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DEZENTRALE HERSTELLUNG VON WASSERSTOFF DURCH ELEKTROLYSE Dipl.-Ing. Andreas Brinner Institut für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) Pfaffenwaldring 38-40, D-70569 Stuttgart Dipl.-Ing. Wolfgang Hug Hydrotechnik GmbH Pfannkuchstr. 3a – 5, D-76185 Karlsruhe 1) Wasserstoff als Sekundärenergieträger Unsere heutigen Energiesysteme basieren überwiegend auf endlichen, fossilen Ressourcen und entlassen grosse Mengen von Schadstoffen in die Umwelt. Diese Energieträger müssen mittelfristig ergänzt und langfristig abgelöst wer- den durch Einbeziehung unerschöpflicher, erneuerbarer Energiequellen und de- ren Nutzung in geschlossenen, ökologisch neutralen Stoffkreisläufen ohne Ge- fährdungspotenziale. Der Einsatz von Sonnenenergie in verschiedenen Formen und anderer regene- rativer Energiequellen zur Herstellung des speicherbaren und transportierbaren Sekundärenergieträgers Wasserstoff aus Wasser mit Hilfe des Elektrolysepro- zesses stellt eine solche Ersatzoption dar. Wasserstoff ist ein hochwertiger und universeller Energieträger der - in Ergän- zung zum direkt erzeugten Strom - zur Bereitstellung von thermischer, mecha- nischer und elektrischer Energie genutzt werden kann. 2) Funktionsprinzip der alkalischen Wasserelektrolyse Der einfachste Apparat zur elektrochemischen Wasserspaltung ist die in Abb. 1 dargestellte bipolare alkalische Elektrolysezelle, die im Prinzip aus einem Ge- häuse mit zwei direkt angeschlossenen Gasabscheidern, zwei Elektroden (An- ode und Kathode) sowie einer dazwischen eingebrachten gasdichten aber was- serdurchlässigen Membran (Diaphragma) besteht. Wegen der Korrosionsbe- ständigkeit werden üblicherweise alle metallischen Teile aus

DEZENTRALE HERSTELLUNG VON … Energiequellen zur Herstellung des speicherbaren und transportierbaren Sekundärenergieträgers Wasserstoff aus Wasser mit Hilfe des Elektrolysepro-zesses

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DEZENTRALE HERSTELLUNG VON WASSERSTOFF DURCH ELEKTROLYSE

Dipl.-Ing. Andreas Brinner Institut für Fahrzeugkonzepte des

Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) Pfaffenwaldring 38-40, D-70569 Stuttgart

Dipl.-Ing. Wolfgang Hug

Hydrotechnik GmbH Pfannkuchstr. 3a – 5, D-76185 Karlsruhe

1) Wasserstoff als Sekundärenergieträger

Unsere heutigen Energiesysteme basieren überwiegend auf endlichen, fossilen

Ressourcen und entlassen grosse Mengen von Schadstoffen in die Umwelt.

Diese Energieträger müssen mittelfristig ergänzt und langfristig abgelöst wer-

den durch Einbeziehung unerschöpflicher, erneuerbarer Energiequellen und de-

ren Nutzung in geschlossenen, ökologisch neutralen Stoffkreisläufen ohne Ge-

fährdungspotenziale.

Der Einsatz von Sonnenenergie in verschiedenen Formen und anderer regene-

rativer Energiequellen zur Herstellung des speicherbaren und transportierbaren

Sekundärenergieträgers Wasserstoff aus Wasser mit Hilfe des Elektrolysepro-

zesses stellt eine solche Ersatzoption dar.

Wasserstoff ist ein hochwertiger und universeller Energieträger der - in Ergän-

zung zum direkt erzeugten Strom - zur Bereitstellung von thermischer, mecha-

nischer und elektrischer Energie genutzt werden kann.

