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DIE APOLLINARSPIELE ZUR ZEIT DER REPUBLIK Author(s): Franz X. Ryan Source: Aevum, Anno 80, Fasc. 1 (Gennaio-Aprile 2006), pp. 67-104 Published by: Vita e Pensiero – Pubblicazioni dell’Università Cattolica del Sacro Cuore Stable URL: http://www.jstor.org/stable/20861792 . Accessed: 14/06/2014 12:33 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Vita e Pensiero – Pubblicazioni dell’Università Cattolica del Sacro Cuore is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Aevum. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.79.49 on Sat, 14 Jun 2014 12:33:45 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

DIE APOLLINARSPIELE ZUR ZEIT DER REPUBLIK

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DIE APOLLINARSPIELE ZUR ZEIT DER REPUBLIKAuthor(s): Franz X. RyanSource: Aevum, Anno 80, Fasc. 1 (Gennaio-Aprile 2006), pp. 67-104Published by: Vita e Pensiero – Pubblicazioni dell’Università Cattolica del Sacro CuoreStable URL: http://www.jstor.org/stable/20861792 .

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Franz X. Ryan

DIE APOLLINARSPIELE ZUR ZEIT DER REPUBLIK

This essay began as an attempt to localize the scenic games for Apollo. The site is an easy inference

from a notice of Livius, but this conclusion must then be put to the test by a discussion of parallel cases. It quickly became apparent that there are many other questions about the Apolline games which either have not been answered correctly or have never yet been raised. No effort has been

made here to discuss or even merely to cite every reference to the Apolline games in our sources.

The focus remained instead upon problems, but the problems were so legion that the result is a rather

complete account of the Ludi Apollinares of the republican period. Topics treated include the original type of the games, the numismatic evidence for the program of the circus games, the founding by C. Piso in 211 of games in existence from 212, the reason why the people was laureate at the games, the financing of the games, the significance of the choice of the urban praetor as president of the

games, a familial or gentilitial claim after 212-211 to the presidency of the games and hence to the

urban praetorship, the ostensibly tardy or rather the ostensibly precipitate decision to make the games

permanent in 208, the nature of the venatio of the urban praetors, the incidence of munera during the urban praetorship, the significance of the scaena praebenda introduced in 174-173, the obliga tion of members of the political class to attend the games, a new stage in the lengthening of the festival, the exact date of the de Othone of Cicero, the identity of the president of the games in the year 63, and the underlying reason for the opposition to a stone theater in Roma.

Es tiberrascht nicht, da6 das Wort theatrum im Lateinischen die Zuschauermenge bedeuten kann (Cic. Att. 2.19.3: totius theatri clamore), denn bis zum Bau des

Pompeiustheaters war kein rdmisches Theater ein Buhnengeb&ude. Davor war aber ein Theater wenigstens vorubergehend ein Raum, so daB die Quellen selbstver standlich von ihm als einem Ort sprechen, wie in einem Bericht tiber den

Stadtprator L. Caecilius Rufusl: is cum faceret ludos Apollinares, ita infima coacta multitudo annonae caritate tumultuata est ut omnes qui in theatro spectandi causa consederant pellerentur (Asc. 48C). Da die Worte in theatro leicht zu ubersetzen

sind, werden sie nicht hinterfragt. Wenn man feststellt, daB etwas im Theater

geschehen sei, hat man aber tatsachlich so gut wie nichts festgestellt, da man damit noch nicht gesagt hat, wo in der Stadt dieses Theater war. Das temporare Theater mufi namlich nicht stets auf demselben Platz errichtet worden sein; es ware zu beweisen, daB dies der Fall war. Hinter den Worten in theatro konnten sich also mehrere Platze verbergen und zwar solche, die uns auch sonst, aber unter anderen Namen bekannt sind. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Die

Behauptung, die Spiele fur Apollo seien im Zirkus Maximus veranstaltet worden, kann man nicht anhand der Quellen, die von einem Theater sprechen, so ohne weiteres widerlegen, da man u. a. mit der Moglichkeit rechnen muB, daB das

1 Zu seinem Aufgabenbereich v. Vf., The Historicity of Asconius, In Milonianam 48C, ?SIFC?,

13, (1995), 247-48.

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fragliche Theater tatsachlich im Zirkus auf- und schnell wieder abgebaut wurde. Man muB weiter ausholen, um einen Ort als geeignet bzw. nicht geeignet erkennen zu konnen. Die Beschaftigung mit dem Veranstaltungsort irgendwelcher Spiele fuhrt somit zu einer mit dem Programm und den Veranstaltungstagen derselben.

Die Buhne des Jahres 59

Ein gewisser Diphilus, der in Tragodien spielte, machte im Jahre 59 v. Chr. bei den Apollinarspielen von sich reden. Von den Versen, die er vorzutragen hatte, wurden mehrere als Angriffe auf Pompeius verstanden und sie waren so zu

verstehen, denn Cicero schreibt, er sei unverfroren auf Pompeius losgegangen: ludis Apollinaribus Diphilus tragoedus in nostrum Pompeium petulanter invectus est (Cic. Att. 2.19.3). Drei Beispiele sind auf uns gekommen: ?nostra miseria tu es magnus" wurde er gezwungen, tausendmal zu wiederholen (miliens coactus est dicere); bei ?eandem virtutem is tarn veniet tempus cum graviter gemes

" waren

die Zuschauer vollig aus dem Hauschen (totius theatri clamore dixit); bei ?si

neque leges neque mores cogunt" wurden zusatzlich ein paar Stellungnahmen abgegeben (magno cum fremitu et clamore sunt dicta). Mtinzer meinte, Diphilus habe ?die Machtstellung des im Theater anwesenden Cn. Pompeius" ins Visier

genommen2. Verleitet wurde er zu dieser Auffassung durch die Worte des Valerius Maximus: cum Apollinaribus ludis inter actum ad eum versum venisset, in quo haec sententia continetur, miseria nostra magnus est, directis in Pompeium

Magnum manibuspronuntiavit... (Val. Max. 6.2.9). Cicero teilte jedoch mit, Caesar sei beim Betreten des Theaters uberhaupt nicht, Curio fdius seinerseits lebhaft beklatscht worden, was Folgen hatte: tulit Caesar graviter. litterae Capuam ad

Pompeium volare dicebantur (Att. 2.19.3). Pompeius war also weder im Theater noch uberhaupt in Rom, als Diphilus sich selbst ubertraf, und damit sind wir schon bei unserem ersten Problem, wie namlich der Schauspieler zu erkennen gab, daB seine Zeilen auf den verreisten Machthaber zu beziehen waren.

Es ist ohne weiteres moglich, daB Diphilus ein Bildnis oder eine kleinere Statue zum Theater schleppen lieB. Die Reaktion der Zuschauer ware aber umso

heftiger gewesen, als der in der zweiten Person erhobene Vorwurf unerwartet war, was nur zutreffen konnte, wenn etwa eine Statue des Pompeius bereits vorhanden

war, aber erst mit den Worten ? tu es magnus "

ins Auge fiel. Aufgeworfen wird damit die Frage, wo in der Stadt Statuen des Pompeius zu sehen waren. Nach dem Attentat auf Caesar wurde die Statue des Pompeius, die in der nach ihm benannten curia gestanden hatte, gegenuber der Saulenhalle des nach ihm benannten Theaters (Suet. Aug. 31.5: contra theatri eius regiam) aufgestellt. Wir

verfugen jedoch tiber keine Liste der in der Stadt Rom aufgestellten Statuen des

Pompeius. Eine derartige Liste wurde uns bei der Lokalisierung der Buhne sowieso nicht weiterhelfen, es sei denn, daB die Statuen alle in ein und demselben Stadtviertel aufgestellt worden waren. Aber auch dann muBte man fur moglich halten, daB die Buhne in einem ganz anderen Stadtviertel stand und die Statue

eigens auf dieser Buhne aufgestellt worden war.

2 F. Munzer, Diphilus 10, RE, V (1903), 1152.

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DIE APOLLINARSPIELE 69

Die bezeugte Spielstdtte

Der Veranstaltungsort der Apollinarspiele ist zum letzten Mai fur das Jahr 202

belegt (Liv. 30.38.11: pompa... revocata deductaque in circum est). Nach F. Bernsteins Rekonstruktion3 sind die Spiele fur Apollo, die ja zunachst eintagig waren, am Anfang ausschlieBlich ludi scaenici gewesen. Dafur sprache, daB nach den kaiserzeitlichen Festkalendern die ludi circenses nur eintagig, die ludi scaenici aber siebentagig gewesen seien, auBerdem sei schon fur die Spiele in den Jahren 212 und 211 jeweils ein Tanzer belegt. Dagegen wende man nicht ein, daB die

Apollinarspiele zur Zeit des zweiten punischen Krieges im Zirkus Maximus (Liv. 25.12.14, 30.38.10-11) veranstaltet worden seien, denn ?schon die ersten szenischen Aufflihrungen Roms im Jahre 364 wurden dort ausgerichtet"4. Das

hieBe, daB die Apollinarspiele anfangs zwar im Zirkus Maximus gefeiert wurden, streng genommen aber keine circenses waren.

Von den Tanzern C. Volumnius und C. Pomponius horen wir nur in einer

antiquarischen Quelle, die einem Spruch der parasiti Apollinis auf den Grund

geht5. Es sollte uns eigentlich stutzig machen, dafi die Antiquare den Spruch bis in das erste bzw. zweite Jahr der Apollinarspiele zuruckverfolgen konnten: Bezeugt

wird hiermit allenfalls die Annahme der Antiquare, dafi die Spiele fur Apollo von vornherein szenisch bzw. auch szenisch gewesen seien6. Es ist zu betonen, daB

3 F. Bernstein, Ludi publici. Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung der offentlichen Spiele im republikanisehen Rom, Stuttgart 1998, 171-86.

4 Bernstein, Spiele, 183-84.

5 In der kritischen Ausgabe lautet der Spruch ?salva res <est dum cantat> senex" (Fest. 436L). Festus beschrieb C. Pomponius als libertinum mimum magno natu, qui ad tibicinem saltaret (438L), und identiflzierte C. Volumnius als qui ad tibicinem saltarit (438L); man vergleiche Serv. ad Aen.

3.279: omnia secunda, saltat senex. Es begegnet uns hier also kein betagter Sanger bzw. Fldtenspieler, sondern ein betagter Tanzer. Darum und weil ,jaltare... the performances of both Pomponius and

Volumnius" schildere, betrachtete Jory die Erganzung von saltat als unproblematisch; v. EJ. Jory, Associations of Actors in Rome, ?Hermes?, 98 (1970), 237 m. n. 3. Verfuhrt worden zu sein scheint

Lindsay durch den folgenden Satz: itaque gaudio non interruptae religionis editam vocem nunc

quoque celebrari (438L). Nun zu den parasiti Apollinis zahlten offenbar nicht Sehauspieler jeder Art, sondern ?those connected with mime and pantomime performances" (v. Jory, Associations, 238). So etwas wie einen Spruch der pantomimi hat es indes wohl nicht gegeben. Der Spruch der parasiti war also der der mimi. Hier konnen wir erkennen, warum aus antiquarischer Sicht von einer vox die Rede sein mufite: Den Spruch der mimi hatten sie auf einen pantomimus zuruckgefuhrt, darum mufite der alternde pantomimus C. Pomponius als Erster zum mimus aufsteigen. Dafi die Erganzung von cantat trotzdem falsch ist, zeigt nicht erst Servius, sondern schon die beiden Atiologien bei Festus, die einen Tanzer ausfindig und sogar namhaft machen: Dies wurden sie nicht tun, wenn der Spruch auf keinen Tanz aufmerksam gemacht hatte. Es lautete demnach der Spruch ?salva res <est dum saltat> senex".

6 Festus hat Verrius direkt benutzt (Fest. 436L: Verrius in lib. V) und Sinnius Capito tiber ihn konsultiert (438L: at in hoc libro refert Sinni Capitonis verbd). Sinnius hatte C. Volumnius i. J. 212 tanzen lassen. Eine erbarmliche Leistung! Man kann ihm lediglich bescheinigen, dafi er wufite, dafi die Apollinarspiele damals eingerichtet wurden (438L: ludos Apollinares... institutos). Verrius hat die

Entstehung des Spruches urn ein Jahr herabdatiert und die Begebenheit so nicht auf das fruhest

mogliche, sondern auf das erste Jahr gesetzt, in welchem grofies Unheil ausblieb. Verrius ist sichtlich

bestrebt, dem Wort salva Rechnung zu tragen, und damit stellt seine Leistung die des Sinnius in den Schatten. Denn wir wissen, dafi kein geringerer als Hannibal in jenem bewufiten Jahr Anstalten

machte, die Stadt einzunehmen, und wir wissen auch, dafi der Stadtprator in der Tat an der Verteidigung der Stadt beteiligt war (Liv. 26.10.2: C. Calpurnium praetorem urbanum Capitolio atque arci

praeesse). Verrius mufite also die Datierung des Sinnius nur um ein Jahr korrigieren, um einen

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keine der beiden Quellen szenische Spiele in Zusammenhang mit dem Zirkus

bringt: Die eine Quelle schweigt iiber das Programm und gibt als Spielort den Zirkus an, die andere Quelle redet zwar von Tanzern, aber auch von dem Theater.

Die zweite Spielstdtte

Die Tatsache, daB das von Caesar begonnene Marcellus-Theater neben dem Tempel des Apollo errichtet wurde, scheint AufschluB iiber den republikanischen Veranstaltungsort zu geben. Auf diesem Hintergrund wird man der Nachricht, der Zensor M. Lepidus habe im Jahre 179 ein Theater mit Buhne am Tempel des

Apollo in Auftrag gegeben (Liv. 40.51.3: theatrum et proscaenium ad Apollinis... locavit), entnehmen konnen, daB die temporaren Theater, wenn auch nicht im

Tempelbezirk (templum) auf dem freien Platz (area), so doch nicht weit von dem

eigentlichen Tempelgebaude (aedes) errichtet wurden7. Sonst muBte man

annehmen, daB M. Lepidus auch versuchte, die szenischen Spiele fur Apollo zu

Stadtprator zu finden, der tatsachlich in Bedrangnis genet. In der Version des Verrius Calpurnio Pisone praetore urb. faciente ludos, subito ad arma exierint (Fest. 436-438L); cfr. Serv. Aen. 8.110: cum ludi circenses Apollini celebrarentur, et Hannibal nuntiatus esset circa portam Collinam urbi

ingruere, omnes raptis armis concurrerunt. Der Umstand, daB der Beitrag des Calpurnius zur

Verteidigung der Stadt durch den Bericht des Livius bestatigt wird, andert nichts an der Tatsache, daB wir es hier mit einer Kombination zu tun haben, einer Verflechtung historischen Geschehens mit einem dunklen Spruch. Es hulfe nicht weiter, etwa das Wort theatrum in der Nachricht victoresque in theatrum redierint solliciti (43 8L) zu beanstanden und in dem Tanz den Tanz in Waffen zu sehen:

Da schon Q. Fabius Pictor iiber die an der Zirkusprozession beteiligten Waffentanzer, die ubrigens von Flotisten begleitet wurden, berichtet (v. Bernstein, Spiele, 254, 258-60), kann man deren Teilnahme an dem Festzug bereits in den Jahren 212-211 ruhig voraussetzen, diese werden aber wohl kaum ?aus einem peregrinen oder infamierten Personenkreis..., zumal sie schwer bewaffhet waren"

(Bernstein, Spiele, 260), gestammt haben, weshalb die Antiquare den Spruch der parasiti, die im

Gegensatz zu den Techniten nicht frei geboren, sondern Freigelassene waren (v. A. Muller, Die Parasiti Apollinis, ?Philologus? 63 (1904), 346, 360; L. Ziehen, Parasiti Apollinis, RE, XVIII, 1949, 1377), nicht in Zusammenhang mit dem Waffentanz brachten; eine Variante bringt den Tanz in

Zusammenhang mit Kybele und lafit ihn zwar bei auBerplanmaBigen Zirkusspielen stattfinden (Serv. Aen. 3.279: quidam senex statutis ludis circensibus saltavit), dieser Zirkustanzer ist aber offenbar freier Abkunft. Der Annahme, die szenischen Bestandteile der Apollinarspiele seien so alt wie die

Spiele selbst, war nicht erst Verrius, sondern schon Sinnius. Verrius bekam im wesentlichen das

uberliefert, was wir auch uberliefert bekommen, namlich die bestandene Mutprobe des C. Calpurnius und den dunklen Spruch. Die eigene Zutat war die Synchronisierung der Apollinarspiele mit Hannibals Marsch auf Rom. Dabei berucksichtigte er jedoch nicht, daB, erstens, die Spiele damals eintagig waren, was den Zusammenfall der Ereignisse fast unmoglich macht, zweitens, sie damals noch auf keinen Tag festgelegt worden waren, was die Verschiebung derselben hatte erleichtern mtissen. Wenn man ferner bedenkt, daB die Romer durch Hannibal uberhaupt nicht uberrascht wurden, dieser ja eher einen Schein- als einen Uberraschungsangriff auf Rom unternahm (so W. Huss, Geschichte der

Karthager, Munchen 1985, 371-72), einen Angriff also, den die Romer kommen sehen sollten, erkennt

man, daB die Spiele, die an keinem besonderen Tage stattfanden, ggf. verschoben worden waren. DaB die Karthager die Apollinarspiele d. J. 211 tatsachlich unterbrachen, ist daher schlichtweg ein

Ding der Unmoglichkeit. 7 Bernstein, Spiele, 291 mit n. 357, schrieb in seinem Text, daB ?die szenischen Veranstaltungen

entweder auf kurzfristig errichteten Holzbuhnen im Circus Maximus (und im Circus Flaminius fur die ludi plebeiil) oder unmittelbar vor dem Heiligtum der zu ehrenden Gottheit stattfanden", blieb aber in seiner Anmerkung bei dem, was explizit bezeugt ist, namlich dem Circus Maximus als dem

einzigen Ort der Apollinarspiele. Offenbar sind Spiele ante templum (Cic. Har. 24) tatsachlich nur

fur die Megalenses explizit belegt; cfr. Bernstein, Spiele, 203.

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verlegen. Das Theater, das die Zensoren von 154-153 errichten wollten und offenbar fur die Megalenses gedacht war, hatte den Veranstaltungsort nicht verlegt, wurde aber trotzdem durch einen SenatsbeschluB im Keim erstickt8.

