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Münchner Merkur Nr. 237 | Montag, 14. Oktober 2013 Redaktion Medizin: (089) 53 06-425 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86 61 19 Leben Prof. Dr. Christian Stief Als Chefarzt im Münchner Klinikum Großhadern erlebe ich täglich, wie wichtig medizinische Auf- klärung ist. Meine Kollegen und ich (www.face- book.de/UrologieLMU) möchten den Lesern daher jeden Montag ein Thema vorstellen, das für ihre Gesundheit von Bedeutung ist. Im Zentrum der heutigen Seite steht Diabetes mellitus, die Zucker- krankheit sowie ihre Folgeerkrankung. So leiden Patienten oft an schwer heilenden Wunden an den Füßen, dem sogenannten diabetischen Fuß-Syn- drom. Der Experte des heutigen Beitrags ist Dr. Makarios Paschalidis. Er ist Oberarzt an der Kli- nik für Endokrinologie, Diabetologie und Angiolo- gie am Städtischen Klinikum in Bogenhausen. Leserfragen an den Experten: [email protected] TIPPS FÜR GESUNDE FÜSSE Nicht rauchen: Wer raucht, vervielfacht sein Risiko für Folgeerkran- kung des Diabetes. Denn auch Tabakrauch schadet den Gefäßen – und fördert daher die Entstehung ei- nes diabetischen Fußes. Also: Finger weg vom Glimmstängel! Passende Schuhe: Augen auf heißt es für Diabetiker bei jedem Schuhkauf. Zu- ckerkranke neigen dazu, Schuhe zu klein zu wäh- len. „Die Zehen stoßen oft vorne an“, sagt Diabetes- Experte Dr. Makarios Pa- schalidis. Zuckerkranke sollte unbedingt darauf achten, dass diese Raum haben und der Schuh nicht zu eng ist. Füße kontrollieren: Wer an Diabetes leidet, muss seine Füße täglich bewusst auf Verletzungen hin kon- trollieren, am besten mit einem Spiegel. Gerade Zu- ckerkranke neigen dazu, dies zu vernachlässigen. „Sie haben das Gefühl, dass die untere Körper- hälfte kaum zu ihnen ge- hört“, sagt Paschalidis. Ei- ne Ursache sind die ge- schädigten Nerven. Etwa die Hälfte der Diabetiker leidet irgendwann an einer Neuropathie. Nicht barfuß laufen: Ein kleiner Kiesel, eine winzi- ge Scherbe: Rasch ist bei ungeschützten Füßen eine Verletzung passiert. Das sollte man unbedingt ver- meiden. Für Diabetiker ist daher das sonst so gesun- de Barfußlaufen tabu. Besuch beim Experten: Wer bereits Probleme mit schwer heilenden Wunden hatte, sollte regelmäßig zum Podologen gehen. Denn vor allem an den Narben können rasch neue Wunden entstehen. Podologen sind dafür aus- gebildet, diese zu pflegen. Hat sich erneut eine Wun- de gebildet, heißt es: So- fort zum Arzt! Am besten zu einem Spezialisten. Schuhe kontrollieren: Auch die Schuhe müssen regelmäßig genau unter- sucht werden. Hat das Fußbett eine Falte gebildet oder ist gar ein Nagel aus dem Absatz getreten, führt das rasch zu Wunden. We- gen der geschädigten Ner- ven spüren Diabetiker dies oft nicht. Füße richtig pflegen: Die Haut von Diabetikern neigt dazu, trocken zu werden und Hornhaut zu bilden. Risse können ent- stehen, durch die Bakte- rien eindringen. Die Füße sollten daher täglich mit einer Creme gepflegt wer- den, die Urea enthält. Das macht die Haut geschmei- dig. Zehennägel sollten nicht geschnitten, sondern gefeilt werden. Für Diabetiker leider tabu: barfuß laufen. DPA Diabetiker sollten nur be- queme Schuhe tragen. FOT können diese den Diabetes auch zum Ausbruch bringen. Bei Helfensteller zeigt die Duplexsonografie: Die Beine sind noch gut