2) Funktionsprinzip der alkalischen Wasserelektrolyse

Der einfachste Apparat zur elektrochemischen Wasserspaltung ist die in Abb. 1

dargestellte bipolare alkalische Elektrolysezelle, die im Prinzip aus einem Ge-

häuse mit zwei direkt angeschlossenen Gasabscheidern, zwei Elektroden (An-

ode und Kathode) sowie einer dazwischen eingebrachten gasdichten aber was-

serdurchlässigen Membran (Diaphragma) besteht. Wegen der Korrosionsbe-

ständigkeit werden üblicherweise alle metallischen Teile aus

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H2O + Electricity H2 + 1/2 O2

Abb. 1: Funktionsprinzip einer bipolaren alkalischen Elektrolysezelle

Nickel oder billigeren Metallen mit Nickelüberzug hergestellt. In dem Gehäuse

befindet sich ein leitfähiges Kalilauge-Wasser-Gemisch. Bei Anlegen einer äu-

ßeren Gleichspannung zwischen Kathode (Minuspol) und Anode (Pluspol) fließt

ein elektrischer Strom, der an der Kathode für die Wasserstoff- (H2) und an der

Anode für die Sauerstoffentwicklung (O2) sorgt. Dabei wird nur das Wasser

zersetzt und muss nachgefüllt werden. Bei 20°C und 1 bar Druck beträgt die

elektrochemische Zersetzungsspannung einer Zelle 1,229 V. Aufgrund ohm-

scher Widerstände und innerer Überspannungsverluste muß die äußere Klem-

menspannung wesentlich höher sein. Abb. 15 zeigt den Vergleich verschiede-

ner Elektrolysekonzepte mit Nickelelektroden und verschiedenen katalytisch

aktiven Beschichtungen. Bei der industriell üblichen Stromdichte von 2 kA/m2

benötigt eine Elektrolysezelle mit blanken Nickelelektroden eine Spannung von

2,1 V entspr. 5,1 kWh/Nm3 Wasserstoff. Eine Zelle mit einfacher Kathodenbe-

schichtung in atmosphärischer Plasmaspritztechnik (APS) benötigt nur noch

eine Spannung von 1,92 V entspr. 4,7 kWh/Nm3. Eine Zelle mit beidseitiger

Elektrodenbeschichtung mit Hilfe der DLR-Vakuum-Plasma-Spritztechnologie

(VPS) kommt dagegen mit nur 1,69 V also 4,1 kWh/Nm3 aus. Zum Vergleich:

Dezentrale Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse, Brinner, Hug, 2002

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der untere Heizwert des Wasserstoff beträgt 3 kWh/Nm3. Die

Elektrodenbeschichtung hat also den wesentlichsten Einfluss auf den

spezifischen Energieverbrauch des Elektrolyseprozesses. Die DLR-Elektroden

werden seit mehreren Jahren erfolgreich in Elektrolyseuren der Fa.

Hydrotechnik eingesetzt.

3) Photovoltaik-Elektrolysesystem

Bei Verwendung von Wasserstoff als Sekundärenergieträger spielen zwei As-

pekte eine wesentliche Rolle. Der eine Aspekt ist die Minimierung des spez.

Energieverbrauchs zur Herstellung, der im vorigen Kapitel kurz angerissen

wurde. Der zweite Aspekt ist die möglichst emissionsarme bzw. emissionsfreie

Herstellung. Nur die Kombination beider führen zu einem neuen Energiesystem.

Beide Aspekte haben auf die Auslegung des Wasserstofferzeugungssystems

großen Einfluss. Abb. 2 zeigt beispielhaft ein Photovoltaik-Elektrolysesystem.

Abb. 2: Funktionsprinzip eines Photovoltaik-Elektrolysesystems ohne Gasspeicherung In diesem Beispiel ist die regenerative Energiequelle, die Photovoltaik (Photo-

voltaic Generator), mit direkter elektrischer Energieerzeugung aus Sonnenlicht.

Die optimale Energieübertragung, d.h. die Anpassung der Energiequellen-

Kennlinien an die H2-Herstellungs-Kennlinien, wird durch eine Leistungsanpas-

sung (Power Conditioning) gewährleistet. Die effiziente Energieumsetzung wird

mit einem betriebs- und energieoptimierten Elektrolyseur (Alkaline Water Elec-

trolyzer) sichergestellt.