Der Veranstaltungsort der ludi Megalenses

Der Veranstaltungsort der szenischen Spiele fur Apollo lafit sich auch iiber die

Fruhgeschichte der Spiele fur die GroBe Gottermutter ermitteln. Bei diesen fanden zwar in der Kaiserzeit am 10. April Zirkusspiele statt, aber ?man wird...die vorkai serzeitlichen ludi Megalenses als szenische Spiele ansehen miissen, denn die

gesamte Uberlieferung fur die republikanische Zeit steht damit in Zusammenhang9". Die Vorfahren hatten sich nach Cicero nicht ohne nachzudenken auf eine Spielstatte festgelegt: nam quid ego de illis ludis loquar quos in Palatio nostri maiores ante

templum in ipso Matris Magnae conspectu Megalesibus fieri celebrarique voluerunt? (Cic. Har. 24). Ein Blick auf einen Stadtplan lehrt, daB der Zirkus

Maximus selbst in ipso Matris Magnae conspectu war, man brauchte also gar nicht, die Spiele aus diesem Grund in Palatio auszurichten. War man also bestrebt, die Spiele im Blickfeld der Gottermutter zu geben, und gab man sie dessen

ungeachtet nicht in der existierenden Spielstatte, dem Zirkus Maximus, so wurden die Dramen zum fraglichen Zeitpunkt nicht mehr im Zirkus aufgefuhrt. Es erhebt sich an dieser Stelle die Frage, um welchen Zeitpunkt es hier geht. Cicero (Har 24) war offenbar der Meinung, daB die Spiele fur die GroBe Gottermutter schon im Jahre 194 veranstaltet worden seien und damals nicht zum ersten Mai10,

wahrend Bernstein die ersten alljahrlichen ludi publici fur die Gottermutter auf das Jahr 191 setzte, als M. Iunius Brutus, der Stadt- und Fremdenprator des Jahres, die aedes derselben weihte11. Es sei uns damit gelungen, so konnte man einwenden, allenfalls den Beweis zu fuhren, daB die Spielgeber in den 190er Jahren dramati sche Darbietungen nicht mehr im Zirkus hatten veranstalten durfen. Mit einiger

Wahrscheinlichkeit kann man aber dieses Ergebnis auf die Zeit vor 202, als die

Apollinarspiele circo inundato (Liv. 30.38.10) verlegt wurden, ubertragen. Da der Bau der aedes im Jahre 204 veranlaBt worden war (Liv. 29.37.2), so wird man annehmen miissen, daB sie erst im Jahre 191 geweiht wurde, weil es erst dann so weit war12, was auch die Wortwahl des Livius nahelegt: locaverant aedem

8 Cfr. Bernstein, Spiele, 295-97.

9 Bernstein, Spiele, 202. 10 Cicero wollte die Neuordnung der Sitzplatze bei dramatischen Auffuhrungen genau datieren,

eine sehr verzwickte Angelegenheit. Szenische Spiele fur Mater Magna lafit Livius sowohl unter dem Jahre 194 als auch unter dem Jahre 191 zum ersten Mai feiern; v. Bernstein, Spiele, 193.

11 Bernstein, Spiele, 195.

12 Bernstein, Spiele, 195-99, stellte zwar die These auf, die Weihung des Tempels und die

Einfuhrung der Spiele stunden ?wohl mit den Ereignissen des Krieges gegen Antiochos III. von Syrien in Zusammenhang" (Spiele, 195), es ist uns aber nicht ersichtlich, warum Kybele, die

Schutzgottin der trojanischen Vorfahren der Romer, in Verbindung mit Antiochos III. im Besonderen zu bringen ware. Mit Verweis auf Livius stellte F. Coarelli hinsichtlich der aedes Iuventatis die ahnliche Behauptung auf, ?la dedica fu determinata dall'imminenza della guerra contro Antioco III"

(Lex. Topogr. Urb. Rom. 3.163), Livius liefi jedoch den bevorstehenden Krieg nur auf die

Gewissenhaftigkeit oder Einstellung der Romer einwirken (Liv. 36.36.7: et eo omnia cum maiore

religione facta, quod novum cum Antiocho instabat bellum).

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faciendam ex senatus consulto M. Livius C. Claudius censores M Cornelio P.

Sempronio consulibus; tredecim annis postquam locata erat, dedicavit earn M. Iunius Brutus (Liv. 36.36.4). Wenn man sich fragt, warum keine szenischen Spiele in der Zeit zwischen 203 und 192 veranstaltet wurden, drangt sich der Gedanke

auf, daB die Spiele nicht gegeben wurden, weil der Tempel noch im Bau bzw. nicht geweiht war. Ein Tempel setzte freilich keine Spiele voraus, szenische

Auffuhrungen scheinen aber einen Tempel vorausgesetzt zu haben, so daB sie nicht einmal da, wo der Tempel noch fehlte, im Zirkus Maximus ausgerichtet wurden. Trifft diese Folgerung zu, war schon im Jahre 203 nach Vorstellung der Romer der Zirkus Maximus fur dramatische Darbietungen nicht geeignet, also ein Jahr fruher als das letzte Jahr, fur welches der Zirkus Maximus als Veranstaltungsort der Apollinarspiele belegt ist.

Unsren Befund erhartet die Erzahlung von der Ankunft der Gottermutter in Rom. Der heilige Stein wurde- zeitweilig im Tempel der Siegesgottin unterge bracht: in aedem Victoriae quae est in Palatio pertulere deam (Liv. 29.14.14). Es fanden bereits im Jahre 204 anlaBlich der Einholungsfeierlichkeiten Spiele statt, und zwar offenbar auf dem Palatin: populus frequens dona deae in Palatium tulit,

lectisterniumque et ludi fuere, Megalesia appellata (Liv. 29.14.14). Unter ludi muB man nicht unbedingt ein Theaterstuck verstehen, denn es wurde vielleicht nur gesungen oder musiziert (cfr. Cic. Leg. 2.38: cavea cantui vacet et fidibus et

tibiis) sowie zur Flote getanzt13. Musik werden wohl auf jeden Fall die Galli, die

phrygischen Priester des Kults14, gespielt haben (cfr. Varro Sat. Men. frg. 149A: iens domum praeter matris deum aedem exaudio cymbalorum sonitum). Keinesfalls

wird man den szenischen Charakter dieser Spiele leugnen konnen: Das hieBe, die

Behauptung aufzustellen, zu jener Zeit habe man nicht nur dramatische

Darbietungen im Zirkus Maximus (wie Bernstein meint), sondern auch zirkensi sche Darbietungen auf dem Palatin veranstaltet, was denn doch abwegig ware. Da haben wir also einen schlagenden Beweis, daB schon im Jahre 204 szenische Spiele nicht mehr im Zirkus, sondern da, wo die Gottheit prasent war, veranstaltet wurden.

Der Veranstaltungsort der ludi Iuventatis

Die szenischen Spiele ftir Iuventas, die doch im Zirkus veranstaltet worden sein

konnten, bilden insofern keine Ausnahme, als auch die aedes der Iuventas in circo maximo war (Liv. 36.36.5). Mit Verweis auf Cicero und Livius stellte Coarelli

fest, bei der Einweihung des Tempels im Jahre 191 ?vennero introdotti dei ludi

Iuventatis, comprendenti spettacoli teatrali"15. Hier muB man aufpassen. Cicero

(Brut. 73) spricht von den im Jahre 197 ausgerichteten ludis Iuventatis, quos Salinator Senensi proelio voverat, Livius (36.36.6-7) seinerseits iiber die

Einweihung der von M. Livius gelobten aedes im Jahre 191 und die huius... dedicandae causa ludifacti. Cicero erwahnt also Votivspiele, wahrend Livius iiber

13 Cfr. Bernstein, Spiele, 127: ?Man wird bestimmt seit jeher getanzt, gesungen und musiziert

haben." 14 Zu ihnen V. Bernstein, Spiele, 189-90.

15 F. Coarelli, Iuventas, aedes, in Lex. Topogr. Urb. Rom. 3, Roma 1996, 163.

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Dedikationsspiele berichtet16. Es handelt sich in beiden Jahren um ein einmaliges Ereignis; es wurden mithin zur Zeit der Republik vielleicht nur zweimal ludi luventatis ausgerichtet. Bei weder Cicero noch Livius wird der Veranstaltungsort der jeweiligen Spiele angegeben, Livius schweigt zudem iiber das Programm, aber Cicero erwahnt ein Buhnenstuck (Brut. 73: docuisse... fabulam... ludis luventatis). Man darf hier schon feststellen, daB szenische Auffuhrungen bei den ludi

luventatis, wo immer sie denn veranstaltet wurden, nur einmal bezeugt sind. Zweifelsfrei bezeugt sind sie aber nicht, denn die einzige uns bekannte Auffiihrung ist ein Riesenfehler des Accius (Brut. 73: in quo tantus error Acci fuit), der damit Livius Andronicus 43 Jahre zu spat ein Stuck zum ersten Mai auffuhren lieB11. Die Nachricht, welche szenische Spiele bei den ludi luventatis bezeugt, ist also ohne Wert. Es liegt nahe zu vermuten, daB die Dedikationsspiele des Jahres 191 ante templum stattfanden, und das heiBt in diesem konkreten Fall in circo maximo, und daB sie darum Zirkusspiele waren. Wir sind nun oben zu dem (vorlaufigen, s. unten) SchluB gekommen, daB keine ludi scaenici in den 190er Jahren bei den

Megalesia ausgerichtet wurden, weil es noch keine aedes Matris Magnae Idaeae

gab. Man kommt also auf den Gedanken, daB keine ludi scaenici bei den

Votivspielen des Jahres 197 ausgerichtet wurden, da es damals noch keine luventatis aedes gab. Aber die Unwahrscheinlichkeit der scaenici hangt mit diesem

Veranstaltungsort zusammen, und streng genommen wissen wir nicht, wo die

Votivspiele stattfanden. Q. Fulvius Flaccus (Cos. 179) veranstaltete seinerseits in den Jahren 179 und 173 Votiv- und Dedikationsspiele, und obwohl er dem Iupiter Optimus Maximus die Spiele gelobt hatte, hatte er trotzdem zur gleichen Zeit der Fortuna Equestris einen Tempel gelobt18. Eine szenische Auffuhrung bei den sog. ludi luventatis des Jahres 197 ist denkbar, wenn diese vor dem Tempel des Iupiter Optimus Maximus stattfanden. In dem Minervae delubrum dieses Tempels befand sich schlieBlich die aedicula luventatis (Plin. NH 35.108). Was Q. Fulvius

anbelangt, so erfahren wir nichts iiber das Programm oder den Ort seiner

Votivspiele (Liv. 40.45.6: ludi deinde votivi Q. Fulvii consults per dies decem

magno apparatu facti), beides aber fur seine Dedikationsspiele (Liv. 42.10.5: scaenicos ludos per quadriduum, unum diem in circo fecit). Da nun die Zirkusspiele hier nicht circenses, sondern Spiele in circo heiBen, muB man folgern, daB er die betreffenden scaenicos ludos woanders ausrichtete. Kurzum, die Regel, nach welcher am Anfang des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts die Veranstaltung von szenischen Spielen im Zirkus Maximus nicht mehr infrage komme, ist noch durch keine Ausnahme bestatigt worden.

Man kann zumindest vermuten, warum das so war, wie es war. Die

Sitzplatzanlage des Zirkus Maximus haben die Zensoren von 204-203 nicht in

Auftrag gegeben, sondern umgehen miissen: viam e foro bovario ad Veneris circa

foros publicos... locaverunt (Liv. 29.37.2). Die Sitzplatze existierten schon im Jahre 20419 und deren Bau wurde spatestens 208 in Angriff genommen, voraus

16 Cfr. Bernstein, Spiele, 279, der vielleicht hatte unterstreichen sollen, daB ?die zunachst

widerspriichlichen Angaben" nur auf den allerersten Blick es sind, da nicht nur das Jahr, sondern auch der AnlaB jeweils anders ist.

17 Cfr. Bernstein, Spiele, 236 m. n. 46.

18 V. Bernstein, Spiele, 277-78. 19 Anders Bernstein, Spiele, 292, der die Sitzbanke auf die Zensoren von 204-203 zuruckgehen

lafit.

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gesetzt, daB sie durch Zensoren errichtet wurden. Auf den ersten Blick erschwert die Sitzplatzanlage den Versuch, die Veranstaltung szenischer Spiele anderswo nachzuvollziehen. Die Spielgeber muBten so fur temporare Sitzplatzanlagen aufkommen, anstatt die fori publici gratis in Anspruch zu nehmen. Man wird der

Formulierung ad Veneris circa foros publicos entnehmen konnen, daB es moglich war, das Forum Boarium zu verlassen und zum Tempel der Venus Obsequens zu

gelangen, ohne an den fori publici vorbeizugehen. Auf der dem Palatin

zugewandten Seite des Zirkus Maximus waren also - zumindest im Jahre 204 -

keine Sitzgelegenheiten zu finden. Mithin befanden sich die fori publici nur auf der dem Aventin zugewandten Seite der Rennbahn. Der Zuschauerraum war nun wohl eher breit als tief, so daB moglichst viele Zuschauer entlang der Gerade sitzen konnten. Vor einer Biihne muBte indes der Zuschauerraum schmaler sein und weiter nach hinten reichen.

Die Identifizierung und Datierung der ersten ludi Megalenses

Fur die Frage nach dem Veranstaltungsort ist es nicht wesentlich, ob die ludi

publici fur die Gottermutter schon vor dem Jahre 194, genau im Jahre 194 oder erst im Jahre 191 eingefuhrt wurden. Setzen wir einmal voraus -

entgegen der Annahme Bernsteins -, daB die Spiele des Jahres 191 Dedikationsspiele, die offent lichen Spiele aber ihrerseits alter waren. Wir muBten trotzdem annehmen, daB sie,

wie schon die Spiele bei den Einholungsfeierlichkeiten, auf dem Palatin veranstaltet

wurden, weil dort der heilige Stein vorhanden war. Zur Friihgeschichte der Spiele fur die Gottermutter ist nachzutragen, daB Livius wohl weder mit der Datierung der ersten szenischen Spiele auf das Jahr 194 (Liv. 34.54.3: Megalesia ludos scaenicos <A> Atilius Serranus, L. Scribonius Libo aediles curules primi fecerunt) noch mit der abweichenden Datierung auf das Jahr 191 (Liv. 36.36.4: dedicavit earn M. Iunius Brutus, ludique ob dedicationem eius facti, quos primos scaenicos

fuisse Antias Valerius est auctor, Megalesia appellatos), fur welches er die kuruli schen Adilen nicht bezeugt, richtig lag. Wir wissen etwa, daB ein Festschmaus ab dem Jahr 204 gehalten wurde (cfr. Cic. Sen. 45, eine dem alteren Cato in den

Mund gelegte Aussage: sodalitates... me quaestore constitutae sunt sacris Idaeis

Magnae Matris acceptis). Es ist nicht wahrscheinlich, daB kein Amtstrager Aufsicht tiber die Kultgenossenschaften hatte, und es ist wahrscheinlich - trotz des im Jahre 161 gewagten Versuches, den Aufwand zu beschranken, und des damit verquickten

Eides apud consules (Gell. 2.24.2) -, daB die Aufsicht von den Magistraten, die

spater die Ausrichtung der Spiele ubernahmen, gefiihrt wurde. Waren nun die kurulischen Adilen schon im Jahre 204 fur die sodalitates zustandig, dann waren

moglicherweise sie es, die die Spiele gaben (Liv. 29.14.14: ludi fuere), die, wie aus dem Veranstaltungsort (Liv. 29.14.14: in Palatio) zu ersehen ist, szenisch

gewesen sein mussen und fur welche Livius keinen Spielgeber bezeugt. Die kuruli schen Adilen, die als die Ersten Megalesia ludi scaenici feierten, waren also die des Jahres 204, deren Namen auBerhalb der Erzahlung von der Ankunft der GroBen

Mutter in die Geschichte eingegangen sind: quadrigae aureae eo anno in Capitolio positae ab aedilibus curulibus C. Livio et M. Servilio Gemino, et ludi Romani per biduum instaurati (Liv. 29.38.8). Der Vergleich mit den Notizen zum unmittelbar

vorangehenden (Liv. 29.11.12: ludi Romani ter... instaurati) und zum folgenden

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DIE APOLLINARSPIELE 75

Jahre (Liv. 30.26.11: ludi Romani diem unum... instaurati) lehrt, daB die fragliche annalistische Quelle des Livius den Ausnahmefall, die einzigen Spiele fur die GroBe Mutter in der Zeit vor der Dedikation des Tempels bzw. der Einfuhrung der Jahresspiele, tibersehen haben wird.

Wenn die Uberlieferung liickenlos ware, wtirden wir wohl erfahren, daB mehr Familien jeweils mit den ersten Spielen prahlten, als es Spielgeber gegeben hatte. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, daB L. Cornelius Sulla, der sich nach einer Zuriickweisung erneut um die Pratur bewarb, beim zweiten Versuch -

vielleicht als erster und einziger in der Geschichte Roms - fur die Stadtpratur kandidierte und sich dabei auf seinen Vorfahren berief (cfr. Liv. 27.23.5: ludi

Apollinares... a P. Cornelio Sulla praetore urbano primum facti erant)20. Diese

Spiele fanden dann zwar jedes Jahr wieder statt, waren aber nur quasi obligato risch, weil kein Gesetz die Ausrichtung notig machte, sondern das Gelubde des

Spielgebers. Die jahrliche Durchfuhrung der Spiele fur Apollo soil der Seher Marcus selbst lediglich als einen Ratschlag beschrieben haben (Liv. 25.12.9:

Apollini vovendos censeo ludos, qui quotannis comiter Apollini fiant), falls man

wenigstens dem Inhalt der Spruche Glauben schenken mochte21. Wenn aber einer der Licinii Vari das Munzmeisteramt bekleidet hatte, wtirden wir wohl die Worte PREIMVS FECIT auf seinen Mtinzen sehen, denn sein Vorfahr war immerhin der

Erste, der die ab dem Jahr 208 in statam diem zu lobenden Spiele so lobte und an jenem Tage die Jahresspiele veranstaltete (Liv. 27.23.7: ipse primus ita vovit,

fecitque ante diem tertium <Idus> Quinctiles). Offenbar gelobten die Stadtpratoren der Jahre 212-209 die Spiele, die sie selbst dann durchfuhrten. Nachdem sie das Gelubde jeweils eingelost hatten, war kein Gelubde mehr da. In dieser Hinsicht war das damalige Gelubde eines in unum annum (Liv. 27.23.5), also noch keines in perpetuum (Liv. 27.23.7)22. Weil die Spiele zunachst auch die... incerta (Liv. 27.23.5) stattfanden, pflegten die Spielgeber wohl nicht, sie lange im voraus zu

geloben. Der Stadtprator des Jahres 208, P. Licinius Varus, wird aller Wahrscheinlichkeit nach seine Spiele nicht gelobt haben, weil das Gesetz ihm

dazwischengekommen war. Moglicherweise aber schrieb das Gesetz vor, er miisse die Spiele des laufenden Jahres geloben; wenn ja, war er der letzte Stadtprator, der die eigenen Spiele gelobte. Es ist aber gut moglich, daB er gemaB dem Gesetz die Spiele durchfuhrte und so als der einzige Stadtprator in der Geschichte Roms

Spiele fur Apollo hielt, die von niemandem gelobt worden waren. Der Stadtprator des Jahres 208 war auf jeden Fall der Erste, der die Spiele gelobte, die sein

Nachfolger durchzufuhren hatte23. Es ware nicht verwunderlich, wenn dies der

20 V. Vf., The Second Praetorian Campaign of Sulla (Plut. Sull. 5.1-4), ?Maia?, 47 (1995), 402. 21 Anders, jedenfalls was diese Einzelheit anbelangt, und wohl zu Recht Bernstein, Spiele, 111

n. 336: ?Verdachtig ist... die Bestimmung des Marcius, die Spiele sollten schon quotannis... veranstaltet werden. Diese Forderung nimmt die Praxis der folgenden Jahre vorweg". 22

Da der Ausdruck in alterum annum ?auf das nachste Jahr" heifit (v. Cic. ad Brut. 1.14.1), konnte man wohl in unum annum ?fur das laufende Jahr" wiedergeben. 23

Bernstein, Spiele, 179, war anderer Auffassung. Er schrieb: ?DaB schon im Jahre 211 eine

jahrliche Gelobung festgelegt wurde, ist unwahrscheinlich". Er meinte aber auch, da!3 i. J. 211 ?von neuem ein Gelubde fur das nachste Jahr ausgesprochen wurde," daB also bereits i. J. 212 P. Sulla

?fur das folgende Jahr weitere ludi Apollinares" gelobt hatte. Theoretisch konnte die Gelobung in unum annum heifien, daB man sich etwa schon i. J. 212 auf Spiele fur d. J. 211, nicht aber auf Spiele fur d. J. 210 festgelegt hatte. Demnach hiefie die Gelobung in perpetuum, daB man etwa schon i. J.

