Der Weltkrieg

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The Project Gutenberg EBook of Der Weltkrieg, by August NiemannThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Der Weltkrieg Deutsche TrumeAuthor: August NiemannRelease Date: August 8, 2015 [EBook #49656]Language: GermanCharacter set encoding: UTF-8*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WELTKRIEG ***Produced by Peter Becker and the Online DistributedProofreading Team at http://www.pgdp.net (This file wasproduced from images generously made available by TheInternet Archive)+--------------------------------------------------------------+| Anmerkungen zur Transkription|||| Gesperrter Text ist als _gesperrt_ dargestellt, Fettschrift|| als $fett$ und Schrift in Antiqua als ~antiqua~. || Eine Liste der nderungen befindet sich am Ende des Buchs. |||+--------------------------------------------------------------+Der WeltkriegDruck vonW. Vobach & Co.Berlin N. 4.[Illustration] Der WeltkriegDeutsche Trume RomanvonAugust Niemann[Illustration]Berlin-LeipzigVerlag von W. Vobach & Co.Alle Rechte,insbesondere das Recht der Uebersetzung inandere Sprachen, vorbehalten.Nachdruck wird gerichtlich verfolgt.~Copyright 1904 by W. Vobach & Co.~[Illustration]In meiner Erinnerung taucht der britische Oberst auf, der mir inKalkutta sagte: Dreimal bin ich hierher nach Indien kommandiert worden.Vor fnfundzwanzig Jahren als Leutnant: -- damals standen die Russenfnfzehnhundert Meilen von der indischen Grenze entfernt. Dann alsKapitn vor zehn Jahren: -- und damals standen die Russen nur nochfnfhundert Meilen entfernt. Vor einem Jahre als Oberstleutnant: -- dieRussen stehen unmittelbar vor den Pssen, die nach Indien fhren.Die Weltkarte entfaltet sich vor meinen Blicken.Alle Meere durchpflgt von den Kielen britischer Kriegsschiffe, alleKsten besetzt mit Kohlenstationen und Festungen der britischenWeltmacht. Die Herrschaft ber den Erdkreis ist bei England, undEngland will sie behalten, es kann nicht dulden, da der russischeKolo Leben und Bewegung aus dem Meere trinkt.Ohne Englands Erlaubnis darf keine Kanone auf dem Meere abgefeuertwerden, sagte einst William Pitt, Englands grter Staatsmann.Seit langen Jahren wchst England empor durch den Zwiespalt derkontinentalen Mchte unter sich. Fast alle Kriege seit Jahrhundertensind zum Vorteil Englands gefhrt, fast alle von England angestiftetworden. Nur als der Genius Bismarcks ber Deutschland wachte, besannder deutsche Michel sich auf seine Kraft und kriegte fr sich selbst.Soll es dahin kommen, da Deutschland Luft und Licht und das tglicheBrot nur noch der Gnade Englands verdankt? Oder lebt noch die alteKraft in Michels Armen?Werden die drei Mchte, die im Vertrage von Schimonoseki nach dem SiegeJapans ber China zusammenstanden, um Englands Plne zu vereiteln,werden Deutschland, Frankreich und Ruland noch lnger mig bleiben,oder werden sie sich zu gemeinsamem Handeln die Hnde reichen?Im Geiste sehe ich die Heere und Flotten Deutschlands, Frankreichsund Rulands sich in Bewegung setzen gegen den allgemeinen Feind,der mit Polypenarmen die Weltkugel umklammert. Befreiung aus seinenerstickenden Schlingen bringt fr ganz Europa der eherne Ansturm deralliierten drei Mchte. Die Zukunft trgt den groen Krieg in ihremSchoe.Es ist keine Geschichte aus der Vergangenheit, die ich in den folgendenBlttern schildere. Es ist das Bild, wie es sich klar vor meiner Seeleentrollte, als mir der Inhalt der ersten Depesche des StatthaltersAlexejew an den Zaren bekannt wurde. Und gleichzeitig tauchte wie einBlitz in mir die Erinnerung an das Telegramm auf, das Kaiser WilhelmII. nach Jamesons Einfall an die Buren sandte, jenes Telegramm, das imHerzen der ganzen deutschen Nation ein so nachhaltiges Echo gefundenhat. Ich schaue in die Zukunft und erinnere mich der Pflichten undAufgaben unsers deutschen Volkes. Meine Trume, die Trume einesDeutschen, zeigen mir den Krieg und Sieg der drei verbndeten groenNationen, Deutschland, Frankreich, Ruland, und eine neue Verteilungdes Besitzes der Erde als Endziel dieses gewaltigen Weltkrieges.Der Verfasser.[Illustration]I.Eine glnzende Versammlung hoher Wrdentrger und Militrs war es, diesich im kaiserlichen Winterpalast zu St. Petersburg zusammenfand. Vonden einflureichen Persnlichkeiten, die durch ihre amtliche Stellungoder durch ihre persnlichen Beziehungen zum Herrscherhause berufenwaren, beratend und bestimmend auf die Geschicke des Zarenreicheseinzuwirken, fehlte kaum eine einzige. Aber es konnte kein festlicherAnla sein, der sie hier zusammen fhrte; denn in allen Mienen warder Ausdruck tiefen Ernstes, der sich hier und da bis zu banger Sorgesteigerte. Und die in leisem Flsterton gefhrten Gesprche bewegtensich um sehr bedeutsame Dinge.Die breiten Flgeltren gegenber dem lebensgroen Bilde desregierenden Zaren wurden weit geffnet, und unter lautloser Stille derVersammelten betrat der greise Prsident des Reichsrats, der Grooheimdes Zaren, Grofrst Michael, den Saal. Zwei andere Mitglieder desKaiserhauses, die Grofrsten Wladimir Alexandrowitsch und AlexisAlexandrowitsch, die Brder des verstorbenen Herrschers, befanden sichin seiner Begleitung.Huldvoll erwiderten die Prinzen die tiefen Verbeugungen der Anwesenden.Auf einen Wink des Grofrsten Michael gruppierte man sich um denlangen, mit grnem Tuch berzogenen Konferenztisch inmitten dessulengetragenen Saales. Noch herrschte tiefe, ehrfurchtsvolleStille; aber auf ein Zeichen des Prsidenten erhob sich nunmehr derStaatssekretr Witte, Vorsitzender des Minister-Komitees, um, gegen dieGrofrsten gewendet, zu beginnen:Kaiserliche Hoheiten und verehrte Herren! Eure Kaiserliche Hoheithaben zu einer dringenden Beratung befohlen und mich mit dem Auftragebetraut, deren Ursachen und Zweck darzulegen. Wir alle wissen, daSeine Majestt, der Kaiser, unser erhabener Herr und Gebieter, dieErhaltung des Weltfriedens als das hchste Ziel seiner Politikbezeichnet hat. Die christliche Idee, da die Menschheit _eine_ Herdeunter _einem_ Hirten sein soll, hat in unserm erlauchten Herrscherihren ersten und vornehmsten Vertreter auf Erden gefunden. Die Ligafr den Weltfrieden ist das eigenste Werk Seiner Majestt, und wennwir berufen worden sind, um unsere untertnigsten Vorschlge zurBeseitigung der dem Vaterlande in diesem Augenblick drohenden Gefahrdem Allerhchsten Herrn zu unterbreiten, so drfen unsere Beratungenimmer nur von jenem Geiste erfllt sein, der dem christlichen Gebot derMenschenliebe entspricht.Unterbrechend erhob Grofrst Michael die Hand.Alexander Nikolajewitsch, wandte er sich an den Protokollfhrer,vergi nicht, diesen Satz wrtlich niederzuschreiben.Der Staatssekretr machte eine kurze Pause, um dann mit etwas erhobenerStimme und nachdrcklicherem Ton fortzufahren:Es bedarf keiner besonderen Beteuerung, da bei solcher hochsinnigenDenkungsart unseres hchsten Herrn ein Bruch des Weltfriedens niemalsvon uns ausgehen konnte. Ein heiliges Besitztum aber, das wir vonniemandem antasten lassen drfen, ist die nationale Ehre, und derAngriff, den Japan im fernen Osten auf uns unternommen hat, zwang unszu ihrer Verteidigung das Schwert in die Hand. In der ganzen Welt kannes keinen gerecht und billig denkenden Menschen geben, der um diesesuns aufgezwungenen Krieges willen einen Vorwurf gegen uns erhebendrfte. Aber es ist in der gegenwrtigen Gefahr fr uns ein Gebot derSelbsterhaltung, zu erwgen, ob Japan in Wahrheit der einzige undder eigentliche Feind ist, gegen den wir uns zu verteidigen haben.Und es liegen triftige Grnde vor, die uns dahin fhren mssen, dieseFrage zu verneinen. Die Regierung Seiner Majestt ist berzeugt,da wir den japanischen Angriff lediglich der lange whrenden undin ihrer heimlichen Whlarbeit nimmer ruhenden Feindschaft Englandszu danken haben. Unablssig ist England von jeher darauf bedachtgewesen, uns zur Erlangung eigenen Vorteils zu schaden. Bei allenunseren Bestrebungen, das Wohl des Reiches zu frdern und die Vlkerglcklich zu machen, sind wir von jeher auf den Widerstand Englandsgestoen. Vom chinesischen Meere aus durch ganz Asien hindurch biszur baltischen See legt England uns Schwierigkeiten in den Weg, umuns der Frchte unserer Kulturarbeit zu berauben. Niemand von uns istdarber im Zweifel, da Japan in Wahrheit die Sache Englands fhrt.Aber auch berall, wo sonst auf dem Erdball unsere Interessen in Fragestehen, stoen wir auf die offenen oder versteckten FeindseligkeitenEnglands. Die von ihm erregten und mit den verwerflichsten Mittelnbegnstigten Wirren in den Balkanlndern und in der Trkei habeneinzig den Zweck, uns mit Oesterreich und Deutschland zu verfeinden.Und nirgends treten die eigentlichen Ziele Britanniens deutlicher zuTage, als in Mittelasien. Mit unsglichen Mhen und