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Z. Zellforsch. 110, 268--283 (1970) by Springer-Verlag 1970 Die intracytoplasmatische Organellenverteilung als Indikator gerichteter Wechselbeziehungen zwischen Kapillarsystem und zentralnerv5sen Zellkomplexen Morphometrische Studien am Oberschlundganglion yon Lumbricus terrestris L.* PETER Z1MMERMANN Anatomisches Institut der Universit~t Giel3en (Direktor: Prof. Dr. A. Oksche) Eingegaugen am 9. Juli 1970 The Intracellular Distribution of Organelles as an Indicator of Metabolic Interrelationships between Capillaries and Cell Complexes in the Central Nervous System of Lumbricus terrestris L. Summary. Results obtained in Lumbrieus terrestris L. by a modified morphometric point- counting method suggest functional interrelationships between the capillary system and certain nerve cell-glia complexes of the supraoesophageal ganglion. The distribution of the mitochondria and the endoplasmic reticulum (ER) in the pericapillary cells, in the neuroglia and in the neurons was used to characterize different types of functional cell-coupling. Nerve cell-neuroglia complexes are arranged in an asymmetric pattern around the capillaries. On the basis of morphometrie calculations it is shown that there are two main axes of distribution of mitochondria or ER which are arranged at right angles to each other. Therefore it is sug- gested that there exist two different types of transeellular metabolic pathways characterized by either high concentrations of mitochondria or EI~. The orientation of the distribution frequencies of mitoehondria and ER in juxtavascular neurons, glial-and pericapillary cells suggests that these cells are metabolically linked. In contrast to the juxtavascular cell com- plexes the distribution frequencies of mitoehondria and ER in nerve cells and glial cells at some distance from the capillaries were not at right angles but overlapped. From this obser- vation it is apparent that these peripheral neurons depend metabolically on their glial satellites. Key-Words: Distribution frequencies of mitochondria and endoplasmic reticulum-- Metabolic aspects--CNS of Lumbrieus terrestris L. Morphometry. Zusammen]assung. Funktionelle Zusammenh~nge zwischen dem Kapillarsystem und zentralnerv6sen Zellkomplexen wurden im Oberschlundganglion von Lumbrieus terrestris L. mit einer weiterentwickelten morphometrischen Methode nach dem Punktz~hlverfahren sichtbar gemacht. Die H~ufigkeitsverteilung von Mitochondrien und endoplasmatischem Retikulum (ER) wurde zur Charakterisierung der metabolischen Koppelung der Perikapillar- zellen, Gliazellen und Neurone herangezogen. Danaeh sind die Neuron-Glia-Komplexe asymmetriseh um die Hirnkapillaren verteilt. Aus morphometrischen Befunden wird ge- schlossen, dab die Wege des transzellul~ren Metaboliten-Austausches, der von den unter- schiedlichen Stoffwechselleistungen der Mitochondrien und des endoplasmatischen Retikulums abh~ugt, meist entgegeugesetzt gerichtet sind. Zellsysteme mit Kapillarkontakt unterscheiden sich durch ihre auf Gef~Be orientierte Hgufigkeitsverteilung der Mitoehondrien und des ER yon kapillarfernen Neuron-Glia-Komplexen. Die Abh~ngigkeit der Neurone yon der um- gebenden Hiillglia wird in gef~Bfernen Gebieten durch die gleichsinnige Ausrichtung tier H~ufigkeitsmaxima der Mitochondrien- und El~-Verteilung in beiden Zelltypen sichtbar. * Mit Unterstiitzung durch die Deutsche Forschungsgemeinsehaft.

Die intracytoplasmatische Organellenverteilung als Indikator gerichteter Wechselbeziehungen zwischen Kapillarsystem und zentralnervösen Zellkomplexen

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Z. Zellforsch. 110, 268--283 (1970) �9 by Springer-Verlag 1970

Die intracytoplasmatische Organellenverteilung als Indikator gerichteter Wechselbeziehungen zwischen

Kapillarsystem und zentralnerv5sen Zellkomplexen Morphomet r i sche S tud ien am Obe r sch lundgang l ion

y o n Lumbricus terrestris L.*

PETER Z1MMERMANN Anatomisches Institut der Universit~t Giel3en (Direktor: Prof. Dr. A. Oksche)

Eingegaugen am 9. Juli 1970

The In t racel lu lar Dis t r ibut ion of Organelles as an Indica tor of Metabolic Interrela t ionships between Capillaries and Cell Complexes

in the Central Nervous System of Lumbricus terrestris L.

Summary. Results obtained in Lumbrieus terrestris L. by a modified morphometric point- counting method suggest functional interrelationships between the capillary system and certain nerve cell-glia complexes of the supraoesophageal ganglion. The distribution of the mitochondria and the endoplasmic reticulum (ER) in the pericapillary cells, in the neuroglia and in the neurons was used to characterize different types of functional cell-coupling. Nerve cell-neuroglia complexes are arranged in an asymmetric pattern around the capillaries. On the basis of morphometrie calculations it is shown that there are two main axes of distribution of mitochondria or ER which are arranged at right angles to each other. Therefore it is sug- gested that there exist two different types of transeellular metabolic pathways characterized by either high concentrations of mitochondria or EI~. The orientation of the distribution frequencies of mitoehondria and ER in juxtavascular neurons, glial-and pericapillary cells suggests that these cells are metabolically linked. In contrast to the juxtavascular cell com- plexes the distribution frequencies of mitoehondria and ER in nerve cells and glial cells at some distance from the capillaries were not at right angles but overlapped. From this obser- vation it is apparent that these peripheral neurons depend metabolically on their glial satellites.

