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Deutschland M oss hat Geld, einen falschen Picas- so und keinen Vornamen. Er heißt einfach Moss. Er ist Anfang sech- zig und wohnt in der Nähe von Dallas. Bei Bedarf bestätigt eine amerikanische Groß- kanzlei, dass Moss jederzeit über 250 Mil- lionen Dollar verfügen kann. Wo sein Ver- mögen herkommt? Man weiß es nicht. Der Amerikaner sammelt Objekte, die mit einer ungewöhnlichen Geschichte verbunden sind. Dann ist er bereit, jede Summe hinzulegen. Im Januar hat sich Moss verliebt, in zwei bronzene Pferde, die ein Liebling Adolf Hitlers gestaltet hat, der Bildhauer Josef Thorak. Sie waren lange verschwunden, aber plötzlich gibt es da das Angebot eines Kunstvermittlers, von dem Moss erfährt: acht Millionen für die Pferde. Kein Pro- blem für Moss. Kein Problem für Moss, würde es ihn geben. Aber es gibt ihn nicht. Moss ist die Erfindung des niederländischen Kunstde- tektivs Arthur Brand. Er hat ihn erfunden, um scheinbar auf das Angebot des Kunst- vermittlers eingehen zu können: Thoraks Pferde und noch andere Nazidevotiona- lien. Mit Moss’ Hilfe gelingt schließlich die Sensation: Am Mittwoch durchsuchten Fahnder des Berliner Landeskriminalamts bei einer bundesweiten Razzia Wohnun- gen und Häuser von sieben Verdächtigen und fanden einen wichtigen Teil des ver- schollenen Kunstschatzes der Nazis. Bei einem Sammler in der Nähe Kiels entdecken die Polizisten einen gewaltigen nackten Recken aus Bronze mit Schwert in der ausgestreckten Hand. Es ist womöglich „Die Wehrmacht“, eine der beiden Skulp- turen, die der Bildhauerstar der Nazis, Arno Breker, 1939 für den Ehrenhof von Adolf Hitlers Neuer Reichskanzlei schuf. Seit dem Krieg galt sie als verschollen. In Bad Dürkheim stießen die Beamten im Freien neben einer Lagerhalle auf drei gigantische Granitreliefs, die Breker für den Triumphbogen von Hitlers geplanter „Welthauptstadt Germania“ angefertigt hatte: „Der Rächer“, „Der Wächter“ und „Kameraden“, jeweils zehn Meter hoch, fünf Meter breit, 40 Tonnen schwer und in 49 Teile zerlegt. Sie waren nach dem Krieg sowjetischen Truppen in die Hände gefallen. Die Reliefs sammelte der Unternehmer Rainer Wolf, auf dessen weitläufigen Grundstücken die Fahnder sechs weitere Großbronzen entdecken: zwei Frauenakte von Fritz Klimsch, „Olympia“ und „Ga- lathea“, Brekers „Der Künder“ und „Be- rufung“ sowie zwei gewaltige Rösser, die Josef Thorak 1939 für die Neue Reichs- kanzlei hatte gießen lassen. Sie gehen nun nicht an Herrn Moss aus Dallas, sondern an die Bundesrepublik Deutschland, der die Skulpturen wahr- scheinlich heute gehören. Der Handel da- mit ist deshalb illegal. Ein paar Leute ha- ben jetzt mächtig Ärger mit der Staatsan- waltschaft. Das eine oder andere Museum wird sich freuen, dass es nun mit Origina- len an ein fanatisches und millionenfach tödliches Heldendenken erinnern kann. Der künstlerische Wert der schwülstigen Statuen ist umstritten. Um es vorsichtig zu formulieren. Die Jagd nach dem Kunstschatz der Na- zis aber ist ein besonderes Kriminalstück, das der SPIEGEL seit Monaten begleitet. Es begann mit Thoraks Pferden. Die ganze Welt kenne Edeltraud Immel- Sauer nur als die Kunsthändlerin Traude Sauer, sagt Edeltraud Immel-Sauer, die aus Geldmangel ihren Namen nicht ändern will, weil sie erstens vor langer Zeit von ihrem reichen Mann im Stich gelassen wur- de und zweitens in den Neunzigern von einem falschen indischen Prinzen in Lon- don um den Rest ihres Vermögens geprellt wurde, sodass sie nun mit ihren Bücher- bergen in einer winzigen Wohnung in Ber- lin-Moabit leben muss. Also – die ganze Welt kennt die alte Dame aus Berlin. Das heißt, wer? Na ja, das Getty-Museum in Los Angeles, die Neue Galerie New York, die großen Sammlungen in Europa und ein Berliner Exautohändler. Der vor allem. Der Mann hat ein paarmal wegen Insol- venzverschleppung, Bankrotts und Geld- wäsche vor Gericht gestanden, preist sich inzwischen als Kunstberater an und ver- mittelt „interessante Anlagemöglichkeiten (auch mündelsicher) ab € 50.000. Diverse Handelsgüter einfach mal anfragen“. Bei Bedarf bietet er zudem Hilfe bei „infek- tionären Krankheiten (offenen Wunden)“. Im September 2013 meldet er sich bei Sauer und will wissen, ob sie Interesse an zwei riesigen Pferdeskulpturen des Nazi- bildhauers Josef Thorak habe. In einer späteren E-Mail verlangt er 3,1 Millionen Euro, „Transport mit Flugzeug zum Wunsch-Flughafen des Käufers“ inklusive. Als Sauer nach dem Besitzer der Bronzen fragt, deutet er an, dass bei dem Deal ein „Großmeister des Templerordens“ eine Rolle spiele. Mehr will er nicht sagen. Sauer vergräbt sich in der Berliner Kunstbibliothek. Schnell findet sie heraus, dass es sich bei den beiden Pferden um die Skulpturen von Hitlers Neuer Reichs- kanzlei handeln muss, die seit Jahrzehnten verschwunden sind. In den folgenden Monaten melden sich weitere Anbieter. Der eine behauptet, die Skulpturen stammten „aus dem Besitz ei- ner der reichsten deutschen Familien“, der andere bricht die Verhandlungen ab, weil er keine Leute mag, „die zu viele Fragen stellen“. Was die Anbieter nicht wissen: Die alte Dame ist seit Jahren Informantin der Polizei. Sie meldet sich im September 2013 bei René Allonge, dem Chefkunstfahnder des Berliner Landeskriminalamts. Allonge ist ein Verlierer der Wende. Dachte er einmal. Mit 17 war er auf dem Weg, Matrose auf einem Hochseefisch- kutter der DDR zu werden. Die Mauer fiel, und er wurde entlassen. Allonge musste 48 DER SPIEGEL / FOTOS: ULLSTEIN BILD (L.); MARIUS ROEER / DER SPIEGEL (R. O.); WALTER FRENTZ COLLECTION, BERLIN (R. U.) Braune Meister NS-Kunst Seit Monaten jagen ein niederländischer Detektiv und die Berliner Polizei nach Hitlers Skulpturen, die 1945 den Sowjets in die Hände gefallen waren. Bei einer spektakulären Aktion stellten sie jetzt tonnenweise Naziwerke sicher. Von Konstantin von Hammerstein NS-Bildhauer Breker 1940 Liebling des Führers