den grten Opfernan Gut und Blut haben weise Regenten die den, von halbwilden Vlkernbewohnten Landstrecken zwischen dem Schwarzen und Kaspischen Meere undstlich von diesem bis zur chinesischen Grenze und an den Himalaja derrussischen Kultur zugnglich gemacht. Nie aber haben wir einen Schrittnach Osten oder Sden tun knnen, ohne englischem Widerspruch oderenglischen Intriguen zu begegnen. Jetzt stehen wir nahe der Grenzedes britischen Ostindien und unmittelbar an der Grenze Persiens undAfghanistans. Wir haben freundschaftliche Beziehungen zu den Herrscherndieser beiden Reiche geschaffen, pflegen einen eifrigen Handelsverkehrmit ihren Vlkern, untersttzen ihre industriellen Unternehmungen undsind vor keinen Opfern zurckgeschreckt, um diese Lnder den Segnungender Kultur zugnglich zu machen. Aber auf Schritt und Tritt suchtEngland unsere Ttigkeit zu hemmen. Britisches Gold und britischeHetzereien waren es, die in Afghanistan zeitweilig eine kriegerischeStellung gegen uns hervorzurufen vermochten. Einmal endlich mssenwir uns die Frage vorlegen, wie lange wir solchem Beginnen unttigzusehen drfen. Ruland mu sich den Weg zum Meere frei machen. VieleMillionen rstiger Arme bebauen die heilige Erde unseres Vaterlandes.Wir verfgen ber unermeliche Schtze an Getreide, Holz und anallen Produkten der Landwirtschaft. Aber wir knnen nur mit einemgeringfgigen Bruchteil dieses uns vom Himmel beschiedenen Segens aufden Weltmarkt gelangen, weil wir von allen Seiten eingeschlossen undeingeengt sind, solange uns der Weg zum Meere versperrt bleibt. Unseremittelasiatischen Provinzen ersticken aus Mangel an Seeluft. Das weiEngland sehr gut, und darum ist all sein Verlangen darauf gerichtet,uns das Meer zu verschlieen. Mit einer durch nichts berechtigtenAnmaung erklrt es den persischen Golf fr seine Domne und mchte dasganze indische Meer, gleich Indien selbst, fr sein Eigentum gehaltenwissen. Diesem Uebermut sollte endlich ein gebieterisches Halt`zugerufen werden, wenn unser geliebtes Vaterland nicht in die Gefahrgeraten soll, unbersehbaren Schaden zu erleiden. Nicht wir sind es,die den Kampf suchen, sondern man zwingt ihn uns auf. Ueber die Mittelaber, mit denen er zu fhren wre, wenn England sich aus freien Stckenzu einer Erfllung unserer berechtigten Forderungen nicht versteht,wrde uns am besten Seine Exzellenz der Herr Kriegsminister Auskunft zugeben vermgen.Er verbeugte sich abermals gegen die Grofrsten und lie sich inseinen Sessel nieder; die hohe stattliche Gestalt des KriegsministersKuropatkin war es, die sich jetzt auf einen Wink des Prsidenten erhobund Antwort gab.Zwanzig Jahre habe ich in Mittelasien gedient, und ich beurteileunsere Lage an der Sdgrenze aus eigener Anschauung. Fr einen Krieggegen England ist Afghanistan zunchst der entscheidende Schauplatz.Drei wichtige Psse fhren aus Afghanistan nach Indien hinein: derKaiberpa, der Bolanpa und das Kuramtal. Als die Englnder im Novemberdes Jahres 1878 in Afghanistan einmarschierten, gingen sie in dreiKolonnen von Peschawar, von Kohat und von Quetta aus auf Kabul,Gasna und Kandahar. Diese drei Wege sind auch uns vorgezeichnet. Dieffentliche Meinung hlt sie fr die allein mglichen. Es wrde zuweit fhren, wenn ich meine strategische Ansicht ber die Richtigkeitoder Unrichtigkeit dieser Annahme hier entwickeln wollte. Genug:wir werden den Weg nach Indien finden. Habib Ullah Khan wrde seinsechzigtausend Mann starkes Afghanenheer zu uns stoen lassen, sobaldwir in sein Land einrckten. Allerdings ist er ein Bundesgenossevon zweifelhafter Zuverlssigkeit; denn er wrde wahrscheinlichebenso bereitwillig mit den Englndern gehen, wenn diese zuerstmit einer Macht, die ihm hinlnglich imponierte, in seinem Landeerschienen. Aber es hindert uns nichts, die ersten zu sein. UnsereEisenbahn fhrt bis Merw, 120 Kilometer von Herat, und von dieserZentralstelle bis zur Grenze Afghanistans. Mit unserer transkaspischenBahn knnen wir die kaukasischen Armeekorps und die Truppen desGeneralgouvernements Turkestan an die afghanische Grenze bringen. Ichmache mich anheischig, innerhalb vier Wochen nach der Kriegserklrungeine ausreichende Feldarmee in Afghanistan um Herat herum konzentriertzu haben. Unserer ersten Armee aber kann ein unablssiger Strom vonRegimentern und Batterien folgen. Die Reserven des russischen Heeressind unerschpflich, und wir stellen, wenn es sein mu, vier MillionenSoldaten und mehr als eine halbe Million Pferde ins Feld. Ich mchteaber bezweifeln, da England uns in Afghanistan entgegentreten wird.Die englischen Generle wrden jedenfalls nicht sehr klug daran tun,Indien zu verlassen. Wrden sie in Afghanistan geschlagen, so kmensicherlich nur schwache Trmmer ihres Heeres nach Indien zurck.Die Afghanen wrden eine fliehende englische Armee erbarmungslosvernichten, wie sie es schon einmal getan haben. Wir aber, wenn sich,was Gott verhten mge, das Kriegsglck anfnglich gegen uns wendete,htten immer noch einen Rckweg nach Turkestan offen, auf dem manuns schwerlich folgen wrde, und wir knnten den Angriff jederzeiterneuern. Wird die englische Armee geschlagen, so ist Indien frGrobritannien verloren. Denn die Englnder stehen in Indien wie inFeindesland; sie finden als Unterliegende keinen Rckhalt im indischenVolke. Von den eingeborenen Frsten, deren Selbstndigkeit siebrutal vernichtet haben, wrden sie in dem Augenblick, da ihre Machtzusammenbricht, auf allen Seiten angegriffen werden. Uns aber wrde manals Befreier von einem unertrglichen Joch mit offenen Armen empfangen.Die anglo-indische Armee sieht auf dem Papier viel gefhrlicher aus,als in der Wirklichkeit, sie zhlt angeblich 200000 Mann; aber nurein Drittel davon sind englische Soldaten, whrend sich der Rest ausEingeborenen zusammensetzt. Und diese Armee besteht berdies ausvier Korps, die ber das ganze groe Gebiet Indiens verteilt sind.Eine Feldarmee, die an der Grenze oder jenseits der Grenze verwendetwerden sollte, mte erst aus diesen vier Korps herausgezogen und neuorganisiert werden. Sie knnte hchstens 60000 Mann stark sein, weildas Land um der Unzuverlssigkeit der Bevlkerung willen nicht vonGarnisonen entblt werden darf. Ich mchte nach all diesem meinerUeberzeugung dahin Ausdruck geben, da der Krieg in Indien selbstgefhrt werden mu und da Gott uns den Sieg verleihen wird.Die in energischem und zuversichtlichem Ton vorgebrachten Ausfhrungendes Generals hatten ersichtlich einen tiefen Eindruck auf die Hrergemacht. Aber die Rcksicht auf die Anwesenheit der Grofrstenverhinderte jede laute Kundgebung. Der greise Prsident reichte demKriegsminister die Hand. Dann erteilte er dem Minister der auswrtigenAngelegenheiten das Wort.Es unterliegt fr mich keinem Zweifel, sagte der Diplomat, da diesoeben von Seiner Exzellenz dem Herrn Kriegsminister entwickeltenstrategischen Ansichten einer eingehenden Sachkenntnis und richtigenWrdigung der Verhltnisse entsprungen sind, und ich bin gewi, dadie sieggewohnten Truppen Seiner Majestt des Zaren im Falle einesKrieges bald in der Ebene des Indus stehen werden. Auch ist es durchausmeine Ueberzeugung, da Ruland am besten tun wrde, die Offensivezu ergreifen, sobald sich einmal die Unhaltbarkeit des gegenwrtigenVerhltnisses zu England erwiesen hat. Aber wer mit GrobritannienKrieg fhrt, darf nicht mit einem Kriegsschauplatz rechnen. Wir mtenim Gegenteil auf Angriffe der verschiedensten Art gefat sein, zunchstwohl auf einen Angriff auf unsere Finanzen, unsern Kredit, worberExzellenz Witte uns bessere Aufschlsse geben knnte als ich. Dieenglische Bank und die mit ihr verbndeten groen Bankhuser wrdendiesen Finanzkrieg ungesumt erffnen. Weiter wrde sich schwerlichnoch ein unter russischer Flagge segelndes Schiff auf offenem Meerezeigen drfen, und unser internationaler Handel wrde bis zurNiederwerfung des Gegners vllig unterbunden sein. Bedeutsamer aberals Erwgungen dieser Art mu fr uns die Frage nach dem Verhaltender anderen Gromchte sein. Wer wird fr uns und wer wird gegen unssein? Englands politische Kunst hat sich seit der Zeit Oliver Cromwellshauptschlich in der geschickten Ausnutzung der kontinentalen Mchteoffenbart. Es ist keine Uebertreibung, zu sagen, da Englands Kriegevornehmlich mit kontinentalen Heeren gefhrt worden sind. Das ist keineHerabsetzung der Kriegstchtigkeit Englands. Wo immer die englischeFlotte und englische Armeen auf dem Kriegsschauplatze erschienen sind,hat sich die Energie, die Zhigkeit und Tapferkeit ihrer Offiziere,ihrer Seeleute und Soldaten stets im glnzendsten Lichte gezeigt. DieTradition der englischen Truppen, die einst Frankreich unter Fhrungdes Schwarzen Prinzen und Heinrichs V. siegreich durchzogen, ist inden Kriegen gegen Frankreich im 18. Jahrhundert und gegen Napoleonlebendig geblieben. Ungleich grere