Key-Words: Distribution frequencies of mitochondria and endoplasmic reticulum-- Metabolic aspects--CNS of Lumbrieus terrestris L. Morphometry.

Zusammen]assung. Funktionelle Zusammenh~nge zwischen dem Kapillarsystem und zentralnerv6sen Zellkomplexen wurden im Oberschlundganglion von Lumbrieus terrestris L. mit einer weiterentwickelten morphometrischen Methode nach dem Punktz~hlverfahren sichtbar gemacht. Die H~ufigkeitsverteilung von Mitochondrien und endoplasmatischem Retikulum (ER) wurde zur Charakterisierung der metabolischen Koppelung der Perikapillar- zellen, Gliazellen und Neurone herangezogen. Danaeh sind die Neuron-Glia-Komplexe asymmetriseh um die Hirnkapillaren verteilt. Aus morphometrischen Befunden wird ge- schlossen, dab die Wege des transzellul~ren Metaboliten-Austausches, der von den unter- schiedlichen Stoffwechselleistungen der Mitochondrien und des endoplasmatischen Retikulums abh~ugt, meist entgegeugesetzt gerichtet sind. Zellsysteme mit Kapillarkontakt unterscheiden sich durch ihre auf Gef~Be orientierte Hgufigkeitsverteilung der Mitoehondrien und des ER yon kapillarfernen Neuron-Glia-Komplexen. Die Abh~ngigkeit der Neurone yon der um- gebenden Hiillglia wird in gef~Bfernen Gebieten durch die gleichsinnige Ausrichtung tier H~ufigkeitsmaxima der Mitochondrien- und El~-Verteilung in beiden Zelltypen sichtbar.

* Mit Unterstiitzung durch die Deutsche Forschungsgemeinsehaft.

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Morphometrische Studien fiber neuro-vascul~ire Wechselbeziehtmgen 269

Einleitung Zur Charakterisierung der Dynamik der Neurosekretion miissen die funktio-

nellen Zusammenh~nge zwischen Gef~Bsystem, Neuroglia und hormonprodu- zierenden Neuronen bekannt sein.

Der Sauerstoff erreicht durch Diffusion fiber die Kapillarverzweigungen die Mitoehondrien der abhgngigen Gewebsbereiche. Zwischen Kapillarlumen und O~-verbrauchenden Organellen entsteht ein Konzentrationsgradient, der die Riehtung und Geschwindigkeit der Diffusion bestimmt (Ficksehes Diffusions- gesetz). Die respiratorischen Wechselbeziehungen zwischen Gewebe und Gef~B lassen sich mit dem Zylinder-Modell von Krogh (verbessert yon Thews, 1960) und dem Kegel-Modell yon Diemer (1965) annghernd beschreiben. Die mit diesen Verfahren erzielten Ergebnisse werden aber durch die idealisierende Annahme der geometrisch symmetrischen Form der Kapillar-Gewebseinheit verfglscht ; die K a p i l l a r v e r t e i l u n g ist a s y m m e t r i s c h . Diese Besonderheit berficksichtigt Grune- wald (1968) in seinem Modell, indem er die Raumkoordinaten (x, y, z) in die Dfffusionsgleichung einf/ihrt. Hierdurch lgBt sich jeder beliebig geformte Ver- teilungsraum besehreiben: ~ . D . A . p ( x , y , z ) ---- / ( x , y, z ). Die mathematisehe Be- handlung der zentralnerv6sen Sauerstoffversorgung nach diesem neuen Konzept zeigt, da~ die Annahme einer asymmetrischen Kapillarverteilung den frfiheren symmetrischen Modellen bei der Berechnung der wahren Dfffusionsverh~ltnisse fiherlegen ist.

Das Kapillarsystem dient neben dem respiratorischen Gasaustausch auch dem Transport yon Aminos~uren zur Proteinsynthese in den neurosekretorischen Ganglienzellen. Hierbei fiberwiegen aktive energieverbrauchende Transport- mechanismen die Dfffusionsvorg~nge. Der koordinierte Ablauf dieser selektiven Membranprozesse ist an ein spezifisehes Zusammenwirken yon Gef~Bendothel, Gliazellen und Neuronen gebunden. Die folgende morphometrische Verteilungs- studie von stoffwechselaktiven Zellorganellen soll die polarisierten interzellul~ren Wechselbeziehungen in zirkumskripten, gefgBabh~ngigen Hirnarealen aufzeigen. Um diese Beziehungen in verschiedenen Hirngebieten miteinander vergleiehen zu k6nnen, mfissen bestimmte Parameter konstant bleiben. Diese Voraussetzungen findet man in der Zytoarehitektonik des Zentralnervensystems von L u m b r i c u s terrestris L. erffillt.

