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Die Definition der Situation
Ariane Basler, Tobias Krauss, Nora Steimer
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Ablauf des Referats
1. Einleitung
2. Blumer: Symbolischer Interaktionismus
3. Schütz / Luckmann: Typik und Relevanzen
4. Haupttext / Pendry: Soziale Kategorien und Stereotype
5. Vergleich der drei Perspektiven
6. Fazit: Die Definition der Situation
7. Diskussion
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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2. Herbert Blumer
1900 – 1987
US-Amerikaner
1928: Doktor in Soziologie an der University of Chicago, Schüler von H. A. Mead
Professor an verschiedenen US-amerikanischen Universitäten
1941-1952: Herausgeber des American Journal of Sociology
1956: Wahl zum Präsidenten der American Sociological Association
Begründer des Symbolischen Interaktionismus
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Das Thomas-Theorem
„Wenn Menschen Situationen als real definieren, so
haben sie reale Konsequenzen.“
Die Definition einer Situation führt zu einer
Interpretation dieser und lässt Menschen nach
dieser Sichtweise handeln.
Auch Fehlinterpretationen werden so zur
Wirklichkeit.
Beispiel: Studie mit Lehrern und Schulkindern
Durchbrechen des Kreises
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Herbert Blumer
Symbolischer Interaktionismus eine soziale Handlungstheorie:
Die Wirklichkeit muss dort betrachtet werden, wo Menschen sich in ihrem Handeln aufeinander beziehen.
Alfred Schütz:
Entscheidend ist, was die soziale Rolle für den Handelnden bedeutet.
Ralph Turner:
Eine Rolle ausüben ist mehr als das ausführen eines Pflichtenhefts. Entscheidend ist die Interpretation der Rolle.
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Die drei Prämissen des symbolischen
Interaktionismus
1. "Menschen [handeln] 'Dingen' gegenüber auf
der Grundlage der Bedeutungen [...], die diese
Dinge für sie besitzen.“
Auch soziale Gebilde werden im Alltag als
Dinge aufgefasst.
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Die drei Prämissen des symbolischen
Interaktionismus
2. "Die Bedeutung solcher Dinge [ist] aus der sozialen
Interaktion, die man mit seinen Mitmenschen
eingeht, abgeleitet oder [...] entsteht [aus ihr].„
Bedeutungen als soziale Produkte
Bedeutungen sind Schöpfungen, die durch die
definierenden Aktivitäten miteinander
interagierender Personen hervorgebracht werden
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Die drei Prämissen des symbolischen
Interaktionismus
3. "Diese Bedeutungen [werden] in einem
interpretativen Prozess, den die Person in ihrer
Auseinandersetzung mit den ihr begegnenden
Dingen benutzt, gehandhabt und abgeändert."
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Grundideen des symbolischen
Interaktionismus
Soziale Gebilde bestehen nur, indem sie gelebt
werden. Sie tauchen durch soziale Interaktionen auf
und verschwinden wieder.
Wir Soziologen können Handeln nur untersuchen, wo
Gesellschaft stattfindet; im Handeln selbst.
Soziale Interaktion ist ein Prozess, der menschliches
Verhalten formt
Symbolische und nicht-symbolische Interaktion
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Grundideen des symbolischen
Interaktionismus
Die Beschaffenheit von Objekten
Es gibt physikalische (Stuhl, Haus etc.), soziale (Personen,
Gruppen etc.) und abstrakte (Prinzipien, Ideologien, Sinngebilde
etc.) Objekte.
Der Mensch kann Gegenstand seiner eigenen Handlung sein
Selbst-Objekt sich von aussen betrachten
Personen sind das Produkt von Interaktionsprozessen Identität
Rollenübernahme: Ich muss mich in andere hineinversetzen
können, um zu verstehen
Role-Taking Mead
Die Verkettung von Handlungen: Handlungslinien
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Bezug zu Kategorien/ Stereotypen
Erleichterung, da wir auch gewisse Reaktionen
erwarten können.
Zuordnung von Kategorien/ Stereotypen zu
Individuen erfolgt immer in einem Interaktions-
prozess.
