besitzt sei nunmehr das Augenmerk auf diesen Bereich seines Schaf-fens gelenkt

II Die sprachliche Erschlieszligung des Seienden

Die Verbindung der Metaphysik zur Sprachphilosophie und zur Erkenntnis-theorie ergibt sich gerade daraus dass der Nominalismus dieser Form keinIdealismus ist naumlmlich durch die unmittelbare Korrespondenz zwischen denGegenstaumlnden der Welt und den Termini die sich auf sie beziehen Aus die-sem Grund wird die zugehoumlrige Untersuchung auch ein Gegenstand der Sum-ma Logicae Durch die Erkenntnistheorie werden Ontologie und Sprachphi-losophie miteinander verbunden da sie zeigt wie wahre Saumltze uumlber das Seien-de gebildet werden koumlnnen Diese fundamentale Rolle relativ formalersprachlicher Analyse koumlnnte das wichtigste Merkmal der Transformationsein der die aristotelische Metaphysik in Ockhams Werk unterliegt um dasThema des vorliegenden Bandes aufzugreifen Es ist indessen eher fraglichob er sich damit gegen den Stagiriten in Stellung bringt Man koumlnnte auchannehmen dass er nur die authentische aristotelische Auffassung richtig dar-

26 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 137 Nihil scitur nisi complexum complexumautem extra animam non est nisi forte in voce vel in consimili signo

27 Ebd28 Boulnois (wie Anm 1) 199

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 291

zustellen versucht dass seine eigene Auffassung bdquonichts anderes als konse-quenter Aristotelismusldquo ist29

Aus welchen Dingen besteht also die Welt wie strukturiert sich das Seien-de Auszligerhalb der Seele gibt es laut Ockham nur die res absolutae Dies sindaus dem aristotelischen Kategorienschema die (ersten) Substanzen und einTeil der Qualitaumlten Da die Seele eine Substanz ist besitzt auch sie Qualitaumltenals Akzidentien darunter Leidenschaften und Erkenntnisakte Auch derartigeAkte sind somit wirklich existierende Dinge fuumlr Ockham Quantitaumlten Rela-tionen und die Entitaumlten aus den anderen aristotelischen Kategorien gibt esdagegen ebenso wie Gattungen und Arten nur in anima in der Seele wie-derum als Erkenntnisakte

Die Annahme dass es Seiendes extra animam gibt und dass dies die ers-ten Substanzen und individuellen Qualitaumlten ndash also diese Weiszlige diese Suumlszligediese Roumlte ndash sind ist fuumlr Ockham offenbar keines Beweises beduumlrftig wirdals veritas manifesta vorausgesetzt Wie sich nach Ockham feststellen laumlsstwas zu den Gegenstaumlnden auszligerhalb der Seele gehoumlrt und was nicht sollim Folgenden kurz geklaumlrt werden Ebenso wird der erkenntnistheoretischeRealismus uumlbrigens keineswegs in naiver Form eher als Selbstverstaumlndlich-keit unterstellt denn begruumlndet was nicht heiszligt dass er unvernuumlnftig ist30

Durch sog absolute Termini die sich auf die absoluten Gegenstaumlnde be-ziehen entsteht bei Ockham eine direkte Beziehung zu den Gegenstaumlnden derWelt werden die Wissenschaften die sie verwenden zu realen Wissenschaf-ten Dies gilt indessen im unmittelbaren Sinne nicht fuumlr die absoluten Namenaus den gesprochenen konventionellen Sprachen sondern nur fuumlr die aus dermentalen Sprache bdquodie keiner konkreten Sprache angehoumlren und nur imGeiste vorkommenldquo (Summa Logicae I 1) Diese mentale Sprache die Ock-ham an die Stelle der als geistige Bilder gedachten Begriffe Vorstellungenoder Aumlhnlichem setzt ist vielleicht einer der zentralen aber auch heikelstenPunkte in seiner Theorie Einerseits soll sie keine uumlberfluumlssigen Terme enthal-ten traumlgt deutliche Zuumlge einer Idealsprache der modernen Logik andererseitssoll sie bei allen Menschen gleich sein quasi biologisch fundiert Die absolu-ten Namen der mentalen Sprache stellen die spontane Reaktion des Verstan-des auf die aktive Praumlsenz des Gegenstandes dar in analoger Weise wie derSeufzer die natuumlrliche Reaktion auf den Schmerz und das Laumlcheln die sponta-ne Reaktion auf die Freude ist31 Die mentalen absoluten Namen stehen somit

29 Honnefelder (wie Anm 5) 14930 M Kaufmann Ockhams direkter Realismus in B MerkerG MohrL Siep (Hrsg) Ange-

messenheit Wuumlrzburg 1998 21ndash3631 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 49 T de Andreacutes El Nominalismo de Guillermo

de Ockham como Filosofiacutea del Lenguaje Madrid 1969 95ndash101 M Kaufmann BegriffeSaumltze Dinge Referenz und Wahrheit bei Wilhelm von Ockham Leiden 1994 17 ff

292 Matthias Kaufmann

in unmittelbarer kausaler Verbindung zu den bezeichneten Dingen sind mit-bedingt durch die psychosomatische Struktur des Menschen

Durch den absoluten Namen bdquoMenschldquo werden alle Menschen gleicher-maszligen bezeichnet nicht einer mehr als der andere Weitere Beispiele sindbdquoZiegeldquo bdquoSteinldquo bdquoFeuerldquo bdquoErdeldquo bdquoHimmelldquo bdquoSchwaumlrzeldquo bdquoWaumlrmeldquobdquoSuumlszligeldquo bdquoGeruchldquo (Summa log 35 f15ndash37) Zu beachten ist dass der quali-tative Terminus bdquoSchwaumlrzeldquo sich nicht auf eine universelle Schwaumlrze sondernvielmehr auf die je einzelnen Schwaumlrzen aller schwarzen Gegenstaumlnde bezieht

Da hingegen ein konnotativer Name einer ist bdquoder etwas an erster undetwas an zweiter Stelle bezeichnetldquo (3638ndash41) bezieht bdquoweiszligldquo sich auf einDing das weiszlig ist und auf die Weiszlige bdquoweiszligldquo ist definiert als bdquoetwas dasWeiszlige besitztldquo Es geht hier um konnotative Referenz also darum dass einTerminus sich gleichzeitig jedoch in verschiedener Weise auf mehrere absolu-te Dinge bezieht beim bdquoKonnotatldquo handelt es sich nicht um Vorstellungsin-halte oder einen platonistisch interpretierten bdquoSinnldquo Diese Terminologie er-oumlffnet fuumlr Ockham die Moumlglichkeit zusaumltzliche Bezeichnungsweisen einzu-fuumlhren ohne dafuumlr die Dinge extra animam vermehren zu muumlssen Mit Hilfekonnotativer und relativer Termini kann man die anderen Kategorien definie-ren und als auszligerhalb der Seele existierende Gegenstaumlnde weiterhin nur ersteSubstanzen und einige Qualitaumlten anerkennen32 Die Verbindung wird da-durch hergestellt dass ein konnotativer Name referentiell synonym ist zueiner bestimmten Kombination von absoluten Namen Referentielle Synony-mie besteht nicht in einer Austauschbarkeit salva veritate sondern eben da-rin dass die Namen in derselben Weise fuumlr dieselben Dinge stehen Ein Bei-spiel waumlre dass humanitas zwar nicht austauschbar ist mit homo inquantumhomo sich jedoch auf dieselben Gegenstaumlnde in derselben Weise bezieht

Den Unterschieden zwischen den Gegenstaumlnden entsprechen also Unter-schiede zwischen Gruppen von Termini ndash in Ockhams Ausdrucksweise Na-men Absolute Namen beziehen sich auf absolute Gegenstaumlnde Die sog kon-notativen Namen u a aus den Kategorien deren Entitaumlten lediglich in ani-ma existieren beziehen sich gleichfalls auf absolute Gegenstaumlnde nur inanderer komplexerer Weise

Hier gilt es auch die Besonderheiten in Ockhams Umgang mit dem Be-griff der Supposition zu beachten der bekanntlich erstens die Funktion hatdie Referenz von Termini auf Einzeldinge fuumlr verschiedene Formen und Gra-de der Allgemeinheit zu systematisieren wie in den verschiedenen Formenpersonaler Supposition Zweitens soll sie die Unterscheidung von Begriff undGegenstand sowie drittens die von Gebrauch und Erwaumlhnung benennbar undso Fehlschluumlsse bestimmter Art erkennbar machen In personaler Supposition

32 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 154

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 293

steht ein Terminus oft fuumlr Dinge in einfacher Supposition stets fuumlr einenBegriff und in materialer Supposition fuumlr ein gesprochenes oder geschriebenesWort33

Supposition ist im Unterschied zur Bezeichnung (significatio) laut Ock-ham eine Eigenschaft welche dem Terminus ausschlieszliglich innerhalb einesSatzes (numquam nisi in propositione) zukommt34 Generell gilt dass einTerminus nur fuumlr das supponieren kann wovon er wahrhaft ausgesagt wird

Personale Supposition liegt vor wenn ein Terminus fuumlr das supponiertwas er bezeichnet sei dies ein extramentales Ding ein gesprochenes oder eingeschriebenes Wort eine Intention der Seele oder sonst irgendetwas Vorstell-bares (quodcumque aliud imaginabile)35 und wenn er dabei signifikativ ver-wendet wird Dass auch die zweite Bedingung wichtig ist zeigt das Beispieldes Wortes bdquoSubstantivldquo in bdquoSubstantiv hat drei Silbenldquo bdquoSubstantivldquo gehoumlrtzu den Substantiven wird aber hier nicht verwendet um Substantive zu be-zeichnen Wichtig ist fuumlr unseren Kontext dass Ockham anders als Sher-wood oder Burley oder Buridan als Signifikat eines Namens nicht den Be-griff sondern den Gegenstand ansieht auf den er sich bezieht bzw den Be-reich von Gegenstaumlnden Ein genereller Terminus wie bdquoKatzeldquo bezieht sichauf alle Dinge die den uns bekannten Katzen fuumlr den kompetenten Sprecheridentifizierbar aumlhnlich sind ohne dass damit der Anspruch verbunden waumlresie vollstaumlndig aufzaumlhlen zu koumlnnen Es geht um Gegenstandsbereiche ebenum die Dinge von denen die betreffenden generellen Termini durch kompe-tente Sprecher praumldiziert werden koumlnnen

Um eine einfache Supposition handelt es sich laut Ockham da wo derBegriff fuumlr eine Intention der Seele supponiert ohne signifikativ aufgefasstzu werden So supponiert in homo est species das Wort homo fuumlr eine Intenti-on der Seele weil nur eine solche eine Art sein kann und doch bezieht essich im eigentlichen Sinne nicht darauf

Durch den Ruumlckgriff auf den Suppositionsbegriff kann Ockham die Wei-sen ordnen in denen Dinge durch Termini bezeichnet werden und zugleichan seiner Ontologie der absoluten Dinge festhalten36

1 Einmal sagt man ein Zeichen bezeichne etwas wenn es dafuumlr supponiertoder geeignet ist dafuumlr zu supponieren da es von einem Pronomen dasfuumlr jenes steht ausgesagt werden kann So bezeichnet bdquoweiszligldquo den Sokra-

33 Eine etymologische Rekonstruktion ihrer Entstehung im 12 Jahrhundert findet sich beiL M de Rijk Logica modernorum Bd II1 Assen 1967 589ndash593

34 Guillemi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 6335 Ebd 6436 Ebd 95 f

294 Matthias Kaufmann

tes weil bdquoDieser ist weiszligldquo wahr ist wenn man dabei auf Sokrates deu-tet37

2 In anderer Weise wird unter bdquobezeichnenldquo verstanden dass ein Terminusin einer Vergangenheits- Zukunfts- Gegenwarts- oder einer wahren Mo-dalaussage fuumlr das Betreffende supponieren kann Diese Erweiterungwird noumltig weil sonst Begriffe durch bloszlige Veraumlnderung der Dinge oftihr Signifikat aumlndern wuumlrden38 Man muss hier beachten dass fuumlr Ock-ham die Kopula est in der dreiteiligen aristotelischen Satzstruktur stetseine Existenzaussage impliziert so dass weder Chimaera est Chimaeranoch Chimaera est non-ens fuumlr ihn wahr waumlren39 Deshalb gilt es beiModal- und Vergangenheitssaumltzen auf die richtige Form der Suppositionzu achten40

3 Wieder anders wird bdquobezeichnenldquo verstanden wenn das bezeichnet wirdwodurch das Wort eingefuumlhrt wird oder das was durch den Hauptbe-griff oder das Hauptwort bezeichnet wird So sagen wir dass bdquoweiszligldquo dieWeiszlige bezeichnet weil bdquoWeiszligeldquo die Weiszlige bezeichnet fuumlr die bdquoweiszligldquojedoch nicht supponiert So bezeichnet bdquorationaleldquo als Differenz aufge-fasst die Verstandesseele41

4 Im weitesten Sinn wird bdquobezeichnenldquo verstanden wenn ein Zeichen dasTeil einer Aussage sein kann oder eine Aussage oder ein Ausdruck inirgendeiner Weise etwas bezeichnet oder mitbezeichnet sei es auch nega-tiv wie etwa bdquoblindldquo das Augenlicht negativ bezeichnet und bdquoimmateri-ellldquo die Materie42

37 Ebd 95 sbquoSignificarelsquo multipliciter accipitur apud logicos nam uno modo dicitur signumaliquid significare quando supponit vel natum est supponere pro illo ita scilicet quod depronomine demonstrante illud per hoc verbum sbquoestlsquo illud nomen praedicatur Et sic albumsignificat Sortem haec enim est vera sbquoiste est albuslsquo demonstrando Sortem

38 Ebd Aliter accipitur sbquosignificarelsquo quando illud signum in aliqua propositione de praeteritovel de futuro vel de praesenti vel in aliqua propositione vera de modo potest supponere[] Secundo modo accipiendo sbquosignificarelsquo et sbquosignificatumlsquo sibi correspondens vox velconceptus per solam mutationem rei extra non cadit a suo significato

39 Vgl ebd l II 1440 Kaufmann Begriffe (wie Anm 31) 181ndash18641 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 95 Aliter accipitur sbquosignificarelsquo quando illud

dicitur significari a quo ipsa vox imponitur vel illud quod primo modo significatur perconceptum principalem vel vocem principalem Et sic dicimus quod sbquoalbumlsquo significat albe-dinem quia albedo significat albedinem pro qua tamen albedine non supponit hoc signumsbquoalbumlsquo Sic sbquorationalelsquo si sit differentia significat animam intellectivam

42 Ebd 96 Aliter accipitur sbquosignificarelsquo communissime quando aliquod signum quod est na-tum esse pars propositionis vel natum est esse propositio vel oratio aliquid importat []sive det intelligere sive connotet illud vel quocumque alio modo significet sive significetillud affirmative sive negative quo modo hoc nomen sbquocaecuslsquo significat visum quia negativeet hoc nomen sbquoimmaterialelsquo significat negative materiam []

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 295

Eine weitere terminologische Differenzierung ist essentiell fuumlr Ockhams Vor-gehen naumlmlich die zwischen Termini erster und zweiter Intention

Erste Intentionen im engeren Sinn sind natuumlrliche Zeichen fuumlr Dinge dieselbst keine Zeichen sind und die fuumlr diese Dinge supponieren koumlnnen imweiteren Sinn alle intentionalen Zeichen die nicht gerade Intentionen oderZeichen bezeichnen Zweite Intentionen sind natuumlrliche Zeichen fuumlr erste In-tentionen im engeren Sinne sofern diese einfach supponieren Dazu gehoumlrenetwa genus und species wie in animal est genus43 Diese Unterscheidung istwesentlich fuumlr Ockhams Reflexion daruumlber was z B Kategorien generellsind44 jedoch auch insofern etwa Begriffe wie bdquoRelationldquo bdquoRelativumldquo etcNamen zweiter Intention45 Generell ist es ein wesentliches Merkmal fuumlr Ock-hams Umgang mit dem Universalienproblem dass er Vieles von dem wasseine Vorgaumlnger und Zeitgenossen fuumlr Namen von Dingen halten als Namenzweiter Intention erklaumlrt Wie unterscheidet Ockham indessen Namen fuumlrZeichen von Namen fuumlr Dinge

III Der Umgang mit Universalien und Transzendentalien

1 Was gibt es und wie finde ich das heraus

Ockham beantwortet Porphyriusrsquo Eingangsfrage nach dem ontologischenStatus der Universalien genau entgegengesetzt zu der Auffassung die Porphy-rius trotz seiner Beteuerung die Frage nicht beantworten zu wollen in dergesamten Isagoge als selbstverstaumlndlich unterstellt Fuumlr Ockham sind Univer-salien stets Zeichen

Wir koumlnnen uns jetzt nicht mit den umfangreichen und mitunter etwaskomplizierten Argumentationen befassen die Ockham gegen die diversen Va-rianten des moderaten Begriffsrealismus anwendet Die Strategie bestehtmeist darin ihnen nachzuweisen dass sie letztlich doch in einen Platonismuszuruumlckfallen bdquoden niemand bei gesundem Geiste verstuumlndeldquo46

Gegen die Auffassung seines wichtigsten Gegners Duns Scotus mit sei-ner Formaldistinktion mit der natura communis und der differentia contra-hens innerhalb eines jeden Gegenstandes will Ockham zum einen bezweifelndass es solch eine Formaldistinktion gibt da alles was verschieden ist entwe-der realiter verschieden ist oder begrifflich oder so wie ein reales Ding von

43 Ebd 43 f44 Ebd 4045 Ebd 15546 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 118

296 Matthias Kaufmann

einem Begriff Selbst wenn man sie akzeptiert so weiter habe man Schwierig-keiten die Identitaumlt des betreffenden realen Gegenstandes zu erklaumlren Manhat hier von einem persistent begging of the question gesprochen47 weil Ock-ham die besondere Ontologie seines Gegners souveraumln ignoriert In der Tatkann er diesem keinen Widerspruch nachweisen wohl aber zahlreiche Kolli-sionen mit der traditionellen aristotelischen Begrifflichkeit48

Fuumlr Ockham sind genus species usw also Namen zweiter Intention diesich auf Namen erster Intention beziehen49 Letztere erfassen Ensembles kon-tingenter individueller Gegenstaumlnde aus den Kategorien Substanz und Quali-taumlt Dementsprechend verlieren die Regeln uumlber die Beziehungen zwischenArt und Gattung den Charakter der Notwendigkeit So ist es beispielsweisezumeist richtig dass die Gattung universell von der Art ausgesagt wird alsovon allen zur Art gehoumlrigen Gegenstaumlnden die Art hingegen nur partikulaumlrvon der Gattung also von einigen ihrer Gegenstaumlnde Wenn es aber auf derWelt keine anderen Lebewesen gaumlbe als Menschen so waumlre der Satz bdquoJedesLebewesen ist ein Menschldquo genauso wahr wie der Satz bdquoJeder Mensch istein Lebewesenldquo50 Art- und Gattungsbegriffe sind stets allgemeiner NaturSo gibt es zwar nur eine Sonne doch koumlnnten durch Gottes Allmacht mehrereexistieren ebenso wie Gott mehrere Engel einer species schaffen koumlnnte51

Art und Gattung sind auch nicht in dem Sinne bdquofruumlherldquo als das Individuumdass sie vor ihm in rerum natura bestehen Schlieszliglich kann das Individuumohne eine (es erfassende) Seele bestehen nicht jedoch Art und Gattung Le-diglich ist der Schluss von der Existenz des Individuums auf die von Art undGattung berechtigt nicht umgekehrt52

Da das was ist in die zehn Kategorien eingeteilt ist taucht die Frageauf wie das Universale als Zeichen als ens rationis nach der in der SummaLogicae zugrundegelegten Auffassung des Begriffs als subiective also fuumlr sichexistierende qualitas mentis hier eingeordnet wird Faumlllt es aus dem Kategori-enschema heraus Ockham deutet die vom Philosophen und seinem Com-mentator vorgenommene Einteilung des Seienden in der Vernunft nach Seien-des (ens rationis) und wirklich Seiendes (ens reale) nicht als Gegensatz wiedie Einteilung der Lebewesen in vernuumlnftige und unvernuumlnftige sondernmehr wie die Einteilung der Bedeutungen eines Wortes Als Qualitaumlt der See-le gewisserweise als seinem ontologischen Traumlger ist auch das ens rationis

47 M M Adams William Ockham Notre Dame 1987 4948 Kaufmann Begriffe (wie Anm 31) 59 ff49 Ausfuumlhrlicher uumlber die Praumldikabilien P Schulthess Sein Signifikation und Erkenntnis bei

Wilhelm von Ockham Berlin 1992 85 ff50 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 71 f51 Ebd 7252 Ebd 73

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 297

ein ens reale nicht jedoch bezogen auf seinen Inhalt z B als Zahl oder Rela-tion53

Zu dieser Sicht ist Ockham allerdings erst durch eine laumlngere Reflexiongekommen Die Diskussion um den ontologischen Status der Begriffe ist eingutes Beispiel fuumlr Ockhams Umgang mit metaphysischen Grundlagen vonLogik und Sprachphilosophie Urspruumlnglich vertritt er die sog fictum-Theo-rie

bdquoSo kann man [] sagen dass das Universale nichts Reales ist das sub-jektives Sein besitzt weder in der Seele noch auszligerhalb sondern nurobjektives Sein in der Seele hat und etwas Geschaffenes (fictum) ist dasso im objektiven Sein (d h als intentionales Objekt M K) existiert wiedas aumluszligere Ding im subjektiven Sein Und dies derart dass der Verstandwenn er irgendein Ding auszligerhalb der Seele sieht ein sehr aumlhnliches Dingim Geiste schafft []ldquo54

Diese war wohl die urspruumlngliche Ansicht Ockhams in der Reportatio derersten Fassung des Sentenzenkommentars als einzig guumlltige akzeptiert nochbei der ersten Fassung seiner Ordinatio also des von Ockham selbst uumlberar-beiteten ersten Buches bevorzugt55 Spaumlter sieht er diese ficta wohl unterdem Eindruck der Kritik seines Mitbruders Walter Chatton als moumlglicheQuelle von Irrtuumlmern die den direkten Realismus bedrohen56 Generell fragter sich ob die mit dem Begriff verbundene Qualitaumlt der Seele eine vom eigent-lichen Verstehens-Akt (actus intelligendi intellectio ipsamet) verschiedeneQualitaumlt ist oder nicht57 Ockham entscheidet sich letztlich fuumlr die actus-intelligendi-Theorie wonach der Begriff nichts anderes ist als der Verste-hensakt selbst Er begruumlndet dies unter Verweis auf das nach ihm benannteOumlkonomieprinzip Ockhams Rasiermesser frustra fit per plura quod potestetiam fieri per pauciora (vergebens geschieht durch mehrere was auch durchwenigere geschehen kann) da sich alles was durch die anderen Theorienhaltbar sei auch mit der actus-intelligendi-Theorie vertreten lasse58

53 Ebd 11354 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 271 f Ideo potest [] dici quod universale non

est aliquid reale habens esse subiectivum nec in anima nec extra animam sed tantum habetesse obiectivum in anima et est quoddam fictum habens esse tale in esse obiectivo qualehabet res extra in esse subiectivo Et hoc per istum modum quod intellectus videns aliquamrem extra animam fingit consimilem rem in mente

55 Kaufmann Begriffe (wie Anm 31) 70 ff56 Adams (wie Anm 18) 84 K Tachau Vision and Certitude in the Age of Ockham Leiden

1988 15157 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 29158 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 42 f

298 Matthias Kaufmann

Als Erkenntnisakte als Qualitaumlten der Seele somit besitzen sie also inOckhams bdquoausgereifterldquo Position reale Existenz nicht jedoch als Gegenstaumln-de sui generis Dies heiszligt indessen nicht etwa dass Zahlen Relationen etcnur irreal fingiert waumlren Papst Alexander VI war tatsaumlchlich der Vater vonCesare Borgia nicht nur in anima doch gab es in realitate rerum nicht PapstAlexander VI Cesare Borgia und die Vaterschaft als je eigene GegenstaumlndeWir leben wie gesagt nach Ockham in einer Welt von Individuen von abso-luten Dingen Uumlber diese Welt koumlnnen wir jedoch wahre Saumltze bilden indenen arithmetische geometrische relationale und andere Termini auftau-chen Die direkten Referenten dieser Termini existieren allerdings nur in derSeele als Verstandesbegriffe

Innerhalb der Kategorien ist die Ordnung nicht so dass das Houmlchstestets als Substantiv im Nominativ von allen Untergeordneten aussagbar seinmuss (alle A sind B) wie manche bdquoModernenldquo dies behaupten so daszlig eseine bdquoWoheitldquo und eine bdquoWannheitldquo geben muumlszligte59

Die Unterscheidung dieser Kategorien wird [] von der Unterscheidungder Fragewoumlrter (Fragemoumlglichkeiten) genommen die man auf die Subs-tanz bzw das Individuum der Substanz anwenden kann Gemaumlszlig demwie auf verschiedene Fragen die sich auf die Substanz beziehen durchverschiedene Termini geantwortet wird gemaumlszlig dem wird Verschiedenesin verschiedene Kategorien gesetzt60

So wird auf die Frage bdquowas ist esldquo (quid est) gewoumlhnlich mit bdquoMenschldquobdquoTierldquo bdquoSteinldquo bdquoSonneldquo also mit Termini geantwortet die in der Kategorieder Substanz sind auf bdquowieldquo (quale) mit solchen in der Kategorie der Quali-taumlt usw wenn wir auch nicht immer in unserer Umgangssprache die passen-den Fragewoumlrter haben So wird mit bdquoWas macht Sokratesldquo nach einem Tungefragt Alles Unzusammengesetzte das als Antwort auf eine derartige Frageverstanden werden kann befindet sich in einer dieser Kategorien handle essich nun um ein Adverb oder ein Verb Dies gilt jedoch nicht fuumlr synkategore-matische Termini wie bdquofallsldquo bdquoundldquo bdquojederldquo bdquokeinldquo61

2 Ockhams Methode am Beispiel der Quantitaumlt

Am Beispiel der Quantitaumlt sei kurz skizziert wie Ockham seine ontologischenAnalysen durchfuumlhrt mit denen er zu zeigen versucht dass es bestimmte

59 Ebd 114 Guillelmi de Ockham Oth 9 (wie Anm 2) 564ndash56960 Guillelmi de Ockham Oth 1 (wie Anm 2) 116 Sumitur autem distinctio istorum praedica-

mentorum [] ex distinctione interrogativorum de substantia sive de individuo substantiaeUnde secundum quod ad diversa quaestiones factas de substantia per diversa incomplexarespondetur secundum hoc diversa in diversis praedicamentis collocantur

61 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 116 f

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 299

Dinge nicht in realitate rerum sondern lediglich in anima gibt In der SummaLogicae (I 44ndash48) wendet er sich vehement gegen die Ansicht der bdquoModer-nenldquo die Quantitaumlt sei ein von der Substanz und der Qualitaumlt verschiedeneseigenes Ding ein Akzidens zwischen Substanz und Qualitaumlt und seinerseitsfaumlhig Subjekt von Qualitaumlten zu sein Ockham zeigt dass diese Auffassunggegen den Geist des Aristoteles ist62

Die intensive Beschaumlftigung mit der Kategorie der Quantitaumlt erklaumlrt sichdaher dass es durchaus nicht unuumlblich war als absolute Entitaumlten nur solcheaus den Kategorien Substanz Qualitaumlt und Quantitaumlt zu akzeptieren Diesvertreten z B auch Heinrich von Gent und Duns Scotus die sich beide aufeine Passage aus Boethiusrsquo De Trinitate berufen63 Die Beseitigung der Quan-titaumlt als Kategorie absoluter Dinge ist dagegen eine Besonderheit Ockhams

Die Gruumlnde die Ockham gegen die Meinung der Modernen anfuumlhrt sindetwa die Folgenden Zunaumlchst kann Gott jedes absolute Ding das fruumlher alsein anderes ist ohne raumlumliche Veraumlnderung erhalten waumlhrend er das anderezerstoumlrt Eine Substanz mit Teilen die voneinander entfernt sind etwa einHolzstuumlck ist aber fruumlher als ihre Laumlnge einmal angenommen es gaumlbe dieseLaumlnge als eigenen Gegenstand Demnach kann Gott die Laumlnge des Holzstuumlckszerstoumlren waumlhrend dieses erhalten bleibt Dabei sind seine Teile nach wie vorvoneinander entfernt da keine raumlumliche Veraumlnderung stattgefunden hat64

Laumlnge Breite und Tiefe sind somit keine von Substanz und Qualitaumlt verschie-denen Dinge

Sodann beweist er dass eine Linie (auf einer Oberflaumlche) nicht von dieserOberflaumlche verschieden ist Denn es sei eine Linie dasjenige was zwei Ober-flaumlchen miteinander verbindet (continuans superficies ad invicem)65 Wirdnun eine Oberflaumlche geteilt so entsteht entweder eine neue Linie oder diefruumlhere bleibt

Entsteht eine neue so werden unendlich viele entstehen Denn bei einemgeteilten Koumlrper werden unendlich viele Oberflaumlchen entstehen die unendlichviele Linien haben so wie bei einer geteilten Oberflaumlche unendlich vielePunkte entstehen die unendlich viele Linien beenden Der Grundgedankedieses Arguments besteht darin dass es mathematisch jeweils unendlich vieleTeilungsmoumlglichkeiten und damit Teile von Koumlrpern Oberflaumlchen und Linien

62 Ebd 44ndash4863 Vgl M Henninger Relations Oxford 1989 50 f 93 f laut Theo Kobusch uumlbten dagegen

Hervaeus Natalis und Petrus Aureoli den groumlszligten Einfluss auf Ockham aus Th KobuschSubstanz und Kategorialitaumlt Die Reduzierung der Kategorien nach Wilhelm von Ockhamin B Koch (Hrsg) Kategorie und Kategorialitaumlt Festschrift fuumlr Klaus Hartmann Wuumlrz-burg 1990 79

64 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 13465 Ebd 135

300 Matthias Kaufmann

gibt die gleichzeitige Existenz von unendlich vielen real existierenden (z Bbdquophysikalischenldquo) Gegenstaumlnden jedoch nicht akzeptierbar ist Diese Verbin-dung der Einsicht in eine aktuale mathematische Unendlichkeit mit der fuumlrOckham selbstverstaumlndlichen (und m E plausiblen) Ablehnung einer aktua-len Unendlichkeit real existierender Dinge koumlnnte ein Hauptmotiv fuumlr dieBeseitigung der Quantitaumlt als Kategorie absoluter Dinge sein

Falls aber dieselbe Linie bei der Teilung der Oberflaumlche bleibt so ist sienicht mehr in einem Teil als im anderen Also ist sie entweder fuumlr sich (alsoganz unabhaumlngig von jeder Oberflaumlche) oder an verschiedenen Orten in denbeiden Oberflaumlchen Jedes von beiden ist absurd

Falls auszligerdem Linien und Punkte voneinander verschiedene Gegenstaumln-de waumlren koumlnnte Gott eine Linie erhalten und den (End-)Punkt zerstoumlrenWaumlre die verbleibende Linie dann endlich oder unendlich Offenkundig nichtunendlich also endlich und dennoch ohne Punkt Somit setzt man vergeblicheinen Punkt der die Linie beendet Aumlhnlich koumlnnte Gott alle Punkte zerstouml-ren ohne dass die Linien ihre Eigenschaften verloumlren bdquoUmsonst nimmt mandaher solche von der Linie verschiedenen Punkte an Und aus dem selbenGrunde nimmt man vergeblich Linien an die von den Oberflaumlchen verschie-den sind und aus demselben Grund nimmt man vergeblich Oberflaumlchen andie von den Koumlrpern verschieden sindldquo66

Nach Ockhams Auffassung ist eine kontinuierliche Quantitaumlt nichts an-deres als ein Ding mit voneinander entfernten Teilen so dass bdquokontinuierlicheQuantitaumltldquo und bdquoDing mit voneinander entfernten Teilenldquo dasselbe bezeich-nen und vertauschbar sind falls nicht irgendein synkategorematischer Aus-druck oder eine andere Bestimmung die in einem enthalten ist die Konverti-bilitaumlt und die Praumldizierbarkeit des einen vom anderen verhindert67 Uumlber diediskrete Quantitaumlt besagt diese Auffassung dass die Zahl nichts anderes istals die gezaumlhlten Dinge selbst und die Einheit nichts als das eine Ding selbst68

Wir konnten jetzt am Beispiel der Quantitaumlt Ockhams wichtigste Analy-seinstrumente am Werk sehen mit deren Hilfe er uumlberpruumlft ob es die Refe-renten bestimmter Termini in realitate rerum gibt oder nicht Dies sind69

Die referentielle Synonymie man zeigt dass man bestimmte Terminiauch gebrauchen kann wenn man nur erste Substanzen und Qualitaumlten au-szligerhalb der Seele annimmt

66 Ebd 136 Frustra igitur ponuntur talia puncta distincta a linea Et eadem ratione frustraponuntur lineae distinctae a superficiebus et eadem rationen frustra ponuntur superficiesdistinctae a corporibus

67 Ebd 13768 Ebd 13869 Dazu ausfuumlhrlicher Kaufmann Begriffe (wie Anm 31) 91ndash100

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 301

Das Oumlkonomieprinzip oder Rasiermesser Vergeblich geschieht durchmehr insbesondere durch mehr Gegenstaumlnde was auch durch weniger ge-schehen kann

Gottes Allmacht Gott kann alle kontingenten Dinge aus dem Nichts er-schaffen aber auch wieder zerstoumlren ohne dass sich etwas in der Welt aumlndertEr kann sich aber nicht widersprechen Wir kommen also zu Differenzierun-gen zwischen analytischen nur auf dem Widerspruchsprinzip basierendenund synthetischen von kontingenten Dingen handelnden Wahrheiten

Keine aktuale Unendlichkeit in der realen Welt Im Unterschied zu Aris-toteles akzeptiert Ockham die aktuale Unendlichkeit im mathematischen Be-reich ihre Ablehnung in der physischen Welt wird oft als machtvolles Argu-ment benutzt ndash sogar beim Gottesbeweis70

3 Die Rolle der Transzendentalien

Dominik Perler hat zu Recht vor einigen Jahren darauf hingewiesen dassOckham durchaus eine eigene und originelle Art des Umganges mit dentranszendentalen Begriffen ihrerseits ein traditioneller Gegenstand metaphy-sischer Reflexion pflegt In unserem Kontext ist speziell die auch bei Perler71

zu findende Beobachtung wichtig dass er sie neben diverse Universalien beider Behandlung absoluter und konnotativer Namen setzt Sie gehoumlren beinormaler Wortverwendung zu den Namen erster Intention ferner sind bdquoWah-resldquo und bdquoGutesldquo im Unterschied zu bdquoSeiendesldquo konnotative Termini so istbdquoGutesldquo synonym mit bdquoetwas das nach rechter Auffassung wuumlnschenswertoder begehrenswert istldquo72 bdquoGutldquo und bdquoSeiendesldquo konvertieren fuumlr Ockhamallerdings nicht immer problemlos da das eine zur praktischen das anderezur theoretischen Wissenschaft gehoumlren kann73

Zu klaumlren bleibt um welche Art von Termini es sich bei bdquowahrldquo undbdquoWahrheitldquo handelt Auch hier ist Ockham sehr stringent bdquowahrldquo ist einkonnotativer Terminus der fuumlr den Satz supponiert uumlber den er ausgesagtwird und noch etwas in der Welt mitbezeichnet (Exp Praed a aO) DieWahrheit eines wahren Satzes ist in personaler Supposition von bdquoWahrheitldquowenn sich der Terminus also auf sein Signifikat bezieht der wahre Satz selbst

70 Guillelmi de Ockham Oth 2 (wie Anm 2) 354 ff71 D Perler Ockhams Transformation der Transzendentalien in M Pickaveacute (Hrsg) Die

Logik des Transzendentalen Festschrift fuumlr Jan A Aertsen zum 65 Geburtstag Berlin 2003386 f

72 Guillelmi de Ockham Oph 1 (wie Anm 2) 3873 Ebd 365

302 Matthias Kaufmann

die Falschheit eines falschen Satzes ist der falsche Satz selbst74 Die Wahrheitdass Rom in Italien liegt ist dasselbe wie der wahre Satz der sagt dassRom in Italien liegt In einfacher Supposition wenn er sich auf den BegriffbdquoWahrheitldquo bezieht ist der Terminus bdquoWahrheitldquo dagegen Bestandteil derReflexion uumlber den Satz als sinnvolles sprachliches Gebilde weshalb in einfa-cher Supposition die Wahrheit des Satzes von diesem verschieden ist75

(Quodl V 24)Betrachtet man die derzeit meistdiskutierten Wahrheitstheorien aus die-

sem Blickwinkel so lieszlige sich sagen dass die Korrespondenztheorie unter-sucht was jemand meint wenn er sagt ein Satz sei wahr Dagegen stellt dieRedundanztheorie zu Recht fest dass die Behauptung seiner Wahrheit derBehauptung eines Satzes nichts hinzufuumlgt Die Erklaumlrung fuumlr diese unter-schiedlichen Ansaumltze laumlge nach Ockham darin dass man im zweiten FallWahrheit in personaler Supposition verwendet In einfacher Supposition da-gegen bezieht sich Wahrheit auf ein Urteil uumlber den Satz auf das Urteil dasses so ist wie er sagt

IV Elemente der Erkenntnistheorie

Dieses Urteil wiederum der actus iudicativus ist nach Ockham ein Urteil desIntellekts uumlber einen seinerseits aus einfachen Erkenntnisakten des Intellektszusammengesetzten actus apprehensivus der im intellektuellen Erfassen ei-nes Satzes besteht76 Mit einem actus apprehensivus erfassen wir alles woraufsich ein Akt der Verstandesfaumlhigkeit richten kann sei es unzusammengesetztoder zusammengesetzt Denn wir erfassen ja nicht nur Unzusammengesetztesalso einzelne Gegenstaumlnde sondern auch Saumltze und Argumente und Unmoumlgli-ches und Notwendiges77 Ein actus iudicativus dagegen bezieht sich nur aufzusammengesetzte Akte auf Saumltze also Denn wir stimmen nur dem zu waswir fuumlr wahr halten und lehnen nur das ab was wir fuumlr falsch halten78

Die Saumltze denen man beim Urteilsakt zustimmt oder nicht sind solcheder mentalen Sprache in denen die sog notitia intuitiva evidente Erkenntnisuumlber Kontingentes uumlber das Vorhandensein kontingenter Dinge ermoumlglichtim Unterschied zur anderen Form der unzusammengesetzten Erkenntnis dercognitio oder notitia abstractiva79

74 Ebd 13175 Vgl Guellimi de Ockham Oth 9 (wie Anm 2) 13576 Guillelmi de Ockham Oth 1 (wie Anm 2) 1677 Ebd78 Ebd79 Ebd 22ndash24

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 303

Einige der erkenntnistheoretischen Ansichten Ockhams haben zu hefti-gen Kontroversen gefuumlhrt So etwa die Behauptung dass es eine intuitiveErkenntnis von einem nicht existenten Ding geben kann80 Dass wir evidenteWahrnehmung von einem nicht existenten Ding haben koumlnnen wenn Gottdies will wird als Einfallstor des Skeptizismus angesehen und ist vielleichtwirklich das Urbild von Descartesrsquo Deus malignus der uns noch uumlber diegewissesten Dinge zu taumluschen vermoumlchte auszliger daruumlber dass wir denkenDescartes Ausweg Gott als unbegrenzt gutes Wesen koumlnne uns nicht fortge-setzt betruumlgen wollen steht fuumlr Ockham zudem nicht offen da Gott unsgegenuumlber keine moralischen Verpflichtungen besitzt eine Taumluschung somitauch kein Betrug waumlre81