durchblutet. Sein Glück: „Sonst hat man keine Chance, dass so eine Wunde heilt“, sagt Paschali- dis. Dann bleibt oft nur eine Amputation. Stimmt die Durchblutung, lässt sich indes fast jede Infektion in den Griff bekommen. Die Ärzte wollten versuchen, den Fuß zu retten. Helfensteller kam auf die In- tensivstation, erhielt Antibio- tika-Infusionen. Das zerstörte Gewebe mitsamt dem großen Zeh wurde entfernt. Zurück blieb eine etwa zehn Zentime- ter große Wunde. Sie musste sich von selbst schließen – ein langer Prozess. Helfensteller durfte seinen Fuß monatelang nicht belas- ten. Zum Einsatz kam zu- nächst die sogenannte VAC- Therapie. Ein Sog erzeugt da- bei in der Wunde ständigen Unterdruck. Sekret wird ab- gesaugt, die gesunden Zellen gleichzeitig zum Wachsen an- geregt. Die Wunde begann sich zu schließen, Millimeter für Millimeter. „Ich saß fast ein Jahr im Rollstuhl“, erzählt Helfensteller. Er hielt sich strikt an die Anweisungen der Ärzte, wollte seinen Fuß un- bedingt behalten. Er schaffte es. Doch kam es zu einem Rückfall – wie bei vielen Patienten mit diabeti- schem Fuß-Syndrom. Wieder begann es mit einer kleinen Wunde. Doch hatte sich die Infektion innerlich schon aus- gebreitet und den Knochen Dort wartete der nächste Schock auf ihn: Er hatte eine Blutvergiftung, glühte vor Fie- ber. „Ich hatte das gar nicht gemerkt“, sagt er. Schon im- mer sei er „hart im Nehmen gewesen“. Doch jetzt war es ernst: Die Ärzte befürchteten, dass sie bis zum Unterschen- kel amputieren müssen. „Leider passiert es oft, dass Patienten lange warten“, sagt Dr. Makarios Paschalidis, bei dem Helfensteller im Klini- kum Bogenhausen noch heu- te in Behandlung ist. Viele achteten wenig auf ihre Füße, nähmen Verletzungen nicht ernst. Mit teils verheerenden Folgen: Mehr als 50 000 Am- putationen infolge des diabe- tischen Fußsyndroms, an dem etwa 15 Prozent der Diabeti- ker erkranken, werden in Deutschland jedes Jahr vorge- nommen. Die Zuckerkrank- heit ist damit die häufigste Ur- sache für Amputationen. Das hat verschiedene Ursa- chen: Zum einen erfordern schwer heilende Wunden eine langwierige Behandlung. Die nötige Erfahrung – und Ge- duld – hat man oft nur in spe- zialisierten Zentren wie dem in Bogenhausen. Dass Zu- ckerkranke generell häufig Probleme mit Wunden haben, liegt zum einen an den geschä- digten Nerven. Denn ein zu hoher Blutzuckerspiegel führt langfristig oft zu einer Neuro- pathie. Die Patienten verlie- ren das Gefühl und damit Schmerzempfinden, vor allem in den Beinen. Doch gerade hier kommt es leicht zu kleinen Verletzun- Erhöhter Blutzucker ist oft nicht zu spüren. Viele Diabetiker nehmen ihre Krankheit daher nicht ernst genug – teils mit verheerenden Folgen. Häufig sind etwa schwer heilende Wunden. Her- bert Helfensteller hätte dadurch fast seinen Fuß verloren. Mit 45 Jahren. VON SONJA GIBIS Zucker? Mit 43? Herbert Hel- fensteller konnte es kaum fas- sen. „Mir hat nie was gefehlt“, sagt er. 15 Jahre lang habe er in der Arbeit keinen Tag ge- fehlt. Wegen eines Abszesses hatte er die Ambulanz einer Kreisklinik aufgesucht. Ein Bluttest ergab: Der Zucker- spiegel lag bei über 300 Milli- gramm pro Deziliter. Normal sind nüchtern etwa 100. Diag- nose: Diabetes Typ 2. Der Abszess heilte. Die Zu- ckerkrankheit aber blieb – und damit das Risiko für wei- tere Erkrankungen. „Ich habe das