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letzte Akt der Apollinarspiele war. In dem Satz ipse primus ita vovit, fecitque ante diem tertium <Idus> Quinctiles (Liv. 2131.1) wird Livius wohl die wirkliche Reihenfolge der Handlungen umgekehrt haben.

Auch die Megalesien konnten in zwei verschiedenen Jahren gleichsam zum ersten Mai durchgefuhrt worden sein, es sei denn, daB sie von Anfang an als verbindlich galten, romisch gesprochen, auf immer gelobt wurden (cfr. Liv. 27.23.7: in perpetuum). Sonst gab es wenigstens einmal, namlich im Jahre 204, auBeror dentliche Spiele (Liv. 29.14.14: lectisterniumque et ludi fuere, Megalesia appellata), und dann ab einem bestimmten Jahr die Ewigkeit bzw. Ununterbrochenheit der Spiele, weil an dem Zeitpunkt, als das alte Geliibde eingelost, das neue abgelegt wurde. Die Spiele des Jahres 191, von denen wir horen, waren jedoch Dedikationsspiele, ludi... ob dedicationem (Liv. 36.36.4). Es lieBe sich denken, daB bei Einweihungen allenfalls auf einen zirkensischen Bestandteil verzichtet

wurde, wahrend ein szenischer Bestandteil unverzichtbar war, weil die szenischen

Spiele an Ort und Stelle ausgerichtet wurden. Es uberrascht also nicht, daB der Bericht iiber die Dedikationsspiele szenische und nur szenische Spiele erwahnt

(Liv. 36.36.4: ludi...facti, quos primos scaenicos fuisse Antias Valerius est auctor,

Megalesia appellatos). Mit diesen sog. ersten Spielen konnten die Nachkommen des M. Iunius Brutus geprahlt haben, streng genommen aber waren diese szenischen Spiele Dedikationsspiele. M. Iunius war ja Stadtprator, nicht einer der kurulischen Adilen, die fur die Jahresspiele zustandig waren. Unter der

Voraussetzung, daB die Einrichtung der Jahresspiele mit der Einweihung des

Tempels zusammenhing, gibt es neben dem bzw. den Verantwortlichen des Jahres 204 und dem Stadtprator des Jahres 191 noch zwei Manner, deren Nachkommen mit den ersten Megalesien angegeben haben konnten, namlich die kurulischen

Adilen, die als die ersten nach der Einweihung des Tempels am Festtag der Gottin im Amt waren. Es ist daher von groBem Belang, daB der Tempel der Magna Mater erst am 11. April (Fast. Praen., Inscr. It. 13.2.129) 191 dediziert wurde24, wahrend die Gottin am 4. April 204 empfangen wurde, was im Nachhinein ihr Festtag war: in aedem Victoriae, quae est in Palatio, pertulere deam pridie <nonas> Apriles; isque dies festus fuit (Liv. 29.14.14)25. Die uns nicht bekannten kurulischen Adilen des Jahres 190 waren mithin die Ersten, die die ludi scaenici vor dem eingeweihten Tempel veranstalteten. Kurzum, ein bzw. zwei Amtsinhaber des Jahres 204 waren

jedenfalls die Ersten, welche ludi scaenici fur Mater Magna in Palatio veranstal

teten, und die kurulischen Adilen des Jahres 190 waren jedenfalls die Ersten, welche ludi scaenici fur Mater Magna ante templum veranstalteten. Die

Nachrichten, daB die ersten Megalesien im Jahre 194 bzw. 191 durchgefuhrt

208 beabsichtigt hatte, nicht nur i. J. 207, sondern auch weiterhin die Spiele zu veranstalten. Aber auch in der Zeit der Gelobung in perpetuum war das tatsachliche Gelubde offenbar eines fur das

folgende Jahr, sonst hatte kein Spielgeber das alte Gelubde einlosen konnen. Fur die hier gebotene Rekonstruktion spricht v. a. der Stolz der Calpurnii Pisones (v. die Abschnitte zu den Munzzeugnissen unten): Wenn C. Piso lediglich das von P. Sulla abgelegte Gelubde eingelost hatte, anstatt die Initiative zu ergreifen, hatten die Miinzmeister wahrscheinlich nicht versucht, ihn als einen der Kultstifter darzustellen.

24 V. J. Rupke, Fehler und Fehlinterpretationen in der Datierung des dies natalis des stadtrd

mischen Mater-Magna-Tempels, ?ZPE?, 102 (1994), 237-40. 25 Zur Verbesserung von idus zu nonas v. J. Marquardt, Romische Staatsverwaltung, Leipzig

1885, 32.367 n. 10.

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DIE APOLLINARSPIELE 77

worden seien, legen nahe, daB es nach dem Jahr 204 eine Zeit lang keine ludi mehr gab. Man wird mithin die Ausrichtung der ersten Jahresspiele eher auf das Jahr 190 als auf das Jahr 204 setzen26.

Die Veranstaltung der ersten szenischen Spiele fur die Grofie Mutter ware wohl den kurulischen Adilen zugefallen, wenn die Spiele von 204 die ersten

Jahresspiele gewesen waren. Die Worte primi fecerunt waren dann auf C. Livius und M. Servilius Geminus zu beziehen27. Auch Spiele, die als auBerordentlich betraehtet wurden, hatten die kurulischen Adilen trotzdem ausrichten konnen. Die

Nachricht, die Spiele von 204 seien von den kurulischen Adilen geleitet worden, wurde mithin nicht beweisen, daB die Spiele tatsachlich Jahresspiele waren. Die Chancen der kurulischen Adilen hingen vom Kalender ab. In den meisten Jahren hatten sie etwa im Sommer nur mit dem Stadtprator konkurrieren mtissen. Die Gottin wurde jedoch schon am 4. April (Liv. 29.14.14) in Rom empfangen, so daB die Konsuln des Jahres, die in Rom viel zu erledigen hatten (Liv. 29.13.1, 8; 29.15.5-15; 29.16.3, 6-7), als Spielgeber nicht auszuschlieBen sind. Die Konsuln wurden aber nie mit Jahresspielen betraut, da die Jahresspiele alle in der Epoche eingerichtet wurden, als die Konsuln noch fast das ganze Jahr tiber absens waren. Die Nachricht, die Spiele von 204 seien von den Konsuln geleitet worden, ware also nicht zweideutig, vielmehr wurde sie den Nachweis liefern, daB die Spiele von 204 zur Zeit ihrer Ausrichtung als auBerordentliche Spiele betraehtet wurden. Da konnte man mit Zuversicht feststellen, daB keine Spiele fur die GroBe Mutter in den Jahren 203-192 stattfanden28. Die Konsuln des Jahres 204 hieBen M.

Cornelius Cethegus und R Sempronius Tuditanus. Um das Jahr 113 pragte ein

gewisser Cetegus einen Denar mit phrygischer Thematik29. Phrygien war ja der

Kybele heilig. Es standen moglicherweise die Konsuln von 204 den damaligen Spielen vor. Das Verdienst des P. Sempronius darf man auf jeden Fall nicht

bestreiten, wenn man das Verdienst des M. Cethegus einzuraumen bereit ist: Jener wurde wie dieser am Anfang des Amtsjahres in der Stadt aufgehalten, nur fungierte kein Tuditanus in der republikanischen Zeit als Miinzmeister.

Die Dauer der ludi Megalenses

Die ludi Megalenses erstreckten sich in der Kaiserzeit vom 4. bis zum 10. April30.

26 Der Feststellung von Bernstein, Spiele, 195, ?Die ersten ludi publici stati(vi) fur Mater

Magna datieren in das Jahr 191," konnen wir also nicht zustimmen. 27

Es ist unwahrscheinlich, daB die Nachkommen des M. Servilius irgend etwas uber eine

Mitwirkung desselben bei den ludi d. J. 204 wuBten, denn sie hoben spater lediglich seine Beteiligung an den ersten Floralspielen hervor; v. Vf., Der Denar des C Serveilius C. f mit Florakopf und

Krummstab (erscheint demnachst). 28 Es ware freilich nicht ganz auszuschlieBen, daB die ersten Jahresspiele i. J. 203 veranstaltet

wurden, als M. Valerius Falto (Pr. 201) und M. Fabius Buteo (Pr. 201) die kurulische Adilitat innehatten, es wurde aber auch nichts dafur sprechen, wenngleich Falto i. J. 205 als Legat mit vier anderen nach Pergamum gegangen war, um die Mater Magna nach Rom zu bringen (s. Broughton,

MRR 1.304). 29 RRC 288; Datierung nach H.B. Mattingly, Roman Republican Coinage c. 150-90 BC, in

Coins of Macedonia and Rome [FS Hersh], London 1998, 154. 30 Cfr. Bernstein, Spiele, 201.

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Die Bemerkung zum 4. April, isque dies festus fuit (Liv. 29.14.14), konnte sich auf die Gastmahler der Adligen beziehen31. Bernstein machte nur eine

Entwicklungsstufe der eigentlichen Spiele ausfmdig: ?Sicher ist nur, daB im Jahre 191 die Veranstaltung zumindest zweitagig gewesen sein muB, denn der Pseudolus des Plautus, der bei den ersten statarischen ludi Megalenses aufgefuhrt wurde, ladt am Ende die Zuschauer zur Fortsetzung des Stiickes am nachsten Tag ein"

(Plaut. Pseud. 1334)32. Die Didaskalie erwahnt aber den Stadtprator M. Iunius M. f. (Didasc. Plaut. Pseud.). Es geht hier also um die Dedikationsspiele. Sie waren es, die wenigstens zwei Tage lang dauerten. Uber die Dauer der ludi Megalenses gibt offenbar keine uns erhaltene Quelle AufschluB.

Die Art der Spiele am 13. Juli

Es laBt sich ein weiteres, stichhaltiges Argument vorbringen, das die ursprung liche Art der Spiele fur Apollo zutage fordert. Es ist klar, daB die Spiele zunachst

eintagig waren, genauer, daB sie dies in den vier ersten Jahren (212-209 v. Chr.) waren, als es fur die Veranstaltung noch keinen festen Termin gab (Liv. 27.23.5: inde omnes deinceps praetores urbani fecerant; sed in unum annum vovebant

dieque incerto faciebant). Klar ist auch, daB im Jahre 208, als ein Gesetz die

Votivspiele zu regelmaBigen Spielen machte, nur ein Tag fur das Fest vorgesehen war (Liv. 27.23.7: ut ii ludi in perpetuum in statam diem voverentur)33. Streng genommen wissen wir nicht, daB die Veranstaltung noch im Jahre 202 auf einen

Tag beschrankt war. Livius berichtet erneut tiber die Apollinarspiele erst zum Jahre

202, weil eine Tiberiiberschwemmung zu der Entscheidung fuhrte, die Spiele jenseits der Porta Collina vorzubereiten (Liv. 30.38.10: nam ita abundavit Tiberis ut ludi Apollinares circo inundato extra portam Collinam...parati sint). In seinem Bericht zu diesem Jahre verrat Livius die Existenz einer Prozession: pompa duci

coepta ad portam Collinam revocata deductaque in circum est cum decessisse inde aquam nuntiatum esset (Liv. 30.38.11). Die Prozession muB normalerweise vor dem Tempel begonnen haben34, und wenn sie auch im Jahre 202 dort begann, was der Fall zu sein scheint, hatten damals szenische Spiele ebenfalls dort stattfinden konnen. Die Ausdehnung der Spiele gehort indes wohl in die Zeit nach dem zweiten punischen Krieg. Wir verdanken den nachsten Bericht des Livius einer Sonnenfinsternis, die im Jahre 190 beobachtet wurde, und zwar am 11. Juli

(Liv. 37.4.4: ludis Apollinaribus a. d. quintum idus Quinctiles), was zeigt, daB nach 208 wenigstens zwei zusatzliche Tage eingerichtet worden waren. Es ist von

groBem Belang, daB der 13. Juli in den kaiserzeitlichen Festkalendern als ein Tag der Zirkusspiele festgesetzt ist35. Fest steht namlich auch, daB der Veranstaltungstag,

31 Cfr. Bernstein, Spiele, 191-93.

32 Bernstein, Spiele, 201.

33 Da Bernstein bei seiner Behandlung der Apollinarspiele schreibt, die Veranstaltung ?scheint... um 200 zeitlich ausgedehnt worden zu sein" (Spiele, 182), ist eine anders lautende AuBerung in einem spateren Abschnitt (Spiele, 249: ?Schon 211 sind die ludi Apollinares als eine zweitagige Veranstaltung ausgewiesen") nicht vorzuziehen.

34 Cfr. Bernstein, Spiele, 182.

35 Siehe Bernstein, Spiele, 183 n. 376.

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DIE APOLLINARSPIELE 79

als die Spiele noch eintagig waren, der 13. Juli war. Der iiberlieferte Text des Livius zum Jahre 208 setzt sie freilich auf den 5. des Monats, ante diem tertium nonas Quinctiles (Liv. 27.23.7). Sogleich wird aber hervorgehoben, der Tag sei beibehalten worden (is dies deinde sollemnis servatus), und wir wissen, daB die

Spiele in der Kaiserzeit erst am 6. Juli anfingen: Es ist also unumstritten, daB nonas zu idus zu emendieren ist36. Um an der These, die Apollinarspiele seien zunachst szenisch gewesen, festhalten zu konnen, mixBte man annehmen, daB die

Zirkusspiele spater auf einen besetzten Tag, den urspriinglichen Tag der Spiele, gesetzt worden waren, so daB man die von Anfang an gefeierten szenischen Spiele vorgezogen hatte. DaB die Zirkusspiele am letzten Veranstaltungstag stattfanden, uberrascht nicht, denn dies war spater der Fall bei Spielen, die zur Zeit der

Republik rein szenisch waren, namlich den Megalenses (am 10. April) und den Florales (am 3. Mai)37. Wenn die Zirkusspiele aber erst spater in der republika nischen Zeit hinzugefugt worden waren, hatte man sie auf den 14. Juli setzen konnen und die szenische AuflRihrung damit nicht vorverlegen miissen. Es liegt nahe, daB in Betreff der Zirkusspiele alles beim alten blieb und die szenischen Bestandteile erst spater eingerichtet wurden38.

Numismatische Belege fur das Programm der Apollinarspiele

Was die ludi Apollini circenses anbelangt, so kann man sich fragen, was denn das fur Zirkusspiele waren. Uber sie geben die Reverse der Munzen des L. Piso Frugi (90 v. Chr.39) AufschluB: Ein Denar (Abb. 1-3) und ein Sesterz haben jeweils den

Kopf des Apollo auf der Vorderseite und einen Reiter resp. ein galoppierendes Pferd auf der Riickseite40. Sein Sohn C. Piso L. f. Frugi, Ciceros Schwiegersohn, ubernahm seinen Denartyp unverandert (Abb. 4-6)41. Ein Denar des C. Censorinus

(ca. 88) zeigt Numa Pompilius mit Ancus Marcius auf der Vorderseite und einen desultor auf der Riickseite (Abb. 7), wahrend ein zweiter Denar den Kopf des

Apollo auf der Vorderseite und ein galoppierendes Pferd mit Zaumzeug auf der Riickseite hat (Abb. 8)42.

36 Start aller cfr. Bernstein, Spiele, 180 n. 354. 37 Cfr. Bernstein, Spiele, 202 und n. 485, 219 und n. 600. 38

Sowohl C. Volumnius als auch C. Pomponius hat H. Leppin, Histrionen. Untersuchungen zur sozialen Stellung von Buhnenkunstlern im Westen des Romischen Reiches zur Zeit der Republik und des Principats, Bonn 1992, 280, 311, mit einem Fragezeichen versehen, denn ?eine solche atiologi sche Erzahlung... ist verd&chtig". Die Zweifel haben sich erhartet: Wir dtirfen jetzt feststellen, daB die einzige fur sie belegte Tatigkeit, Mitwirkung an den szenischen Spielen ftlr Apollo in den Jahren 212-211, daruber hinaus ein Anachronismus ist.

39 Wenn seine E.L.P (RRC 340/3a-b) geschlagenen Sesterze auf ein Gesetz des C. Carbo Arvina (Tr. PI. 90) hinweisen, dann darf man auch das Munzmeisteramt als exakt datierbar ansehen; v. H.B.

Mattingly, Coinage and the Roman State, ?NC?, 137 (1977), 203 und n. 23. 40

Cfr. M.H. Crawford, RRC 1.340-41, 344, no. 340/1, nos. 340/3a-b. 41 RRC 408/1; v. W. Hollstein, Die stadtromische Munzpragung der Jahre 78-50 v. Chr.

zwischen politischer Aktualitdt und Familienthematik, Miinchen 1993, 160. 42

Cfr. Crawford, RRC 1.357, 361, nos. 346/la-i, 346/2a-c.