Vorversuche ergaben, dab im Obersehlundganglion des Regenwurms die Kapillaroberfl~chenanteile im Areal A I (mit fiberwiegend neurosekretorisehen Gangtienzellen) und im Areal A I I I (mit ausschlieBlieh ependymKhnhchen Faser- gliazellen) nahezu gleiehgro$ sind (s. Zimmermann, 1970). Weiterhin war aus enzymhistoehemischen Untersuchungen von Vigh-Teiehmann und Goslar (1969) am Nervensystem von E i s e n i a /oet ida bekannt, dab deutliche metabolische Unterschiede zwisehen neurosekretorischen Ganglienzellen (A-Zellen) und den benachbarten gli6sen Elementen bestehen. Die Autoren vermuteten daher, dab die glykogenreichen Gliazellen Metabolite des Kohlenhydratabbaus an die Neu- rone liefern. Neben dieser postuherten Wechselbeziehung zwisehen A-Zellen und der Neuroglia hat der Diffusionsgradient zwisehen der Coelomflfissigkeit und dem zentralgelegenen Neuropil eine richtungsgebende Bedeutung. In die Coelomh6hle injiziertes Akridinorange (50 mg/ml) dringt zonenf6rmig dureh das Neurilemm in die Ganglienzellschicht ein (Zimmermann, 1970).

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270 P. Zimmermann:

Abb. 1. Oberschlundganglion, Lumbricus terrestris L. Ein Kapillarquersclmitt mit angren- zenden Gliastrukturen liegt im Zentrum des dariiberprojizierten Quadratnetzes (Abstand der groben Netzunterteilung 1,5 cm). Vier Quadranten (1--4) und drei Kreiszonen ( I - - I I I ) dienen der Ausz~hlung r~umlich unterschiedlich verteilter Objekte. Die maBstabgetreu um- gerechneten Werte der Kreisradien (R) betragen: R I ~ 0 , 3 3 ~zm, R / / : 0 , 5 ~zm und R I I I = 0,66 ~m; hieraus ergeben sich die theoretisch mSglichen Gesamttestpunktzahlen der Zone I mit 314, der Z o n e / / m i t 394 und der Zone I I I mit 550. Der Pfeil markiert die Neurilemm- Neuropil-Achse und zeigt in Richtung auf das Neuropil. (Die VergrSBerungsma6st~be sind in dieser und in allen folgenden elektronenmikroskopischen Aufnahmen in ~m-Einheiten

angegeben)

I m Oberschlundgangl ion von Lumbricus terrestris sind demnach Aus tausch- wege, die man mi t den im Nervensys tem der Ver t eb ra t en nachgewiesenen Wechsel- beziehungen zwischen L iquor r aum-ZNS einerseits und Gef~l~system-ZNS anderer- seits vergleichen kann, auf engs tem R a u m konzentr ier t .

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Morphometrische Studien fiber neuro-vascul~re Wechselbeziehungen 271

Material und Methoden 1

Die Untersuchungen wurden an 5 Exemplaren von Lumbricus terrestris L. durchgeffihrt. Die im Mai gefangenen, durchsehnittlich 5,2 g schweren Regenwfirmer wurden auf feuchtem Zellstoff, im DurLkeln trod bei konstanter Temperatur (15 ~ C) gehalten.

I . E lek tronenmikroskopische Methodik

Fixierung: 5%iges Glutaraldehyd, angesetzt mit Zusatz yon Phosphat-Puffer nach S6rensen (pH 7,4), ffir 45 mill; Auswaschen in Phosphat-Saccharose-Puffer.

Nachbehandlung: 1%ige OsO4-L6sung in Saccharose-Phosphat-Puffer ffir 2 Std. Einbettung: Epon-Araldit (Mollenhauer). Diinnschnitte: Ultramikrotom Porter-Blum MT 1. Kontrastierung: Bleimonoxyd-Verfahren (Karaovsky). Au/nahmen: Elmiskop I (Siemens) bei emer Strahlsparmung yon 60 kV.

I I . Morphometr ische Methoden

Um die Beftmde sp~ter mit Vertebraten-Material vergleichen zu kfnnen, wurden zwei Areale des Oberschltmdganglions ausgew~hlt, die einerseits neurosekretorische Ganglien- zellen und deren Hfillglia (Areal AI ) , andererseits aber aussehlieBlich ependym~hnliehe Fasergliaformationen (Areal A I I I ) aufweisen. (s. Zimmermann, 1970). Die Kapillaren des Areals A I unterscheiden sich von denen des Areals A I / / d u r e h das hellere Zytoplasma ihrer Perikapillarzellen. Au~erdem wurde beider Auswahl der elektronenmikroskopischen Aufnahmen auf einen konstanten Gef~flquerschaitt geachtet (etwa 45 Z~hlpunkte pro Quersclmitt).

