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Die Europäische
Union
Umweltpolitik
1. historische Entwicklung
zu Beginn der 70er Jahre noch als „Modeerscheinung“ oder als „politisch irrelevant“ bezeichnet
seitdem relativ beständige Ausweitung umweltpolitischer Aktivitäten auf europäischer Ebene
EU wurde im Rahmen der Römischen Verträge von 1957 als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gegründet Übergewicht ökonomischer Ziele
ABER: in den Vertragsgrundlagen gab es keinerlei umweltpolitische Handlungskompetenzen und Zuständigkeiten für die europäische Ebene
DESHALB: Umweltpolitik wurde als Handelspolitik „definiert“, ihre primäre Legitimation basierte auf der Beseitigung wirtschaftlicher Handelshemmnisse zwischen den
Mitgliedstaaten
mit der Zeit: Umweltschutz entwickelte sich zu einem eigenständigen Politikbereich der europäischen Integration, unabhängig von wirtschaftspolitischen Zielen
in den Verträgen von Maastricht (1993) und Amsterdam (1999) wurden die Kompetenzen nochmals erweitert
1987: explizite vertragliche Verankerung der Umweltpolitik als eigenen Handlungsbereich der EU im Rahmen der
Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) Gleichstellung ökonomischer und ökologischer Ziele der Gemeinschaft
1994: Einrichtung einer Europäischen Umweltagentur in Kopenhagen
1995: Beitritt umweltpolitisch ambitionierter Staaten: Schweden, Finnland, Österreich; trotzdem seit Beginn der 90er
Jahre: rückläufige Tendenz, von europäischer Seite relativ strenge und weit gehende Grenzwerte vorzuschreiben; stattdessen wird auf „neue Instrumente“ gesetzt, wie z.B. ökonomische Anreize für die Selbstregulierung der Industrie
als Beginn der eigenständigen Umweltpolitik der EU wird die Pariser Gipfelkonferenz 1972 angesehenAUCH: Gründung einer „task-force-Gruppe“ bei der Kommission, aus der die heutige Generaldirektion (GD) Umwelt hervorging
erstes umweltpolitisches Aktionsprogramm 1973
mögliche Einteilung der europäischen Umweltpolitik in drei Phasen:
1972-1987 (keine eigentliche rechtliche Legitimation)
1987-1992 (Betonung von Prinzipien)
seit 1992 (Abschwächung der umweltpolitischen Dynamik)
2. Ursachen für die Einführung einer gemeinschaftlichen Umweltpolitik
Befürchtung, dass es aufgrund unterschiedlicher Umweltstandards in den Mitgliedstaaten zu Handelshemmnissen und
Wettbewerbsverzerrungen im Gemeinsamen Markt kommen könnte
national variierende Standards für bestimmte Produkte stellten Hindernisse für den freien innergemeinschaftlichen Handel dieser Produkte dar (z.B. Grenzwerte für Autoabgase)
Ziel der Angleichung der Lebensbedingungen in der EUArt. 2 des EGV: Ziele = „stetige Besserung der Lebens- und
Beschäftigungsbedingungen“ und „beschleunigte Hebung des Lebensstandards“
wurde ausgelegt als nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Steigerung des Lebensstandards
seit Mitte der 60er Jahre: zahlreiche Umweltkatastrophen
verstärkte internationale Politisierung von Umweltproblemen
(z.B. Waldsterben in Deutschland in den 80er Jahren)
Verdeutlichung der grenzüberschreitenden Natur bestimmter Umweltbelastungen (z.B. Problem der grenzüberschreitenden
Luftverschmutzung:
Schwefeldioxid führte zur Versäuerung skandinavischer Seen; Auslöser des sauren Regens war aber die Luftverschmutzung in anderen Staaten)
Ziele und Prinzipien
Abschnitt 5 Umwelt
Artikel III-233
(1) Die Umweltpolitik der Union trägt zur Verfolgung der nachstehenden Ziele bei:a) Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität;
EG - Vertrag
b) Schutz der menschlichen Gesundheit;
c) umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen;
d) Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme.
Absatz 2 des Artikel 174 EG-Vertrag
Vorsorgeprinzip:
Der Umweltbelastung ist mit präventiven Maßnahmen zu begegnen, um Umwelt-schäden vorab verhindern zu können und nicht erst nach der Entstehung bekämpfen zu müssen.
Ursprungsprinzip:
Die Umweltbeeinträchtigung soll mit Vorrang bereits an ihrem Ursprung bekämpft werden.
Verursacherprinzip:
Die Kosten für die Bekämpfung von Umweltschäden sollen - wenn möglich – weit-gehend von den Verursachern selbst getragen werden.