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Page 15: DIE APOLLINARSPIELE ZUR ZEIT DER REPUBLIK

1. Denarius des L. Piso Frugi Vs.: Belorbeerter Kopf des Apollo nach

Rs.: Reiter mit Palmzweig nach r.

2. Denarius des L. Piso Frugi Vs.: Belorbeerter Kopf des Apollo nach

Rs.: Reiter mit Fackel nach 1.

3. Denarius des L. Piso Frugi Vs.: Belorbeerter Kopf des Apollo nach

Rs.: Reiter mit Peitsche nach r.

4. Denarius des C. Piso L. f. Frugi Vs.: Belorbeerter Kopf des Apollo nach

Rs.: Reiter mit Palmzweig nach r.

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Page 16: DIE APOLLINARSPIELE ZUR ZEIT DER REPUBLIK

5. Denarius des C. Piso L. f. Frugi Vs.: Belorbeerter Kopf des Apollo nach r.

Rs.: Reiter mit Peitsche nach r.

6. Denarius des C. Piso L. f. Frugi Vs.: Kopf des Apollo mit Band nach 1.

Rs.: Reiter nach r. galoppierend

7. Denarius des C. Censorinus Vs.: Bartiger Numa und unbartiger Ancus nach

Rs.: Ein desultor vor dem Sprung

8. Denarius des C. Censorinus Vs.: Kopf des Apollo mit Band nach r.

Rs.: Pferd mit Zaumzeug nach r.

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Page 17: DIE APOLLINARSPIELE ZUR ZEIT DER REPUBLIK

82 F.X. RYAN

Die Munztypen informieren uns zwar uber die Wettkampfe bei den ludi Apollini circenses, aber nicht nur daruber. Die Nachkommen beabsichtigten, das Verdienst der Marcii bzw. der Calpurnii bei der Einrichtung der Spiele herauszustellen. Demnach sollten die Pragungen nicht den zirkensischen Bestandteil der gegenwar tigen Spiele belegen, sondern das Programm der Jahre 212-211 verherrlichen. Die

damaligen Spiele waren ja noch nicht mehrtagig. Mithin besagen die Munzbilder, was auch Livius so gut wie sagt, daB namlich die ludi Apollinares zunachst reine ludi circenses waren.

Bernstein wollte ?den spaten... Munzzeugnissen" nicht glauben43. Es war aber nicht irgendjemand, der die fraglichen Mtinzen jeweils pragte, sondern ein Nachfahr der Kultstifter. Die Munzzeugnisse sind freilich insofera tendenzios, als sie die Beitrage anderer Familien verschweigen, es liegt hier aber wenigstens eine echte Uberlieferung vor, da die Bilder der Pragebeauftragten ?der ,Chronik' ihres Geschlechts entstammten44". Die literarische Quelle, welche Schauspieler bei den

Apollinarspielen der Jahre 212-211 auftreten laBt, ist ihrerseits auch spat, und zwar spater als die numismatischen. Bei der literarischen Quelle handelt es sich aber offenbar um einen Versuch, in Ermangelung einer Uberlieferung die Geschichte zu rekonstruieren bzw. raten. Es stehen uns zur Verfiigung also numismatische Quellen, die zwar gut unterrichtet, aber einseitig sind, und eine literarische Quelle, die es vielleicht besser meint, aber schliefilich von nichts weiB.

Uns bleibt mithin nichts anderes ubrig, als die numismatischen Quellen kritisch zu benutzen.

C. Calpurnius Piso macht sich um die Apollinarspiele verdient

Es uberrascht, daB die Calpurnii Pisones die Apollinarspiele zur Schau stellten. Livius liefert freilich einen Grund, warum die Calpurnii Pisones hatten stolz sein konnen: ludi Apollinares, et priore anno fuerant et eo anno, ut fierent, referente Calpurnio praetore senatus decrevit, ut in perpetuum voverentur (Liv. 26.23.3)45. An anderer Stelle meinte er aber, daB die Spiele in den Jahren 212-209 ?fiir ein Jahr" (Liv. 27.23.5: in unum annum) und erst durch das Gesetz des Jahres 208

?fur immer" (Liv. 27.23.7: in perpetuum) gelobt worden seien. Da die Spiele auch erst im Jahre 208 fur einen bestimmten Tag gelobt wurden (Liv. 27.23.7), vermutet

man, daB der Tag erst im Jahre 208 bestimmt wurde, weil die Spiele erst dann fur alle Zukunft gelobt wurden. Bernstein hielt die herkommliche Auslegung der

Calpurnierpragungen fur ?problematisch,u weil C. Piso, der Stadtprator von 211, die Spiele wohl nicht auf immer gelobte46. Da aber die Vorderseiten der Nominale der Calpurnii Pisones den Kopf des Apollo zeigen, was C. Censorinus bei einem

Denartyp nicht machte, ist der Bezug der Pragungen der Calpurnii Pisones auf

43 Bernstein, Spiele, 184 n. 384.

44 H. Bellen - G. Horsmann, Romische Geschichte in Munzbildern, ?Forschungsmagazin der

Johannes Gutenberg-Universitat Mainz?, 6 (1990), 20. 45 Die Munzbilder des L. Piso Frugi wurden vorschnell von Crawford, RRC 1.344, unter

Berufung auf Livius erklart: ?The types of the denarius and the sestertius recall the Ludi Apollinares, converted into a permanent festival as a result of the proposal of C. Calpurnius Piso, Pr. 211".

46 Bernstein, Spiele, 179 n. 349.

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Page 18: DIE APOLLINARSPIELE ZUR ZEIT DER REPUBLIK

DIE APOLLINARSPIELE 83

die Apollinarspiele nicht zu leugnen47. Auf den fraglichen Nominalen ist mithin

ungeachtet des Fehlers des Livius ?die Anspielung an die Verdienste des Prators C. Calpurnius Piso zu erkennen"48.

Man muB sich also die Frage stellen, was C. Piso wohl machte, wenn er nicht das machte, was Livius ihn machen lieB. Festhalten darf man vielleicht an der

Initiative, die C. Piso bei Livius ergreift: referente Calpurnio praetore senatus decrevit (Liv. 26.23.3). Der Stadtprator von 209, C. Hostilius Tubulus, scheint in dieser Sache nicht auf dieselbe Weise oder uberhaupt tatig geworden zu sein: et decretum ut C. Hostilius praetor ludos Apollini sicut Us annis voti factique erant voveret faceretque (Liv. 27.11.6). Da quotannis (Liv. 25.12.9) in der Weissagung nicht so ohne weiteres als historisch zu betrachten ist, konnten die Miinzbilder

bedeuten, daB die Spiele des Jahres 211 auf die Initiative des C. Piso zuruck

gingen. Denkbar ist auch, daB er sich etwa mit der Finanzierung der fast neuen

Spiele befaBte. Offenbar wurde der staatliche ZuschuB im Jahre 212 - 12 000 Kupferas

- nur fur die Opferzeremonie gewahrt: censuerunt patres... quando ludi

facti essent, duodecim milia aeris praetori ad rem divinam et duas hostias maiores dandas (Liv. 25.12.12). Die eigentlichen Spiele wurden aber offenbar aussch lieBlich durch Spenden finanziert: ludos praetor in circo maximo cum facturus esset, edixit, ut populus per eos ludos stipem Apollini, quantam commodum esset,

conferret (Liv. 25.12.14)49. Diese stips begegnet auch bei Paulus, aber sonst nicht. Dessen Eintrag sei

im vollen Wortlaut zitiert: Apollinares ludos, hoc est in laude Apollinis, populus laureatus spectabat, stipe data pro cuiusque copia (Paul. 21L). Da hier das Verb ins Imperfekt gesetzt ist, war Paulus jedenfalls der Meinung, daB Spenden immer

wieder gesammelt wurden. Wir haben es aber hier mit der Quelle zu tun, die in

Bezug auf die Friihgeschichte der Apollinarspiele alles andere als verlaBlich ist. Um diesen Eintrag ist es offenbar nicht besser bestellt. Die Zusammenstellung von populus laureatus und spectabat impliziert, daB das Volk weiterhin auch bekranzt zuschaute. Diese Folgerung ware aber schwerlich haltbar, denn die in der Antike sogar mehrheitlich (Liv. 25.12.15: ut plerique rentur) aufgestellte Behauptung, man habe die Spiele valetudinis ergo (Liv. 25.12.15) eingefuhrt, setzt wohl voraus, daB die Zuschauer keine Siegeskranze mehr aufhatten50. Plinius

meinte, das romische Volk habe im Jahre 186 v. Chr. anlaBlich der Votivspiele des L. Scipio Asiagenes einen Geldbeitrag zu zahlen begonnen: populus Romanus

47 Die Apollo-Vs. der Denare der beiden Calpurnii Pisones betonte zuletzt Hollstein, Stadtrdm.

Munzpragung, 160. 48 W. Kubitschek, Studien zu Mtinzen der romischen Republik, Wien 1911, 15.

49 Anders Bernstein, Spiele, 179, der den Zuschufi als einen fiir die Spiele versteht, so daB die Spenden nicht allein die Kosten der Spiele bestreiten muBten, ja einem anderen Zwecke dienten: ?Eine religiose Verunsicherung sollte kanalisiert werden. Die Aufforderung des praetorischen Spielgebers an das Volk, die Finanzierung der Feier durch Spenden mitzutragen, verfolgte somit wohl eine bewuBte Einbeziehung des erregten populus" (Spiele, 175). 50 Bei den ludi Romani kam die Bekranzung des Publikums freilich erst i. J. 292 vor (Liv. 10.47.3), also um die zwei Jahrhunderte nach der Entstehung der Spiele. Man kann aber die

Behauptung valetudinis ergo kaum so verstehen, daB einige Schriftsteller die Bekranzung als eine

spatere Neuerung ansahen, etwa d. J. 201, so daB die Behauptung valetudinis ergo die gegenwartige Bekranzung des Publikums nicht mehr ausschlieBt. Wahrscheinlicher ist, daB die Vertreter der These victoriae ergo sich auf die nicht mehr vorgenommene Bekranzung beriefen, um die Behauptung valetudinis ergo zu widerlegen.

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stipem spargere coepit Sp. Postumio Q. Marcio coss.; tanta abundantia pecuniae erat, ut earn conferret L. Scipioni, ex qua is ludos fecit (Plin. NH 33.138). Diese

Behauptung ist so oder so nicht richtig, wenn die stips von 212 historisch ist, sie wird aber wenigstens verstandlich, wenn die stips von 212 einmalig war51. Auch die Diskussion iiber den Geldbetrag bei der Gelobung der GroBen Spiele im Jahre 200 (Liv. 31.9.5-10) legt nahe, daB die stips von 212 einmalig war. Obwohl der

Oberpontifex die Ansicht vertrat, man diirfe kein Geliibde ex incerta pecunia ablegen (Liv. 31.9.7), verfiigten die Pontifices, daB ein Geliibde fiir einen unbestimmten Geldbetrag statthaft und sogar richtiger sei (Liv. 31.9.8: posse rectiusque etiam esse pontifices decreverunt). Danach wurden die GroBen Spiele, die schon achtmal fiir einen bestimmten Betrag gelobt worden waren, von dem Konsul erstmals fiir einen unbestimmten Betrag gelobt (Liv. 31.9.10: octiens ante ludi magni de certa pecunia voti erant; hi primi de incerta). Wenn die

Apollinarspiele schon 12 Jahre nacheinander stipe data finanziert worden waren, hatte der Oberpontifex schwerlich Einspruch gegen ein ex incerta pecunia abgelegtes Geliibde erheben konnen. Wer eine haarspalterische Geschichte der

Apollinarspiele schreiben mochte, der konnte behaupten, daB die Apollinarspiele von 212 insofern keine ludi publici waren, als die ludi ganz und gar privat finanziert wurden. Vielleicht war es C. Piso, der bei jener bewuBten Befragung des Senates (Liv. 26.23.3: referente) einen staatlichen ZuschuB auch fur die eigent lichen Spiele in die Wege leitete. Demnach ware C. Piso zwar nicht der erste Leiter der ludi Apollinares, aber immerhin der erste Leiter der ludi Apollinares publici gewesen.

Uber das, was C. Piso mit seinen Spielen erreichte, schweigen die Munzbilder nicht. Schon die Quinarvorderseite mit dem Kopf des Apollo (Abb. 9) ist auffallig52. Die Quinarriickseite zeigt Victoria, die einen Kranz, und mitunter auch ein Schwert und einen Speer halt. Der Kopf des Apollo wird hier wie auf den anderen Nominalen des L. Piso mit einem Lorbeerkranz versehen, Apollo mithin

?als Siegesgott angesprochen"53. Livius betonte, daB die Spiele von 212 der

Erlangung des Sieges, nicht des korperlichen Wohlseins gegolten hatten: victoriae, non valetudinis ergo (Liv. 25.12.15). Der Quinar des L. Piso stimmt mit dem livianischen Bericht darin uberein54. Der Miinzmeister L. Piso (Pr. 74) meinte, daB sein Vorfahr iiber die Apollinarspiele wesentlich zu dem endgiiltigen Sieg iiber Hannibal beitrug.

51 Anders G. Wissowa, Religion und Kultus der Romer, 2. Aufl., Miinchen 1912, 428 n. 5, der

Plin. NH 33.138 zuruckwies, um an Liv. 25.12.14 u. Paul. 21L festhalten zu konnen. Seine Ansicht, daB ?eine solche Heranziehung der Privaten zur Bestreitung der Kosten... fur... die nach griechischem Ritus gefeierten Apollinarspiele bezeugt ist" (Religion u. Kultus, 428), trifft auf jeden Fall nicht zu, da die Opferhandlung und die stips auseinander zu halten sind. Die Spiele selbst scheinen nicht griechisch gestaltet worden zu sein. Griechisch waren allenfalls die Kranze der Zuschauer (Liv. 25.12.15: populus coronatus spectavit) gewesen, denn Q. Fabius Pictor hatte in Delphi so die Orakelstatte betreten, das Opfer dargebracht und gemaB der Aufforderung des Tempelvorstehers das Schiff wieder bestiegen und die Riickreise gemacht (Liv. 23.11.5: iussumque ab templi antistite, sicut coronatus laurea corona et oraculum adisset et rem divinam fecisset, ita coronatum navem adscen dere nec ante deponere earn, quam Romam pervenisset). Den Lorbeerkranz trug aber der romische

Triumphator auch, so daB der Kranz des Spieltages wohl weder als griechisch noch als apollinisch anzusehen ist.

52 Cfr. Hollstein, Stadtrdm. Munzpragung, 160 n. 8 zu RRC 340/2a, c.

53 Hollstein, Stadtrdm. Munzpragung, 161.

54 Cfr. Hollstein, Stadtrdm. Munzpragung, 160.

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DIE APOLLINARSPIELE 85

9. Quinarius des L. Piso Frugi Vs.: Belorbeerter Kopf des Apollo nach r.

Rs.: Victoria nach r., halt Kranz in der Rechten, Palmzweig in der Linken

10. As des L. Piso Frugi Vs.: Belorbeerter Kopf des Janus

Rs.: Victoria nach r. auf Schiffsvorderteil stehend

Es ist moglich, vielleicht sogar wahrscheinlich, daB die Victoria auf den Ruckseiten des Quinars und des As55 (Abb. 10) neben einem aktuellen Bezug56 einen doppelten historischen Bezug hat. Die Siegesgottin sollte vielleicht auch noch an das Kommando auf der Burg erinnern, das C. Piso fuhrte (Liv. 26.10.2: C. Calpurnium praetorem urbanum Capitolio atque arci praeesse). Bei der Besprechung der Miinzbilder muB an dieser Stelle eine Vermutung noch geauBert werden. Oben nannten wir die Synchronisierung der Spiele von 211 mit dem damaligen Marsch auf Rom die eigene Zutat des Verrius. Vielleicht wurde Verrius aber nicht nur durch den Spruch in die Irre gefuhrt. Vielleicht wurde die Gleichzeitigkeit aus den Quinarbildern herausgesponnen: Der Apollo auf der Vorderseite wurde auf die Spiele, die Victoria auf der Riickseite auf die Verteidigung der Stadt, am Ende die beiden Seiten zeitlich aufeinander bezogen. Dann konnte man Verrius immerhin

bescheinigen, daB er sich mit den Munzzeugnissen auseinandersetzte.

55 RRC 340/4. 56 V. Hollstein, Stadtrom. Munzprdgung, 161: ?Sieges- und Triumphhofimungen" werden in

Apollo gesetzt.

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AbschlieBend sei das Augenmerk noch einmal auf den Lorbeerkranz des Volkes gelenkt. Wir kamen zu dem Ergebnis, dafi das Volk spater nicht mehr bekranzt zusah. Damit wird die Frage aufgeworfen, wann das Volk aufhorte, sich die Spiele bekranzt anzusehen. Der romische Konservativismus macht wahrschein

lich, da8 die Romer sehr friih damit aufhorten: Wenn sie dies noch im Jahre 208

getan hatten, hatten sie wohl nie damit aufgehort. Vielleicht ist es kein Zufall, dafi sowohl die stips als auch die coronae nur fur das Jahr 212 gut beglaubigt sind. Setzen wir einmal voraus, da6 die stips und die coronae in den Berichten uber die Spiele von 21257 gerade deswegen erwahnt werden, weil sie danach nicht mehr vorkamen. Da erheben sich viele Fragen. Konnte man die Siegesthematik des Quinars in Einklang mit der Wirklichkeit bringen, wenn der populus im Jahre 211 nicht mehr coronatus war? MuBte man annehmen, dafi die Nachkommen des C. Piso falschlicherweise glaubten, daB der populus noch bei seinen Spielen coronatus war? Ware es aber nicht besser, dem Quinarbild Rechnung zu tragen und etwa das Jahr 208 als das erste Jahr ohne coronae anzusehen?