Dezentrale Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse, Brinner, Hug, 2002

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Abb. 3 zeigt ein Übersichtsphoto des sog. HYSOLAR-Gebäudes, das 1987 im

Rahmen des deutsch-saudi arabischen Gemeinschaftsprogrammes HYSOLAR

(Hydrogen from SOLAR Energy) in Betrieb genommen wurde. Dieses Gebäude

beherbergt die weltweit erste TÜV-geprüfte 10 kWN Photovoltaik-Elektrolyse-

Versuchsanlage mit drei parallel betreibbaren 10 kWN Elektrolyseuren, die So-

lar-Wasserstoff für die Abgabe an Verbraucher erzeugen. Diese Anlage diente

neben den internen Untersuchungsprogrammen auch als Vorbildsystem für die

beiden anderen im HYSOLAR-Programm errichteten PV-Elektrolysesysteme

mit 3 kWp in Jeddah bzw. 350 kWp Leistung in Riad.

Wasserstoff-Speichersystem

Elektrolyse-Betriebsraum

Anlagen-Kontrollraum

Datenerfassung-und Auswertung

PV-Feld14,3 kWp / 10 kWN

Abb. 3: Aufbau der 10 kWN Photovoltaik-Elektrolyseanlage im HYSOLAR-Gebäude

Mit den Betriebsuntersuchungen an dieser Anlage werden drei Ziele verfolgt:

(1) die Entwicklung effizienter Elektrolyseure, (2) die Entwicklung einfacher, si-

cherer Gesamtanlagenkonzepte und (3) die gezielte Entwicklung peripherer Sy-

stemkomponenten wie Anlagensteuerung, Sicherheitseinrichtungen und Gas-

reinigungssystemen. Aufgrund des erfolgreichen Basiskonzeptes dieser Anlage

konnte ab April 1991 in Riad die 350 kW Solar-Wasserstoff-Produktionsanlage

errichtet und nach erfolgreicher TÜV-Abnahme im Sommer 1993 in Betrieb ge-

nommen werden.

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4) 350 kW Solar-Wasserstoffanlage in Riad/ Saudi Arabien

Die 350 kW Anlage wurde als erste vollautomatisch betreibbare Solar-Wasser-

stoff-Produktionsanlage geplant. Aufgrund dieser Zielrichtung besitzt diese An-

lage nicht die gleiche Betriebsflexilität wie die 10 kW-Anlage.

Abb. 4 zeigt das Blockschaltbild des 350 kW-Systems mit seinen 16 Hauptkom-

ponenten. Die oberen vier Blöcke des Bildes sind die Steuer- und Sicherheits-

systeme für den Betrieb. Mittig im Bild sind die beiden Blöcke des Elektroly-

seurs zu sehen. Links davon enthält das Diagramm die beiden Stromversor-

gungen und rechts im Bild die Blöcke der Wasserstoffspeicherung. Die übrigen

Blöcke stellen die Hilfssysteme für Kühlung, Wasseraufbereitung und

Druckluftversorgung dar. In Abb. 4 sind zusätzlich auch die Medien- und

Signalverbindungen der Hauptsysteme untereinander enthalten.

N2S350-P&I-06

HYS350-P&I-09 O2 H2

CWB: COOLING WATER CIRC. BLOW.CWC: COOLING WATER CIRC. CHILL.

DC PWR: DC ELECTRIC POWER

YS350-P&I-07

O2: OXYGENN2: NITROGEN

H2: HYDROGEN

PA

50-P&I-08 CWC

CWC

HYS350-P&I-02

DC PWR

HYS350-P&I-02

DC PWR

PAH2HYS350-P&I-03

CWB

O2

-10

CWC

HYS350-P&I-05

H2

HYS350-P&I-05

H2

HYS350-P&I-04

CWCPA

H2

O2N2

H2

H2

HYS350-P&I-05

HYS350-P&I-05

N2

HYDROGEN & OXYGEN

NITROGENSUPPLY

HARD-WIREDSAFETY SYSTEM

(HWSS)

BLOWER

H2 & O2 GAS

OPERATIONCOMPUTER (PLC)

ROOM AIRSUPERVISION

SYSTEM (RASS)

ANALYSIS SYSTEM(GAS)

LOOP HY

PRESSURISEDAIR H

WATERTREATMENT

HYS3

TRANSFORMER/RECTIFIER

SUPPLYSOLAR POWER

ELECTROLYTELOOP

HYDROGENCOMPRESSOR

HYS350-P&I

CHILLER/COOLER

LOOP

H2 BOTTLERACK 2

H2 STORAGEGAS TREATMENT VESSEL

H2 BOTTLERACK 1

Abb. 4: Blockschaltbild der 350 kW Photovoltaik-Elektrolyseanlage in Riad

Die angestrebte kompakte Bauweise der Anlage ist im Aufstellungsplan in Abb.