Doch behauptet Ockham nur bdquo[] wenn eine solche vollkommene Er-kenntnis eines nicht-existierenden Dinges durch die Macht Gottes erhaltenwuumlrde koumlnnte der Intellekt kraft dieser unverknuumlpften Erkenntnis mit Evi-denz erkennen dass dieses Ding nicht istldquo82 Es handelt sich also klar um einirreales Konditional und sowohl in der zu den fruumlhen Schriften zaumlhlendenReportatio83 wie in der Quaestio 6 des Quodlibets VI einem relativ spaumltenWerk betont Ockham dass eine derartige evidente Erkenntnis von Nicht-Existentem nicht natuumlrlicherweise sondern nur durch Gottes Allmacht ge-schehen kann84 Diese Auffassung hat daher weniger erkenntnistheoretischeals ontologische Bedeutung Wenn die notitia intuitiva eine Qualitaumlt der See-le ndash eine res absoluta also ndash ist so muss sie auch fuumlr sich weiterbestehenkoumlnnen wenn das Erkannte zerstoumlrt wird wenngleich nur im Ausnahmefalldes Eingreifens Gottes85

Die intuitive Erkenntnis des Nicht-Existenten haumltte nicht notwendig dasUrteil zur Folge dass dieses Ding existiert da ihrerseits inkomplexe intuitiveErkenntnis evidente Erkenntnis komplexer Akte darunter auch negativer ka-tegorischer Saumltze ermoumlglicht Die Zustimmung zu positiven bzw zu negati-ven kategorischen Saumltzen haumlngt davon ab dass Subjekt und Praumldikat im einenFall fuumlr dasselbe supponieren im anderen Fall nicht fuumlr dasselbe supponierenSoll die evidente Erkenntnis kontingenter Saumltze dieser Art auf der notitiaintuitiva basieren so muss fuumlr die unzusammengesetzte Erkenntnis die zurBestaumltigung dient bereits ein Platz im Satz bereitstehen So deute ich einePassage aus der Reportatio86 wo es heiszligt fuumlr die Bildung eines Komplexen ndash

80 Ebd 3881 Adams (wie Anm 18) 62782 Guillelmi de Ockham Oth 1 (wie Anm 2) 3114ndash1683 Guillelmi de Ockham Oth 5 (wie Anm 2) 259 f84 Guillelmi de Ockham Oth 9 (wie Anm 2) 604ndash60785 D Perler Theorien der Intentionalitaumlt im Mittelalter Frankfurt am Main 2002 342 ff86 Guillelmi de Ockham Oth 5 (wie Anm 2) 280 f

304 Matthias Kaufmann

eines Satzes also ndash seien nicht drei sondern nur zwei Akte erforderlich Miteinem inkomplexen Akt werden die Gegenstaumlnde erfasst und mit einem ande-ren die Kopula und die bdquoVorzeichenldquo So ist fuumlr bdquoweiszlig ist nicht schwarzldquoerstens der auf die Weiszlige und die Schwaumlrze gerichtete Akt erforderlich undzweitens der auf die Kopula und die negative Bezeichnung des einen Extre-mums gerichtete Akt Wir koumlnnen in einem inkomplexen Akt zwei fuumlr sichexistierende Dinge erfassen Die Zusammensetzung bezieht sich offenbar le-diglich auf die Satzbildung87

Die zentrale Bedeutung sprachlicher Einordnung durch die er derart vor-dergruumlndigen Skeptizismus ebenso vermeiden kann wie manch andere Fallenneuzeitlicher Erkenntnistheorie die ihm aber auch im Umgang mit metaphy-sischen Fragestellungen gute Dienste leistet bestaumltigt sich bei Ockhams Argu-mentation gegen Petrus Aureolis esse apparens Ockhams Argumente richtensich zuerst auf den problematischen ontologischen Status des esse apparensOckhams Strategie bei der Analyse einiger bdquoErfahrungenldquo die Aureoli an-fuumlhrt um die Notwendigkeit einer esse apparens genannten Zusatzentitaumlt zubegruumlnden geht dahin sie aus dem Bereich der Sinneserfahrungen in den desVerstandesurteils zu verlagern Ockham erkennt sehr wohl die Moumlglichkeitvon Sinnestaumluschungen an glaubt jedoch es sei kein esse apparens noumltig umdie Meinung der Alten wonach alles so ist wie es scheint zuruumlckzuweisen88

Gewiss koumlnnen die Faumlhigkeiten der Sinne so wie unsere anderen Faumlhigkeitenversagen Doch gibt es dann immer noch nichts anderes als absolute Dingeuumlber die falsch geurteilt wird den (fehlerhaften) Akt der Erkenntnisfaumlhig-keit89 und einen falschen Satz

Literatur

QuellenAristotelesrsquo Metaphysik griech-dt in d Uumlbers v H Bonitz neu bearb mit

Einl u Kommt hrsg v H Seidl griech Text in d Edition v W ChristHamburg 2 verbesserte Aufl 1982

Guillelmi de Ockham Opera philosophica St Bonaventure (NY)Bd 1 Summa logicae 1974Bd 2 Expositionis in libros artis logicae prooemium et expositio in librum

Porphyrii de praedicabilibus expositio in librum praedicamentorumAristotelis expositio in librum perihermenias Aristotelis tractatus de

87 Adams (wie Anm 18) 49888 Guillelmi de Ockham Oth 4 (wie Anm 2) 250 f89 Ebd 251

Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham 305

praedestinatione et de praescientia dei respectu futurorum contingenti-um 1978

Bd 3 Expositio super libros elenchorum 1979Bd 4 Expositio in libros physicorum Aristotelis prologus et libri IndashIII 1985Bd 5 Expositio in libros physicorum Aristotelis libri IVndashVIII 1985Bd 6 Brevis summa libri physicorum summula philosophiae naturalis et

quaestiones in libros physicorum Aristotelis 1984Bd 7 Opera dubia et spuria Venerabili Inceptori Guillelmo de Ockham ad-

scripta 1988Guillelmi de Ockham Opera theologica St Bonaventure (NY)Bd 1 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio prologus et dis-

tinctio prima 1967Bd 2 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio distinctiones IIndash

III 1970Bd 3 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio distinctiones IVndash

XVIII 1977Bd 4 Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio distinctiones

XIXndashXLVIII 1979Bd 5 Quaestiones in librum secundum Sententiarum (Reportatio) 1981Bd 6 Quaestiones in librum tertium Sententiarum (Reportatio) 1982Bd 7 Quaestiones in librum quartum Sententiarum (Reportatio) 1984Bd 8 Quaestiones variae 1984Bd 9 Quodlibeta septem 1980Bd 10 Tractatus de quantitate et tractatus de corpore Christi 1986

Sonstige LiteraturAdams M M William Ockham Notre Dame 1987Boulnois O Une meacutetaphysique nominaliste est-elle possible Le cas drsquoOc-

cam Le reacutealisme des universaux Cahiers de Philosophie de lrsquouniversiteacutede Caen 38ndash39 2002 187ndash228

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Kaufmann M Ockhams direkter Realismus in B MerkerG MohrL Siep(Hrsg) Angemessenheit Wuumlrzburg 1998 21ndash36

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306 Matthias Kaufmann

Perler D Theorien der Intentionalitaumlt im Mittelalter Frankfurt am Main2002

Ders Ockhams Tranformation der Transzendentalien in M Pickaveacute(Hrsg) Die Logik des Transzendentalen Festschrift fuumlr Jan A Aertsenzum 65 Geburtstag Berlin 2003 361ndash382

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Schulthess P Sein Signifikation und Erkenntnis bei Wilhelm von OckhamBerlin 1992

Tachau K Vision and Certitude in the Age of Ockham Leiden 1988

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption undTransformation der Metaphysik im Denken

des Johannes Buridan

Gerhard Krieger

Der Name des Johannes Buridan duumlrfte nicht so ohne weiteres unter diejeni-gen gezaumlhlt werden die mit der Geschichte der Metaphysik im Mittelalter inZusammenhang gebracht werden1 Zum Zusammenhang von Rezeption undTransformation der aristotelischen Metaphysik in der mittelalterlichen Philo-sophie scheint ein Beitrag zu Buridans Metaphysik aber deswegen unverzicht-bar weil diese die aristotelische Metaphysik in durchaus grundlegender Hin-sicht betrifft und transformiert

Diese Transformation moumlchte ich in drei Schritten naumlher vorstellen underlaumlutern Zunaumlchst will ich auf Buridans Haltung hinsichtlich der Kenn-zeichnung der Metaphysik als Wissenschaft vom Seienden als Seienden einge-hen Dieser Punkt betrifft soweit es die besonderen Rezeptionsbedingungender Metaphysik Buridans angeht das Verhaumlltnis zum transzendentalen An-satz im Sinne des Duns Scotus Im zweiten Schritt werde ich mich dem Themader Sinnlichkeit in Buridans Betrachtung zuwenden waumlhrend ich im drittenPunkt auf seine Auffassung in der Prinzipienfrage zu sprechen komme Indiesen die Erkenntnis sowohl in ihrer sinnlichen Bestimmtheit als auch inihrer Vernunftbestimmtheit kennzeichnenden Uumlberlegungen stellen die Auf-fassungen Ockhams und Nikolaus von Autrecourts im Besonderen die Re-zeptionsbedingungen dar unter denen Buridan seine Position entwickeltZum Abschluss will ich eine Bemerkung dazu anfuumlgen wie ich BuridansTransformation der Metaphysik im Ganzen beurteile

1 Buridans Metaphysik ist als solche bisher lediglich in meiner Untersuchung Subjekt undMetaphysik Die Metaphysik des Johannes Buridan (Beitraumlge zur Geschichte der Philoso-phie und Theologie des Mittelalters Neue Folge Bd 65) Muumlnster 2003 behandelt wordenAuszligerdem ist noch zu nennen J M M H ThjissenJ Zupko (Eds) The Metaphysicsand Natural Philosophy of John Buridan Leiden Boston Koumlln 2001 Soweit Beitraumlge zuEinzelaspekten im Zusammenhang der in den vorliegenden Uumlberlegungen thematisiertenFrage nach der Rezeption und Transformation der aristotelischen bdquoMetaphysikldquo in Buri-dans Metaphysik vorliegen werden diese im Rahmen der Diskussion der betreffenden As-pekte genannt werden

308 Gerhard Krieger

I bdquoSeinldquo im Verstaumlndnis der Metaphysik Buridans ndashGegenstaumlndlichkeit und faktische Existenz

Das Verstaumlndnis der Transzendentalitaumlt bei Duns Scotus das im Besonderendie Rezeptionsbedingung der betreffenden Auffassung bei Buridan ausmachtlaumlsst sich im Anschluss an Olivier Boulnois unter zwei Aspekten kennzeich-nen Zum einen dass die Metaphysik die Hinsicht des Seins im Sinne einesallumfassenden transzendentalen Begriffs zur Aufgabe hat und dass dieserBegriff zweitens univoker Natur und als solcher modal zu explizieren ist2

1 Gegenstaumlndlichkeit statt Seiendsein

Buridan nimmt zur Frage ob das Seiende der Gegenstand der Metaphysiksei3 im Ausgang von zwei bdquoFeststellungenldquo (conclusiones) Stellung Derenerste besagt dass das Seiende fuumlr jedes bestimmte Wissen den eigentuumlmlichenund angemessenen Gegenstand darstellt Denn jegliche Wissenschaft betreffeentweder Seiendes oder Nicht-Seiendes Niemand aber behaupte das letztge-nannte4 Die zweite Feststellung lautet Der Ausdruck bdquoseiendldquo ist der eigen-tuumlmliche Gegenstand der Metaphysik Denn in jeder Wissenschaft muss dieallgemeinste Gattung als der eigentuumlmliche Gegenstand angesehen werdenund zwar die allgemeinste unter denjenigen die nicht uumlber das hinaus gehenwas im Sinne dieses Gegenstandes in Bezug auf die ersten und grundlegendenEigenschaften in dieser Wissenschaft untersucht wird (genus communissi-mum inter omnia quae non transcendunt metas scientiae consideratarum permodum subiecti respectu primarum et principalium passionum) Genau indiesem Sinne verhaumllt sich die Gattung des Seienden in der Metaphysik5

2 Vgl dazu O Boulnois Johannes Duns Scotus Transzendentale Metaphysik und normativeEthik in T Kobusch (Hrsg) Philosophen des Mittelalters Eine Einfuumlhrung Darmstadt2000 219ndash235 Zu Buridans Auffassung hat Stellung genommen J Aertsen Medieval Phi-losophy as Transcendental Thought From Philipp the Chancellor (ca 1225) to FranciscoSuarez (Studien und Texte zur Geschichte des Mittelalters Bd 107) LeidenndashBoston 2012537ndash544

3 Johannes Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (In Metaphysicen Aristote-lis quaestiones) Parisiis 1588 (Nachdruck Ffm 1964) l IV q 5 Utrum metaphysicaeproprium subiectum sit ens f 15 vbndash16 va

4 Ebd f 16 ra Respondendum est satis faciliter ponendo duas conclusiones Prima estcuiuslibet scientiae subiectum proprium et adaequatum est ens quia est ens vel non ens etnullus dicit quod non ens igitur

5 Ebd Alia conclusio Iste terminus sbquoenslsquo est subiectum proprium ipsius metaphysicae quiasicut in alia quaestione dicebatur in qualibet scientia subiectum proprium debet assignarigenus communissimum inter omnia quae non transcendunt metas scientiae consideratarumper modum subiecti respectu primarum et principalium passionum in illa scientia considera-tarum Modo sic se habet illud genus ens in metaphysica

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 309

Der entscheidende Punkt in dieser Feststellung liegt darin dass Buridan ndashganz im Sinne des aristotelischen Wissenschaftsverstaumlndnisses ndash die Metaphy-sik in gegenstaumlndlicher Hinsicht auf eine (bestimmte) Gattung bezieht6 ImSinne dieses Schrittes gibt Buridan im weiteren das Verstaumlndnis der Metaphy-sik als Wissenschaft vom Seienden als Seienden auf und reduziert den Begriffdes Seienden auf den des Vorkommnisses oder Gegebenseins

Im Einzelnen erfolgt dies in drei Schritten Zunaumlchst stellt Buridan festdass die Metaphysik nicht wie Aristoteles es tue als Wissenschaft vom Seien-den als Seienden bezeichnet werden koumlnne Denn diese Redeweise muumlsse imspezifischen Sinne gemeint sein Insoweit mache sie erforderlich die begriffli-che Hinsicht anzugeben unter der das Seiende Gegenstand der Metaphysikwaumlre7 Diese begriffliche Hinsicht aber so macht Buridan weiter deutlich istdie des bloszligen Vorkommnisses oder Gegebenseins und insoweit ist sie nichtspezifischer Natur Um dies zu tun schlieszligt er im zweiten Schritt aus dassder Begriff des Seienden apriorischer Natur ist (istius termini sbquoenslsquo non essentpartes integrales apud mentem) so dass er sich auf diesem Wege erschlieszligenlieszlige Die naumlhere Bestimmung dessen was ist ergibt sich allein vermittelsder Kategorien Diese stellen zwar ebenso wenig wie die Hinsicht des Seinsapriorische Hinsichten dar gleichwohl sind sie ihrem Ursprung nach begriffli-che Hinsichten die sich ihrem Gehalt nach objektiv verstehen (sunt eius par-tes subiective scilicet decem praedicamenta)8 Insofern bleibt die Hinsichtauf das Sein bloszlig generisch

Mit den skizzierten beiden ersten Schritten ist also die Hinsicht auf dasSein fuumlr die Metaphysik ausgeschlossen Im dritten Schritt erfolgt die Erset-zung dieser Hinsicht durch die auf den Gegenstand oder die Sache Buridantut dies indem er die Konvertibilitaumlt der Ausdruumlcke unum res und aliquidmit ens bestreitet soweit sie die partizipative Verwendung des letztgenanntenAusdrucks betrifft Dieser konnotiere naumlmlich mit temporaler Praumlsenz (con-notat praesens tempus) Vielmehr haben fuumlr Buridan die Ausdruumlcke res undaliquid Vorrang und bezeichnen insoweit den eigentuumlmlichen Gegenstand derMetaphysik (deberet poni subiectum primum iste terminus sbquoreslsquo vel iste termi-

6 Met Γ 21003 b 20ndash227 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) f 16 ra sed ibi poss-

unt fieri aliquae quaestiones Prima est utrum debeamus dicere ens inquantum ens estsubiectum in ista scientia Videtur quod sic per Aristotelem [hellip] Ad primam quaestionempotest dici quod non est propria locutio saltem vera dicere quod ens inquantum ens sitsubiectum proprium in metaphysica

8 Ebd f 16 randashb Secundo potest quaeri cum subiectum debeat habere partes et passionesquae sunt illae partes et passiones [hellip] Ad aliam quaestionem respondetur quod licet istiustermini sbquoenslsquo non essent partes integrales apud mentem tamen sunt eius partes subiectivescilicet decem praedicamenta

310 Gerhard Krieger

nus sbquoaliquidlsquo) Insofern die Verwendung von bdquoseiendldquo sich im nominalen Sin-ne verstehe koumlnne dieser Ausdruck synonym zu res oder aliquid gebrauchtwerden und ebenso den Gegenstand der Metaphysik bezeichnen Davonnimmt Buridan bdquounumldquo aus In diesem Falle handle es sich vielmehr um eineEigenschaft die mit sich selbst konvertibel sei9

Indem Buridan die partizipative Verwendung von bdquoseiendldquo der Bedeu-tung nach als temporales Praumlsens kennzeichnet begrenzt er den Sinn vonSein auf das Gegebensein Der Vorrang der Ausdruumlcke res und aliquid kenn-zeichnet die Metaphysik in den Hinsichten die an die Stelle der Hinsicht desSeins treten Die Metaphysik richtet den Blick auf das was sachhaltiger odergegenstaumlndlicher Natur ist Die Benennung des Seienden als Gegenstand derMetaphysik hat nur nominale Bedeutung und ist der Sache nach im Sinnedes Gegenstaumlndlichen oder Sachhaltigen gemeint Seiendes ist insoweit imspezifischen Sinne Gegenstand der Metaphysik als diese danach fragt wasdas was gegeben ist gegenstaumlndlicher oder sachhaltiger Natur sein laumlsst Mitdiesen Begriffen ist schlieszliglich die mit unum angesprochene Einheit nichtmehr konvertibel weil diese letztlich nicht eine Bestimmtheit ist die demBegriff des Gegenstaumlndlichen oder Sachhaltigen einfach gleichzusetzen waumlreinsofern sie das Fehlen der Teilung einschlieszligt10 Eines zu sein besagt vongegenstaumlndlicher Natur zu sein und daruumlber hinaus auszuschlieszligen ein Ge-teiltes zu sein Insofern gibt Buridan im Ergebnis das traditionelle Verstaumlndnisder Transzendentalitaumlt auf

Jan Aertsen hat zu dieser These kritisch Stellung genommen11 Er gestehtzwar durchaus ein dass Buridan indem er die Hinsichten der Sachhaltigkeitund Gegenstaumlndlichkeit der Hinsicht des Seins vorordnet und den Sinn vonSein auf das Gegebensein begrenzt bdquoSeiendesldquo aus der metaphysischen Be-

9 Ebd Tertio potest quaeri utrum aeque bene posse unus dicere de istis terminis sbquounuslsquo sbquoreslsquosbquoaliquidlsquo quod essent subiectum in ista scientia [hellip] Ad tertiam quaestionem potest diciquod si iste terminus sbquoenslsquo acciperetur prout est participatum non bene poneretur hic sub-iectum primum propter hoc quod connotat praesens tempus immo magis hic deberet ponisubiectum primum iste terminus sbquoreslsquo vel iste terminus sbquoaliquidlsquo Sed si ille terminus sbquoenslsquoaccipiatur nominaliter tunc est nomen synonymum cum isto termino sbquoreslsquo vel cum istotermino sbquoaliquidlsquo et sic est ponendum subiectum in ista scientia Sed illud nomen sbquounumlsquoquia est connotativum non debet poni tanquam subiectum primum immo tamquam passiosecum convertibilis

10 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) l IV q 7 f 18 raisti termini sbquoenslsquo et sbquounumlsquo non sunt synonymi [hellip] differunt enim secundum rationem isteenim terminus sbquoenslsquo vel sbquoaliquidlsquo accipitur secundum conceptum simplicem scilicet absolu-tum a connotatione et iste terminus sbquounumlsquo est terminus connotativus connotat enim ca-rentiam divisionis

11 Aertsen Medieval Philosophy (wie Anm 2) Der Autor bezieht sich auf G Krieger Mensch-liche Vernunft als Terminus der Reflexion Zu einer Uumlbereinstimmung zwischen mittelalter-licher Philosophie und Kant Kant-Studien 96 2005 182ndash207

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 311

trachtung ausschlieszligt (excludes beings)12 Buridans Begrenzung des konver-tiblen Gebrauchs von ens mit res und aliquid im Sinne einer lediglich nomina-len Verwendung interpretiert er aber zugleich als bdquoidentificationldquo bzw bdquosbquoho-mogenizationlsquo of the term sbquobeinglsquoldquo13 Vor diesem Hintergrund stellt erinfrage dass Buridan die transzendentale Betrachtung in ihrem traditionellenVerstaumlndnis aufgibt insofern dieser im Rahmen seines Kategorienkommen-tars erklaumlrt dass der im absoluten (d h nicht-konnotativen) Sinne realisierteBegriff einer Sache die Grundlage des nominalen Gebrauchs der Ausdruumlckeens res und aliquid darstelle14 Die betreffende Feststellung bei Aerstsen lau-tet bdquoHow is it possible to see in this statement which maintains that sbquobeinglsquois the first concept an expression of the sbquonominallsquo significance of Buridanrsquosdoctrine of transcendentalsrdquo15 Buridan sagt aber nicht dass der Begriff desSeienden der erste absolute Begriff ist sondern dass der im absoluten Sinneerfasste Begriff einer Sache (prius oportet concipere rem absolute) die Grund-lage der nominalen Verwendung von ens res und aliquid (a quo sumitur hocnomen sbquoenslsquo sbquoreslsquo vel sbquoaliquidlsquo) darstellt

Im Ergebnis laumlsst sich somit festhalten Buridan setzt in seiner Kennzeich-nung des bdquoSubjektesldquo der Metaphysik die Hinsicht der Gegenstaumlndlichkeitoder Sachhaltigkeit an die Stelle der Hinsicht des Seins Er folgt dabei metho-disch der aristotelischen Auffassung von der Gattungsbezogenheit einer Wis-senschaft Insofern begrenzt Buridan den Blick der Metaphysik und das Mo-tiv dafuumlr ist der Aspekt der Bestimmtheit des metaphysischen Wissens16 Wiesich diese Begrenzung mit dem Verstaumlndnis der Metaphysik als allumfassen-der Wissenschaft vertraumlgt ergibt sich im Zusammenhang der jetzt folgendenEroumlrterung des Realitaumltsmodus des Gegenstaumlndlichen

12 Aertsen Medieval Philosophy (wie Anm 2) 540 bdquoIf sbquobeinglsquo is taken as participle it cannotbe posited as the proper subject of metaphysics since it connotes the present (and thusexcludes beings)ldquo

13 Ebd der erste Ausdruck S 544 der zweite S 54114 Johannes Buridan Quaestiones in Praedicamenta (Ed J Schneider Muumlnchen 1983) q 13

96 prius oportet concipere rem absolute saltem conceptu a quo sumitur hoc nomen sbquoenslsquosbquoreslsquo vel sbquoaliquid

15 Aersten Medieval Philosophy (wie Anm 2) 54316 Diese absolute Vorrangigkeit der Perspektive des Wissens verweist auf den Primat der prak-

tischen Vernunft und die darin grundgelegte Normativitaumlt des Wissens vgl dazu im Einzel-nen Krieger Subjekt und Metaphysik (wie Anm 1) sectsect 6 und 7

312 Gerhard Krieger

2 Faktische Existenz als Realitaumltsmodus des Gegenstaumlndlichen

Aristoteles fuumlhrt die Untersuchung des Seienden als solchen im Blick auf dieSubstanz durch17 insofern allein das was unter diese Kategorie faumlllt bdquowederin einem Zugrundeliegenden enthalten ist noch von einem solchen ausgesagtzu werden vermagldquo18 Im Unterschied dazu ist es fuumlr den Bereich des Nicht-Substantialen oder Akzidentellen kennzeichnend in oder an einem anderenzu sein und von etwas anderem ausgesagt zu werden Vor diesem Hinter-grund erscheint es als konsequent dass Buridan sich insofern er die Synony-mitaumlt von ens und quid bzw aliquid im nominalen Sinne und gemaumlszlig demVorrang der Hinsicht des Gegenstaumlndlichen begreift19 der Frage stellt ob imBlick auf die Unterscheidung von Substanz und Akzidens die mit dem Aus-druck ens angesprochene begriffliche Hinsicht in einheitlicher Weise erfolgt20Demgemaumlszlig betrifft die zur Diskussion stehende Frage die Einheit der begriff-lichen Hinsicht des Gegenstaumlndlichen Sind Substanz und Akzidens fuumlr dieMetaphysik insofern diese Gegenstaumlndliches betrachtet gleichermaszligen undunterschiedslos Gegenstand

Buridan geht bei seiner Antwort von einer Differenz zwischen Aristotelesund der christlichen Auffassung in den betreffenden Stellungnahmen aus ImErgebnis stellt Buridan fuumlr Aristoteles die skizzierte Vorrangstellung der Sub-stanz vor dem Akzidens in der fraglichen Hinsicht heraus Substanz und Ak-zidens werden bei Aristoteles nicht nach ein- und derselben begrifflichen Hin-sicht betrachtet bzw ausgesagt In uneingeschraumlnktem Sinne wird bei Aris-toteles bdquoseiendldquo lediglich von Substanzen ausgesagt waumlhrend Akzidentieninsgesamt nur eingeschraumlnkt als bdquoseiendldquo und zwar in Bezug auf ihr Hinzu-gefuumlgtsein zur Substanz betrachtet werden (accidentia non dicuntur simplici-ter entia immo entia secundum quid scilicet secundum additione et cumattributione ad substantiam) Daruumlber hinaus hebt Buridan im Blick auf Aris-toteles hervor dass dieser die gegenstaumlndliche Hinsicht als erste Kategorieund allgemeinste Gattung (primum praedicamentum et genus generalissi-mum) uumlber die Substanz hinaus betrachtet habe21

17 Met Ζ 11028 a 13ndash15 τοσαυταχῶς δε λεγομένου τοῦ ὄντος φανερὸν ὅτι τούτων πρῶτον ὂντο τί ἐστιν ὅπερ σημαίνει την οὐσίαν 1028 b 2ndash4 και δὴ και τὸ πάλαι τε και νῦν και ἀrsquoεὶἀπορούμενον τί το ὄν τοῦτό ἐστι τίς ἡ οὐσία

18 Cat 52 a 11 ff μήτε καθ rsquoὑποκειμένου τινὸς λέγεται μήτε ἐν ὑποκειμένῳ τινί ἐστιν19 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) 1 IV q 6 f 17 ra

accipiendo enim sbquoenslsquo nominaliter ita quod ista sunt nomina synonyma sbquoenslsquo et sbquoaliquidlsquo20 Ebd l IV q 6 Utrum hoc nomen ens significet substantias et accidentia secundum unam

rationem sive secundum unum conceptum f 16 vandash17 vb21 Ebd f 17 ra Et tunc possumus respondere ad opinionem Aristotelis de substantiis et

accidentibus et de conceptu entis [hellip] Unde ultimo quantum ad praesens debemus notarequod certe Aristoteles credidit hoc nomen sbquoaliquidlsquo vel sbquoquidlsquo esse primum praedicamentumet genus generalissimum magis quam hoc nomen sbquosubstantialsquo

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 313

Im Unterschied zu Aristoteles kann laut Buridan nach christlicher Auffas-sung ein Akzidens unabhaumlngig von einer Substanz vorkommen Demzufolgekann ein Akzidens ebenso wie die Substanz als Gegenstand vorkommen undin uneingeschraumlnkter Weise als ein solcher angesprochen werden (hoc nomensbquoaliquidlsquo aeque simpliciter et secundum conceptum aeque simplicem diciturde albedine sicut dicetur de lapide vel de asino) Daraus ergibt sich weiterdass etwa im Falle der Weiszlige diese nicht identisch ist damit dass es Weiszligesgibt Denn sofern die Weiszlige fuumlr sich separiert ist kann zwar gesagt werdendass dieses die Weiszlige ist Trotzdem ist dieses nicht ein Vorkommnis einesWeiszligen Denn dazu ist erforderlich dass etwas weiszlig ist (non est nisi albumnisi aliquid sit album) ohne dass allerdings wie Buridan betont etwas weiszligwaumlre durch jene separierte Weiszlige22

Die christliche Auffassung dient Buridan offensichtlich zum einen dazudie uumlber Aristoteles hinausgehende gegenstaumlndliche Betrachtung eines Akzi-dens unabhaumlngig vom Zusammenhang seiner Zuordnung zu einer Substanzanzusprechen und zwar zum zweiten im Sinne einer Hypothese Denn zumeinen kennzeichnet Buridan diese Annahme soweit sie im christlichen Ver-staumlndnis mit der der Separierbarkeit eines Akzidenz verknuumlpft ist als irrealZunaumlchst verfaumlhrt er in dieser Weise als er an der gegenstaumlndlichen Kenn-zeichnung des Akzidens unabhaumlngig von der Voraussetzung des christlichenGlaubens festhaumllt und zwar sowohl im Blick darauf dass dieses in Verbin-dung mit einer Substanz vorkommt als auch in Bezug darauf dass letztge-nanntes nicht der Fall ist (non oportet quod de eo [scl de illo termino sbquoalbe-dolsquo] praedicaretur secundum aliquam attributionem ad substantiam subiec-tam vel ad aliquem terminum substantialem quia sine substantia subiectaipsa est ens et aliquid et non minus ipsa est ens vel aliquid quando inhaeretquam si subiectum esset ablatum) Zum anderen tut Buridan dies indem erfeststellt dass die separierte Weiszlige (in casu posito quod albedo sit separata)

22 Ebd f 17 randashb Dico ergo quod nos tenemus ex fide quod per potentiam dei accidentiapossunt separari a substantiis et separatim conservari sine substantia sic subiecta [hellip] Siigitur ponamus quod albedo sic per se subsistit absque hoc quod alicui subiecto inhaereattunc manifestum est quod illa albedo manifeste est ens et vere est aliquid et etiam exhoc manifestum est ita simplex sine aliqua connotatione [hellip] Si de illo termino sbquoalbedolsquopraedicaretur hoc nomen sbquoenslsquo vel hoc nomen sbquoaliquidlsquo non oportet quod de eo praedicare-tur secundum aliquam attributionem ad substantiam subiectam vel ad aliquem terminumsubstantialem quia sine substantia subiecta ipsa est ens et aliquid et non minus ipsa est ensvel aliquid quando inhaeret quam si subiectum esset ablatum Ideo hoc nomen sbquoenslsquo velhoc nomen sbquoaliquidlsquo aeque simpliciter et secundum conceptum aeque simplicem dicitur dealbedine sicut dicetur de lapide vel de asino Postea etiam sequitur quod albedo non estidem quod esse album quia in casu posito quod albedo sit separata verum est dicere quodhoc est albedo et tamen hoc non est esse album quia non est nisi album nisi aliquid sitalbum et tamen ista albedine nihil est album

314 Gerhard Krieger

keinerlei Bedeutung fuumlr das Vorkommnis eines Weiszligen besitzt (ista albedinenihil est album)23 Der hypothetische Charakter zeigt sich weiter darin dassBuridan im Anschluss an die Erlaumluterung der christlichen Auffassung dieseangesprochene Hypothese ihrem Gehalt nach diskutiert indem er dazu Stel-lung nimmt was ist insofern es Weiszliges gibt (quid est esse album)24 Wieist die Existenz eines Akzidens naumlherhin zu kennzeichnen insofern diesesunabhaumlngig von seinem Zusammenhang mit einer Substanz als Gegenstandvorkommt bzw ein solcher ist Allgemein gefragt Was macht einen Gegen-stand seiner Realitaumlt nach aus

Die Gegenuumlberstellung von aristotelischer und christlicher Auffassungdurch Buridan hat also ein zweifaches Ergebnis Erstens soll die gegenstaumlndli-che Betrachtung im Sinne Buridans die allumfassende Perspektive der Meta-physik auch unter der Voraussetzung des Verzichts auf die Hinsicht des Seinsgewaumlhrleisten Denn diese Betrachtung soll uumlber alle kategoriale Betrachtunghinausreichen25 Damit dies der Fall sein kann ist zweitens Gegenstaumlndlich-keit ihrer Realitaumlt nach zu bestimmen

Buridan setzt dazu zunaumlchst mit der Kritik einer Loumlsung an die die ob-jektive Guumlltigkeit akzidenteller Bestimmung an deren praumldikative Verwen-dung knuumlpft Demgegenuumlber macht er geltend dass die betreffenden sprachli-chen Ausdruumlcke auf etwas der Realitaumlt nach eigenes verweisen (pro rebus veldispositionibus rerum extra existentibus) In diesem Sinne verweist er aufAusdruumlcke fuumlr Vorgaumlnge wie sbquoschneidenlsquo und sbquolebenlsquo einerseits und sbquofolgenlsquound sbquoverbrennenlsquo andererseits Diese sind der infrage stehenden Kennzeich-nung der Praumldikation akzidenteller Bestimmungen vergleichbar insofern siefuumlr die Verhaumlltnisse von Aktivitaumlt und Passivitaumlt stehen Auf diese Weise sinddiese Vorgaumlnge etwas das fuumlr etwas anderes steht Am Beispiel gesagt DerVorgang des Schneidens bzw Verbrennens ist von dem unterschieden wasschneidet bzw verbrennt auch wenn der genannte Vorgang mit dem iden-tisch ist was schneidend ist oder als solches vorkommt Das was schneidendexistiert ist zugleich etwas was im aktiven Modus existiert (esse secans estesse agens)26 Insofern ist der Vorgang des Schneidens bzw Verbrennens in

23 Vgl zu der in diesem Zusammenhang relevanten in der vorangegangenen Anm angespro-chenen Haltung Buridans zur Annahme goumlttlichen Koumlnnens Krieger Subjekt und Metaphy-sik (wie Anm 1) sect 15

24 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) 1 IV q 6 f 17 rbTunc restat difficultas quid est esse album

25 Ebd f 17 va Et ita etiam oportet concedere quod hoc nomen sbquosubstantialsquo non esset genusgeneralissimum sed hoc nomen sbquoquidlsquo vel sbquoaliquidlsquo

26 Ebd f 17 rb Tunc restat difficultas quid est esse album de qua difficultate aliqui volentesse faciliter expedire dicunt quod esse album vel hominem esse album non est nisi una oratioita quod illa oratio sbquohominem esse albumlsquo non supponit nisi pro illa propositione sbquohomoest albuslsquo Sed hoc non est bene dictum quamvis secundum suppositionem materialem essetilla sicut illi dicunt tamen secundum suppositionem significativam sive personalem illae

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 315

seiner eigenen Bestimmtheit und insoweit in seiner eigenen Realitaumlt bestimm-bar

In der Sache zielt Buridans Uumlberlegung darauf ab deutlich zu machendass die gegenstaumlndliche Hinsicht sowohl die Differenz von Substanz undAkzidens uumlbersteigt als auch Relationen ansprechen laumlsst Insofern hat sichbestaumltigt dass die gegenstaumlndliche Hinsicht die allgemeinste Hinsicht undGattung darstellt27

Zugleich kann gesagt werden dass Buridans Kritik Ockhams Auffassunggilt insofern die infrage stehende Hinsicht im Besonderen Relationen betrifftZur Begruumlndung sei auf Buridans Nachweis der Selbststaumlndigkeit der Aus-dehnung und im Zusammenhang damit auf seinen Begriff der Bewegung ver-wiesen Diese verstehen sich der Sache nach als Nachweis der objektivenRealitaumlt relationaler Bestimmtheit und historisch als Kritik an deren Infrage-stellung bei Ockham28

Die fragliche Bestimmung der Gegenstaumlndlichkeit ihrem Realitaumltsmodusnach erzielt Buridan weiter durch die Erlaumluterung des Verhaumlltnisses der kate-gorialen Betrachtung zur gegenstaumlndlichen Hinsicht Auf diese Weise stehtzur Debatte welche kategoriale Hinsicht im Besonderen die gegenstaumlndlicheBetrachtung kennzeichnet Denn insofern diese Betrachtung sich nicht mehrim Sinne des Vorrangs der Kategorie der Substanz versteht stellt sich diegenannte Frage Buridan betont zunaumlchst die tatsaumlchliche Geltung der gegebe-nen kategorialen Einteilung dico quod adhuc ponenda sunt decem praedica-menta sive decem generalissima29 Im Blick auf Buridans Begruumlndung dieserFeststellung seien weiter zwei Gesichtspunkte hervorgehoben zum einen

orationes sbquoesse albumlsquo vel sbquohominem esse albumlsquo non supponunt pro aliqua propositioneimmo pro rebus vel dispositionibus rerum extra existentibus quod sic appareret quia Ari-stoteles dicit et verum est dicere quod secare est agere vel etiam vivere est agere naturaliteret sequari vel uri est pati et tamen cum hoc dicit septimo huius sbquomanifestum est etiam quodsecare est idem quod esse secans et vadere idem est quod est vadenslsquo et sic de aliis Igituresse secans est esse agens

27 Ebd f 17 rbndashva Ex istis visis videtur quod oportet concedere quod hoc nomen sbquoenslsquo velhoc nomen sbquoaliquidlsquo dicitur univoce secundum conceptum communem simpliciter absolu-tum a connotatione de terminis significantibus substantias et de terminis significantibusaccidentia talia nec prohibit inhaerentia vel dependentia nec prioritas nec posterioritas inessendo [hellip] Et ita etiam oportet concedere quod hoc nomen sbquosubstantialsquo non esset genusgeneralissimum sed hoc nomen sbquoquidlsquo vel sbquoaliquidlsquo

28 Diese Auffassung Buridans ist erstmals in den genannten beiden Hinsichten aufgewiesenworden durch A Maier Metaphysische Hintergruumlnde der spaumltscholastischen Naturphiloso-phie (Studien zur Naturphilosophie des Spaumltscholastik Bd 4) Rom 21952 210ndash218 Dar-uumlber hinaus zu ihrer Bedeutung im Zusammenhang der methodologischen Begruumlndung derPhysik und in ontologischer Hinsicht vgl Krieger Subjekt und Metaphysik (wie Anm 1)226ndash231

29 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) l IV q 6 f 17 va

316 Gerhard Krieger

dass er die quantitative und die qualitative Hinsicht ebenfalls als allgemeinsteGattungen kennzeichnet die keine Gattung uumlber sich haben (haec nominasbquoquantumlsquo et sbquoqualelsquo non habent genus supra se sed sunt generalissima)30Zum anderen dass die Kategorien nach seiner Einschaumltzung gemaumlszlig den ver-schiedenen Praumldikationsweisen in Bezug auf die ersten Substanzen bzw diesingulaumlren Termini zu unterscheiden sind Allerdings koumlnne es durchaus derFall sein dass die abstrakten Bezeichnungen und deren Konkretionen nichtimmer zu ein- und derselben Kategorie gezaumlhlt werden so dass andere kate-goriale Unterscheidungen in Bezug auf die ersten Substanzen moumlglich erschei-nen In diesen Zusammenhang gehoumlrt fuumlr Buridan schlieszliglich auch dass Aris-toteles seinerseits die Anzahl der Kategorien durchaus nicht einheitlich be-stimmt31

Die angesprochenen Begruumlndungen zeigen zum einen dass Buridan diekategoriale Einteilung nur im faktischen Sinne als begruumlndet ansieht und des-wegen ihre tatsaumlchliche Geltung betont Sie entspricht der tatsaumlchlich geuumlbtenpraumldikativen Praxis und in dem Maszlige wie diese eine andere Einteilung zeigtbzw ermoumlglicht ist letztgenannte begruumlndet32 Zum anderen sind die quanti-tative und qualitative Hinsicht vorrangig in der kategorialen Betrachtung