Erfolge aber als durch dieseeigenen Waffentaten hat England dadurch errungen, da es fremde Vlkerfr sich kmpfen lie und auf dem Kontinent die Truppen Oesterreichs,Frankreichs, Deutschlands und Rulands gegeneinander fhrte. Seitzweihundert Jahren sind berhaupt sehr wenig Kriege ohne Englands Zutunund ohne Nutzen fr England gefhrt worden. Diese wenigen Ausnahmensind die nur zum Vorteile und zum Ruhme des eigenen Volkes gefhrtenKriege Bismarcks, der darum auch der bestgehate Mann der Englnderwar. Whrend das europische Festland von inneren Kriegen zerrissenwurde, die Englands Staatskunst angeschrt, hat Grobritannienseinen ungeheuren Kolonialbesitz erworben. Uns selbst hat Englandin Feldzge verwickelt, die lediglich seinen Vorteil bildeten. Icherinnere nur an den blutigen, opfervollen Krieg von 1877/78 und an denverhngnisvollen Frieden von San Stefano, wo Englands Intriguen unsum den Lohn unserer Siege ber den Halbmond brachten. Ich erinnereweiter an den Krimkrieg, wo eine kleine englische und eine groefranzsische Armee uns zum Vorteil Englands bekriegten. Da jetzthinter unseren japanischen Angreifern wiederum nur England steht, istvon den Vorrednern bereits betont worden. Unsere Gegner haben ebennicht die mindeste Veranlassung, von ihrer so gut bewhrten Politikabzugehen, und die Aufgabe der unsrigen mute es deshalb sein, uns derBundesgenossenschaft oder wo dies durch die Umstnde ausgeschlossenwar, wenigstens der wohlwollenden Neutralitt der brigen kontinentalenGromchte fr den Fall eines Krieges gegen England zu versichern. Waszunchst unseren Alliierten, die franzsische Republik, betrifft, sowar eine befriedigende Lsung der Aufgabe schon durch die bestehendenVertrge gesichert. Immerhin verpflichten dieselben die franzsischeRegierung nicht, uns fr den Fall eines Krieges, der in den Augenkurzsichtiger Beobachter vielleicht als ein von uns heraufbeschworenerAngriffskrieg erscheinen wird, seine militrische Untersttzung zugewhren. Wir haben deshalb durch unsern Botschafter Verhandlungenmit Mr. Delcass, dem Minister der auswrtigen AngelegenheitenFrankreichs, und mit dem Prsidenten selbst fhren lassen. Es gereichtmir zur besonderen Genugtuung, Ihnen das Ergebnis dieser Verhandlungenin folgender, heute eingetroffener Depesche unseres Botschaftersvorlegen zu drfen. Dieselbe lautet in der Hauptsache wie folgt:Ich beeile mich, Eurer Exzellenz mitzuteilen, da mir von seitendes Herrn Delcass namens der franzsischen Regierung die bindendeZusage erteilt worden ist, Frankreich werde England sofort den Kriegerklren, wenn Seine Majestt der Zar seine Armeen gegen Indienmarschieren liee. Ueber die Erwgungen, von denen die franzsischeRegierung zu diesem Beschlusse gefhrt worden sei, sprach sich Mr.Delcass in unserer heutigen Unterredung ungefhr dahin aus: SchonNapoleon hat vor mehr als 100 Jahren mit genialem Scharfblick erkannt,da England der eigentliche Feind aller kontinentalen Vlker istund da der europische Kontinent keine andere Politik verfolgensollte, als die der gemeinsamen Abwehr dieses groen Seerubers.Der grandiose Plan Napoleons war die Vereinigung Frankreichs mitSpanien, Italien, Oesterreich, Deutschland und Ruland, um dem Systemder Ausbeutung von seiten Englands entgegenzutreten. Und er wrdediesen Plan wahrscheinlich durchgefhrt haben, wenn nicht Rcksichtender inneren Politik den Zaren Alexander I. trotz seiner Verehrungfr das Genie Napoleons zum Widerstande gegen seine Absichtenbestimmt htten. Die Folgen der Niederlage Napoleons haben sich indem gewaltigen Anwachsen der englischen Macht whrend der letzten100 Jahre deutlich genug gezeigt. Darum sollte man die gegenwrtigepolitische Konstellation, die der vom Jahre 1804 in vielen Stckensehr hnlich ist, dazu bentzen, den Plan Napoleons wieder zubeleben. Ruland hat an einer Niederwerfung Englands allerdings dasnchste und dringendste Interesse; denn es gleicht einem Riesen, demHnde und Fe gebunden sind, so lange Grobritannien alle Meere undalle wichtigen Kstenstriche beherrscht. Aber auch Frankreich ist inseiner natrlichen Entwickelung gehemmt. Seine blhenden Kolonienin Amerika und im Atlantischen Ozean wurden ihm im 18. Jahrhundertdurch England entrissen. Aus seinen Niederlassungen in Ostindienwurde es durch diesen bermchtigen Gegner verdrngt, und -- was vomfranzsischen Volke vielleicht am schmerzlichsten empfunden wird --Aegypten, das der groe Napoleon mit dem Blute seiner Soldaten frFrankreich erkaufte, wurde ihm durch englisches Gold und englischeIntriguen genommen. Der von dem Franzosen Lesseps erbaute Suezkanal istim Besitz der Englnder. Er erleichtert ihnen den Verkehr mit Indienund sichert ihnen die Weltherrschaft. Frankreich wird also fr seineBundesgenossenschaft gewisse Forderungen stellen -- Bedingungen, dieso loyal und billig sind, da ihre Annahme von seiten des alliiertenRuland von vornherein keinem Zweifel unterliegen kann. Frankreichverlangt, da ihm seine Erwerbungen in Tonking, Kochinchina,Kambodscha, Annam und Laos garantiert werden, da Ruland ihmbehilflich sei, Aegypten zu erwerben, und da es sich verpflichte, diefranzsische Politik in Tunis und im brigen Afrika zu untersttzen.Nach den mir gewordenen Instruktionen glaubte ich, Monsieur Delcassdie Annahme dieser Bedingungen zusichern zu drfen. Auf meine Frage,ob ein Krieg gegen England in Frankreich populr sein wrde, erhieltich die Antwort: Das franzsische Volk wird zu jedem Opfer bereitsein, wenn wir Faschoda zu unserer Parole machen.` Niemals hat sich derbritische Uebermut brutaler und beleidigender geoffenbart als in diesemFalle. Unser braver Marchand war mit einer berlegenen Mannschaftam Platze, und Frankreich befand sich in seinem guten Recht. Aberdie bloe Aufforderung eines englischen Offiziers, dem keine andereMacht als die moralische der englischen Fahne zur Seite stand, zwanguns unter den damaligen politischen Verhltnissen, unsere begrndetenAnsprche aufzugeben und den tapferen Fhrer zurckzurufen. Wie dasVolk diese Niederlage aufnahm, haben wir deutlich genug gesehen. DiePariser begrten Marchand jubelnd, wie einen Nationalhelden, und diefranzsische Regierung rechnete allen Ernstes mit der Mglichkeit einerRevolution. Jetzt knnten wir Revanche nehmen fr die Demtigung,die wir damals aus vielleicht allzugroer Vorsicht ber uns ergehenlieen. Schreiben wir den Namen Faschoda auf die Trikolore, und eswird keinen waffenfhigen Mann in ganz Frankreich geben, der uns nichtmit Begeisterung folgte. Es schien mir ratsam, mich zu vergewissern,ob die Regierung oder die von ihr inspirierte Presse dem Volkevielleicht auch die Wiedererwerbung Elsa-Lothringens als Preis einessiegreichen Krieges verheien wrde. Aber der Minister verneinte mitaller Entschiedenheit. Die Frage Elsa-Lothringen mu gnzlich ausdem Spiele bleiben, sobald wir uns anschicken, Realpolitik zu treiben,`erklrte er. Nichts knnte verhngnisvoller sein, als die Erregungeiner Mistimmung in Deutschland. Denn der deutsche Kaiser ist dasZnglein an der Wage, auf der die Geschicke der Welt gewogen werden.`Da England von ihm, den es nicht als einen Deutschen, sondern alseinen Englnder ansieht, keine Feindseligkeiten zu befrchten habe, isteine feststehende Ueberzeugung bei unsern Nachbarn jenseits des Kanals.Und diese Zuversicht ist eine der strksten Sttzen des britischenUebermuts. Die immer wiederholten Versicherungen des deutschen Kaisers,da er den Frieden und nichts als den Frieden wolle, scheinen ja dieRichtigkeit dieser Auffassung zu besttigen. Aber ich bin gewi, daKaiser Wilhelms Friedensliebe da eine Grenze hat, wo das Wohl unddie Sicherheit Deutschlands ernstlich in Frage stehen. Er ist trotzseines impulsiven Temperaments nicht der Herrscher, der sich von jederAeuerung der Volksstimme beeinflussen und von jeder aufrauschendenStrmung zu entscheidenden Handlungen treiben liee. Aber er istweitblickend genug, eine wirkliche Gefahr rechtzeitig zu erkennen undihr mit der ganzen Wucht seiner Persnlichkeit entgegenzutreten. Ichhalte darum die Hoffnung, ihn als Alliierten zu gewinnen, nicht freine Utopie, und ich hoffe, da die russische Diplomatie sich mit derunsrigen vereinigen werde, dieses Bndnis zustande zu bringen. EinKrieg gegen England ohne die Untersttzung Deutschlands wrde immerhinein bedenkliches Unternehmen bleiben. Wir sind ja bereit, uns umunserer Freundschaft fr Ruland und um unserer nationalen Ehre willendarauf einzulassen, aber wir wrden uns einen sicheren Erfolg nurvon einem geschlossenen Zusammengehen aller kontinentalen Gromchteversprechen knnen.Mochte auch die Tatsache des mit Frankreich fr den Fall eines Kriegesgegen England abgeschlossenen Schutz- und Trutzbndnisses den meistender hier Versammelten nicht mehr unbekannt gewesen sein, so war dieVorlesung der