I-Iierzu sind zu beachten:

Volumendichten Symbole Ver- Anzahl der ausge- Quadranten (1--4) grfl3e- werteten Aufnahmen Zonen ( I - - I I I ) rungen pro Tier und Areal

Perikapillarzellen (PKZ)

Mitochondrien der PKZ

Mitochondrien der Gliazellen

Mitochondrien der A-Neurone

VVp 1--4 (I)

Vl(mi P 1--4 (I)

Vvmi q 1--4 (I--III)

V~ni NG 1--4 (I--III)

9200fach Mit Quadratnetz: 10

Endoplasmatisches Retikulum (ER) der PKZ

ER der Gliazellen

ER der A-Neurone

Vver P 1--4 (I)

VVerG 1--4 (I--llI)

VVer ~VG 1--4 (I--III)

47 500faeh mit ,,multipurpose test screen": 10

Da die Bestimmung r~umlich unterschiedlich verteilter Organellengradienten angestrebt wurde, mul3te ein neues Testverfahren ausgearbeitet werden. Einmal sollte der Gradient zwischen Neurilemm und Neuropil, zum anderen der Gradient zwisehen Kapillare und an- grenzenden Neuron-Glla-Komplexen festgestellt werden. Hierzu wurde ein Quadratnetz (Verh~ltnis 1 : 5) in vier Quadranten (1---4) unterteilt (Abb. 1). Der Schnittpunkt der Haupt- koordinaten lag bei der Auswertung im Mittelpunkt des jewefligen Kapillarquerschaitts. Der

1 Frl. D. Vaihinger dan~e ich f fir die saehkundige Durehffihrung der graphisehen Arbeiten.

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272 P. Zimmermann:

Pfeil zeigte in Richtung attf das Neuropil. Zur Unterscheidung von Beziehtmgen, die durch direkten Kontakt (z. B. zwischen Perikapfllarzellen und Neuroglia) oder indirekte Koppelung (z.B. zwisehen Perikapillarzellen und Ganglienzellen fiber zwischengeschaltete Gliazellen) entstehen, wurde das gef/~13abhKngige Areal in drei Zonen (I III) unterteilt. Diese haben gleiche Abstgnde voneirmnder.

Die gewonnenen Daten sollten fumktionelle Aussagen fiber Wechselbeziehungen zwischen Gef/il~system und Neuron-Glia-Komplexen zulassen. Hierffir reicht vorerst die einfache und sehnelle Methode der VolumendichSenbestimmung nach dem Punktz~hlverfahren aus (s. Wei- bel, 1969) :

P~

P/= Anzahl der gesuchten Objektptmk~e, PT= Gesamttestpunktzahl. Die Anzahl der ausgemessenen elektronenmikroskopischen Aufnahmen wurde in Vor-

versuehen solang erhSht, his sich die Abweichungen vom Mittelwert stabilisierten. Die Ge- nauigkeit der Messungen wurde abschlieBend mit dem Wahrscheinlichkeitsnetz iiberprfift (s. Sitte, 1967). Zur statis$ischen Sicherung der gleichgerichteten Organellengradienten in Perikapillarzellen, Glia und Neuronen diente der Korrelationskoeffizient ,,r".

Befunde

Gef~13system und benachbarte Zellformationen bilden eine stoffweehsel- bedingte Einheit. l~egionale arehitektonische und funktionelle Untersehiede der Zellverb~nde spiegeln sich in der Variabflit~t der Kapillarverzweigungen wider.

I m Oberschlundganglion yon Lumbricus terrestris kommen neben einem Kapillarnetz versehiedene Formen von Kapillarschlingen vor. Die L1-Sehlingen entsprechen den schon von E. Scharrer (1944) beobachteten ,,hairpin-like loops"; sie dominieren im Areal A I I I (vgl. Zimmermann, 1970; Abb. 1). Die Schlingen- typen L~ und L 3 unterscheiden sich durch ihre unterschiedliche L~nge und ihre Lagebeziehungen zu den angrenzenden Zellelementen voneinander. Die erst- genannte Sehlingenform begleitet Neuriten bestimmter neurosekretfreier Ganglien- zellgruppen am l~bergang des Areals A / / i n die Areale A 1 bzw. A I / / . Die L~- Kapillarschlingen liegen mit ihren Scheiteln im Neurosekretdepot.

Die Hirnkapillaren yon Lumbricus terrestris zeichnen sich im Ultrastruktur- bereich durch fehlende Endothelzellen (ira Sinne der klassisehen Definition) aus (Abb. 2). Die Erythrocruorinpartikel werden dureh eine deutliche Basallamina yon den Perikapillarzellen (wie sie sinngem/~B, im Gegensatz zu Hama, 1960, bezeichnet werden sollten) getrennt. Zonulae adhaerentes verbinden die Peri- kapillarzellen untereinander; Hemidesmosomen verankern diese Zellen an der Basallamina.