30 Ebd31 Ebd Et debemus scire secundum intentionem Aristotelis et rei veritatem quod praedica-

menta debent distingui secundum diversos modos praedicandi de primis substantiis sive determinis singularibus contentis sub hoc genere quid vel aliquid [hellip] Sed isto modo dicendiapparet quod nomina abstracta et sua concreta non semper reducerentur ad unum et idempraedicamentum [hellip] Vos potestis aliter distinguere praedicamenta scilicet penes nominaconcreta et diversos modos praedicandi ipsorum de primis substantiis Et sic iterum habe-rentur decem [hellip] Tamen certe Aristoteles [hellip] valde multiplicat genera generalissima

32 Buridan Quaestiones in Praedicamenta (Anm 14) q 3 19 Et ideo in vanum laboraveruntplures qui per huiusmodi divisiones voluerunt assignare sufficientiam numeri praedicamen-torum Credo ergo quod non possit aliter assignari vel probari sufficientia numeri praedica-mentorum nisi quia tot modos praedicandi diversos invenimus non reducibiles in aliquemmodum praedicandi communiorem acceptum secundum aliquam unam communem ratio-nem ideo oportet tot esse Sed etiam quia non invenimus praedicabilia communia quaesub istis modis non contineantur vel ad eos reducantur ideo non ponimus plura praedica-menta Unde si aliqua praedicabilia communia inveniamus habentia alios modos praedican-di praeter dictos decem apparet mihi quod non esset negandum quin essent plura praedi-camenta Unde bene invenimus quod Aristoteles enumeravit et assignavit ista decem Sednon invenimus quod ipse dixit quod non sint plura Et si visus est innuere quod nonsint plura tamen numquam ad hoc probandum rationem apposuit nec apponere potuitconvenientem nisi quia non invenimus alia praedicabilia quae sub istis non contineanturvel de eis non consideramus Et haec ratio statim non valeret si unus alter talia praedica-menta inveniret Cum enim ista consideramus non esse sub istis decem contenta non debe-mus negare quin sint plura Sed tamen mihi apparet pro certo quod ista decem si sintaliqua alia sunt magis manifesta et continentia sub se maiorem pluralitatem praedicabi-lium

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 317

Dies verweist wiederum darauf dass Gegenstaumlndliches insoweit erfasst wirdbzw erfassbar ist als es erscheint33 Dies geschieht in quantitativer und quali-tativer Weise weil die Quantitaumlt ihrem Traumlger eine qualitaumltsartige Bestimmt-heit verleiht die die Einzeldinge im graduellen Sinne unterschieden seinlaumlsst34 Dem entspricht schlieszliglich der Bezug der kategorialen Unterscheidun-gen auf die erste Substanz Denn damit ist nicht gesagt dass sich der Sinnfaktischer Existenz im Besonderen in der Substanz zeigte35 Vielmehr verstehtsich dieser Vorrang der ersten Substanz und damit deren Begriff funktionaler ist beschraumlnkt auf das Moment des Zugrundeliegens36

3 Gegenstand und faktische Existenz ndash Der Sinn des Seinsin Buridans Verstaumlndnis des Transzendentalen

Im Blick auf die hier analysierten Stellungnahmen Buridans zum Verstaumlndnisdes Transzendentalen kann zunaumlchst festgehalten werden dass dieser die Me-taphysik als eine allumfassende Wissenschaft begreift insofern sie in ihrerbesonderen Hinsicht die kategoriale Einteilung transzendiert Buridan folgtdabei strikt der aristotelischen Perspektive der Gattungsbezogenheit der Wis-senschaft Weiter ist die Besonderheit der metaphysischen Hinsicht die gegen-staumlndliche Hinsicht bdquoSubjektldquo der Metaphysik ist nicht das Seiende in derHinsicht des Seins sondern etwas insofern es Gegenstand ist Das Verstaumlnd-nis des Seins ist damit auf das des Gegebenseins oder des Vorkommnissesbegrenzt waumlhrend die Realitaumlt der Gegenstaumlnde als solche bzw solcher diefaktischer Existenz ist Gegenstand zu sein und als solcher zu existieren be-sagt ein tatsaumlchliches Vorkommnis zu sein und als solches bestimmt und

33 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (Anm 3) l IV q 9 f 19 vbndash20 raEt videtur mihi esse dicendum quod res percipiuntur et iudicantur esse secundum quodpercipiuntur tamquam in prospectu cognoscentis Unde rem aliquam non iudicas esse nisiin prospectu sensus [] Et ideo [] videtur mihi quod hoc verbum sbquoesselsquo [] licet nonconnotat praesentiam temporalem et succesivam immo praesentiam [] quamvis ad intelli-gendum rem esse non oporteat aliquid temporis cointelligere sed solum quod res apprehen-dantur per modum praesentialitatis in prospectu cognoscentis licet nulla esset vel imagina-ret successio Naumlher dazu Krieger Subjekt und Metaphysik (Anm 1) 222ndash226

34 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (Anm 3) l V q 6 f 29 vbndash30 raSupposito enim quod equus et asinus habent adinvicem aliquam convenientiam ex naturarei propter hoc quod natura eorum consequuntur accidentia magis similis quam conse-quantur ad naturam lapidis et asini Oportet igitur concedere quod ex natura rei equus etasinus magis conveniunt quam asinus et lapis

35 Ebd l IV q 6 f 17 va nos possumus dicere scilicet quod omne illud esset substantiaquod naturaliter per se subsistit ita quod non inhaeret alteri [] et omne illud est accidensquod sic non subsistit per se naturaliter

36 Naumlher und im Einzelnen dazu Krieger Subjekt und Metaphysik (wie Anm 1) 231ndash239

318 Gerhard Krieger

bestimmbar zu sein Letztgenanntes geschieht auf der Basis der Kategoriendie freilich insofern sie sich ihrerseits vom faktisch Existierenden her verste-hen nur insoweit mit Bestimmtheit urteilen lassen als sie tatsaumlchlich zurAnwendung gebracht werden koumlnnen Deswegen reicht die kategoriale Be-stimmbarkeit eines Gegenstandes nur soweit wie dieser als solcher erscheintInsofern dringt die Bestimmung eines Gegenstandes in seiner faktischen Exis-tenz nur bis hin zu seiner quantitativen und qualitativen Bestimmtheit dessenWesen und damit das ihm von sich her zukommende Sein sind nicht zu be-stimmen

Historisch folgt Buridan dem transzendentalen Ansatz in der Metaphy-sik wie ihn Scotus realisiert insoweit als er die Metaphysik gleichfalls alsallumfassende Hinsicht konzipiert Er tut dies in der Hinsicht des Seins nurinsoweit als diese Hinsicht die Realitaumlt in ihrer faktischen Existenz betrifftDie metaphysische Betrachtung hat sich auf diese Weise dahin gehend gewan-delt dass sie primaumlr etwas als etwas in den Blick nimmt Welche Bedingungensind fuumlr diese gegenstaumlndliche Betrachtung maszliggeblich Wie sich zeigen wirdliegen diese Bedingungen auf der subjektiven Seite so dass die Bedingungender Erkenntnis zugleich die der erkannten Gegenstaumlnde sind Im Sinne dieserAntwort Buridans werde ich mich zunaumlchst der Wahrnehmung dann derVernunft als Bedingungen der Gegenstaumlndlichkeit zuwenden Ich beginne mitdem erstgenannten Aspekt

II Wahrnehmung als Bedingung der Gegenstaumlndlichkeit

Hinsichtlich der Bedingungen sinnlicher Erkenntnis nehme ich im BesonderenBuridans Einschaumltzung des sogenannten sensus communis und in Verbindungdamit die der imaginatio in den Blick Dieses Vorgehen begruumlndet sich letzt-lich vom Ergebnis her Denn es zeigt sich dass Buridan in diesem Punkteeinen Schritt tut der auf eine Vorgaumlngigkeit des Wahrnehmenden vor demWahrgenommenen fuumlhrt Die Gestalt des sinnlich Erkannten als solche oderdessen Einheit gruumlndet im Erkenntnisverhaumlltnis selbst wenn gleich dieses Er-kannte seiner Realitaumlt nach der Erkenntnis vorausliegt

1 Sensus communis und imaginatio bei Aristoteles

Wie denkt Buridan also uumlber den sogenannten Gemeinsinn und die Einbil-dungskraft Ich beginne mit einem kurzen Blick auf die betreffende Auffas-sung bei Aristoteles37 In dem Lehrstuumlck vom sensus communis spricht dieser

37 In dieser Darstellung stuumltze ich mich im Einzelnen auf folgende Beitraumlge H Busche HatPhantasie bei Aristoteles eine interpretierende Funktion in der Wahrnehmung Zeitschrift

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 319

die Integrierung verschiedener Sinne zu einem einheitlichen Sinnesraum ei-nem gemeinsamen Rahmen an wenn etwa Gesehenes und Gehoumlrtes zu einereinheitlichen Wahrnehmung zusammengefuumlhrt werden Dieses gemeinsameWahrnehmungsvermoumlgen konzipiert Aristoteles als Zentralsensorium in demdie Formen aus den peripheren Sinnen bdquonotwendig zusammentreffenldquo [und]das im Herzen zu lokalisierenldquo38 sei Aristoteles nimmt also einen zentralenGemeinsinn an an den die Formen aus den aumluszligeren Sensorien ruumlckgemeldetwerden und mit dessen Affektion es allererst zur bewussten Wahrnehmungkommt Die Imagination bzw Phantasie ist fuumlr Aristoteles im Unterschieddazu die sinnliche Faumlhigkeit rein innere Erscheinungen zu haben denen kei-ne gleichzeitige Wahrnehmung aumluszligerer Erscheinungen korrespondiert

Aristoteles ordnet das Zusammenspiel von Gemeinsinn und Einbildungs-kraft zwar der jeweiligen Sinnrichtung nach gegenlaumlufig dem Verlauf nachaber nacheinander Die bewusste Wahrnehmung als Produkt des Gemein-sinns ist das Ergebnis der Affektion die unmittelbar aus den Ruumlckmeldungenaus den aumluszligeren Sensorien an das Zentralorgan zustande kommt Die Affek-tion die den Gemeinsinn zu der genannten bewussten Wahrnehmung befauml-higt ist also letztlich wegen ihrer Unmittelbarkeit aumluszligerlich Die angespro-chene Affektion ist zwar ebenso Grundlage der durch die Imagination zustan-de kommenden Vorstellung Aber diese kann es als innere erst von demZeitpunkt an geben zu dem der betreffenden Empfindung kein aumluszligeres Ob-jekt mehr korrespondiert Die spezifische Differenz der Imaginaumlrerscheinun-gen zur Wahrnehmung macht somit aus dass bdquodie Extreme innerhalb dernatuumlrlichen Bewegungsabfolge zwischen wirkendem Objekt peripherer undzentraler Affektion sich nicht zeitlich uumlberlappenldquo39 Insofern bdquodenkt die See-le niemals ohne eine Vorstellungldquo40 bei der Wahrnehmung aber wird siedurch das Vorstellen eher behindert

2 Sensus communis und imaginatio bei Buridan

Aus Sicht Buridans ist es notwendig den inneren Gemeinsinn im Unterschiedzu den aumluszligeren Sinnen anzunehmen da ansonsten keine Veraumlnderung wahr-

fuumlr philosophische Forschung 51 1997 565ndash589 Ders Art aisthesisWahrnehmung inO Houmlffe (Hrsg) Aristoteles-Lexikon Stuttgart 2005 10ndash14 D Frede The Cognitive Roleof Phantasia in Aristotle in M NussbaumA O Rorty (Eds) Essay on Aristotlersquos DeAnima Oxford 1992 279ndash295 S Herzberg Wahrnehmung und Wissen bei AristotelesZur epistemologischen Funktion der Wahrnehmung (Quellen und Studien zur Philosophie97) Berlin 2011 121ndash127 A Schmitt Synaumlsthesie im Urteil aristotelischer Philosophie inH AdlerU Zeuch (Hrsg) Synaumlsthesie Interferenz ndash Transfer ndash Synthese der Sinne Wuumlrz-burg 2002 109ndash147

38 Busche Phantasie bei Aristoteles (wie Anm 37) 1139 Ebd 57440 De an III 7431a 16 432a 8ndash9

320 Gerhard Krieger

genommen werden koumlnne Kaumlme die Wahrnehmung von Veraumlnderung im in-neren Sinn durch einen aumluszligeren Sinn zustande waumlre naumlmlich eine zuvor er-folgte Veraumlnderung eines anderen aumluszligeren Sinnes vorausgesetzt41

Im Einzelnen begruumlndet Buridan diese Notwendigkeit der Annahme desGemeinsinns mit dem Nachweis dass dieser die Bedingung sowohl der inne-ren Wahrnehmung der aumluszligeren Wahrnehmung als auch der Wahrnehmungs-gestalt als solcher darstellt Dazu geht er davon aus dass der aumluszligere Sinnnicht zur inneren Wahrnehmung der Wahrnehmung in der Lage ist dass wiraber gleichwohl nicht nur wahrnehmen sondern zugleich auch urteilen dasswir dies tun42

In Bezug auf die innere Wahrnehmung der aumluszligeren Wahrnehmung ver-weist Buridan auf die Erfassung und Bestimmung von Sinneseindruumlcken un-ter der Bedingung der Inaktivitaumlt des betreffenden aumluszligeren Sinnes Dabeinimmt er zum einen Beispiele in den Blick bei denen es zu einer bdquoprivativenldquosinnlichen Erfassung kommt wenn etwa in der Nacht bei geschlossenen Au-gen oder Ohren Schatten bzw Stille wahrgenommen werden Fuumlr diese Wahr-nehmungen fungiert der innere Sinn in zweifacher Hinsicht als Bedingungzum einen insoweit als er gemaumlszlig seiner Disposition zur Erfassung der Aktivi-taumlt des aumluszligeren Sinnes in der Lage ist dessen Inaktivitaumlt festzustellen Inso-fern es zum anderen zur Feststellung kommt dass es Schatten oder Stille gibtberuht diese ebenso auf dem betreffenden Urteil des inneren Sinns43

Uumlber diese bdquoprivativenldquo sinnlichen Erkenntnisse hinaus sind wir zum an-deren in der Lage unter der genannten Bedingung geschlossener Augen nicht

nur Schatten zu erfassen sondern daruumlber hinaus auch bestimmte nicht-

41 Johannes Buridan Quaestiones de anima (Ed Lokert) l II q 26 in B Patar Le Traiteacutede lrsquoame de Jean Buridan Longuenil (Queacutebec) 1991 643 Dico primo quod praeter sensusexteriores necesse est ponere alium sensum interiorem quem vocamus communem quianon immutatur a sensibilibus exterioribus nisi mediante alio sensu exteriore prius immut-ato

42 Ebd Prima ratio est quia sensus exterior non est perceptivus sui actus ut suppono adpraesens ita tamen aliquando percipimus illos actus Tu enim manifeste iudicas non solumquod hoc est album vel nigrum vel quod haec vox est acuta vel gravis sed etiam iudicaste hoc videre vel audire Ergo necesse est ponere sensum interiorem percipientem et iudican-tem actus sensuum exteriorum

43 Ebd de nocte in camera iudicamus esse tenebras cum tamen tunc visus exterior nihilpericipiat et sic etiam iudicamus esse silentium quando auditus exterior nullam habet sensa-tionem per quam possit iudicare Et iste modus iudicandi est per sensum interiorem quihabebat cognoscere actum sensus exterioris ideo etiam poterat cognoscere quod sensusexterior non sit in actu Et sic quando pericpit visum exterioris oculis apertis non moveriad actum iudicat esse tenebras et quando pericpit auditum exteriorem auribus apertisnon moveri ad actum iudicat esse silentium

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 321

praumlsente Wahrnehmungsgehalte wie Berge Taumller oder Sterne44 Die dritte Artvon Beispielen die Buridan zum Beleg seiner These von der Notwendigkeitdes inneren Gemeinsinns anfuumlhrt betrifft sinnliche Wahrnehmungen die inTraumlumen wie Anschauungen erscheinen Auch fuumlr diese Beispiele gilt dasssie unter der Bedingung der Inaktivitaumlt der aumluszligeren Sinne stehen45

Die bisher geltend gemachten Belege betreffen den inneren Gemeinsinnsoweit dieser die innere Wahrnehmung der aumluszligeren Wahrnehmung bedingtDiese Bedeutung des inneren Gemeinsinns schlieszligt ein dass er zum einendie Inaktivitaumlt der aumluszligeren Sinne erfasst zum anderen dass er unter dieserVoraussetzung Wahrnehmungsgehalte zu realisieren vermag so dass diese imModus der Anschauung erscheinen Im naumlchsten Argument fuumlr seine Thesezeigt Buridan die Bedeutung des Gemeinsinns fuumlr die Wahrnehmung insoweitauf als es deren besondere Gestalt betrifft die Einheit also des jeweiligenWahrnehmungsgehaltes Buridan tut dies im Blick auf die Unterschiedenheitzweier Wahrnehmungsgehalte wie das Gehoumlrte und das Gesehene und derenVereinheitlichung Dabei veranschaulicht er diesen Zusammenhang an derWahrnehmung eines Hundes Dieser houmlrt seinen Herrn rufen und sieht ihner wird darauf hin urteilen dass der Rufende der ist den er sieht und wird zuihm gehen Die Uumlbereinstimmung und Verschiedenheit der sinnlichen Gehalteerschlieszligt sich nicht uumlber deren Wahrnehmung gemaumlszlig den jeweiligen Wahr-nehmungsorganen so dass zu deren Erfassung uumlber die aumluszligeren Sinne hinausder Gemeinsinn erforderlich ist46

Im Ergebnis erscheint Wahrnehmung im Verstaumlndnis Buridans nicht alsbloszliger Reflex aumluszligerer Reize sondern als besonderer Akt der Erfassung einessinnlichen Gehaltes Dieser Akt steht zum einen unter der Bedingung aumluszligererReize die nach Maszliggabe der Sinnesorgane aufgenommen werden Zum an-deren hat dieser Akt den inneren Gemeinsinn zur Voraussetzung der den

44 Ebd oculis clausis vel cum sint tenebrae apprehendimus montes et valles et astra et forma-mus in nobis diversa phantasmata et ibi non solum reservatio specierum sed etiam cognitioet actualis apprehensio ipsorum sensibilium cum tamen non sint sensibilia a praesentia

45 Ebd in somno clausis sensibus exterioribus apparent nobis sensibilia ac si essent in con-spectus nostro cum simpliciter hoc non sit per sensus exteriores eo quod sunt clausisequitur quod hoc est per alium sensum interiorem

46 Ebd 643 f si homo vocat canem et canis eum videat iudicabit quod ille quem videt estvocans eum et ibit ad ipsum modo hoc iudicium non potest fieri per aliquem sensumexteriorem nec per plures sensus exteriores si non sit alius sensus communis quia visusnihil cognoscit de vocatione sed solum auditus ideo non potest iudicare quod ille sit vo-cans Et ita etiam auditus non iudicat de proprio visibili nec ambo sensus simul compone-rent vel dividerent propria sua sensibilia quia ponens convenientiam vel differentiam interalia oportet quod cognoscat ambo illa [hellip] oportet enim quod sit eadem virtus formansactum compositivium vel divisivum quem formare non potest si non apprehendat utrum-que extremorum

322 Gerhard Krieger

Aktcharakter der Wahrnehmung bedingt wie er sich in der Wahrnehmungder Wahrnehmung sowie in der Einheit des jeweiligen Wahrnehmungsgehal-tes zeigt Im Ergebnis bestimmt Buridan den Gemeinsinn im Blick auf dessenFunktion der Gewaumlhrleistung der Wahrnehmung in deren Bedeutung als sinn-licher Erkenntnis Die sinnliche Bestimmtheit dieser Erkenntnis ist durch dieSinnesorgane bedingt ihre Erkenntnisnatur d h ihr Bestimmungscharakterverdankt sich dem Gemeinsinn

Im Sinne dieser Kennzeichnung des Gemeinsinns nimmt Buridan schlieszlig-lich zu dessen physiologischer Ruumlckbindung bei Aristoteles47 Stellung Dieorganische Bestimmtheit des Gemeinsinns versteht sich fuumlr Buridan insoweitals er Element der Sinnlichkeit ist Demgemaumlszlig erklaumlrt sich die fragliche orga-nische Bestimmtheit von der Sinnlichkeit als solcher her insoweit diese dieBedingung sinnlicher Bestimmbarkeit darstellt Die Besonderheit des Gemein-sinns in diesem Zusammenhang ergibt sich schlieszliglich im Sinne der besonde-ren Disposition im Zusammenhang der verschiedenen sinnlichen Dispositio-nen48 Im Ergebnis kennzeichnet Buridan die organische Bestimmtheit desGemeinsinns damit unter dem Aspekt funktionaler Zweckbestimmung diesesSinns im Zusammenhang der Funktion sinnlicher Erkenntnis insgesamt undderen organische Bestimmtheit als Bedingung dieser Funktion

Die funktionale Hinsicht bestimmt ebenfalls die Differenz der imaginatiooder phantasia zum Gemeinsinn insofern letztgenannter die Aufgabe derAufbewahrung der im Gemeinsinn realisierten sinnlichen Gehalte zufaumlllt49

Buridan ersetzt damit die zeitliche Vorrangstellung des Gemeinsinns vor der

47 De an III 348 Buridan Quaestiones de anima (wie Anm 41) 644 potest addi quod ille sensus communis

est unus sensus scilicet habens unum organum ad quod organum terminantur et copulan-tur organa sensuum exteriorum [hellip] Et ut magis appareat quomodo hoc sit verum debetisnotare quod ad sensum tria principaliter et intrinsece concurrunt Primum est anima sensiti-va quae est principalis forma corporis et organi sensitivi Et ratione eius sensus communisbene est unus cum illa sit una in uno animali et eiusdem rationis per totum corpus animaenim est simplex forma sic quod non composite ex partibus diversarum rationum Secund-um quod requiritur est materia organi ratione cuius etiam sensus potest dici unus quiamateria in totali corpore animalis est una indivisa et non habens partes diversarum ratio-num Tertium quod requiritur est dispositio qualitativa organi quae in diversis membris estdiversa et propter cuius solius diversitatem dicuntur membra et organa diversa Unde prop-ter huiusmodi diversitatem dicuntur organa sensuum exteriorum diversa et etiam sensusexterior est diversus Et imaginandum est etiam quod quantum ad huiusmodi qualitativasdispositions sensus communis est unus in se et diversus a sensibus exterioribus

49 Ebd l II q 27 Utrum in homine sint ponendae quattuor virtutes sensitivae interioressenus communis phantasia cogitativa et memorativa 648 praeter sensum communem automnem virtutem cognoscitivam oportet ponere aliam virtutem non cognoscitivam quae sitreservativa specierum sensibilium [hellip] et talem dicunt auctores esse phantasiam quae alionomine vocatur imaginativa quae reservat imagines seu similitudines rerum sensibilium

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 323

Imagination durch das Verhaumlltnis von urspruumlnglicher Gestaltung der Wahr-nehmung im Gemeinsinn in Relation zu aufbewahrender Reproduktion desWahrgenommenen in der Imagination

Im Ergebnis vertritt Buridan also folgende Auffassung Die Gestaltungder Wahrnehmung durch den inneren Gemeinsinn betrifft die wahrgenomme-nen Gehalte nicht in ihrer Realitaumlt sondern insoweit als diese Gehalte tat-saumlchlich wahrgenommen werden Insoweit liegen die sinnlichen Gehalte derWahrnehmung der Realitaumlt nach voraus aber der Einheit ihrer sinnlichenGestalt nach kommt die Wahrnehmung unabhaumlngig davon zustande Der Ge-meinsinn ermoumlglicht also auf der Ebene der Wahrnehmung etwas als etwaszu erkennen der Gemeinsinn ist die Bedingung der Erkenntnisnatur sinnli-cher Wahrnehmung und diese Natur liegt in der Bestimmungsfunktion dersinnlichen Erkenntnis Sinnliche Wahrnehmung ist fuumlr Buridan also nicht einesich unmittelbar ergebende Abbildung von Reizkonstellationen sondern einein vermittelter Unmittelbarkeit zustande kommende und insoweit gestalteteSinneseinheit Buridan versteht damit das Verhaumlltnis von innerem Gemein-sinn und aumluszligeren Sinnen gemaumlszlig der Differenz zwischen innerem Grund derForm der Wahrnehmung und aumluszligerem Ursprung ihrer Bestimmungen Zu-gleich steht der Gemeinsinn im Verhaumlltnis urspruumlnglicher Gestaltung derWahrnehmung zu aufbewahrender Reproduktion des Wahrgenommenen inder Imagination

III Vernunft als Bedingung gegenstaumlndlicher Bestimmtheit

An dieser Stelle ist wiederum eine kurze Bemerkung in Bezug auf die Rezepti-onsbedingungen der Auffassung Buridans angebracht Diese ergeben sichzum einen von Ockhams Kritik an der Annahme extramentaler Realitaumlt all-gemeiner und notwendiger Entitaumlten her Insoweit stellt sich fuumlr Buridan dieFrage wie sich diese Allgemeinheit und Notwendigkeit uumlber die logische undsprachliche Repraumlsentation hinaus begruumlndet In Verbindung damit stellt zu-gleich der Skeptizismus des Nikolaus von Autrecourt eine besondere Rezep-tionsbedingung fuumlr Buridans Auffassung dar Zugespitzt gesagt fuumlhrt dieserSkeptizismus naumlmlich zur Infragestellung von Erkenntnis und Wissenschaftuumlberhaupt

Buridans Verhaumlltnis zu Nikolaus von Autrecourt hat Dominik Perler imZusammenhang der Diskussion skeptischer Debatten im Mittelalter naumlheruntersucht50 Dabei betrachtet der genannte Interpret beide Autoren Niko-

50 D Perler Zweifel und Gewissheit Skeptische Debatten im Mittelalter Frankfurt aM 2006350ndash401

324 Gerhard Krieger

laus ebenso wie Buridan als Reaktionen auf skeptische HerausforderungenIm Unterschied dazu verhalten sich die beiden Auffassungen im Lichte meinerBetrachtung im Sinne eines Skeptizismus (Nikolaus) und dessen Widerlegung(Buridan)51

Im Besonderen ist Perler der Auffassung dass es fuumlr Buridan bdquoabwegig[sei] ein letztes Fundament fuumlr jedes Wissen zu suchen [hellip] Fuumlr Buridan warein radikaler Zweifel ausgeschlossen weil er als Aristoteliker immer schonvoraussetzte dass es natuumlrliche kognitive Vermoumlgen gibt die auf die Gegen-staumlnde der Welt abgestimmt sindldquo52 Innerhalb dieses bdquometaphysischen Rah-mensldquo53 steht Wissen bdquoin Kontextenldquo54 d h es ist in seiner bdquojeweiligen Ver-flechtung und damit als Bestandteil eines kohaumlrenten Ganzenldquo aufzufassenInsoweit ist Buridans Ansatz in der Betrachtung Perlers ein bdquokohaumlrentisti-scher und gleichzeitig pluralistischerldquo55 Im Besonderen biete der angespro-chene bdquometaphysische Rahmenldquo in Perlers Betrachtung Buridan bdquoeinen ele-ganten Ausweg aus der skeptischen Falleldquo insofern er ihn vor einem unendli-chen Regress bewahre bdquoWuumlrde man sich naumlmlich darauf einlassen eineKontrollinstanz fuumlr den Intellekt anzunehmen koumlnnte auch fuumlr diese Instanzwieder eine Kontrollinstanz gefordert werden [hellip] Genau diesem Problementgeht Buridan indem er den Intellekt von vornherein als das houmlchste kogni-tive Vermoumlgen des Menschen bestimmt und ihm ndash wie der ganzen Natur ndashZuverlaumlssigkeit zuspricht [hellip] Als Teil der Natur funktioniert der Intellekt imPrinzip korrekt und bildet unter normalen Bedingungen korrekte Urteileldquo56

Zum Ansatzpunkt der Stellungnahme zu dieser Deutung der AuffassungBuridans im Rahmen der hier verfolgten Darstellung der Transformation deraristotelischen Metaphysik in Buridans Denken bietet sich dessen Haltung inder Frage des bdquoersten Prinzipsldquo des Wissens an In der Sache stellt sich damitnaumlmlich die Frage inwieweit Buridan den Versuch einer eigenen bdquoLetztbe-gruumlndungldquo des Wissens als solchen unternimmt In Perlers Sicht liegt einsolcher Versuch bei Buridan jedenfalls nicht vor insofern fuumlr diesen bdquodasPrinzip der Widerspruchsfreiheit [hellip] das erste und fundamentalste [hellip] nichtweiter beweisbare Prinzipldquo57 ist Da es sich tatsaumlchlich aber anders verhaumlltd h da Buridan in der Frage des bdquoersten Prinzipsldquo ebenso Kritik an Aristote-

51 Vgl dazu im Einzelnen G Krieger Transzendental oder kohaumlrentistisch Buridans Widerle-gung des Skeptizismus in Acta Mediaevalia XXII (2009) 301ndash332

52 Perler Zweifel und Gewissheit (wie Anm 50) 400 f53 Ebd54 Ebd 38255 Ebd 37556 Ebd 38957 Ebd 371 f Perler unterlaumlsst eine Stellungnahme zu den im Folgenden angefuumlhrten durch-

aus anders lautenden Aumluszligerungen Buridans

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 325

les uumlbt wie er zugleich das Identitaumltsprinzip zum bdquoersten Prinzipldquo erklaumlrt undes als solches ausdruumlcklich begruumlndet erweist sich Perlers Deutung sowohlin Bezug auf das bdquoerste Prinzipldquo als auch hinsichtlich des kohaumlrentistischenCharakters des Wissenskonzeptes Buridans als nicht zutreffend

1 Die Kritik an Aristoteles

In Hinsicht auf Buridans hier infrage stehende Aristoteleskritik ist noch zuberuumlcksichtigen dass diese dem Nichtwiderspruchsprinzip in der fraglichenBedeutung in ontologischer Hinsicht gilt d h insoweit als Aristoteles sagtdass es unmoumlglich sei dass dasselbe demselben zukommt oder nicht zu-kommt (idem simul inesse et non inesse eidem est) Dass diese Aussage nachAristoteles das erste Prinzip darstelle muumlsse so Buridan offensichtlich be-stritten werden (statim videtur quod primum principium deberet negari quodest tale secundum Aristotelem) Dabei versteht sich die fragliche Aussage fuumlrBuridan in kategorischer und affirmativer Weise d h als uneingeschraumlnktwahre Aussage58

Vor diesem Hintergrund argumentiert Buridan zur Begruumlndung seinerKritik folgendermaszligen Er geht davon aus dass die als Subjektausdruck ge-brauchte Wendung bdquodasselbe kommt demselben zu oder kommt ihm nichtzuldquo etwas oder nichts ist dabei zeigt seine weitere Argumentation dass erbdquoseinldquo im Sinne faktischer Existenz oder Vorkommens versteht In diesemSinne verstanden ist der angesprochene Subjektausdruck so Buridan etwasdas vorkommt Deswegen kann eben dieser Ausdruck sbquodasselbe kommt dem-selben zu oder kommt ihm nicht zulsquo in einer Aussage Verwendung findenWird ausgesagt bdquosbquodasselbe kommt demselben zu oder kommt ihm nicht zulsquoist unmoumlglichldquo wird ausgesagt dass das was ist nicht moumlglich sei Denn indieser Aussage supponiert einer ihrer Ausdruumlcke fuumlr etwas das es laut dieserAussage nicht gibt bdquodasselbe kommt demselben zu oder kommt ihm nichtzuldquo ist ein Ausdruck der in der Aussage vorkommt bdquosbquodasselbe kommt dem-selben zu oder kommt ihm nicht zulsquo ist unmoumlglichldquo Gemaumlszlig dieser Aussageist also sbquodasselbe kommt demselben zu oder kommt ihm nicht zulsquo etwas dasist und doch nicht sein kann Diese Aussage steht somit nicht fuumlr sich selbstFalls bdquosbquodasselbe kommt demselben zu oder kommt ihm nicht zulsquo ist unmoumlg-

58 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) l IV q 12 f 21 va-b statim videtur quod primum principium deberet negari quod est tale secundum Aristote-lem sbquoidem simul inesse et non inesse est impossibilelsquo Et ista est vera propositio cathegoricaet affirmativa cuius subiectum est ista oratio sbquoidem simul inesse et non inesselsquo et praedica-tum est ille terminus sbquoimpossibilelsquo Die betreffende Stelle in der Metaphysik findet sichΓ 31005 b 23 f ἀδύνατον γάρ ὁντινοῦν ταὐτον υ‛πολαμβάνειν εἶναι καὶ μη εἶναι

326 Gerhard Krieger

lichldquo nichts ist ist die Aussage falsch Denn eine Wahrheit beanspruchendeAussage ist falsch wenn einer ihre Ausdruumlcke fuumlr nichts steht Im Ergebniszeigt sich dass die Aussage bdquosbquodasselbe kommt demselben zu oder kommtihm nicht zulsquo ist unmoumlglichldquo nicht als das infrage stehende Prinzip fungierenkann wie immer sie in den beiden ins Auge gefassten Modi verwendet wird59

Buridan macht also in seiner Kritik geltend dass der Ausschluss wider-spruumlchlicher Bestimmtheit im angesprochenen ontologischen Sinne nicht alsdas erste Prinzip fungieren kann indem er diesen Ausschluss in seiner Funkti-on der Aussage methodisch analysiert d h in seiner suppositiven Funktiongemaumlszlig der suppositio materialis Buridan setzt auf diese Weise an der Aussa-ge in ihrer Faktizitaumlt an insofern folgt er der Hinsicht der Gegenstaumlndlichkeitoder Sachhaltigkeit

2 Das Identitaumltsprinzip als bdquoerstes Prinzipldquo

Buridans eigene Stellungnahme zur Gestalt des bdquoersten Prinzipsldquo besagt dasser glaube (credo) dass die von ihm getroffenen Formulierungen des schlecht-hin ersten Prinzips angenommen werden muumlssten (simpliciter primum princi-pium debet poni) Weiter nimmt Buridan zwei Formulierungen vor Zu-naumlchst bdquoJegliches ist oder ist nichtldquo (Quodlibet est vel non est) Dann fuumlgtBuridan die als universell qualifizierte Aussage an bdquoNichts ist ein Identischesund nicht ein Identischesldquo (ista universalis nihil idem est et non est)60 DieseFeststellung werde ich in insgesamt drei Schritten naumlher untersuchen

1 Buridan kennzeichnet seine Feststellung dass die beiden dann folgendenFormulierungen des schlechthin ersten Prinzips angenommen werdenmuumlssten ihrem epistemischen Modus nach als subjektive Annahme (egocredo) Weiter unterstreicht Buridan indem er die Einfachheit oderSchlechthinnigkeit des ersten Prinzips (simpliciter primum principium)hervorhebt seinen objektiven Anspruch er zeigt sich davon uumlberzeugtdas erste Prinzip mit der getroffenen Formulierung im Modus des Urteilsdefinitiv auszusagen

59 Ebd f 21 vb Tunc arguo sic sbquoidem simul inesse et non inesse eidemlsquo est aliquid vel nihilSi est aliquid ergo potest esse quia omne quod est potest esse Et si potest esse tuncipsum non est impossibile Si vero nihil sit tunc propositio est falsum quoniam affirmativaest falsa si aliquis terminorum pro nullo supponit Et ita quocumque modo dicatur istapropositio videtur esse falsa

60 Ebd f 23 ra Sed ego credo quod simpliciter primum principium debet poni ista propositioquodlibet est vel non est Vel ista universalis nihil idem est et non est

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 327

Dass Buridan auf der einen Seite seine Aussagen ihrem epistemischenModus nach einschraumlnkt und sie zugleich auf der anderen Seite mit einemuneingeschraumlnkten Wahrheitsanspruch verknuumlpft findet seine Entspre-chung darin dass die beiden zu analysierenden Formulierungen des ers-ten Prinzips ihrer Form nach hypothetischer Natur sind Dem Gehaltnach entspricht Buridans Stellungnahme diesem Verhaumlltnis insofern diebeiden Formulierungen die beiden Seiten der Erkenntnis des Intellekteszum Ausdruck bringen insoweit dieser sich selbst in seiner urteilendenTaumltigkeit in prinzipieller Hinsicht erfasst zum einen die Erkenntnis dassin jeglichem Urteil Gegebenes als Zu-Erkennendes vorausgesetzt wirdzum zweiten dass in jeglichem Urteil der Intellekt sich selbst in seinerBestimmtheit als Bestimmendes voraussetzt Das erste Prinzip Buridansmacht die Selbsterkenntnis des Intellektes als Bedingung jeglicher Er-kenntnis im subjektiven und im objektiven Sinne ausdruumlcklich Damitartikuliert der zur Diskussion stehende Text den Kern der transzendenta-len Grundlegung der Metaphysik durch Buridan61

2 Buridans erste Formulierung des ersten Prinzips lautet Jegliches ist oderist nicht (Quodlibet est vel non est)62 Insofern kann das Prinzip auch soformuliert werden Es wird vorausgesetzt dass ein jegliches ist Daherstellt sich die Frage nach der Begruumlndung der objektiven Geltung dieserAussage d h konkret nach dem Grund der entscheiden laumlsst dass einJegliches ist Es liegt nahe anzunehmen dass dieser Grund darin bestehtbeurteilen zu koumlnnen als was ein jegliches istDie erste Formulierung des ersten Prinzips laumlsst sich damit folgenderma-szligen deuten Im Sinne subjektiven Fuumlr-wahr-Haltens besteht der Aus-gangspunkt des Erkennens in der alternativen Annahme dass es Jeglichesgibt oder nicht gibt Diese Alternative laumlsst folgende Annahme als denfraglichen Ausgangspunkt zu Es wird vorausgesetzt dass es Jeglichesgibt Dementsprechend stellt sich die Frage nach dem Grund bzw Kriteri-um fuumlr die Entscheidung daruumlber dass ein Jegliches vorkommt Es legtsich nahe anzunehmen das das fragliche Kriterium die Entscheidung da-ruumlber ermoumlglicht als was es etwas gibt als was es etwas geben kannund schlieszliglich auch als was es etwas geben muss Denn ansonstenkoumlnnte der gesuchte Gehalt nicht wirklich Kriterium sein sondern waumlreseinerseits nur etwas das es gibt Das mit der diskutierten Formulierung

61 R Schoumlnberger Relation als Vergleich Die Relationstheorie des Johannes Buridan im Kon-text seines Denkens und der Scholastik LeidenndashKoumlln 1994 285 sieht in Buridans Formulie-rung des primum principium complexum zwar durchaus bdquoin Absetzung von Aristoteles eineNeuformulierungldquo Er unterlaumlsst aber deren Analyse und uumlbersieht demzufolge die skizzierteBedeutung dieses Textes

62 Vgl oben Anm 60

328 Gerhard Krieger

des schlechthin ersten Prinzips fragliche Kriterium eroumlffnete so verstan-den also die Bestimmung realer Moumlglichkeit (im Unterschied zur logi-schen Denkbarkeit d i die durch die Elemente eines Begriffs und dielogischen Prinzipien bedingte innere Nichtwiderspruumlchlichkeit) vonWirklichkeit und von realer Notwendigkeit (im Unterschied zur logi-schen durch die logischen Prinzipien bestimmten Notwendigkeit)

3 Buridan fuumlgt der zuvor analysierten Fassung des ersten Prinzips folgendezweite als universell qualifizierte Formulierung an bdquoNichts ist ein Identi-sches und nicht ein Identischesldquo (ista universalis nihil idem est et nonest)63

Hinsichtlich der Deutung dieser Aussage sei zunaumlchst festgehalten dassder Ausdruck est ebenso wie bei der ersten Formulierung des schlechthinersten Prinzips im Sinne des bdquoEs gibtldquo verstanden wird Weiter bringtBuridan mit der universellen Qualifizierung dieser Aussage zum Aus-druck dass die jetzt zur Diskussion stehende Fassung die ist die als dasschlechthin erste Prinzip angenommen werden muss wenn es denn tat-saumlchlich als ein solches angenommen wird

