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Hautarzt 2008 · 59:412–414 DOI 10.1007/s00105-007-1461-3 Online publiziert: 15. Februar 2008 © Springer Medizin Verlag 2008 Wie lautet Ihre Diagnose? Anamnese Seit der Kindheit kommt es bei der 37-jäh- rigen Patientin zum spontanen Auftreten sehr derber, wenige Millimeter durch- messender kutaner Papeln im Gesicht (Abb. 1a, b) und an den Extremitäten (Abb. 1c) auf zuvor gesunder Haut. Die auf Druck schmerzhaften Papeln werden von der Patientin vereinzelt exkoriiert mit nachfolgender Entleerung einer kalkar- tigen Masse. Im Kindesalter kam es ferner zu einer atrophen Wachstumsstörung des rechten Gesichtsschädels, die später mittels einer Aufbauplastik aus Beckenknochen kor- rigiert wurde. Darüber hinaus bestan- den keine Veränderungen des Skelettsys- tems, kein Minderwuchs und keine men- talen oder endokrinologischen Verände- rungen. Die Familienanamnese hinsicht- lich der kutanen Papeln ist negativ. Klinischer Befund An Stirn, Wangen, den Fingerrücken und Extremitätenstreckseiten finden sich dis- seminiert etwa 3–4 mm große, teils dicht aggregierte, polygonale, harte erythe- matöse Papeln, in deren Zentrum teil- weise eine weißgelbliche Masse durch- schimmert (Abb. 1a–c). Die hemifazi- ale Atrophie ist kosmetisch gut korrigiert, der orthopädische Status der Patientin er- gibt keinen pathologischen Befund. Diagnostik Labor: Kalzium, Harnsäure, Parathormon und ANA im Normbereich. Histologie Unterarm – entkalktes Präparat: Von der unauffälligen Epider- mis durch eine schmale Zone normalen Bindegewebes getrennt, finden sich in der Dermis bis ins subkutane Fettgewe- be reichend umschriebene Ablagerungen von lamellärem Knochengewebe mit Os- teoblasten und zentralem Fettgewebe (Abb. 2). J. Hepp · G. Hirschfeld · L. Weber · T. Weiss · K. Scharfetter-Kochanek Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie, Ulm Derbe kutane Papeln und Knochenatrophie im Kindesalter Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen Hier kann auch Ihr Fall dargestellt werden! Haben Sie Anregungen oder eine interessante Falldarstellung? Senden Sie diese bitte  an: Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie, Abteilung Dermatologie und Allergologie, Maienweg 12 89081 Ulm Tel: +49-(0)731-500 21801 Fax: +49-(0)731- 500 21870 412 |  Der Hautarzt 5 · 2008

Derbe kutane Papeln und Knochenatrophie im Kindesalter

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Hautarzt 2008 · 59:412–414DOI 10.1007/s00105-007-1461-3Online publiziert: 15. Februar 2008© Springer Medizin Verlag 2008

Wie lautet Ihre Diagnose?

Anamnese

Seit der Kindheit kommt es bei der 37-jäh-rigen Patientin zum spontanen Auftreten sehr derber, wenige Millimeter durch-messender kutaner Papeln im Gesicht (. Abb. 1a, b) und an den Extremitäten (. Abb. 1c) auf zuvor gesunder Haut. Die auf Druck schmerzhaften Papeln werden von der Patientin vereinzelt exkoriiert mit nachfolgender Entleerung einer kalkar-tigen Masse.

Im Kindesalter kam es ferner zu einer atrophen Wachstumsstörung des rechten Gesichtsschädels, die später mittels einer Aufbauplastik aus Beckenknochen kor-rigiert wurde. Darüber hinaus bestan-den keine Veränderungen des Skelettsys-tems, kein Minderwuchs und keine men-talen oder endokrinologischen Verände-rungen. Die Familienanamnese hinsicht-lich der kutanen Papeln ist negativ.

Klinischer Befund

An Stirn, Wangen, den Fingerrücken und Extremitätenstreckseiten finden sich dis-seminiert etwa 3–4 mm große, teils dicht aggregierte, polygonale, harte erythe-matöse Papeln, in deren Zentrum teil-weise eine weißgelbliche Masse durch-schimmert (. Abb. 1a–c). Die hemifazi-ale Atrophie ist kosmetisch gut korrigiert, der orthopädische Status der Patientin er-gibt keinen pathologischen Befund.