Wir mochten folgende These aufstellen: Auch im Jahre 211 galten die

Apollinarspiele dem Sieg, obwohl der populus nicht mehr laureatus war, weil die coronae nicht mit dem Zweck der Spiele, sondera mit der Finanzierung derselben

zusammenhangen. Die coronae gingen also mit der stips einher. Auch hier scheint eine Ausnahme diese Regel zu bestatigen, oder es gibt auch andere Griinde fur die Bekranzung des Publikums. Zum Jahre 292 schreibt Livius: eodem anno coronati primum ob res bello bene gestas ludos Romanos spectarunt palmaeque turn primum translato e Graecia more victoribus datae (Liv. 10.47.3). Der Wortlaut laBt den Eindruck entstehen, dafi zwar der Palmzweig, nicht aber die Bekranzung des Publikums als griechisch empfunden wurde58. Man kann sich auch fragen, ob eodem anno coronati primum...spectarunt bedeutet, daB das Volk in der Folgezeit jedes Jahr die ludi Romani bekranzt zusah59. Aus primum geht zwar hervor, daB es nicht bei dem einen Mai blieb, es muB aber nicht jahrlich so gewesen sein. Die Begriindung ob res bello bene gestas kann genauso gut erklaren, warum die Romer ausnahmsweise das taten. Sie haben es moglicherweise nicht in jedem Jahr, sondern nach Siegen oder Kriegen gemacht, vielleicht gar nicht selten, aber immer aus irgendwelchen Griinden. Man konnte dies in den betreffenden Jahren bei den

jeweils nachsten Spielen fur einen Kriegsgott getan haben, also nicht nur bei

Spielen fur Jupiter, sondern auch bei den Spielen fur Apollo. Kurzum, auch wenn das Volk jedes Jahr bei den ludi Romani bekranzt zugesehen hatte, konnten die

Dinge bei den ludi Apollinares anders gelegen haben, es ist aber gut moglich, daB der fur die Romerspiele belegte Brauch ein Siegesbrauch ist, der eine jahrliche Bekranzung bei den Apollinarspielen nicht untermauert.

Der vermutete Siegesbrauch bei den Spielen und die Bekranzung des Publikums bei den Apollinarspielen von 212 weisen insofern keine Parallelen auf, als der eingiiltige Sieg im Jahre 212 lediglich erhofft war. Die Bekranzung von

57 Macrobius erwahnt das bekranzte Volk, ohne die stips zu erwahnen: ludos in circo populus

coronatus spectare iussus (Macrob. 1.17.29). 58

Bernstein, Spiele, 252, macht trotzdem und zu Recht darauf aufmerksam, daB ?die

Stephanephorie bei Festen im griechischen Raum nicht allein die Kultmnktionare, sondern auch die

Politen" betraf. 59

Bernstein, Spiele, 175, 251-53, hat die Frage nach der Haufigkeit der Bekranzung des

Publikums nicht explizit gestellt und sie sich daher wohl als unveranderlich vorgestellt.

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DIE APOLLINARSPIELE 87

212 muB also anders erklart werden als die fur das Jahr 292 belegte. Es war aber nicht nur der populus, der bei den ersten Apollinarspielen bekranzt war. Auch der

Stadtprator, P. Cornelius Sulla, muB es gewesen sein, denn der Spielgeber war anscheinend schon zu Lebzeiten des Q. Fabius Pictor bekranzt (Dion. Hal.

7.73.4)60. Der populus war soeben fur die Spiele aufgekommen. Demnach durfte er im Jahre 212 coronatus sein, weil er die Spiele gerade mitveranstaltete. Der Kranz des Volkes war also der des Spielgebers61. Mit der stips verschwand auch die laurea corona. Die Calpurnii Pisones konnten sich damit briisten, daB ihr Vorfahr der erste eigentliche Spielgeber war, denn P. Sulla war lediglich ein

Mitspielgeber gewesen. C. Piso war der erste, der es einzig und allein machte.

Die Notwendigkeit der Freigebigkeit

Tatsachlich liefert die stips im Handumdrehen den Nachweis, daB die Apollinarspiele ursprunglich Zirkusspiele waren. Um dies erkennen zu konnen, muB man mit einer weiteren Stelle bei Livius vertraut sein. Die Zensoren von 214-21362 waren nicht in der Lage, die Tempel instandzubringen, die Lieferung der Pferde fur die Rennen zu bewirken oder Ahnliches zu tun. Die Auftragnehmer sollen sich aber bereit erklart haben, erst nach dem Krieg bezahlt zu werden: cum censores ob inopiam aerarii se iam locationibus abstinerent aedium sacrarum tuendarum curuliumque equorum praebendorum ac similium his rerum, convenere ad eos frequentes, qui hastae huius generis adsueverant, hortarique censores, ut omnia perinde agerent, locarent, ac si pecunia in aerario esset: neminem nisi bello confectopecuniam ab aerariopetiturum esse (Liv. 24.18.10-11)63. Wesentlich fur uns ist die Erkenntnis, daB die stips im Jahre 212 gesammelt werden muBte,

weil die locatio curulium equorum praebendorum in den Jahren 214-213 nicht

stattgefunden hatte. Wenn die Apollinarspiele von 212 szenische Spiele gewesen waren, hatte es keine stips gegeben, denn die stips ersetzte die ausbleibende locatio.

Es erhebt sich damit die Frage nach der Einstellung der Unternehmer. Die Besitzer der Pferde, ob sie dieselben an den Staat verkauften bzw. ihm zur

Verftigung stellten, wurden nicht erst bello confecto bezahlt. Moglicherweise glaubten die Romer, daB die Spiele nicht wirksam sein wurden, es sei denn, daB sie sie aus der eigenen Tasche finanzieren wurden. Die Romer konnten also von sich aus entschieden haben, die Unternehmer zu bezahlen. Es kann sein, daB die

Unternehmer ihrerseits wankelmutig waren, es kann aber auch sein, daB ihr Verzicht auf sofortige Bezahlung nicht historisch ist. Man wufite, daB Zirkusspiele in der Zeit nach 214 trotzdem stattfanden, und nahm an, daB die Unternehmer

60 Bernstein, Spiele, 252-53, 270, sieht hier ?die Bekranzung des Spielgebers, des Euergetes,

nach griechischem Vorbild". 61

Unsere Kenntnis von der Bekranzung des Publikums verdanken wir dann einem Miflverstandnis. Die Angabe populus coronatus geht wohl auf die Vertreter der These victoriae ergo zuruck, die in den Kranzen Siegeskranze sahen.

62 Der Zensor Philus scheint erst im Jahre 213 verstorben zu sein: ne lustrum perficerent, mors

prohibuit P. Furi (Liv. 24.43.4). 63 Bernstein, Spiele, 68, entnahm dieser Stelle, daB ?der Staat Pferde und Wagen erwarb und

sich anbietende Wagenlenker unter Vertrag nahm".

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auf ihr Geld warteten. Im Falle der Apollinarspiele von 212 wurden sie aber durch die gesammelte stips rechtzeitig bezahlt.

Es erhebt sich auch die Frage nach der Art der Pferderennen. Streng genommen belegen die Miinzbilder nur ein Pferderennen bzw. ein Pferdespiel, aber kein Wagenrennen, und wir haben soeben erfahren, daB die Zensoren von 214 keine locatio curulium equorum praebendorum machen konnten. Ein Auszug aus dem Werk des Festus lautet: currules equi quadrigales (Paul. 43L). Die curules

equi bildeten demnach das Viergespann, also sie zogen einen currus, und sind mit den Pferden der Desultoren nicht gleichzusetzen. Man konnte daher meinen, daB nicht die Besitzer der curules equi, sondern allein die Desultoren durch die stips begiinstigt wurden. Wenn aber die Besitzer der curules equi die Wagenlenker anstellten, konnten sie auch die Pferde der Desultoren besessen und letztere

angestellt haben64. Man muB aber im Kopf behalten, daB die Miinzbilder die Spiele der Jahre 212-211 verewigen sollten. Man darf also aus ihnen nicht schlieBen, daB kein Wagenrennen bei den Apollinarspielen stattfand. Vielleicht darf man aber aus ihnen und den fraglichen Stellen bei Livius (Liv. 24.18.10-11, 25.12.11-15) schlieBen, daB kein Wagenrennen bei den Apollinarspielen in den Jahren 212-211 stattfand. Vielleicht war dies nicht einmal moglich, weil die Besitzer der curules

equi schon im Jahre 214 bzw. 213 von dannen gezogen waren. Oder vielleicht waren die Mittel, weder die stips von 212 noch der von uns vermutete ZuschuB von 211, fur die curules equi nicht ausreichend. In diesem einen Fall waren die Romer bereit gewesen, die Liturgie spater zu andern, da die ursprtingliche Liturgie nicht aus Uberzeugung, sondern ob inopiam aerarii schlicht ausgefallen war.

Spielgebung und Startgebung

Die Moglichkeit, im Handumdrehen zu zeigen, daB die Apollinarspiele zunachst reine Zirkusspiele warfcn, ist gleich zweimal vorhanden. Nur ein Imperiumstrager durfte das Startzeichen im Zirkus geben (Liv. 8.40.3: imperii ministerio), vielleicht durfte nur ein Imperiumstrager die Zirkusprozession anfUhren (Dion. Hal. 7.72.1)65.

Wir sehen den Konsul C. Licinius Crassus (Cos. 168) bei den ludi Romani, also bei Spielen der kurulischen Adilen, das Startzeichen geben (Liv. 45.1.6: C. Licinio consuli ad quadrigas mittendas escendenti). In Abwesenheit der Konsuln fiel diese

Aufgabe natiirlich dem Stadtprator zu, was wir nur erfahren, weil er im Jahre 322 zum Zeitpunkt der ludi Romani erkrankt gewesen sein soil (Liv. 8.40.2-3). Da die Konsuln von 212 auBerhalb der Stadt beschaftigt waren, wird P. Sulla, Stadt- und

Fremdenprator in jenem Jahre, bei den ludi Romani das Startzeichen gegeben haben. Es war dann die naturlichste Sache der Welt, ihn dasselbe bei rein zirken sischen Spielen tun zu lassen. Wenn die Apollinarspiele zunachst rein szenisch

gewesen waren, hatte man die kurulischen Adilen, die ja die ludi Megalenses noch nicht an ihren Halsen hatten, mit ihnen betraut. Wenn der zirkensische Bestandteil erst spater dazugekommen ware, ware der Stadtprator hier lediglich der Startgeber am letzten Tag der Spiele, oder vielleicht noch der Anfuhrer der Prozession an

64 Irgendjemand muB die Pferde der Desultoren besessen haben, sie sind also bei Liv. 24.18.10

entweder unter curtiliumque equorum praebendorum oder unter ac similium his rerum zu verstehen. 65

Cfr. Bernstein, Spiele, 53-54, 58-60.

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Page 24: DIE APOLLINARSPIELE ZUR ZEIT DER REPUBLIK

die apollinarspiele 89

demselben Tag gewesen, und wiirde moglicherweise in keiner uns erhaltenen

Quelle in Zusammenhang mit den Apollinarspielen erwahnt werden. Nur durch die spatere Erweiterung der Spiele, denen der Stadtprator schon vorstand, war es fur ihn iiberhaupt moglich, zum Leiter szenischer Spiele zu werden. Aus romischer Sicht brauchte man namlich kein imperium, urn Schauspieler herumzukomman dieren. Die Tatsache, daB der Stadtprator der Spielgeber war, liefert mithin den

Nachweis, daB die Apollinarspiele zunachst Zirkusspiele waren.

11. Denarius des Sufenas Vs.: Bartiger Kopf des Saturn nach r.

Rs.: Victoria, Palmzweig schulternd, bekranzt die auf erbeuteten Waffen nach 1. sitzende Roma

Der Sachverhalt von 212 wiederholte sich 131 Jahre spater. Der Prator Sex. Nonius Sufenas richtete als Erster die sullanischen ludi Victoriae aus. Um es mit einem

Miinzmeister, wohl seinem Sohne, zu sagen: SEX. NONI(h.s) ?R(aetor) L(udos) VQctoriae) P(rimus) F(ecii) (Abb. II)66. Er war weder Stadtprator in jenem Jahre noch, soweit wir wissen, dessen Stellvertreter, aber im Jahre 81 waren die Pratoren

66 Cfr. Hollstein, Stadtrom. Miinzprdgung, 246. Den im Mesagne-Schatzfund fehlenden Denar

datierte Hollstein von 59 auf ca. 58 herab (Stadtrom. Miinzpr., 244-45). Da aber der gemeinsame Denartyp der kurulischen Adilen d. J. 58 (RRC 422/1) in diesem Schatz erscheint, muB man wohl Sufenas weiter nach unten riicken. Fin* Sufenas hatten C. Hersh - A. Walker, The Mesagne Hoard, ?ANSMN?, 29 (1984), Table 2, bereits d. J. 57 vorgeschlagen. H.B. Matttngly, The Mesagne Hoard and the Coinage of the Late Republic, ?NC?, 155 (1995), 106, datierte Sufenas ins J. 57 und lehnte die Identifizierung mit dem Volkstribunen d. J. 56 ab: ?We should probably distinguish between two Nonii Sufenates." J. Linderski, Three Trials in 54 B.C., in Roman Questions, Stuttgart 1995 [zuerst 1969], 118-23, machte darauf aufmerksam, daB das Volkstribunat streng genommen nicht bezeugt sei, glaubte selbst aber, daB M. Nonius Sufenas Tr. PI. 56 und Pr. 55 gewesen sei. Der Schreibende

meint, daB Sufenas (Cic. Att. 4.15.4) nicht mehr als Tr. PL 56 gelten und daher mit Struma Nonius

(Catull. 52.2), Aed./Pr. 56, identifiziert werden darf: v. The Date of Catullus 52, ?Eranos?, 93 (1995), 113-21. Die in der Forschung geauBerte Vermutung, ?There may... have been two contemporary

Nonii, apart from the Nonii Asprenates, who do not appear until 46" (MRR 3.149), war lange Zeit eine bloBe Vermutung, weil es moglich war und ist, daB es sich bei Nonius Sufenas, M. Nonius und Struma Nonius um ein und denselben Mann handelt. Entgegen dem, was wir damals behaupteten (Catullus 52, 117-18: ?Sufenas was the only prominent Nonius active in politics at this time, and the only Nonius certainly active in the mid-50s rather than the late 50s"), war ein zweiter Nonius Sufenas Mitte der 50er Jahre politisch tatig. Die Vermehrung verlangt aber nicht mehr, daB man etwa Nonius Sufenas von M. Nonius trennt. Als Erster erkannte Hollstein, Stadtrom. Miinzpr., 245-46, daB der Mtinzmeister SVFENAS (Sex. Nonius) Sufenas geheiBen haben muB.

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samtlich das ganze Jahr iiber in der Stadt anwesend. Naturlich durfte Sex. Nonius als der erste Spielgeber fungieren, weil er der Sohn von Sullas Schwester war. Er muBte aber dariiber hinaus auch ein Imperiumstrager sein. In den literarischen

Quellen heifit es, Sulla habe in Erinnerung an den Sieg vom 1. November 82 zirkensische Spiele eingerichtet: felicitatem diei...Sulla perpetua ludorum circen sium honoravit memoria (Veil. 2.27.6); cum Sulla post victoriam circenses faceret ita ut honesti homines quadrigas agitarent, fuit inter eos C. Antonius (Asc. 93C). In der augusteischen Zeit waren die Spiele siebentagig67, deren sechs erste Tage szenisch, daB sie aber zunachst eintagig und rein zirkensisch waren, zeigt der

Umstand, daB ein Prator sie leitete68. Wenn die sullanischen ludi Victoriae von

Anfang an auch szenisch gewesen waren, hatten die kurulischen Adilen, die hinsichtlich der Zahl der Spiele wieder hinter ihren plebejischen Kollegen zuruck lagen, sie ausrichten mussen. Sulla hatte dann seinem Neffen fur das Jahr 81 die kurulische Adilitat verschafft.

Abermals die angesprochene Statue des Pompeius

Wir sind zu dem SchluB gekommen, daB die Apollinarspiele zunachst nur im Zirkus Maximus veranstaltet wurden, weil sie am Anfang reine Zirkusspiele waren, wahrend die szenischen Spiele, die wohl in der Zeit zwischen 201 und 191

eingefuhrt wurden, von vornherein vor dem Heiligtum stattfanden. Diphilus stand mithin vor dem Apollotempel, als er bei den ludi Apollini scaenici die Worte ? tu es magnus

" aussprach. Es erhebt sich also die Frage, ob eine Statue des Pompeius

nahe genug war, um von einer hier errichteten Buhne aus gesehen zu werden. Dessen Reiterstatue kommt nicht infrage, da sie auf den Rostra stand69. Das Theater des Pompeius auf dem Marsfeld befand sich zwar ab dem Jahr 61 im Bau70, es scheint aber ein Stuck zu weit entfernt zu sein, auBerdem stand die einzige fur diesen Komplex belegte Statue in einem Saale, d.h., in der Curia Pompeia71.

Weitere Statuen des Pompeius bezeugen Inschriften72 und es kann noch viel mehr

gegeben haben. Es ist zumindest denkbar, daB eine derselben vor dem benach barten Tempel von Bellona stand. Falls die Buhne vor der nach Westen

zugewandten Seite des Tempels errichtet wurde, hatte die fragliche Statue bei dem

Apollotempel selbst stehen mussen, um den Uberraschungseffekt zu erzeugen.

67 V. Marquardt, Rom. Staatsverwaltung, 3.502-503, 585; Bernstein, Spiele, 317 u. n. 24.

68 Anders Bernstein, Spiele, 317, der meinte, ?die urspriingliche Feier wird nicht auf den Jahrestag des Sieges an der Porta Collina, den 1. November, beschrankt gewesen sein, denn ein

einziger Spieltag hatte der Bedeutung des Siegesfestes... kaum gerecht werden konnen". Er hat sich

aber nicht gefragt, warum denn ein Imperiumstrager mit der Spielgebung betraut war. 69

Zum Reiterstandbild des Pompeius s. M. Sehlmeyer, Stadtrdmische Ehrenstatuen der republi kanischen Zeit. Historizitdt und Kontext von Symbolen nobilitdren Standesbewusstseins, Stuttgart 1999, 206, 209-11.

70 Siehe Sehlmeyer, Stadtrom. Ehrenstatuen, 219.

71 Cfr. Sehlmeyer, Stadtrom. Ehrenstatuen, 219-21, der wahrscheinlich macht, daB das

Stifterbildnis, zunachst eine von der Volksversammlung beschlossene Ehrenstatue, mit der Weihung des Gebaudes zu einer Weihestatue (Cic. Div. 2.23: simulacrum) geworden sei.