Lierse (1964) zeigte, dal3 ,,loopings" (L1-Kapillaren) eine interkapill/~re Kontaktfl/~che besitzen mfissen, damit sie Sauerstoff nach dem Gegenstromprinzip konzentrieren k6nnen. Abb. 3a und b demonstrieren diese Voraussetzung. Die beiden Kapillarschenkel sind nur durch eine Schicht der Perikapillarzelle von- einander getrennt. Die L2- und La-Schlingen unterscheiden sich im elektronen- mikroskopischen Bfld nicht voneinander. Ihre Differenzierung richtet sich nach den Besonderheiten der umgebenden Zellverb/~nde.

In Abb. 3c ist der Anschnitt einer La-Schlingenkuppe dargestellt. Massive Mitochondrienansammlungen fallen in dem angrenzenden Axonlgngsschnitt auf. Auch im Zytoplasma der Perikapillarzelle, die dem Axon zugewandt ist, sind

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Morphometrische Studien fiber neuro-vasculRre Wechselbeziehungen 273

Abb. 2. Ein Kapillarquerschnitt aus dem Areal A I I I des Oberschlundganglions (Zimmer- mann, 1970), der von dunklen Perikapillarzellen (P) gegen die ependym~hnlichen Faser- gliazellen abgegrenzt wird. Vergr. 9200fach. Der Pfeil zeigt in Richtung auf das Neuropil. B-Basallamina der Kapillare. ER-Endoplasmatisches Retikulum der Gliazellen. M-Neuropil- w~rts gerichtete Mitochondrienansammlung im Zytoplasma der Perikapillarzellen (P). NL-

Neurilemmaterial mit Hemidesmosomen in den angrenzenden Gliazellforts~tzen

starke zisternenartige Auftreibungen des endoplasmatischen Ret ikulums (ER) und Mitochondrien zu beobachten. Ahnliche Wechselbeziehungen zwischen dem Gef~B und zentralnerv6sen Zellkomplexen k6nnen aus den morphologischen Besonderheiten der Abb. 4 und 5 abgeleitet werden. Die Mitochondrien der

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274 P. Zimmermann:

Abb. 3. a L1-Kapillare. Vergr. 12000fach. Eirte Zytoplasmalamelle der Perikapillarzelle (P) trennt die beiden Kapillarschenkel. b L1-Kapillare. Vergr. 19000fach. Wie Abb. 3a. c Anschnitt des Scheitels einer La-Kapillarschlinge (C). Vergr. 18400fach. Im angrenzenden AxonlKngs- schnitt f~llt eine starke Mitochondrienakkumulation auf. ER ist auf derdem Axon zuge-

wartdten Seite der Perikapillarzellert (P) erweitert. NP-Neuropil

neurosekretorischen Ganglienzelle linden sich in Abb. 4 auf der gef~Bnahen Seite des Perikaryons. Auch die erweiterten Zisternen des ER sind asymmetrisch zum Gef~Bpol bin verteilt. Eine noch st~rkere Auftreibung des Lamellensystems des ER erkennt man in gliSsen Elementen, die den L2-Schlingen des Areals A I I I

anliegen (Abb. 5).

Diese Beispiele weisen darauf hin, dab die Gef~Bbeziehungen der zentral- nervSsen Zellkomplexe des Regenwurms asymmetrisch sind. Die intrazytoplas-

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Abb. 4. L~-Kapillarschlinge (C), yon einer neurosekretorischen Ganglienzelle (NG) durch Gliafaserforts~tze (G) getrennt. Vergr. 18400fach. Die Mitochondrien und erweiterten Zisternen

des ER sind zum Gefi~13 hin orientiert

matische Verteilung der Mitochondrien und Zisternen des ER ist polarisiert und spiegelt die interzellul~ren Beziehungen funktionell gekoppelter Zellsysteme wider. Diese gerichteten Verteilungsverh~ltnisse lassen sich mit morphometrischer Methodik quantitativ erfassen.

Hierfiir wurden zwei Areale des 0berschlundganglions von Lumbricus terrestris ausgew~hlt, die sich in ihrer Zytoarchitektonik und mSglicherweise auch funktio-

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Abb. 5. Lz-Kapillarschlinge (C) im Areal A I I I des Obersehlundganglions mit artgrenzenden Gliazellforts~tzen, die stark erweiterte Zisternen des ER enthalten. Vergr. 13800fach.

M-sternf6rmiges Mitochondrium in Gliazelle

Abb. 7. Verteilurtg der relativen Volumenanteile des Zytoplasmas der Perikapillarzellen (--), der Mitochondrien (---) und des ER ( - - . - - . ) in den 4 Quadranten (1--4) des Areals A I I I . Die Pfeile der Koordinatenkreuze weisert in Richturtg auf das Neuropil. Die punktierten Bezirke markieren den Quadrartten mit der grSBten H~ufigkeit der erttsprechenden Zyto- plasmakomponertte. Der Gradient der Gliazell-Mitochondrien im Kontaktbereich (Zone I, 7A) ist erttgegertgesetzt zu dem Mitochortdrien-Gradier~ten dieses Zelltyps der Zonen I I und I I I (7C); die Mitochondriertverteilung der Perikapillarzellen (7B) entspricht den Mito- ehondrienhgufigkeiten beider Zonen (vgl. 7B mit 7A, C). Das ER der Neuroglia (TD) und der Perikapillarzellen (7E) ist in der Zone �9 im Gegensatz zu den ER-Zisternen der Gliazellen in den Zonen I I urtd I I I (7F) in der Richttmg der Neurilemm-Neuropil-Achse gleichsinnig

verteilt

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P. Zimmermann: Morphometrische Studien fiber neuro-vasculare Wechselbeziehungen 277