Deutschland Braune Meister - DER SPIEGEL

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Page 1: Deutschland Braune Meister - DER SPIEGEL

Deutschland

Moss hat Geld, einen falschen Picas-so und keinen Vornamen. Er heißteinfach Moss. Er ist Anfang sech-

zig und wohnt in der Nähe von Dallas. BeiBedarf bestätigt eine amerikanische Groß-kanzlei, dass Moss jederzeit über 250 Mil-lionen Dollar verfügen kann. Wo sein Ver-mögen herkommt? Man weiß es nicht.

Der Amerikaner sammelt Objekte, diemit einer ungewöhnlichen Geschichte verbunden sind. Dann ist er bereit, jedeSumme hinzulegen.

Im Januar hat sich Moss verliebt, in zweibronzene Pferde, die ein Liebling AdolfHitlers gestaltet hat, der Bildhauer JosefThorak. Sie waren lange verschwunden,aber plötzlich gibt es da das Angebot einesKunstvermittlers, von dem Moss erfährt:acht Millionen für die Pferde. Kein Pro-blem für Moss.

Kein Problem für Moss, würde es ihngeben. Aber es gibt ihn nicht. Moss ist dieErfindung des niederländischen Kunstde-tektivs Arthur Brand. Er hat ihn erfunden,um scheinbar auf das Angebot des Kunst-vermittlers eingehen zu können: ThoraksPferde und noch andere Nazidevotiona-lien.

Mit Moss’ Hilfe gelingt schließlich dieSensation: Am Mittwoch durchsuchtenFahnder des Berliner Landeskriminalamtsbei einer bundesweiten Razzia Wohnun-gen und Häuser von sieben Verdächtigenund fanden einen wichtigen Teil des ver-schollenen Kunstschatzes der Nazis.

Bei einem Sammler in der Nähe Kielsentdecken die Polizisten einen gewaltigennackten Recken aus Bronze mit Schwert inder ausgestreckten Hand. Es ist womöglich„Die Wehrmacht“, eine der beiden Skulp-turen, die der Bildhauerstar der Nazis, ArnoBreker, 1939 für den Ehrenhof von AdolfHitlers Neuer Reichskanzlei schuf. Seit demKrieg galt sie als verschollen.

In Bad Dürkheim stießen die Beamtenim Freien neben einer Lagerhalle auf dreigigantische Granitreliefs, die Breker fürden Triumphbogen von Hitlers geplanter„Welthauptstadt Germania“ angefertigthatte: „Der Rächer“, „Der Wächter“ und„Kameraden“, jeweils zehn Meter hoch,fünf Meter breit, 40 Tonnen schwer undin 49 Teile zerlegt. Sie waren nach demKrieg sowjetischen Truppen in die Händegefallen.

Die Reliefs sammelte der UnternehmerRainer Wolf, auf dessen weitläufigen

Grundstücken die Fahnder sechs weitereGroßbronzen entdecken: zwei Frauenaktevon Fritz Klimsch, „Olympia“ und „Ga-lathea“, Brekers „Der Künder“ und „Be-rufung“ sowie zwei gewaltige Rösser, dieJosef Thorak 1939 für die Neue Reichs-kanzlei hatte gießen lassen.