72 Siehe Sehlmeyer, Stadtrom. Ehrenstatuen, 220 mit n. 97.

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DIE APOLLINARSPIELE 91

Numismatische Belege fur einen Anspruch auf die Stadtprdtur

Die vernachlassigten Munzzeugnisse bewahren noch Geheimnisse, die es zu Kitten

gilt. In Unkenntnis der fraglichen Emissionen stellten wir einst fest: ?Only a...relative of Sulla could cloak his desire for the urban praetorship in the mantle of family tradition73". Es ist unbestritten, daB ein Sulla der erste Leiter der

Apollinarspiele war, aber die Munzzeugnisse machen deutlich, daB sich wenigstens zwei andere Familien zu den Kultstiftern rechneten, die Marcii Censorini und die

Calpurnii Pisones. Da aber der Stadtprator der Spielgeber war, erhebt sich die

Frage, ob nicht auch diese Familien uber die Apollinarspiele einen Anspruch auf die Stadtpratur erhielten. Nachweisen kann man diesen Anspruch ebenso wenig bei ihnen als bei den Cornelii Sullae. Vielleicht ist es aber nicht reiner Zufall, daB C. Calpurnius Piso (Cos. 67), ein gleichnamiger Nachfahr des Stadtprators von 211, selbst die Stadtpratur, vielleicht im Jahre 7274, innehatte. Sein Vorfahr war freilich Stadtprator und Kultstifter zugleich: Die Bekleidung der Stadtpratur durch seinen Vorfahren, so konnte man meinen, hatte die Verwaltung derselben Jurisdiktion durch den Konsul von 67 gerechtfertigt, auch wenn der Vorfahr vor dem Jahre 212 Stadtprator gewesen ware. Es war aber nicht das Amt im

allgemeinen, das in den Munzbildern zum Ausdruck kam, sondern die Spielgebung im besonderen.

Eindeutiger ist der Fall der Marcii, da deren Anspruch allein mit der Stiftung des Kultes zu rechtfertigen ware. L. Marcius Censorinus (Cos. 39) scheint Anfang 43 die Stadtpratur verwaltet zu haben, bevor er zu Antonius ging, da Cicero ihn fur seine Beteuerungen, er wolle Stadtprator sein, riigte (Cic. Phil 11.11: quid Censorinum? qui se verbo praetorem esse urbanum cupere dicebat, re certe

noluit)15. Bei der Verlosung der Provinzen kam ihm vielleicht mehr als der Zufall zu Hilfe. Die Spriiche gingen aber nicht auf einen Marcius Censorinus zunick und konnten auch andere Mitglieder des marcischen Geschlechts begiinstigt haben. Vielleicht wurde Q. Marcius Rex (Pr. Urb. 144) nicht durch eine seltsame Ftigung mit der Stadtpratur betraut. M. Marcius Ralla (Pr. Urb. 204) fungierte als

Stadtprator bereits neun Jahre nach der Bekanntmachung der Spriiche. In der

Forschung wurde die Frage, ob und wie der Stadtprator von 204 mit dem vates... Marcius (Liv. 25.12.3) verwandt war, offenbar nie gestellt. Zunachst schliefit man die Abstammung des einen von dem anderen aus. Der Seher soil aber, wie Miinzer schon bemerkt hat, im Jahre 213 nicht mehr am Leben gewesen sein, denn uber den Verfasser der marcischen Spriiche schrieb Livius in seinem Bericht zu jenem Jahr: vates hie Marcius inlustris fuerat (Liv. 25.12.3). Es ist also durchaus moglich, ?daB er einer fernen Vergangenheit angehorte"76. Schon der Stadtprator von 204 konnte also der Nachfahr des Sehers gewesen sein bzw. sich als der Nachfahr

ausgegeben haben. Vielleicht aber lagen die Dinge anders. Es ist wahrscheinlich, daB sich das

73 Vf., Second Praetorian Campaign, 403.

74 V. B.W. Frier, Urban Praetors and Rural Violence, ?TAPA?, 113 (1983), 224, 229.

75 Cfr. F. Munzer, Marcius 48, RE, XIV (1930), 1554: ?Fur 711=43 verschaffte ihm... Antonius

die Praetur, und zwar die Stadtpraetur; aber er folgte dem Antonius im Anfang des Jahres in den mutinensischen Krieg"; Broughton, MRR 2.588: ?Pr. 43 (perhaps urb. before going to Mutina to

Antony)". 76 So Munzer, Marcius 2, 1538.

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92 F.X. RYAN

ganze Geschlecht mit den carminibus Marcianis (Liv. 25.12.2) hervortat. Bestatigt wird diese Vermutung dadurch, dafi zwei Versionen ihrer Entstehung auf uns

gekommen sind. In der Version, die sich bei Livius befindet und daher besser bekannt ist, tritt nur ein einziger Weissager auf. Dieser wird nur einmal mit einem Vornamen versehen: in carmine Cn. Marci vatis (Fest. 162L). Da ein Cn. Marcius Censorinus (Tr. PI. 122?) als Volkstribun bezeugt ist, konnte der Vorname auf das Konto der Marcii Censorini gehen. In der anderen Version, die sich zwar bei

Cicero, aber in einer Wechselrede befindet und daher weniger bekannt ist, gibt es zwei Wahrsager, ein Bruderpaar von vornehmer Herkunft: quo in genere Marcios

quosdam fratres, nobili loco natos, apud maiores nostros fuisse scriptum videmus

(Cic. Div. 1.89). Bruder, die nobili loco waren, wtirde man normalerweise in den Fasten vermuten. M. Marcius Ralla haben wir unter den Pratoren vorgefunden. Es ist uns nur noch ein Marcius Ralla tiberhaupt bekannt, ein Q. Marcius Ralla

(Tr. PL 196), der wenig spater unter den Volkstribunen in Erscheinung tritt. Munzer

gab nicht an, wie wohl der eine mit dem anderen verwandt war77. Sie konnten aber Bruder gewesen sein, Sohne eines Mannes, der ein diinnes Untergewand (cfr. Plaut. Epid. 230: tunicam rallam, tunicam spissam) vorzog. Es stellt sich also nicht die Frage, ob der Stadtprator M. Marcius Ralla mit dem Seher Marcius verwandt war, sondern vielmehr, ob er nicht selbst der Seher war, oder genauer, einer von ihnen. Wenn nicht alles tauscht, ist diese Frage zu bejahen78.

Der Anlafi zur Einrichtung der Jahresspiele

In seinem Bericht tiber die Apollinarspiele von 212, also uber den Ursprung der

Spiele, unterstrich Livius, daB sie nicht wegen der Gesundheit gelobt und durchge fuhrt worden seien: haec est origo ludorum Apollinarium, victoriae, non valetu dinis ergo, ut plerique rentur, votorum factorumque (Liv. 25.12.15). Macrobius

pflichtete ihm bei: invenio in litteris hos ludos victoriae, non valetudinis causa, ut quidam annalium scriptores memorant, institutos (Macrob. 1.17.27). Vielleicht wuBte Livius schon an dieser Stelle, was er in seinem Bericht uber die

Apollinarspiele von 208, also tiber die ersten Jahresspiele, schreiben wiirde: eo anno pestilentia gravis incidit in urbem agrosque, quae tamen magis in longos morbos quam in perniciales evasit. eius pestilentiae causa et supplicatum per compita tota urbe est, et P. Licinius Varus praetor urbanus legem ferre adpopulum iussus, ut ii ludi in perpetuum in statam diem voverentur (Liv. 27.23.6-7). Livius kam also ohne eine Seuche nicht aus, weil, so vermutet man, die Einrichtung der

Jahresspiele sonst durch nichts motiviert gewesen ware. Wir miissen aber ohne diese Seuche auskommen. Die Krankheit soli einerseits so lange anhaltend gewesen sein, daB sie in die Geschichte einging, aber andererseits nicht so schwer, daB die

Menschen ihr erlagen. Glaub es, wer kann.

77 V. F. Munzer, Marcii 86-87, RE, XIV (1930), 1581.

78 Damit ist nicht gesagt, daB die Version bei Cicero richtig ist. Die iiberlieferten Spriiche gelten sowieso als ?Annalistenerfindung": so A. Klotz, Marcius 2, RE, XIV (1930), 1542. Die echten

Spriiche muBten zwar einst abgefaBt worden sein, wir konnen aber nicht ruhig voraussetzen, daB

entweder die eine oder die andere Version der Urheberschaft richtig ist: Beide Versionen konnten

eher auf Vermutungen als auf einer Uberlieferung basieren. Oben ging es uns nicht darum, die Version

Ciceros zu beweisen, sondern darum, dessen gerippartige Version zu erganzen.

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DIE APOLLINARSPIELE 93

Fur uns ist es auch nunmehr leicht moglich, ohne diese Seuche auszukommen. Die Jahresspiele wurden aus einem anderen Grund erst im Jahre 208 eingerichtet: Die curules equi waren wieder da! Wir dtirfen davon ausgehen, daB die Zensoren von 209-208, etwa in der zweiten Halfte des Jahres 209, die im Jahre 214 versaumte locatio curulium equorum praebendorum wieder vornahmen79. Daraus

ergibt sich, daB die Romer nicht bereit waren, die Konsuln bzw. die Stadtpratoren der Zwischenzeit eine solche locatio machen zu lassen. Die locatio blieb den Zensoren vorbehalten. Ein staatlicher ZuschuB fur die Zirkusspiele kommt mithin nur fur die Jahre 211-209 infrage. Im Jahre 212 gab es die stips, ab dem Jahre 208 waren die curules equi praebendi verfugbar, deren locatio den ZuschuB

uberflussig machte. Es ist ohne weiteres moglich, daB der SenatsbeschluB von 211 die nachsten Zensoren aufforderte, die herkommliche locatio curulium equorum praebendorum vorzunehmen. Jener SenatsbeschluB war, daran sei erinnert, referente Calpurnio praetore (Liv. 26.23.3) gefaBt worden80. R Cornelius Sulla war also im Jahre 212 der erste Spielgeber gewesen (Liv. 27.23.5: ludi

Apollinares... a R Cornelio Sulla praetore urbano primum facti erant); R Licinius Varus war spater im Jahre 208 der erste Leiter der Jahresspiele (Liv. 27.23.7: R Licinius Varus praetor urbanus... primus ita vovit fecitque). C. Calpurnius Piso war aber nicht nur der erste Leiter der ludi Apollinares publici, indem er die stips durch einen ZuschuB ersetzte, sondern auch der eigentliche Griinder der Jahresspiele, indem er die diesen ZuschuB ersetzende locatio mehr oder weniger unumgang lich machte.

Die venatio der Stadtpratoren

?Abgesehen von den spaten... Mtinzzeugnissen", so Bernstein, ?liegen" neben den Nachrichten zu den szenischen Auffuhrungen ?nur noch Nachrichten tiber Tierhetzen an den ludi Apollinares vor81". Ausgerichtet wurden nach Scullard

?beast-hunts (venatio) [so!] at these Games, but... not... gladiatorial combats82"; auch Habel lieB venationes ?an den Apollinarspielen" stattfinden83. In einem am 27. Juli 54 verfaBten Briefe unterscheidet Cicero indes die Apollinarspiele, die schon vorbei waren, von der Tierhetze, die auf spater verschoben worden war: ludi magnifici et grati; venatio in aliud tempus dilata (Cic. Att. 4.15.6). Da die

eintagigen Apollinarspiele schon ab dem Jahr 208 an einem festen Tage begangen wurden, liegt die Vermutung nahe, daB eine Veranstaltung, die verschoben werden konnte, streng genommen kein Bestandteil des Festes war. Bestatigt wird diese

79 Wagenrenneri werden dann auch bei den Apollinarspielen stattgefunden haben. Mdglicherweise

wurden sie schon in den J. 210-209, auf jeden Fall aber ab dem Jahre 208 veranstaltet. 80

Man konnte einwenden, dafi der ZuschuB ins Wanken komme, weil die Munzbilder der

Calpurnii Pisones durch den BeschluB iiber die Zirkusspiele erklarbar seien. Man kann aber kaum samtliche Zirkusspiele dieser Zeit mit der stips decken, da die stips in Vergessenheit geriet. Wenn die Apollinarspiele in den Jahren 211-209 durch einen ZuschuB gedeckt wurden, wurde wohl auch der zirkensische Bestandteil der Romerspiele in denselben Jahren durch einen ZuschuB gedeckt. Von

Zirkuspferden wurde dann vielleicht bei den Romerspielen in den Jahren 214/213-212 tatsachlich Gebrauch gegen kunftige Bezahlung gemacht. 81

Bernstein, Spiele, 184 n. 384. 82

H.H. Scullard, Festivals and Ceremonies of the Roman Republic, London 1981, 160. 83 E. Habel, Ludipublici, RE, Suppl. 5 (1931), 623.

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scharfe Trennung der venatio von den ludi durch einen Brief Ciceros aus dem Jahr 44: Der Stadtprator M. Brutus, qui ludis suis... caruit (Cic. Phil. 1.36), regte sich auf, weil die Apollinarspiele, fur welche in seiner Abwesenheit sein Kollege C. Antonius zustandig war, nicht fur die Nonen des Quintilis, sondern fur die des Iulius angekiindigt worden waren: itaque sese scripturum aiebat, ut venationem earn, quae postridie ludos Apollinares futura est, proscriberent in II Id. Quint. (Cic. Att. 16.3[4].l)84. Aus diesem Brief erfahren wir, daB die venatio nach den

eigentlichen Apollinarspielen stattfand. Aller Wahrscheinlichkeit nach sollte die venatio auch im Jahre 54 am 14. Juli stattfinden, darum konnte man von einer

Verschiebung sprechen: Wenn die Tierhetze uberhaupt stattfand, wurde sie am 14. Juli ausgerichtet, es sei denn, daB sie verschoben wurde. DaB die venatio eine fakultative Veranstaltung war, ist auch an der Pluralform proscriberent erkennbar: Offenbar war nicht C. Antonius fur die venatio zustandig

- er wurde also vom Senate mit der Ausrichtung derselben nicht betraut -, sondern mehrere Freunde von Brutus, die auf ihn zu horen bereit waren. Die ludi Apollini circenses fanden also vor der venatio statt85, streng genommen aber am letzten Spieltag. Jeder

Gewahrsmann, der wie Plutarch den Eindruck entstehen laBt, ein Stadtprator miisse

(Plut. Brut. 21.3: 6(peiXe) eine Tierhatz (Brut. 21.5: Gnnio:) veranstalten, liegt falsch86. Die venatio wird freilich im Zirkus stattgefunden haben (cfr. Sen. Brev. vit. 13.6: quod primus L. Sulla in circo leones solutos dedit, cum alioquin alligati darentur). Wir haben also zu guter Letzt Spiele ausfindig gemacht, die zwar im Zirkus stattfanden, aber keine ludi circenses waren, nicht die szenischen Spiele fur Apollo, sondern die Tierhatz des Stadtprators.

Die munera der Stadtprdtoren

Nach der Besprechung der venatio bietet es sich an, ein altes Problem

anzuschneiden, namlich den Unterschied zwischen ludi und munera. Die Prahlerei, die hochsten Amter sine ullo munere erlangt zu haben (v. Cic. Off. 2.59), ist seit

langem in der deutschsprachigen Forschung als eine Aussage tiber ?Spiele," in der englischsprachigen Forschung ihrerseits als eine Aussage tiber ?games" aufgefaBt worden. Wer sich so wichtig getan habe, der sei kein Adil gewesen.

Man hat also sowohl ludi als auch munera mit dem Wort ,,Spiele" bzw. ?games" wiedergegeben und danach, nur noch mit der inkorrekten Ubersetzung befaBt, aus der deutschen bzw. englischen Version der Prahlerei gefolgert, daB keiner der Betreffenden die Adilitat bekleidet habe87. Beweisen kann man alles, wenn man

84 An dieser Stelle ist zwar die Ziffer III tiberliefert, weshalb Habel, Ludi, 623, die venatio am 13. Juli stattfinden lieB, wir wissen aber, daB der 13. der SchluBtag war, so dafi postridie die

Verbesserung zu IIId. Quint, wie bei D.R. Shackleton Bailey (Stuttgart 1987) geschieht, verlangt. 85 DaB sie auseinander zu halten sind, wufite schon Marquardt, Staatsverwaltung 32.385: ?Den

Haupttheil des Festes bildeten scenische Spiele, neben welchen indessen eine venatio und ludi circenses stattfanden."

86 Dagegen ist die Angabe, welche die Tierhetze nicht wahrend der Spiele, sondera im Laufe

des Amtsjahres stattfinden lafit (etwa Plin. NH 8.53: centum autem iubatorum primus omnium L.

Sulla, qui postea dictator fuit, in praetura), nicht zu beanstanden. 87

Cfr. Vf., Three Aedileships: Philippus, Cotta, Curio, ?ActaCl?, 38 (1995), 97-98; dieser Aufsatz hat zwischen ludi und munera erst ansatzweise differenziert.

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DIE APOLLINARSPIELE 95

sich erlaubt, zwei verschiedene lateinische Worter mit einem deutschen bzw.

englischen wiederzugeben. Die Aufgabe der Forschung besteht darin, die beriichtigten munera von den

anerkannten ludi zu sondern. Ein munus war nichts, was ein Amtsinhaber zu tun

verpflichtet war: Wer seine Pflicht tat, der muBte sich spater dafur nicht schamen. Ein munus war also nicht das, was man tun muBte, sondern das, was man zwar tun durfte, aber besser nicht tat. Fiel das munus in das Amtsjahr, dann machte

man es zwar in der Amtszeit, aber nicht von Amts wegen. Die venatio ist nun ein konkretes Beispiel fur ein munus der Stadtpratoren. Diese Erkenntnis ist nicht

ganz neu. Schon vor gut 60 Jahren stellte J. Regner fest: ?Alle sonstigen Schaustellungen wie Tierhetzen, Gladiatorenspiele u. a. gehoren, obwohl sie bis zur Erbauung des Amphitheaters und bisweilen auch noch spater wegen der

gxinstigen Platzverhaltnisse im Zirkus stattfanden, nicht mehr zu den L(udi) c(ircenses), sondern zur Gattung der munera" *s.

Die Ausgabe muBte auf jeden Fall fakultativ sein, um als ein munus qualifi ziert zu werden. Moglicherweise muBte die Summe groB sein. Cicero, der die Prahlerei sine ullo munere offenbar nicht wiederholen konnte, sagte wirklich nicht, daB die Ausgaben in seiner Adilitat gering waren, sondern daB sie an dem

gemessen, was er damit erreichte, gering waren: nam pro amplitudine honorum

quos cunctis suffragiis adepti sumus nostro quidem anno... sane exiguus sumptus aedilitatis fuit (Cic. Off. 2.59). So klein war die Summe also auch wieder nicht.

Wenn wir die romischen Politiker befragen konnten, wiirden wir wohl heraus

finden, daB sie sich uber die Definition von munus nicht einig waren. Wie waren etwa geschenkte Raubtiere, fur die der Spielgeber also nichts zahlte, einzustufen?