Im Ergebnis besagt dies Die erste Formulierung des ersten Prinzips bringt diedem subjektiven Ausgangspunkt des Erkennens und Urteilens entsprechendeFeststellung der Annahme des Dass eines Jeglichen zum Ausdruck Die zweiteFormulierung stellt das Prinzip der Bestimmbarkeit oder der realen Moumlglich-keit von Bestimmtem dar Denn mit dem Gesichtspunkt der Identitaumlt ist einKriterium zur Beurteilung dessen gegeben als was etwas vorkommt vorkom-men kann oder vorkommen muss Insofern charakterisiert diese Formulie-rung das schlechthin erste Prinzip als die schlechthin grundlegende Bedin-gung von Bestimmtheit und damit zugleich als die grundlegende Bedingungvon Gegenstaumlndlichkeit oder Sachhaltigkeit im Allgemeinen

Schlieszliglich gehoumlrt es fuumlr Buridan zu einer evidenten Annahme (evidentisopinionis) dass es unmoumlglich ist in irgendeinem Falle der zu dieser Annahmekontraumlren Meinung zu sein Denn letztgenannte Moumlglichkeit erforderte eskontraumlre Annahmen in ein- und demselben Intellekt zu realisieren was un-moumlglich ist64

Diese Bemerkung versteht sich folgendermaszligen Zwei Uumlberzeugungenschlieszligen sich nicht bereits dadurch gegenseitig aus dass sie sich ihrem sachli-

63 Ebd64 Buridanus Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (wie Anm 3) l IV q 12 f 23 ra

Et iterum illa de hypothetico extremo vel etiam propositio hypothetica disiungens conce-denda est Ita evidentis opinionis quod impossibile est ipsi opposita opinari in quocumquecasu quia oporteret opinantem habere simul in intellectu opiniones contrarias quod estimpossibile

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 329

chen Gehalt nach kontradiktorisch zueinander verhalten sondern erst dannwenn sie sich in ihrer gedanklichen Realitaumlt und damit kontraumlr zueinanderverhalten Unter dieser Voraussetzung steht naumlmlich jede der beiden Uumlberzeu-gungen fuumlr sich im Verhaumlltnis der Bejahung des betreffenden SachverhaltesDamit stehen die beiden Uumlberzeugungen zugleich im kontraumlren Verhaumlltniszueinander Denn im Falle der einen Uumlberzeugung stimmen Uumlberzeugung undSachverhalt uumlberein waumlhrend dies im Falle der entgegengesetzten Uumlberzeu-gung nicht zutrifft Die beiden Uumlberzeugungen stehen also deswegen im kont-raumlren Verhaumlltnis zueinander weil der Intellekt sich dabei in Bezug auf denSachverhalt gleichzeitig im Verhaumlltnis der Bejahung und der Verneinung be-findet Dass die beiden Uumlberzeugungen im kontraumlren Verhaumlltnis zueinanderstehen heiszligt also kurz gesagt dass dasselbe Subjekt bzw derselbe Intellektsich selbst gleichzeitig bejaht und verneint urteilt und zugleich nicht odergegensaumltzlich urteilt Das aber ist unmoumlglich contraria non possunt esse ineodem subiecto vel intellectu

Damit zeigt sich im Ergebnis zweierlei erstens dass es sich bei dem Sach-verhalt des ersten Prinzips als solchen um nichts anders handelt als um dieForm des Intellektes oder der Bestimmtheit als solcher Der Sachverhalt desersten Prinzips ist der Gesichtspunkt der Identitaumlt Und zweitens dass dieserwie jeder Sachverhalt oder Gegenstand zur bdquoWeltldquo gehoumlrt insofern er dermeines Intellektes ist oder sein kann d h insofern ich mir bzw mein Intellektsich dieses Gegenstandes gewiss zu sein vermag Denn der Sachverhalt desersten Prinzips selbst bleibt in seiner Objektivitaumlt unerkennbar da diese Er-kenntnis die subjektive Gewissheit oder die Realitaumlt der Vernunft bereitsvoraussetzt Insofern schlieszligt so Buridan die Gewissheit dass es unmoumlglichist im selben Intellekt gleichzeitig kontraumlre Annahmen realisieren zu koumlnnennicht die einfache und kategorische Aussage uumlber die objektive Realitaumlt desIntellektes als Identitaumltsverhaumlltnis ein65 Im Ergebnis bestimmt sich Realitaumltuumlberhaupt nach der Realitaumlt des Intellektes als tatsaumlchlich realisierten Bestim-mungs- oder Erkenntnisverhaumlltnisses Die subjektive Selbstgewissheit derVernunft ist die unhintergehbare Basis allen Erkennens und Wissens

IV Die transzendentale Wende als Element der Geschichteder Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter

Buridans Beitrag zur Geschichte der Metaphysik des Aristoteles im Mittelal-ter besteht im Ergebnis zugespitzt gesagt darin die subjektive Hinsicht als

65 Ebd Talem autem evidentiam non includit aliqua simplex cathegorica saltem explicite

330 Gerhard Krieger

das Prinzip des Erkennens und Wissens und damit das der Gegenstaumlnde her-vorgehoben zu haben und zwar sowohl im Blick auf die sinnliche als auchauf die intellektive Erkenntnis Gemeinsam ist beiden Erkenntnisweisen dieUrspruumlnglichkeit und damit der Vorrang der Erkenntnisbeziehung als solcherim Verhaumlltnis zu ihrem Gehalt Der Sache nach begruumlndet sich damit diesinnliche ebenso wie die begriffliche Gestalt des Erkannten als solchen imErkenntnisverhaumlltnis selbst wenn gleich das Erkannte seiner Realitaumlt nachder Erkenntnis vorausliegt Insoweit gehoumlrt die transzendentale Wende in die-sem Sinne verstanden zur Geschichte der Metaphysik des Aristoteles im Mit-telalter selbst Buridan vollzieht diesen Schritt naumlmlich ganz im Sinne derspezifischen Selbstdeutung des Denkens wie sie fuumlr die mittelalterliche Sichtim generellen Sinne kennzeichnend ist Diese Selbstdeutung fuumlhrt Buridanihrem Ursprung wie ihrem Geltungsanspruch nach auf die antike Philosophiezuruumlck er begruumlndet Wissen der Sache nach mit dem Motiv der Wahrheitund historisch fuumlhrt er dieses Motiv auf Plato und Aristoteles zuruumlck66 Zu-gleich versteht Buridan seine tatsaumlchliche Realisierung der Philosophie alseinen individuellen Akt als Ausdruck und Konsequenz von Freiheit Konkretzeigt sich diese Individualitaumlt und Freiheit bei Buridan in dem historischdurchaus ungewoumlhnlichen Verbleib in der philosophischen Fakultaumlt und demVerzicht auf den Aufstieg in die theologische Fakultaumlt67

Systematisch gesehen ist es in heutiger Perspektive nicht selbstverstaumlnd-lich und anerkannt dass die subjektive Hinsicht als Prinzip des Erkennensund Wissens zu gelten hat Buridans Uumlberlegungen scheinen mir fuumlr dieseAuseinandersetzung durchaus Ansaumltze und Perspektiven zu eroumlffnen Das nauml-her auszufuumlhren dazu beduumlrfte es freilich nicht allein einer anderen Gelegen-heit Bei meiner Stellungnahme wuumlrde ich auch das mitberuumlcksichtigen wasich in meinem Beitrag zum Denken des Nikolaus von Kues vortragen moumlchteInsofern schlieszlige ich mit der Ankuumlndigung dass ich das was ich hier zuBuridan vorgetragen habe im Blick auf Cusanus in einzelnen Gesichtspunk-ten aufgreifen werde

66 Vgl dazu naumlher G Krieger Die Ruumlckkehr des Sokrates Oder Wo liegen die Grenzen mittel-alterlichen Denkens in Grenze und Grenzuumlberschreitungen im Mittelalter (11 Symposiondes Mediaevistenverbandes FrankfurtO) hrsg v Ulrich Knefelkamp Kristian Bosselmann-Cyran Berlin 2007 439ndash452

67 Vgl dazu naumlher B Michael Johannes Buridan Studien zu seinem Leben seinen Werkenund zur Rezeption seiner Theorien im Europa des spaumlten Mittelalters Berlin (Diss FU)2 Bde 1985 hier Bd I S 203

Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik 331

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332 Gerhard Krieger

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Metaphysik als Entwurf ndashCusanus und die Metaphysik

Gerhard Krieger

Meine Uumlberlegungen zur Stellung und Bedeutung des cusanischen Denkensin metaphysischer Hinsicht koumlnnen sich nicht auf einen Kommentar zur aris-totelischen Schrift stuumltzen Aus diesem Grund werde ich zunaumlchst einige Be-merkungen dazu machen wie sich mein Beitrag von seinen Voraussetzungenund methodisch versteht In diesem Rahmen werde ich auch etwas zu denRezeptionsbedingungen sagen unter denen nach meiner Einschaumltzung derangesprochene Beitrag des Cusanus zu sehen ist Ebenso erfolgt in diesemZusammenhang eine erste Erlaumluterung der Deutung der Metaphysik durchCusanus im Blick auf dessen Verstaumlndnis der coniectura (I) Weiter werdeich dieses Verstaumlndnis dann im Einzelnen naumlher vorstellen und erlaumlutern (IIndashIV) Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen werden (V)

I HinfuumlhrungZu den Voraussetzungen der Uumlberlegungen

zum methodischen Vorgehen und zu einer ersten Erlaumluterungder intendierten Deutung

1 Zu den Voraussetzungen und zum methodischen Vorgehen

Meine Uumlberlegungen basieren zum einen auf der Annahme dass Cusanus inseinem Denken insgesamt im Sinne mittelalterlicher Intellektualitaumlt ansprech-bar ist wie sie ihre Gestalt in der Universitaumlt erfaumlhrt und entwickelt Insoweitwird im Blick auf das cusanische Denken ein metaphysischer Deutungszu-sammenhang unterstellt der sich als solcher zwar nicht bei Cusanus selbstdargelegt und expliziert findet der aber gleichwohl als gedanklicher Zusam-menhang des Nikolaus von Kues und damit als cusanisch angesehen werdenkann Im Lichte dieser Annahme beziehe ich mich auf eine Reihe von Textendes Kardinals die insoweit die methodische Grundlage meiner Uumlberlegungenbilden damit als Ausdruck des angesprochenen Deutungszusammenhangsgenommen und in ihrem sachlichem oder philosophischen Anspruch analy-siert und diskutiert werden Der Ausdruck bdquoMetaphysikldquo wird dabei in kur-

334 Gerhard Krieger

sivierter Schreibweise gebraucht soweit damit die betreffende Schrift desAristoteles gemeint ist waumlhrend sich der Ausdruck ohne Kursivierung aufdie betreffende Wissenschaft oder bdquoErste Philosophieldquo im Verstaumlndnis desAristoteles bezieht

Die Zuordnung des Cusanus zur Geschichte der Metaphysik des Aristote-les basiert daruumlber hinaus auf zwei Annahmen deren erste die beiden Motivebetrifft die Cusanus seinerseits in Bezug auf sein Verhaumlltnis zu Aristotelesund Platon benennt Er tut dies im Blick auf die aristotelische Leugnungapriorischer Erkenntnisinhalte und den betreffenden Vergleich des Geistesmit einer unbeschriebenen Tafel Insoweit bestimmt der Kardinal sein Ver-haumlltnis zu Aristoteles von dem Motiv her dass sich die inhaltliche Bestimmt-heit der Erkenntnis der Erfahrung verdankt1 Im Unterschied dazu kennzeich-net Cusanus sein Verhaumlltnis zu Platon von der Urteilsfaumlhigkeit des menschli-chen Geistes her die diesem urspruumlnglich und aus sich heraus zukomme2

Insofern moumlchte ich dieses Motiv hier im Sinne der Vereinheitlichungs- oderBestimmungsfunktion des Urteils bzw allgemeiner des menschlichen Geistesaufgreifen

Die zweite Annahme in Bezug auf das Verhaumlltnis des Kardinals zu Aristo-teles betrifft dessen Hinsichten auf die aristotelische Metaphysik Diese erge-ben sich aus meiner Sicht im Besonderen aufgrund der historischen Bezuumlgezur aristotelisierenden Tradition im mittelalterlichen Denken Im Besonderensind dies Auffassungen die als ockhamistisch und als scotisch bzw scotistischgelten koumlnnen sowie solche die auf Buridans Denken verweisen Im Einzel-nen lassen sich diese Bezuumlge in Texten des Cusanus identifizieren Insofernverstehe ich diese Positionen zugleich im Sinne der besonderen Rezeptionsbe-dingungen der aristotelischen Metaphysik im cusanischen Denken

Im Blick auf die Frage wie das Verhaumlltnis des Cusanus zur Metaphysikdes Aristoteles in der Literatur gesehen wird und wie sich die hier vorgelegte

1 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (Philosophische Bibliothek432) lat-dt neu uumlbers u mit Anm hg R Steiger Hamburg 1995 c IV n 77 AiebatAristoteles menti seu animae nostrae nullam notionem fore concreatam quia eam tabulaerasae assimilavit Plato vero aiebat notiones sibi concreatas sed ob corporis molem animamoblitam [hellip] Non est igitur credendum animae fuisse notiones concreatas quas in corporeperdidit sed quia opus habet corpore ut vis concreata ad actum pergat [hellip] In hoc igiturAristoteles videtur bene opinari animae non esse notiones ab initio concreatas quas incor-porando perdiderit

2 Ebd c IV n 77 f Verum quoniam non potest proficere si omni caret iudicio [hellip] quaremens nostra habet sibi concreatum iudicium sine quo proficere nequiret Haec iudicariaest menti naturaliter concreata per quam iudicat per se de rationibus an sint debiles fortesaut concludentem Quam vim si Plato notionem nominavit concreatam non penitus erravit[hellip] Experimur ex hoc mentem esse vim illam quae licet dareat omni notionali formapotest tamen excitata se ipsam omni formae assimilare et omnium rerum notiones facere

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 335

Sicht dazu verhaumllt sei auf die Stellungnahme verwiesen die dazu im Zusam-menhang des Fazits erfolgen wird

2 Eine erste Erlaumluterung der intendierten Deutungconiectura als Entwurf

Was schlieszliglich die besondere Gestalt der Transformation der Metaphysikbetrifft wie Cusanus sie in meiner Sicht vollzieht sei diese hier vorerst imBlick auf die Kennzeichnung menschlicher Erkenntnis als coniectura erlaumlu-tert Im Besonderen geht es um die Feststellung dass es sich bei einer coniec-tura um eine bejahende Behauptung handelt die zur Wahrheit selbst im Ver-haumlltnis von Andersheit und Teilhabe steht (positiva assertio in alteritate veri-tatem uti est participans)3 In seiner Erlaumluterung dieser Kennzeichnung gehtCusanus von der sinnlichen Erfassung eines Gegenstandes in dessen Gegen-wart aus Die betreffende begriffliche Bestimmung erfolgt im Sinne einer bdquopo-sitiven Bejahungldquo (positiva assertio) sie basiert insoweit auf der sinnlichenErfassung und wird gemaumlszlig ihrer sinnlichen Gegebenheit als zutreffend erach-tet (Nam dum tu clarissimis tuis oculis faciem pontificis coram conspicisde ipsa positivam assertionem concipis quam praecisam secundum occulumaffirmas)

Angesprochen ist also etwa folgendes Urteil bdquoIch sehe das Antlitz dieserPerson vor mirldquo das in seiner sinnlichen Unmittelbarkeit bdquobejahtldquo wird Un-terscheidet man weiter das angesprochene Sehen etwa vom betreffenden Houml-ren indem man feststellt dass die angesprochene Person zwar gesehen abernicht gehoumlrt wird zeigt sich ein zweifaches erstens ist diese Feststellung ih-rerseits nicht ein Urteil der angesprochenen Sinne sondern der Vernunft (ra-tio) und dieses Urteil verweist zweitens auf die Einsicht dass die Differenzvon Sehen und Houmlren in ihrer gemeinsamen Sinnlichkeit organisch bedingtist (Dum ad radicem illam unde discretio sensus emanat te convertis ndash adrationem dico ndash intelligis sensum visus participare vim discretivam in alteri-tate organice contracta4)

Gemaumlszlig ihrer organischen Bedingtheit verhaumllt sich die einzelne Sinnes-erkenntnis als solche standpunktbezogen oder relativ zu ihrem Gegenstand

3 Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (Philosophische Bibliothek Bd 268) lat-dt uumlbers u mit Einf u Anm hg v J Koch u W Happ Hamburg 1971 p I c XI n 57Coniectura igitur est positiva assertio in alteritate veritatem uti est participans

4 Ebd Nam dum tu pater clarissimis tuis oculis faciem pontificis summi [hellip] coram conspi-cis de ipsa positivam assertationem concipis quam praecisam secundum oculum affirmasDum autem ad radicem illam unde discretio sensus emanat te convertis ndash ad rationemdico ndash intelligis sensum visus participare vim discretivam in alteritate organice contracta

336 Gerhard Krieger

Insofern realisiert sich in der Sinneserkenntnis keine Wesenserkenntnis (fa-ciem ipsam non uti est sed in alteritate secundum angelum tui oculi abomnibus viventium oculis differentem contemplaras) Die Vernunft (ratio)bringt in ihrer Unterscheidungsfaumlhigkeit zwar die Vielfalt und Verschieden-heit der sinnlichen Erkenntnisse zur Einheit Insofern sind die sinnlichen Er-kenntnisse im Vergleich zu dieser Einheit in deren Praumlzision bdquoMutmaszligun-genldquo So wenig die sinnliche Erkenntnis Wesenserkenntnis ist so wenig istfreilich die Erkenntnis der (menschlichen) Vernunft soweit sie die Sinneser-kenntnis uumlberschreitet in ihrer Differenz zum schoumlpferischen Intellekt We-senserkenntnis Insofern realisiert auch die menschliche Vernunft bdquoMutma-szligungenldquo5

Im Lichte dieser Erlaumluterungen betrachtet wird die angesprochene Kenn-zeichnung der coniectura hinsichtlich ihres positiv-behauptenden Charakters(positiva assertio) im Sinne subjektiver Selbstgewissheit dieser Erkenntnis ge-deutet Cusanus erlaumlutert seinerseits diesen Aspekt mit dem Hinweis auf dieAffirmation der sinnlichen Erkenntnis gemaumlszlig ihrer sinnlichen GegebenheitAllerdings wird auf diese Weise der infrage stehende positive Behauptungs-charakter mutmaszligender Erkenntnis nicht auf deren sinnliche Bestimmtheitbezogen Denn Cusanus spricht diese Erkenntnis bereits als sinnliche in ihrembdquokonzeptionellenldquo Charakter an und hebt dementsprechend die Vernunft alsbdquoWurzel der sinnlichen Unterscheidungsfaumlhigkeitldquo hervor6 Soweit eine Er-kenntnis in ihrer Konjekturalitaumlt eine bdquobejahende Behauptungldquo darstellt istsie als diese Erkenntnis (und nicht in ihrer Sinnlichkeit) im subjektiven Sinnegewiss Insofern auch die Vernunfterkenntnis soweit sie die Sinneserkenntnisuumlberschreitet ebenso wenig wie diese Wesenserkenntnis zu realisieren ver-mag ist sie ihrerseits mutmaszligender Natur Deswegen verbindet sich mit die-ser Vernunfterkenntnis ebenfalls deren subjektive Selbstgewissheit

Ist auf diese Weise die infrage stehende Kennzeichnung mutmaszligenderErkenntnis in ihrem affirmativ-behauptenden Charakter erlaumlutert soll jetztdarauf naumlher eingegangen werden dass die bdquoMutmaszligungldquo wie Cusanussagt zur Wahrheit im Verhaumlltnis der Teilhabe und Andersheit (in alteritateveritatem uti est participans) steht Zum naumlheren Verstaumlndnis dieser Kenn-zeichnung sei zunaumlchst an die Begruumlndung angeknuumlpft die Cusanus seiner

5 Ebd Ob quam causam defectum casus a praecisione intueris quoniam faciem ipsam nonuti est sed in alteritate secundum angullum tui occuli ob omnibus viventium oculis diffe-rentem contemplaras [hellip] Quemadmodum vero sensus in unitate rationis suam alteritatemexperitur et assertationes sensibiles ab unitate praecisionis absolvendo coniecturas facit itaratio in radicali unitate sua in ipso scilicet intelligentiae lumine suam alteritatem et casuma praecisione in coniecturam invenit

6 Ebd positivam assertionem concipis quam praecisam secundum occulum affirmas [hellip] adradicem illam unde discretio sensus emanat te convertis ndash ad rationem dico Vgl Anm 4

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 337

Einschaumltzung der menschlichen Vernunfterkenntnis in ihrem Verhaumlltnis zumgoumlttlichen Intellekt gibt Cusanus dient dieser Vergleich dazu auch die mut-maszligende Natur der die Sinneserkenntnis uumlberschreitenden Vernunfterkennt-nis herauszustellen In seiner betreffenden Begruumlndung setzt er an der Diffe-renz des Erkennens zu seinem Gegenstand an Dieser wird seinem Wesennach nur in demjenigen Erkennen erfasst dessen Geschoumlpf dieser Gegenstandist (in proprio suo intellectu cuius ens existit uti est intelligitur) Insofernrealisiert sich (wahre) Wesenserkenntnis nur in derjenigen Erkenntnis dersich dieses Wesen seinem Sein nach verdankt (Non igitur attingitur aliquiduti est nisi in propria veritate per quam est) Dementsprechend wird dieWahrheit derjenigen Dinge die ihre Realitaumlt dem goumlttlichen Erkennen ver-danken im menschlichen Erkennen bdquonur anders und abgewandeltldquo (aliteratque varie) erfasst die betreffende Wesenserkenntnis ist in einem anderenErkennen (als dem goumlttlichen) nicht erreichbar (neque intellectus rei uti estin alio attingibilis est)7

Die menschliche Vernunft (ratio) vermag also zum einen keine Wesenser-kenntnis zu realisieren insofern es ihr an schoumlpferischer Kraft in Bezug aufden zu erkennenden Gegenstand in dessen Realitaumlt mangelt Zum anderenbegruumlndet sich dieser Mangel fuumlr Cusanus in der Verschiedenheit der gedank-lichen Realitaumlt einer Wesenserkenntnis Ein und dasselbe Wesen eines Dingesunterscheidet sich nach der Realitaumlt seiner jeweiligen Erkenntnis8 Weil dasWesen eines Dinges und die menschliche Vernunft ihrer Realitaumlt nach ver-schieden sind und sich menschliche Vernunfterkenntnis nur individuell unddamit mannigfaltig und verschieden realisiert verwirklicht sich die Wesenser-kenntnis der menschlichen Vernunft in der bdquoMannigfaltigkeit von Mutma-szligungenldquo (varietas coniecturarum)

Was gewaumlhrleistet zugleich den Zusammenhang der verschiedenen Mut-maszligungen gemaumlszlig ihrer Erkenntnisnatur so dass diese sowohl voneinanderals auch in Bezug auf das zu erkennende Ding nicht nur der Realitaumlt nachverschieden sondern zugleich in ihrer Bestimmtheit als Erkenntnis vergleich-

7 Ebd p I c XI n 55 Assis hic totus ut ad coniecturam varietatem subintres Nullum enimintelligibile uti est te intelligere posse conspicis si intellectum tuum aliam quandem remesse admittis quam intelligibile ipsum solum enim intelligibile ipsum in proprio suo intellec-tu cuius ens exsistit uti est intelligitu in aliis autem omnibus aliter Non igitur attingituraliquid uti est nisi in propria veritate per quam est In solo igitur divino intellectu perquem omne ens exsistit veritas rerum omnium uti est attingitur in aliis intellectibus aliteratque varie Neque intellectus rei uti est in alio attingibilis est

8 Ebd Neque intellectus rei uti est in alio attingibilis est sicut circulus uti est in hocsensibili paviemento alibi nisi aliter fieri nequit Identitas igitur inexplicabilis varie differen-ter in alteritate explicatur atque ipsa varietas concordanter in unitate identitatis complica-tur

338 Gerhard Krieger

bar sind Cusanus sieht diesen Zusammenhang gewaumlhrleistet durch das Ver-haumlltnis bdquounserer Intelligenzldquo (intelligentia nostra) zum bdquogoumlttlichen Intellektldquo(divinus intellectus) Naumlher hin deutet er dieses Verhaumlltnis im Sinne der An-dersheit und Teilhabe Der goumlttliche Intellekt stellt in seiner Erkenntnis eineWirklichkeit dar an der der menschliche Geist Anteil nimmt und zwar inder Weise unmittelbarer geistiger Teilhabe (participatio intellectualis incom-municabilis) Der menschliche Geist steht im Vollzug seiner Erkenntnis zurWirklichkeit des goumlttlichen Erkennens unmittelbar im Verhaumlltnis ebenso vonTeilhabe wie von Andersheit oder Moumlglichkeit (hinc participantes mentesin ipsa alteritate actualissimi intellectus quasi in actu illo qui ad divinumintellectum relatus alteritas sive potentia existit participare contingit)9 Dermenschliche Geist nimmt unmittelbar Anteil am goumlttlichen Geist im Vollzugdes Erkennens selbst Er tut dies zugleich in Andersheit oder Moumlglichkeitinsofern es ihm an der schoumlpferischen Kraft des goumlttlichen Erkennens man-gelt Insofern kann er das Wesen eines Dinges nur bdquoanders und abgewandeltldquoerkennen ohne dass ihm die Erkenntnis des Dinges gaumlnzlich verwehrt bliebeInsoweit versteht sich die bdquoAndersheit oder Moumlglichkeitldquo (alteritas sive po-tentia) in der eine Mutmaszligung menschlicher bdquoIntelligenzldquo das Wesen einesDinges und damit die Wahrheit erfasst nicht primaumlr im Sinne realer Differenzund Vielheit sondern einer Differenz in Bezug darauf wie dieses Wesen er-kannt wird und zur Darstellung gelangt Dabei kann in jedem Falle ausge-schlossen werden dass die fragliche Erkenntnis eine bloszlige Abbildung oderRepraumlsentation des fraglichen Wesens realisiert Denn in diesem Falle waumlredie bdquoMannigfaltigkeit der Mutmaszligungenldquo lediglich durch ihre reale Diffe-renz gegeben aber nicht gemaumlszlig ihrer jeweiligen Bestimmtheit als ErkenntnisEin und dasselbe Wesen eines Dinges unterschiede sich in den verschiedenenErkenntnissen zwar nach deren Realitaumlt aber nicht nach deren Verschieden-heit als Erkenntnisse ein und desselben Wesens (Identitas igitur inexplicabilisvarie differenter in alteritate explicatur)10

Gemaumlszlig diesen Uumlberlegungen zu der angesprochenen Kennzeichnung derconiectura wird deren herausgestellte subjektive Gewissheit als der Ausgangs-punkt des konjekturalen Erkennens verstanden und die bdquoMannigfaltigkeitder Mutmaszligungenldquo als Ausdruck und Konsequenz des deutenden und kreati-ven Charakters dieses Erkennens Naumlher hin besagt dies zum einen dass Er-

9 Ebd p I c XI n 56 Nam sunt mentes ipsae in se divini luminis radium capientes quasiparticipationem ipsam natura praevenerint sed participatio intellectualis incommunicabilisipsius actualissimae lucis earum quiditas exsistit Actualitas igitur intelligentiae nostrae inparticipatione divini intellectus exsistit [hellip] hinc participantes mentes in ipsa alteritate ac-tualissimi intellectus quasi in actu illo qui ad divinum intellectum relatus alteritas sivepotential exsistit participare contingit

10 Vgl Anm 8

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 339

kenntnis in ihrem angesprochenen Ausgangspunkt zugleich ihre unhintergeh-bare Basis besitzt Ihren letzten Grund findet menschliche Erkenntnis in derEvidenz die sie fuumlr den Erkennenden besitzt fuumlr den also der sie als solcherealisiert Denn insofern menschlichem Erkennen die definitive Wesenser-kenntnis verwehrt bleibt ist sie in ihrer Wahrheit oder Objektivitaumlt nicht aufeinen der Erkenntnis vorausliegenden Grund zuruumlckfuumlhrbar Fuumlr die Mannig-faltigkeit und Verschiedenheit in denen sich menschliche Erkenntnis gemaumlszligihrer mutmaszligenden Natur realisiert besagt dies zum anderen dass sich darinnicht eine Defizienz menschlicher Erkenntnis zeigt vielmehr ist menschlicheErkenntnis als solche standpunktgebunden und perspektivischer Natur undhat deswegen die Charaktere von Deutung und Entwurf Gemaumlszlig seinerGrundverfasstheit steht dieses Erkennen von vornherein nicht in einem blo-szligen Abbildungs- bzw Angleichungsverhaumlltnis zu seinen Gehalten sondernin einer deutenden bzw entwerfenden Beziehung So verstanden kann dieVerwendung des Ausdrucks bdquoEntwurfldquo durchaus auch als Uumlbersetzung vonconiectura angesehen werden Wenn ich in diesem Sinne das cusanische Ver-staumlndnis der Metaphysik als bdquoEntwurfldquo anspreche soll damit also gesagtsein dass der Kardinal der bdquoErsten Philosophieldquo eine Gestalt gibt die dieRelativitaumlt unserer theoretischen Kompetenz im Verhaumlltnis zu deren Gegen-stand ebenso anerkennt wie sie ihr zugleich eine eigene Sinnbestimmung zugeben vermag

Diese Sicht soll am Leitfaden bestimmter Hinsichten des Verstaumlndnissesder Metaphysik entfaltet werden und zwar in der Weise wie wiederum die-ses Verstaumlndnis sich im Lichte der angesprochenen historischen Bezuumlge dar-stellt Insofern menschliche Erkenntnis fuumlr Cusanus bereits in ihrer Sinnlich-keit mutmaszligender Natur ist nimmt die Darstellung ihren Ausgang bei dessenEinschaumltzung sinnlicher Erkenntnis Gemaumlszlig wiederum der historischen Per-spektive der intendierten Darstellung liegt es nahe dabei den Blick im Beson-deren auf den Zusammenhang zwischen sensus communis und imaginatio zurichten

II Sinnliche Erkenntnis Vermittelte Unmittelbarkeit dankimaginativer Vergegenwaumlrtigung sinnlicher Gehalte

Vor dem Hintergrund der betreffenden Darlegungen in der Darstellung derAuffassung Buridans in diesem Punkt11 sei zunaumlchst das Problem das sich

11 Vgl dazu naumlher die Ausfuumlhrungen im Beitrag zu Buridan unter II Sinnliche Wahrnehmungals Bedingung der Gegenstaumlndlichkeit

340 Gerhard Krieger

im Blick auf diesen Zusammenhang bei Aristoteles zeigt kurz angesprochenDieser nimmt uumlber die Einzelsinne hinaus einen zentralen Gemeinsinn an anden die Formen aus den aumluszligeren Sensorien ruumlckgemeldet werden und mitdessen Affektion es allererst zur bewussten Wahrnehmung kommt Die Af-fektion die den Gemeinsinn zu der genannten bewussten Wahrnehmung be-faumlhigt ist wegen ihrer Unmittelbarkeit also aumluszligerlich Die Imagination bzwPhantasie ist fuumlr Aristoteles im Unterschied dazu die sinnliche Faumlhigkeit reininnere Erscheinungen zu haben denen keine gleichzeitige Wahrnehmung aumlu-szligerer Erscheinungen korrespondiert Die angesprochene Affektion ist zwarebenso Grundlage der durch die Imagination zustande kommenden Vorstel-lung Aber diese kann es als innere erst von dem Zeitpunkt an geben zu demder betreffenden Empfindung kein aumluszligeres Objekt mehr korrespondiert Ih-rer jeweiligen Sinnrichtung nach agieren Gemeinsinn und Einbildungskraftsomit zwar gegenlaumlufig im Sinne der Differenz von aumluszligerer Wahrnehmungund innerer Vorstellung oder Erscheinung dem Verlauf nach sind sie abernacheinander geordnet Die spezifische Differenz der Imaginaumlrerscheinungenzur sinnlichen Wahrnehmung in Gestalt des Gemeinsinns macht aus dassbdquodie Extreme innerhalb der natuumlrlichen Bewegungsabfolge zwischen wirken-dem Objekt peripherer und zentraler Affektion sich nicht zeitlich uumlberlap-penldquo12

Im Blick auf die betreffende Auffassung des Cusanus knuumlpfe ich an eineErlaumluterung an die dieser der traditionellen Einteilung der Zeichen gibt Undzwar begruumlndet er diese Einteilung von der Ursache her durch die die Zei-chen ihre Bezeichnungsfunktion fuumlr sinnliche Lebewesen ausuumlben Im Falleder natuumlrlichen Zeichen erklaumlrt sich diese Funktion von der Affektion hervermittels derer ein Gegenstand im Sinnesvermoumlgen bezeichnet wird Im Un-terschied dazu ergibt sich die Bezeichnungsfunktion gesetzter Zeichen vomAkt ihrer betreffenden Setzung her Insoweit bestimmt sich Zeichenhaftigkeitgenerell fuumlr Cusanus im Verhaumlltnis zu empfindungsfaumlhigen Lebewesen13

Weiter erklaumlrt sich die Erfassung der natuumlrlichen Zeichen vermittels einerRepraumlsentationsleistung der Imagination die sich nicht den natuumlrlichen Zei-chen selbst verdankt Deren Erfassung bedarf so stellt Cusanus fest einesbdquoMediums durch das hindurch der Gegenstand ein Bild oder Zeichen vonsich vervielfaumlltigen kannldquo Insoweit knuumlpft der Kardinal an die aristotelische

12 H Busche Hat Phantasie bei Aristoteles eine interpretierende Funktion in der Wahrneh-mung Zeitschrift fuumlr philosophische Forschung 51 1997 565ndash589 hier 574

13 Nikolaus von Kues KompendiumCompendium (Philosophische Bibliothek Bd 267) lat-dt uumlbers u mit Einl und Anm hg v B Decker und K Bormann Hamburg 1966 c IIn 5 Signa omnia sensibilia sunt et aut naturaliter res designant aut ex instituto Naturaliteruti signa per quae in sensu designatur obiectum Ex instituto vero uti vocabula et scripturaeet omnia quae aut auditu aut vis capiuntur et res prout institutum est desginant

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 341

Auffassung an dass etwa die Farbe des Mediums der Luft beduumlrfe um erfasstzu werden Cusanus geht zugleich uumlber Aristoteles hinaus indem er feststelltdass jene natuumlrlichen Zeichen die durch den jeweiligen Gegenstand zustandekommen ihrerseits bdquoals bezeichneteldquo (signa remaneant signata) in der Imagi-nation zuruumlckbleiben bdquoDie Zeichen der Dinge in der Einbildungskraft sindZeichen der Zeichen in den Sinnen (Sunt igitur signa rerum in phantasiasigna signorum in sensibusldquo [hellip] vergleichbar den Woumlrtern die auf dem Pa-pier geschrieben zuruumlckbleiben wenn sie nicht mehr ausgesprochen wer-denldquo14

Der Kardinal setzt also in seinem Verstaumlndnis sinnlicher Erkenntnis vonvornherein an der Repraumlsentation der sinnlichen Gehalte auf Seiten des Er-kennenden an um von daher das Verhaumlltnis von Repraumlsentation und reprauml-sentiertem Gehalt zunaumlchst von seiner Funktion und Bedeutung und dannim Lichte dieser Betrachtung auch seiner Genese nach zu kennzeichnen ImEinzelnen unterscheidet er die realen sinnlichen Gehalte und die durch siebewirkten natuumlrlichen Zeichen auf der einen Seite und jene Zeichen die inder Imagination gegeben sind auf der anderen Seite Deren Bezeichnungs-funktion bezieht sich unmittelbar auf die natuumlrlichen Zeichen und vermittelsdieser auf die realen Dinge Die imaginativen Zeichen haben ihrerseits ver-mittels derartiger Medien wie der Luft eine materielle Grundlage insofernfindet sich dort bdquonichts was nicht vorher in der Sinneswahrnehmung warldquoAuf diese Weise ist also die Unmittelbarkeit der Beziehung der Imaginationmit den sinnlichen Gehalten und damit die Zuordnung oder das Verhaumlltnisvon Repraumlsentation und repraumlsentiertem Gehalt als solche gegeben und be-gruumlndet Die repraumlsentative Funktion selbst aber verdankt sich der Einbil-dungskraft und ist insoweit urspruumlnglicher Natur was sich in der Vermitt-lung der imaginativen Bezeichnung uumlber die natuumlrlichen Zeichen zeigt Wasdie realen sinnlichen Gehalte angeht ist uumlber diese zwar nichts uumlber ihretatsaumlchliche sinnliche Erfahrung hinaus sinnlich repraumlsentiert gleichwohl er-schlieszligen sich diese Gehalte in ihren sinnlichen Zeichen nur kraft der Reprauml-sentationsleistung der Imagination Insoweit ermoumlglicht diese etwas als et-was sinnlich zu erkennen Im historischen Vergleich nimmt Cusanus alsoebenso wie Buridan sinnliche Erkenntnis in funktionaler Perspektive in denBlick Zugleich geht Cusanus dabei uumlber Buridan hinaus indem er in derBetonung der Zeichenhaftigkeit der imaginativen Vorstellungen als solcher

14 Ebd c IV n 8 f Quare oportet inter sensibile obiectum et sensum medium per quodobiectum speciem seu signum sui multiplicare possit [hellip] Et quoniam haec non nisi praesen-te obiecto fiunt nisi haec signa sic possent annotari quod etiam recedente obiecto rema-neant signata non maneret rerum notitia In istis signorum designationibus in interioriphantastica virtute manent res designatae uti vocabula manent in charta scripta prolationecessante [hellip] Sunt igitur signa rerum in phantastica signa signorum in sensibus

342 Gerhard Krieger

deren eigene Sinnbestimmtheit hervorhebt Insofern Cusanus im Blick auf diesinnliche Erkenntnis zugleich von deren mutmaszligender Natur spricht kannim Sinne der skizzierten Deutung der coniectura von einem Entwurfscharak-ter der sinnlichen Erfassung realer Gehalte gesprochen werden

Dass Cusanus an der Zeichenhaftigkeit der natuumlrlichen Zeichen festhaumlltund Zeichenhaftigkeit generell im Verhaumlltnis zu empfindungsfaumlhigen Lebewe-sen bestimmt verweist auf eine Hinordnung der Dinge auf ihre Erkenntnisdie sich in der Perspektive eben ihrer tatsaumlchlichen Erkenntnis und Erkenn-barkeit zeigt In diesem Sinne wird man deuten duumlrfen dass Cusanus betontder Intellekt sei insofern er sich in der Wahrnehmung und Imagination nachMaszliggabe der betreffenden Befaumlhigungen realisiert bdquomehr in Wirklichkeitldquo -(secundum inferiores regiones plus est in actu) im Vergleich dazu dass er inBezug auf seinen eigenen Bereich bdquoim Seinsmodus der Moumlglichkeitldquo (secun-dum regionem intellectualem in potentia est)15 sei In Bezug auf die realenDinge besagt dies schlieszliglich dass diese nicht lediglich physikalische undbiochemische Elementarereignisse sind sondern Sinneinheiten die sich frei-lich nie als solche sondern allein in ihrer sinnlichen Bestimmtheit in dervermittelten Unmittelbarkeit ihrer imaginativen Vergegenwaumlrtigung erschlie-szligen

III Die Erkenntnis der Vernunft (ratio)kategorial logisch modal

Im Blick auf den jetzt anstehenden Uumlbergang zur Analyse des Erkennens undWissens als geistiger Vergegenwaumlrtigung wird im Sinne vorlaumlufiger terminolo-gischer Festlegung unter dem Aspekt geistiger Erkenntnis insgesamt derenRealisierung sowohl durch Vernunft (ratio) als auch durch den Intellekt (in-tellectus) angesprochen Eine naumlhere Kennzeichnung des Verstaumlndnisses geis-tiger Erkenntnis gemaumlszlig dieser Unterscheidung erfolgt im weiteren Verlauf derUumlberlegungen

Weiter gilt es das Moment der Verknuumlpfung zwischen der geistigen Er-kenntnis und der sinnlichen Ebene zu benennen Wenn das Problem des Ver-haumlltnisses der Einzelwahrnehmungen zum Gemeinsinn bzw der Imagination