Diagnostik

Labor: Kalzium, Harnsäure, Parathormon und ANA im Normbereich.

Histologie Unterarm – entkalktes Präparat: Von der unauffälligen Epider-mis durch eine schmale Zone normalen Bindegewebes getrennt, finden sich in der Dermis bis ins subkutane Fettgewe-be reichend umschriebene Ablagerungen von lamellärem Knochengewebe mit Os-teoblasten und zentralem Fettgewebe (. Abb. 2).

J. Hepp · G. Hirschfeld · L. Weber · T. Weiss · K. Scharfetter-KochanekUniversitätsklinik für Dermatologie und Allergologie, Ulm

Derbe kutane Papeln und Knochenatrophie im Kindesalter

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen

Hier kann auch Ihr Fall  dargestellt werden!

Haben Sie Anregungen oder eine  interessante Falldarstellung?  Senden Sie diese bitte  an:

Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie, Abteilung Dermatologie und Allergologie, Maienweg 1289081 UlmTel: +49-(0)731-500 21801 Fax: +49-(0)731- 500 21870

412 |  Der Hautarzt 5 · 2008

Abb. 1 9 a Aggregiert ste-hende, derbe kutane Pa-peln an der Stirn, teils mit krustösen Auflagerungen nach Exkoriation. b Kutane erythematöse, teils hautfar-bene Papeln an der Wan-ge. c Kutane Papeln an den Fingerstreckseiten. Zentral Durchscheinen weißlicher dermaler Ablagerungen

Abb. 2 9 Histolo-gischer Befund vom Unterarm. Entkalktes Präparat. Epidermis mit partieller reaktiver parakeratotischer Hy-perkeratose. Unauffäl-liges Stratum papillare. Im Stratum reticulare eingelagert eosinophi-les trabekuläres Kno-chengewebe mit Os-teoblasten, zentralen Blutgefäßen und Fett-gewebe (HE-Färbung, Vergr. 20:1) Ihre Diagnose? D

413Der Hautarzt 5 · 2008  | 

Diskussion

Klinisch dachten wir initial aufgrund der disseminierten, teils über den Gelenk-streckseiten gelegenen harten Papeln mit durchscheinenden dermalen Ablage-rungen an eine Calcinosis cutis, wie sie etwa im Rahmen der Sklerodermie und Dermatomyositis auftritt, an einen Hy-perparathyreoidismus und auch an Tophi bei Hyperurikämie. Eine Anamnese oder Klinik für eine Kollagenose lag nicht vor. ANA waren negativ. Ein Hyperparathyre-oidismus und eine Hyperurikämie wur-den laborchemisch ausgeschlossen.

Nach der histologischen Diagnosestel-lung kutaner Osteome in Assoziation mit einer atrophen Knochenwachstumsstö-rung im Kindesalter konnte die Diagno-se einer Osteodystrophia hereditaria (Al-bright-Syndrom) gestellt werden.

Bei dieser seltenen hereditären Er-krankung handelt es sich um einen auto-somal dominanten Gendefekt auf Chro-mosom 20q13 (GNAS1), der einen Para-thormonrezeptordefekt am Erfolgsorgan zur Folge hat [1]. Der Pathomechanismus der kutanen Ossifikationen ist dabei bis-her nicht geklärt. Das klinische Erschei-nungsbild umfasst kutane Osteome, Min-derwuchs und verkürzte Gliedmaßen, Symptome des Pseudohypoparathyreoi-dismus und mentale Störungen jeweils in sehr variabler Ausprägung [2]. Im Fall un-serer Patientin beschränkte sich die Klinik auf kutane Osteome und Dystrophie der Schädelknochen.

Der histologische Befund der Osteome ist gekennzeichnet durch dermale Ablage-rung von reifem, trabekulärem Knochen mit Osteoblasten, Osteoklasten, Osteo-zyten und gelegentlich Fett und Knochen-mark [3]. Die Histologie unserer Patien-tin zeigte ebenfalls Ablagerung von lamel-lären Knochenbalken, Osteoblasten sowie Fett in der Dermis.