Depesche, der man in atemloser Spannung gefolgt war, dochunverkennbar von tiefer Wirkung. Ihre Bekanntgabe lie keinen Zweifelmehr, da man an hchster Stelle zu diesem Kriege entschlossen sei, undwenn auch keine laute Kundgebung des Beifalls erfolgte, ging es dochwie ein Aufatmen der Erleichterung durch die illustre Versammlung, unddeutlich war auf fast allen Gesichtern die freudigste Genugtuung zulesen.Einer nur blickte mit finster zusammengezogenen Brauen wie in ernsterMibilligung drein -- und dieser Eine galt seit Jahrzehnten fr deneinflureichsten Mann in Ruland -- fr eine Macht, die schon oftalle Plne der leitenden Staatsmnner durchkreuzt und mit unbeugsamerEnergie ihren Willen durchgesetzt hatte.Das war der vielgehate und noch mehr gefrchtete greise Pobjedonoszew,der Oberprokurator des heiligen Synod.Seine dstere Miene und sein Kopfschtteln waren dem prsidierendenGrofrsten nicht entgangen. Und er hielt es offenbar fr seinePflicht, dem durch die Gunst dreier Zaren fast allmchtig gewordenenManne Gelegenheit zur Aeuerung seiner abweichenden Meinung zu geben.Auf seinen Wink erhob sich der Oberprokurator und sagte unter lautloserStille der Versammelten:Es kann nicht meine Aufgabe sein, mich ber die Mglichkeit oderdie Aussichten eines Bndnisses mit Deutschland zu uern. Denn ichkenne ebensowenig wie einer der hier Anwesenden die Absichten undPlne des deutschen Kaisers. Wilhelm II. ist die groe Sphinx unsererZeit. Er spricht viel, und seine Reden machen den Eindruck vollsterOffenherzigkeit. Wer aber mag erraten, was sich hinter ihnen verbirgt?Da er sich ein bestimmtes Programm fr sein Lebenswerk gesetzthat, und da er der Mann ist, es durchzufhren, gleichviel, ob dieffentliche Meinung fr ihn oder gegen ihn sei, scheint mir gewi.Bildet die Niederwerfung Englands einen Teil dieses Programms, sodrfte die Hoffnung des franzsischen Ministers ja in der Tat keineUtopie sein, vorausgesetzt, da Kaiser Wilhelm den gegenwrtigenZeitpunkt fr den geeigneten hlt, der Welt seine letzten Ziele zuoffenbaren. Die Aufgabe unseres diplomatischen Vertreters am BerlinerHofe wrde es sein, sich darber zu informieren. Aber eine andereFrage wre es, ob Ruland eines Bndnisses mit Deutschland oder mitder westlichen Macht, die vorhin hier genannt worden ist, berhauptbedarf. Und meine Anschauung der Dinge fhrt mich dahin, diese Fragezu verneinen. Ruland ist zur Zeit in Europa der letzte und einzigeHort des absolutistischen Prinzips. Und wenn ein von Gottes Gnade zudem hchsten und verantwortlichsten aller irdischen Aemter berufenerHerrscher stark genug bleiben soll, den Geist der Unbotmigkeit undder Unmoral niederzuwerfen, der sich hier und da unter dem Einflufremder staatsfeindlicher Elemente in unserem geliebten Vaterlanderegen will, so mssen wir vor allem darauf bedacht sein, das Giftder sogenannten liberalen Ideen, des Unglaubens und des Atheismus,mit dem es von Westen her verseucht werden soll, von unserem Volkefernzuhalten. Wie wir vor einem Jahrhundert den mchtigen Heerfhrerder Revolution niedergeworfen haben, so werden wir auch heute berunsern Feind triumphieren -- wir ganz allein! Lat unsere Heere inPersien, Afghanistan und Indien einmarschieren und durch ganz Asiendie Herrschaft des wahren Glaubens zum Siege fhren. Aber htet unserheiliges Ruland vor der Ansteckung durch das Gift jenes ketzerischenGeistes, der ihm ein schlimmerer Feind werden wrde, als es ihm je eineauswrtige Macht sein kann.Er setzte sich, und sekundenlang herrschte eine tiefe Stille. DerGrofrst machte ein ernstes Gesicht und wechselte ein paar geflsterteWorte mit seinen beiden Neffen.Dann sagte er: Von all den Herren, die uns hier ihre Ansichtenvorgetragen haben, ist die Kriegserklrung an England als eine zwartief beklagenswerte aber den Umstnden nach unabweisbare Notwendigkeitbezeichnet worden. Ehe ich aber Seiner Majestt, unserem erhabenenHerrn, diese Anschauung als die der hier Versammelten unterbreite,richte ich an Sie, meine Herren, die Frage, ob unter Ihnen jemand ist,der eine abweichende Meinung vertritt. Ich wrde ihn bitten, sich zumWorte zu melden.Er wartete eine kleine Weile, aber niemand leistete der AufforderungFolge. Da erhob er sich aus seinem Sessel und gab durch ein kurzesWort des Dankes und durch eine leichte Verneigung gegen die ebenfallsaufgestandenen Wrdentrger kund, da er die Sitzung, die fr dieGeschicke der Welt von entscheidender Bedeutung gewesen war, alsgeschlossen betrachte.[Illustration]II.Es war zu Chanidigot im britischen Ostindien. -- Der blendendenHelligkeit des heien Tages war unvermittelt, fast ohneDmmerungsbergang, die abendliche Dunkelheit gefolgt und mit ihr eineerquickende Khle, die alles Lebendige aufatmen lie.In dem weiten Camp, das dem englischen Lancerregiment als Lagerplatzdiente, war es mit dem Sinken der Sonne lebendig geworden. DieSoldaten, frei von der Last des Dienstes, vergngten sich je nachLaune und Temperament mit Spiel, Gesang und frhlichem Zechen. Auchin dem groen Zelt, das als Offiziersmesse benutzt wurde, ging eslebhaft her. Das gemeinsame Mahl war vorber, und ein Teil der Herrenhatte sich nach tglicher Gewohnheit zum Kartenspiel niedergesetzt.Aber die Unterhaltung war hier weniger harmlos als drauen bei dengemeinen Soldaten. Denn man begngte sich nicht mit einem unschuldigenWhist, sondern spielte bei ziemlich hohen Einstzen das in Amerika undteilweise auch in England beliebte Poker, bei dem lediglich der Zufallund eine gewisse schauspielerische Geschicklichkeit der Teilnehmerden Ausschlag gibt. Zumeist allerdings waren es die jngeren Herren,die diesen abendlichen Nervenkitzel in dem eintnigen Lagerleben alsunentbehrlich betrachteten. Die lteren saen mit ihren kurzen Pfeifenund ihrem Whisky und Sodawasser plaudernd an den abseits stehendenTischen. Auch ein Herr in brgerlicher Kleidung war unter ihnen. Diezuvorkommende Hflichkeit, mit der man ihn behandelte, lie vermuten,da er nicht dem Offizierkorps des Regiments angehrte, sondern nurdessen Gast war. Der Klang seines Namens -- man redete ihn mit Mr.Heideck an -- wrde seine deutsche Abstammung verraten haben, auch wennsie sich nicht schon in seiner ueren Erscheinung kundgegeben htte.Er war von nur mittelgroer Gestalt, aber von athletischem Krperbau.Seine straffe, soldatische Haltung und die elastische Leichtigkeitseiner Bewegungen waren unzweideutige Kennzeichen einer vortrefflichenGesundheit und einer nicht geringen krperlichen Kraft. Fr denEnglnder aber kann der Fremde kaum eine bessere Empfehlung mitbringenals diese. Und vielleicht war es vor allem seine imponierendeErscheinung gewesen, die im Verein mit seinem liebenswrdigen, durchausgentlemanmigen Auftreten diesem blondbrtigen jungen Deutschen mitdem scharf geschnittenen, energischen Gesicht und den treuherzigblickenden, blauen Augen so schnell Zutritt in die sonst sehrexklusiven Offizierskreise verschafft hatte.Seinem Stande nach mochte er ja nach der Auffassung einiger dieserHerren nicht gerade in ihre Gesellschaft gehren. Denn man wute, daer zu geschftlichen Zwecken fr ein groes Hamburger Handelshausreiste. Sein Oheim, der Chef dieses Hauses, befate sich mit dem Importvon Indigo. Und da der Maharadjah von Chanidigot sehr ausgedehnteIndigo-Plantagen besa, hielt die geschftliche Verhandlung mit demFrsten den jungen Heideck nun schon seit vierzehn Tagen hier fest.Es war ihm gelungen, whrend dieser Zeit die lebhaften Sympathiennamentlich der lteren britischen Offiziere zu gewinnen. In denindischen Garnisonen ist jeder Europer willkommen, man zog Heideckauch zu denjenigen geselligen Veranstaltungen hinzu, an denen die Damendes Regiments teilnahmen.Die Einladung zum Spiel hatte er indessen jedesmal mit hflicherBestimmtheit abgelehnt, und auch heute machte er dabei nur denunbeteiligten, wenig interessierten Zuschauer.Jetzt ffnete sich die Tr des Zeltes, und sporenklirrend, in sehrselbstbewuter, fast hochmtiger Haltung trat ein hochgewachsener,aber auffallend hagerer Offizier in den Kreis der Kameraden. Er war imDienstanzuge und sprach zu einem der Herren, der ihn als Kapitn Irwinbegrt hatte, davon, da er einen zur Inspizierung eines Auenpostensunternommenen anstrengenden Ritt hinter sich habe. Von einer deraufwartenden Ordonnanzen lie er sich einen erfrischenden Trunk, dasbeliebte Gemisch aus Whisky und Sodawasser, bringen. Dann nherte ersich dem Tische der Spieler.Ist hier noch Raum fr einen kleinen Kerl? fragte er. Undbereitwillig machte man ihm Platz.Eine Weile ging es bei der Pokerpartie in der bisherigen ruhigenWeise fort. Pltzlich aber mute etwas Auergewhnliches eingetretensein. Denn man sah, da die Herren bis auf Kapitn Irwin und einender Mitspieler ihre Karten niederlegten, und man hrte die unangenehmscharfklingende