5 gut zu erkennen. In „Control Room“ und „Utilities Room“ sind alle Kontroll-, Si-

cherheits- und Datenerfassungssysteme untergebracht. Im „Electrical Room“ ist

die Verbindung zwischen Elektrolysesystem und Photovoltaikfeld realisiert.

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C&

D P

anel

HS

CPIDR

SA

CS

BP

DA

PD

Inve

rt.

RA

SS

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GA

S

AC

HP

DH

PD

DC

AC

PD

HW

SS A

CC

P

ELECTRICALROOM

1UPS

BATTERYROOM

Au

x.A

CP

D

2

Ele

ctro

lysi

s

CoolersBlowers

Blo

ck

UTILITIESROOM

US

PROCESSROOM

PS

HB

2

Com

pres

sor

H2

Vess

el

GASHANDLING

ROOM

NB

S

HB

1

CONTROLROOM

NUndergroundElectrolyte Tank

Abb. 5: Systemaufbau der 350 kWp PV-Elektrolyseanlage im Betriebsgebäude

Der „Utilities Room“ enthält ein Containergestell mit allen Hilfssystemen. Im

Osten außerhalb des Raums sind die Kühlanlagen und Untergrundtanks aufge-

baut. Der „Process Room“ ist nur dem Elektrolyseur in einem separaten Contai-

nergestellt vorbehalten. Der „Gas Handling Room“ beherbergt Wasserstoff-Zwi-

schenspeicher, Verdichter und Gasreinigungsanlage. Am nördlichen Gebäude-

ende wurden außen die Wasserstoff-Druckspeicher und das Stickstoff-Inertisie-

rungssystem aufgebaut. Für die Sicherheit des Bedienungspersonals wurden

eine Feuerlöschanlage, Duschen, Erste-Hilfe-Ausrüstung und Raumluft-Über-

wachungsanlagen in allen Betriebsräumen installiert. Die gesamte Anlage be-

nötigt nur eine Aufstellungsfläche von 102 m2. Dem gegenüber benötigt das

Photovoltaikfeld mit seinen 160 motorisch 2-achsig nachgeführten Solarzellen-

trägern eine Landfläche von 40.000 m2. Aufgrund des höheren Wirkungsgrades

wurden Solarmodule mit 30-fach konzentrierenden Fresnellinsen ausgewählt.

Aufgrund des hohen Automatisierungsgrades kann die 350 kW-Anlage von ei-

nem eingewiesenen Bediener betrieben werden. Der 2-jährige Testbetrieb hat

gezeigt, dass der Wartungsaufwand inklusive Druckspeicherwechsel bei etwa 8

Stunden pro Betriebswoche liegt und die meisten Arbeiten ohne Betriebsunter-

brechung durchgeführt werden können. Für die regelmäßigen Sicherheitsprü-

fungen wurde ein 3-jähriger Turnus festgelegt.

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Besonderes Augenmerk wurde auf die Gasqualität des Druck-Wasserstoff ge-

legt, die der Standardqualität 5.0 entspr. 99,999% Reinheit entsprechen sollte.

Dafür wurde an der 10 kW-Anlage das in Abb. 6 dargestellte Reinigungs- und

Speichersystem entwickelt und in der 350 kW-Anlage realisiert. Die Hauptvor-

teile dieser Anlage sind ihre dynamische Betreibbarkeit mit variablen Gasdurch-

flüssen und der angepasste Aufbau mit katalytischem Reiniger, Wasserfallen

und automatisch regenerierbaren Wasseradsorptionsbehälter sowie seinem

niedrigen Energieverbrauch. Das Reinigungssystem ist gastechnisch zwischen

die beiden Druckstufen des Verdichters eingeschleift und benötigt keine eigene

Steuerung.

Abb. 6: Beispiel eines dynamischen 10 kW H2 - Reinigungs- und Speichersystems

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5) Intermittierend betreibbare Elektrolyseure

Obwohl natürlich der spezifische Energieverbrauch der H2-Herstellung ein we-

sentlicher Kosten- und Betriebsfaktor ist, muss die Elektrolyseentwicklung noch

andere Einflüsse darauf berücksichtigen.