wohl unterschätzt“, sagt Helfensteller, heute 47. Als er an seinem Fuß eine Wunde entdeckte, klebte er ein Pflas- ter darüber – und hoffte, dass es von selbst heilt. Stattdessen wurde die Wunde nur größer. Schließ- lich, nach zwei bis drei Wo- chen, suchte Helfensteller im Internet nach einer Spezialab- teilung für Diabetes-Kranke – und entschied sich für die des Klinikums Bogenhausen. Diabetes – Gefahr für die Füße Die Wunde ist gut verheilt: Dr. Makarios Paschalidis untersucht den Fuß von Herbert Helfensteller. KLAUS HAAG durchblutet – es kommt zur peripheren arteriellen Ver- schlusskrankheit. Da das Blut auch Immunzellen transpor- tiert, ist die Abwehrkraft ge- schwächt. Zerstörtes Gewebe wird nicht gut abtransportiert, Wachstumsfaktoren, die die Bildung von neuen Zellen för- dern, gelangen nicht hin. Doch auch, wenn die Beine gut durchblutet sind, fördert der erhöhte Blutzuckerspiegel Entzündungen. Andererseits gen. Eine Blase, ein Riss in der trockenen Haut, eine Druck- stelle – das genügt für krank machende Keime, um in den Körper zu gelangen. Zudem heilen Wunden bei Diabetikern oft schlecht. Schuld ist einerseits häufig die Durchblutung. Ist der Zucker nicht gut eingestellt, führt das zu Arteriosklerose: Die Blut- gefäße verengen sich immer mehr. Vor allem die Beine werden dann schlechter STIEFS SPRECHSTUNDE .................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. des zweiten Zehs befallen. Die Ärzte entfernten ihn, er- hielten aber das Gewebe um ihn herum. Wieder begann ein langer Weg. Helfensteller musste iso- liert im Zimmer liegen. Denn in seinem Fuß hatte sich ein schwer behandelbarer Keim eingenistet: MRSA, der Me- thicillin-resistente Staphylo- coccus aureus. Im Kampf ge- gen ihn zogen die Ärzte auch lebendige Helfer hinzu: medi- zinische Maden. Die steril er- zeugten Fliegenlarven fressen nur krankes Gewebe. Ihr Speichel löst es auf und wirkt zudem desinfizierend. „Man fühlt nur ein Bitzeln – und sieht sie nicht“, erzählt Hel- fensteller. Die millimetergro- ßen Helfer verrichten ihre Ar- beit unter einer Wundauflage. Die Therapie hatte erneut Erfolg. Heute kann der 47-Jährige sogar wieder arbei- ten. Er achtet konsequent da- rauf, dass seine Füße gesund bleiben. Täglich kontrolliert er sie, geht regelmäßig zum Podologen. Der kennt sich mit den speziellen Bedürfnis- sen diabetischer Füße aus. Maßangefertigte, gepolsterte Schuhe geben den Füßen Halt und schonen sie. So kann er selbst weite Strecken zu Fuß gehen. „Was ich früher mit dem Auto gefahren bin, das lauf ich heut“, sagt er. Bewe- gung gehört bei Diabetes un- bedingt zur Therapie. Dazu kommt eine Tablette am Mor- gen. Seinen Diabetes hat Hel- fensteller heute im Griff – und damit ein geringeres Risiko für dessen ernste Folgen. die Krankheit auch Jüngere – und das leider immer öfter. Doch auch Diabetes Typ 2 lässt sich behandeln. Ein Weg führt über einen gesunden Le- bensstil. Wichtig ist es vor al- lem, Übergewicht abzubauen und sich viel zu bewegen. Gut ist regelmäßiger Ausdauer- sport. Manche Patienten be- kommen allein damit die Krankheit in den Griff. Wem das nicht gelingt, der muss sei- nen Blutzucker mit Medika- menten einstellen. Vielen hilft bereits die regelmäßige Ein- nahme von Tabletten. Ist der Insulinmangel bereits zu groß, müssen auch Typ-2-Diabeti- ker Insulin