Sie gehen nun nicht an Herrn Moss ausDallas, sondern an die BundesrepublikDeutschland, der die Skulpturen wahr-scheinlich heute gehören. Der Handel da-mit ist deshalb illegal. Ein paar Leute ha-ben jetzt mächtig Ärger mit der Staatsan-waltschaft. Das eine oder andere Museumwird sich freuen, dass es nun mit Origina-len an ein fanatisches und millionenfachtödliches Heldendenken erinnern kann.Der künstlerische Wert der schwülstigenStatuen ist umstritten. Um es vorsichtig zuformulieren.

Die Jagd nach dem Kunstschatz der Na-zis aber ist ein besonderes Kriminalstück,das der SPIEGEL seit Monaten begleitet.Es begann mit Thoraks Pferden.

Die ganze Welt kenne Edeltraud Immel-Sauer nur als die Kunsthändlerin TraudeSauer, sagt Edeltraud Immel-Sauer, die ausGeldmangel ihren Namen nicht ändern

will, weil sie erstens vor langer Zeit vonihrem reichen Mann im Stich gelassen wur-de und zweitens in den Neunzigern voneinem falschen indischen Prinzen in Lon-don um den Rest ihres Vermögens geprelltwurde, sodass sie nun mit ihren Bücher-bergen in einer winzigen Wohnung in Ber-lin-Moabit leben muss.

Also – die ganze Welt kennt die alteDame aus Berlin. Das heißt, wer? Na ja,das Getty-Museum in Los Angeles, dieNeue Galerie New York, die großenSammlungen in Europa und ein BerlinerExautohändler. Der vor allem.

Der Mann hat ein paarmal wegen Insol-venzverschleppung, Bankrotts und Geld-wäsche vor Gericht gestanden, preist sichinzwischen als Kunstberater an und ver-mittelt „interessante Anlagemöglichkeiten(auch mündelsicher) ab € 50.000. DiverseHandelsgüter einfach mal anfragen“. BeiBedarf bietet er zudem Hilfe bei „infek-tionären Krankheiten (offenen Wunden)“.

Im September 2013 meldet er sich beiSauer und will wissen, ob sie Interesse anzwei riesigen Pferdeskulpturen des Nazi-bildhauers Josef Thorak habe. In einer späteren E-Mail verlangt er 3,1 MillionenEuro, „Transport mit Flugzeug zumWunsch-Flughafen des Käufers“ inklusive.Als Sauer nach dem Besitzer der Bronzenfragt, deutet er an, dass bei dem Deal ein„Großmeister des Templerordens“ eineRolle spiele. Mehr will er nicht sagen.

Sauer vergräbt sich in der BerlinerKunstbibliothek. Schnell findet sie heraus,dass es sich bei den beiden Pferden umdie Skulpturen von Hitlers Neuer Reichs-kanzlei handeln muss, die seit Jahrzehntenverschwunden sind.

In den folgenden Monaten melden sichweitere Anbieter. Der eine behauptet, dieSkulpturen stammten „aus dem Besitz ei-ner der reichsten deutschen Familien“, derandere bricht die Verhandlungen ab, weiler keine Leute mag, „die zu viele Fragenstellen“.

Was die Anbieter nicht wissen: Die alteDame ist seit Jahren Informantin der Polizei. Sie meldet sich im September 2013bei René Allonge, dem Chefkunstfahnderdes Berliner Landeskriminalamts.

Allonge ist ein Verlierer der Wende.Dachte er einmal. Mit 17 war er auf demWeg, Matrose auf einem Hochseefisch -kutter der DDR zu werden. Die Mauer fiel,und er wurde entlassen. Allonge musste

48 DER SPIEGEL 22 / 2015

FOTOS: ULLSTEIN BILD (L.); MARIUS ROEER / DER SPIEGEL (R. O.); WALTER FRENTZ COLLECTION, BERLIN (R. U.)

Braune MeisterNS-Kunst Seit Monaten jagen ein niederländischer Detektiv und die Berliner Polizei nach Hitlers Skulpturen, die 1945 den Sowjets in die Hände gefallen waren. Bei einer spektakulären Aktion stellten sie jetzt tonnenweise Naziwerke sicher. Von Konstantin von Hammerstein

NS-Bildhauer Breker 1940Liebling des Führers

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49DER SPIEGEL 22 / 2015

Breker-Plastik „Die Wehrmacht“ in Kiel, im Ehrenhof der Neuen Reichskanzlei um 1940: Im DDR-Schrotthandel aufgetaucht

Page 3: Deutschland Braune Meister - DER SPIEGEL

Deutschland

sich einen neuen Beruf suchen und wurdePolizist, ein ziemlich erfolgreicher.

Über dem Waschbecken in seinem Bürohängt ein echter Wolfgang Beltracchi.„Landschaft mit zwei Figuren“ im Stil vonHeinrich Campendonk. 2010 überführte ermit seinem Team den Kunstfälscher, es warsein spektakulärster Fall.

Mit den Pferden von Thorak kommt erzunächst nicht weiter. Er hat alle Anbieterabgecheckt, ein paar Vorstrafen, ein paarHinweise auf Ermittlungen in anderenBundesländern, nichts, was Allonge wirk-lich weitergebracht hätte. In den Mails vonTraude Sauer bleibt er immer wieder anzwei Passagen hängen.