Unsicherheit in der Definition der Situation
Schütz / Luckmann
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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3. Alfred Schütz / Thomas Luckmann:
Strukturen der Lebenswelt
Phänomenologische Soziologie
Kapitel III: Das Wissen von der Lebenswelt
Wissensvorrat, Relevanz und Typik
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Das Beispiel von Carneades
Mann betritt schlecht beleuchtetes Zimmer –
Gegenstand in der Ecke: Seilknäuel oder Schlange?
Fragen: Warum interessiert den Mann gerade dieser Gegenstand?
Wie kommt er gerade auf die zwei Möglichkeiten Seilknäuel und Schlange?
Drei Arten von Relevanz (aber eng verflochten): Thematische Relevanz
Interpretationsrelevanz
Motivationsrelevanz
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Thematische Relevanz
Auferlegte thematische Relevanz:
Ein Erfahrungsgegenstand erzwingt unsere
Aufmerksamkeit.
Der Mann betritt sein eigenes Zimmer.
Bruch in den automatischen Erwartungen
Motivierte thematische Relevanz:
Wir wenden uns von uns aus einem
Erfahrungsgegenstand zu.
Der Mann betritt ein ihm unbekanntes Zimmer.
Wahrnehmen von A-Typischem
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Typik
Typen / Kategorien sind Elemente im Wissensvorrat.
Sie ermöglichen es, neue Erfahrungsgegenstände mit
früheren in Verbindung zu bringen.
Wir erfassen neue Erfahrungsgegenstände immer und
automatisch in Typen.
In vielen Fällen genügt der Typ zur Bewältigung der
Situation.
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Typik
Typen entstehen durch die Sedimentierung von
Erfahrungen im Wissensvorrat.
Sie sind wandelbar.
Erweisen sie sich immer wieder als adäquat, werden
sie mehr und mehr fixiert und automatisiert.
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Interpretationsrelevanz
„Auferlegte“ Interpretationsrelevanz
Routinemässige Deckung zwischen
Erfahrungsgegenstand und Typen
„Interpretation“ erfolgt automatisch, unbewusst
„Motivierte“ Interpretationsrelevanz
Keine zur Bewältigung der Situation hinreichende
Deckung zwischen Erfahrungsgegenstand und Typen
Bewusste Problemauslegung
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Motivationsrelevanz
Motivation im Um-zu-Zusammenhang
Handlungsentwurf
Je nach Interpretation des Erfahrungsgegenstandes
handeln wir so oder anders
Motivation im Weil-Zusammenhang
Biographische Bedingtheit
Zu gewissen möglichen Interpretationen des
Gegenstandes haben wir gewisse Einstellungen
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Zwei Formen des A-Typischen
Kein Typ für den Erfahrungsgegenstand im
Wissensvorrat vorhanden
Zwar ein Typ vorhanden, doch zeigt der Gegenstand
Eigenschaften, die in Bezug auf diesen Typ
a-typisch sind. Drei Möglichkeiten:
Typ wird um diese Eigenschaften angereichert
Typ wird verändert (z. B. Schaffung eines Untertyps)
Gegenstand wird einem anderen Typ zugeordnet
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Parallelen zur sozialen Kognition
Personenwahrnehmung in sozialen Kategorien
Automatische Aktivierung und Anwendung einer Kategorie
Erwartungen bezüglich Kategorien: Erwartungen über die Kategorienzugehörigkeit einer
Person (Bsp. Zahnärztin)
Erwartungen über die Eigenschaften, Verhaltensweisen etc. einer Person, die wir in bestimmten Kategorien wahrnehmen
Inkonsistenzauflösung
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4. Einleitung: Soziale Kognitionen und
Stereotype
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
Haupttext: Macrae, C. M & Bodenhausen, G. V.