Stimme Irwins.Sie sind ein alter Fuchs, Kapitn Mc. Gregor! Aber ich kenneIhre Tricks und falle nicht mehr darauf hinein. Noch einmal also:sechshundert Rupien!Wer die Gesetze des Poker kennt, wei, da es bei diesem Spiel, woringewissen Kartenkombinationen der Gewinn zufllt, nicht fr unehrenhaft,sondern im Gegenteil fr eine besondere Feinheit gilt, die Mitspielerdurch kleine, komdiantische Kniffe ber den Wert der beim Austeilenerhaltenen Karten zu tuschen. Der Name Bluff`, den man diesemHazardspiel beigelegt hat, verrt ja schon, da jeder nach Krftenversuchen mu, seinen Gegner zu verblffen.Dem Kameraden Mc. Gregor gegenber aber schien es Irwin diesmal nichtrecht zu gelingen. Denn der Kapitn erwiderte mit groer Ruhe:Sechshundertfnfzig. Aber ich rate Ihnen, Irwin, sie nicht zu halten.Siebenhundert.Siebenhundertfnfzig!Tausend! rief Irwin mit drhnender Stimme und lehnte sich mit einemsiegesgewissen Lcheln in seinen Stuhl zurck.Ueberlegen Sie, was Sie tun, sagte Mc. Gregor. Ich habe Sie gewarnt.Eine bequeme Manier, siebenhundertfnfzig Rupien einzustreichen. Ichwiederhole: Tausend Rupien.Tausendundfnfzig!Zweitausend!Alle im Zelt anwesenden Herren hatten sich erhoben und umstanden diebeiden Spieler, die, ihre Karten verdeckt in der Hand haltend, einandermit scharfen Blicken betrachteten. Hermann Heideck, der hinter Irwingetreten war, sah an der Rechten des Kapitns einen wundervollenBrillanten funkeln. Aber an dem Tanzen der bunten Strahlen, die vondiesem Stein ausgingen, sah er auch, wie die Finger des Spielers bebten.Kapitn Mc. Gregor wandte sich an seine Umgebung.Ich rufe die Herren zu Zeugen an, da ich den Kameraden schon beisechshundert gewarnt habe.Wozu bedarf es da einer Warnung? fiel Irwin fast heftig ein. Bin ichdenn ein Knabe? Halten Sie die zweitausend, Mc. Gregor, oder halten Siesie nicht?Nun denn, da Sie es nicht anders wollen: dreitausend.Fnftausend!Fnftausendfnfhundert.Zehntausend.Jetzt legte einer der hheren Offiziere, der Major Robertson, seineHand leicht auf die Schulter des tollkhnen Spielers.Das ist zuviel, Irwin! Ich mische mich nicht gern in solche Dinge,und da Sie nicht von meinem Regiment sind, kann ich nicht dienstlich,sondern nur kameradschaftlich mit Ihnen reden. Aber mir scheint, daSie sich in Verlegenheit befinden wrden, wenn Sie verlren.Unwillig fuhr der Angeredete auf.Was wollen Sie damit sagen, Herr Major? Wenn Ihre Worte einen Zweifelan meiner Zahlungsfhigkeit ausdrcken sollen, -- --Nun, nun -- ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Sie mssen jaschlielich am besten wissen, was Sie verantworten knnen.Und mit trotziger Miene wiederholte Irwin:Zehntausend also! Ich erwarte Ihre Antwort, Mc. Gregor.Der Gegner blieb unverndert ruhig.Zehntausendfnfhundert.Zwanzigtausend!Sind Sie denn betrunken, Irwin? flsterte von der anderen Seite herder junge Leutnant Temple dem Kapitn ins Ohr. Der aber streifte ihnmit einem zornfunkelnden Blick.Nicht mehr als Sie. Lassen Sie mich geflligst in Ruhe!Einundzwanzigtausend, klang es gelassen von der gegenberliegendenSeite des Tisches.Eine kurze, erwartungsvolle Pause folgte. Kapitn Irwin kaute nervs anseinem kleinen, dunklen Schnurrbart. Dann aber reckte er seine hagereGestalt und rief:Fnfzigtausend.Noch einmal glaubte der Major, Halt gebieten zu mssen.Ich erhebe Einspruch! sagte er. Es ist bisher Regel bei uns gewesen,da der Pool nicht um mehr als tausend Rupien auf einmal erhht werdendarf. Diese Regel ist lngst berschritten.Ein hliches, rauhes Lachen kam von Irwins Lippen.Es scheint, da Sie die Absicht haben, mich zu retten, Herr Major!Aber ich brauche durchaus keinen Retter. Wenn ich verliere, werde ichzahlen. Und ich begreife nicht, weshalb sich die Herren in meinemInteresse die Kpfe zerbrechen.Der Major, der einsehen mute, da er hier mit allem guten Willennichts auszurichten vermochte, zuckte die Achseln. Leutnant Templeaber vermeinte, einen guten Einfall zu haben. Mit einer anscheinendunbeabsichtigten, ungestmen Bewegung stie er gegen den leichtenFeldtisch, da Aschenbecher, Flaschen, Glser und Karten zu Bodenfielen. Aber es war nichts damit gewonnen, denn die beiden hielten ihrSpiel fest in der Hand und lieen sich durch den Zwischenfall nichteinen Augenblick aus der Fassung bringen.Einundfnfzig, sagte Mc. Gregor.Sechzig.Einundsechzig.Siebzig.Einundsiebzig.Achtzig.Einundachtzig.Ein Lakh! schrie Irwin, der jetzt vor Aufregung kreidebleich gewordenwar.Wirklich? fragte Mc. Gregor gleichmtig. Das ist ein schnes Gebot.Ein Lakh also -- nach dem heutigen Kurse sechstausendfnfhundert PfundSterling. Sie werden ein reicher Mann sein, Irwin, wenn Sie gewinnen.Zeigen Sie doch, was Sie in der Hand haben.Mit zitternden Fingern, doch mit triumphierender Miene deckte derKapitn seine Karten auf.~Straight flush!~ sagte er heiser.Ja, das ist ein starkes Spiel, erwiderte der andere lchelnd. Abersagen Sie doch, welches ist Ihre hchste Karte?Der Knig, wie Sie sehen.Schade! Ich habe nmlich auch ~straight flush~. Aber bei mir steht dasA an der Spitze.Langsam, eine nach der anderen, legte er seine Karten auf den Tisch:Coeura, Coeurknig, Coeurdame, Coeurbube, Coeurzehn. Wie ein einzigerAusruf der Verwunderung kam es von den Lippen der Umstehenden. Keinerhatte je das Zusammentreffen einer so merkwrdigen Kartenkombinationerlebt.Kapitn Irwin sa fr einen Moment regungslos, die flackernden Augenstarr auf die Karten seines Gegners geheftet. Dann pltzlich sprang ermit einem wilden Lachen auf und verlie mit klirrenden Schritten dasZelt.Dieser Verlust bedeutet fr Irwin eine Katastrophe, sagte der Majorsehr ernst. Er ist auer stande, eine solche Summe zu zahlen.Mit Hlfe seiner Frau knnte er es wohl, meinte ein anderer, aber eswrde sie so ziemlich den ganzen Rest ihres Vermgens kosten.Ich nehme die Herren zu Zeugen, da es nicht meine Schuld ist,erklrte Mc. Gregor, der einen gewissen Vorwurf in den Mienen seinerUmgebung zu lesen glaubte. Man stimmte ihm zu. Aber Leutnant Temple,der einzige unter allen Anwesenden, den eine gewisse oberflchlicheFreundschaft mit Irwin verband, bemerkte:Irgend jemand wird ihm nachgehen mssen, damit er in der erstenAufregung nicht eine Torheit begeht.Er wandte sich schon zum Gehen, aber ein Zuruf Mc. Gregors hielt ihnzurck.Es wrde keinen Zweck haben, Temple, wenn Sie ihm nicht zugleich etwasBeruhigendes sagen knnen. Und es gibt meines Erachtens da nur eineneinzigen Ausweg. Man mte ihm einreden, die Sache htte nur ein Spasein sollen und die Karten wren vorher geordnet gewesen.Der Leutnant kehrte zum Tische zurck.Die Erfindung dieses Auskunftsmittels gereicht Ihnen zur Ehre, HerrKapitn! Aber ich zweifle, da jemand von uns den Mut haben wrde, ihmmit solcher Lge zu kommen.Das Schweigen der anderen schien diesen Zweifel zu besttigen. Daertnte die markige Stimme des deutschen Gastes:Wollen Sie mich mit dieser Mission betrauen, meine Herren? Ich kenneden Kapitn Irwin zwar nur flchtig, und ich htte keinen Anla, michin seine Angelegenheiten zu mischen; aber ich hre, da es das Vermgenseiner Gattin ist, das hier auf dem Spiel steht. Und da ich Mrs. Irwinfr eine sehr verehrungswrdige Dame halte, wrde ich gern das meinigedazu beitragen, sie vor einem so schweren Verlust zu bewahren.Mc. Gregor reichte ihm die Hand.Sie wrden mich zu Dank verpflichten, Mr. Heideck, wenn es Ihnengelnge. Aber ich rate Ihnen, keine Zeit zu verlieren.Rasch verlie Heideck das Zelt. Und als er in die kstliche, mondhelleNacht hinaustrat, sah er in der Entfernung von zwanzig SchrittenKapitn Irwin neben seinem Pferde. Der Bursche hielt das Tier am Zgel,Kapitn Irwin aber machte sich am Sattel zu schaffen. Whrend Heidecknher kam, sah er den Soldaten sich entfernen und gewahrte, da Irwineinen Revolver in der Hand hielt.Mit raschem Griff hatte er das Handgelenk des Offiziers erfat.Einen Augenblick, Kapitn Irwin.Dieser schrak zusammen, drehte sich um und blickte wtend auf Heideck.Ich bitte um Entschuldigung, sagte der Deutsche. Aber Sie befindensich im Irrtum, Herr Kapitn. Das Spiel gilt nicht. Man hat sich einenScherz mit Ihnen erlaubt. Die Karten sind vorher arrangiert worden.Irwin erwiderte nichts, aber er pfiff nach seinem Burschen und ging,noch immer ohne mit Heideck zu sprechen, in das Zelt zurck, denRevolver in der Hand. Heideck folgte ihm.Beide Herren traten an den Spieltisch, und Irwin wandte sich an Mc.Gregor. Also das Spiel ist arrangiert gewesen? fragte er.Zur Lehre fr Sie, Irwin, der Sie immer wie toll und tricht darauflosgehen und sich einbilden, ein guter Spieler zu sein, whrend Sie garnicht das kalte Blut dazu haben.Nun, sagte Irwin, das ist eine Geschichte, die ich als Beispielkameradschaftlicher Gesinnung in allen Garnisonen Indiens herumbringenwerde, damit ein jeder sich htet, der einmal