Wie waren etwa Requisiten, die der Spielgeber zwar kaufte, aber dann wieder -

vielleicht sogar mit Gewinn - verkaufen konnte, einzustufen? In diesem Zusammenhang sei auf eine wenig beachtete Nachricht des Livius

aufmerksam gemacht. Die Zensoren von 174-173 locaverunt...et scaenam aedilibus

praetoribusque praebendam (Liv. 41.27.5-6). Dieser Notiz entnahm Bernstein zu

Recht, daB das im Jahre 179 in Auftrag gegebene Theater ad Apollinis wohl nie errichtet worden sei89. Bernsteins weitere Deutung der Nachricht tiberzeugt nicht. Er verstand unter scaena ein standiges Bauwerk, das nicht vor dem Tempel des

Apollo stand: Die Stadtpratoren waren ?nun wieder auf einen anderen

Veranstaltungsort angewiesen," da die scaena ?mehreren Gelegenheiten" gedient zu haben scheint; er wuBte nicht, wo sich die scaena befand, schloB aber den Zirkus aus, da ein standiges Theater den Rennbetrieb gestort hatte; schlieBlich

fragte er, ?ob auch sie schon bald wieder eingerissen wurde, wie der Plan ftir das erste steinerne Theater von 154 nahelegen konnte"90. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich hierbei um vorgefertigte Teile einer holzernen Buhne, die

jeweils vor dem entsprechenden Tempel von servi publici schnell zusammenge baut wurden. Sonst handelt es sich um einen funfjahrigen vertrag, nach welchem die betreffende firma dies zu tun hatte. Es muBten also ab der Zensur von 174 173 keine Spielgeber mehr fur eine Buhne aufkommen. Offenbar hatte der Zensor

M. Aemilius Lepidus sein Bauvorhaben mit den Kosten fur das temporare Theater

88 J. Regner, Ludi circenses, RE, Suppl. 7 (1940), 1644. 89

Bernstein, Spiele, 294-95. 90

Bernstein, Spiele, 295.

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gerechtfertigt. Demnach war die scaena praebenda eine Neuerung der Zensoren von 174-173. Davor war die Buhne eine notwendige Ausgabe, daher kein munus.

Wem die scaena praebenda nicht gut genug war, der muBte sein munus gestehen. Kurzum, der Stadtprator, dessen ludi nicht auffielen und der auf die venatio

verzichtete, konnte im Nachhinein mit der Parole sine munere renommieren.

Namhafte Besucher der Apollinarspiele

Sullas pratorische repulsa vermittelt den Eindruck, daB die Menschen vor allem von den zirkensischen Spielen begeistert waren. Eine Episode aus dem Jahre 63

bezeugt indes Menschen, die zwar den Ritterzensus nicht hatten, aber trotzdem an den szenischen Spielen interessiert waren. Was namhafte Besucher der Spiele anbelangt, so muB man magistratus und privati auseinanderhalten. Jene konnten in amtlicher Eigenschaft dabei gewesen sein, wahrend diese fur ihre An- oder

Abwesenheit private Griinde gehabt haben werden. Nicht der geringste Grund war das Verhaltnis des namhaften Besuchers zu dem Spielgeber, wie wir sehen werden. Im nachstehenden wird an den Beispielen der Jahre 59, 54 und 63 verdeutlicht,

was wir uber den Besuch der Apollinarspiele durch namhafte Manner wissen. Fur

jedes Jahr nach der Einrichtung der Spiele kann man aber vermuten, welche privati sie sausen lieBen, vorausgesetzt, daB man sowohl den Namen des Stadtprators als auch etwas uber die von ihm unterhaltenen Beziehungen weiB. Die Nachrichten, die uns AufschluB uber die Spielleiter geben, informieren uns aber zugleich uber die Spieltage und den Ort der szenischen Darbietungen.

Die Spielgeber der Jahre 59 und 54

Ware Diphilus an jenem bewuBten Tag weniger imposant gewesen, so ware er

uberhaupt nicht in die Geschichtsbucher eingegangen. Er war schlieBlich

Schauspieler und das heiBt, ein Nichts91. Eben deswegen kann man ausschlieBen, daB er von sich aus zu der Entscheidung kam, einem ehemaligen Konsul ein paar hinter die Ohren zu geben. Diphilus machte das also im Auftrag, und diesen bekam er von seinem Chef, dem Spielgeber. Wir ersehen also aus den Vorhaltungen, daB der Stadtprator des Jahres 59 kein Freund des Pompeius war. Das ist insofern eine

Bereicherung unserer Kenntnisse, als wir wuBten, weder wer der Stadtprator war noch mit wem er verfeindet war. Leider laBt sich jenes nicht uber dieses ermitteln, denn der infrage kommende Mann konnte zu den drei uns unbekannten Pratoren des Jahres zahlen92.

Fur Abhilfe sorgen die Apollinarspiele des Jahres 54. Cicero ging am 9. Juli

91 Eine andere Sache war es, eine Person in ihrer Eigenschaft als Schauspieler zu bewundern.

In seinem Bericht iiber die Apollinarspiele d. J. 54 erwahnte Cicero (Att. 4.15.6) eine gewisse Mimin in der Erwartung, daB Atticus iiber sie etwas horen wollte: quaeris nunc de Arbuscula; valde placuit.

Zur Person s. M. Bonarias, Nachtrag zum Artikel Arbuscula, RE, Suppl. 10 (1965), 40; H. Leppin, Histrionen, 212.

92 Zum Jahre 59 gibt Broughton (MRR 2.188-89) funf Personen an, von denen zwei eine

Quastionenpratur innehatten und ein weiterer, T. Ampius, bei seiner Kandidatur fur das Konsulat d. J. 54 von Pompeius untersttitzt wurde (Schol. Bob. 156St).

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DIE APOLLINARSPIELE 97

nach Rom, nicht so sehr wegen der Spiele, sondern um des Spielgebers willen: redii Romam Fontei causa a. d. VII Id. Quintiles. veni spectatum primum magno et aequabili plausu (Cic. Att. 4.15.6). Broughton bezeichnete diesen sonst nicht

bezeugten Fonteius als ?Pr.? Urb.? 54" und erklarte: ?Perhaps a Pr. Urbanus, since Cicero returned to Rome to the Ludi Apollinares for his sake"93. Da Cicero nicht erst am 13. Juli Fontei causa auftauchte, war dieser jedenfalls kein Reiter und kein Wagenlenker. Soweit wir wissen, wurde das Opfer, das schon fur die Spiele des Jahres 212 belegt ist (Liv. 25.12.12-13), ab dem Jahr 208 an dem ursprung lichen, zunachst einzigen festen dies... sollemnis (Liv. 27.23.7) vollzogen, also am 13. Juli94. Fonteius scheint mithin kein Quindecimvir gewesen zu sein95, was ja eine Stelle auf Lebenszeit war, Cicero also nicht nur in diesem einen Jahr

verpflichtet hatte. Fonteius ist vielmehr mit den ludi scaenici verbunden. Er konnte sich als Schauspieler betatigt haben. Man brauchte freilich keinen griechischen

Namen zu ftihren, um auf die Buhne treten zu dtirfen, ein Akteur namens Fonteius ist also durchaus vorstellbar, wohl aber keiner, der daruber hinaus mit Cicero eng befreundet war, wahrend die Worte Fontei causa Ciceros Anwesenheit im Theater nur als einen Freundschaftsdienst verstehen lassen. Falls Fonteius nicht der

Spielgeber war, muB er der Besitzer von einem auftretenden Sklaven bzw. der Herr eines freigelassenen Schauspielers gewesen sein. Antiphon, der die

Siegespalme davontrug, war gerade freigelassen worden, Cicero (Att. 4.15.6) sagt aber nicht, von wem, und Antiphon begegnet uns in keiner zweiten Quelle96. Wir ersehen hieraus, daB Cicero zwar nicht sehr erpicht auf die szenischen Spiele fur

Apollo, aber trotzdem bereit war, sie seinem Freund zuliebe zu besuchen. DaB dieser der Spielgeber war, wird dadurch wahrscheinlich, daB fur den Spielgeber mehr auf dem Spiel stand als fur den Besitzer, denn er bekam nur diese eine Chance im Leben, die Apollinarspiele zu veranstalten.

Es verhielt sich nicht anders zehn Jahre spater: M. Brutus bat Cicero brieflich, die Apollinarspiele auf keinen Fall zu versaumen (Plut. Brut. 21.6). Auch nicht anders wird es sich funf Jahre davor verhalten haben. Es kann sein, daB Caesar als amtierender Konsul bis zu einem gewissen Grade verpflichtet war, den Spielen beizuwohnen97. Man wird seiner Anwesenheit aber entnehmen durfen, daB er mit dem Stadtprator wenigstens nicht verfeindet war, der Ciceros, daB er mit demselben befreundet war98. Die Abwesenheit des Pompeius scheint zu bedeuten, daB er

93 Broughton, MRR 2.221, 566.

94 Cfr. Scullard, Festivals and Ceremonies, 164. 95 Noch Bernstein, Spiele, 178, glaubt, ?daB der Stadtpraetor P. Cornelius Sulla... gleichzeitig

Decemvir war." Da aber der Uberlieferungszweig, der das Decemvirat bezeugt (Macrob. 1.17.27), nichts von der StadtprStur weiB, liegt wohl ein MiBverstandnis vor.

96 Cfr. J. Kirchner, Antiphon 11, RE, I (1894), 2526. 97 Otho ist fur d. J. 63 als Prator bezeugt (Plut. Cic. 13.2). Da Ciceros de Othone (Cic. Att.

2.1.3) bei Arusianus (Gramm. hat. 7.490) cum a ludis contionem avocavit heiBt, liegt die Vermutung nahe, daB auch er in seinem Konsulatsjahr den Apollinarspielen beiwohnte. Plutarch (Cic. 13.4) meinte, er sei zum Theater gekommen, als er von dem Vorfall erfahren habe, es ist aber wenig wahrscheinlich, daB er zwar in der Stadt, aber trotzdem nicht bei den Spielen anwesend war. Wenn Otho selbst nicht der Spielgeber war, wie vermutet worden ist (v. Vf., The Praetorship of L. Roscius

Otho, ?Hermes?, 125, 1997, 236-40), dann wohnte auch er wahrend seines Amtsjahres offentlichen

Spielen bei. 98 Von den uns bekannten Pratoren d. J. 59 scheint auf den ersten Blick eher L. Appuleius

Saturninus als Q. Fufius Kalenus derjenige zu sein, der auf die Anwesenheit Ciceros zahlen konnte.

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98 F.X. RYAN

schon vor den Apollinarspielen mit dem Stadtprator nichts zu schaffen haben wollte. Damit erfahren wir neben der politischen Gesinnung auch etwas uber den Freundeskreis des Stadtprators des Jahres 59.

Die Freundschaft, die Cicero zum Besuch der Apollinarspiele von 54 bewog, machte es fur ihn unmoglich, freiheraus zu sagen, was er von ihnen hielt. Cicero iibte zwar haite Kritik an Antiphon, aber interessanterweise bat Atticus, das nicht

weiterzugeben: sed nihil tarn pusillum, nihil tarn sine voce, nihil tarn - [Cicero soli an dieser Stelle verstummen]

- verum haec tu tecum habeto (Cic. Att. 4.15.6)". Die Bitte um Diskretion widerspricht der Folgerung Broughtons nicht im gering sten. Wir wissen namlich, daB M. Brutus personlich nach Neapel ging, um die

Dionysos-Techniten fur die Apollinarspiele des Jahres 44 anzuwerben, und zudem seine Freunde brieflich beauftragte, einen griechischen Schauspieler namens

Cannutius, tiber welchen die Uberlieferung sonst schweigt 1005 zur Reise nach Rom zu uberreden (Plut. Brut. 21.5-6). Der Stadtprator nahm also einiges auf sich, um schon bei den ludi scaenici die Zuschauer zu beeindrucken. Antiphon habe nun die palma verdient (Att. 4.15.6: in Andromacha tamen maior fuit quam Astyanax, in ceteris parem habuit neminem), was nur heiBen kann, daB die Konkurrenz sehr schwach war. Und das alles - einmal daB die Leistung des Siegers so erbarmlich, zum anderen daB die tibrigen noch schlimmer waren - warf wahrlich kein gutes Licht auf den Spielgeber, der sich so ins Zeug hatte legen sollen, wie es spater Q. Caepio tat. Cicero wollte also nicht, daB sein Freund Fonteius, der als Spielgeber dem Antiphon den Siegespreis verlieh101 und gewiB davon gern zehren wurde,

Wind von seiner Kritik bekam, zumal er ihm ja ein Kompliment uber die szenischen Auffuhrungen schon gemacht haben muB! Ciceros abschliefiende

Bemerkung ludi magnifici et grati (Att. 4.15.6) erscheint unvermittelt, ist aber wohl weniger positiv, als sie zunachst wirkt: Mit ludi bezieht er sich zweifels ohne auf den ganzen Vorgang im Theater und im Zirkus, mit magnifici lediglich auf die Pracht, und mit grati darauf, wie es im allgemeinen ankam, nicht bei ihm im besonderen.

Fur den Stadtprator des Jahres 54 sind nur der Gentilname und die

Beziehungen zu Cicero bezeugt, das Amt seinerseits so gut wie namentlich genannt. Den Beziehungen darf man indes entnehmen, daB der Spielgeber mit dem von Cicero verteidigten Statthalter Galliens verwandt war. Dieser stand wohl nicht

ganz so allein, wie Mtinzer dachte, nach dem C. Fonteius, der Legat des M. Fonteius in Gallien, ?keinesfalls ein Bruder des Statthalters" war, ?weil Cicero dies erwahnen muBte102". Ihm hat M. C. Alexander soeben entgegengehalten: ?More probably, the prosecutor had used the kinship to discredit any defense claim that C. Fonteius had acted independently of the defendant, and Cicero avoids

Die Hilfe, die Kalenus i. J. 61 dem Clodius leistete, diirfte aber noch vor dem Exil Ciceros verzeih lich erschienen sein, auBerdem war der junge Cicero mit Kalenus pater gut ausgekommen (Cic. Phil. 8.13: pater tuus quidem, quo utebar sene auctore adulescens, homo severus etprudens); v. F. Munzer, Fufms 9, RE, VII (1910), 204. 99 Man konnte zwar darin den Beweis sehen, daB Antiphon der Freigelassene des Fonteius war, aber man miiBte die Position beziehen, es sei damals eine Pflicht gewesen, bei dem Auftritt des

Freigelassenen jedenfalls engerer Freunde dabei zu sein, was doch ziemlich weit hergeholt zu sein scheint.

100 Cfr. F. Munzer, Cannutius 1, RE, III (1899), 1485.

101 Cfr. Bernstein, Spiele, 306 mit n. 456-457.

102 F. Munzer, Fonteius 7, RE, VI (1909), 2842; MRR 2.566: ?Leg., Lieut. 74-72".

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Page 34: DIE APOLLINARSPIELE ZUR ZEIT DER REPUBLIK

DIE APOLLINARSPIELE 99

reminding the jurors of this point103". Der Stadtprator des Jahres 54 konnte der Sohn des Legaten, der Neffe des Statthalters gewesen sein. Es ist aueh gerade noch moglich, daB M. Fonteius (Q. Urb. 83 104, Pr. ca. 75) der Vater des Stadtprators ist. Mtinzer schlofi aus der nicht vollstandig erhaltenen Rede, daB Fonteius -

damals wohl wenigstens 45 Jahre alt - ?noch unverheiratet und kinderlos" war, ?da Cicero nur seine Mutter und Schwester als Furbitterinnen auftreten laBt

(46ff.)105". Es ist aber zu betonen, daB Mtinzer nichts von dem Stadtprator des Jahres 54 wuBte, denn dieser fehlt in der Realencyclopadie. Hatte Mtinzer gewuBt, daB der Stadtprator des Jahres 54 Fonteius hieB und mit Cicero freundschaftlich

verkehrte, hatte er wohl die Vermutung geauBert, daB der Stadtprator des Jahres 54 der Sohn des M. Fonteius sein konnte.

Eine neue Stufe in der Ausdehnung der Spieltage

Der vernachlassigte Brief aus dem Jahre 54 ermoglicht einen weiteren Nachtrag zu den Apollinarspielen. Broughton war offenbar der erste Prosopograph, der in dem schattenhaften Fonteius einen Stadtprator sah, wahrend bisher keiner der mit den offentlichen Spielen befaBten Historiker in den betreffenden ludi die Apollinares ludi zu erblicken vermochte. Es begegnet daher in der Sekundarliteratur immer wieder und immer noch die Feststellung, die Spiele seien mindestens

dreitagig im Jahre 190, genau siebentagig im Jahre 44 gewesen106. Wir ersehen nun aus Ciceros Ankunft Fontei causa am 9. Quintilis, daB die Spiele im Jahre 54 genau funftagig waren. Demnach hatte sich Brutus der Gerechtigkeit halber

mit der Anktindigung seiner Spiele fur die Nonen von Iulius zufrieden geben sollen: DaB der 7., wie der 8., tiberhaupt ein Spieltag war, verdankte er anschei nend dem Diktator.

Das Datum von Ciceros Rede uber Otho

Unsere Beitrage zu dem Veranstaltungsort und den Spieltagen der ludi Apollini scaenici versetzen uns in die Lage, Ciceros Rede iiber Otho mit einem genauen Datum zu versehen. Im nachhinein betrachtete Cicero die de Othone als die dritte

(der Reihe nach) der zehn wichtigsten, von ihirti gehaltenen orationes... consulares

(Att. 2.1.3). DaB Cicero in der Rede die offentlichen Spiele ansprach, lehrt das

einzige, uns erhaltene Fragment: Cerealia, Floralia ludosque Apollinares deorum immortalium esse, non nostros (ap. Arus. in Gramm. Lat. 7.490). DaB sich die

Rede aber um ludi drehte, zeigt schon der Titel, den die Rede bei Arusianus Messius (Gramm. Lat. 7.490) tragt, cum a ludis contionem avocavit, dann aber

103 M.C. Alexander, The Case for the Prosecution in the Ciceronian Era, Ann Arbor 2002,

277 n. 34. 104

Dafi er nicht schon i. J. 85 oder 84, sondern erst i. J. 83 die stadtische Quastur innehatte, ist so sicher wie das Amen in der Kirche; v. Vf., The Quaestorships of Hirtuleius and M. Fonteius, ?Hermes?, 124 (1996), 250-53.

105 F. MOnzer, Fonteius 12, RE, VI (1909), 2845. 106

Marquardt, Staatsverwaltung, 32.385 n. 6; Habel, Ludi publici, 623; Scullard, Festivals and Ceremonies, 160; Bernstein, Spiele, 182-83.