spritzen. Auch sie sollten unbedingt darauf achten, ihren Zucker- spiegel gut einzustellen. Sonst drohen bei beiden Diabetes- Typen auf lange Sicht Folgeer- krankungen wie ein Herzin- farkt, ein Schlaganfall – oder ein diabetischer Fuß. sog genügend Insulin herzustel- len. Doch wirkt dies an den Zellen immer schlechter. Es kommt schleichend zu einer Insulinresistenz, die der Be- troffene nicht bemerkt. Der Körper beginnt, immer mehr Insulin herzustellen. Schließ- lich ist die Bauchspeicheldrü- se oft überlastet, es entsteht ebenfalls ein Insulinmangel. Auch bei Diabetes Typ 2 ist der Blutzuckerspiegel daher erhöht. Doch bleibt das oft Jahre unerkannt. Die Gründe für Diabetes Typ 2 sind vielfältig. Generell steigt mit dem Alter das Risi- ko. Da heute viele sehr alt werden, gibt es auch mehr Be- troffene. Doch das ist nicht der einzige Grund: Eine große Rolle spielt neben der Veran- lagung auch der Lebensstil. Wer übergewichtig ist, sich wenig bewegt und ungesund ernährt, erhöht sein Risiko um ein Vielfaches. Dann trifft Sklerose, steigt die Zahl der Betroffenen. Was die Krank- heit auslöst ist weitgehend un- bekannt. Doch weiß man, was dabei im Körper passiert: Das Abwehrsystem sieht bestimm- te Strukturen des eigenen Körpers als Feind an – und be- ginnt, bestimmte Zellen zu zerstören. Bei Diabetes Typ 1 sind die Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse Ziel- scheibe, die den lebenswichti- gen Botenstoff Insulin herstel- len. Der Körper braucht ihn, um Zucker in die Zellen ein- zuschleusen. Durch die Zer- störung kommt es zu einem Insulin-Mangel. Eine Folge: Der Zuckerspiegel im Blut steigt an. Zucker wird dann auch mit dem Urin ausge- schieden. Die Betroffenen verlieren Gewicht, haben ständig Durst und müssen oft Wasser lassen. Unbehandelt verläuft die Krankheit tödlich. Doch gibt es eine wirksame Wie Herbert Helfensteller er- geht es immer mehr Men- schen: Sie erkranken an Dia- betes mellitus, der Zucker- krankheit. Die meisten davon leiden an Diabetes Typ 2, der jetzt auch bei dem Schauspie- ler Tom Hanks festgestellt wurde. Früher wurde er auch als Alterszucker bezeichnet. Doch die Patienten werden immer jünger. Selbst Kinder sind in Einzelfällen bereits be- troffen. Erkrankt ein junger Mensch an Diabetes, handelt es sich allerdings in der Regel noch immer meist um Diabe- tes Typ 1. Doch auch hier steigt die Zahl der Betroffe- nen. Die Ursachen der beiden Krankheiten sind völlig ver- schieden. So handelt es sich bei Diabetes Typ 1 um eine so- genannte Autoimmunerkran- kung. Wie bei vielen anderen derartigen Erkrankungen, wie etwa Rheuma und Multiple Warum immer mehr Menschen zuckerkrank werden Risiko für Langzeitschäden. Gefährlich ist aber ein zu niedriger Spiegel. Dieser kann rasch zu Ohnmacht und sogar zum Tod führen. Die Entstehung von Diabe- tes Typ 2 verläuft anders: Bei den eher älteren Patienten ist die Bauchspeicheldrüse zu- nächst durchaus in der Lage, Hilfe: Indem sie ihren Blutzu- ckerspiegel regelmäßig mes- sen und sich nach Bedarf In- sulin spritzen, können Patien- ten trotz Diabetes Typ 1 heute ein weitgehend normales Le- ben führen. Doch müssen sie bei der Behandlung konse- quent sein. Ein erhöhter Zu- ckerspiegel erhöht eher das Wer zuckerkrank ist, muss regelmäßig den Spiegel im Blut messen: Kinder erkranken meist an Diabetes Typ 1. DPA