15 Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (wie Anm 3) p II c XVI n 157 ImBlick auf diesen Zusammenhang hat sich M Thurner Imagination als Kreativitaumlt nachNicolaus Cusanus in J AndreacuteG KriegerH Schwaetzer Intellectus und Imaginatio As-pekte geistiger und sinnlicher Erkenntnis bei Nicolaus Cusanus (Bochumer Studien zur Phi-losophie Bd 44) AmsterdamndashPhiladelphia 2002 97ndash109 hier 103 fuumlr ein bdquoVerstaumlndnisder Imagination als Kreativitaumltldquo ausgesprochen

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 343

das der Einheit der Erfahrung als der eines einheitlichen Wahrnehmungsfel-des ist dann steht jetzt die Frage zur Debatte wie der Zusammenhang zwi-schen der sinnlichen Wahrnehmung als Vergegenwaumlrtigung eines singulaumlrensinnlichen Gehaltes und der Erkenntnis und dem Wissen als begrifflicher Ver-gegenwaumlrtigung d h eines Gehaltes allgemeiner Natur gewaumlhrleistet ist EineAuskunft des Cusanus dazu besagt dass bdquodie sinnlichen Vorstellungen dieAndersheiten der Einheit der Vernunftldquo sind (phantasmata alteritates suntunitatis rationis)16 Diese Stellungnahme wird dahin gehend verstanden dassEinheit fuumlr sich betrachtet Sache der Vernunft (ratio) ist bzw diese den Inbe-griff der Einheit darstellt Die sinnliche Vorstellung realisiert ihrerseits Ein-heit wenn auch als sinnliche auf andere Weise als die Vernunft Deswegenkann Einheit als dasjenige Moment angesehen werden das sinnliche undgeistige Vorstellung vergleichbar macht

Wie versteht sich fuumlr Cusanus die Erkenntnis der Vernunft (ratio) DieFeststellung von der zur Klaumlrung dieser Frage ausgegangen werden soll be-sagt dass bdquozuerst in der Ordnung der Natur die Menschhaftigkeit (humani-tas) in sich und aus sich sei [] sodann der Mensch durch die Menschhaftig-keit [] sodann der Artbegriff in der Vernunftldquo17 Zunaumlchst kann festgehal-ten werden dass Cusanus mit dieser Aussage die objektive Seite unsererErkenntnis in den Blick nimmt insofern er von der Ordnung der Naturspricht (ordo naturae) Weiter trifft Cusanus die Unterscheidung von dreiEbenen zum einen die der humanitas als solcher zweitens die der tatsaumlchli-chen Realisierung der humanitas in Gestalt des konkreten Menschen undschlieszliglich drittens die der Ebene des Artbegriffs sbquoMenschlsquo In allgemeinerWeise koumlnnte man diese Differenzierung im Sinne der Unterscheidung reinerSachhaltigkeiten konkreter Einzeldinge und des Logischen kennzeichnen

An dieser Stelle legt sich zunaumlchst eine Bemerkung in historischer Hin-sicht nahe Dazu bietet der Text des Cusanus insofern selbst einen Anknuumlp-fungspunkt als dieser in dem in den Blick genommenen Zusammenhang sei-nerseits im Stile eines historischen Referates verfaumlhrt Diese Ausfuumlhrungenschlieszligen insgesamt mit der Feststellung ab dass nicht mehr Weisen der Un-tersuchung angegeben werden koumlnnten18 Daruumlber hinaus findet sich im inden Blick genommenen Zusammenhang noch der Hinweis dass die von Cu-sanus in seinem Referat ins Auge gefassten Unterschiede mit Hilfe der vonihm selbst verfolgten Betrachtungsweise in Uumlbereinstimmung gebracht wer-

16 Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (wie Anm 3) p II c XVI n 16117 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 1) c II n 66 Et

ordinem dant talem primo ordinae naturae sit humanitas in se et ex se scilicet absquepraeiacenti materia deinde homo per humanitatem et quod ibi cadat sub vocabulo deindespecies in ratione

18 Ebd Arbitror non posse plures inquisitionum modos dari

344 Gerhard Krieger

den koumlnnten19 Insofern bringt diese Stelle das historische Selbstverstaumlndnisdes Cusanus zum Ausdruck mit seiner Auffassung im Blick auf vorliegendeAuffassungen eine Vereinheitlichung zu ermoumlglichen die gegebene Lehrunter-schiede durchaus bestehen laumlsst

Weiter laumlsst sich sagen dass der Kardinal mit der zur Diskussion stehen-den Unterscheidung der drei Ebenen dem Diskussionsstand entspricht dersich mit der Kritik Ockhams an der extramentalen Realitaumlt allgemeiner Enti-taumlten insbesondere im Blick auf die betreffende Auffassung des Duns Scotusergibt Das sachliche Problem das die Feststellung des Cusanus mit sichbringt ist die Frage wie dieser die angesprochene Unterscheidung von reinenSachhaltigkeiten konkreten Einzeldingen und dem Logischen als solche deu-tet

Der Ansatzpunkt der betreffenden Stellungnahme des Cusanus ist diemens der Geist In Bezug auf diesen geht es Cusanus zunaumlchst um das Ver-haumlltnis von Sachhaltigkeiten in ihrer Bestimmungsfunktion zu den konkretenEinzeldingen auf der einen Seite und zum Logischen auf der anderen SeiteCusanus nimmt dabei wie er sagt die Natur die ein Lebewesen ist (naturaquae est animal) in den Blick In Bezug darauf unterscheidet er drei Verstaumlnd-nisweisen auf Seiten des Geistes naumlmlich zum einen das Verstaumlndnis der ge-nannten Natur als Gattung dann das im Sinne ihrer Bezeichnung als bdquoLebe-wesenseinldquo (animalitas) und schlieszliglich das Verstaumlndnis der genannten Naturals des aus Gattung und spezifischer Differenz Zusammengesetzten Das Ver-staumlndnis der genannten Natur als Gattung nennt Cusanus unbestimmt undformlos im Sinne der aristotelischen Materie waumlhrend er das Verstaumlndnis imSinne der Bezeichnung bdquoLebewesenseinldquo mit der aristotelischen Form ver-gleicht In Bezug auf das Verstaumlndnis der Natur als Kompositum fuumlhrt er ausdass dieses Kompositum auf dieselbe Weise in der Verknuumlpfung und im Geistbesteht Das was mit diesen drei Verstaumlndnisweisen insgesamt der Sachenach verstanden wird ist bdquoein und derselbe Begriff und ein und dieselbeSubstanzldquo Cusanus fuumlgt weiter zwei Beispiele an naumlmlich das der humanitasund das des Weiszligseins Das Beispiel der humanitas versteht er im Sinne sub-stantieller Bestimmtheit das der Weiszlige im Sinne akzidenteller Bestimmtheit20

19 Ebd c II n 67 Hae omnes et quotquot cogitari possent modorum differentiae facillimeresolvuntur et concordantur

20 Ebd c XI n 134 Hanc naturam quae est animal inspicito Nam eam mens comprehenditaliquando ut genus est tunc enim quasi confuse et informiter animalis naturam consideratmateriae modo aliquando ut significatur per nomen sbquoanimalitaslsquo et tunc modo formaealiquando modo compositi ex illo genere et differentiis ei advenientibus et tunc ut in menteest dicitur esse in connexione ita ut illa materia et illa forma vel potius illa similitudomateriae et illa similitudo formae et illud modo compositi consideratum sit una et eademnotio unaque et eadem substantia Sicut dum animal ut materiam considero humanitatemvero ut formam ei advenientem et connexionem utriusque dico illam materiam illam for-

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 345

Entsprechend dieser Unterscheidung betont Cusanus schlieszliglich in Hinsichtder kategorialen Hinsicht dass bdquoder Geist die zehn allgemeinsten Gattungenals erste Prinzipien bildetldquo und diese ihrerseits bdquokeine gemeinsame Gattunghabenldquo21 Zugleich unterstreicht Cusanus dass die kategoriale Hinsichtdurch den Geist grundgelegt ist (mens faciat decem genera generalissima pri-ma principia)22

In Bezug auf diese Uumlberlegungen des Cusanus legt sich folgende Deutungnahe Der Kardinal begreift Sachhaltigkeit von ihrer Funktion der Bestim-mung her ohne diese Funktion zugleich an einen eigenen ontologischen Sta-tus zu binden Sachhaltigkeit von der Funktion der Bestimmung her zu verste-hen besagt Zu sein heiszligt immer ein Gehalt oder eine Sache zu sein und dasbedeutet wiederum Bestimmtheit zu besitzen Indem Cusanus Sachhaltigkeitin dieser Bestimmungsfunktion nicht mit einem eigenen ontologischen Statusverknuumlpft negiert er den extramentalen Realitaumltsstatus von Begriffen bzwBedeutungen Weiter verstehen sich die Sachhaltigkeiten die uns in ihrer be-sonderen Bestimmtheit gegeben bzw zugaumlnglich sind fuumlr Cusanus vom er-fahrbaren Einzelgegenstand her zugleich sind sie in ihrer kategorialen Ord-nung durch den Geist grundgelegt Schlieszliglich ist die logische Hinsicht inihrer ausschlieszliglich mentalen Natur fuumlr Cusanus der sachhaltigen Erkenntnisnachgeordnet Die Art-Gattungsunterscheidung verdankt sich ihrem Ur-sprung und ihrem Gehalt nach zwar allein unserem Verstand aber sie kannes erst geben im Blick auf erkannte Sachgehalte Dementsprechend bindetCusanus die Artbestimmung einerseits ihrem ontologischen Status nach andie mens Andererseits ist sie in der Weise an die Erkenntnis des Einzelgegen-standes gebunden dass sie als solche die unterste Stufe in der Hierarchie derBegriffe darstellt und im Blick auf den Einzelgegenstand anzutreffen bzwaussagbar ist Sokrates ist zwar nicht selbst die Art bdquoMenschldquo sondern ihrVertreter Aber darunter gibt es keine weitere Stufe Die beiden Beispiele desMenschseins und der Weiszlige machen schlieszliglich deutlich dass Cusanus diesebestimmungsfunktionale Kennzeichnung der Sachhaltigkeit und ihres Ver-haumlltnisses zum Einzelgegenstand sowie zur logischen Hinsicht im umfassen-den Sinne versteht

mam et connexionem esse substantiam Aut dum colorem quasi materiam considero albedi-nem quasi formam ei advenientem et connexionem utriusque dico illam materiam illamformam et connexionem illius materiae et illius formae unum et idem accidens esse

21 Ebd c XI n 135 cum mens faciat decem genera generalissima prima principia quod tuncilla generalissima nullum genus commune habent [] Mens potest aliquid modo materiaeet idem modo advenientis formae quae tali materiae adveniat atque idem modo compositiconsiderare ut dum considerat possibilitatem essendi substantiam et aliquod aliud de decem[] et considerat mens idem ut formam advenientem ei ut est materia ut sit compositum

22 Ebd c XI n 134 f

346 Gerhard Krieger

Insofern Cusanus die Sachhaltigkeiten in ihrer Bestimmungsfunktionnicht an eine ontologische Basis zuruumlckbindet legt sich nahe diese Funktionund damit die begriffliche Einheit oder Form der Sachhaltigkeiten auf diemenschliche Vernunft zu beziehen waumlhrend sich die inhaltliche Bestimmtheitdieser Sachhaltigkeiten durch Erfahrung ergibt und damit auf die Dingeselbst verweist Insoweit koumlnnen die Kategorien ihrem Ursprung nach als reinrationale Begriffe angesehen werden ohne dass sie deswegen als einzelne undin ihrer Gesamtheit aus ihrem rationalen Ursprung abgeleitet waumlren Die Din-ge gibt es als bestimmte nur fuumlr unseren Geist zugleich liegen sie ihrer Reali-taumlt und damit ihrer konkreten Bestimmung nach dieser Erfassung vorausDamit ist gewaumlhrleistet dass Begriff und Begriffenes in der Einheit ihres Be-stimmtseins einander entsprechen (ut in mente est dicitur esse in conexi-one)23

Weiter spricht Cusanus die modale Kennzeichnung von Sachhaltigkeitbzw des Bestimmtseins an In dieser modalen Betrachtung beschraumlnkt er sichallerdings auf die Aspekte des Moumlglichseins und des Faktischen und derenVerhaumlltnis Dass er den Aspekt des Notwendigseins unbeachtet laumlsst ent-spricht der fehlenden ontologischen Kennzeichnung reiner SachhaltigkeitenDie Unterscheidung zwischen dem Moumlglichsein und dem Wirklichsein im Sin-ne der Faktizitaumlt besagt auf der einen Seite das was unter die Kategorienfaumlllt in der Hinsicht seines Moumlglichseins (possibilitas essendi) zu betrachtenDerselbe Gehalt kann auf der anderen Seite in Bezug auf seine tatsaumlchlichekonkrete Realisierung hin in den Blick genommen werden In Bezug auf dasBeispiel der Menschhaftigkeit (humanitas) bzw den Menschen (homo) ge-sagt Im Blick auf die humanitas kann zum einen von der Moumlglichkeit gespro-chen werden Mensch zu sein Auf diese Weise wird Sein als Moumlglichseinausgesagt die Bestimmtheit der humanitas schlieszligt ein dass das was durchsie bestimmt ist zu sein vermag Im Ergebnis heiszligt dies Der bzw ein Menschkann vorkommen Ebenso ist die humanitas im Sinne eines tatsaumlchlichen Vor-kommnisses ansprechbar d h es kann gesagt werden dass es Menschseintatsaumlchlich gibt etwa wenn gesagt wird dass Sokrates Mensch ist und alssolcher Menschsein hat24

Das Verhaumlltnis dieser beiden Modi von Realitaumlt bestimmt sich nach Cu-sanus von dem her was bdquowirklich ist im Sinne dessen was hier und in diesenDingen istldquo (omnia ut actu sunt id est hic et in his rebus sunt) Demgemaumlszlig

23 Ebd c XI n 13424 Ebd c XI n 137 Hoc ipsum enim id est humanitas illa scilicet natura ut est possibilitas

essendi hominem materia est sicut enim humanitas est forma est ut autem homo est exutroque compositum conexumque est ita scilicet ut unum et idem sit possibilitas essendihominem forma et compositum ex utroque rei ut una sit substantia

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 347

begreift er das Moumlglichsein nicht vom logisch Moumlglichen d h vom wider-spruchsfrei Denkbaren her sondern vom Faktischen Die Moumlglichkeit eineKerze bzw eine Schuumlssel zu sein ergibt sich vom Wachs bzw vom Kupferher25 Auf andere Weise beschreibt Cusanus dieses Verhaumlltnis von Moumlglich-sein und Faktizitaumlt damit dass er die in der Erfahrung durch Vielheit undDifferenz gekennzeichnete Bestimmtheit von Koumlrpern der durch das Fehlendieser Momente bedingten Unbestimmtheit der Moumlglichkeit gegenuumlberstelltbdquoWas der Geist vorher in der Koumlrperlichkeit unterschieden und bestimmtwirklich existierend sah sieht er jetzt verworren unbestimmt der Moumlglich-keit nach Und dies ist der Modus der Allgemeinheit in der alles in der Moumlg-lichkeit gesehen wirdldquo Entsprechend der Unbestimmtheit des Moumlglichen ne-giert Cusanus schlieszliglich dessen Realitaumltsstatus bdquoSeinkoumlnnen ist nichtldquo (pos-se esse non est)26

An dieser Stelle mag ein Fazit zur bisherigen Betrachtung der Auffassungdes Cusanus zur Erkenntnis der Vernunft (ratio) in kategorialer logischerund modaler Hinsicht angebracht sein Im Sinne der leitenden Hinsicht aufdas darin sich zeigende Verstaumlndnis der Metaphysik kann herausgestellt wer-den dass der Kardinal den Sachhaltigkeiten oder Begriffen keinen eigenenontologischen Status zubilligt sie vielmehr in ihrer Bestimmungsfunktiond h in ihrer Einheit oder Form oder Allgemeinheit auf die Ebene der mensbegrenzt Entsprechend kommt diesen Gehalten im Verstaumlndnis des Kardinalsin modaler Hinsicht keine Notwendigkeit zu sondern lediglich faktische Gel-tung In historischer Hinsicht traumlgt die cusanische Auffassung einerseits derScotischen Unterscheidung reiner Sachhaltigkeiten konkreter Einzeldingeund des Logischen Rechnung andererseits folgt Cusanus der Kritik Ockhamsan der extramentalen Realitaumlt allgemeiner Entitaumlten Insofern Cusanus denSachhaltigkeiten bzw Begriffen und Kategorien keinen eigenen ontologischenStatus uumlber ihre mentale Realitaumlt hinaus zubilligt und sich entsprechend inder modalen Kennzeichnung extramentaler Realitaumlt soweit diese in der Er-fahrung zugaumlnglich ist auf die Aspekte des Wirklichen und Moumlglichen be-grenzt dieses wiederum von jenem her bestimmt und Wirklichkeit als Fakti-zitaumlt versteht stimmt er insoweit mit Buridans betreffenden Auffassungen27

uumlberein

25 Ebd c XI n 138 Nam non recipio esse actu ut repugnet ei quod est esse in materia sedsic intelligendum est quod omnia ut actu sunt id est hic et in his rebus sunt in materiaquidem sunt Verbi gratia in cera haec possibilitas est essendi candelam in cupro pelvim

26 Ebd c VII n 10727 Vgl dazu im Einzelnen im Beitrag zu Buridan I 3 Faktische Existenz als Realitaumltsmodus

des Gegenstaumlndlichen

348 Gerhard Krieger

IV Die Entwurfsgestalt der Erkenntnisdes menschlichen Geistes

1 Der Ausgangspunkt Die Hypothese der Faktizitaumlt von Vorkommnissen

Insofern Cusanus eine transkategoriale Betrachtung uumlber die analysierte mo-dale Verhaumlltnisbestimmung hinaus unterlaumlsst legt sich nahe in Orientierungam Leitfaden aristotelisierender Betrachtung jetzt zur Kennzeichnung des ers-ten Prinzips und des ersterkannten Begriffs uumlberzugehen Im ersten Punktbestaumltigt sich in sachlicher Hinsicht der Vorrang der Faktizitaumlt in historischerHinsicht schlieszligt Cusanus an Buridan an Der Zusammenhang in dem dieseKennzeichnung des ersten Prinzips erfolgt betrifft der Sache nach die Uumlberle-gungen zur Sinnlichkeit und zum Intellekt (intellectus) als den zwei Quellenmenschlicher Erkenntnis Im Blick auf die jetzt in Betracht gezogenen Uumlberle-gungen zum Intellekt sei auch an dieser Stelle darauf verwiesen dass einenaumlhere Erlaumluterung des Verstaumlndnisses des intellectus im Verhaumlltnis zur ratioan spaumlterer Stelle erfolgt Im jetzigen Zusammenhang kommt der intellectusinsoweit in den Blick als Cusanus ihn in dessen Unabhaumlngigkeit und Ur-spruumlnglichkeit anspricht Demgemaumlszlig kann der Intellekt ohne weitere Hilfedas Urteil hervorbringen dass jegliches sei oder nicht sei28 Gemaumlszlig wiederumder Analyse dieses Urteils im Blick auf seine Feststellung bei Buridan29 ver-steht es sich der Sache nach im Sinne der Hypothese dass es Jegliches als einVorkommnis gibt Insoweit entspricht dieses Urteil des Intellektes der zuvorhervorgehobenen Beschraumlnkung des Wirklichkeitsverstaumlndnisses auf den As-pekt der Faktizitaumlt

2 Die Basis der Erkenntnis Der Begriff des menschlichen Geistes

In der Frage nach dem Gesichtspunkt der Beurteilung jeglichen Vorkommnis-ses setzt Cusanus an der Einheit des menschlichen Geistes an (mentis tuaeunitatem) und spricht dem Geist in seiner absoluten Einheit im schlechthinni-gen Sinne Bestimmtheit (absolutae unitatis praecissima est certitudo) zu Inseiner Erlaumluterung macht der Kardinal weiter geltend dass der Begriff derabsoluten Einheit als solcher einer moumlglichen Kontradiktion entzogen bleibt

28 Nikolaus von Kues KompendiumCompendium (wie Anm 13) c XI n 36 Intellectus enimnon dependet ab aliquo ut intelligibilia intelligat et nullo alio a se ipso indiget instrumentocum sit suarum actionum principium Intelligt enim hoc complexum sbquoquodlibet est vel nonestlsquo sine aliquo instrumento seu medio

29 Vgl dazu naumlher im Beitrag zu Buridan III Vernunft als Bestimmung gegenstaumlndlicher Be-stimmtheit

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 349

(de absoluta unitate nec alterum oppositorum aut potius unum quodcumquequam aliud affirmantur) Im Anschluss daran kennzeichnet er den Begriff derSeiendheit ebenso als einen im Sinne seiner objektiven Bestimmtheit voraus-gesetzten Begriff (cum dicitur sbquoan sitlsquo respondeatur entitatem quae praesup-ponitur)30

Im Besonderen bildet der Begriff des menschlichen Geistes den Ansatz-punkt dieser Argumentation Insofern kommt der Begriff der absoluten Ein-heit nicht unvermittelt zustande Weiter bleibt der letztgenannte Begriff inBezug auf seine Objektivitaumlt eine Annahme die im Zuge der Entfaltung die-ses Begriffs zwar thematisiert aber nicht eigentlich bewiesen wird Insofernhandelt es sich um eine Annahme die ihrerseits nicht der Differenz von wahrund falsch unterliegt In diesem Sinne gilt von der absoluten Einheit dass siedie jedem Zweifel entzogene Wahrheit ist der kein Mensch zu widersprechenvermag (verissimum illud esse cui omnis sana mens nequit dissentire)31 Die-se Aussage laumlsst sich dahin gehend deuten dass der infrage stehende Begriffnur dann unbeachtet bleiben kann wenn dieser nicht als solcher gedachtwird Wird er gedacht und sei es im Sinne seiner Infragestellung ist er dochzugleich in seiner Bestimmtheit bereits gedacht und vorausgesetzt Die weite-re Explikation dieses Begriffs kann sich weiter nicht im Sinne des Beweisesseiner Objektivitaumlt verstehen Insofern bleibt dieser Begriff in seiner Wahrheitbdquounbezweifelbarldquo d h der Beurteilung im Sinne der Differenz von wahr undfalsch entzogen

Weiter sagt Cusanus auch vom Begriff der Seiendheit (entitas) er sei je-dem Zweifel entzogen Insofern gilt von diesem Begriff dass er in seinerInfragestellung doch als solcher bereits gedacht wird Weiter kommt der Be-griff der Seiendheit wenn er auch in jeder bestimmten Realitaumltserkenntnisvorausgesetzt wird doch nicht unvermittelt zustande Er erklaumlrt sich vielmehraus jener Ausgangserkenntnis des Intellektes die das Gegebensein von Vor-

30 Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (wie Anm 3) p I c V n 19 f Contem-plare igitur mentis tuae unitatem per hanc absolutionem ab omni pluralitate et videbis eiusvitam corruptibilem in sua unitate absoluta in qua est omnia Huius autem absolutae unita-tis praecissima est certitudo [hellip] Omnis enim quaestio de quaesito oppositorum alterumtantum verificari posse admittit aut quid aliud de illo quaestio quam de aliis affirmandumnegandumve exsistat Haec quidem de absoluta unitate credere absurdissimum est de quanec alterum oppositorum aut potius unum quodcumque quam aliud affirmantur Si veroaffirmative quaesito satisfacere optas absolutum praesuppositum repetas ut cum dicitursbquoan sitlsquo respondeatur entitatem quae praesupponitur

31 Nikolaus von Kues Die belehrte UnwissenheitDe docta ignorantia I (Philosophische Biblio-thek Bd 264 a) lat-dt 3 durchges Aufl besorgt v H G Senger Hamburg 1979 l Ic 1 n 2 dicimus non dubitantes verissimum illud esse cui omnis sana mens nequit dissen-tire

350 Gerhard Krieger

kommnissen betrifft Insofern besagt der Begriff des Seienden soweit es dieseAusgangserkenntnis betrifft das Gegebensein im faktischen Sinne

Gemaumlszlig der zuvor betrachteten Argumentation dient der Begriff desmenschlichen Geistes zur Vermittlung fuumlr den Begriff der absoluten EinheitInsofern dieser seinerseits in seiner Objektivitaumlt oder Wahrheit vorausgesetztund als solcher weder infrage gestellt und begruumlndbar ist liegt es nahe dassder Begriff des menschlichen Geistes insofern sich vermittels seiner dieserBegriff erschlieszligt die Basis aller sonstigen Erkenntnis darstellt soweit dieseBestimmtheit besitzt und bezweifelbar ist Wie versteht sich dieser Begriff desmenschlichen Geistes Und wie bildet dieser Begriff die angesprochene BasisZur Beantwortung dieser Fragen soll zuerst die Stellungnahme des Kardinalszur These von der Inkorruptibilitaumlt der Wesenheiten naumlher analysiert werdenDer Sache nach verbindet sich damit das Problem inwieweit Cusanus dieinfrage stehende Bedeutung des menschlichen Geistes an die Vorgabe be-stimmter Gehalte knuumlpft Anders gefragt Inwieweit bestaumltigt sich in diesemPunkte das Ergebnis der Uumlberlegungen zur Erkenntnis der Vernunft (ratio)dass der Kardinal den Sachhaltigkeiten oder Begriffen keinen eigenen ontolo-gischen Status zubilligt sie vielmehr in ihrer Bestimmungsfunktion d h inihrer Einheit oder Form oder Allgemeinheit auf die Ebene der mens begrenzt

Cusanus bringt im Zusammenhang der angesprochenen Stellungnahmedie Unvergaumlnglichkeit der Wesenheiten mit der Zahl als Inbegriff der Einheitin Verbindung waumlhrend er die Vergaumlnglichkeit der Einzeldinge mit der Ver-vielfachung der Einheit parallelisiert32 Weiter fuumlhrt Cusanus die Zahl in ihrertatsaumlchlichen Gestalt als gezaumlhlte bzw zaumlhlbare Zahl auf die gezaumlhlten bzwzaumlhlbaren Einzeldinge zuruumlck33 Dem entspricht dass Cusanus der Zahl alssolcher d h der Zahl in ihrer Bedeutung als Inbegriff von Einheit keineeigene Realitaumlt zuerkennt Aus diesem Grund gehoumlrt die Vergaumlnglichkeitebenso wenig zur Zahl als solcher

Weiter ist fuumlr den Kardinal der Sinngehalt der Zahl als solcher EinheitDiesen Aspekt bezieht Cusanus auf unseren Geist (mens nostra sit nume-rus)34 insofern dieser in seiner Begriffsbildung Unterscheidungen nach Artvon Zusammenfassungen und Einteilungen vornimmt (de omni enim harmo-nia iudicium in mente reperiebant mentemque ex se notiones fabricare) unddarin der Zahl in ihrer Bedeutung als Einheit entspricht35 Es liegt nahe diese

32 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 3) c VI n 96 tuncaliqualiter attingis quomodo essentiae rerum sunt incorruptibiles uti unitas ex qua nume-rus quae est entitas et quomodo res sunt sic et sic ex alteritate quae non est de essentianumeri sed contingenter unitatis multiplicationem sequens

33 Ebd Conspicis etiam quomodo non est aliud numerus quam res numeratae34 Ebd c VI n 8935 Ebd c VII n 97 Credo omnes qui de mente locuti sunt talia vel alia dixisse potuisse []

De omni enim harmonia iudicium in mente reperiebant mentemque ex se notiones fabricare

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 351

Funktion des begrifflichen Ordnens zunaumlchst auf das Logische zu beziehenDass der Geist in der Ausuumlbung der angesprochenen Funktion der Vereinheit-lichung uumlber das Logische hinaus den Inbegriff von Einheit und damit denInbegriff von Form Gestalt und Bestimmtheit darstellt zeigt sich im Blick aufdie cusanische Begruumlndung von Notwendigkeit Hat sich in den bisherigenUumlberlegungen zum cusanischen Verstaumlndnis des Geistes die Begrenzung derBestimmungsfunktion der Sachhaltigkeiten auf eben die mens gezeigt (unddamit das betreffende Ergebnis in Bezug auf die Vernunfterkenntnis bestauml-tigt) steht jetzt zur Diskussion inwieweit der Kardinal sich in seiner Begruumln-dung der Notwendigkeit ebenfalls auf die Ebene des Geistes begrenzt so dasssich in diesem Punkte die Beschraumlnkung in der modalen Betrachtung auf dieAspekte des Wirklichen in seiner Faktizitaumlt und des Moumlglichen soweit diesessich von jenem her bestimmt bestaumltigt

Cusanus spricht zunaumlchst von der komplexen oder bestimmten Notwen-digkeit (necessitas complexionis vel determinatae) Diese ist auf der einenSeite von der Einfachheit und absoluten Notwendigkeit (simplicitas ac neces-sitas absoluta) und auf der anderen Seite von der bestimmten Moumlglichkeit(possibilitas determinata) unterschieden36 Zusammen genommen stellen die-se drei Momente Gesichtspunkte dar nach denen sich der menschliche Geistin der erlaumluterten Einheitsfunktion orientiert

In Bezug auf das naumlhere Verstaumlndnis der necessitas complexionis vel de-terminatae gibt Cusanus zum einen den Hinweis auf die Verknuumlpfung die derGeist selbst hervorbringt (mens est locus seu regio necessitatis complexionis)Weiter bezieht er derartige Verknuumlpfungen in ihrer Wahrheit und insofern inihrer Notwendigkeit (quae vere sunt sunt mentaliter) auf den Geist selbst37

Schlieszliglich ist mit dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit der notwendigen Ver-knuumlpfung ein sachlicher Gehalt angesprochen den der Geist aus der sinnli-chen Erfahrung nimmt Im Blick darauf unterstreicht Cusanus dass in derErfahrung nie reine Sachhaltigkeiten angetroffen werden38 Im Ergebnis laumlsstsich festhalten dass Cusanus mit der necessitas complexionis vel determina-tae das Urteil in seiner Gestalt als notwendige Erkenntnis im Blick hat wie

et sic se movere quasi vivus numerus discretivus per se ad faciendum discretiones procede-ret et iterum in hoc collective ac distributive procedure

36 Ebd in hoc collective ac distributive procedere aut secundum modum simplicitatis ac neces-sitatis absolutae vel possibilitatis determinatae vel necessitatis complexionis vel determina-tae vel possibilitatis determinatae

37 Ebd c IX n 122 mens [] est locus seu regio necessitatis complexionis quia quae veresunt abstracta sunt a variabilitate materiae et non sunt materialiter sed mentaliter

38 Ebd c VII n 102 nostra vis mentis [] res attingit modo quo in possibilitate essendi seumateria concipiuntur et modo quo possibilitas essendi per formam determinata [] formaererum non sunt verae sed obumbratae variabilitate materiae

352 Gerhard Krieger

es bzw sie in der Wissenschaft intendiert ist Insofern liegt es in historischerHinsicht nahe dieses Verstaumlndnis mit Ockhams und Buridans entsprechenderAuffassung in Verbindung zu sehen

Im Zusammenhang dieser Erlaumluterung der necessitas complexionis veldeterminatae legt sich noch nahe die betreffende Uumlberlegung bezuumlglich derpossibilitas determinata einzubeziehen Da Cusanus das Moumlgliche soweit esin seiner Unbestimmtheit gemeint ist als jenes Seinkoumlnnen bezeichnet daskeine Realitaumlt besitzt39 ist mit der possibilitas determinata das Moumlgliche an-gesprochen soweit es sich um die faktischen Moumlglichkeiten handelt

Der Aspekt der Notwendigkeit des Urteils ist hier zur Explikation derAnnahme aufgegriffen worden dass der Geist den Inbegriff von Einheit undBestimmtheit uumlberhaupt darstellt Im Blick auf die Verbindung von Zahl undBegriffsbildung hatte sich ergeben dass das Logische gemaumlszlig der einheitsstif-tenden Funktion des menschlichen Geistes begruumlndet ist Daruumlber hinaus hatsich zuletzt gezeigt dass Cusanus die Notwendigkeit wissenschaftlicher Er-kenntnis auf die Erkenntnis selbst begrenzt und nicht auf deren Gegenstandbezieht soweit wissenschaftliche Erkenntnis auf Erfahrung beruht Insoweitist der menschliche Geist gemaumlszlig seiner einheitsstiftenden Funktion nicht nurin Bezug auf das Logische sondern daruumlber hinaus in Bezug auf begrifflicheErfahrungserkenntnis der Inbegriff von Einheit und Bestimmtheit Damit er-gibt sich im Blick auf die Frage nach der Bestimmtheit des Begriffs desmenschlichen Geistes ein zweifaches Diese Bestimmtheit bzw dieser Begriffentspringt einer Selbsterfahrung des menschlichen Geistes in seinem Taumltig-sein Dem Ursprung nach handelt es sich also um den Begriff des menschli-chen Geistes Seinem Gehalt nach ist der fragliche Begriff der von Einheitund Bestimmtheit (oder Sachhaltigkeit) uumlberhaupt

3 Die Entwurfsgestalt menschlicher Erkenntnis in den Wissenschaftenund in der Wesenserkenntnis

Was bedeutet diese Begruumlndung von Bestimmtheit fuumlr das konkrete Erken-nen Zunaumlchst gilt fuumlr die wissenschaftliche Erkenntnis soweit diese auf Er-fahrung beruht dass sie sich letztlich aus ihrer tatsaumlchlichen Evidenz legiti-miert Denn wenn dieser Erkenntnis nicht die Moumlglichkeit offen steht ihreSachhaltigkeit uumlber die gegebene Erfahrung hinaus auf eine Basis zu beziehendie ihrerseits die Notwendigkeit der Erkenntnis begruumlndet kann sich dieWahrheit oder Objektivitaumlt einer Erkenntnis nur aus der Tatsache oder Exis-tenz eben dieser Erkenntnis legitimieren Wenn Cusanus erklaumlrt dass die me-

39 Vgl ebd c VII n 107

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 353

chanischen Kuumlnste und die Physik infolge der Unsicherheit ihrer Begriffebdquoeher Mutmaszligungen als Wahrheitenldquo (potius coniecturae quam veritates)40

erzielen wird man diesen Hinweis gemaumlszlig der dargelegten Deutung der Kon-jekturalitaumlt im Sinne der Legitimation der angesprochenen wissenschaftlichenErkenntnis durch Evidenz verstehen duumlrfen

Wenn Cusanus daruumlber hinaus auch von der Logik feststellt sie erzielebdquoeher Mutmaszligungen als Wahrheitenldquo kann dies ebenfalls im Sinne der Legi-timation logischer Erkenntnis durch Evidenz gedeutet werden Die logischeErkenntnis unterscheidet sich insoweit von der auf Erfahrung beruhendenwissenschaftlichen Erkenntnis als ihre Gehalte sich nicht auf diesem Wegeergeben sondern ausschlieszliglich durch den Geist selbst Demgemaumlszlig erklaumlrtCusanus dass der Intellekt des Logikers selbst zuerst die Voraussetzung dafuumlrschafft dass es die Logik uumlberhaupt gibt Insofern aber die logischen Formenim Einzelnen derart im Geist verankert sind dass sie erst in der konkretenlogischen Operation zur Erscheinung gelangen41 erweist sich die Wahrheitder logischen Erkenntnis letztlich ebenso wie die auf Erfahrung beruhendeaufgrund ihrer Evidenz

Hinsichtlich der Begruumlndung der Modalitaumlten hat sich bisher die Moumlg-lichkeit als bestimmte auf die der Erkenntnis vorgegebene Wirklichkeit zu-ruumlckfuumlhren lassen Die necessitas complexionis vel determinatae bezieht Cu-sanus in ihrer Objektivitaumlt oder Wahrheit auf den Geist selbst unabhaumlngigvon aller vorgaumlngigen Erfahrung42 Ebenso tut er dies in Bezug auf wesenhaf-te und mathematische Gehalte Im Blick auf diese Gehalte legt sich zunaumlchsteine Bemerkung zum Verstaumlndnis geistiger Erkenntnis gemaumlszlig der Unterschei-dung von Vernunft (ratio) und Intellekt (intellectus) nahe Die Einheit geisti-ger Taumltigkeit insgesamt beruht auf der Befaumlhigung des Begreifens und demdiesem zugrunde liegenden seelischen Vermoumlgen (vis concipiendi ab aptitudi-ne a creatione) Der genannte Unterschied versteht sich von daher dass dieBefaumlhigung des Begreifens zunaumlchst bezogen ist auf die Begriffe und Urteiledie der Geist im Bereich der auf Erfahrung beruhenden Wissenschaft und derLogik hervorbringt (facit notiones seu genera differentia species proprium

40 Ebd c VII n 102 nostra vis mentis ex illis talibus notionibus [] facit mechanicas arteset physicas et logicas coniecturas [] omnes tales sunt potius coniecturae quam veritates

41 Nikolaus von Kues Die Jagd nach der WeisheitDe venatione sapientiae (PhilosophischeBibliothek Bd 549) lat-dt neu hrsg v K Bormann Hamburg 2003 c IV n 9 f Intellec-tus magistri vult creare artem syllogisticam Ipse enim posse fieri huius artis praecedit quaears in ipso est ut in causa Ponit igitur et firmat posse fieri huius artis () Et hae suntspecificae formae syllogisticae in ratione fundatae et permanentes quas necesse est omnemsyllogismum qui sensibili sermone exprimitur imitari Et ita posse fieri huius artis explica-tur

42 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 3) c IX n 122

354 Gerhard Krieger

et accidens) Insofern der Geist in Bezug sowohl auf wesenhafte und mathe-matische Gehalte als auch auf Gott sich auf sich selbst im instrumentellenSinne bezieht begreift er auch insoweit als Erkenntnis entwerfender Naturist und zur Vollendung gelangt (tunc mens concipit cum ad perfectionemducitur intellectus)43 Insofern erweist sich die Vernunft (ratio) als die ent-scheidende Instanz fuumlr den Zusammenhang zwischen Sinnlichkeit auf dereinen Seite und Erkenntnis auf der anderen Seite Denn in der Begriffs- undUrteilsbildung realisiert sich Einheit die fuumlr sich betrachtet Sache der Ver-nunft ist Die sinnliche Vorstellung verwirklicht ihrerseits Einheit wenn auchals sinnliche auf andere Weise als die Vernunft Deswegen kann Einheit zu-naumlchst als dasjenige Moment angesehen werden das sinnliche und geistig-rationale Vorstellung vergleichbar macht Daruumlber hinaus macht der Aspektder Einheit die Erkenntnis der Vernunft (ratio) und die des Intellektes (intel-lectus) nicht nur vergleichbar sondern gewaumlhrleistet ihren Zusammenhangals Erkenntnis Insofern sind diese beiden Modi der Erkenntnis zwei Aspektegeistiger Taumltigkeit und ihren Unterschied macht die modale Differenz vonbestimmter Moumlglichkeit und bestimmter Notwendigkeit aus44

Im Blick auf die Erkenntnis wesenhafter und mathematischer Gehaltekommt weiter die im Zusammenhang der Eroumlrterung der Konjekturalitaumltmenschlicher Erkenntnis bereits angesprochene Wesenserkenntnis in denBlick In dem genannten Zusammenhang hat sich gezeigt dass der menschli-che Geist auf der einen Seite im Vollzug seiner Erkenntnis als solchem bzwals solcher unmittelbar Anteil nimmt am goumlttlichen Geist Er tut dies zugleichauf der anderen Seite in bdquoAndersheit oder Moumlglichkeitldquo (alteritas sive poten-tia) insofern es ihm an der schoumlpferischen Kraft des goumlttlichen Erkennensmangelt Insofern kann er das Wesen eines Dinges nur bdquoanders und abgewan-deltldquo (aliter atque varie) erkennen ohne dass ihm die Erkenntnis des Dingesgaumlnzlich verwehrt bliebe Insoweit versteht sich die bdquoAndersheit oder Moumlg-lichkeitldquo in der eine Mutmaszligung das Wesen eines Dinges und damit dieWahrheit erfasst im Sinne einer Differenz in Bezug darauf wie dieses Wesenjeweils erkannt wird und zur Darstellung gelangt Die fragliche Erkenntnisstellt nicht lediglich eine Abbildung oder Repraumlsentation des fraglichen We-sens dar vielmehr unterscheidet sich ein und dasselbe Wesen eines Dingesnach der Verschiedenheit seiner jeweiligen Erkenntnisse als solchen (Identitasigitur inexplicabilis varie differenter in alteritate explicatur)45