Da schreibt Anbieter Nummer eins:„Der damalige Verkäufer hieß RainerWolf, der die Bronzen vermutlich im Be-sitz mit einem Herrn B. hatte.“ Bei An-bieter Nummer zwei hingegen ist von ei-ner „der reichsten Familien Deutschlands“die Rede, der die Pferde angeblich gehörensollen. Wer, zum Teufel, könnte damit ge-meint sein?

Was Allonge ebenfalls nicht weiß, ist,dass am 13. Januar 2014 bei Michel vanRijn das Telefon klingelt.

Ausgerechnet van Rijn. Die internatio-nale Kunstszene ist reich an schillerndenTypen, aber Michel van Rijn belegt in die-ser Kategorie seit Langem einen Spitzen-platz. In den Sechzigern schmuggelt derHolländer mit seinen armenischen Mafia-Freunden Fabergé-Ikonen aus der Sowjet-union nach Beirut, in den Siebzigern han-delt er mit gestohlenen Fresken und Iko-nen aus Zypern.

In den Achtzigern zahlt er in Italien700000 Dollar für eine Mädchenzeichnungvon Leonardo da Vinci und verkauft sienach einem Jahr für 14,5 Millionen Dollaran ein japanisches Museum. Die italie -nischen Behörden wollen ihn festnehmen,weil er nationales Kulturgut illegal ausge-führt habe, doch dann stellt sich heraus:Die Zeichnung ist eine Fälschung.

In Marbella sitzt er im Gefängnis, inAmsterdam lobt die jugoslawische Mafiaein Kopfgeld auf ihn aus, Killer feuern auseinem fahrenden Auto auf van Rijn, treffenaber nur sein Bein, Interpol fahndet nach

ihm, aber dann, in den Neunzigern, wech-selt er plötzlich die Seiten und arbeitet fürdas FBI und Scotland Yard. Jetzt lebt er inNorditalien.

Dort erreicht ihn Mitte Januar 2014 derKunstvermittler Steven de Fries*, ein alterBekannter aus Antwerpen. De Fries willwissen, ob van Rijn an Ware aus dem„Dritten Reich“ interessiert sei. Er habeda etwas Schönes im Angebot. Van Rijnzeigt Interesse.

Am folgenden Morgen fasst de Fries ineiner Mail nach: „Hallo Michel, ich habeden direkten Kontakt. Mein Kunde hat abgesagt, weil die Sache zu belastet ist.Ich denke aber, dass es für dich genau dasRichtige ist. Wir müssen 1,5 Millionen Eurobezahlen, Discount ist nicht möglich. [...]Wir müssen schnell sein. Ruf mich an. S.“

In der Anlage mailt de Fries einen 14-seitigen Prospekt. Die dritte Seite zeigt eingroßes Farbfoto, das in einer modernenLagerhalle aufgenommen wurde. Vor einerSichtblende stehen auf zwei Europalettendie beiden verschwundenen Pferde vonThorak. Neben ihnen sieht van Rijn zweiMänner, einen alten im Anzug, einen jun-gen in Jeans.

Ob er direkten Kontakt mit dem Eigen-tümer habe, fragt van Rijn am frühen Morgen des 15. Januar nach: „Sehr wichtig… Du musst wissen, wer der Besitzer ist,und hundertprozentig sicher sein.“

Zwei Stunden später antwortet der Bel-gier: „Hi Michel, ich verfüge schon seit ei-niger Zeit exklusiv darüber. Ich hatte einenKäufer in den USA, der sie dem Museumin Baltimore schenken wollte, aber derVorstand hat abgelehnt. Der Eigentümerist eine sehr bekannte Familie (Flick) inDeutschland, sehr belastet im Krieg, Fried-rich Flick ist im Nürnberger Prozess ver-urteilt worden, aber war schnell wieder einer der reichsten Menschen in Deutsch-land. Die Familie hat beschlossen, alles,was an diese Zeit erinnert, zu verkaufen,auch die Pferde.“

Der Deal werde durch eine Vertrauens-person der Familie vermittelt, mit der erim direkten Kontakt stehe. Viel Zeit bleibe

* Name von der Redaktion geändert.

nicht. Die Verkäufer wollten die Pferde„so schnell wie möglich weghaben wegender politischen Umstände. Ruf mich an,um die Details zu besprechen“.

Van Rijn lässt die Angelegenheit einpaar Tage sacken, dann greift er zum Te-lefon. Aber es ist nicht der Mann aus Ant-werpen, den er anruft. Er wählt eine Num-mer in Amsterdam. Die des KunstdetektivsArthur Brand, auch ein Könner auf diesemGebiet. Er enthüllte 2014, dass Juliana, diefrühere Königin der Niederlande, in denSiebzigern Naziraubkunst gekauft habensoll. Ein Riesenskandal.

„Ich hab was für dich“, sagt van Rijn.„Ich weiß, dass du so etwas aufklärst. Ichmach das nicht mehr.“

Nun ermitteln zwei Männer, Allonge inBerlin und Brand in Amsterdam. Sie wis-sen nicht, was der jeweils andere tut. Abersie haben dasselbe Ziel: Thoraks Pferdefinden und vielleicht noch andere ver-schollene Werke aus dem schaurigenKunstschatz der Nazis.