hierherkommt und verfhrtwerden sollte, ein Spiel zu machen. Eine solche niedertrchtigeGeschichte habe ich noch nicht erlebt, aber es ist mir allerdings eineLehre, da man nur mit ehrlichen Leuten -- --Ah, Kapitn Irwin, sagte Mc. Gregor, sich hoch aufrichtend, indem erden Beleidiger mit einem vernichtenden Blick seiner groen blauen Augenfixierte, an Ihre junge Frau sollten Sie lieber denken, die Sie inArmut gestrzt htten, wenn dies Spiel kein Scherz war.Irwin taumelte zurck, der Revolver entfiel seiner Hand.Was? kreischte er, was ist das? So ist es kein Scherz gewesen? Sohabe ich das Geld wirklich verloren? O, ihr -- ihr -- Aber fr wenhaltet ihr mich? Seid gewi, ich werde bezahlen! Aber, rief er, sichbesinnend, ich mchte doch wohl wissen, was nun Wahrheit ist. Euchalle frage ich und nenne euch Schurken und Lgner, wenn ihr nicht dieWahrheit sagt: hat man wirklich einen Spa mit mir getrieben oder istdas Spiel ein ehrliches Spiel gewesen?Kapitn Irwin, entgegnete der Major, ihm entgegentretend, ichsage Ihnen als Aeltester im Namen der Kameraden, da Ihr Benehmenunverzeihlich wre, wenn nicht eine Art von Tollheit Sie beherrschte.Dies ist ein ehrliches Spiel gewesen, und nur die Gromut des KapitnMc. Gregor war es, die -- -- --Irwin hrte den Schlu seiner Rede nicht mehr, denn mit einem wildenFluch hatte er abermals das Zelt verlassen.[Illustration]III.Hermann Heideck wohnte in einem Dak Bungalo, einem jener von derRegierung unterhaltenen Gasthuser, die dem Reisenden zwar Unterkunftaber weder Betten noch Verpflegung bieten. Als er aus dem Camp dahinzurckkehrte, stand sein indischer Diener Morar Gopal in der Tr, umden Herrn zu empfangen und teilte ihm mit, da ein neuer Gast mitzwei Dienern angekommen wre. Da dieses Dak Bungalo gerumiger warals die meisten anderen, so hatten die Neuangekommenen Platz, undHeideck brauchte nicht, wie sonst blich, als lterer Gast dem sptereingetroffenen zu weichen.Was fr ein Landsmann ist der Herr? fragte er.Ein Englnder, Sahib!Heideck trat in sein Zimmer und lie sich am Tische nieder, aufdem neben den beiden mattleuchtenden Kerzen eine Whiskyflasche,einige Flaschen Sodawasser und das Zigarettenkistchen standen. Erwar nachdenklich und bel gelaunt. Die aufregende Szene in derOffiziersmesse war ihm persnlich nahe gegangen. Nicht um des KapitnIrwin willen, der ihm seit dem ersten Augenblick ihrer Bekanntschaftin hohem Mae unsympathisch gewesen war, sondern einzig wegen derschnen jungen Frau des leichtsinnigen Offiziers, an die er sichvon ihren wiederholten gesellschaftlichen Begegnungen her gut genugerinnerte. Keine der anderen Offiziersdamen -- und es waren sehrhbsche und liebenswrdige unter ihnen -- hatte einen so tiefen undnachhaltigen Eindruck auf ihn gemacht, wie Mrs. Edith Irwin, derenpersnlicher Liebreiz ihn in ebenso hohem Mae gefesselt hatte, wieihre ungewhnliche Klugheit ihn in Erstaunen setzte. Die Vorstellung,da dieses anmutige Wesen mit unzerreibaren Ketten an einen brutalenund ausschweifenden Menschen vom Schlage Irwins gefesselt war, undda ihr Mann sie vielleicht eines Tages mit sich hinabri in seinunausbleibliches Verderben, bereitete ihm eine schmerzhafte Empfindung.Er htte so gern irgend etwas fr die unglckliche junge Frau getan.Aber er mute sich sagen, da es dazu fr ihn, den Fremden, der ihrnichts als eine oberflchliche Bekanntschaft war, keine Mglichkeitgab. Der Kapitn wre vollkommen berechtigt gewesen, jede unberufeneEinmischung als eine unerhrte Dreistigkeit zurckzuweisen. Und aufwelche Art htte er hier helfend eingreifen knnen?Ein Lrm, der sich pltzlich im Nebenzimmer erhob, ri Heideck ausseinen unerfreulichen Grbeleien. Er hrte lautes Schelten und einklatschendes Gerusch, wie wenn Peitschenhiebe auf einen nacktenmenschlichen Krper fallen. Eine Minute spter wurde die Verbindungstraufgerissen und ein nur mit Hftschurz und Turban bekleideter Inderstrzte in das Zimmer, als ob er hier Schutz vor seinem Peiniger suchenwollte. Ein lang gewachsener, ganz in weien Flanell gekleideterEuroper war ihm auf den Fersen und lie unbarmherzig seine Reitgerteauf den bloen Rcken des wehklagenden Mannes niedersausen. DieAnwesenheit Heidecks genierte ihn dabei offenbar nicht im mindesten.Auf den ersten Blick hatte der junge Deutsche erkannt, da sein Nachbarnicht, wie der Diener ihm gesagt hatte, ein Englnder sein konnte. Seinauffallend schmales, fein geschnittenes Gesicht, seine eigentmlichgeschlitzten schwarzen Augen und sein weicher dunkler Bart hatten vielmehr von dem sarmatischen als von dem charakteristisch angelschsischenTypus.Der Mann gefiel ihm seinem Aeueren nach nicht bel, sein Betragenaber konnte er unmglich ruhig hinnehmen. Indem er zwischen ihn undden Mihandelten trat, fragte er sehr energisch, was dieser Auftrittbedeuten solle.Lachend lie der andere den eben wieder zum Schlage erhobenen Armsinken.Ich bitte um Entschuldigung, mein Herr, sagte er in fremdartigklingendem Englisch, ein sehr guter Boy, aber er stiehlt wie ein Rabeund mu von Zeit zu Zeit seine Prgel haben. Ich wei, da er irgendwoan seinem Leibe die fnf Rupien versteckt haben mu, die mir heutewieder fehlen.Damit packte er, als hielte er die gegebene Auskunft fr vollkommenausreichend, seine Handlungsweise zu erklren, den braunen Burschenvon neuem und ri ihm mit raschem Griffe den Turban vom Kopfe. Aus demweien, rotgesumten Tuche rollten klirrend ein paar Silberstcke berdie Steinplatten hin. Zugleich aber war auch ein grerer Gegenstandvor Heidecks Fe niedergefallen. Er hob ihn auf und hielt ein goldenesZigarettenetui in der Hand, auf dessen Deckel ein Wappen mit einerFrstenkrone eingraviert war. Als er es dem Fremden berreichte,verbeugte sich dieser dankend und entschuldigte sich wie ein Mann vonder besten Gesellschaft. Der Inder aber nahm die Gelegenheit wahr, sichmit einigen affenartigen Sprngen aus dem Staube zu machen.Der Anblick des Wappens auf dem Zigarettenetui hatte in Heideck dasVerlangen geweckt, diesen gewaltttigen Nachbar nher kennen zu lernen.Als htte er die sonderbare Art seines Eintritts ganz vergessen, fragteer artig, ob er den ihm vom Zufall bescherten Hausgenossen zu einerZigarre und einem Abendtrunk einladen drfe.Mit liebenswrdigster Bereitwilligkeit nahm der andere die Aufforderungan.Sie reisen auch in Geschften, mein Herr? fragte Heideck. Und da ereine bejahende Antwort erhielt, fgte er hinzu:Wir wren also Kollegen. Sind Sie mit Ihren hiesigen Erfolgenzufrieden?O, es knnte besser gehen. Man hat zuviel Konkurrenz!Baumwolle?Nein. Bronzewaren und Seide. Habe von Delhi auch wunderbare Goldarbeitmitgebracht.Dann stammt Ihr Zigarettenetui vermutlich auch aus Delhi?Die geschlitzten Augen des anderen streiften ihn mit einem forschendenBlick.Mein Zigarettenetui? Nein! -- Arbeiten Sie vielleicht in Fellen, HerrKollege? Haben Sie Kaschmirziegen?Ich habe alles. Mein Haus arbeitet in allem.Sie kommen nicht von Kalkutta?Nein, nicht von Kalkutta.Schlechtes Wetter da. All mein Leder ist verdorben.Ist es so feucht dort?Dampfbad, sage ich Ihnen, veritables Dampfbad.Heideck war lngst berzeugt, einen Russen vor sich zu haben. Aber umseiner Sache ganz sicher zu sein, machte er eine scherzhafte Bemerkungin russischer Sprache. Verwundert blickte sein neuer Bekannter auf.Sie sprechen russisch, mein Herr?Ein wenig.Sie sind aber kein Russe?Nein, ich bin ein Deutscher, der sich whrend eines vorbergehendenAufenthaltes in Ruland einige Sprachkenntnisse angeeignet hat. WirKaufleute kommen ja weit herum.Der Herr, der seiner Angabe nach in Seide und Bronzewaren reiste, warsichtlich erfreut, hier, wo er es gewi am wenigsten erwartet hatte,die anheimelnden Laute seiner Muttersprache zu vernehmen. Und Heideckbemhte sich mit einem fast befremdlichen Eifer, ihn bei guter Launezu erhalten. Er rief seinen Diener und befahl ihm, heies Wasser zubereiten.Es ist sehr khl diese Nacht, wandte er sich an seinen Gast. EinBrandy mit heiem Wasser ist da nicht zu verachten.Ah, sagte der Russe, warten Sie einen Augenblick. Es ist besser, dasWasser wegzulassen und es durch etwas Schmackhafteres zu ersetzen.Er ging in sein Zimmer und kehrte alsbald mit einer Flasche Sherry undzwei Flaschen Champagner zurck.Ich werde mit Ihrer Erlaubnis hier in diesem Kessel einmal eine Bowlenach russischem Geschmack mischen. Zucker mu auch hinein. Dieser frenglische Zungen berechnete Champagner ist so trocken, da er gestwerden mu, um fr unsereinen geniebar zu werden.Er go die Flasche Kognak, die der Diener gebracht hatte, ebenso wieden Sherry zu dem Champagner und fllte die Glser.Nach deutscher Sitte stieen die beiden Herren mit einander an. Nocheinmal betrachtete Heideck dabei aufmerksam seinen neuen Bekannten. Derlauernde Ausdruck, mit dem er die Augen des anderen auf sich