43 Ebd c VIII n 108 f44 In diesem Sinne deutet auch S Dangelmayr Gotteserkenntnis und Gottesbegriff in den phi-

losophischen Schriften des Nikolaus von Kues Meisenheim aG 1969 81 die Differenzvon ratio und intellectus als bdquoFunktionenldquo bzw bdquoAspekte derselben Taumltigkeitldquo

45 Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (wie Anm 3) p I c XI n 57 Nequeintellectus rei uti est in alio attingibilis est sicut circulus uti est in hoc sensibili paviemen-to alibi nisi aliter fieri nequit Identitas igitur inexplicabilis varie differenter in alteritate

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 355

Naumlherhin werden diese Gehalte als in sich und an sich unwandelbar er-fasst indem der Geist bdquoauf seine Unwandelbarkeit blicktldquo (respicit ad suamimmutabilitatem) und bdquosich selbst als Instrument bedientldquo (utens se ipsa proinstrumento)46 Dies besagt dass der Geist im Ausgang von der Definitionerstens erkennt dass der so definierte Gehalt wie etwa der Kreis als solchesnicht in der Erfahrung angetroffen werden kann (quo modo essendi circulusextra mentem in materia esse nequit) Zweitens fungiert diese Definitionwiederum im Blick auf das genannte Beispiel gesagt als bdquoUrbild und Maszligder Wahrheit des Kreises auf dem Bodenldquo (circulus in mente est exemplar etmensura veritatis circuli in pavimento)47 Drittens kann sich die Wahrheit derDefinition im gegebenen Falle in der konstruktiven Sichtbarmachung einesKreises zeigen (ad praedeterminatam circuli respicit rationem secundumquam studet operari quantum hoc posse fieri sensibilis subiecti permittit)48Im gegebenen Falle fungiert die Definition also wie eine Anweisung oder einepraktische Regel Insofern zeugt erst die tatsaumlchliche Anwendung dieser Regelvon der Richtigkeit der Definition bzw ihrer Erkenntnis

Die bestimmte Notwendigkeit wesenhafter und mathematischer Gehalteberuht somit darauf dass bdquodie eine Notwendigkeit so ist die andere so undjede aus ihren Teilen zusammengesetztldquo (una est sic alia sic et quaelibet exsuis partibus composita)49 die Notwendigkeit der betreffenden Gehaltemacht deren Verschiedenheit und jeweilige Bestimmtheit aus Insofern sichdiese Gehalte ihrer Realitaumlt nach dem Geist in seiner bdquoInstrumentalitaumltldquo ver-danken kommt diesen zwar unveraumlnderbare Bestimmtheit (incorruptibiliscertitudo)50 zu Aber sie besitzen doch keine Realitaumlt an sich selbst Denn indiesen Erkenntnissen ist der menschliche Geist wiederum in Bezug auf dieMathematik gesagt schoumlpferisch taumltig (mathematicalia et numeros ex nostramente procedunt et sunt modo quo nos concipimus esse tantum entiumrationis quorum nos sumus conditores)51 Die angesprochenen Sachverhalte

explicatur atque ipsa varietas concordanter in unitate identitatis complicatur Vgl dazu imEinzelnen die Uumlberlegungen im Abs I 2

46 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 1) c VII n 10347 Ebd48 Nikolaus von Kues Die Jagd nach der WeisheitDe venatione sapientiae (wie Anm 41)

c V n 1149 Vgl Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 1) c VII

n 10550 Nikolaus von Kues Die belehrte UnwissenheitDe docta ignorantia I (wie Anm 31) l I

c XLV n 3251 Nikolaus von Kues Uumlber den BeryllDe beryllo (Philosophische Bibliothek Bd 295) lat-

dt neu uumlbers eingel u mit Anm hg v K Bormann 2 Aufl Hamburg 1977 c XXXIIIn 56 Im Blick darauf hebt M C Rusconi Natuumlrliche und kuumlnstliche Formen bei Thierryvon Chartres und Nikolaus von Kues in A Moritz (Hrsg) sbquoArs imitatur naturamlsquo Trans-formationen eines Paradigmas menschlicher Kreativitaumlt im Uumlbergang vom Mittelalter zur

356 Gerhard Krieger

trifft der Geist nicht bereits als konstituierte an er bdquofabriziertldquo (fabricat)sie52 In der Erkenntnis wesenhafter und mathematischer Gehalte gestaltetder menschliche Geist sich selbst Deswegen ist die einzelne Erkenntnis alleingemaumlszlig ihrer jeweiligen Bestimmtheit wahr und repraumlsentiert nicht die Wahr-heit im schlechthinnigen Sinne53

Im cusanischen Verstaumlndnis der Mathematik und der Wesenserkenntniszeigt sich also ein erstes Beispiel fuumlr die Selbstgestaltung und Entwurfsgestaltmenschlicher Erkenntnis54 Diese Gestalt repraumlsentiert insoweit eine Steige-rung der menschlichen Erkenntnisbefaumlhigung als sie zwar die Befaumlhigung zursinnlichen Wahrnehmung Erfahrungserkenntnis und Logik voraussetzt aberderen Erkenntnisse konstituieren nicht die infrage stehende Gestalt In Bezugauf die Differenz im Verhaumlltnis zur Logik gesagt Die logischen Gehalte gibtes insofern der menschliche Geist denkt die mathematischen und wesenhaf-ten insofern er diese als solche denkt Mit der Entwurfsgestalt mathemati-scher und wesenhafter Erkenntnis verknuumlpft sich zugleich insoweit objektiveBestimmtheit und damit ein Wahrheitsanspruch als der betreffende Gehaltvon bdquobestimmter Notwendigkeitldquo ist Gemaumlszlig dieser Natur ist der Wahrheits-anspruch kein absoluter Insofern weiszlig der Geist in dieser Erkenntnis zugleichum seine Standpunkthaftigkeit und Perspektivitaumlt Die fragliche Erkenntnisbasiert schlieszliglich insoweit auf subjektiver Gewissheit oder Evidenz55 als de-ren Wahrheit ebenso wenig wie die auf Erfahrung beruhende wissenschaftli-che und die logische Wahrheit auf eine der Taumltigkeit des Geistes vorausliegen-den Ebene zuruumlckgefuumlhrt werden kann

4 Die Steigerung der Entwurfsgestalt menschlicher Erkenntniszur Perfektion in der Gotteserkenntnis

In der Gotteserkenntnis bedient sich der Geist seiner selbst wie in der wesen-haften und der mathematischen Erkenntnis in seiner instrumentellen Funk-

Neuzeit Muumlnster 2010 253ndash265 hier 262 f hervor dass Cusanus sich darin von Thierryvon Chartres unterscheidet mit dem er ansonsten in der Bestimmung der bdquobestimmtenNotwendigkeitldquo mathematischer Gehalte uumlbereinstimmt

52 Nikolaus von Kues Uumlber den BeryllDe beryllo (wie Anm 51) ebd53 Vgl Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota De mente (wie Anm 1) c VII

n 10554 T Van Velthoven Gottesschau und menschliche Kreativitaumlt Studien zur Erkenntnislehre

des Nikolaus von Kues Leiden 1977 kennzeichnet seinerseits (142 159) das cusanischeVerstaumlndnis mathematischer Erkenntnis als Entwurf

55 In Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (wie Anm 3) p II c II n 80 betontder Autor den konjekturalen Charakter der (Selbst-) Erkenntnis der Vernunft als Ursprungmathematischer Erkenntnis

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 357

tion Geht es in den letztgenannten Erkenntnissen um die Erfassung bestimm-ter Notwendigkeit erfasst der Geist jetzt absolute Notwendigkeit und Ein-fachheit Cusanus kennzeichnet diese Erkenntnis in negativer Weise indemer sie von der Erkenntnis bestimmter Notwendigkeit unterscheidet In diesererfasst der Geist Wahrheit gemaumlszlig dem betreffenden Gehalt jeweils verschie-den so dass die eine Erkenntnis so und die andere anders wahr ist Im Unter-schied dazu kann es in Bezug auf die absolute Notwendigkeit und Einfachheitsowohl dem Weg wie dem Ergebnis nach nur eine einzige Weise der Wahr-heitserkenntnis geben Dem Weg nach indem der Geist sich in seiner Bedeu-tung als Inbegriff von Einheit und Einfachheit erfasst und dem Ergebnisnach indem der Geist die Wahrheit selbst nicht nur als den genannten Inbe-griff sondern als Einheit und Einfachheit selbst erfasst d h bdquoganz einfachohne Zahl und Groumlszlige und jede Andersheitldquo (simplicissime sine numero etmagnitudine et omni alteritate)56 Das bedeutet im Ergebnis Die Gottes-erkenntnis im Begriff der absoluten Einheit bleibt hinsichtlich ihrer Objektivi-taumlt eine Annahme (intuitio veritatis absolutae) die in der skizzierten Erfas-sung zwar entfaltet aber nicht bewiesen wird Sie ist zwar ihrem Gehaltaber nicht ihrer Geltung nach absolut notwendig Insofern der Geist sichdabei seiner selbst bedient realisiert er zugleich eine Erkenntnis im Bewusst-sein der Differenz zum Erkannten selbst (sciat esse veritatem quae non estfigurabilis in aliquo aenigmate) die um ihre Standpunkthaftigkeit und Per-spektivitaumlt weiszlig57 Gotteserkenntnis legitimiert sich damit wie alle uumlbrige Er-kenntnis letztlich aus ihrer Evidenz (coniecturas de ipsis [scl divinis] faci-mus)58 Aufgrund ihres Gehaltes genauer seiner Absolutheit ist sie zugleichSteigerung der Entwurfsgestalt menschlicher Erkenntnis zur Perfektion

V Metaphysik als Entwurf ndash Ein Fazit

Das Fazit zu den vorangegangenen Uumlberlegungen erfolgt in zwei Aspektenzum einen soll das dargelegte Konzept der Metaphysik des Cusanus zusam-mengefasst werden zum anderen wird dieses Konzept in seinem Verhaumlltnisder Rezeption und Transformation der Metaphysik des Aristoteles gekenn-zeichnet

Sinnliche Wahrnehmung versteht sich gemaumlszlig dem hier entwickelten Kon-zept nicht im Sinne eines abbildenden sondern eines gestaltenden Verhaumlltnis-ses Da diese Gestaltung nicht die wahrgenommenen Dinge in ihrer Realitaumlt

56 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 1) c VII n 105 f57 Nikolaus von Kues Uumlber den BeryllDe beryllo (wie Anm 51) c VI n 758 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 1) c V n 82

358 Gerhard Krieger

betrifft sondern insoweit als diese Dinge tatsaumlchlich wahrgenommen wer-den liegt eine aktive Nachgestaltung der Wirklichkeit vor Dabei stiftet dieImagination oder Einbildungskraft die Integration der gemaumlszlig den verschiede-nen Sinnesorganen aufgenommenen Sinneseindruumlcke zu einer einheitlichenWahrnehmung im Sinne vermittelter Unmittelbarkeit im Verhaumlltnis zum Sinn-lichen die in der Imagination gegebenen Repraumlsentationen beziehen sich inihrer repraumlsentierenden Funktion unmittelbar auf die vermittels der Sinnesor-gane zustande kommenden Eindruumlcke und vermittels dieser auf die realenDinge Auf diese Weise ist die Beziehung der Imagination mit den Dingen aufder einen Seite vermittelter Natur Auf der anderen Seite verdanken sich dieimaginativen Repraumlsentationen selbst der Einbildungskraft und sind insofernurspruumlnglicher Natur Das Verhaumlltnis zu den sinnlichen Dingen ist also vonimaginativ vermittelter Unmittelbarkeit Was die realen Dinge angeht istuumlber diese zwar nichts uumlber ihre tatsaumlchliche Erfahrung hinaus gewusstgleichwohl erschlieszligen sie sich nur kraft der Repraumlsentationsleistung der Ima-gination Insoweit ermoumlglicht diese in sinnlicher Weise etwas als etwas zuerkennen In der imaginativ vermittelten Unmittelbarkeit zeigt sich im Ver-haumlltnis zum Sinnlichen zugleich die eigene Sinnbestimmtheit dieses Verhaumllt-nisses insofern der sinnliche Gehalt eben in der der Einbildungskraft ent-springenden Einheit und Gestalt repraumlsentiert wird Diese eigene Sinnbe-stimmtheit der Vermittlung vermag der Mensch in und kraft seinerGeistigkeit zur Steigerung zu bringen indem die Vergegenwaumlrtigung selbstzum Ziel menschlicher Weltorientierung im Modus des Erkennens und Wis-sens wird

Den Zusammenhang zwischen sinnlicher und geistiger Vergegenwaumlrti-gung gewaumlhrleistet deren jeweilige Einheit Die Einheit geistiger Taumltigkeit ins-gesamt beruht auf der Befaumlhigung des Begreifens und dem diesem zugrundeliegenden seelischen Vermoumlgen Diese Befaumlhigung ist zunaumlchst bezogen aufdie Begriffe und Urteile die der Geist im Bereich des auf Erfahrung beruhen-den Wissens und der Logik hervorbringt Insofern realisiert sich in der Be-griffs- und Urteilsbildung Einheit die fuumlr sich betrachtet Sache der Vernunftist Die sinnliche Vorstellung verwirklicht kraft der Imagination ihrerseitsEinheit wenn auch als sinnliche auf andere Weise als die Vernunft Deswegenkann Einheit zunaumlchst als dasjenige Moment angesehen werden das sinnlicheund geistig-rationale Vorstellung vergleichbar macht Weiter erweist sich aufdiese Weise die Vernunft als die entscheidende Instanz fuumlr den Zusammen-hang zwischen Sinnlichkeit auf der einen Seite und Erkenntnis auf der ande-ren Seite Denn geistige Taumltigkeit kann in zwei Modi unterschieden werdenderen Zusammenhang durch die urspruumlngliche und spontane Befaumlhigung desGeistes zur Einheit gewaumlhrleistet ist Die Differenz der beiden geistigen Taumltig-keiten oder Funktionen bestimmt sich modal durch den Unterschied vonbestimmter Moumlglichkeit und bestimmter Notwendigkeit Im erstgenannten

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 359

Falle ist der Geist auf Gehalte bezogen die sich in ihrer bestimmten Moumlglich-keit vom Wirklichen in seiner Faktizitaumlt her bestimmen Diese Gehalte sindzum einen die der imaginativ vermittelten sinnlichen Erfahrung einschlieszlig-lich deren technischer Gestalt zum anderen die in der Erfahrung des Begrei-fens selbst zugaumlnglichen logischen Gehalte Die Gehalte bestimmter Notwen-digkeit sind solche die es gibt insofern der Geist sie in ihrer bestimmtenNotwendigkeit denkt Sie verdanken sich deswegen in ihrer Bestimmtheit undWahrheit nicht bereits der Tatsache geistiger Aktivitaumlt sondern der bewuss-ten Hinwendung des Geistes zu sich selbst und der Nutzung seiner selbstAuf diese Weise kann der Geist zu Wesenserkenntnis und Mathematik gelan-gen Darin kommt es zugleich zu einer Steigerung genauer einer Selbststeige-rung geistiger Aktivitaumlt gemaumlszlig ihrer Bedeutung als Inbegriff von Einheit undSachhaltigkeit Auf diese Weise hat geistige Taumltigkeit ihr Ziel zwar nicht au-szligerhalb ihres Vollzuges selbst sie ist aber im Maszlige ihrer Selbstgestaltungtranszendierender also selbsttranszendierender Natur Spezifisch menschlicheWeltorientierung findet also ihren Sinn im Entwurf In diesem weiszlig der Geistsich selbst als entwerfender insofern weiszlig er um die Standpunktbezogenheitund Perspektivitaumlt seiner Erkenntnis Da sich die Erkenntnisse der genanntenGehalte gemaumlszlig der Urspruumlnglichkeit und Spontaneitaumlt des menschlichenGeistes letztlich in ihrer Evidenz legitimieren tritt in ihnen menschliche Welt-orientierung schlieszliglich in der Unableitbarkeit ihrer Individualitaumlt und Krea-tivitaumlt hervor

Die Metaphysik die Cusanus auf diese Weise entwickelt kann zunaumlchstinsoweit im Sinne der Rezeption und Transformation der Metaphysik desAristoteles verstanden werden als sich das cusanische Konzept zum einennach Maszliggabe des Motivs versteht dass nichts im Verstand ist was nichtzuvor in den Sinnen war nach Maszliggabe also der Ruumlckbindung aller geistigenErkenntnis an sinnliche Erfahrung Weiter bietet dieses Konzept eine Deutungmenschlicher Weltorientierung im Modus wissenschaftlicher Erkenntnis dieim Grundriss und in ihrer Gliederung der aristotelischen Konzeption ent-spricht Schlieszliglich laumlsst sich dieses Konzept im Sinne der Rezeption undTransformation auf die Metaphysik des Aristoteles vermittels des Verhaumlltnis-ses dieser Konzeption zu Buridans Auffassung beziehen Insofern Cusanusnaumlmlich in seinem Verstaumlndnis der Metaphysik in zwei Hinsichten mit Buri-dan uumlbereinstimmt welche Hinsichten ihrerseits die aristotelische Metaphy-sik transformieren steht die Metaphysik des Cusanus ebenfalls im Verhaumlltnisder Rezeption und Transformation zur Metaphysik des Aristoteles

Im Besonderen verfolgt Buridan die Hinsicht des Seins nur insoweit alsdiese die Realitaumlt in ihrer faktischen Existenz betrifft Die metaphysische Be-trachtung hat sich auf diese Weise dahin gehend gewandelt dass sie primaumlretwas als etwas in den Blick nimmt Gemaumlszlig dieser Aufgabenstellung unter-sucht Buridan die Bedingungen fuumlr diese gegenstaumlndliche Betrachtung die

360 Gerhard Krieger

sich ihm als Bedingungen des Subjektes erweisen so dass die Bedingungender Erkenntnis zugleich die der erkannten Gegenstaumlnde sind Im Ergebnisanerkennt Buridan in seiner Auffassung zwar die Relativitaumlt unserer theoreti-schen Kompetenz im Verhaumlltnis zu deren Gegenstand Doch diese Kompetenzerfaumlhrt nicht eine eigene uumlber ihr praktisches Verstaumlndnis hinausgehendeSinnbestimmung

Cusanus stimmt mit Buridan zum einen insoweit uumlberein als er sich sei-nerseits in der Hinsicht des Seins auf den Aspekt der Faktizitaumlt beschraumlnktInsofern verzichtet Cusanus wie Buridan auf die transzendentale Betrachtungim Sinne ihres transkategorialen Verstaumlndnisses Diese Feststellung bietet zu-gleich den Ansatzpunkt dazu Stellung zu nehmen wie sich die hier vorge-stellte Sicht des Verhaumlltnisses des Cusanus zur Metaphysik des Aristoteles zurbetreffenden Beurteilung in der Literatur verhaumllt Im Besonderen legt sichnahe auf die Beurteilung Bezug zu nehmen dass Cusanus die bdquoAbwendungvon Tranzendentalien als alle Kategorien uumlberschreitende Seinsbestimmun-genldquo59 vollziehe Denn zunaumlchst bestaumltigt diese Feststellung die hervorgeho-bene Beschraumlnkung Weiter wird in der naumlheren Erlaumluterung dieses Befundesdarauf verwiesen dass Cusanus sich dabei im Besonderen gegen Aristoteleswendet60 Wenn schlieszliglich in dieser Stellungnahme betont wird dass es Cu-sanus bdquoim Rahmen einer extremen Steigerung der Transzendenz Gottes [hellip]um das extremissimum und um absolute Begriffe (conceptus absoluti) gehtldquodann stimmen die hier vorliegenden Uumlberlegungen auch damit insoweit uumlber-ein als sich gezeigt hat dass der Begriff des Geistes als absolute Einheit inBezug auf seine Objektivitaumlt eine Annahme darstellt die als solche (bzw dergenannte Begriff) eine bdquojedem Zweifel entzogene Wahrheit ist der keinMensch zu widersprechen vermagldquo (verissimum illud esse cui omnis sanamens nequit dissentire)61 eine Wahrheit also die zwar dem Gehalt nichtaber der Geltung nach notwendig ist und insofern nur ohne Beachtung blei-ben kann im Verzicht naumlmlich auf ihre tatsaumlchliche Realisierung Insoweitergaumlnzen die vorliegenden Uumlberlegungen die angesprochene Einschaumltzung des

59 H G Senger Warum es bei Nikolaus von Kues keine Transzendentalien gibt und wie siekompensiert werden in M Pickaveacute (Hrsg) Die Logik des Transzendentalen (MiscellaneaMedievalia Bd 30) BerlinndashNew York 2003 554ndash577 hier 560 Der Autor betont ndash ganzim Sinne der eingangs hier vorgelegten Uumlberlegungen namhaft gemachten Annahme derAnsprechbarkeit des cusanischen Denkens im Sinne mittelalterlicher Intellektualitaumlt ndash ebd556 dass bdquoals selbstverstaumlndlichldquo vorausgesetzt werden kann dass bdquoschon ein baccalaureusartium im 15 Jahrhundert mehr oder weniger Kenntnis uumlber die Transzendentalienlehreldquobesessen habe

60 Vgl ebd 556ndash56261 Nikolaus von Kues Die belehrte UnwissenheitDe docta ignorantia I (wie Anm 31) l I

c I n 2 Vgl zum angesprochenen Zusammenhang die Uumlberlegungen in IV 2 und 4

Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik 361

Verhaumlltnisses des Cusanus zur aristotelischen Metaphysik dahin gehend wieder Kardinal diese Metaphysik seinerseits deutet und in einen sie transformie-renden und uumlberschreitenden Zusammenhang bringt Im Ergebnis passen sichdie hier vorgelegten Uumlberlegungen also durchaus in den Rahmen der ange-sprochenen Beurteilung ein

Den Ansatzpunkt zu dieser Einschaumltzung bot die Uumlbereinstimmung zwi-schen Buridan und Cusanus in der Beschraumlnkung in der Hinsicht des SeinsDie zweite Uumlbereinstimmung zwischen ihnen besteht in der Anerkennung derRelativitaumlt unserer theoretischen Kompetenz im Verhaumlltnis zu ihrem Gegen-stand Doch anders als Buridan gibt Cusanus dieser Kompetenz eine eigeneSinnbestimmung indem er sie in ihrem Entwurfscharakter kennzeichnet In-sofern menschliche Erkenntnis ihren Sinn in entwerfender Vergegenwaumlrti-gung findet gewinnt die Metaphysik selbst bei Cusanus im Verhaumlltnis derRezeption und Transformation der Metaphysik des Aristoteles die Gestaltdes Entwurfs

Literatur

QuellenAristotelesrsquo Metaphysik griech-dt in d Uumlbers v H Bonitz neu bearb mit

Einl u Kommt hrsg v H Seidl griech Text in d Edition v W ChristHamburg 2 verbesserte Aufl 1982

Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (PhilosophischeBibliothek Bd 432 ) lat-dt neu uumlbers u mit Anm hrsg v R SteigerHamburg 1995

Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (Philosophische Biblio-thek Bd 268) lat-dt uumlbers u mit Einf u Anm hrsg v J Koch uW Happ Hamburg 1971

Nikolaus von Kues KompendiumCompendium (Philosophische BibliothekBd 267) lat-dt uumlbers u mit Einl und Anm hrsg v B Decker uK Bormann Hamburg 1966

Nikolaus von Kues Die belehrte UnwissenheitDe docta ignorantia I (Philo-sophische Bibliothek Bd 264 a) lat-dt 3 durchges Aufl besorgt vH G Senger Hamburg 1979

Nikolaus von Kues Die Jagd nach der WeisheitDe venatione sapientiae (Phi-losophische Bibliothek Bd 549) lat-dt neu hrsg v K Bormann Ham-burg 2003

Nikolaus von Kues Uumlber den BeryllDe beryllo (Philosophische BibliothekBd 295) lat-dt neu uumlbers eingel u mit Anm hrsg v K Bormann2 Aufl Hamburg 1977

362 Gerhard Krieger

Sonstige LiteraturBusche H Hat Phantasie bei Aristoteles eine interpretierende Funktion in

der Wahrnehmung Zeitschrift fuumlr philosophische Forschung 51 1997565ndash589

Thurner M Imagination als Kreativitaumlt nach Nicolaus Cusanus in J And-reacuteG KriegerH Schwaetzer Intellectus und Imaginatio Aspekte geisti-ger und sinnlicher Erkenntnis bei Nicolaus Cusanus (Bochumer Studienzur Philosophie 44) AmsterdamndashPhiladelphia 2002 97ndash109

Dangelmayr S Gotteserkenntnis und Gottesbegriff in den philosophischenSchriften des Nikolaus von Kues Meisenheim aG 1969

Rusconi M C Natuumlrliche und kuumlnstliche Formen bei Thierry von Chartresund Nikolaus von Kues in A Moritz (Hrsg) sbquoArs imitatur naturamlsquoTransformationen eines Paradigmas menschlicher Kreativitaumlt im Uumlber-gang vom Mittelalter zur Neuzeit Muumlnster 2010 253ndash265 hier 262 f

Senger H G Warum es bei Nikolaus von Kues keine Transzendentalien gibtund wie sie kompensiert werden in M Pickaveacute (Hrsg) Die Logik desTranszendentalen (Miscellanea Medievalia Bd 30) BerlinndashNew York2003 554ndash577

Van Velthoven T Gottesschau und menschliche Kreativitaumlt Studien zur Er-kenntnislehre des Nikolaus von Kues Leiden 1977

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen

Wilhelm Schmidt-Biggemann

I Plotin Das Eine als Ungrund und erster Grund

Plotins entscheidende Neuerung in der Philosophie ist seine Lehre vom Einen(Enneaden V 4) Das unbestimmte Eine fand er heraus ist was durch keineDifferenz bestimmt ist Das unbestimmte Eine ist ein Nicht-Begriff er kannnur durch die Negation aller Begrifflichkeit gewonnen werden dergestaltalso dass sich alle Negation selbst negiert Es ist das Weder-Noch das wedereine Grenze nach auszligen noch eine Bestimmung nach innen hat es ist einUnwesen Wenn das unbestimmte Eine ndash Schelling wird es spaumlter praumlzise dasbdquoIndifferenteldquo nennen ndash vor jeder Unterscheidung ist dann ist es auch vorder Unterscheidung von Sein und Nichts Das bdquovorldquo in bdquovor der Unterschei-dungldquo ist passend Denn mit dem bdquovorldquo wird deutlich dass die Unterschei-dung von Sein und Nichts bereits sekundaumlr ist schlieszliglich handelt es sich umeine Unterscheidung Diese Unterscheidung ist deshalb sekundaumlr weil sie dieSemantik des Einen bedient denn sobald das Eine vom Andern unterschiedenwird ist es durchs Zweite definiert Dann ist es nicht mehr unbestimmtsondern bestimmt

Im Prozess dieser Bestimmung des Einen wird folgende Dialektik sicht-bar Nur durch die Trennung des Einen vom Andern ist das unbestimmteEine als das fassbar was die Trennung negiert sie aber zugleich ermoumlglichtOhne das Eine gibt es keine Trennung die Trennung ist in diesem Sinne Folgedes Einen dessen Unbestimmtheit sich in Bestimmtheit wandelt Indem dieTrennung Folge ist wird das unbestimmte Eine zum Grund der TrennungEs teilt sich dialektisch in Ungrund1 sofern es unbestimmt war und inGrund sofern es als Anfang einer Kausalitaumlt bestimmt ist Der Grund wenner einmal aus dem Ungrund geworden ist generiert die Folge und unterschei-det sich zugleich von ihr er ermoumlglicht und negiert sie weil die Folge nichtohne den Grund sein kann Unter dieser Voraussetzung wird das unbestimm-te Eine zum Grund der Bestimmung zum Grund seiner Negation Distinkti-on Definition Indem das Eine Grund wird ist das Erste seine Folge denndas Erste ist eine Ordinalzahl und Ordnung verlangt drei Positionen Einesund anderes und beides im Verhaumlltnis

1 Der deutsche Terminus kommt zuerst bei Jakob Boumlhme und dort an vielen Stellen vor

364 Wilhelm Schmidt-Biggemann

II Das metaphysische Dispositiv von Kausalitaumlt bei Aristoteles

Diese Erwaumlgungen zur Kausalitaumlt veraumlndern das aristotelische Dispositiv derMetaphysik entscheidend und zwar in folgenden Hinsichten

1 Nicht mehr ist Sein das allgemeinste Praumldikat sondern das Eine wird zurBedingung des Seins Aber dieses Eine entzieht sich der Praumldikation denndurch die Praumldikation verloumlre es seinen Status als Eines Diese Semantikimpliziert dass dieses Eine auch nicht dem Satz des Widerspruchs unter-liegt Es entzieht sich den aristotelischen Wahrheitskriterien die dadurchbestimmt sind dass sie ein Etwas als etwas praumldizieren und so Subjektund Objekt auseinanderhalten muumlssen damit sie uumlberhaupt praumldizierenkoumlnnen Ein Urteil kann nur dann wahr sein wenn Subjekt und Objektzueinander passen Wenn zwei Praumldikate eines Subjekts sich gegenseitigwidersprechen und ausschlieszligen ist das ein Kriterium der Unwahrheitfuumlr eines der beiden Urteile2 Wenn aber das Eine ungeschieden ist istein affirmatives Urteil ausgeschlossen Man kann uumlber das ungeschiedeneEine nicht urteilen denn indem man urteilt setzt man die ScheidungDas gilt auch fuumlr ein negatives Urteil denn auch ein negatives Urteilbesteht noch aus Subjekt und PraumldikatWenn es das Sein und das Nichts umfasst ist nicht das Sein der allge-meinste Begriff3 sondern das Eine Das Insistieren darauf dass bdquonur Et-was aus Etwas wirdldquo ndash die spaumltere schulphilosophische Tradition machtdaraus a nihilo nihil fit4 ndash ist unter der Bedingung der Metaphysik des

2 Vgl Met Θ 101051 b 3ndash6 ὥστ᾿ ἀληθεύει μεν ὁ το διῃρημένον οἰόμενος διῃρησθαι και τοσυγκείμενον συγκεισθαι ἔψευσται δε ὁ ἐναντίως ἔχων ἢ τα πράγματα bdquoDer also denkt wahrder das Getrennte fuumlr getrennt und das Zusammen-gesetzte fuumlr zusammengesetzt haumllt deraber falsch dessen Gedanken sich entgegengesetzt verhaltenldquo

3 Vgl Met Ε 11026 a 29ndash32 εἰ δ᾿ ἔστι τις οὐσια ἀκίνητος αὕτη προτέρα και φιλοσοφία πρώτηκαι καθόλου οὔτως ὄτι πρώτη και περι του ὄντος ᾗ ὂν ταύτης ἂν εἴη θεωρησαι και τί ἐστι καιτα ὑπάρχοντα ᾗ ὄν bdquoGibt es aber eine unbewegte Wesenheit so ist diese die fruumlhere (scilals die Gegenstaumlnde der Physik) und die sie behandelnde Philosophie die erste und allgemei-ne insofern als sie die erste ist und ihr wuumlrde es zukommen das Seiende insofern esSeiendes ist (ὂν ᾗ ὄν) zu betrachten sowohl sein Was als auch das ihm als Seiendes Zukom-mendeldquo

4 Met Ζ 71032 a 12ndash14 των δε γιγνομένων τα μεν φύσει γίγνεται τα δε τέχνῃ τα δ᾿ ἀποταὐτομάτου πάντα δε τα γιγνόμενα ὑπό τέ τινος γίγνεται και ἔκ τινος και τί bdquoDas Werdendewird teils durch Natur teils durch die Kunst teils von ungefaumlhr Alles Werdende aber wirddurch etwas und aus etwas und etwasldquo Vgl Lucretius De rerum natura 1II 287 Denihilo quoniam fieri nihil posse videmus In der philosophischen Diskussion der fruumlhenNeuzeit ist der Topos a nihilo nihil fit durch Henry More wichtig geworden der ihn inseinen Thesen zur christlichen Kabbala benutzte H More Opera philosophica London1679 [ND Hildesheim 1966] Bd 21 523

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 365

Einen der Henologie die Stipulation der Geltung des Satzes vom Wider-spruch5

2 Es veraumlndert sich mit dieser Theorie des Einen die aristotelische Kausali-taumltstheorie Die Lehre von den vier Ursachen die eher analytischen Cha-rakter hatte wird substituiert Das Verhaumlltnis des Einen als Bedingungder Moumlglichkeit (um Kants Formulierung zu benutzen) des Anderen istweder causa efficiens noch causa finalis noch causa formalis oder mate-rialis Vielmehr wird das Eine als erste Ursache so gefasst dass ohne esExistenz uumlberhaupt nicht denkbar ist Die Kausalitaumlt des ersten Grundesist modal Sie umfasst Wirklichkeit Moumlglichkeit Notwendigkeit und de-ren Gegenteil Das Eine wird erste Ursache von Sein indem es das Nicht-sein zugleich definiert Damit wird der Grund die Kausalitaumlt zur Bedin-gung der Existenz uumlberhaupt die ihrerseits als staumlndige Trennung vonSein und Nichts gefasst wird

3 Der erste Grund ist auch nicht identisch mit der ἀρχή bzw der αἰτία demPrinzip das im ersten Buch der aristotelischen Metaphysik verhandeltwird Diese Prinzipien sind bei Aristoteles Referat seiner eleatischen Vor-gaumlnger und von eher materialer Natur Sie haben mit den Modalerwaumlgun-gen der Henologie nichts gemeinsam Freilich veraumlndert sich unter demEinfluss der Henologie die Konnotation des Begriffs Prinzip in Richtungauf das Eine

4 Auch die Lehre vom unbewegten Beweger aus Metaphysik XII ist nichtmit dem ersten Grund der Henologie identisch Der unbewegte Bewegerist das Ziel aller Bewegung der Natur er ist selbst die Pointe der Naturund ihres Lebens aber der erste Grund der sich in der Definition derurspruumlnglichen Trennung von Sein und Nichts manifestiert ist er gewissnicht

5 Allerdings wird die Theorie von δύναμις und ἐνέργεια die in Metaphysik IXbehandelt wird fuumlr die weitere Entwicklung der Kausaltheorie wichtig ndashfreilich ist auch hier evident dass δύναμις und unbestimmtes Eines nichtidentisch sind

III Die Unerkennbarkeit des ersten GrundesDionysius Areopagita Liber de Causis

Die Metaphysik des Einen ist auch ohne dass die Texte Plotins und Proklosrsquoverbatim zur Verfuumlgung standen im Abendland durchgehend bekannt geblie-

5 Ob Aristotelesrsquo Insistieren auf der Geltung des Satzes vom Widerspruch schon eine Reaktionauf Platons bdquoungeschriebene Lehreldquo ist muss hier nicht untersucht werden

366 Wilhelm Schmidt-Biggemann

ben die wichtigsten Quellen waren das Corpus Dionysiacum durch das dieMetaphysik des Einen als bdquoMystikldquo gefasst wurde und der Liber de Causiseine arabische Neubearbeitung unter anderem von Proklosrsquo Stoicheiosis theo-logike die von Gerhard von Cremona nach 1167 ins Lateinische uumlbersetztwurde und in dieser Uumlbersetzung eine schwer uumlberschaumltzbare Wirkung entfal-tete In beiden Fassungen im Corpus Dionysiacum und im Liber de Causisgeht es darum dass der Erste Grund unerkennbar ist Dionysius Areopagitabeschreibt diese Unfasslichkeit des ersten Grundes als Selbstaufloumlsung derSeele im Einen In einem Aufstieg laumlsst die Seele zunaumlchst die materiellenAumluszligerlichkeiten dann ihre eigenen Gedanken schlieszliglich den Gedanken ansich selbst ihr eigenes Bewusstsein hinter sich um sich im indefiniten Einenzu verlieren aber auch zu finden denn jetzt weiszlig sie sich als von ihm verur-sacht und staumlndig in ihrer Existenz getragen6

Der Liber de Causis hat die Frage nach der Unerkennbarkeit des ErstenGrundes in seinem sect 5 formuliert Derjenige der den ersten Grund erfassenwolle muumlsse in seiner Existenz und seiner Fassungskraft vor diesem Erstensein dann aber waumlre das Erste nicht das Erste und alle Folge ndash das ist dieSemantik des Ersten ndash beginnt mit dem Zweiten setzt aber das Erste voraus7

In beiden Faumlllen wird der Erste Grund als Causa essendi des Seins unddes Erkennens bestimmt als Grund des Seins ist er der Grund der Sein undNichts unterscheidbar macht als Grund des Erkennens bewirkt er Differenzuumlberhaupt und ist damit die Bedingung der Moumlglichkeit von Erkennendemund Erkanntem sowie des Einzelnen und seiner Praumldikation

IV Avicenna Das Reich des Moumlglichenund die Vehementia essendi

Die Frage nach Einheit und Vielheit stellt sich mit der Entfaltung der Dialek-tik des Einen in durchaus distinguierter neuer Weise Zwar war diese Frage

6 Ps Dionysius Areopagita De Theologia Mystica Corpus Dionysiacum II hrsg v A MRitter BerlinndashNew York 1991 133ndash150 Die Wirkung dieses Textes ist unuumlberschaubarEinen Eindruck liefert die Editionsgeschichte vgl dazu Dionysiaca Recueil donnant lrsquoen-semble des traductions latines des ouvrages attribueacutes au Denys de lrsquoAreacuteopage Bruumlgge 1937[ND in vier Baumlnden mit einem Nachwort von M Bauer Stuttgart-Bad Cannstatt 1989]

7 Anonymus Liber de causis Das Buch von den Ursachen hrsg u uumlbers v A SchoumlnfeldHamburg 2003 57 Causa prima superior est omni narratione Et non deficiunt linguae anarratione eius nisi propter narrationem esse ipsius quoniam ipsa est supra omnem causamet non narratur nisi per causas secundas quae illuminantur a lumine causae primae DieserText entspricht ungefaumlhr dem sect 20 der Stoicheiosis Theologike des Proklos (Proclus TheElements of Theology hrsg u uumlbers v E R Dodds Oxford 1992 22) Aber es gibt nichtunerhebliche Differenzen Es ist naumlmlich bei Proklos nicht von Causa die Rede sondern

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 367

seit dem platonischen Parmenides virulent zwar hatte Aristoteles das Mo-ment des Einen als des Ganzen8 in seiner Metaphysik angesprochen aber dieFrage danach wie denn das Verhaumlltnis des Einen und des Vielen gedachtwerden koumlnne war nur in Bezug auf das logische Urteil entfaltet worden indem das Individuum als ein Allgemeines bestimmt wurde Die Frage danachwie es logisch moumlglich wurde dass Eines Vieles sei war unbeantwortet ge-blieben Die Frage nach der Moumlglichkeit hatte Aristoteles in aumlhnlicher Weiseentspannt ndash oder vergleichguumlltigt ndash wie die Frage nach dem Verhaumlltnis vonSein und Nichts Er hatte Moumlglichkeit als das Noch-nicht der Wirklichkeitgefasst9 und damit klar gemacht dass die Wirklichkeit und ihre Praumldikationdas fuumlr ihn Wesentliche sei nicht eine bdquoirrealeldquo Anders-Welt

Diese Frage nach der Moumlglichkeit aumlnderte sich mit der Entfaltung derSchoumlpfungstheologie die mit dem Einfluss der monotheistischen Offenba-rungsreligionen virulent wurde Die Theologie der Schoumlpfung also ihre Be-schreibung als Wissenschaft wurde seit Philo von Alexandrien mit platoni-schen Mustern versucht10 Diese Platonisierung geschah so dass Gott einenSchoumlpfungsplan gedacht habe der mit den platonischen Ideen identifiziertwurde nach diesem Idealplan habe er die Welt dann als extramentale Exis-tenz durch Information der Materie verwirklicht In dieser Weise wurde dasMoumlgliche der Plan Gottes wirklich ndash das war das fiat der Schoumlpfung Mitdieser Theorie wurde die Frage danach interessant wie denn dieser Welten-plan aussehe der in der Schoumlpfung verwirklicht wurde