„Der Himmel über Berlin erhebt sichblutrot in einer schaurigen Schönheit“, notiert Joseph Goebbels am Samstag, dem27. November 1943, in sein Tagebuch, „ichkann das Bild schon gar nicht mehr sehen.“ In der Wilhelmstraße hat in denvergangenen Tagen das Regierungsviertelgebrannt, im Westen die Gedächtniskircheund der Zoo, der dritte Großangriff briti-scher Bomber innerhalb einer Woche.

In der Hauptstadt mögen die Menschenkrepieren, doch seine geliebten Bronze-statuen weiß Adolf Hitler in Sicherheit. Rüstungsminister Albert Speer hat sie insmärkische Städtchen Wriezen im Oder-bruch schaffen lassen.

Dort, eine Autostunde nordöstlich vonBerlin, hat Hitler seinem Lieblingsbild -hauer auf Staatskosten die reichseigenen„Steinbildhauerwerkstätten Arno Breker“einrichten lassen. Auf dem weitläufigenGelände am Oder-Havel-Kanal mit eige-nem Hafen und Gleisanschluss ist inner-halb kürzester Zeit ein riesiges Atelier errichtet worden. 145 Meter lang ist das Gebäude, in dem in drei Hallen ab Juni1942 mehrere Dutzend Zwangsarbeiterund Bildhauer die gigantischen Aktplasti-

50 DER SPIEGEL 22 / 2015

FOTOS: CARSTEN KOALL / DER SPIEGEL (1, 6); MARIUS ROEER / DER SPIEGEL (2, 3, 4); MARCUS KAUFHOLD / DER SPIEGEL (5)

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Page 4: Deutschland Braune Meister - DER SPIEGEL

ken und zehn Meter hohen Reliefs für Hit-lers geplante „Welthauptstadt Germania“produzieren.

Das ganze Gelände steht voll mit mo-numentalem Nazikitsch. Auch den beidenPferden von der Reichskanzlei wird hierAsyl gewährt, 1943 sind sie in einem Be-standsverzeichnis von Wriezen aufgelistet.

Thorak hatte die Pferde im Auftrag Albert Speers als Modell für die „Bekrö-nungsgruppe“ des Nürnberger Reichspar-teitagsgeländes entworfen. Dort sollte siemit einer riesigen Siegesgöttin, Waffenträ-gern und zwei Rosselenkern die „Führer-tribüne“ des Märzfeldes schmücken. Diebeiden Modelle, in Bronze gegossen, lan-deten als herrisch posierende Tiere auf derTerrasse vor Hitlers Arbeitszimmer, mög-licherweise als Geschenk des Künstlers.Der will wie sein großer Konkurrent Bre-ker unbedingt am Prestigebau des Dik-tators vertreten sein.

„Thorak ist unsere stärkste plastischeBegabung. Dem muss man Aufträge geben“, schreibt Goebbels am 11. Februar1937 in sein Tagebuch. 1933 hat sich derBildhauer von seiner jüdischen Frauscheiden lassen, um seine Karriere nichtzu gefährden. 1937 wird er zum Professoran der Münchner Kunstakademie er-nannt, er bekommt einen der begehrtenPlätze auf der „Gottbegnadeten-Liste“und wird auch auf die Liste der zwölf„unersetzlichen“ bildenden Künstler desReichs gesetzt.

Doch Ende der Dreißigerjahre ziehtArno Breker in Hitlers Gunst an ihm vor-bei. Er geht nun in der Reichskanzlei einund aus. Thorak ist zwar bis zuletzt gutim Geschäft, aber in Künstlerkreisen wirdkolportiert, Hitler habe sich missbilligendgeäußert: Seine Frauenfiguren hätten„Ärsche wie Bräugäule“.

Am 16. April 1945 marschiert die RoteArmee in Wriezen ein. Brekers Werk-stätten und sein Schloss Jäckelsbruch, einpersönliches Geschenk Hitlers, werdendem Erdboden gleichgemacht. Dem Ber-liner Kunstfahnder Kurt Reutti bietet sichein Bild der Verwüstung:„Die Russen hatten alles, was brennbarwar, angezündet. Vor dem Atelier lagen

sechs weit überlebensgroße Bronzen. Hierlag auch das ca. 5x3,5 Meter große Bron-zerelief ,Kameraden‘ und ein fast ebensogroßes zerschlagenes Marmorrelief ,Daph-ne und Apoll‘. [...] Auf einem Acker in derNähe [...] lagen auf der Erde zwei Breker-Figuren von der Reichskanzlei.“

Ende September notiert OberamtmannDamerow, der Prokurist der Breker-Werke,in einem Vermerk an seine vorgesetzteDienststelle in Berlin, „auf dem Gelände[befinden sich] noch zwei Bronzeplastiken– sitzende Frauen etwa Überlebensgrößevon Prof. Klimsch –, ferner überlebens-große Bronzepferde“. Dann verliert sichihre Spur. Wahrscheinlich gehen sie dengleichen Weg wie die beiden Brekers, die

in einer Aktennotiz vom 17. Mai 1946 er-wähnt werden. Es ist unklar, wer sie ge-schrieben hat, die Unterschrift ist unleser-lich.„Am 25. April vormittags erschien auf demGelände der Breker-Werke ein mit Russenbesetztes Auto (Lkw) und hat [...] zweiBronzefiguren aufgeladen, und zwar sinddies ,Die Berufung‘ auf Granitsockel, dievöllig unbeschädigt war bis auf einen Ge-wehrschuss im Arm, und ferner eine eben-falls unbeschädigte Figur den ,Wäger‘. Wiewir durch Befragen feststellen konnten,sind die Figuren nach Freienwalde auf An-ordnung des russischen Militärkomman-danten gebracht worden. Über ihre wei-tere Bestimmung ist nichts bekannt.“