Eine systemische Therapie kutaner Os-teome ist derzeit nicht verfügbar. Meist er-folgt die Therapie chirurgisch [4]. Im Fall unserer Patientin exzidierten wir einzelne

Osteome per Stanze, zudem führten wir CO2-Laserablationen durch, kombiniert mit manueller Exprimierung kosmetisch besonders störender oder schmerzhafter Osteome. Unabhängig von der verwende-ten Technik waren die kosmetischen Er-gebnisse gut.

Generell wird bei kutanen Osteomen zwischen den häufigeren sekundären und den selteneren primären Osteomen unter-schieden. Zu den seltenen primären kuta-nen Osteomen gehören – neben der be-sprochenen Osteodystrophia hereditaria – kongenitale, plattenartige und das sin-guläre Osteom, die jeweils präferenziell am Kopf lokalisiert sind, die Osteosis cu-tis multiplex an Gesicht und Dekolletee und die multiplen miliaren Osteome des Gesichtes ohne vorangehende entzünd-liche Veränderungen. Sie treten jeweils ohne begleitende Organveränderungen auf. Primäre kutane Osteome mit beglei-tenden Organveränderungen finden sich neben Lipomen, Fibromen und epider-malen Zysten beim Gardner-Syndrom mit Kolonpolypen mit maligner Entar-tungstendenz.

Sekundäre kutane Ossifikationen tre-ten als metaplastische Veränderung in kutanen Tumoren, wie z. B. Nävuszell-nävi, Basaliomen, Pilomatrixomen, und anderen Adnextumoren, Hämangiomen und Zysten auf. Sekundäre Ossifikationen findet man auch in Narben und entzünd-lichen Hautveränderungen wie der Der-matomyositis und Sklerodermie, gele-gentlich auch bei chronisch venöser Insuf-fizienz. Dabei ist histologisch neben dem Knochengewebe häufig der zugrunde lie-gende Tumor oder eine entsprechende primär entzündliche Hautveränderung nachzuweisen [2].

KorrespondenzadresseDr. J. HeppUniversitätsklinik für Dermatologie und Aller-gologieMaienweg 12, 89081 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

  1.  Ringel MD, Schwindinger WF, Levine MA (1996) Clinical implications of genetic defects in G prote-ins. The molecular basis of McCune-Albright syn-drome and Albright hereditary osteodystrophy. Medicine 75: 171–184

  2.  Diercks K, Schulte K, Schuppe HC (1996) Primäre kutane Osteome bei hereditärer Albright-Osteo-dystrophie. Hautarzt 47: 673–675

  3.  Conlin PA, Jimenez-Quintero LP, Rapini RP (2002) Osteomas of the skin revisited: a clinicopathologic review of 74 cases. Am J Dermatopathol 24: 479–483

  4.  Altman JF, Nehal KS, Busam KJ, Halperen AC (2001) Treatment of primary miliary osteoma cutis with incision, curettage and primary closure. J Am Acad Dermatol 44: 96–99

D Diagnose: Osteodysplasia hereditaria (Pseudohypoparathyreoidismus, Albright-Syndrom

Tagesgeschichte

Halle-Wittenberg

  Prof. Dr. T. J. Ryan, Oxford   (United Kingdom)    wurde am 7. September    2007 im alten Auditori-   um maximum der   Martin-Luther-Universi-   tät die Ehrendoktorwür-de der Medizinischen Fakultät verliehen.  Diese Ehrung wurde ihm wegen seiner her-ausragenden wissenschaftlichen Leistungen auf den Gebieten der Dermatologie, insbe-sondere in der Erforschung der Mikrovasku-larisation und Mikrozirkulation von Haut und Subkutis, der Lymphologie und des Public health verliehen.  Die Fakultät würdigte darüber hinaus seinen noch anhaltenden besonderen ärztlichen Einsatz in den Entwicklungs- und Schwellen-ländern dieser Welt.  Sein Festvortrag „The value of knowing“ ist ebenso wie andere Beiträge des akade-mischen Festaktes über [email protected]/hautklinik in Englisch und Deutsch nachlesbar  („Aktuelles“).

414 |  Der Hautarzt 5 · 2008

Wie lautet Ihre Diagnose?