Es ging also um das Problem wie die Gedanken Gottes in ihrer Moumlglich-keit gefasst werden koumlnnten der Moumlglichkeit die dann in der geschaffenenNatur verwirklicht wurde Hier wurde der Begriff Moumlglichkeit nun neu ge-fasst ndash die entscheidende Figur war Avicenna Er wies darauf hin dass dieModalbegriffe Moumlglichkeit Wirklichkeit und Notwendigkeit zirkulaumlr sindund sich untereinander definieren Nach ihm wurde Moumlglichkeit nicht mehrnur in Bezug auf die Wirklichkeit gedacht sondern als logischer Begriff DerGegenbegriff war jetzt nicht mehr Wirklichkeit sondern Unmoumlglichkeit11

vom Einen dem Hen Es heiszligt dort dass der Nous dem Hen nachgeordnet sei und dassder Nous obwohl unbewegt nicht das Eine sei und indem es sich erkenne sei es Objektseiner eigenen Aktivitaumlt das es damit ins Werk setze noei gar heauton kai energei heauton

8 Met Δ 261023 b 27ndash1024 a 109 Met Θ behandelt die Modaltheorie10 Vgl Philo von Alexandrien De Opificio mundi hrsg v L Cohn Berlin 189611 Vgl Avicenna Latinus Liber de philosophia prima sive scientia divina IndashIV Eacutedition critique

de la traduction latine meacutedieacuteval par S van Riet LouvainndashLeiden 1977 I 1 5 40 Difficileautem est declarare dispositionem necessarii et possibilis et impossibilis certissima cognitio-ne nisi per signa Quicquid enim dictum est ab antiquis de ostensione istorum in plerisquereducitur ad circularem eo quod ipsi sicut nosti in logicis cum volunt definire possibileassumunt in eius definitione necessarium vel impossibile nec habent alium modum nisihunc Cum autem volunt definire necessarium assumunt in eius definitione possibile vel

368 Wilhelm Schmidt-Biggemann

Avicenna unterschied die metaphysische Notwendigkeit des Seins vondieser logischen bdquoManierldquo Fuumlr diesen metaphysischen Sachverhalt fand ereine Formulierung die im Lateinischen als vehementia essendi Drang zurExistenz wiedergegeben wurde Die vehementia essendi bezeichnete die Rea-litaumlt die sich ihrer Realisierung nicht entziehen kann Diese durch die vehe-mentia essendi verwirklichte Realitaumlt bestimmte das Verhaumlltnis von Sein undNicht-Sein und das was real war war erkennbarer als das was nicht dawar12 Damit unterschied Avicenna das Reich des Moumlglichen als das wasnicht da war von dem was durch die vehementia essendi real geworden warDiese vehementia war als Notwendigkeit bestimmt nicht als KontingenzWenn in diesem Verwirklichungsprozess irgendetwas als Kausalitaumlt beschrei-ben werden konnte dann die vehementia essendi

Man konnte diesen Sachverhalt als die Trennung eines Reichs des Moumlgli-chen von einem des Wirklichen interpretieren Mit der Formulierung der ve-hementia essendi gab es einen doppelten Begriff von Moumlglichkeit Der erstewar der der Kontingenz Er war dadurch definiert dass etwas sein kann oderauch nicht und dass es einen Drang eben die vehementia geben muumlsse dasMoumlgliche wirklich zu machen Der andere Moumlglichkeitsbegriff war der derKompossibilitaumlt Das was gedacht wird darf in sich nicht dergestalt wider-spruumlchlich dass ein affirmatives Praumldikat eines grammatisch-logischen Sub-jekts zugleich negiert wird Der Satz vom Widerspruch wurde als Bedingungder Denkbarkeit gefasst und diese Denkbarkeit wurde als formales Kriteri-um von Moumlglichkeit interpretiert Die logische Moumlglichkeit war die Bedin-gung dafuumlr dass eine Welt formal unabhaumlngig von der wirklichen denkbarwar ndash und dieser Gedanke war auf das Konzept des goumlttlichen Weltenplanesebenso wie auf das menschliche Denken anwendbar Damit war die Idee dermoumlglichen Welt geboren

Mit diesem Konzept gab es zwei unterschiedliche Begriffe von Welt dievon Gott konzipierte Idealwelt des Moumlglichen und die erfahrbare reale Weltdie durch die vehementia essendi zustande gekommen war Die von Gott

impossibile et cum volunt definire impossibile assumunt in eius definitione necessariumvel possibile Verbi gratia cum definiunt possibile dicunt aliquando quod est non necessari-um vel quod ipsum est quod non est in praesenti cuius tamen esse in quacumque posuerishora futura non est impossibile [Das ist jetzt der Sprung von der logischen zur metaphysi-schen Moumlglichkeit zur Kontingenz] Deinde cum volunt definire necessarium dicunt quodnecessarium est quod non est possibile poni non esse vel quod est id quod si aliter poniturquam est est impossibile

12 Ebd 41 Sed detectio huius maneriae in hoc est haec quia iam nosti in Analyticis quod exhis tribus [scil necessarium possibile impossibile W S-B] id quod dignius est intelligiest necesse quoniam necesse significat vehementiam essendi esse vero notius est quam nonesse esse enim cognoscitur per se non esse vero cognoscitur per esse aliquo modo

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 369

praumlkonzipierte Welt konnte vom Menschen zwar nicht inhaltlich aber siekonnte formal gedacht werden indem die menschliche Vernunft der goumlttli-chen strukturanalog war Da die menschliche Vernunft aber von der goumlttli-chen abhing war es sinnlos die goumlttliche und die menschliche Vernunft un-abhaumlngig voneinander zu denken zumal der entscheidende Grundsatz derpropositional bestimmten Sprach-Vernunft der Satz vom Widerspruch fuumlrdieses Konzept der Kompossibilitaumltsstruktur einer moumlglichen Welt galt Ne-ben dieser logischen Weltkonzeption gab es die reale Welt diese unterschiedsich durch die vehementia essendi von der moumlglichen In ihrer Erkennbarkeitunterlag auch sie den logischen Kompossibilitaumltskriterien Es war eine in sichselbst widerspruumlchliche Realitaumlt unerkennbar denn erkennbar war nur daswas propositional war und wessen Propositionen dem Satz des Widerspruchsunterlagen Aber sie war entscheidend mehr denn sie war real Logisch gese-hen war die reale Welt freilich nur ein Spezialfall der moumlglichen Welten dennin sich selbst Widerspruumlchliches war auch als Realitaumlt nicht erkennbar DerUnterschied zwischen der moumlglichen und der wirklichen Welt war allein mo-dalmetaphysischer Natur

V Duns Scotus Die Verwirklichung des Rationalenals irrationaler Willensakt

Bei der Bestimmung des Moumlglichen und Wirklichen wurde nun das Verhaumlltnisvon δύναμις und ἐνέργεια mit dem Aristoteles (Metaphysik IX) die Realitaumltdes individuell Realen gefasst hatte wichtig Bei Aristoteles dienten diesebeiden Begriffe zur Analyse der Realitaumlt Das Moumlgliche verwirklichte sich imRealen und bestimmte die Realitaumlt in ihrer weiteren Entfaltung Die δύναμιςwar deshalb nicht als eigene logische Welt des Moumlglichen gefasst sondernnur in Bezug auf die Frage danach wie denn das natuumlrliche Sein so gewordenwar wie es war Den Begriff Existenz hatte Aristoteles noch nicht Mit derBestimmung der moumlglichen Welt wurde eine eigene Welt der Essenzen ge-dacht die Welt logisch moumlglicher Wesen die zur Existenz kommen konntenoder nicht So wie Avicenna im Abendland gelesen wurde lehrte er dass derSchritt aus der moumlglichen Welt der Essenzen in die wirkliche existierendeWelt als vehementia essendi geschehe und dieser Schritt definierte bei Avicen-na die Notwendigkeit Mit der vehementia essendi wurden das Reich derMoumlglichkeit und die Wirklichkeit als metaphysische Notwendigkeit ver-schraumlnkt

Diese Engfuumlhrung von moumlglicher Essenz und realer Existenz hatte Konse-quenzen fuumlr die Schoumlpfungstheologie die unerwuumlnscht waren Denn wennder Uumlbergang von der Moumlglichkeit in die Wirklichkeit mit Notwendigkeit

370 Wilhelm Schmidt-Biggemann

erfolgte dann konnte theologisch nicht unterschieden werden ob Gottes pri-mordialer Schoumlpfungsgedanke notwendig Realitaumlt werden muumlsse oder obGott auch Moumlgliches denken koumlnne das moumlglich blieb aber nicht real wur-de Im Fall der ersten Alternative war die Konsequenz unvermeidbar dassGott wenn er denn uumlberhaupt als denkend konzipiert wurde notwendig dieWelt schaffen musste und das war fuumlr alle monotheistischen Religionen inak-zeptabel weil der Pantheismusverdacht unabweislich war Es blieb also fuumlrdie schoumlpfungstheologische Explikation der Modalphilosophie nur die zweiteAlternative akzeptabel Deshalb musste das Verhaumlltnis vom Reich des Moumlgli-chen der Essenz und dem Reich des Wirklichen der Existenz anders als mitder Konzeption der vehementia essendi gefasst werden Wenn die primordialeWelt der goumlttlichen Gedanken und der extramentalen Verwirklichung dieserGedanken als Schoumlpfung und nicht als Emanation interpretiert werden solltedann durfte dieser Akt nicht notwendig sein denn Gott waumlre sonst zurSchoumlpfung gezwungen gewesen und das war mit dem Gottesbegriff unverein-bar Aus diesem Grunde wurde der Schoumlpfungsakt sofern er fuumlr die Men-schen uumlberhaupt verstaumlndlich war von Duns Scotus in drei Schritten be-schrieben Zunaumlchst entschlieszligt sich Gott aus freiem Willen zur Schoumlpfungder Welt13 dann konzipiert er sie in ihrer logischen Moumlglichkeit als notwen-dige ewige Wahrheiten14 und schlieszliglich realisiert er sie voluit potuit fecitDie beiden ersten Schritte wurden als duplex ratitudo entis15 beschrieben fuumlrden letzten Schritt hat Scotus das Lehrstuumlck der potentia absoluta und poten-tia ordinata16 nach dem Gott aus freien Willen die logisch konzipierte Welt

13 Ioannis Duns Scoti Quodlibetum 16 sectsect 30 32 Dico quod cum necessitate ad volendumstat libertas in voluntate [] Probatur idem sbquopropter quidlsquo Et primo sic Actio circa finemultimum est actio perfectissima in tali actione firmitas in agendo est perfectionis igiturnecessitas in ea non tollit sed magis ponit illud quod est perfectionis sic est libertas

14 Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d 3 (Opera omnia Bd 3) ed by C Balić et alii Cittagrave delVaticano 1954 sect 262 Ad intellectum primi dico quod omnia intelligibilia actu intellectusdivini habent esse intelligibile et in eis omnes veritates de eis relucent ita quod intellectusintelligens ea et veritates de eis relucent ita quod intellectus intelligens eas et virtutemeorum intelligens necessaria veritates de eis videt in eis sicut in obiectis istas veritates neces-sarias Illa autem inquantum sunt obiecta secundaria intellectus divini sunt veritates quiaconformes suo exemplari et sunt immutabiles et necessariae

15 Vgl L Honnefelder Die Lehre von der doppelten Ratitudo Entis und ihre Bedeutung fuumlr dieMetaphysik des Johannes Duns Scotus in Deus et Homo ad mentem I Duns Scoti Acta TertiiScotistici Internationalis Vindenonae 1970 Studia Scholastico-Scotistica 5 1972 661ndash671

16 Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d 26ndash48 (Opera omnia Bd 6) ed by C Balić et alii Cittagravedel Vaticano 1963 d 44 sect 7 Deus ergo agere potens secundum illas rectas leges utpraefixae sunt ab eo dicitur agere secundum potentiam ordinatam ut autem potest multaagere quae non sunt secundum illas leges iam praefixas sed praeter illas dicitur eius poten-tia absoluta quia enim Deus quodlibet potest agere quod non includit contradictionem etomni modo potest agere quod non includit contradictionem (et tales sunt multi alii) ideodicitur tunc agere secundum potentiam absolutam

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 371

verwirklichen kann die nach ihrer Verwirklichung in ihrer Ordnung existiertDieser Akt ist unumkehrbar Wenn die Welt geschaffen wurde ist mit demSchoumlpfungsakt die Welt in ihrer Ordnung bestimmt

Wenn Gott bei Scotus in dieser Weise durch den Willen bestimmt warund der Wille der Grund der Schoumlpfung war dann war auch diese Schoumlp-fungstheologie theologisch alles andere als risikolos Indem die moumlglichenWelten als die Bedingungen der wirklichen gefasst wurden war deutlich dassdie Welt insgesamt die moumlgliche und die wirkliche Welt als logisch konzi-piert begriffen werden mussten ndash das bedeutete dass die Welt insgesamt alskausal determiniert galt weil Ursache und Wirkung als logische Implikatio-nen begriffen werden mussten Da Gott alles als Moumlglichkeit und ewigeWahrheit dachte ndash eine andere Rationalitaumlt als diese war fuumlr Menschen un-denkbar ndash und weil er alles gleichzeitig konzipierte konnte Kausalitaumlt nurals die aumluszligere raumzeitliche Erscheinung der goumlttlichen Praumlkonzeption ver-standen werden Die Kausalitaumlt war deshalb nur der aumluszligere Ausdruck derinneren Kompossibilitaumlt der Welt in Raum und Zeit In dieser Welt war einRaum der Freiheit fuumlr den Menschen kaum zu finden diese aber war erfor-derlich wenn Schuld und Verdienst dem Menschen zugerechnet werden soll-ten Auf der anderen Seite wurde der Uumlbergang von der moumlglichen in diewirkliche Welt dadurch dass der Schoumlpfungsakt aus freiem Entschluss Gottesgeschah zu einem Willkuumlrakt Der skotistische Gott war merkwuumlrdig dop-peldeutig Er war zugleich hochrational weil er die moumlgliche Welt durchkal-kulierte und er war zugleich irrational in seinem freien Entschluss zur Ver-wirklichung der extramentalen Welt Die Kluft zwischen Moumlglichkeit undWirklichkeit war einerseits nahezu unuumlberwindbar auf der andern Seite wardie geschaffene Realitaumlt kausal durchdefiniert

VI Nikolaus von Kues Modaltheologie des ersten Prinzips

Bei Duns Scotus war die Dialektik des ersten Grundes offensichtlich nichtberuumlcksichtigt Das lag wesentlich auch daran dass die negative Theologiedie seit Dionysius Areopagita Teil auch der christlichen Tradition war zuSchwierigkeiten in der Trinitaumltstheologie fuumlhrte Denn wenn das unbestimmteEine das Goumlttliche sich erst zum Sein dadurch bestimmte dass es sich vomNichts als seinem Definiens trennte und wenn es sich sobald es sich als ge-trennt vom Nichts begriff selbst zum Objekt seiner selbst machte und sichdadurch zum houmlchsten Gut wurde dann wurde in diesem Prozess das Negati-ve des houmlchsten Gutes und das war das Boumlse freigesetzt

Die Objektwerdung seiner selbst war der erste Schritt zur trinitarischenFassung Gottes Gott wurde sich selbst zum Logos der nach dem Prolog des

372 Wilhelm Schmidt-Biggemann

Johannesevangeliums im Anfang bei Gott war Das entsprach dem Verhaumlltnisdes Vaters zum Sohn die sich gegenseitig definierten die Liebesbeziehungbeider zueinander als je houmlchstes Gut war die Rolle des Heiligen Geistes dervom Vater und vom Sohne ausging Die dogmatischen Schwierigkeiten lagenauf der Hand Wie konnte das Verhaumlltnis des unbestimmten Einen zum sichkonstituierende dreifaltigen Gott vor allem zum Vater beschrieben werdenWurde der trinitarische Gott der sich in diesem theogonischen Selbstwer-dungsprozess verstehen lieszlig zur Ursache des Nichts und schlimmer nochdes Boumlsen Da diese Probleme schon 1215 auf dem vierten Laterankonzileine Rolle gespielt zu haben scheinen als Peri Physeos das Hauptwerk Eriu-genas des ersten Uumlbersetzers des Corpus Dionysiacum anathematisiert wur-de galt die negative Theologie als dogmatisch risikotraumlchtig

Nikolaus von Kues knuumlpfte sehr wirkungsvoll an diese Tradition an erverstand die dogmatischen Risiken als Chancen zu produktiven theologi-schen Spekulationen uumlber die Selbstwerdung Gottes den absoluten Anfangund die mathematische Repraumlsentation dieses Prozesses

1 Theogonie und Ursprung der Kraft

Nikolaus behandelt die Theorie des Einen in ihrer Dialektik in vielen Variati-onen Die weitestgehende Fassung ist die Logik der Theogonie die als sichselbst mitteilenden Wahrheit verstanden wird in deren Urspruumlnglichkeit dieOpposita eines Urteils aufgehoben sind Das ist ein Angriff auf die aristote-lisch-scholastische Urteilslehre Nikolaus macht mit diesem Argument deut-lich dass Gott bdquoweder ist noch nicht istldquo houmlher als jede Frage einfachabsolut eine unaussprechliche Einheit (ineffabilis entitas)17 Aber er ist indieser Unnahbarkeit der Grund fuumlr jedes Etwas in diesem Sinne ist er derletzte Grund bdquoGott istldquo schreibt Nikolaus bdquoNichts und Etwas denn ihmgehorcht das Nichts damit Etwas wird Und darin besteht seine Allmachtdass durch seine Macht alles was ist oder nicht ist hervorgerufen wird dasses ihm so gehorcht dass es nicht anders ist als es istldquo18 Diese Macht zwi-

17 Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (Philosophische Bibliothek Bd 268) lat-dt uumlbers u mit Einf u Anm hrsg v J Koch u W Happ Hamburg 1971 p I c V n21 Absolutior igitur veritatis exstitit conceptus qui ambo abicit opposita disiunctive simulet copulative Non poterit enim infinitius responderi bdquoan Deus sitldquo quam quod ipse nec estnec non est atque quod ipse nec est et non est Haec est una ad omnem quaestionemaltior simplicior absolutior conformiorque responsio ad primam ipsam simplicissimamineffabilem entitatem

18 Nicolai de Cusa De deo abscondito Opuscula I Opera omnia IV ed P Wilpert Hamburg1959 9 8ndash11 Deus est supra nihil et aliquid quia sibi oboedit nihil ut fiat aliquid Ethaec est omnipotentia eius qua quidem potentia omne id quod est aut non est excedit ut

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 373

schen Nichts und Etwas zu vermitteln die dem unbenennbaren Gott zu-kommt ist das Moment der Kausalitaumlt das hier aber nicht wie bei Avicennaund Scotus auf das Verhaumlltnis Gottes zur Schoumlpfung sondern auf Gott selbstangewandt wird Er wird sich selbst staumlndig wirklich Er ist die vehementiaessendi die Kraft zum Realwerden So ist er Causa sui

Die Dialektik des Ersten Grundes macht es dass er allein negativ alsineffabel vor jedem Anfang als Ungrund bezeichnet werden muss denn derGrund zeigt sich als Grund erst wenn er eine Folge hervorbringt Wie sollteer sonst Grund sein Er geht selbst grundlos aus sich selbst hervor DieFrage nach dem Anfang ist die prozessuale Variante der Frage nach demVerhaumlltnis des Unbestimmten zum bestimmten Einen Wenn sich das unbe-stimmte zum bestimmten Einen wandelt dann wird es dadurch zum erstenGrund Der Grund hat eine Folge ndash folglich ist er der erste Anfang Jetzt gibtes eine Richtung ein Vorher und Nachher Mit dem Begriff des Ersten wirdOrdnung installiert es muss ein Naumlchstes Zweites Anderes geben das dieein Zweites heischende Semantik des Ersten bedient und diesen Prozess da-durch zur neuen triadischen Einheit macht Fuumlr die spekulative Theologiehat Nikolaus diese Frage logostheologisch verhandelt indem er das sichselbst verstehende Eine zum Musterbild jeder Verursachung macht Diehoumlchste definite Einheit sei die die sich selbst verstehe und die deshalb ihreDefinition oder ihren Logos aus sich selbst hervorbringe19 Diese Hervorbrin-gung des innertrinitarischen Logos sei der Sohn der das Leben der vaumlterli-chen Substanz ausmache20 Dieser Prozess sei der ewige Ursprung non estaliud dicere principium principiati quam aeternitas aeterni seu aeternitasprincipiati21 Dieser Prozess verbinde den Vater und den Sohn in der Liebedas sei die Trinitaumlt an die die Christen glaubten die aber auch die Platonikerkennten In dieser Bewegung zeige sich die unhintergehbare triadische ewigeAnfaumlnglichkeit des ersten Prinzips das das Prinzip seiner selbst und derSchoumlpfung sei Nikolaus fasst seine Erwaumlgungen zusammen Resumendo ita-que quae tacta sunt principium esse unitrinum et ipsum aeternum manifest-um Dico hunc mundum ab unitrino principio id esse quod est22

Die Trinitaumlt ist die prozessuale Einheit der Selbstverwirklichung Gottesdie als Possest in sich die Kraft enthaumllt das Moment des Nichts das imbdquonoch-nicht-Seinldquo des Koumlnnens liegt zu uumlberwinden und das Moumlgliche ins

ita sibi oboediat id quod non est sicut id quod est Uumlbersetzung nach Nikolaus CusanusPhilosophisch-theologische Schriften hrsg v L GabrielW Dupreacute Wien 1964 Bd 2 304

19 Vgl ders Tu quis es (De principio) Uumlber den Ursprung (Philosophische BibliothekBd 487) lat-dt neu uumlbers u hrsg v K Bormann Hamburg 2001 n 9

20 Vgl ebd Est igitur filius vita vivificans sicut pater eiusdem scilicet naturae et essentiae21 Ebd n 1022 Ebd n 34

374 Wilhelm Schmidt-Biggemann

Sein in die Existenz zu vermitteln Diese Kraft ist selbst nicht fassbar siezeigt sich nur im Uumlbergang von der Moumlglichkeit in die Wirklichkeit indemsie das Moumlgliche zum Wirklichen macht

Wenn man diese Kraft Gottes beschreiben will dann besteht sie darinpossibilitas und actualitas miteinander zu verbinden Beide sind gleichewigund sie sind eines in Principio Wenn in Gott als im ersten Prinzip das Moumlgli-che und Wirkliche vereinigt sind dann ist er der auf den das Praumldikat possestzutrifft Welchen Status hat in diesem possest das posse Posse ist das demgemaumlszlig alles sein kann Auszliger dem posse ist also nichts Nikolaus unterschei-det den Status des Koumlnnens vom Sein und vom Nichts Das was nicht seinkann ist Nichts Was sein kann ist verschieden vom Nichts aber es existiertauch noch nicht es umfasst also schlechterdings alles was ist und sein kanndenn das was ist kann logischerweise auch sein Das ist keine rein modalphi-losophische Festlegung sondern hier werden der logische und der metaphysi-sche Moumlglichkeitsbegriff als eine besondere Form von Sein begriffen das inzwei Klassen zerfaumlllt Das Sein der Moumlglichkeit und das Sein der Realitaumlt Esist Gott allein dessen Kraft beide umfasst ihm kommen Sein-Koumlnnen undSein gleichermaszligen zu Gott umfasst als Possest alles Moumlgliche und Wirkli-che dieses Possest expliziert philosophisch die Selbstpraumldikation Gottes bdquoIchbin der ich binldquo (Ex 314) Wer Gott so nenne erlaumlutert Nikolaus koumlnneviele Schwierigkeiten mit dem Gottesbegriff schneller loumlsen23

Der Begriff possest fasst nicht nur das Modalverhaumlltnis von Wirklichkeitund Moumlglichkeit sondern auch den Begriff Kraft denn possest ist die Kraftdie das Moumlgliche dazu bringt sich zu verwirklichen In Gott der das Moumlgli-che und Wirkliche und damit alles zugleich umfasst weil er sich staumlndigverwirklicht sind Wirklichkeit und Moumlglichkeit vereinigt Durch diese All-umfassendheit unterscheidet sich Gott von den Geschoumlpfen Die allmaumlchtigeKraft des Principiums geht uumlber jedes Geschoumlpf hinaus Ideo nulla creaturaest possest24 Im Prozess der Schoumlpfung die eine von Gott unterschiedeneRealitaumlt ist kann deshalb zwischen Moumlglichkeit (possibilitas) und Wirklich-keit (realitas) unterschieden werden die Schoumlpfung ist wirklich weil sie moumlg-lich war und diese Kraft verwirklicht und offenbart sich allein in der Schoumlp-fung durch das wirkende Wort qui dicit et facta sunt (Ps 329)25 Das ist dieKraft des Grundes der sich nur in Verbindung von Moumlglichkeit und Wirk-lichkeit zeigt

23 Vgl Nikolaus von Kues Dreiergespraumlch uumlber das Koumlnnen-IstTrialogus de possest (Philoso-phische Bibliothek Bd 285) lat-dt neu uumlbers u mit Einl hrsg v R Steiger Hamburg1973 n 24 Qui sibi de Deo conceptum simplicem facit quasi significati huius compositivocabuli possest multa sibi prius difficilia citius capit

24 Ebd n 2725 Ebd n 36

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 375

2 Spekulative Mathematik

Die unpraumldizierbare Praumldikation Gottes (ineffabilis entitas) hat ihre symboli-sche Variante in der mathematischen Lehre vom Einen Nikolaus behandeltsie arithmetisch und geometrisch

Das unbestimmte Eine fasst sich zunaumlchst als Zahl Schon dieser Prozesszeigt dass es sich bei der Mathematik darum handelt symbolice ac rationabi-liter26 zu reden Dieser Prozess ist durchaus ein bdquosich-fassenldquo und zwar sodass das Infinitum principium das infinite simplex ist sich als Primum prin-cipiatum fasst Das erste aus dem Ursprung Zusammengesetze kann nichtunendlich einfach sein es kann auch nicht aus anderem zusammengesetztsein also muss es aus sich selbst zusammengesetzt sein Das ist das Prinzipder Zahlen sie bestehen aus sich selbst Numerus est compositus et ex seipsocompositus27 jede Zahl ist durch die Differenz definierbar und fassbar aberdie Zahlen sind in sich selbst gleich deshalb sind sie einzeln different undgemeinsam Es braucht also drei Prinzipien um die Zahlen zu begreifen Indiesem triadischen Begreifen zeigt sich die Seele als Abbild der goumlttlichenTrinitaumlt Sie ist selbst triadisch spekulativ Weil sich die Einheit der Vernunftin der Seele entfaltet widerstrahlt sie in ihr als in ihrem eigenen Abbild Wiein der goumlttlichen Trinitaumlt entfaltet sich in ihr die begriffliche Dynamik vonUnitas Aequalitas und Nexus bdquoDiejenigen aberldquo schreibt Nikolaus in Denon aliud bdquodie die Dreieinigkeit als Vater Sohn und Geist bezeichnen kom-men zwar weniger genau an sie heran verwenden aber wegen der Entspre-chung zur Schrift diesen Namen zu Rechtldquo28 Diese Entfaltung des goumlttlichenLebens ist das Urbild aller Entfaltung uumlberhaupt es erschlieszligt das Leben dasin Unitas Aequalitas und Nexus besteht und es ist auch der Ursprung derRaumlumlichkeit Die Raumlumlichkeit ist die geometrische Variante der TrinitaumltZugrunde liegt die Idee die Dimensionen des Raumes seien die Entfaltung(explicatio) des unbestimmten Einen29 das sich zunaumlchst geometrisch alsPunkt bestimmt30 (complicatio) und sich dann in Zehnerpotenzen in die Di-mensionen des Raumes entfaltet (explicatio)31 Die 10 bedeutet die Linie die

26 Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (Philosophische BibliothekBd 432) lat-dt neu uumlbers u mit Anm hrsg v R Steiger Hamburg 1995 c VI n 88

27 Ebd c VI n 8928 Nicolai de Cusa Directio speculantis seu de non aliud hrsg v L Baur u P Wilpert Leipzig

1944 n 19 Qui vero unitatem aequalitatem et nexum Trinitatem nuncupant proius acce-derent si termini illi sacris in literis reperirentur inserti Uumlbersetzung nach Nikolaus Cusa-nus Philosophisch-theologische Schriften (wie Anm 18) 464

29 Vgl ders MutmaszligungenDe coniecturis (wie Anm 17) p I c VII De tertia unitate30 Ders Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (wie Anm 26) c IX n 116 Quomodo

mens mensurat faciendo punctum lineam et superficiem31 Ders De coniecturis p II c VII

376 Wilhelm Schmidt-Biggemann

100 die Flaumlche die 1000 den Raum und damit erfuumlllt sich die Zahlenord-nung der Weltwerdung

VII Leibniz Cur potius aliquid quam nihil

Monotheismus ist fuumlr Leibniz ein ganz zentrales nicht nur theologischessondern metaphysisches Problem Es laumlsst sich bei der Rede von Gott dasVerknaumlueln von metaphysischen logischen und theologischen Fragen garnicht vermeiden Leibniz ist wie uumlberhaupt so auch in diesem Punkt einradikaler Idealist Er geht davon aus dass die wesentliche Realitaumlt die derIdeen ist

Was also bedeutet Ratio Fuumlr Leibniz ist Ratio dasselbe wie Denkmoumlg-lichkeit bzw die Moumlglichkeit gedacht werden zu koumlnnen Diese Denkmoumlg-lichkeit kann beschrieben werden als Kompossibilitaumlt von Praumldikaten einesDings D h ein Ding ist dann moumlglich wenn bei einem Denkgegenstand dievorkommenden Praumldikate a b c etc nicht zugleich negiert werden Unmoumlglichist mithin ein Ding das die Praumldikate a b c ndashc haumltte32 Diesen logischen Moumlg-lichkeitsbegriff unterscheidet Leibniz vom metaphysischen der KontingenzKontingent ist das was sowohl existieren als auch nicht existieren kannAuch diese Definition die urspruumlnglich von Avicenna stammt ist ein Toposder skotistischen Schulmetaphysik Das Argument lautet Dasjenige ist moumlg-lich dem es nicht widerspricht nicht zu sein (cui non repugnat esse)33 Mitdiesem zweiten metaphysischen Moumlglichkeitsbegriff wird zugleich das Ver-haumlltnis von Sein und Nichts (oder nicht-Sein) umfasst und insofern ist dieserBegriff von Moumlglichkeit der umfassendste metaphysische Begriff denn er um-fasst Sein und Nichts Sein und Nichts stehen in einem logischen und zugleichmetaphysischen Zusammenhang beide negieren einander

Leibniz hat eine aumlhnliche Logikkonzeption wie Avicenna und ordnet dieModalbegriffe wie folgt34

Moumlglich ist was keinen Widerspruch impliziert (Das ist der logischeMoumlglichkeitsbegriff)

32 Vgl G W Leibniz Saumlmtliche Schriften und Briefe Reihe 6 Philosophische Schriften Bd 41677minusJuni 1690 Teil B hrsg v der Leibnizforschungsstelle der Universitaumlt Muumlnster Berlin1999 1634 f Nr 314 [= Leibniz Saumlmtliche Schriften]

33 S o das Kapitel zu Scotus34 Leibniz Saumlmtliche Schriften (wie Anm 32) Teil A 865 Nr 1822 POSSIBILE est quod non

implicat contradictionem CONTINGENS quod esse non implicat contradictionem IMPOSSI-

BILE quod implicat NECESSARIUM quod non esse implicat contradictionem (Hervorhebungim Original)

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 377

Kontingent ist dessen Nicht-Sein keinen Widerspruch impliziert (Das istder metaphysische Moumlglichkeitsbegriff)Unmoumlglich ist was einen Widerspruch impliziert (Der logische Moumlglich-keitsbegriff negiert)Notwendig ist dessen Nicht-Sein einen Widerspruch impliziert (Der me-taphysische Moumlglichkeitsbegriff negiert)

Es gab nun zwei Wege die Moumlglichkeitsbegriffe aufeinander zu beziehenDer eine bestand darin danach zu fragen welchen metaphysischen Statusdenn der logische Moumlglichkeitsbegriff hatte ndash und dann konnte die Antwortnur sein Der Begriff Moumlglichkeit ist denknotwendig In diesem Sinne hattedie Rationalitaumlt eine notwendige Existenz denn die logischen Gesetze kennenkeinen Anfang und kein Ende sie sind ohne Zeitindex

Zum Zweiten bleibt aber die Frage nach dem Begriff der Existenz Scotuskennt den Unterschied zwischen dem Ens rationis und dem Ens reale zwi-schen Gedankending und Realding Beide haben eine ndash wenngleich verschie-dene ndash Existenz Es ist evident dass die notwendige Existenz der Logik eineDenk-Existenz ist

Dieses Ens rationis ndash cuius non esse implicat contradictionem ndash ist keineChimaumlre sondern verbindliche notwendige Existenz durch die das Denkenund die Realitaumlt gleichermaszligen grundgelegt werden Diesen Prozeszlig be-schreibt Leibniz knapp so Ens necessarium est existificans und er kommtallein dem Gottesbegriff zu Dieser Begriff erinnert sehr an das possest beiNikolaus von Kues

Die Ratio weshalb eher etwas als nichts ist muss also stellt Leibniz festin einem realen Seienden als in seinem Grunde (causa) liegen Dieses realeSeiende hat eine begriffliche Existenz die notwendig ist weil das was moumlg-lich war sich in ihm realisiert hat Diese Realisierung des Moumlglichen mussuumlber den logischen Moumlglichkeitsbegriff hinaus die Wirklichkeit des Moumlgli-chen bewirken ndash also die Kausalitaumlt fuumlr die Verwirklichung ausmachen DieseFaumlhigkeit zur Selbstverwirklichung schreibt Leibniz Gott zu Est scilicet ensillud ultima ratio rerum et uno vocabulo solet appellari Deus Gott wirdhier nicht in seiner Selbstkonstitution beschrieben sondern als existierendererster Grund Est ergo causa cur Existentia praevaleat non-Existentiae seuEns necessarium est existificans35

Wenn dieser erste Grund selbst moumlglich sein soll muss er widerspruchs-frei sein Das ist fuumlr Leibniz kein Problem der Metaphysik des Einen undseiner henologischen Dialektik die der Liber de Causis aufgezeigt hatte son-

35 G W Leibniz Die Philosophischen Schriften Bd 7 2 Abteilung hrsg v C I GerhardHildesheim 1961 Nr 34 289

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dern der Frage nach der Moumlglichkeit der Kompossibilitaumlt goumlttlicher Praumldika-te Leibniz legt deshalb das cur des cur potius aliquid quam nihil zunaumlchstnach dem Satz des Widerspruchs aus Es geht nicht um die Einheit und Denk-barkeit des Ersten als Prozess sondern dieses Erste wird als ein Gedanken-ding als Ens rationis aufgefasst Vorausgesetzt wird ein Begriff des Ganzendas die Einheit seiner Teile ist nicht eine unbestimmte Einheit als Bedingungder bestimmten

Die wesentlichen Gottespraumldikate sind Perfektion Allwissen AllmachtWeisheit Gerechtigkeit Guumlte Liebe Damit sind kategoriale Begriffe einge-fuumlhrt die uumlber die Modallogik und Modalmetaphysik weit hinausgehen Siewerden dem Gottesbegriff zugesprochen und es geht nun darum ob ihreWiderspruchsfreiheit bewiesen werden kann Wenn ein solcher Beweis moumlg-lich ist hat Gott die logische Existenzform des Moumlglichen Die Hauptschwie-rigkeit besteht darin einen Begriff zu finden der die Bedeutungen AllwissenAllmacht Guumlte und Liebe als kompossibel vereinigt Leibnizrsquo Loumlsung ist seinBegriff der goumlttlichen Gerechtigkeit den er als Caritas sapientis definiertDiese Definition von Gerechtigkeit ermoumlgliche es alle goumlttlichen Praumldikatewiderspruchsfrei zu vereinigen Wenn aber Gott moumlglich sei stellt er festdann sei er auch notwendig Dieses Argument gilt weil die goumlttlichen Praumldi-kate selbst keinen Raum- und Zeitindex haben und folglich ewig sind Dannist Gott die widerspruchsfreie Einheit seiner Praumldikate Die Frage danachworin seine Dynamik besteht stellt sich nicht es geht nicht um sein Werdensondern um sein Sein Gott ist also ein notwendiges widerspruchsloses Ensrationis

Allerdings ergibt sich nun die Schwierigkeit wie Gottes Sein zur Hand-lung komme wie also die Schoumlpfung begruumlndet werden koumlnne denn dassGott der Existenzgrund der extramentalen Welt sei war fuumlr Leibniz ausge-macht Wie muss man sich also die Schoumlpfung vorstellen

Diese bdquoGottldquo genannte Substanz stellt sich nun etwas vor das gilt imgenauen Sinn des Wortes Sie stellt etwas vor sich selbst was sie nicht istDamit kommt ein neuer systematisch nicht abgeleiteter Begriff auf naumlmlichder der goumlttlichen Taumltigkeit Diese Taumltigkeit produziert zunaumlchst eine geistigeSchoumlpfung einen Plan Hier denkt sich Gott nicht selbst aber dennoch istder Plan seiner und darf von ihm nicht voumlllig verschieden sein Die Inhaltedes Plans haben am Goumlttlichen Anteil weil Gott ihn denkt Diese Teilhabenun macht es aus dass der Plan die goumlttlichen Praumldikate enthalten muss Ermuss also perfekt im Sinne von moralisch gut und widerspruchsfrei seinDie Perfektion der Welt hat Leibniz mit seiner genialen Formel bdquobeste allermoumlglichen Weltenldquo gefasst Dieses Konzept setzt voraus dass die moumlglichenpraumlkonzipierten Welten zahlreicher sind als die wirklichen und dass aus denlogisch moumlglichen ndash d h widerspruchsfrei denkbaren ndash Welten die beste reali-siert wird Das ist die Ratio sufficiens der Existenz der Welt Wenn Gott die

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 379

Welt schaffen will dann schafft er die beste aller moumlglichen Welten In diesemSinne ist Gott dann die Ursache der Welt und eines jeden Wesens das inseiner Moumlglichkeit gedacht war und als perfektes selbst zur Existenz draumlngt ndashdenn Gott dessen Praumldikate Allmacht Allwissen und Guumlte sind ist wegendieser Praumldikation geradezu gezwungen das beste Moumlgliche wirklich zu ma-chen Diesen Drang zur Existenz der Avicennas vehementia essendi neu fasstnennt Leibniz existiturire36 Mit der Formel der bdquobesten aller moumlglichen Wel-tenldquo wird dieser Drang des existiturire genauer qualifiziert Nicht die Moumlg-lichkeit als solche sondern die beste aller Moumlglichkeiten draumlngt zur Existenz

Diese Spekulation ist freilich theologisch auch wieder nicht ohne RisikoAuch wenn er Avicennas Moumlglichkeitsbegriff korrigiert und die realisierteWelt als die beste moumlgliche fasst ist Leibniz die Schwierigkeit nicht los dieschon Duns Scotus mit Avicenna hatte Die Teilhabe der Welt an den goumlttli-chen Praumldikaten d h die Univozitaumlt der geschoumlpflichen und der goumlttlichenBegriffe macht es unausweichlich dass der gute Gott die beste moumlgliche Weltaus sich entlaumlsst Er hat als liebender Gott (bdquoLiebe ist die Freude am Gluumlckdes andernldquo37) auch gar keine Chance etwas anderes zu machen Er mussdie beste Welt bdquoschaffenldquo weil er ein liebender Gott ist und der muss diebeste Welt schaffen weil er ein guter Gott ist Die Rede von der bdquoWahlldquo derbesten aller moumlglichen Welten ist deshalb eher erbaulicher Natur

Aber vielleicht spricht es gar nicht gegen die Philosophie wenn sie so-wohl scharfsinnig als auch erbaulich ist

Literatur

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A Schoumln Hamburg 2003Aristotelesrsquo Metaphysik griech-dt in d Uumlbers v H Bonitz neu bearb mit

Einl u Kommt hrsg v H Seidl griech Text in d Edition v W ChristHamburg 2 verbesserte Aufl 1982