Eine erste Spur taucht 1986 auf. In je-nem Jahr reist Frank Lanzendörfer, dersich Flanzendörfer nennt, mit dem Mo-ped und einer russischen Super-8-Kameradurch die DDR. Er stammt aus Dresden,ist Lyriker, Maler, Performance-Künstlerund auf der Suche nach intensiven Bil-dern.

In Eberswalde, im Norden von Berlin,gelangt er über Umwege durch ein Wald-stück auf den Sportplatz einer sowjeti-schen Kaserne. Dort findet er Bilder, wieer sie sucht.

Im Schnee, vor Betonwänden mit ky-rillischen Propagandalosungen, stehenzwei überlebensgroße, nackte Bronze-Supermänner, „Der Künder“ und „Beru -fung“ von Arno Breker. Unter den Bäu-men sitzen zwei schwülstige weiblicheBronzeakte von Fritz Klimsch. Die Knie-scheibe der einen Figur ist durchschossen,sie diente den Rotarmisten offenbar alsZielscheibe. Am Rande der Aschenbahnstehen die gewaltigen Schlachtrösser Jo-sef Thoraks. Alle sechs Skulpturen sinddick mit goldener Farbe angepinselt.

Flanzendörfer montiert seine Auf -nahmen in den 49-Minuten-Film „Eisen-schnäbelige Krähe“ und unterlegt sie mit harter Punkmusik. Im August 1988springt er von einem Feuerwachturm inder Schorfheide in den Tod. Er ist 25 Jah-re alt.

Schon im Frühjahr 1988 hat sich dieGeschichte von den Naziskulpturen auf

51DER SPIEGEL 22 / 2015

FOTO: AKG (U. R.)

Monumentalrelief „Der Wächter“ Peanuts für Moss

1 Polizeiinformantin Immel-Sauer

2 Sammler Flick

3 Razzia in der Kieler Flick-Villa

4 Cheffahnder Allonge

5 Abtransport der Thorak-Rösser in Bad Dürkheim

6 Kunstdetektiv Brand4 5 6

Page 5: Deutschland Braune Meister - DER SPIEGEL

Deutschland

dem sowjetischen Sportplatz zur jungenKunsthistorikerin Magdalena Bushart imWestteil Berlins herumgesprochen. MitFreunden fährt sie nach Eberswalde.Heimlich machen sie Fotos von den sechsSkulpturen, die Bushart Monate später,Anfang 1989, unter der Überschrift „Über-raschende Begegnung mit alten Bekann-ten“ in einem Artikel in einer MarburgerFachzeitschrift veröffentlicht. Die Kunst-historikerin analysiert fasziniert, wie dasobskure Freilichtensemble „die klare Tren-nungslinie zwischen nationalsozialistischerund sowjetischer Kunstauffassung ver-schwimmen lässt“.

Im Trubel der Wendezeit verschwindendie sechs Bronzen. Im März 1991 fährt eineReporterin der „Neuen Zeit“ nach Ebers-walde und will von dem Offizier WladimirMortjanow wissen, wo sie geblieben sind.„Wir sollten die Skulpturen beseitigen,weil sie aus der Zeit Hitler-Deutschlandswaren“, erzählt er, „sie wurden zu Schrott.Deutsche haben sie geholt.“ Nachdem einewestdeutsche Zeitung über die Sportplatz-galerie berichtete, habe man „Ende Som-mer 1988“ die Weisung aus Berlin, „viel-leicht von der SED-Leitung“, bekommen,die Plastiken zu entfernen.

Wo sind die Pferde? Während AllongeEnde 2014 mit seinen Ermittlungen in Ber-lin nicht weiterkommt, hat Brand einekonkrete Spur, seitdem ihm van Rijn vondem Angebot des Kunstvermittlers Stevende Fries berichtet hat.

Monatelang wartet er geduldig, um deFries nicht misstrauisch werden zu lassen.Im Dezember 2014 schickt er ihm eine ers-te Mail. Er habe viele Kunden, die auf derSuche nach schönen Kunstgegenständenseien, ob er vielleicht zurückrufen könne,doch der Mann aus Antwerpen meldet sichnicht.

Erst am 12. Februar 2015 ist de Friesplötzlich am Telefon. Was suchst du? Nun,

antwortet Brand, mein bester Kunde istauf der Suche nach Dingen mit einer his-torisch interessanten Geschichte. Der besteKunde, das ist jener Moss aus Dallas,Brands Erfindung, um mit de Fries ins Gespräch zu kommen.

Aha, sagt de Fries, da habe ich vielleichtwas für dich. Zwei Tage später mailt erBrand den Prospekt mit den Pferden vonThorak. Deren Wert ist in der Zwischen-zeit explodiert. De Fries will acht Millio-nen. Für Moss sind das eher Peanuts. Sieverabreden ein Treffen für den 21. Februarin Amsterdam.