Abb. 6. Heller Kapillartyp (C) im Areal AI des Oberschhmdganglions. Vergr. 6900fach. In den Perikapillarzellen (P) iiberwiegen die Vakuolen auf der Seite der net~rosekretorischen Ganglienzelle (NG), die aur durch schmale Gliazellausl/~ufer (G) yon der Kapillare getrennt ist

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278 P. Zimmermann:

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Abb. 8. Ver~ilung der relativen Volumenanteile des Zytoplasmas der Perikapillarzellen, der Mit~ehondrien und des ER in den vier Quadranten des Areals A I. Bezeiehnungen wie in Abb. 7. Die entgegengesetzt zueinander verteilten Mitoehondrienh~ufigkeiten der Gliazellen der Zone I (8A) sowie der Zonen//und I I I (8C) korrelieren nieht mit dem Mi~ehondrien- Gradienten der Perikapillarzellen (8 B) ; dieser liegt vielmehr wie das H~ufigkeitsmaximum der ER-Zisternen der Perilc~pilIarzellen in der Neurilemm-Neuropil-Aehse (vgl. 8B milb 8E). Die Richtung der Hauptverteilung des ER in der Glia der Zone I (8D) stimmt im Gegensatz zu der Hauptrichtung dieser Zisternenverteilung in den Zonen// und I I I (8F) mit dem

EE-Gradienten der Perikapillarzellen iiberein

nell deutlich voneinander unterscheiden. Die im Hirnareal A I I I vorkommenden ependymartigen Fasergliazellformationen sind wie Palisaden zwisehen Neurilemm und Neuropil ausgerichtet. Die Perikapfllarzellen dieses Areals besitzen ein dunkles Zytoplasma im Gegensatz zu dem hellen Zell~yp des Areals A I, das fiberwiegend neurosekretorische Ganglienzellen enth/flt (vgl. Abb. 2 mit Abb. 6). Die dunklen Perikapillarzellen zeichnen sieh durch eine starke Vermehrung freier Ribosomen aus.

Die morphometrische Analyse ergab zun/~chst, dab das Zytoplasma der Perikapillarzellen asymmetriseh um die Neurilemm-Neuropil-Achse verteilt ist (Abb. 7 B, E). Dies entspricht auch der Ausrichtung des Gradienten ihres erwei- terten ER, w/~hrend die Mitochondrien haupts/~chlich senkrecht dazu anzutreffen sind. Berficksichtigt man die Verteilung der beiden stoffwechselaktiven Zyto- plasmakomponenten in der angrenzenden Glia, so entsteht das folgende Bild: Der Mitochondriengradient der direkt anliegenden gli6sen Elemente ist in bezug auf den Gradienten der Perikapillarzellen gleichgerichtet, jedoch vorwiegend nach den Quadranten 3 und 4 hin verschoben. Das erweiterte ER der beiden oben- genannten Zelltypen ist im Kontaktbereich (Zone I, s. Abb. 1) um die Neuropil-

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Abb. 9. Vergleich der Mitochondrien- and El~-Verteilung in den Ganglienzellen mit dem Verteilungsmuster in den PerikapiUarzellen der vier Quadranten des Areals A I. Bezeieh- nungen wie in Abb. 7. Die Richtungen der H~ufigkeitsverteilung der stoffwechselaktiven Zytoplasmakomponenten der Neurone uad der Gliazellen stimmen sowohl in dem Kontakt- bereich (Zone I, 9A, D) als auch in den Zonen/ /und I I I (9C, F) weitgehend miteinander

fiberein

Neurilemm-Achse verteilt. Fiir die kapillarfernen Gliazellen (Zonen I I und I I I )

gelten andere Bedingungen. Die Mitochondrien liegen wiederum in der Richtung des Gradienten der Perikapillarzellen jedoch diesmal in den Quadranten I und 2. Das ER ist jetzt mit den Mitochondrien gleichsinnig verteflt.

I m Bereich der hellen Perikapfllarzellen des Areals A I 2 (Abb. 6) mfissen die Wechselbeziehungen zweier gefi~l~abh~ngiger Zelltypen, der Gliazellen und Neu- rone, beriicksichtigt werden. Zum besseren Vergleich mit dem Areal A I I I ~ werden zuni~chst die Befunde mitgeteilt, die sich aus der morphometrischen Analyse der Neuroglia ergeben.