Diabetes – Gefahr für die Füßemedizin-muenchen-west.eu/images/mmw-images/Med... · nik für Endokrinologie, Diabetologie und Angiolo-gie am Städtischen Klinikum in Bogenhausen

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Münchner Merkur Nr. 237 | Montag, 14. Oktober 2013

Redaktion Medizin: (089) 53 [email protected]

Telefax: (089) 53 06-86 61 19Leben

Prof. Dr. Christian Stief

Als Chefarzt im Münchner Klinikum Großhadernerlebe ich täglich, wie wichtig medizinische Auf-klärung ist. Meine Kollegen und ich (www.face-

book.de/UrologieLMU) möchten den Lesern daherjeden Montag ein Thema vorstellen, das für ihreGesundheit von Bedeutung ist. Im Zentrum der

heutigen Seite steht Diabetes mellitus, die Zucker-krankheit sowie ihre Folgeerkrankung. So leiden

Patienten oft an schwer heilenden Wunden an denFüßen, dem sogenannten diabetischen Fuß-Syn-

drom. Der Experte des heutigen Beitrags istDr. Makarios Paschalidis. Er ist Oberarzt an der Kli-nik für Endokrinologie, Diabetologie und Angiolo-

gie am Städtischen Klinikum in Bogenhausen.

Leserfragen an den Experten:[email protected]

TIPPS FÜRGESUNDE FÜSSE

Nicht rauchen: Werraucht, vervielfacht seinRisiko für Folgeerkran-kung des Diabetes. Dennauch Tabakrauch schadetden Gefäßen – und fördertdaher die Entstehung ei-nes diabetischen Fußes.Also: Finger weg vomGlimmstängel!

Passende Schuhe: Augenauf heißt es für Diabetikerbei jedem Schuhkauf. Zu-ckerkranke neigen dazu,Schuhe zu klein zu wäh-len. „Die Zehen stoßen oftvorne an“, sagt Diabetes-Experte Dr. Makarios Pa-schalidis. Zuckerkrankesollte unbedingt daraufachten, dass diese Raumhaben und der Schuhnicht zu eng ist.

Füße kontrollieren: Weran Diabetes leidet, mussseine Füße täglich bewusstauf Verletzungen hin kon-trollieren, am besten miteinem Spiegel. Gerade Zu-ckerkranke neigen dazu,dies zu vernachlässigen.„Sie haben das Gefühl,dass die untere Körper-hälfte kaum zu ihnen ge-hört“, sagt Paschalidis. Ei-ne Ursache sind die ge-schädigten Nerven. Etwadie Hälfte der Diabetikerleidet irgendwann an einerNeuropathie.

Nicht barfuß laufen: Einkleiner Kiesel, eine winzi-ge Scherbe: Rasch ist beiungeschützten Füßen eineVerletzung passiert. Dassollte man unbedingt ver-meiden. Für Diabetiker istdaher das sonst so gesun-de Barfußlaufen tabu.

Besuch beim Experten:Wer bereits Probleme mitschwer heilenden Wundenhatte, sollte regelmäßigzum Podologen gehen.Denn vor allem an denNarben können raschneue Wunden entstehen.Podologen sind dafür aus-gebildet, diese zu pflegen.Hat sich erneut eine Wun-de gebildet, heißt es: So-fort zum Arzt! Am bestenzu einem Spezialisten.

Schuhe kontrollieren:Auch die Schuhe müssenregelmäßig genau unter-sucht werden. Hat dasFußbett eine Falte gebildetoder ist gar ein Nagel ausdem Absatz getreten, führtdas rasch zu Wunden. We-gen der geschädigten Ner-ven spüren Diabetiker diesoft nicht.

Füße richtig pflegen: DieHaut von Diabetikernneigt dazu, trocken zuwerden und Hornhaut zubilden. Risse können ent-stehen, durch die Bakte-rien eindringen. Die Füßesollten daher täglich miteiner Creme gepflegt wer-den, die Urea enthält. Dasmacht die Haut geschmei-dig. Zehennägel solltennicht geschnitten, sonderngefeilt werden.

Für Diabetiker leider tabu:barfuß laufen. DPA

Diabetiker sollten nur be-queme Schuhe tragen. FOT

können diese den Diabetesauch zum Ausbruch bringen.