Am Tag davor meldet sich Kriminal-hauptkommissar Allonge aus Berlin bei Ar-thur Brand. Von Kollegen in Bayern weißer, dass Brand den Kontakt zur deutschenPolizei sucht, weil er Informationen überverschwundene Nazikunst weitergeben will.„Geht es etwa um die Thorak-Pferde?“, er-öffnet Allonge das Gespräch. Ja. Die beidenMänner wollen nun zusammenarbeiten.

Samstag, 21. Februar 2015, zwölf Uhr.Es ist ein regnerischer Tag in Amsterdam,nur manchmal bricht die Sonne durch.Brands Mitarbeiter Alex Omhoff hat un-auffällig seine Position im Museumsviertelbezogen. Brand und de Fries wollen sichim Restaurant George W.P.A. treffen, undOmhoff will heimlich fotografieren. Brandwartet auf der Straße, raucht nervös eineletzte Zigarette. Dann sieht er einen dun-kelblauen Volvo mit einem rot-weißenNummernschild, einem belgischen.

Während des Gesprächs im GeorgeW.P.A. trinkt Steven de Fries Wein undsieht den schönen Mädchen hinterher. Erist abgelenkt, und so merkt er nicht, wiedas Treffen von Brands Knopflochkameraaufgezeichnet wird. Bald kommt das Ge-spräch auf die Pferde.

De Fries: „Die Familie des Besitzers hat einen faschistischen Hintergrund. (Erlacht.) Der Großvater hat immer noch

viele Nazimemorabilia. Es ist eine sehrbekannte Familie. Viel Industrie. [...] Deralte Mann hat bis zuletzt in Interviewsgesagt, wie toll die Nazizeit war. Der Familie reicht’s jetzt. Sie hat ihm gesagt,er soll das Nazizeug loswerden. [...] DerVerkauf sollte natürlich top secret sein.“

Er liest eine SMS vor, die er gerade empfangen hat: „Die Pferde sind noch imStall.“„Es kann sein, dass es noch einen anderenKäufer gibt, einen Exgeneral der US-Ar-mee. [...] Nächste Woche treffe ich ihn inGenf. [...] Bist du sicher, dass dein Kundeeinverstanden ist, wenn wir die Kaufsum-me über die Schweiz abwickeln?“

„Ja.“„Perfekt, dann können wir das über

meine Schweizer Firma machen. [...] Ichglaube, der Besitzer der Pferde hat nochmehr, aber ich weiß nicht, was. Sie sindextrem vorsichtig. Wenn diese Sache in derdeutschen Presse enthüllt wird, würde dieganze Geschichte dieser Familie wiederhochkommen. [...] Ich checke mal, wasder Besitzer noch im Angebot hat. Ichweiß, dass er mal einen Mercedes von Hit-ler hatte.“

„Hat er den schon verkauft?“„Weiß ich nicht. Vielleicht hat er das

Auto noch. Außerdem hat er Sachen vonGöring.“

Brand berichtet Allonge von dem Ge-spräch. Ihre Ermittlungen konzentrierensich auf zwei Männer: In einer der Mailsseiner Informantin Sauer wird der BadDürkheimer Unternehmer und Breker-Ver-ehrer Rainer Wolf als Mittelsmann genannt.Der zweite Mann heißt Flick. Den Namenhatte de Fries in seiner Mail an van Rijn er-wähnt. Aber welcher Flick? Einer aus jenerberühmten Unternehmerfamilie, die sicheng mit den Nazis eingelassen hatte?

Die Spur Flick führt schließlich zu einemriesigen Grundstück an der Kieler Bucht.

52 DER SPIEGEL 22 / 2015

FOTOS: ULLSTEIN BILD (1); AKG (2)

1 Bildhauer Thorak, Bewunderer Hitler um 1943

2 Thorak-Ross vorder NeuenReichskanzlei

3 SowjetischerSoldat, Thorak-Pferd in Ebers -walde um 1975

4 Bild ausSchwarzmarkt -prospekt

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Page 6: Deutschland Braune Meister - DER SPIEGEL

Der Besitzer hat bei NS-Devotionalien-Händlern einen exzellenten Ruf. Er ist alt,reich, und in einem unterirdischen Bunkersteht ein Kampfpanzer „Panther“ derWehrmacht. Auf Luftbildern seines Grund-stücks sieht man zwei Großbronzen, einedavon wahrscheinlich ein Breker. Aber istdieser Flick tatsächlich ein Angehörigereiner der „reichsten Familien Deutsch-lands“?

Brand erzählt de Fries, dass Moss unge-duldig werde. Wann ist endlich die Besich-tigung der Pferde? De Fries laviert, bietetweitere NS-Devotionalien an, darunter ei-nen vergoldeten Füller mit Hakenkreuz,den Hitler Hermann Göring geschenkt ha-ben soll. Für 300000 Euro. Brand zeigt In-teresse.

Weil es mit den Pferden schwierig zusein scheint, bietet de Fries Arno Brekers40-Tonnen-Relief „Der Wächter“ an. NachKriegsende in Wriezen den Russen in dieHände gefallen, Preis: acht Millionen.