Ziele, umweltpolitische Prinzipien und Steuerungsstrategien der umweltpolitischen
Aktionsprogramme im Überblick
Aktions- Ziele Betonte Strategischeprogramm Umweltprinzipien Orientierung
Generelle Ziele - Prävention - Rahmenvorgaben- Vermeidung und - Ursprungsprinzip - Qualitätsziele
1973-1976 Verringerung von - Verursacherprinzip Umweltschäden - Angemessene Hand-
- Erhaltung des öko- lungsebene logischen Gleichge- - Schonender Umgang wichts mit natürlichen Res-
- Umweltgerechte sourcen Strukturpolitik und Raumplanung
1977-1981 Fortschreibung des ersten Aktionsprogramms
Konkrete Prioritätenliste - Prävention - Betonung von- Schutz des Mittel- - Ursprungsprinzip Emissionsgrenz-
1982-1986 meeres - Verursacherprinzip werten- Lärmschutz - Integrationsprinzip - Vermeidung grenz- - Integrierter Umwelt-
überschreitender schutz Emissionen
- Regulierung gefährli- cher Stoffe
- Ausweisung von Na- turschutzgebieten
Aktions- Ziele Betonte Strategische
programm Umweltprinzipien Orientierung
Integrationsprinzip
Die Erfordernisse des Umweltschutzes sollen bei der Formulierung und Durchführung von Maßnahmen in anderen Politikbereichen der Gemeinschaft (wie der Verkehrs-, Regional- oder Landwirtschaftspolitik) berücksichtigt werden
Konkretisierung und Zusätzlich: Konkretisierung und1987-1992 Fortschreibung des Hohes Schutzniveau Fortschreibung
3. AP des 3. AP
Fokus auf Steuerungs- - Integrationsprinzip - Informations- und zielen statt auf kon- - Partizipations-
1993-2000 kreten Umweltproblemen rechte - Nachhaltige Entwicklung - Transparenz - Verbesserte Implemen- - Kooperation mit tation bestehender Maß- beteiligten und nahmen betroffenen Ak-
- Definition von Aktions- teuren feldern (Tourismus, Indus- trie, Landwirtschaft,
Energie, Verkehr)
Aktions- Ziele Betonte Strategische
programm Umweltprinzipien Orientierung
- Neue Aktionsfelder - Integrationsprinzip - Verbesserte Kontroll- (Klimawandel, bio- möglichkeiten
2001-2010 logische Vielfalt, Um- - Politische und ökono- welt und Gesundheit, mische Anreiz-
nachhaltige Bewirt- strukturen für schaftung von natür- umweltfreundliches
lichen Ressourcen und Verhalten Abfällen)
Aktions- Ziele Betonte Strategische
programm Umweltprinzipien Orientierung
Wichtige medienübergreifende Maßnahmen in der europäischen Umweltpolitik
Richtlinie über den freien Zugang zu Umweltinformationen 1990
Verordnung zur Vergabe eines gemeinschaftlichen Umweltzeichens (Öko-Label) 1992
Medienspezifische Maßnahmen, z.B. Wichtige Maßnahmen im Bereich der Abfallwirtschaft
Rahmenrichtlinie 1975
Altölbeseitigung 1975
Gefährliche Abfälle 1991
Batterien 1993
Verpackungen und Verpackungsabfälle 1994
Deponierung von Abfällen 1999
5. Entstehung europäischer Umweltpolitik
5.1. Europäische Kommission
zentrale Rolle (Initiativ-, Kontroll- und Exekutivaufgaben)
v.a. in den 70er Jahren gingen viele erfolgreiche Initiativen für eine gemeinschaftliche Umweltpolitik von der Kommission aus (später: stärkere Einflussnahme der Mitgliedstaaten)
Vorbereitung von Vorschlägen erfolgt in den jeweils zuständigen Generaldirektionen und Dienststellen (hier: GD Umwelt – Kompetenz u.a. für Strahlenschutz, Umweltchemikalien, Abfallwirtschaft, Bodenschutz, Lärm, Gewässerschutz, Luftreinhaltung, Naturschutz und Umwelt- information)
GD Umwelt allerdings häufig auf die Zusammenarbeit mit anderen Generaldirektionen angewiesen, da Initiativen meist auch Bereiche wie den Verkehr o.ä. betreffen „Querschnittscharakter der Umweltpolitik“
Kommission als „Hüterin der Verträge“ für die Überwachung der Anwendung und Einhaltung der Verträge und Richtlinien
5.2. Europäischer Ministerrat
bedeutendste Institution im Entscheidungsgefüge der EU
zuständig für die Entscheidungen über umweltpolitische Maßnahmen: Rat der Umweltminister (tritt jährlich etwa viermal zusammen; außerdem unregelmäßige informelle Treffen, meist mit einem speziellen Thema)
„Environment ministers have undoubtedly been able to approve some legislation in Brussels for which they would have been unable to win support in their national cabinets“ (Sbragia 2000, 300)
Entscheidungsverfahren im Ministerrat:
ZUERST: jeder Mitgliedstaat hatte ein Vetorecht im Hinblick auf umwelt- politische Entscheidungen
ABER: offenkundig bestand eine grundsätzliche Übereinstimmung, was die Notwendigkeit einer gemeinschaftlichen Umweltpolitik angeht
DESHALB: bis Mitte der 80er Jahre: drei umweltpolitische Aktions- programme und rund 200 verbindliche Rechtsakte in Form von Richtlinien und Verordnungen
HEUTE: Entscheidungsverfahren mit qualifizierter Mehrheit anstatt Einstimmigkeit
5.3. Europäisches Parlament