Bei Helfensteller zeigt dieDuplexsonografie: Die Beinesind noch gut durchblutet.Sein Glück: „Sonst hat mankeine Chance, dass so eineWunde heilt“, sagt Paschali-dis. Dann bleibt oft nur eineAmputation. Stimmt dieDurchblutung, lässt sich indesfast jede Infektion in den Griffbekommen. Die Ärzte wolltenversuchen, den Fuß zu retten.Helfensteller kam auf die In-tensivstation, erhielt Antibio-tika-Infusionen. Das zerstörteGewebe mitsamt dem großenZeh wurde entfernt. Zurückblieb eine etwa zehn Zentime-ter große Wunde. Sie musstesich von selbst schließen – einlanger Prozess.

Helfensteller durfte seinenFuß monatelang nicht belas-ten. Zum Einsatz kam zu-nächst die sogenannte VAC-Therapie. Ein Sog erzeugt da-bei in der Wunde ständigenUnterdruck. Sekret wird ab-gesaugt, die gesunden Zellengleichzeitig zum Wachsen an-geregt. Die Wunde begannsich zu schließen, Millimeterfür Millimeter. „Ich saß fastein Jahr im Rollstuhl“, erzähltHelfensteller. Er hielt sichstrikt an die Anweisungen derÄrzte, wollte seinen Fuß un-bedingt behalten.

Er schaffte es. Doch kam eszu einem Rückfall – wie beivielen Patienten mit diabeti-schem Fuß-Syndrom. Wiederbegann es mit einer kleinenWunde. Doch hatte sich dieInfektion innerlich schon aus-gebreitet und den Knochen

Dort wartete der nächsteSchock auf ihn: Er hatte eineBlutvergiftung, glühte vor Fie-ber. „Ich hatte das gar nichtgemerkt“, sagt er. Schon im-mer sei er „hart im Nehmengewesen“. Doch jetzt war esernst: Die Ärzte befürchteten,dass sie bis zum Unterschen-kel amputieren müssen.

„Leider passiert es oft, dassPatienten lange warten“, sagtDr. Makarios Paschalidis, beidem Helfensteller im Klini-kum Bogenhausen noch heu-te in Behandlung ist. Vieleachteten wenig auf ihre Füße,nähmen Verletzungen nichternst. Mit teils verheerendenFolgen: Mehr als 50 000 Am-putationen infolge des diabe-tischen Fußsyndroms, an demetwa 15 Prozent der Diabeti-ker erkranken, werden inDeutschland jedes Jahr vorge-nommen. Die Zuckerkrank-heit ist damit die häufigste Ur-sache für Amputationen.

Das hat verschiedene Ursa-chen: Zum einen erfordernschwer heilende Wunden einelangwierige Behandlung. Dienötige Erfahrung – und Ge-duld – hat man oft nur in spe-zialisierten Zentren wie demin Bogenhausen. Dass Zu-ckerkranke generell häufigProbleme mit Wunden haben,liegt zum einen an den geschä-digten Nerven. Denn ein zuhoher Blutzuckerspiegel führtlangfristig oft zu einer Neuro-pathie. Die Patienten verlie-ren das Gefühl und damitSchmerzempfinden, vor allemin den Beinen.

Doch gerade hier kommt esleicht zu kleinen Verletzun-

Erhöhter Blutzucker istoft nicht zu spüren. VieleDiabetiker nehmen ihreKrankheit daher nichternst genug – teils mitverheerenden Folgen.Häufig sind etwa schwerheilende Wunden. Her-bert Helfensteller hättedadurch fast seinen Fußverloren. Mit 45 Jahren.

VON SONJA GIBIS

Zucker? Mit 43? Herbert Hel-fensteller konnte es kaum fas-sen. „Mir hat nie was gefehlt“,sagt er. 15 Jahre lang habe erin der Arbeit keinen Tag ge-fehlt. Wegen eines Abszesseshatte er die Ambulanz einerKreisklinik aufgesucht. EinBluttest ergab: Der Zucker-spiegel lag bei über 300 Milli-gramm pro Deziliter. Normalsind nüchtern etwa 100. Diag-nose: Diabetes Typ 2.