Am 8. Mai trifft sich Brand ein zweitesMal mit de Fries in Amsterdam. Wiederzeichnet er das Gespräch mit der Geheim-kamera auf.

De Fries: „Moss will über die Schweizzahlen?“

„Ja, so wie du es möchtest.“„Können wir über Monaco gehen? Ich

verlege meine Geschäfte wegen der Steuernach Monaco.“

„Klar, alles ist möglich.“Sie sprechen über einen weiteren Mit-

telsmann des Eigentümers. De Fries: „Er ist die rechte Hand des

Besitzers.“Brand: „Ist er ein Anwalt?“De Fries: „Kann sein. Er ist irgendein

Doktor oder Professor.“Brand: „Tja, die meisten Deutschen

haben so einen Titel.“De Fries: „Ja, wie Dr. Mengele.“ (Er

bricht in Gelächter aus.)

Brand versucht, de Fries davon zu über-zeugen, dass er die Skulpturen sehen darf,wird aber immer wieder vertröstet. Deshalbentscheidet sich Allonge für eine Razzia.

Am vergangenen Mittwoch schlägt er zu.Allonge lässt die Wohnungen und Häuservon sieben Verdächtigen im Bundesgebietdurchsuchen. Den Volltreffer landet er beiRainer Wolf in Bad Dürkheim. Dort sindneben den drei Riesenreliefs alle sechs Sta-tuen aufgetaucht, die in der Wendezeit ausEberswalde verschwunden sind, die beidenPferde, die beiden Brekers, die zwei nack-ten Frauen von Klimsch. Bei Flick in Kielfinden die Fahnder offenbar Brekers langeverschollene „Wehrmacht“. Hitlers Skulp-turen sind also wieder aufgetaucht.

Am Tag danach ist Flick bereit, mit demSPIEGEL zu reden. Nein, er habe mit derIndustriellenfamilie nichts zu tun. Undnein, er sei auch an dem Pferdeverkaufunbeteiligt, die vielen Vermittler kenne erüberhaupt nicht. Nur Wolf. Den allerdingsschon seit 30, 40 Jahren.

1996 habe er dem Mann aus Bad Dürk-heim ein Darlehen über 300000 Mark ge-geben. Die Thorak-Rösser seien ihm dafürals Pfand übergeben worden. Als Wolfzwei Jahre später den Kredit zurückgezahlthabe, seien die Pferde wieder abtranspor-tiert worden. Wolf war für eine Stellung-nahme nicht erreichbar. Sein Anwalt er-klärte am Donnerstag nur, die Skulpturenseien rechtmäßig erworben und seit über20 Jahren in Familienbesitz.

Flick bestätigt, dass es sich bei demnackten Riesen mit Schwert in seinem Garten um Brekers „Wehrmacht“ handelnkönnte. Irgendwann sei die Statue imSchrotthandel aufgetaucht und von einemwestdeutschen Kunsthändler „aus derDDR“ gekauft worden. Er könne sich nichtmehr daran erinnern, wie viel er für denangeblichen Breker bezahlt hat. Keinesechsstellige Mark-Summe, glaube er.

Die Figur trage keine Signatur Brekers,sei ursprünglich stark beschädigt gewesenund nachträglich wieder zusammengebautworden. Aber Teile davon stammten of-fenbar aus der Originalskulptur.

Ja, sagt Flick, er habe eine große Samm-lung („aber keine Kunst“) in einem unter-irdischen Bunker auf seinem Grundstück.Dort stehe der Wehrmachtpanzer („aberkein kompletter“), den er irgendwann ein-mal in England als „Schrott“ gekauft habe,Puppen mit Uniformen und historischeWaffen aus dem Zweiten Weltkrieg, alle„ordnungsgemäß angemeldet“.

Am Abend der Razzia meldet sich auchde Fries beim SPIEGEL. Er ist im Urlaubauf Kreta, hat nur wenig Zeit, muss gleichzu einem Dinner. Wolf? „Kenne ich nicht“,sagt de Fries, „so heißt ein Freund von mirmit Vornamen.“ Nein, er habe die ganzeSache von Anfang an für unseriös gehal-ten. „Den Moss“, fragt er, „gibt es dochgar nicht, oder?“

Einen Tag später schreibt er in einerMail, in Wirklichkeit sei er es gewesen, derBrand an der „Nase herumgeführt“ habe.Er sei neugierig gewesen, ob sich „so einTrottel von Kunde“ wohl auf die acht Mil-lionen für die Pferde einlassen würde. AlsMoss das getan und auch noch den „Wahn-sinnspreis“ für den Breker akzeptiert habe,habe er sich wie in einem schlechten Filmgefühlt: „Ich bin sehr empört, in so eineGeschichte mit reingezogen zu werden.“

Auch Allonge hat Stress. Die Razziawar ein so durchschlagender Erfolg, dasser nun ein Problem lösen muss. Wie, bitteschön, transportiert man tonnenweiseGroßskulpturen ab? Am Donnerstag-abend meldet er, das Technische Hilfs-werk, das er angefordert habe, müssewohl noch die Transportstrecke abfahren.Der Nazischatz ist so gigantisch schwer,dass sicherheitshalber die Brücken getes-tet werden. n

53DER SPIEGEL 22 / 2015

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