gerichtetfhlte, machte ihn einen Moment stutzig. Sollte der Russe etwa diegleiche Absicht haben, wie er selbst, und ihm mit dem Sekt nur dieZunge lsen wollen? Jedenfalls war er jetzt auf seiner Hut.Darf ich Sie bitten, eine meiner Havannazigarren zu versuchen? fragteder Russe, indem er ihm sein Etui darreichte. Die indischen Zigarrensind nicht schlecht und sehr billig. Die Beaconsfield ist meineLieblingssorte. Hier und da mu man aber zur Abwechslung doch etwasanderes rauchen.Heideck nahm dankend an und es begann jetzt ein ziemlich scharfesZechen, zu welchem der Russe das Tempo angab. Aber er war der Wirkungdes ebenso wohlschmeckenden wie starken Getrnkes offenbar viel wenigergewachsen, als der Deutsche. Von Minute zu Minute gesprchiger werdend,fing er bald an, seinen neuen Freund Brderchen zu nennen und allerleimehr oder weniger verfngliche Geschichten zu erzhlen. Auch auf seineheimischen Familienverhltnisse kam er, durch einige geschickte FragenHeidecks veranlat, zu sprechen. Er lachte ber eine alte Tante, dieihr Haar mit Rosen zu schmcken pflege, um kahle Stellen zu verdecken,und fgte hinzu, da diese Tante wegen ihrer unvergleichlichenKlatschgeschichten am Zarenhofe ganz besonders beliebt sei. Da solcheFamilienbeziehungen bei einem Geschftsreisenden etwas verwunderlichwren, kam ihm augenscheinlich nicht in den Sinn.Im Verlauf der Unterhaltung erwhnte er auch, da er vor nicht langerZeit in China gewesen wre.Wir sind zu langsam, Brderchen, viel zu langsam, versicherte er,mit fnfzigtausend Mann konnten wir uns alles nehmen, was wir habenwollten, und die Japaner htten wir unsererseits schon lngst angreifensollen.Sagen Sie doch, fragte Heideck anscheinend gleichgiltig, wie starkist denn eigentlich die Armee des General-Gouvernements Turkestan?Der Russe blickte auf, aber es geschah nicht, weil er sich auf dieverlangte Antwort besann. Denn nachdem er langsam ein Glas Sodawasserausgetrunken hatte, sagte er:Wenn du gut leben willst, Brderchen, mut du in die Mandschureigehen. Lachse, sage ich dir -- ah! Und kosten beinahe nichts. -- Undhbsche Mdchen in Menge! Pelze aber kannst du kaufen -- so gut wieumsonst. Was in Petersburg zehntausend Rubel kostet, hast du in China,da oben im Norden, fr hundert.Da haben Sie wohl schne Pelze mitgebracht?Pelze in Indien? Da wrden sie im Handumdrehen von den Ameisenaufgefressen werden. Fr meinen Gebrauch allerdings habe ich einenmitgebracht, der in Petersburg unter Brdern fnftausend Rubel wertsein wrde. Werde ihn spter im Gebirge gut genug brauchen knnen. Erriecht eine Werst weit, so gut habe ich ihn eingepfeffert!Wieder gab es eine kleine Pause. Dann, indem er sein Gegenber scharfansah, sagte Heideck pltzlich:Sie sind Offizier!Ganz fassungslos starrte ihm der Russe ins Gesicht.Offenheit gegen Offenheit! erwiderte er nach lngerem Besinnen. AuchSie sind Soldat, mein Herr?Einem Kameraden brauche ich es nicht zu verschweigen. Hermann Heideck,Hauptmann vom preuischen Generalstabe.Der Russe erhob sich und machte eine sehr korrekte Verbeugung.Frst Fedor Andrejewitsch Tschadschawadse, Hauptmann im GarderegimentPreobraschensky.Dann klangen aufs neue die Glser zusammen.Auf gute Kameradschaft! hie es hben und drben.Kamerad, ich will Ihnen etwas verraten, sagte der Russe. GeneralIwanow ist im Anmarsch gegen die indische Grenze. Der Zar beschftigtsich nicht mehr mit Theosophie, er will England den Krieg erklren.Heideck htte gern noch mehr erfahren, doch der Frst hatte derberauschenden Mischung wohl schon ber seine Krfte zugesprochen.Er fing an, leichtfertige franzsische Chansons zu singen, um dannpltzlich auf schwermtige russische Volkslieder berzugehen. An einhalbwegs vernnftiges Gesprch war in seiner gegenwrtigen Verfassungnicht mehr zu denken.Heideck befand sich bereits in einiger Verlegenheit, was er mit seinembezechten Gaste anfangen solle. Da wurde ihm eine neue Ueberraschung zuTeil. Die Tr zum Nebenzimmer ffnete sich und ein schner, schlankerBursche von hchstens achtzehn Jahren erschien auf der Schwelle.Er war in eine Art phantastischer Pagentracht gekleidet, die in einemanderen Lande als dem farbenreichen, malerischen Indien wie eineMaskerade gewirkt haben wrde. Der blaue, goldgestickte Kittel war miteiner rotseidenen Schrpe umgrtet und die weiten roten Beinkleiderverschwanden an den Knieen in hohen, glnzenden Lackstiefeln, derenelegante Form die auffallende Kleinheit der schmalen Fe erkennenlie. Ueppiges, goldschimmerndes Blondhaar fiel wellig fast bis aufdie Schultern des knabenhaften Jnglings herab. Das schne, lnglicheGesicht war von rosigstem Incarnat. Aus den groen, blauen Augen aberblitzte die Energie eines starken Temperaments.Sowie er des Eintretenden ansichtig geworden war, hatte der Frstaufgehrt zu singen.Ah, Georgij -- stammelte er.Ohne ein Wort zu sprechen, war der Page auf ihn zugetreten undhatte den pltzlich ganz Willenlosen vom Stuhle emporgezogen. FrstTschadschawadse schlang den Arm um seine Schultern und lie sichhinausfhren, ohne seinem deutschen Kameraden eine Gute Nacht` zuwnschen.Heideck zweifelte nicht einen Augenblick daran, da dieser schlankePage ein verkleidetes Mdchen wre. Der schne Wuchs und der seltsameAusdruck ungebndigter Naturkraft in den wunderbar regelmigen Zgenwaren unverkennbar Eigentmlichkeiten des cirkassischen Typus. Dieserangebliche Georgij war sicherlich eine Tochter der kaukasischenBerge, das Kind eines Bauern oder vielleicht eines Rubers, wie auchTschadschawadse seinem Namen nach einem jener alten kaukasischenFrstengeschlechter angehrte, die einst als echte Raubritter in demvon Ruland so schwer und so langsam unterworfenen Gebirgslande gehausthatten.[Illustration]IV.Die Angabe des Hauptmanns Heideck, da er fr ein Hamburger Handelshausreise, war nicht eigentlich eine Unwahrheit gewesen. In der Tat betrieber die kaufmnnischen Geschfte, die ihm als Maske fr den wirklichenZweck seiner Reise dienten, mit grtem Ernst.Er hatte von dem Chef des Groen Generalstabes den Auftrag erhalten,die militrischen Verhltnisse in Indien und die strategische Bedeutungder Nordwestgrenze zu studieren, und hierzu war ihm ein unbegrenzterUrlaub bewilligt worden.Aber der General hatte ihm ausdrcklich erklrt:Sie reisen als Privatmann, und wenn Sie in irgend einen Konfliktmit den Englndern geraten sollten, wrden wir in keiner Weise dieVerantwortung fr Ihre Taten und Erlebnisse bernehmen knnen. Sieerhalten einen Pa auf Ihren richtigen Namen, aber natrlich ohneErwhnung Ihrer militrischen Eigenschaft. Da wir Sie bei eineretwaigen Nachfrage nicht verleugnen werden, ist selbstverstndlich. Ineinem gewissen Sinne aber reisen Sie auf eigene Gefahr. Ihr eigenerTakt mu Ihnen Fhrer sein.Darauf hin hatte Heideck sich mit seinem Oheim in Verbindung gesetztund von ihm die erforderlichen Briefe und Empfehlungen an indischeGeschftsfreunde erhalten. Er war von Bombay aus ber Allahabad in dienrdlichen Provinzen gereist und hatte die wichtigsten Garnisonen,Cawnpore, Lucknow, Delhi und Lahore besucht. Nach Erledigung seinerGeschfte in Chanidigot gedachte er sich weiter nach Norden zu wendenund durch den Kaiberpa nach Afghanistan zu gehen. Lediglich mitRcksicht auf diesen Plan hatte er die nhere Bekanntschaft mit demRussen gesucht. Er wurde sich klar darber, da dieser von seinerRegierung einen hnlichen Auftrag erhalten hatte wie er selbst, undgewisse Andeutungen des Frsten hatten ihn in der Vermutung bestrkt,da er die nmliche Reiseroute zu whlen gedenke. So konnte es fr dendeutschen Offizier nur von Vorteil sein, wenn er sich dem russischenKameraden anschlo, der ihm auf russischem Gebiet sicherlich wertvolleEmpfehlungen zu verschaffen vermochte. --Die gehaltvolle Bowle des Frsten machte sich noch in einigenunangenehmen Nachwirkungen bemerkbar, als Heideck in der Frhe desnchsten Morgens erwachte. Aber das kalte Bad, das ihm Morar Gopalbereitet hatte, und eine Tasse Tee stellten ihn bald wieder her.Es war ein indischer Frhlingsmorgen von strahlender Schnheit, inden er tiefaufatmend hinaustrat. Der Februar hatte hier im Taledes Indus unter dem 29 nrdlicher Breite etwa die Temperatur desrmischen Mai. In den Mittagsstunden pflegte die Quecksilbersule desFahrenheit-Thermometers auf hundert Grad zu steigen. Die Abende aberwaren erquickend khl und die Nchte mit ihren feuchten Nebeln zuweilensogar empfindlich kalt.Heideck hatte an diesem Morgen mit besonderer Sorgfalt Toilettegemacht, denn er war zu einer Besprechung mit dem Minister desMaharadjah geladen, um ber das beabsichtigte Indigogeschft mit ihm zuverhandeln.Der Minister bewohnte ein Haus an der Weichbildgrenze der Stadt. Eswar ein inmitten eines groen Gartens gelegenes einstckiges Gebudemit breiten, luftigen Veranden. Als Heideck eintraf, war die Treppeder