Der Abszess heilte. Die Zu-ckerkrankheit aber blieb –und damit das Risiko für wei-tere Erkrankungen. „Ich habedas wohl unterschätzt“, sagtHelfensteller, heute 47. Als eran seinem Fuß eine Wundeentdeckte, klebte er ein Pflas-ter darüber – und hoffte, dasses von selbst heilt.

Stattdessen wurde dieWunde nur größer. Schließ-lich, nach zwei bis drei Wo-chen, suchte Helfensteller imInternet nach einer Spezialab-teilung für Diabetes-Kranke –und entschied sich für die desKlinikums Bogenhausen.

Diabetes – Gefahr für die Füße

Die Wunde ist gut verheilt: Dr. Makarios Paschalidis untersucht den Fuß von Herbert Helfensteller. KLAUS HAAG

durchblutet – es kommt zurperipheren arteriellen Ver-schlusskrankheit. Da das Blutauch Immunzellen transpor-tiert, ist die Abwehrkraft ge-schwächt. Zerstörtes Gewebewird nicht gut abtransportiert,Wachstumsfaktoren, die dieBildung von neuen Zellen för-dern, gelangen nicht hin.Doch auch, wenn die Beinegut durchblutet sind, fördertder erhöhte BlutzuckerspiegelEntzündungen. Andererseits

gen. Eine Blase, ein Riss in dertrockenen Haut, eine Druck-stelle – das genügt für krankmachende Keime, um in denKörper zu gelangen.

Zudem heilen Wunden beiDiabetikern oft schlecht.Schuld ist einerseits häufig dieDurchblutung. Ist der Zuckernicht gut eingestellt, führt daszu Arteriosklerose: Die Blut-gefäße verengen sich immermehr. Vor allem die Beinewerden dann schlechter

STIEFS SPRECHSTUNDE ..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

des zweiten Zehs befallen.Die Ärzte entfernten ihn, er-hielten aber das Gewebe umihn herum.

Wieder begann ein langerWeg. Helfensteller musste iso-liert im Zimmer liegen. Dennin seinem Fuß hatte sich einschwer behandelbarer Keimeingenistet: MRSA, der Me-thicillin-resistente Staphylo-coccus aureus. Im Kampf ge-gen ihn zogen die Ärzte auchlebendige Helfer hinzu: medi-zinische Maden. Die steril er-zeugten Fliegenlarven fressennur krankes Gewebe. IhrSpeichel löst es auf und wirktzudem desinfizierend. „Manfühlt nur ein Bitzeln – undsieht sie nicht“, erzählt Hel-fensteller. Die millimetergro-ßen Helfer verrichten ihre Ar-beit unter einer Wundauflage.

Die Therapie hatte erneutErfolg. Heute kann der47-Jährige sogar wieder arbei-ten. Er achtet konsequent da-rauf, dass seine Füße gesundbleiben. Täglich kontrollierter sie, geht regelmäßig zumPodologen. Der kennt sichmit den speziellen Bedürfnis-sen diabetischer Füße aus.Maßangefertigte, gepolsterteSchuhe geben den Füßen Haltund schonen sie. So kann erselbst weite Strecken zu Fußgehen. „Was ich früher mitdem Auto gefahren bin, daslauf ich heut“, sagt er. Bewe-gung gehört bei Diabetes un-bedingt zur Therapie. Dazukommt eine Tablette am Mor-gen. Seinen Diabetes hat Hel-fensteller heute im Griff – unddamit ein geringeres Risiko fürdessen ernste Folgen.

die Krankheit auch Jüngere –und das leider immer öfter.

Doch auch Diabetes Typ 2lässt sich behandeln. Ein Wegführt über einen gesunden Le-bensstil. Wichtig ist es vor al-lem, Übergewicht abzubauenund sich viel zu bewegen. Gutist regelmäßiger Ausdauer-sport. Manche Patienten be-kommen allein damit dieKrankheit in den Griff. Wemdas nicht gelingt, der muss sei-nen Blutzucker mit Medika-menten einstellen. Vielen hilftbereits die regelmäßige Ein-nahme von Tabletten. Ist derInsulinmangel bereits zu groß,müssen auch Typ-2-Diabeti-ker Insulin spritzen.