(2000). Social Cognition: Thinking Categorically
about Others
Ein kurzer Film …
Stereotype über Soziologen.m4v
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Soziale Kognitionen und Stereotype
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
Rezipienten vereinfachen und rationalisieren ihren Wahrnehmungs- & Informationsverarbeitungsprozess
Durch die Aktivierung und Umsetzung von kategorialen Repräsentationen (Welt wird zu einem geordneten, vorhersehbaren und kontrollierbaren Ort)
„Kategorie“ = Gesamtheit der Informationen, welche ein Rezipient über spezifische Klassen von Individuen hat (Macrae & Bodenhausen, 2000)
Werden kategoriale Repräsentationen ausgelöst, werden es auch die assoziierten kognitiven Inhalte
Menschen sind unfähig diese Assoziationen zu verhindern
→ kategoriale Aktivierung, als unkonditionierter automatischer
mentaler Prozess
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Determinanten der kategorialen
Aktivierung
Bedingt: Verfügbarkeit von Aufmerksamkeitsressourcen
Regulation von kategorialer Aktivierung hängt von 2 Faktoren ab:
1.temporäres Verarbeitungsziel: Soziale Bedeutung muss für Rezipienten relevant sein. Zielzustände können die kategoriale Aktivierung verhindern oder fördern. → Zielabhängigkeit!
2.Generelle Einstellung gegenüber der fraglichen Kategorie:Voreingenommene und unvoreingenommene Menschen sind auf dem Level automatischer kognitiver Operationen differenzierbar. Unterscheiden sich auch im Gedächtnismaterial über stigmatisierte Gruppen
→ kategoriale Aktivierung ist der Kontrolle manchmal zugänglich
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Kategoriale Selektion
wird durch Operationen von tief-leveligen inhibitorischen Prozessen ermöglicht
Wenn ein Rezipient auf ein multiple kategorisierbares Ziel trifft, werden alle anwendbaren Kategorien parallel aktiviert und ein Wettbewerb um die mentale Dominanz resultiert.
Vorteile für bestimmte Kategorien durch: Salienz, chronische Zugänglichkeit und Zielrelevanz.
Damit kategoriale Repräsentationen einen funktionalen, sozialen Wert zur Gestaltung des eigenen Lebens haben, müssen sie jedoch aktiviert UND gebraucht werden
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Anwendungsformen von kategorialen
Repräsentationen
Primäre Funktion: gibt dem Rezipienten Erwartungen, welche dann den Informationsverarbeitungsprozess steuern
1. Aktivierte Wissensstrukturen können zur Verarbeitung zielrelevanter Informationen herangezogen werden. Bilden einen Rahmen für die Assimilation und Integration von erwartungskonsistenten Infos. → stärkere Auseinandersetzung mit stereotyp-konsistenten Infos
(als ohne kA)
2. Inhalt der aktivierten Wissensstruktur kann gebraucht werden, um Evaluationen und Impressionen des Ziels/ der Person herzuleiten. → Erwartungen sensibilisieren für Unerwartetes→ stärkere Auseinandersetzung mit stereotyp-inkonsistenten Infos.
Widersprechen die verfügbaren Infos dem Stereotyp nicht klar → assimilativer Bias: stärker stereotypische Reaktionen als
ohne kategoriale Aktivierung
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Determinanten, welche bestimmen ob der kategorialen
Aktivierung stereotype, verzerrte Reaktionen folgen
Kein Bewusstsein des Einflusses von Stereotypen auf das Verhalten
Keine Motivation, Zeit oder kog. Kapazität wirklich nachzudenken
Objektive/ subjektive Antwortskala:
Objektive Entscheidungen werden in kategoriale Erwartungen
integriert. Subjektive Entscheidungen werden gegen Erwartungen
abgewogen.
Assimilations-/Kontrasteffekte:
AE: wenn abstrakte kategoriale Assoziationen aktiviert werden.
KE: wenn Kategorie einer spezifischen Repräsentation von
spezifischen Kategorienmitglieder aktiviert wird.