Elektroden-fläche

Elektrolyse-block

Gas-Abscheidung

Laugen-sammler

Laugen-Kreislauf

Abb. 7: Einfacher druckloser alkalischer 2 kWN Elektrolyseur von DLR & Hydrotechnik

Allen voran sind dies der einfache Aufbau bei drucklosem oder Kompaktaufbau

bei Druckbetrieb sowie die Fähigkeit zum dynamischen bzw. intermittierenden

Betrieb zwecks universellem Einsatz mit verschiedenen Energiequellen.

Das DLR und die Fa. Hydrotechnik haben hierzu wesentliche Beiträge geleistet.

Die erste gemeinsame Entwicklung aus dem Jahr 1987 ist der in Abb. 7 darge-

stellte 2 kW-Elektrolyseur mit 1000 cm2 Elektrodenfläche, 5 Zellen und 1000 A

Maximalstrom. Das Blockschaltbild dieses äußerst einfachen Elektrolyseurs ist

in Abb. 8 gezeigt. Seine Zellrahmen sind aus Kalilauge-festem Kunststoff mit

hohem Fülleranteil gegossen und enthalten – wie in Abb. 7 erläutert – zusätz-

lich zu den aktiven Elektrolysezellen auch alle Behältervolumina für die

Gastrennung und den Lauge-Wasser-Vorrat sowie alle Verbindungskanäle. Die

Volumina sind so berechnet, dass, bei Hinzufügen weiterer Elektrolysezellen,

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auch die Sammel- und Abscheideräume im richtigen Maß „mitwachsen“. Der 2-

jährige Testbetrieb hat gezeigt, dass der Elektrolyseur auch mit einer dynami-

schen elektrischen Leistung von 10 kWe auf Dauer betrieben werden kann, und

dass auch der Laugen-Naturumlauf auf Schwerkraftbasis ohne Pumpenbetrieb

problemlos funktioniert. Leider ist dieses Elektrolysekonzept nur für den

drucklosen Betrieb geeignet, dafür jedoch konkurrenzlos preiswert realisierbar.

Gasabscheidekammern

O2-Seite

ZellrahmenLaugenniveau

H2-Seite

LaugensammelkammernAktive Elektrodenfläche

Anoden-KreislaufKathoden-Kreislauf

Kathodenpumpe Anodenpumpe

Wärmeübertrager

Abb. 8: Kreislaufdiagramm des 2 kWN Elektrolyseur von DLR und Hydrotechnik

Für den Elektrolyse-Druckbetrieb wurden mit den Betriebs- und Materialerfah-

rungen des 2 kW-Elektrolyseurs ein Druckelektrolyseur mit 15 kW Nennleistung

bei 350 A für einen Betriebsdruck von 5 bara mit 20 Zellen und 600 cm2 Elektro-

denfläche entwickelt. Der DLR-Elektrolyseur ist in Abb. 9 dargestellt und seine

Hauptkomponenten erläutert.

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Druck-regelung

Elektrolyse-block

Gas-Wasser-Trennung

Wasser-abscheider

Laugen-Kreislauf

Abb. 9: Fortschrittlicher alkalischer 15 kWe Druck-Elektrolyseur mit VPS-Elektroden

Der 10 kW-Elektrolyseur besitzt im Vergleich zu technisch ähnlichen Apparaten

eine Reihe von Vorteilen. Durch den Einsatz von DLR-Elektroden ist sein spezi-

fischer Energieverbrauch extrem niedrig (vergl. (3) in Abb. 13), der intermittie-

rende Druckbetrieb mit Photovoltaikfeld ist uneingeschränkt möglich, der Sy-

stemenergieverbrauch ist niedrig aufgrund weniger elektrischer Komponenten

(1 Pumpe, 6 elektromagnetische Ventile) und, H2- und O2-Druck werden sepa-

rat geregelt obwohl eine gemeinsamer Laugen-Sammelbehälter genutzt wird.

Der DLR-Elektrolyseur hat seine Dauerfestigkeit mit über 20.000 h dynami-

schem Betrieb überzeugend unter Beweis gestellt.