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100 F.X. RYAN

auch der Bericht Plutarchs (Cic. 13.2-4), nach welchem Cicero eine Rede vor dem Volk gehalten habe, um fur den soeben ausgepfiffenen Otho einzutreten. Plutarch allein schildert den Vorfall und bereichert unsere Kenntnisse um zwei wichtige Einzelheiten: Der Vorfall habe im Theater stattgefunden, also bei ludi scaenici, die contio ihrerseits vor dem Tempel der Bellona. Der Ort der Kundgebung wird in der Sekundarliteratur entweder uberhaupt nicht erwahnt, weil man mit ihm nichts anfangen kann107, oder mit einem Fragezeichen versehen108. Da wir aber zu dem Ergebnis gekommen sind, daB die ludi Apollini scaenici vor dem Tempel des

Apollo ausgerichtet wurden, verrat die Tatsache, daB die Kundgebung vor dem

Tempel der Bellona stattfand, also neben dem Tempel des Apollo, den Namen der

Spiele, bei welchen Otho ausgepfiffen wurde: Es konnen diese nur die ludi Apollini scaenici gewesen sein. Wir haben gesehen, daB diese Spiele neun Jahre spater bereits am 9. Juli anfingen. Soweit wir wissen, pflegte der Zuschauer schon am ersten Tag der Spiele dabei zu sein, wie Cicero es um des Fonteius willen tat. An demselben Tag, also am 9. Juli 54, war der Quastor Faustus Sulla in einer lectica

unterwegs (Asc. 20C). Es braucht nicht erst gesagt zu werden, daB der Spielgeber am ersten Tag anwesend war. Otho wird also so oder so am ersten Spieltag aufgetaucht und gleich beim Betreten des Theaters, wie das so iiblich war, ausgep fiffen worden sein. Die Spiele werden nicht in Abwesenheit des Spielgebers angefangen haben, und die meisten Zuschauer werden wohl rechtzeitig Platz

genommen haben. Der Vorfall wird sich daher gleich vor den eigentlichen Spielen ereignet haben, so daB sich der Beginn derselben etwas hinauszogerte. Auch Ciceros Rede war mithin eine Art Vorspiel. Man wird nunmehr mit Zuversicht

sagen konnen, daB Cicero seine Rede de Othone am 9. Juli 63 hielt.

Der Spielgeber des Jahres 63

Da Otho als Prator bezeugt sei und in seinem Amtsjahr bei Spielen eins hinter die Ohren bekommen habe, kamen wir an anderer Stelle zu dem SchluB, daB er wohl als Stadtprator fungiert habe, ja, daB in seinem Fall der Amtsbezirk sicherer sei als das Amt selbst: ?While we might not wish to swear upon a stack of Bibles that Otho held the praetorship, it seems certain enough that if he ever did hold the praetorship, he held the urban praetorship of 63109". Wir machten auf das

vierjahrige Intervall zwischen der Verabschiedung des Gesetzes und dem Eklat aufmerksam und folgerte, daB Otho zwar in der Zwischenzeit szenische Spiele besucht hatte, aber erst im Jahre 63 den Vorsitz gehabt habe und darum erst in

jenem Jahre beleidigt worden sei110. Wir hatten aber die Moglichkeit, daB er schon in seinem Tribunat den Zorn der Menge zu spuren bekommen hatte und deswegen in der Folgezeit den Spielen fernblieb, in Betracht ziehen sollen. Wir hatten uns auch fragen sollen, ob das, was ihn zum Besuch der Spiele bewog, der Umstand

war, daB einer seiner Kollegen die Funktion des Spielgebers ausubte. Da seine Anwesenheit bei den Spielen nicht verlangt, daB er der Spielgeber war, sondern

107 Cfr. Vf., The Praetorship of Otho, 237.

108 Cfr. F. Pina Polo, Las contiones civiles y militares en Roma, Zaragoza 1989, 183 mit n. 7, 291.

109 Vf., The Praetorship of Otho, 240.

110 Vf., The Praetorship of Otho, 237.

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Page 36: DIE APOLLINARSPIELE ZUR ZEIT DER REPUBLIK

DIE APOLLINARSPIELE 101

verstandlich bleibt, wenn er einer der Kollegen desselben war, ist das fur ihn

belegte Amt sicherer als der fur ihn nicht belegte Amtsbezirk: Er ist also nicht

mehr, wie einst, als ?Pr.? Urb. 63"m, sondern vorerst als ?Pr. Urb.? 63" zu bezeichnen.

Mit Verweis auf Ciceros Rede fur Sulla erklarte Munzer in seiner Biographie des Q. Celer (Cos. 60): ?Die stadtische Praetur verwaltete er in dem ereignisrei chen J. 691=63112". Freilich meldete sich Q. Celer im Senate am 1. Januar 63: et id mandatu Sullae Q. Metellus praetor se loqui dixit, Sullam illam rogationem de se nolle ferri (Cic. Sull 65). Der Volkstribun L. Caecilius Rufus (Pr. Urb. 57) hatte einen Gesetzvorschlag eingebracht, der dem P. Sulla und dem P. Autronius deren Senatssitze zuruckgegeben hatte. Man kann sich fragen, warum es nicht dem Gesetzesrogator zufiel, bei der Debatte hieruber die Meinung des P. Sulla kundzutun. Der Betreffende hatte wohl zuallererst denjenigen, der ihm gerade beistand, von seiner Entscheidung informiert. Gab nicht L. Rufus sie bekannt, dann aus Grunden: Moglicherweise meinte er, P. Sulla sei nicht standhaft, und wollte mit der Angelegenheit nichts mehr zu schaffen haben. Er versuchte nicht, das Gesetz einzubringen, sondern zog den Gesetzesantrag zuriick (Cic. Sull 62,

65). Die Beweggrunde, aus denen L. Rufus zunachst gehandelt hatte, sind uns

bekannt. Cicero motiviert den Antrag mit der Liebe zum Bruder (Sull 62: impulsus amore fraterno). Durch seine Mutter war L. Caecilius Halbbruder des P. Sulla113. Da Rufus (Pr. Urb. 57) spatestens am 29. Dezember 97 geboren wurde, heiratete diese Ignota spatestens Ende Marz 97 seinen Vater; demnach starb der Vater des P. Sulla spatestens Ende Mai 98114. Q. Celer scheint seinerseits adoptiert worden zu sein. Als ein Bruder des Q. Nepos (Cic. Fam. 5.2.6, 8-9) war er wohl ein Sohn des Q. Caecilius Metellus Nepos (Cos. 98), der von einem Q. Celer adoptiert wurde, und zwar demjenigen, der durch die Schnelligkeit auffiel, mit welcher er die Leichenspiele fur seinen verstorbenen Vater feierte115. Wahrend das Amt des L. Rufus die Voraussetzung fur den Antrag bildete, ist es reiner Zufall, daB Q. Celer ein Amtsinhaber war, als er die anders gewordene Einstellung P. Sullas zu dem Gesetzesantrag bekannt gab. Er hatte P. Sulla denselben Dienst erweisen

konnen, wenn er am 1. Januar 63 etwa ein Pratorier gewesen ware. Er war offenbar das ranghochste Senatsmitglied, das mit P. Sulla sehr vertraut war, jedenfalls das

ranghochste, das an jenem bewuBten Tag zugegen war. Eine gewisse Mucia, die Tochter des Q. Mucius Scaevola (Cos. 95) und bis Ende des Jahres 62 die Ehefrau

111 Vf., The Praetorship of Otho, 240.

112 F. Munzer, Caecilius 86, RE, III (1897), 1209. 113 V. F. Munzer, Caecilius 110, RE, III (1897), 1232. 114

Die Trauer der Witwe um ihren Garten ging erst nach 10 Monaten zu Ende; man erblickt in

der zehnmonatlichen Witwentrauer ein altes Jahr (B. Kubler, Luctus, RE, XIII (1927), 1700; S. Treggiari, Roman Marriage, Oxford 1991, 493). Die Tatsache, daB der Senat i. J. 216 die Trauerzeit auf 30 Tage beschrankte (Liv. 22.56.5, 34.6.15; cfr. Val. Max. 1.1.15), lehrt, daB sie damals langer war. Eine Passage in einer Rede Ciceros (Clu. 33-35) vermittelt jedoch den Eindruck, daB der Sterbende seine Frau, wenn diese guter Hoffhung war (Clu. 33: praegnas), darum zur zehnmona

tigen Trauer verpflichtete (Clu. 35: quae mulier obtestatione viri decem illis mensibus ne domum

quidem ullam nisi socrus suae nosse debuit, haec quinto mense post viri mortem ipsi Oppianico nupsii). 115 F. Munzer, Caecilius 85-86, 1208-09.

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102 F.X. RYAN

des Pompeius116, war Celers Halbschwester, wie die des Q. Nepos (Cic. Fam. 5.2.6: vestra sorore Mucia; Dio 37.49.3). Uber sie trat der Prator mit dem einstigen designierten Konsul in Beziehung. Am 1. Januar 63 war also Celer iiber Mucia mit Pompeius noch verschwagert und P. Sulla war als der Ehemann von Pompeia 117, der Schwester des Pompeius, ebenfalls dessen Schwager. Celer trat mithin als Bote auf, weil er iiber Pompeius mit P. Sulla Beziehungen gekniipft hatte und durch dessen Wankelmut nicht so in Verlegenheit gebracht worden war wie der

Gesetzesrogator L. Rufus. Von Celer horen wir nicht erst wieder, als er im Herbst ins Feld zog. Er

veranlaBte die Auflosung der Volksversammlung, die die Verurteilung des C. Rabirius durch C. und L. Caesar angeblich bestatigt hatte, indem er sich zum Ianiculum begab und die Kriegsfahne herunterriB (Dio 37.27.3: to at||ieiov to

GTpocTiamKOv), denn die Zenturiatversammlung mufite abgebrochen werden, falls kein Soldat mehr Wache stand: Sonst hatte der Feind das Ianiculum besetzen

konnen, da samtliche Wehrpflichtigen an den Zenturiatkomitien teilnahmen (Dio 37.28.1-3). Wir wissen, daB C. und L. Caesar von einem Prator ernannt worden waren (Dio 37.27.2), wir wissen aber nicht, von welchem. Es kann sein, daB es dem Stadtprator zufiel, zwei Manner als Richter zu ernennen118, und er einer

Entscheidung nicht aus dem Weg gehen konnte. Fielen derartige Aufgaben zumeist dem Stadtprator zu, mufite dieser ab und zu das tun, was er eigentlich lassen wollte. Ein markantes, wenn auch iibertrieben erzahltes Beispiel fur die militari schen Funktionen des Stadtprators ist uns schon unter dem Jahr 211 begegnet, namlich das Kommando des C. Piso auf der Burg. In spaterer Zeit machten wohl die meisten Stadtpratoren erst nach Ablauf des Amtsjahres von ihrem militari schen Imperium Gebrauch. Das Jahr 63 bietet uns vielleicht die Ausnahme, die die Regel bestatigt. In der nachsullanischen Zeit waren zwar samtliche Pratoren das ganze Jahr iiber in der Stadt anwesend, die Zustandigkeit des Stadtprators fur den Schutz der Stadt wird aber in die Epoche zuriickreichen, als es noch keine anderen Pratoren gab. Spater konnte der Stadtprator ggf. durch einen seiner

Kollegen vertreten werden, denen das militarische Imperium ja ebenso wenig mangelte wie ihm selbst. Fehlgehen wird man aber kaum in der Annahme, daB der Schutz der Stadt allein in den Kompetenzbereich des Stadtprators fiel. Dies

impliziert dessen strikte Bindung an die Stadt. Notfalls iibertrug er einem Kollegen seine Aufgabe, sonst aber war er es, der einzig und allein in diesem Bereich

MaBnahmen zu ergreifen befugt war. Indem Q. Celer die Kriegsfahne einholte und damit die Zenturiatkomitien, die einstige Versammlung der Bewaffneten, aufloste, lieferte er den Nachweis, daB der Schutz der Stadt in jenem Jahre ihm

oblag. Mithin wird man Celer nunmehr als ?Pr. (Urb.) 63" bezeichnen und bei seinem Kollegen Otho den Kompetenzbereich ?Urb.?" streichen konnen.

116 Zu der Ehescheidung v. M. Fluss, Mucia 28, RE, XVI (1933), 449. 117 Die kurze Biographie aus der Feder F. Miltners (Pompeia 53, RE, XXI, 1952, 2263) besteht

weitgehend aus Fehlern; v. aber F. Munzer, Memmius 9, RE, XV (1931), 616 und D.H. Berry, Cicero, pro P Sulla oratio, Cambridge 1996, 3-4.

118 Cfr. Vf., The Praetorship of Otho, 239: ?We can assume that the praetor in question was the praetor urbanus".

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Page 38: DIE APOLLINARSPIELE ZUR ZEIT DER REPUBLIK

DIE APOLLINARSPIELE 103

Schlufibetrachtung. Der Widerstand gegen ein Steintheater

Die Tatsache, daB die szenischen Bestandteile der ludi publici jeweils vor dem

entsprechenden Heiligtum ausgerichtet wurden, also nicht samtlich in ein und derselben Spielstatte, durfte erklaren, warum die Versuche, ein standiges Theater zu errichten, vor dem Jahre 55 v. Chr. immer wieder scheiterten. Dieselbe Frage, anders ausgedruckt, lautet: Wie hat Pompeius das nur geschafft119? Dessen

Theatertempel kam moglicherweise gerade deswegen zustande, weil er mit keinen der ludi publici verquickt war. Bernstein meinte, das geplante Theater von 154 sei an ?einer peinlichen Beachtung der durch mos maiorum vorgegebenen

Kulthandlungen" gescheitert, da die Romer nicht gewillt gewesen waren, Flora in einer Prozession zum Palatin zu uberfuhren120. Die besagte Prozession, so meinen

wir, hatten die Romer jedoch gar nicht erst in Betracht gezogen, da es ihnen nie in den Sinn gekommen ware, Flora auf der Buhne der Gottermutter zu verehren. Bekanntlich betont die Tradition, daB ein standiges Theater die offentlichen Sitten

(Liv. Per. 48: publicis moribus) in Gefahr bringe121. Man wird sich aber nicht damit zufrieden geben, da es offenbar schon im Jahre 204 steinerne Sitzbanke im Zirkus Maximus gegeben hat122. Die Sitzbanke des Zirkus waren aber in Wirklichkeit weniger gefahrlich, da sie aus nahe liegenden Griinden so gestaltet wurden, daB sie nicht fur eine Versammlung geeignet waren. Trotzdem war die

Opposition zu den Bauvorhaben wohl nicht Widerstand gegen die Errichtung e i n e s Steintheaters, sondern Widerstand gegen die Errichtung mehrerer derselben: Die Gegner meinten wohl, daB der freie Platz in der Stadt weithin verloren gehen werde, und zwar fur Anlagen, die nur an den wenigsten Tagen des Jahres zweckgemaB zu benutzen seien. Die Bedenken waren wohl nicht religios und weniger moralisch als praktisch. Was die Tradition anbelangt, so wird sie erst dann haltbar, wenn man erkennt, daB es den Romern nicht um einen einzigen Bau, sondern um wenigstens vier Bauten ging123. Ein einziges Theater hatte wohl kaum die Verfassungsform Roms in Gefahr geraten lassen, wenn es denn bei einem

einzigen Theater geblieben ware. Ein Theater vor dem Tempel des Apollo hatte

jenseits der Stadtmauer gestanden. Die Theaterbesucher ad portas waren kein

groBeres Risiko fur den Staat gewesen als seinerzeit Hannibal. Doch die Romer richteten sich nach der Devise ?Wehret den Anfangen!" Es besteht auf jeden Fall kein Grund zur Annahme, daB die Gegner der bewuBten Zensoren alle unter einen Hut zu bringen waren. Die Gegner werden die verschiedensten Motive gehabt haben. Fur den Widerstand kann man leicht weitere GrUnde vermuten, die uberzeu

119 Bernstein, Spiele, 330, meinte, ?Auch das Vorhaben des Pompeius hat dann wohl heftige

Diskussionen hervorgerufen, weshalb er bei der Dedikation offentlich betonte, er habe kein Theater, sondern einen Venus-Tempel eingeweiht." Das geht zwar auf Tertullian zuriick, man mufi aber mit ihm ein dauerhaftes Theater als eine verrufene Statte (Tert. Sped. 10.5: Mam arcem omnium turpitu

dinum) betrachten, um Pompeius in Verlegenheit zu sehen. 120

Bernstein, Spiele, 297. M. Sordi, La decadenza della repubblica e il teatro del 154 a.C, in Scritti di storia romana, Milano 2002 [zuerst 1988], 433-46, geht auf die propagandistische

Verwendung der Ereignisse von 154 ein; sie selbst war der Ansicht, der Widerstand "nella sua realta

storica era stata forse una delle tante manifestazioni dello scontro in atto nel secondo secolo a.C. fra il rigido conservatorismo catoniano e i circoli filellenici guidati dagli Scipioni" (S. 445). 121

Cfr. Bernstein, Spiele, 295. 122 Cfr. Bernstein, Spiele, 295. 123

Fur die ludi Romani, die ludi Megalenses, die ludi Apollinares und die ludi Florales.

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Page 39: DIE APOLLINARSPIELE ZUR ZEIT DER REPUBLIK

104 F.X. RYAN

gend wirken, aber nicht in den Quellen belegt sind124. Die Erkenntnis, daB es sich dabei urn mehrere Bauten handelte, ist wesentlich. Egal wie der Widerstand gegen ein standiges Theater aufzufassen ist, der jeweilige Grund wird dadurch verstand

lich, daB er mit vier bzw. einer noch hoheren Zahl zu multiplizieren ist125.

A bbildungsnachweis

Abb. 1 RRC 340/1 (Denar) CNG Inventory no. 728569 3,98 g Abb. 2 RRC 340/1 (Denar) Lanz Auktion 121, 22.11.2004, no. 274 3,78 g Abb. 3 RRC 340/1 (Denar) CNG Triton VI, Lot 641 3,98 g Abb. 4 RRC 408/1 a (Denar) CNG 64, Lot 804 4,04 g Abb. 5 RRC 408/lb (Denar) CNG Triton VI, Lot 711 3,65 g Abb. 6 RRC 408/lb (Denar) CNG 63, Lot 1168 3,28 g Abb. 7 RRC 346/la (Denar) NBE 3,79 g Abb. 8 RRC 346/2b (Denar) CNG 61, Lot 1335 4,02 g Abb. 9 RRC 340/2e (Quinar) CNG 61, Lot 1314 2,17 g Abb. 10 RRC 340/4 (As) CNG 61, Lot 1315 13,04 g Abb. 11 RRC 421/1 (Denar) CNG Triton VIII, Lot 909 3,78 g

CNG Classical Numismatic Group, Inc. Lanz Numismatik Lanz Munchen NBE Numismatische Bilddatenbank Eichstatt

124 Um nur ein Beispiel zu nennen: Bei jedem groBen Bauprojekt in der Stadt Rom wird es

Grandstuckseigentumer gegeben haben, die zwar nicht verkaufen wollten, aber trotzdem verkaufen

muBten. 125 Fur bereichernde Vorschlage bedankt sich der Schreibende bei M. Sehlmeyer, Rostock.

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