Die Mitochondrien der Gliazellen im Kontaktbereich mit den Perikapillar- zellen (Zone I) sind vor allem in den Quadranten I und 2 anzutreffen (Abb. 8) w~hrend sie in den Zonen I I und I I I entgegengesetzt asymmetrisch auf die Quadranten 3 und 4 verteilt sind. Sie verhalten sich somit spiegelbildlich zu den Mitochondriengradienten der Glia des Areals A I I I . Die funktionelle Bedeutung dieser Verteilungs~nderung wird durch die Beriicksichtigung der Mitochondrien- gradienten in den Neuronen deutlich. Diese entsprechen n~mlich den Mitochon- driengradienten der assoziierten Glia sowohl in der Kontaktzone I als auch in den beiden Zonen I I und H I (Abb. 9). Die Mitochondrien und die erweiterten Zisternen des ER der Perikapillarzellen sind hingegen in der Neurflemm-Neuropil-

2 Vgl. S. 269.

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280 P. Zimmermann:

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r 0 , 7 1

Abb. 10. Vergleich der Mitochor~driem und ER-Verteilungen vor~ Perikapillarzellen (--), Gliazellen (---) trod Neuronen (-.-.) der Areale A I (10A, B) und A I I I (10 C, D) im Kontakt- zonenbereich (Zone I). Die Zisternen des EI~ aller Zelltypen sind in der Neurilemm-Neuropil- Achse ausgerichtet (10B, D). Die H/iufigkeiten der Mitochondrienverteilungen der ver- schiedenen Zellen fiberlappen sieh innerhalb der beiden Areale (10A, C), sind jedoch spiegel- bildlich asymmetrisch um die Kapillaren der Areale A I trod A I I I (vgl. 10 A mit C) angeordnet

Achse ausgerichtet. I-Iierzu gleichsinnig verteilt erscheinen die ER-Erweiterungen der Gliazellen und der Neurone im Kontaktbereieh (Zone I), w/~hrend die der kapillarfernen Gebiete (Zone I I und I I I ) asymmetrisch in den Quadranten 3 und 4 liegen (Abb. 8 und 9).

Vergleicht man diese Einzelbefunde miteinander, so fallen folgende Besonder- heiten auf :

I. Zone I (Abb. 10). Die Gradienten der untersuehten Zytoplasmakompo- nenten der verschiedenen funktionell gekoppelten Zelltypen fiberlappen sieh. Besonders klar ist dies ffir die Zisternen des ER sowohl im Areal A I als auch im Areal A I I I erkennbar. I m ersteren Gebiet sind die ER-Gradienten der Peri- kapillarzellen, der gli6sen Elemente und der Neurone in der Neurilemm-Neuropil- Achse gleichgerichtet. Die Mitoehondriengradienten der gef/iBabh/ingigen Zell- gruppen erscheinen immer senkreeht zu dieser Hauptachse verteilt. Interessant ist, dab die H/iufigkeiten der Mitoehondrien in den Arealen A I und A I / / ent- gegengesetzt asymmetriseh um die Kapillaren auftreten.

I I . Zonen I I und I I I (Abb. 11). Die Mitochondrienverteilung in Gliazellen und Neuronen, die senkrecht zur Neurilemm-Neuropil-Achse ausgeriehtet ist, entspricht den in der Zone I erhobenen Befunden. Jedoch ist die Quadranten- Verteilung der Mitochondrien in A I u n d A I / / z u e i n a n d e r spiegelbildlich asym- metrisch. Die Gradienten des ER und der Mitochondrien sind diesmal in beiden

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0,4 ,57

Abb. 11. Vergleieh der Mitoehondrien- trod ER-Vert~ilung in den Zelltypen der Areale A I (llA, B) und A I I I (llC, 1)) der Zonen H und I I I . Bezeiehnungen wie in Abb. 10. Es fiillt auf, dal3 in den kapillarfernen Gebieten die Gradien~n der Hiiufigkeitsverteilungen yon

Mitoehondrien und ER-Zis~rnen gleiehgeriehtet sind

Arealen gleichsinnig senkrecht zur Gradienten-Achse der Perikapillarzellen aus- gerichtet.

Aus diesen morphometrischen Ergebnissen geht hervor, dai~ die an der intra- zytoplasmatischen Mitochondrien- und ER-Verteilung gemessene Stoffwechsel- ak t iv i t t t geft~Babht~ngiger Zellkomplexe des Oberschlundganglions asymmetrisch um die Kapillare verteilt ist. Die Htiufigkeitsverteilungen der 02-verbrauchenden Mitochondrien und des proteinsynthetisierenden ER der untersuchten Zellsysteme verhalten sich entweder gleich- oder gegensinnig, entsprechend den funktions- bedingten Wechselbeziehungen zwischen Perikapillarzellen, Neuroglia- und Ganglienzellen.

Diskussion

Der Stoffaustausch zwischen dem Zentralnervensystem und seinen benach- barten Kompar t imenten erfolgt bei Lumbricus terrestris fiber die Coelom- Neuropil-Barriere und fiber die Kapillarschranke, die aus der Basallamina und den Perikapillarzellen besteht.