Das verfahrenstechnische Konzept dieses Elektrolyseurs wurde für den Einsatz

in Riad zum 0,5 MW Elektrolyseur mit 2500 cm2 Elektrodenfläche, 120 Zellen

und 9 bara Druckbetrieb weiterentwickelt. Abb. 10 gibt einen Überblick über

seine wesentlichen Komponenten. Bei der Weiterentwicklung standen dabei die

Randbedingungen des Betriebs bei extremen Temperaturen und Schwankun-

gen des PV-Energieangebotes, TÜV-Abnahmefähigkeit, geringer Wartungsbe-

darf, niedriger Systemenergieverbrauch, hohe Gasreinheit und lange Lebens-

dauer im Vordergrund. Dafür musste auf die hohe Flexibilität eines Versuchssy-

stems bezüglich eines weiten Betriebstemperatur- und Druckbereiches ver-

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zichtet werden, um das Elektrolysesystem automatisieren zu können. Um die

grundsätzlichen Betriebsuntersuchungen trotzdem durchführen zu können,

wurde ein strom- und spannungsregelbarer Gleichrichter mit 0,5 MW Nennlei-

stung bei 1500 A Ausgangstrom installiert.

N2-Spül-System

Elektrolyse-block

H2-Wasser-Trennung

Wasser-abscheider

Wasser-Kreislauf

Laugen-Kreislauf

Abb. 10: Alkalischer 0,5 MWN Druckelektrolyseur für die solare Wasserstoffherstellung

6) Elektrolyse-Betriebsergebnisse des intermittierenden Betriebs

Die wichtigste Eigenschaften eines intermittierend betreibbaren Elektrolyseurs

sind mit seinen charakteristischen Betriebsdaten über einen Solarbetriebstag

der 10 kW-Anlage in Abb. 11 beispielhaft dargestellt. Der Elektrolysestrom (ICU

Electrolyzer DC Current) ist aufgrund des Faraday’schen Gesetzes ein unmit-

telbares Maß für die Wasserstoffproduktion und, aufgrund fehlendem elektri-

schem Energiespeicher, ein direkter Folger der Solareinstrahlung (Global Inso-

lation). Für den Solarbetrieb muss der Start-/Stop-Betriebsstrom des Elektroly-

seurs unter 5% des Nominalstroms liegen. Der H2-in-O2-Gehalt des Sauerstoffs

wird als Sicherheitskennwert für die Abschaltung des Elektrolyseurs genutzt

und muss unterhalb von 1,8 Vol.-% liegen. Der O2-in-H2-Gehalt des Wasser-

stoffs als Maß für die Reinigung/Speicherung des Wasserstoffs liegt immer

etwa bei der Hälfte des H2-in-O2-Gehaltes und darf ebenfalls höchstens 1,8

Vol.-% erreichen. Bei Betriebsstart haben beide Sicherheits-Kenngrößen immer

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hohe Werte und müssen in weniger als 15 Minuten ihre normalen Betriebswerte

erreichen, andernfalls wird der Betrieb automatisch abgeschaltet.

Abb. 11: Tagesverlauf charakteristischer Daten des 10 kW PV-Elektrolysebetriebs

Die oben genannten Betriebsrandbedingungen werden von 2 kW- als auch 15

kW-Elektrolyseur einwandfrei erfüllt.

Neben der uneingeschränkten Betriebsfähigkeit ist natürlich die Nutzung der

elektrischen Leistung zur Erzeugung von Wasserstoff, der Elektrolyse-Wir-

kungsgrad, die wichtigste Betriebsgröße. In Abb. 12 sind die zwei messbaren

Wirkungsgrade (η) und ihr Ergebnis, der Gesamt-Wirkungsgrad, beispielhaft für

einen Solarbetriebstag der 350 kW-Anlage dargestellt. Der Faraday-η gibt an

welcher Anteil des Elektrolysestroms tatsächlich zur H2-Herstellung genutzt wird

und welcher Anteil an den Elektroden vorbei über Laugen- und Gaskanäle

fließt. Der Faraday-η liegt normalerweise immer weit über 90%. Der Span-

nungs-η ist das Verhältnis zwischen Zersetzungsspannung und Klemmenspan-

nung. Der Gesamt-η ergibt sich durch Multiplikation beider Werte. Im Falle der

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350 kW-Anlage erreicht der Gesamt-η einen Spitzenwert von knapp 69 % be-

zogen auf den oberen H2-Heizwert.