Auch sie sollten unbedingtdarauf achten, ihren Zucker-spiegel gut einzustellen. Sonstdrohen bei beiden Diabetes-Typen auf lange Sicht Folgeer-krankungen wie ein Herzin-farkt, ein Schlaganfall – oderein diabetischer Fuß. sog

genügend Insulin herzustel-len. Doch wirkt dies an denZellen immer schlechter. Eskommt schleichend zu einerInsulinresistenz, die der Be-troffene nicht bemerkt. DerKörper beginnt, immer mehrInsulin herzustellen. Schließ-lich ist die Bauchspeicheldrü-se oft überlastet, es entstehtebenfalls ein Insulinmangel.Auch bei Diabetes Typ 2 istder Blutzuckerspiegel dahererhöht. Doch bleibt das oftJahre unerkannt.

Die Gründe für DiabetesTyp 2 sind vielfältig. Generellsteigt mit dem Alter das Risi-ko. Da heute viele sehr altwerden, gibt es auch mehr Be-troffene. Doch das ist nichtder einzige Grund: Eine großeRolle spielt neben der Veran-lagung auch der Lebensstil.Wer übergewichtig ist, sichwenig bewegt und ungesundernährt, erhöht sein Risikoum ein Vielfaches. Dann trifft

Sklerose, steigt die Zahl derBetroffenen. Was die Krank-heit auslöst ist weitgehend un-bekannt. Doch weiß man, wasdabei im Körper passiert: DasAbwehrsystem sieht bestimm-te Strukturen des eigenenKörpers als Feind an – und be-ginnt, bestimmte Zellen zuzerstören. Bei Diabetes Typ 1sind die Inselzellen in derBauchspeicheldrüse Ziel-scheibe, die den lebenswichti-gen Botenstoff Insulin herstel-len. Der Körper braucht ihn,um Zucker in die Zellen ein-zuschleusen. Durch die Zer-störung kommt es zu einemInsulin-Mangel. Eine Folge:Der Zuckerspiegel im Blutsteigt an. Zucker wird dannauch mit dem Urin ausge-schieden. Die Betroffenenverlieren Gewicht, habenständig Durst und müssen oftWasser lassen. Unbehandeltverläuft die Krankheit tödlich.

Doch gibt es eine wirksame

Wie Herbert Helfensteller er-geht es immer mehr Men-schen: Sie erkranken an Dia-betes mellitus, der Zucker-krankheit. Die meisten davonleiden an Diabetes Typ 2, derjetzt auch bei dem Schauspie-ler Tom Hanks festgestelltwurde. Früher wurde er auchals Alterszucker bezeichnet.Doch die Patienten werdenimmer jünger. Selbst Kindersind in Einzelfällen bereits be-troffen. Erkrankt ein jungerMensch an Diabetes, handeltes sich allerdings in der Regelnoch immer meist um Diabe-tes Typ 1. Doch auch hiersteigt die Zahl der Betroffe-nen.

Die Ursachen der beidenKrankheiten sind völlig ver-schieden. So handelt es sichbei Diabetes Typ 1 um eine so-genannte Autoimmunerkran-kung. Wie bei vielen anderenderartigen Erkrankungen, wieetwa Rheuma und Multiple

Warum immer mehr Menschen zuckerkrank werden

Risiko für Langzeitschäden.Gefährlich ist aber ein zuniedriger Spiegel. Dieser kannrasch zu Ohnmacht und sogarzum Tod führen.

Die Entstehung von Diabe-tes Typ 2 verläuft anders: Beiden eher älteren Patienten istdie Bauchspeicheldrüse zu-nächst durchaus in der Lage,

Hilfe: Indem sie ihren Blutzu-ckerspiegel regelmäßig mes-sen und sich nach Bedarf In-sulin spritzen, können Patien-ten trotz Diabetes Typ 1 heuteein weitgehend normales Le-ben führen. Doch müssen siebei der Behandlung konse-quent sein. Ein erhöhter Zu-ckerspiegel erhöht eher das

Wer zuckerkrank ist, muss regelmäßig den Spiegel im Blutmessen: Kinder erkranken meist an Diabetes Typ 1. DPA