Schrittweise Ausweitung der umweltpolitischen Entscheidungsbefugnisse
des EP
Europäisches Parlament stets progressive, vorantreibende Position im Umweltschutz, weil es sich hiervon stärkere Resonanz in der Öffentlichkeit und beim Wähler erhofft
zuständig für umweltpolitische Fragen ist der seit 1973 bestehende Ausschuss
für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz
neu: beim Verfahren der Mitentscheidung: kann über alle Bereiche der Umweltpolitik gleichberechtigt mit dem Rat beschließen
5.4. Europäischer Gerichtshof
nicht unmittelbar an der Formulierung europäischer Umweltpolitik beteiligtABER: „[T]he Court is one of the most important institutions in European environmental governance. It is the Court that sets the limits within
which policy is made and, in conforming or rejecting the legality of European-level legislation, affects or even alters the focus and priorities of environmental policy (Weale et al. 2000, 102)
begünstigte die Entwicklung der Umweltpolitik, indem er die Bedeutung des Umweltschutzes als wesentliches Ziel der Gemeinschaft hervorhob, ungeachtet fehlender vertraglicher Grundlagen
wichtige Rolle auch bei der Implementation und Umsetzung europäischer
Rechtsakte in den Mitgliedstaaten
5.5. Europäische Umweltagentur
eingerichtet 1994
wesentliche Aufgabe: Sammlung und Aufbereitung von Informationen über den Zustand der Umwelt in der Gemeinschaft
5.6. Interessenverbände
bedeutender Einfluss auf den umweltpolitischen Entscheidungsprozess
auf EU-Ebene
wesentliche Ziele der Euroverbände: Information ihrer Mitglieder über die Entwicklungen in Brüssel; Bündelung der Interessen ihrer Mitglieder; Vertretung dieser Interessen gegenüber den Institutionen im Prozess der Politikformulierung
wesentliche Anlaufstelle: Kommission; in der Kommission: GD Umwelt
bei der Umweltpolitik: Überrepräsentation ökonomischer Interessen (Wirtschaftsverbände sind zahlenmäßig, personell und finanziell besser ausgestattet und damit durchsetzungsfähiger)
finanzielle Unterstützung durch die Kommission, um deren strukturelle Unterlegenheit aufzufangen (Kritik: Verbände sind abhängig von der Kommission)
Umweltinteressen grundsätzlich schwerer organisierbar als
Wirtschaftsinteressen
Beispiele: Europäisches Umweltbüro (EUB) als umfassendste Interessenorganisation im Umweltbereich; Friends of the Earth; Greenpeace; World Wildlife Fund for Nature
6. Probleme der europäischen Umweltpolitik
Einschränkungen der gemeinschaftlichen Umweltpolitik (Art. 174 Abs.3):Berücksichtigung von Stand von Wissenschaft und Technik
der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Gemeinschaft und der Regionen
Kosten und Nutzen der jeweiligen Maßnahmen bzw. ihrer Unterlassung
nationale Fehleinschätzung der Konsequenzen europäischer Regulierung(z.B. Großbritannien hatte europäische Richtlinien über strenge
Qualitätsstandards für Trinkwasser in der Annahme akzeptiert, dass die dort festgelegten Grenzwerte lediglich im Sinne unverbindlicher Empfehlungen und weniger als rechtlich verbindliche Vorgaben zu interpretieren sind)
Zuständigkeit viele der größeren Generaldirektionen (z.B. Industrie oder Landwirtschaft) haben eigene Umweltabteilungen, die sich nicht mit der GD Umwelt koordinieren Integrationsprinzip wird von diesen GDs dahin umgedeutet, dass sie
eigene Belange stärker in die Politik der GD Umwelt einbringen anstatt umgekehrt
relativ schwache Position der GD Umwelt innerhalb der Kommission (verfügt
über vergleichsweise geringe personelle und finanzielle Ressourcen)
Bedeutungsrückgang von Umweltthemen sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene (Ursachen u.a.: Problem hoher Arbeitslosigkeit, verstärkter Wettbewerb im Zuge der weltweiten Marktliberalisierung)
umweltpolitisches Subsidiaritätsprinzip (Art. 174 Abs.4) Gemeinschaft darf im Umweltbereich nur dann tätig werden, wenn die „Ziele besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können als auf der Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten“
Durchführung der beschlossenen Maßnahmen auf nationaler Ebene
Bedeutende Veränderungen in Umweltsteuereinnahmen in vielen Mitgliedsstaaten
zwischen 2000 und 2001
Bibliographie
Knill, Christoph 2003: Europäische Umweltpolitik. Steuerungsprobleme und Regulierungsmuster im Mehrebenensystem, Opladen
http://europa.eu.int/pol/env/index_de.htm
http://www.bpb.de/themen/06P72V,0,0,Umweltpolitik.html
http://www.bund.net/lab/reddot2/eu_umweltpolitik.htm
http://www.jahrbuch-oekologie.de/Hey2005.pdf
http://www.fotosearch.de/creatas/umweltschutz/CRT164/
Alle Internetadressen: Stand Juni 2005