10 11 12 13 14 15 16 170

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Referenz: Ho = 3.55 kWh/Nm3 H2

Stromdichtebereich: 250 - 190 mA/cm2

Betriebstemperaturbereich: 60 - 65oC

Betriebsdruck: 500 kPag

Verlauf der Wirkungsgrade während eines Solarbetriebstages

Wirk

ungs

grad

[ %

]

Tageszeit

Spannungs-Wirkungsgrad

Elektrolyse-Wirkungsgrad

Faraday-Wirkungsgrad

Abb. 12: Wirkungsgradverlauf der 350 kW-Anlage während eines Solarbetriebstages

An der 10 kW-Anlage in Stuttgart konnte aufgrund der dynamischeren Wetter-

bedingungen auch der Langzeiteinfluß der elektrischen Eingangsleistung auf

den Elektrolyse-Wirkungsgrad untersucht werden. Das Ergebnis ist als Dia-

gramm über 13 Monate Solarbetrieb in Abb. 13 dargestellt. Es zeigte sich, dass

der mittlere Gesamt-η von 72 % (=85,2 % bezogen auf oberen H2-Heizwert) mit

einer Schwankungsbreite von +/- 2 % bei dem DLR-Elektrolysekonzept unab-

hängig von der elektrischen Eingangsleistung ist. Das heißt, dass sowohl das

Betriebs- und das verfahrenstechnische Konzept als auch die Elektroden an die

dynamischen Betriebsbedingungen des Solarbetriebs perfekt angepasst sind.

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Abb. 13: Langzeit-Solarbetrieb eines fortschrittlichen alkalischen 10 kW Elektrolyseurs

350 kW PV-Elektrolyseanlage

H2-Herstellung: 91,76%

H2-Kompression: 0,25%

Elektronik: 1,18%

Elektrolysekühler: 1,64%

Anlagenkühler: 5,11%

H20-Aufbereitung:0,06%

Energieverbrauch im SolarbetriebDatenbasis: September 1993 - Juni 1995

Abb.14: Anlagenenergieverbrauch im Solarbetrieb

Zwischen September 1993 und Juni 1995 wurde an der 350 kW-Anlage ein

Untersuchungsprogramm zum Gesamtenergieverbrauch eines PV-Elektrolyse-

systems durchgeführt, dessen Ergebnisse in Abb. 14 dargestellt sind. Von der

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gesamten aufgenommenen elektrischen Leistung werden fast 92 % direkt zur

H2-Herstellung dem Elektrolyseblock zugeleitet. Nur knapp 8 % der Leistung

werden für den Systembetrieb und die Druck-Wasserstoffspeicherung benötigt.

Davon wiederum wird der größte Anteil für die Kühlung benötigt.

0 100 200 300 400 5001,4

1,6

1,8

2,0

2,2

2,4

2,6

Zells

pann

ung/

V

Stromdichte/ mA/cm2

1

600 cm2

K & A: bl. NiP = 400 kPa

3600 cm2

K & A: VPSP = 400 kPa

0 100 200 300 400 5001,4

1,6

1,8

2,0

2,2

2,4

2,6

3,5

4,0

4,5

5,0

5,5

6,0

Spez

. Ene

rgie

verb

rauc

h/ k

Wh/

Nm

3

2

2500 cm2

K: APS; A: bl. NiP = 700 kPa

Abb. 15: Vergleich von Kennlinien unterschiedlicher Elektrolysetechnologien bei 70°C

7) Zusammenfassung

Seit 25 Jahren werden hauptsächlich von deutschen und saudi arabischen For-

schungseinrichtungen und Industriefirmen große Anstrengungen unternommen,

die alkalische Elektrolysetechnik für die Herstellung von Wasserstoff als Sekun-

därenergieträger zu entwickeln und verfügbar zu machen. Für diese Anstren-

gungen war dabei das Programm HYSOLAR der Hauptinitiator. Mit Bezug auf

die rasante Brennstoffzellenentwicklung, die Anfang der 90iger Jahre einsetzte,

kann mit Sicherheit gesagt werden, dass die Technologie der emissionsfreien,

effizienten H2-Herstellung mit regenerativen Energiequellen verfügbar ist. Es

fehlt momentan noch der H2-Bedarf, um die Entwicklungsergebnisse großindu-

striell, serientauglich und preiswert umzusetzen.

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