36 Ebd (4) Est ergo causa cur Existentia praevaleat non-Existentiae seu Ens necessarium estexistificans (5) Sed quae causa facit ut aliquid existat seu ut possibilitas exigat existentiamfacit etiam ut omne possibile habet conatum ad Existentiam cum ratio restrictionis ad certapossibilia in universali reperiri non possit (6) Itaque dici potest Omne possibile Existiturireprout scilicet fundatur in Ente necessario actu existente sine quo nulla est via qua possibileperveniret ad actum

37 Vgl Definition aus Leibnizrsquo Confessio philosophi in G W Leibniz Saumlmtliche Schriftenund Briefe Reihe 6 Philosophische Schriften Bd 3 1672ndash1676 hrsg v der Leibnizfor-schungsstelle der Universitaumlt Muumlnster Berlin 1980 116 AMARE autem [hellip] Felicitate alte-rius DELECTARI (Hervorhebung im Original)

380 Wilhelm Schmidt-Biggemann

Avicenna Latinus Liber de Philosophia Prima Sive Scientia Divina IndashIV Eacutedi-tion critique de la traduction latine meacutedieacuteval par S van Riet LouvainndashLeiden 1977

Dionysiaca Recueil donnant lrsquoensemble des traductions latines des ouvragesattribueacutes au Denys de lrsquoAreacuteopage Bruumlgge 1937 [ND in vier Baumlnden miteinem Nachwort von M Bauer Stuttgart-Bad Cannstatt 1989]

Duns Scotus On Will and Morality hrsg v A B Wolter Washington 1986Frank W A John Duns Scotusrsquo Quodlibetal Teaching on the Will Ph D

dissertation Washington DC Catholic University of America 1982Honnefelder L Die Lehre von der doppelten Ratitudo Entis und ihre Bedeu-

tung fuumlr die Metaphysik des Johannes Duns Scotus in Deus et Homoad mentem I Duns Scoti Acta Tertii Scotistici Internationalis Vindeno-nae 1970 (Studia Scholastico-Scotistica Bd 5) 1972 661ndash671

Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d 3 (Opera omnia Bd 3) ed by C Balićet alii Cittagrave del Vaticano 1954

Ioannis Duns Scoti Ordinatio I d 26ndash48 (Opera omnia Bd 6) ed by CBalić et alii Cittagrave del Vaticano 1963

Leibniz G W Philosophische Schriften (Saumlmtliche Schriften und Briefe Rei-he 6) hrsg v der Leibnizforschungsstelle der Universitaumlt Muumlnster Bd 31672ndash1676 Berlin 1980 Bd 4 1677ndashJuni 1690 Teil B Berlin 1999

Lucretius Carus T De rerum natura Bd 1 (L IndashIII) Neapel 2002More H Opera philosophica Bd 21 London 1679 [ND Hildesheim

1966]Nicolai de Cusa Directio speculantis seu de non aliud ed L BaurP Wilpert

Leipzig 1944Nicolai de Cusa De deo abscondito Opuscula I Opera omnia IV ed P

Wilpert Hamburg 1959Nicolaus von Kues Uumlber den UrsprungDe principio (Philosophische Biblio-

thek Bd 487) neu uumlbers u hrsg v K Bormann Hamburg 2001Nikolaus von Kues Der Laie uumlber den GeistIdiota de mente (Philosophische

Bibliothek Bd 432) neu uumlbers und mit Anm hrsg v R Steiger Ham-burg 1995

Nikolaus von Kues Dreiergespraumlch uumlber das Koumlnnen-IstTrialogus de posset(Philosophische Bibliothek Bd 285) neu uumlbers und mit Anm hrsg vR Steiger Hamburg 1973

Nikolaus von Kues MutmaszligungenDe coniecturis (Philosophische Biblio-thek Bd 268) uumlbers und mit Einf u Anm hrsg v J Koch u W HappHamburg 1971

Nikolaus von Kues Philosophisch-theologische Schriften Bd 2 hrsg vL GabrielW Dupreacute Wien 1964

Philo von Alexandrien De Opificio mundi hrsg v L Cohn Berlin 1896

Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen 381

Proclus The Elements of Theology hrsg u uumlbers v E R Dodds Oxford1992

Ps-Dionysius Areopagita De Theologia Mystica Corpus Dionysiacum IIhrsg v A M Ritter BerlinndashNew York 1991

Register

1 Stellenverzeichnis

Albertus MagnusCommentarii in I Sententiarum25 d 8 a 24 253 17626 d 46 a 14 449 f 180

De causis et processu universitatis a primacausa

I tr 1 c 9 17 f 165II tr 1 c 17 80 ff 162 164 166 f 172

185 187II tr 1 c 18 82 ff 168 fII tr 1 c 23 88 160II tr 3 c 4 143 169II tr 5 c 24 191 157II tr 5 c 24 192 159

De praedicabilibusI 70 b 220

Logicae secunda parsl I tr 1 c 16 60 174

MetaphysicaI tr 1 c 1 2 f 161 177I tr 1 c 2 3ndash5 141 158ndash160 162 171

177 184 f

PhysicaI tr 1 c 1 48 f 156

Super Dionysium de divinis nominibusc 1 n 4 2 f 175c 1 n 57 35 181c 5 n 1 303 178c 5 n 3 304 180c 5 n 4 305 181 182 187c 5 n 20 314 159 164 175 f 183

Im Stellenverzeichnis sind die Autoren alphabetisch angeordnet Die mittelalterlichen Autoreneinschlieszliglich der arabischen und juumldischen sind nach dem Vornamen eingeordnet Fuumlr die Aus-gaben der Texte wird auf die Literaturverzeichnisse zu den einzelnen Beitraumlgen verwiesen

Summa de mirabili scientia Dei Itr 6 q 26 c 1 182 181

Super Dionysium mysticae theologiaec 1 458 f 178 185 f

Alexander von AphrodisiasIn Aristotelis Metaphysica commentaria2366 f 552369 57

Anselm von CanterburyMonologion15 235

AnonymusLiber de causis57 366161 f 268

AristotelesAnalytica posterioraI 171 a 1ndash11 140I 271 b 9ndash12 221I 372 b 23ndash25 216I 473 a 34ndashb 3 228I 473 b 16 229I 473 b 32 f 225I 775 a 42 142I 775 b 8ndash9 145I 976 a 11ndash15 145I 1881 a 37ndash39 216I 2887 a 38 f 221II 1397 b 37ndash39 260

384 Register

Categoriae41 b 25ndash27 4752 a 11 ff 31252 b 30 4753 b 10 5453 b 19 26453 b 10ndash21 5653 b 13ndash16 5353 b 16ndash18 5653 b 18ndash21 73

De animaII 2413 a 22ndash25 270II 4415 b 13 270III 3 322III 6430 a 27ndashb 6 216III 7 431a 16 432a 8ndash9 319

De interpretatione116 a 5ndash6 47717 a 38ndashb 1 50717 a 40 58

De sophisticis elenchis22178 b 37 7322178 b 38 f 53

MetaphysicaBuch Α1980 a 1 1091981 b 28ndash982 a 3 292982 a 4 272982 a 5ndash10 2132983 a 21 273983 b 6ndash18 333984 b 10 f 273984 b 18 f 279991 a 21 f 26010993 a 13ndash15 2710993 a 15 f 27

Buch Β1995 b 5 f 312998 b 22 1424996 a 29ndash32 27661003 a 5ndash17 5161003 a 9 53

Buch Γ1 8211003 a 21 14211003 a 21 f 213 260 287

11003 a 31 3121003 a 33 32 143 26121003 b 20ndash22 30921004 a 8ndash22 3221004 b 5 f 24621005 a 16ndash18 3231005 b 14 3031005 b 23 f 325

Buch Δ11013 a 17ndash19 3071017 a 7 ff 26171017 a 27ndash30 26381017 b 14ndash16 3681017 b 24 f 6111 30261023 b 27ndash1024 a 10 367

Buch Ε11025 b 25ndash1026 a 32 26111026 a 18 f 28711026 a 21 14311026 a 29ndash32 31 36421026 a 33ndash34 26141027 b 25ndash27 276

Buch Ζ11028 a 10 26111028 a 13ndash15 31211028 a 29ndash34 22311028 a 29ndashb 2 5311028 a 32 f 3011028 b 2ndash4 26011028 b 3ndash7 3331029 a 26ndash30 6831029 a 27 3331029 a 27ndash30 6141030 a 6 f 6141030 a 12 3451031 a 12 6161031 a 15 f 3461031 b 3 f 3461031 b 14 3471032 a 12ndash14 36471032 a 19 3571032 b 1 f 6181033 b 19ndash26 6681033 b 21 f 5381034 a 7 f 61101035 a 18 f 62101035 a 33 62

1 Stellenverzeichnis 385

101035 b 27ndash31 64 66101035 b 32 61111036 a 28 f 61111036 b 11 62111037 a 29 f 35131038 b 8 f 54131038 b 35 54131039 a 1 f 53131039 a 15 f 53151040 a 5ndash7 61161040 b 23 54161041 a 4 54171041 b 4ndash9 62171041 b 28 36

Buch Η11042 a 7 f 3521043 a 5 f 6231043 b 21 f 3561045 b 17ndash19 69

Buch Θ61049 a 34ndash36 6271049 a 35 6181050 a 4ndash8 22581050 b 2 f 3581050 b 22ndash24 36101051 b 3ndash6 364

Buch Ι21053 b 16 f 54

Buch Λ31070 a 11 f 6161071 b 19 f 26261071 b 20 f 3761072 a 7 f 3771072 b 26ndash30 27071072 b 28 37101075 a 25 f 37101075 a 37 37

Buch Μ51079 b 24ndash26 260101087 a 10ndash25 53

PhysicaI 1 184 a 21ndash22 227IV 2 209 b 11ndash12 257

PoliticaI 41254 a 7 274

Ethica NicomacheaX 81178 b 21ndash23 25ndash26 270

TopicaI 9103 b 20ndash21 73VI 2139 b 34 f 260

al-FārābīRisālah li-l-muʿallim aṯ-ṯānī fī gawāb masāʾil

suʾila ʿanhā (Die Antworten des ZweitenLehrers auf einige an ihn gerichtetenFragen)

90 90

Kitāb iḥsāʾ al-ʿulūm (Uumlber dieWissenschaften)

87 134 f

Avicenna (Ibn Sīnā)Kitāb aš-šifāʾ (Buch der Heilung)

al-Manṭiq (Logik)

I al-Madḫal (Isagoge)I 1 917ndash104 85I 2 159ndash12 96

II al-Maqūlāt (Kategorien)I 2 1013ndash16 88I 2 115ndash7 88II 1 596ndash614 97

V al-Burhān (Zweite Analytik)I 1 5315ndash18 100I 6 771ndash5 85II 7 1653ndash10 85 94II 10 1843ndash7 85II 10 1847 87

al-ʾIlāhīyāt (Metaphysik)I 1 51ndash3 84I 1 516ndash818 87I 1 73ndash6 86I 2 1017ndash112 83I 2 1211ndash1319 87I 2 1212ndash14 97I 2 138ndash10 97I 2 1314ndash16 87I 2 1316ndash19 88 91I 3 211ndash8 93I 5 295ndash16 89 97I 5 315ndash9 88

386 Register

I 5 3110ndash325 90

I 5 3112ndash13 90

I 5 326ndash3311 90

I 5 341ndash10 90

I 5 353ndash366 91

I 8 549ndash15 97

V 1 19610ndash13 91

at-Taʿlīqāt (Anmerkungen)

2023ndash212 99

2920 86

349ndash11 95

3417ndash22 95

355ndash8 96

107 99

11623ndash25 100

161 99

aṭ-Tabīʿīyāt (Physik)

I as-Samāʿ aṭ-ṭabīʿī (Physikvorlesung)

IV 15 329ndash333 85

Liber de philosophia prima sive scientia

divina

I 1 15 140

I 1 215 136

I 1 324 137

I 1 335ndash37 84

I 1 458ndash839 87

I 1 540 367

I 1 591ndash697 86

I 2 1072ndash77 83

I 2 1211ndash1346 87

I 2 1214ndash18 97

I 2 1230ndash32 97

I 2 1338ndash41 87

I 2 1342ndash46 88 91

I 3 2329ndash2441 93

I 5 31 213

I 5 312ndash3219 89 97

I 5 3454ndash3561 88

I 5 3562ndash3683 90

I 5 3566ndash67 90

I 5 3684ndash3814 90

I 5 3823ndash3939 90

I 5 4054ndash4182 91

I 8 634ndash6414 97

V 1 22832ndash22938 91

VIII 4 402 234

Šarḥ kitāb ḥarf al-lām (Kommentar zu BuchbdquoLambdaldquo [Metaphysik])2321ndash24 85

Šarḥ laquoKitāb ʾuṯūlūgīyāraquo al-mansūb ʾilāʾArisṭū (Kommentar zur bdquoTheologie desAristotelesldquo)6018ndash19 926116ndash22 92

The Life of Ibn Sīnā321ndash344 84

BoethiusCommentarii in librum Aristotelis ΠΕΡΙ

ΗΕΡΜΕΝΕΙΑΣI 11 133I 5 133II 5 133

De topicis differentiisIV 138

De TrinitateII 134

In Categorias AristotelisIII 133

In Isagogen Porphyrii commentaI 3 133

Clarembald von ArrasTractatus super librum Boethii De TrinitateII 16 134

Dominicus GundissalinusDe divisione philosophiae

54 132

68 136

74 139

98ndash100 142

100 140 144

102 137

152 139

244 147

244ndash246 148

Gilbert von Poitiers

Expositio in Boethii librum De Trinitate

II 9 134

1 Stellenverzeichnis 387

Heinrich von GentQuodlibetum XIq 11 220

Summa Quaestionum Ordinariaruma7 q 6 ad 3 243

Johannes BuridanusKommentar zur Aristotelischen Metaphysikl IV q 5 f 15 vbndash16 va 308l IV q 5 f 16 ra 308 fl IV q 5 f 16 randashb 309 fl IV q 6 f 16 vandash17 vb 312l IV q 6 f 17 ra 312l IV q 6 f 17 randashb 313l IV q 6 f 17 rb 314 fl IV q 6 f 17 rbndashva 315l IV q 6 f 17 va 314ndash317l IV q 7 f 18 ra 310l IV q 9 f 19 vbndash20 ra 317l IV q 12 f 21 vandashb 325l IV q 12 f 21 vb 326l IV q 12 f 23 ra 326 328 fl V q 6 f 29 vbndash30 ra 317

Quaestiones de animal II q 26 643 320 fl II q 26 643 f 321l II q 26 644 322l II q 27 648 322

Quaestiones in Praedicamentaq 13 96 311q 3 19 316

Johannes Duns ScotusCollatio13 sect 3 22624 sect 21 229

In Categoriassectsect 48 f 221

Lectura IPrologussect 97 225

d 3sect 21 231sectsect 21ndash25 232sect 29 232 fsectsect 70ndash81 225

sect 85 226

sect 97 226

sect 98 226

sect 99 226

sect 110 236

d 8

sect 108 235

Ordinatio

Prologus

sectsect 193 f 225

sect 200 225

d 3

sect 26 231

sectsect 26ndash55 232

sect 38 233 235

sect 39 232

sectsect 49ndash61 225

sect 55 227

sect 71 227

sectsect 71ndash94 225

sect 73 228

sect 80 227

sect 81 228

sect 83 227

sectsect 94ndash98 226

sect 129 226

sect 131 229 f

sectsect 134ndash136 229

sect 135 235

sect 137 230

sect 139 236

sect 262 370

d 8

sect 78 235

sect 83 251

sectsect 100ndash109 229

sect 111 234

sect 112 233

sectsect 112ndash115 233

sect 114 234

sectsect 136ndash140 229

sectsect 199ndash203 229

sectsect 221ndash223 229

d 36

sect 61 250

388 Register

d 43sect 5 250

d 44sect 7 370

Quaestiones de cognitione Dei379 238

Quaestiones in librum Porphyrii Isagogegraveq 8 sect 28 247

Quaestiones super libros MetaphysicorumAristotelis

Prologussect 16 213sect 17 213sect 18 213sect 19 214

sect 21 213

l I q 1

sect 1 223

sect 13 223

sectsect 34ndash35 223

sect 59 243

sect 68 223

sect 70 223

sect 71 223

sect 76 223

sect 84 223

sect 103 238

sect 104 239

sect 105 239

sect 108 239

sect 109 239

sect 110 239

sect 119 238

sect 132 240

sect 134 240

sect 135 237

sect 136 238 241

sect 137 241

sect 140 241

sect 142 243

sect 149 242

sect 150 238 242

sect 152 242

sect 153 239 242

sect 155 244

sect 159 244 f

sectsect 160ndash161 244sect 161 245

l I q 4sect 11 214 fsect 12 216sect 13 216sect 14 216sect 16 216sect 17 216sect 18 216sect 20 217sectsect 22ndash23 217sect 37 217sect 45 217sect 46 217sect 79 218

l IV q 1sect 70 220

l VI q 1sectsect 39ndash40 221sect 47 246

l VI q 4sect 10 225sect 38 221sect 41 221

Quaestiones super librum elenchorumAristotelis

q 15ndash16 231

Quaestiones super Praedicamenta Aristotelisq 4 sect 38 220q 4 sect 49 222

Quaestiones super secundum et tertiumDe anima

q 16 sect 27 227q 21 sectsect 6ndash7 236

QuodlibetaVII sect 33 237XVI sect 30 370XVI sect 32 370

Reportatio IPrologusq 1 sectsect 9ndash13 218q 3 sect 215 225q 2 sect 157 149

1 Stellenverzeichnis 389

Reportatio IIId 27 n 6 249

Robert KilwardbyDe ortu scientiarumc 32 148

LukrezDe rerum natural II 287 364

Meister EckhartExpositio libri Exodin 10 1514 258n 54 583 265

Expositio libri GenesisI n 78 240 270

Expositio libri Sapientiaen 20 341 261n 22 343 278n 255 587 260n 270 600 270n 289 623 270

Expositio sancti Evangelii secundumIohannem

n 61 51 270n 62 51 278n 63 53 275n 136 116 270n 139 117 270n 141 118 270n 291 244 270n 294 244 270n 341 290 270n 426 361 270n 443 380 261n 444 380 261n 500 431 270 fn 545 477 270n 679 593 270n 681 595 270

Liber parabolarum GenesisII n 2 451 260II n 42 509 260II n 103 368 270

Predigten8 129ndash130 2778 134 268

66 123 27882 425 f 278

Prologus generalis in Opus tripartitumn 8 153 268 fn 12 156 262n 13 158 273

Prologus in Opus propositionumn 1 166 262n 2 166 264 fn 5 168 261n 11 171 267n 25 266

Quaestiones parisiensesI n 6 43 276

Responsio ad articulos sibi impositosI n 115 288 f 268 f

SermonesII 2 n 15 17 270XVII 4 n 174 165 270XVII 5 n 179 167 278XVII 5 n 179 167 f 270XVII 6 n 179 167 11 ff 278XXXI 5 n 323 f 283 278LIV 1 n 528 445 270

Sermones et lectiones super Ecclesiasticin 2 232 270 278n 44 273 269n 68 298 270

Nikolaus von KuesCompendiumc II n 5 340c IV n 8 f 341c XI n 36 348

De berylloc VI n 7 357c XXXIII n 56 355 f

De coniecturisp I c V n 19 f 349p I c V n 21 372p I c VII 375p I c XI n 55 337p I c XI n 56 338p I c XI n 57 335 f 354

390 Register

p II c II n 80 356

p II c VII 375

p II c XVI n 157 342

p II c XVI n 161 343

De deo abscondito

c 9 8ndash11 372

De docta ignorantia

l I c I n 2 349 360

l I c XLV n 32 355

De non aliud

n 19 375

De principio

n 9 373

De venatione sapientiae

c IV n 9 f 353

c V n 11 355

Idiota de mente

c II n 66 343

c II n 67 344

c IV n 77 334

c IV n 77 f 334

c V n 82 357

c VI n 88 375

c VI n 89 350 375

c VI n 96 350

c VII n 97 350 f

c VII n 102 351 353

c VII n 103 355

c VII n 105 355 f

c VII n 105 f 357

c VII n 107 347352

c VIII n 108 f 354

c IX n 116 375

c IX n 122 351 353

c XI n 134 344 346

c XI n 134 f 345

c XI n 135 345

c XI n 137 346

c XI n 138 347

Trialogus de possest

n 24 374

n 27 374

n 36 374

Petrus HispanusTractatus17 19723 193

PlatonPhaidon79a 33

Sophistes254D 142

Timaios50bndashe 257

Thierry von ChartresCommentum in Ciceronis librum De

inventione49 138

Commentum super Boethii librum DeTrinitate

II 27 163 134II 27ndash38 163ndash167 138

Thomas von AquinDe ente et essentiac 3 198c 5 208

Expositio libri Boetii de ebdomadibusII 22 198 200II 24 198II 32 201II 33 201II 35 201

In quattuor libros sententiarumI 43 11ndash2 193

Quaestiones disputatae de potentiaq 1 a 5 193q 7 a 5 197

Quaestiones disputatae de veritateq 24 a 3 c 193

Summa contra gentilesI c 14 197I c 28 269 277I c 30 203I c 38 201I c 80 195

1 Stellenverzeichnis 391

I c 88 195I c 93 278II c 23 193II c 23 26ndash27 193

Summa theologiaeI q 3 prol 195I q 3 a 1ndash2 192I q 3 a 2 ad 3 196I q 3 a 3 192I q 3 a 6 192I q 4 a 1 ad 3 269I q 4 a 2 ad 3 275 277I q 4 a 3 269 277I q 9 a 1 192I q 10 a 1 192I q 13 a 1 ad 2 203I q 13 a 9 ad 2 202I q 19 a 10 193I q 25 a 5 corp 193II q 85 a 3 227

Wilhelm von OckhamExpositio in libros artis logicaeprooem 6 289

Expositio in libros physicorum AristotelisPrologus sect 4 14 286l I c 1 5 f 286l I c 1 10 286l I c 18 208 289l II c 4 269 289l II c 11 354 ff 289

Expositio in librum perihermenias Aristotelisl I prooem 349 286

OrdinatioPrologusq 1 8 f 286q 1 16 302q 1 22 ff 302q 1 38 303q 2 116 f 298q 12 325 ff 287q 12 365 287q 12 335 ff 287

Distinctiones 2ndash3d 2 q 1 10 286d 2 q 4 118 295

d 2 q 4 137 290

d 2 q 7 251 f 286

d 2 q 7 255 f 286

d 2 q 7 271 f 297

d 2 q 8 291 297

d2 q 9 317 288

d 2 q 10 354 ff 301

d 3 q 1 389 288

d 3 q 4 432 ff 287

d 3 q 9 543 287

d 3 q 9 548 287

d 3 q 10 552 ff 287

d2 q 10 553 288

Distinctiones 19ndash48

d 27 q III 250 f 304

Quodlibeta

II q 5 16 135 302

V q 15 5 542 289

V q 22 13 564ndash569 298

VI q 6 18 604ndash607 303

Reportatio

l II q XIII 280 f 303

l II q XIIndashXIII 259 f 303

Summa logicae

p I c 11 38 301

p I c 11 40 295

p I c 11 42 f 297

p I c 12 43 f 295

p I c 13ndash14 44ndash48 299

p I c 14 49 291

p I c 17 59 f 289

p I c 18 63 f 293

p I c 22 71 ff 296

p I c 26 86 f 289

p I c 3233 95 f 293 f

p I c 40 113 297

p I c 41 114 298

p I c 41 116 f 298

p I c 43 131 302

p I c 44 134ndash138 299 f

p I c 49 154 292

p I c 49 155 295

p II c 14 294

p III c 3 365 301

2 Namenregister

Abraham ibn Daud 113 fAbraham ibn Ezra 111Abu Hamid Muhammad ibn Muhammad

al-Ġazālī 112 117 131 fʿAd ud ad-Dīn al-Īgī 81Aertsen Jan Adrianus 158 160ndash163 167

172 f 179 213 310Albert Karl 259 265Albertus Magnus 10 f 18 81 110 120

141 155ndash161 163ndash187 211 220 224270 274 276 279

Ali ibn Muhammad al-Qūšgī 81Ali ibn Muhammad as-Sayyid aš-Šarīf

al-Gurgānī 81An-Narāqī Muḥammad Mahdīy b ʾAbī

Ḏarr 81Anselm von Canterbury 235Aristoteles 3ndash8 10ndash12 15ndash18 27ndash40 42

46ndash50 52ndash70 72ndash74 76 82 f 85 f 98103ndash112 114ndash116 118 f 122 132ndash135139 f 142 f 145 155ndash158 172 174178 f 187 191 198 211 213 215 f219ndash224 226ndash230 253 257ndash265ndash269271ndash274 276 278 f 299 301 309312 f 315 f 318 f 322 325 327 329 f334 340 f 357 359ndash361 364 f 367369

Aristobolus von Paneas 105 fAṯīr ad-Dīn al-Abharī 81Augustinus 215 217 259Averroes 116ndash123 141 223 239 fAvicenna (Ibn Sina) 8 16 18 81ndash86 88ndash

98 100 110 112 115 f 119 131 f135ndash137 140 f 144ndash147 149 225 261268 366ndash369 373 376 379

Boeumlthius 131 133 f 136ndash138 141 198ndash201 299

Boulnois Olivier 11 f 290 308

Im Namenregister sind ausschlieszliglich die Namen verzeichnet die im Haupttext und in denAnmerkungen sofern dort Ausfuumlhrungen nach Art des Flieszligtextes vorkommen genannt werden

Cicero 138Cohen Sheldon 49Crescas Chasdaj ben Judah 121 f

David von Dinant 156De Libera Alain 157 f 163 173 177 267Delmedigo Elia ben Moses Abba 122Derrida Jacques 25 40Dionysius Areopagita 10 172 175 177ndash

180 182 184 187 259 277 365 f 371Dominicus Gundissalinus 9 131 f 134ndash

145 148ndash150 212

Fahr ad-Dīn ar-Rāzī 81Fischer Heribert 258 261Frede Michael 51 64ndash68Frege Gottlob 7 46 50 f 58 f 72 74ndash76

Galāl ad-Dīn ad-Dawānī 81Gerhard von Cremona 108 f 366Gersonides 117 fGilson Eacutetienne 262Gutas Dimitri 82Guttmann Julius 104

Hegel Georg Wilhelm Friedrich 27 40 f106

Heidegger Martin 40 262Heinrich von Gent 81 287 299Hobbes Thomas 39Honnefelder Ludwig 173Husserl Edmund 26

Isaak Albalag 117 fIsaak ben Salomon Israeli 109ndash111 118

394 Register

Isaak ibn Latif 119Ishāq ibn Hunain 134

Jaspers Karl Theodor 25Jehudah ben Salomon ha-Kohen Mathah 118Jehudah ben Samuel ha-Lewi 112 fJehudah ibn Tibbon 113Johannes Buridan 6 13ndash15 17 279 293

307ndash330 334 339 341 347 f 352 359ndash361

Johannes Duns Scotus 8 11 f 16 19 81121 148 f 211ndash233ndash253 261 273 279287 f 295 299 307 f 318 344 369ndash371 377 379

Johannes Scottus Eriugena 372Josef ibn Tzaddik 111

Kant Immanuel 39 218 244 253 365Kretzmann Norman 192

Lewi ben Abraham ben Chajim vonVillefranche 119

McKirahan Richard 145Meister Eckhart 10 12 f 19 257ndash280Melissos 261Moses ben Jakob ibn Ezra 111Moses ben Josua von Narbonne 118Moses ben Nachman 119Moses ben Samuel ibn Tibbon 116Moses Maimonides 9 104 109 113ndash122

197 233 257

Nagm ad-Dīn al-Kātibī 81Nasīr ad-Dīn at-Tūsī 81Nikolaus von Autrecourt 307 323Nikolaus von Kues 13 15ndash17 110 330

333ndash353 356 f 359ndash361 371ndash375 377

Parmenides 261Patzig Guumlnther 51 64ndash68Perler Dominik 301 323ndash325

Petrus Aureolis 299 304Petrus Lombardus 287Philo von Alexandrien 105 367Plantinga Alvin 199 f 203 fPlaton 40 66 105 108 142 181 217

257 259ndash261 268 334 365Plotin 15 108 363 365Porphyrius 108 286 295Priscian 138Proklos 108 111 155 365 f

Qadi Mir Husayn al-Maybuḏī 81

Robert Kilwardby 148 fRorty Richard McKay 25

Saʽadiah ben Josef Gaon 110Sabra Abdelhamid Ibrahim 107Saʿd ad-Dīn at-Taftāzānī 18Sadr ad-Dīn aš-Šīrāzī 81Salomon ben Jehuda ibn Gabirol 111 113

131Salomon ibn Tibbon 115Samuel ibn Tibbon 115 f 122Schelling Friedrich Wilhelm Joseph 363Shem-Tov ben Josef ibn Falaquera 111 119Sirat Colette 104Spinoza Baruch 122

Thierry von Chartres 134 138 141 356Thomas von Aquin 11 19 81 110 114

120 f 144 191 193ndash209 211 f 220226 f 233 252 261 263 269 f 273275ndash277 279

Walter Burley 293Wilhelm von Ockham 13 f 17ndash19 120

258 285ndash304 307 315 323 344 347352

Wilhelm von Sherwood 293

Zeller Eduard 52

  • Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter Rezeption und Transformation
  • Inhaltsverzeichnis
  • Autorenverzeichnis
  • Zur Einfuumlhrung
  • Gerhard Krieger Die Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter ndash Rezeption und Transformation Zur Einfuumlhrung
    • I Zur Themenstellung
    • II Zur Gliederung und zu den einzelnen Beitraumlgen
      • 1 Selbstverstaumlndnis und Gestalt des metaphysischen Denkens in der Metaphysik
      • 2 Die Metaphysik und metaphysisches Denken am bdquoVorabendldquo der Aristoteles-Rezeption
      • 3 Metaphysikentwuumlrfe im 13 Jahrhundert
      • 4 Metaphysikentwuumlrfe und Metaphysikkritik im Spaumltmittelalter
        • III Zu den Ergebnissen
        • IV Zur Genese des Bandes und seiner redaktionellen Gestaltung
        • V Danksagung
        • Literatur
          • Selbstverstaumlndnis und Gestalt des metaphysischen Denkens in der Metaphysik
          • Emil Angehrn Die Entstehung der Metaphysik ndash Zur Rekonstruktion eines Denkwegs
            • I Die Frage nach der Herkunft
            • II Der Anfang der Metaphysik
            • III Das aristotelische Modell ndash Fluchtlinien metaphysischen Denkens
              • 1 Von der Ontologie zur Ousiologie
              • 2 Metaphysik als Theologie
                • IV Metaphysik und Metaphysikkritik
                  • 1 Jenseits von Substanz und Wesen
                  • 2 Pluralitaumlt Kontingenz Negativitaumlt
                    • Literatur
                      • Benedikt Strobel Probleme der Theorie der οὐσία der Metaphysik im Lichte sprachanalytischer Ontologie
                        • Einleitung
                        • I Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie in der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen zu bezeichnen
                          • 1 Das Argument am Ende von Buch Beta
                          • 2 Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie in der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen als Universalien verstanden zu bezeichnen
                          • 3 Wird einigen generellen Termen der Substanz-Kategorie in der Metaphysik zugeschrieben substantielle Formen als Particularia verstanden zu bezeichnen
                            • II Paradoxe Konsequenzen der These dass jedes Universale τοιόνδε ist
                            • Literatur
                              • Die Metaphysik und metaphysisches Denken am bdquoVorabendldquo der Aristoteles-Rezeption
                              • Tiana Koutzarova Avicenna uumlber Moumlglichkeit Methode und Grenzen der Metaphysik
                                • I Was ist Metaphysik
                                • II Kritik
                                • III Methode und Grenzen der Metaphysik Avicennas
                                  • 1 Wie verfaumlhrt eine uns moumlgliche Metaphysik
                                  • 2 Die Grenzen der uns moumlglichen Metaphysik
                                    • Literatur
                                      • Frederek Musall bdquoMarsquoaseh merkavah ist Metaphysikldquo ndash Zur Rezeption des Aristoteles und seiner Metaphysik in der mittelalterlichen juumldischen Philosophie
                                        • I Hinfuumlhrung
                                        • II Die Entwicklung des Bezugs zu Aristoteles bis Maimonides
                                        • III Das Verhaumlltnis zu Aristoteles bei Maimonides
                                        • IV Die weitere Verbreitung der aristotelischen Lehren bis zum 15 Jahrhundert
                                        • V Fazit
                                        • Literatur
                                          • Alexander Fidora Omnes decepti sunt Die Metaphysikkritik des Dominicus Gundissalinus (ca 1150)
                                            • I Einfuumlhrung
                                            • II Dicitur metaphysica id est post naturam
                                            • III Materia huius scientiae est ens
                                            • IV Ceterae scientiae sunt sub scientia de ente
                                            • V Konklusion
                                            • Literatur
                                              • Metaphysikentwuumlrfe im 13 Jahrhundert
                                              • Hannes Moumlhle Metaphysik als Theologik Rezeption und Transformation der Metaphysik bei Albertus Magnus
                                                • I Alberts Metaphysik im Kontext der Aristoteles-Paraphrase
                                                • II Einfache oder zweigeteilte Metaphysik
                                                • III Die Voraussetzungslosigkeit des esse
                                                • IV Die Transzendentalitaumlt des Seinsbegriffes
                                                • V Zwischen zwei Traditionen von Metaphysik
                                                • VI Ganzheits- und reihentheoretischer Ansatz der Metaphysik
                                                • VII Die Ambivalenz der resolutiven Methode
                                                • VIII Ergaumlnzung der Metaphysik als Fokussierung ihrer Perspektive
                                                • IX Erweiterung der aristotelischen Metaphysik und deren Verhaumlltnis zur Theologie
                                                • Literatur
                                                  • Eleonore Stump Simplicity and Aquinasrsquos Quantum Metaphysics
                                                    • I Introduction
                                                    • II Difficulties raised by the doctrine of simplicity
                                                    • III Agnosticism about Godrsquos nature
                                                    • IV Esse and id quod est
                                                    • V Quantum metaphysics
                                                    • VI Simplicity contingency and divine free will
                                                    • VII Conclusion
                                                    • Literatur
                                                      • Olivier Boulnois Duns Scot et la refondation de la meacutetaphysique
                                                        • I La dimension critique
                                                        • II La premiegravere solution scotiste lrsquoanalogie vers la substance
                                                          • 1 Lrsquouniteacute du sujet de la meacutetaphysique
                                                          • 2 La structure de la science
                                                          • 3 Le sujet de la meacutetaphysique
                                                            • III La deuxiegraveme solution scotiste lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant
                                                              • 1 Lrsquouniteacute de lrsquoobjet de lrsquointellect
                                                              • 2 La structure de la preacutedication
                                                              • 3 Lrsquounivociteacute de lrsquoeacutetant
                                                                • IV La troisiegraveme solution scotiste lrsquoattribution du multiple agrave Dieu
                                                                  • 1 Une nouvelle structure de la science lrsquoagreacutegation
                                                                  • 2 Le sujet de la meacutetaphysique
                                                                  • 3 Lrsquoarticulation fondamentale de la meacutetaphysique
                                                                    • V Deux questions en suspens
                                                                      • 1 Lrsquoambiguiumlteacute de la res
                                                                      • 2 Lrsquohypothegravese drsquoun Dieu non-existant
                                                                        • Literatur
                                                                          • Rolf Schoumlnberger Meister Eckhart Aristotelische Metaphysik ohne aristotelische Ontologie
                                                                            • I Vorbemerkungen
                                                                            • II Der Begriff des Seins
                                                                            • III Denken und Leben
                                                                            • IV Schlussbemerkungen
                                                                            • Literatur
                                                                              • Metaphysikentwuumlrfe und Metaphysikkritik im Spaumltmittelalter
                                                                              • Matthias Kaufmann Metaphysik als Ontologie und Sprachanalyse Wilhelm von Ockham
                                                                                • I Was ist Metaphysik was tut der Metaphysiker
                                                                                • II Die sprachliche Erschlieszligung des Seienden
                                                                                • III Der Umgang mit Universalien und Transzendentalien
                                                                                  • 1 Was gibt es und wie finde ich das heraus
                                                                                  • 2 Ockhams Methode am Beispiel der Quantitaumlt
                                                                                  • 3 Die Rolle der Transzendentalien
                                                                                    • IV Elemente der Erkenntnistheorie
                                                                                    • Literatur
                                                                                      • Gerhard Krieger Subjekt und Metaphysik ndash Rezeption und Transformation der Metaphysik im Denken des Johannes Buridan
                                                                                        • I bdquoSeinldquo im Verstaumlndnis der Metaphysik Buridans ndash Gegenstaumlndlichkeit und faktische Existenz
                                                                                          • 1 Gegenstaumlndlichkeit statt Seiendsein
                                                                                          • 2 Faktische Existenz als Realitaumltsmodus des Gegenstaumlndlichen
                                                                                          • 3 Gegenstand und faktische Existenz ndash Der Sinn des Seins in Buridans Verstaumlndnis des Transzendentalen
                                                                                            • II Wahrnehmung als Bedingung der Gegenstaumlndlichkeit
                                                                                              • 1 Sensus communis und imaginatio bei Aristoteles
                                                                                              • 2 Sensus communis und imaginatio bei Buridan
                                                                                                • III Vernunft als Bedingung gegenstaumlndlicher Bestimmtheit
                                                                                                  • 1 Die Kritik an Aristoteles
                                                                                                  • 2 Das Identitaumltsprinzip als bdquoerstes Prinzipldquo
                                                                                                    • IV Die transzendentale Wende als Element der Geschichte der Metaphysik des Aristoteles im Mittelalter
                                                                                                    • Literatur
                                                                                                      • Gerhard Krieger Metaphysik als Entwurf ndash Cusanus und die Metaphysik
                                                                                                        • I Hinfuumlhrung Zu den Voraussetzungen der Uumlberlegungen zum methodischen Vorgehen und zu einer ersten Erlaumluterung der intendierten Deutung
                                                                                                          • 1 Zu den Voraussetzungen und zum methodischen Vorgehen
                                                                                                          • 2 Eine erste Erlaumluterung der intendierten Deutung coniectura als Entwurf
                                                                                                            • II Sinnliche Erkenntnis Vermittelte Unmittelbarkeit dank imaginativer Vergegenwaumlrtigung sinnlicher Gehalte
                                                                                                            • III Die Erkenntnis der Vernunft (ratio) kategorial logisch modal
                                                                                                            • IV Die Entwurfsgestalt der Erkenntnis des menschlichen Geistes
                                                                                                              • 1 Der Ausgangspunkt Die Hypothese der Faktizitaumlt von Vorkommnissen
                                                                                                              • 2 Die Basis der Erkenntnis Der Begriff des menschlichen Geistes
                                                                                                              • 3 Die Entwurfsgestalt menschlicher Erkenntnis in den Wissenschaften und in der Wesenserkenntnis
                                                                                                              • 4 Die Steigerung der Entwurfsgestalt menschlicher Erkenntnis zur Perfektion in der Gotteserkenntnis
                                                                                                                • V Metaphysik als Entwurf ndash Ein Fazit
                                                                                                                • Literatur
                                                                                                                  • Wilhelm Schmidt-Biggemann Grund und Ungrund Zur Metaphysik des Moumlglichen
                                                                                                                    • I Plotin Das Eine als Ungrund und erster Grund
                                                                                                                    • II Das metaphysische Dispositiv von Kausalitaumlt bei Aristoteles
                                                                                                                    • III Die Unerkennbarkeit des ersten Grundes Dionysius Areopagita Liber de Causis
                                                                                                                    • IV Avicenna Das Reich des Moumlglichen und die Vehementia essendi
                                                                                                                    • V Duns Scotus Die Verwirklichung des Rationalen als irrationaler Willensakt
                                                                                                                    • VI Nikolaus von Kues Modaltheologie des ersten Prinzips
                                                                                                                      • 1 Theogonie und Ursprung der Kraft
                                                                                                                      • 2 Spekulative Mathematik
                                                                                                                        • VII Leibniz Cur potius aliquid quam nihil
                                                                                                                        • Literatur
                                                                                                                          • Register
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