Die alkalische Phosphatase ist ein Enzym, alas man zur Lokalisation yon aktiven Transportvorgt~ngen an Grenzflttchen darstellt. Sie lt~l~t sich in den coelomalen Deckzellen des Neurilemmschlauchs nachweisen, fehlt aber in den Perikapillarzellen. ,,Da die alkalischen Phosphatasen beim aktiven Stofftransport dutch Grenzfltichen beteiligt sein sollen", halten Vigh-Teichmann und Goslar (1968) es ffir wahrscheinlich, ,,dai~ die Enzymaktivit t i t dieser Zellen ein Ausdruck

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ihrer wichtigen Funktion beim Stoffaustausch von der Coelomflfissigkeit zum Nervengewebe ist".

IAerse (1963) deutet das Fehlen der alkalischen Phosphatase-Reaktion im Endothel bestimmter zentralnervSser Gef/~i~abschnitte als Ausdruck besonders aktiver Austauschvorg/inge im Bereich der Blut-Hirn-Schranke. Die Bedeutung der beiden obengenannten Grenzfl/~chen des Regenwurm-ZNS ffir die Regulation des zentralnerv6sen Metabolismus wird aber erst durch die Beachtung der Wechsel- beziehungen mit den stoffwechselaktiven Zytoplasmakomponenten der Neuroglia und der Ganglienzellen hervorgehoben.

Energetische l~berlegungen zur Optimierung der Stoffwechselwege zwischen Grenzmembran und metabolisierenden Zellorganellen ffihrten zu der Annahme, dal3 die r/iumliche Orientierung dieser funktionell gekoppelten Systeme ein wichtiger Faktor ist. Dieses Prinzip kann als Minimalisierung der Di//usionsstrecken zwischen voneinander abhdngigen Zellsystemen bezeichnet werden. Die Beurteilung der Befunde, die im Sinne dieses Prinzips in morphometrischen Studien an gef/iBabh/ingigen Neuron-Glia-Komplexen gewonnen wurden, ffihrt zu folgenden Ergebnissen:

1. Die Asymmetrie kapillarbezogener Hirngebiete (Grunewald, 1968) gilt nicht nur ffir den O2-Transport. Man kann z.B. ffir Metaboliten des Glykogen- oder Proteinstoffwechsels verschiedene gef/~13abh/ingige Austauschzonen annehmen, die sich nicht fiberlappen mfissen (s. Abb. 10A, B). Der ,,Kroghsche Gewebs- zylinder" mul~ in eine Vielfalt yon unterschiedlich ausgerichteten ,,Metabolie- R/~umen" aufgel6st werden. Die Asymmetrie wird durch die variable Verteilung der Hirnkapillaren und der ge/dflabl~ngigen Neuron-Glia-Komplexe bestimmt.

2. Aus der Uberlappung der Hauptgradienten der stoffwechselaktiven Zyto- plasmakomponenten ergeben sich die folgenden Wechselbeziehungen:

a) Dire]cte Wechselbeziehungen. Die Oberfl/ichenmembranen dieser Zelltypen grenzen direkt aneinander (z.B. Perikapillarzellen und anliegende Glia- oder Neuron-Glia-Komplexe). Dies gilt ffir die Mitochondriengradienten der Peri- kapillar- und Gliazellen des Areals A I I I im Oberschlundganglion yon Lumbricus terrestris sowie ffir die Neuron-Glia-Komplexe des Areals A I (Abb. 10A, C). Die Verteilung der Zisternen des ER korreliert hingegen in den beiden Arealen mit dem El%-Gradienten der Perikapfllarzellen (Abb. 10B, D).

b) Indirekte Wechselbeziehungen. Die Oberfl/~chenmembranen der funktionell gekoppelten Zelltypen grenzen nicht direkt aneinander (z.B. Perikapfllarzellen und kapfllarferne Neuron-Glia-Komplexe). Abb. l l A und B demonstrieren eine metabolische Einheit, die aus Neuronen und der periganglion/~ren Glia besteht. Die Verteilungen von Mitochondrien und ER fiberlappen sich im Gegensatz zu den in Abb. 10A und B dargestellten Beziehungen. Die urspriingliche stoff- wechselbedingte Orientierung der Ganglienzellen auf das Gef/~l~ hin wird in diesem kapillarfernen Gebiet durch eine v611ige Abhgngigkeit der Neurone yon der Neuroglia abgel6st. Die Gliazellen werden hier zum Mittler zwischen Perikapillar- zellen und Neuronen.

Eine Polarisation der Wechselbeziehungen zwischen zentralnervSsen Zell- elementen und dem Kapillarsystem liel3 sich morphometrisch durch die Ver- teilung stoffwechselaktiver Zellkomponenten (Mitoehondrien und ER-Zisternen) darstellen. Die theoretischen Vorstellungen Grunewalds (1968) fiber eine asym-

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metrische Kapillarverteilung im Zentralnervensystem konnten morphologisch belegt werden. Ein Vergleich der am Oberschlundganglion von Lumbricus terrestris erhobenen Befunde mit den Verhiiltnissen im Vertebraten-Gehirn dfirfte inter- essan te A s p e k t e zur B e u r t e i l u n g gef/il3abh/~ngiger L/~sionen des Z e n t r a l n e r v e n -

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Dr. Peter Zimmermann Anatomisches Insti tut der Universit/~t D-6300 GieBen, Friedrichstraile 24

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