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Funktionen von kategorialem Denken
„Encoding Flexibility Model“ (Sherman et al.,1998):
→ schnelles Erzeugen von Schlussfolgerungen und effiziente Entwicklung von (limitierten) Verarbeitungsressourcen
„Mismatch Theory“ (Johnston & Hawley, 1994):
→ beachten von potentiell wichtigen Infos
„Social Judgeability Approach“ (Yzerbyt et al. 1997):
→ erfüllt selbstschützende Funktionen
„Entity Theory of human Natur“ (Levy et al.,1998):
→ kategoriales Wissen als Basis für soziale Vergleiche
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Anwendung kategorialen Denkens im
Verhaltensbereich
Ursprung von komplexem Verhalten liegt oft in unbewussten und
unzugänglichen Hirnbereichen (≠ Alltagsvorstellung)
Sind kog. Repräsentationen aktiviert, können Verhaltenstendenzen
das soziale Verhalten in autonomer Art und Weise beeinflussen
(Bewusstsein spielt keine Rolle)
Die Wahrnehmung kann dann also direkt zu Verhalten führen
Meistens sind verschiedene Verhaltensschemata gleichzeitig
aktiviert und konkurrieren um die Handlungskontrolle (Hinweise aus:
Umwelt und innerpsychologischen Zuständen)
Welche Handlung dann ausgeführt wird oder nicht, hängt von der
relativen Stärke der aktivierten Schemata ab
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Kategoriale Hemmung
Voraussetzung: Bewusstsein des Einflusses von
Stereotypen, genügend kog. Ressourcen und
Motivation
Verschiedene regulatorische Prozesse:
1. Direkte Anpassung von sozialen Entscheiden in der entgegen gesetzten Richtung der (mutmasslichen) Verzerrung
2. Aktives Unterdrücken von stereotypischen Erinnerungen und Gedanken
a. „Monitoring Process“ b. „Operating Process“
→ kann zu Hyperzugänglichkeit führen:
bei hoher kog. Auslastung, Zeitdruck & Fehlen von Motivation, kann die Hyperzugänglichkeit im „operating Process“ nicht kontrolliert werden
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Rebound-Effekt (Bumerang): Explizite Instruktionen Stereotypen zu unterdrücken, erhöht deren Zugänglichkeit und stärkere Stereotypisierungen resultieren
Gilt jedoch nur für Personen mit starken Vorurteilen Kann zu diskriminierenden Handlungen führen Hyperzugänglichkeit tritt eher auf, wenn sensible soziale Gruppen
involviert sind (z.B. Afro-Amerikaner, Frauen, Homosexuelle)
Spontane kategoriale Hemmung: Bei Diskrepanz zwischen internalen Standards und tatsächlichem
Verhalten werden (über Feedbackkontrolle) Selbstregulationsversuche unternommen
Was löst die Unterdrückung von Kategorien/ Stereotypen aus?Hinweise, welche dem Stereotyp widersprechende saliente soziale Normen aufzeigen
Kategoriale Hemmungen werden durch folgende Faktoren moderiert: Kontext, Präsenz von Anderen und aktuelle Informationsverarbeitungsziele
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5. Vergleich der drei Perspektiven
Blumer (Symbolischer Interaktionismus)
Fokus auf Interpretation der Situation
Wie die Interpretation genau vor sich geht, bleibt offen
Bezugspunkt zu Kategorien / Stereotypen:
sozialer Ursprung von Stereotypen
Schütz/Luckmann (Phänomenolog. Soziologie)
Fokus auf Bewältigung der Situation
Grosse Bedeutung von Typen / Kategorien
Haupttext / Pendry (Soziale Kognition)
Fokus auf Personenwahrnehmung
Grosse Bedeutung von Kategorien
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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6. Fazit: Die Definition der Situation
Zentrale Rolle von schematischen Wissens-
strukturen (kategorialen mentalen Repräsentationen)
Automatische Prozesse
Automatische Kategorienaktivierung und –anwendung
Automatische Erwartungen
(Teilweise) Kontrollierte Prozesse
Kontrollierte Kategorien(nicht)anwendung
Stereotypunterdrückung
Inkonsistenzauflösung bei nichterfüllten Erwartungen
Zuschreibung von Kategorien und damit verbundene
Erwartungen kommen durch Interaktion zustande.
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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7. Diskussion
Wie kommen wir zu unseren Kategorien /
Stereotypen?
Erkenntnisfortschritt für Soziologie durch Hinzuzug
der psychologischen Theorien?
Mikrosoziologische Theorien - Die Definition der Situation
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Nach Schütz/Luckmann und Blumer entstehen
meine persönlichen Kategorien/ Stereotypen über
die Sedimentierung von Einzelerfahrungen. Sind
aber soziale Kategorien / Stereotype nicht häufig
schon in der Gesellschaft vorhanden, werden in der
Gesellschaft transportiert und werden dann von mir
übernommen?
Erkenntnisfortschritt? Ja. Zeigt im Detail auf, wie die
individuellen Prozesse ablaufen. Muss jedoch für
Soziologie wieder aggregiert werden.
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