Eingangshalle bereits von einer bunten Menge besetzt, die aufAudienz wartete. Ihm aber, als einem Vertreter der weien Rasse,blieb diese lstige Unbequemlichkeit erspart. Der in weien Musselingekleidete und zum Zeichen seiner Wrde mit einer breiten roten Schrpeumgrtete Pfrtner fhrte ihn vielmehr gleich in das ganz europischausgestattete Arbeitszimmer des Ministers.Auch in seiner ueren Erscheinung verriet der Wrdentrger nur durchseine Hautfarbe und seinen Gesichtsschnitt den Inder. Kleidung undManieren waren ganz die eines abendlndischen Diplomaten. Er reichteHeideck die Hand und teilte ihm mit, da Seine Hoheit selbst mit ihmber den Indigo verhandeln wolle.Der Preis, den Sie zahlen wollen, ist ungewhnlich niedrig, fgte erin einem Tone leiser Mibilligung hinzu.Heideck aber war auf diesen Einwand offenbar vorbereitet gewesen.Exzellenz mgen darin recht haben, da der gebotene Preis niedrigerist als in frheren Jahren. Aber er ist noch immer sehr hoch, wenn mandie inzwischen eingetretenen Vernderungen des Marktes bercksichtigt.In Deutschland wird jetzt durch Anilin ein Ersatz geschaffen, der sobillig ist, da in absehbarer Zeit vermutlich berhaupt kein Indigomehr gekauft werden wird. Wenn es mir gestattet ist, Seiner Hoheiteinen Rat zu geben, so wre es der, statt des Indigobaus knftig eineIndustrie zu whlen.Und welche htten Sie dabei im Auge?Am vorteilhaftesten wrden mir ~oil-mills~ und ~cotton-mills~erscheinen. Sie knnten der europischen und japanischen Konkurrenzdamit wirksam begegnen.Ein indischer Diener erstattete eine Meldung, und der Minister ludHeideck ein, sogleich mit ihm zum Maharadjah zu fahren. Sie bestiegeneinen mit zwei schnellen turkestanischen Pferden bespannten offenenWagen. Der gelb gekleidete Kutscher, der merkwrdige Aehnlichkeitmit einem geputzten Affen hatte, schnalzte mit der Zunge, und imGalopp ging es durch weit ausgedehnte Parkanlagen zum Schlosse,dessen weie Marmorwnde bald aus dem Grn der Palmen und Tamarindenhervorleuchteten.Heideck mute whrend der kurzen Fahrt an die zahllosen Kriegsstrmedenken, die ber diesen Boden dahingebraust waren, ehe die englischeHerrschaft alle religisen Kmpfe, alle blutigen Aufstnde und alleEinflle fremder Eroberer fr immer unmglich gemacht zu habenschien. Jetzt konnten hier, wo Alexander des Groen sieggewohnteKrieger gekmpft hatten, wo sich Mohammedaner und Hindus, Afghanenund Sonnenanbeter blutige Schlachten geliefert, Werke des Friedensgeschaffen werden, die auf eine Dauer von Jahrhunderten berechnetwaren. Es war ein Triumph der Zivilisation, dessen imponierendemEindruck sich ein Kenner von Indiens geschichtlicher Vergangenheit kaumentziehen konnte.Der Maharadjah von Chanidigot bekannte sich gleich dem grten Teilseiner Untertanen zum Islam, und schon die uere Anlage seinesPalastes lie den mohammedanischen Frsten erkennen. Abseits von demHauptgebude, aber durch eine gedeckte Galerie mit ihm verbunden,lag der kleine Haremsflgel, dessen Inneres hinlnglich vor jedemfremden Blicke geschtzt war. Hier wie dort offenbarte sich in derAusschmckung des Palastes die verschwenderischste Pracht. Und Heideckdachte mitleidig an die armen Untertanen des Maharadjah, derenSklavenarbeit die Mittel fr diesen ppigen Luxus hatte liefern mssen.Der Minister und sein Begleiter wurden nicht in die groe Audienzhallegefhrt, die nur fr besondere feierliche Empfnge bestimmt war,sondern in eine Loggia des ersten Stockwerkes. Die von zierlichenMarmorsulen getragene offene Seite derselben ging nach einem innerenHofe hinaus, der mit seinem tropischen Pflanzenreichtum einen wahrhaftparadiesischen Anblick gewhrte. Eine leise pltschernde Fontne, dieaus dem Marmorbassin in seiner Mitte emporstieg, warf ihren feinenSprhregen bis zu der Loggia hinauf und verbreitete angenehme Khle.Eine gute Weile lie ihn der Minister warten. Dann kehrte er zurckund forderte ihn durch ein stummes Zeichen auf, ihn zum Frsten zubegleiten.Das Gemach, in welchem der Maharadjah sie empfing, war in seinerAusstattung ein sonderbares, fr die Augen eines Europers nichtgerade anmutiges Gemisch von orientalischem Luxus und englischemModegeschmack. Zwischen herrlichen Teppichen und kostbaren Waffen,mit denen die Wnde geschmckt waren, hingen grellbunte Gemlde vonwahrhaft barbarischem Geschmack, wie man sie in Deutschland kaumim Hause eines mig begterten Brgers angetroffen haben wrde.Und hnliche Widersprche zeigten sich mehrfach. Am auffallendstenvielleicht traten sie in der Erscheinung des Frsten selbst zu Tage.Denn dieser hochgewachsene Mann mit dem weichen schwarzen Vollbartund den brennenden Augen, der in seiner malerischen Landestrachtohne Zweifel schn und imponierend ausgesehen htte, machte in demgrauen englischen Anzug und dem roten Turban auf dem Kopfe einenunharmonischen Eindruck.Er sa in einem mit rotem Juchtenleder berzogenen englischenKlubsessel und neigte auf Heidecks tiefe Verbeugung zu leichtemGegengrue den Kopf.Es entging dem deutschen Offizier nicht, da der Maharadjah uerstverdrielich aussah. Und er vermutete, da es der fr den Indigogebotene niedrige Preis sei, der ihn verstimmt htte.Aber schon die ersten Worte des Frsten belehrten ihn eines anderen.Wie ich hre, sagte er in ziemlich mangelhaftem Englisch, sindSie zwar Europer, aber nicht Englnder. Darum hoffe ich, von Ihnendie Wahrheit zu hren. Ich bin gern bereit, Sie fr Ihre Auskunft zubelohnen.Ich pflege auch ohne Belohnung die Wahrheit zu sagen, Hoheit!Der Maharadjah ma ihn mit einem mitrauischen Blick.Ich bin ein treuer Freund Englands, sagte er nach kurzem Zaudern,und ich befinde mich im besten Einvernehmen mit dem Vizeknig. Aberes geschehen jetzt Dinge, fr die mir jede Erklrung fehlt. An diesemMorgen erhielt ich eine Botschaft aus Kalkutta, die mich in Erstaunensetzt. Die indische Regierung beabsichtigt bei Quetta ein Truppenkorpszusammenzuziehen und fordert mich auf, tausend Mann Infanterie undfnfhundert Reiter sowie eine Batterie und zweitausend Kamele dorthinzu senden. Knnen Sie mir sagen, mein Herr, was England veranlat, eineso bedeutende Truppenmacht bei Quetta zusammenzuziehen?Es drfte sich lediglich um eine Vorsichtsmaregel handeln, Hoheit!Vielleicht sind in Afghanistan neuerdings Unruhen ausgebrochen.Unruhen in Afghanistan? Dabei knnte nur Ruland seine Hand im Spielehaben. Wissen Sie vielleicht etwas Bestimmteres?Heideck mute verneinen. Und der Maharadjah, der seine ble Laune nichtverbarg, fing an, in einer etwas unvorsichtigen Weise seinem HerzenLuft zu machen.Ich bin ein treuer Freund der Englnder, aber der Druck, den sie aufuns ausben, wird tglich schwerer. Wenn England einen Krieg fhrenwill, weshalb sollen wir unser Blut und unser Geld dafr hergeben?Wissen wir doch nicht einmal, wie mchtig die Feinde der Englndersind. Sie gehren dieser Nation nicht an, wie mir mein Ministermitteilte. Deshalb knnten Sie mich recht wohl darber unterrichten.Ich bin ja selbst in Europa gewesen. Aber man hat mich nicht berLondon hinaus gelangen lassen, wohin ich gereist war, um die nunmehrverstorbene Knigin zu ihrem Geburtstage zu beglckwnschen. Ich habenichts gesehen als viele Schiffe und eine riesengroe, schmutzigeStadt. Gibt es nicht in Europa starke und mchtige Staaten, die Englandfeindlich gesinnt sind?Derartige Fragen waren fr Heideck unbequem. Er zog deshalb vor, einerbestimmten Antwort auszuweichen.Ich bin seit fast einem Jahre in Indien, erwiderte er, und ichwei von den politischen Ereignissen nur, was die India Times` undandere englische Zeitungen darber berichten. Eine gewisse Rivalittbesteht zwischen den europischen Gromchten selbstverstndlichimmer. Und England ist in den letzten Jahrzehnten so gro geworden,da es naturgem viele Feinde haben mu. Darber aber, wie sich diepolitischen Verhltnisse in diesem Augenblick gestaltet haben mgen,wage ich nicht ein Urteil zu uern.Unmutig schttelte der Maharadjah den Kopf.Machen Sie die Geschfte mit dem Manne nach Ihrem Ermessen ab, wandteer sich kurz an den Minister, whrend zugleich eine verabschiedendeHandbewegung dem jungen Deutschen kund gab, da er entlassen sei.Als Heideck wieder in die Loggia hinaustrat, sah er den KapitnIrwin in Begleitung eines Hofbeamten am Eingange derselbenerscheinen. Der britische Offizier stutzte, als er des vermeintlichenGeschftsreisenden ansichtig wurde. Er streifte ihn mit einemlauernden Blick, und eine fast feindselige Zurckhaltung lag in derArt, wie er den Gru Heidecks erwiderte. Dieser kmmerte sich wenigdarum, langsam schlenderte er durch den weitlufigen Park, auf dessenprachtvollen alten Bumen viele Affen ihr munteres Wesen trieben. DieMitteilung des Maharadjah von dem an ihn ergangenen englischen Befehlin Verbindung mit der Nachricht vom Vormarsch des Generals Iwanowgab ihm viel zu denken. Es konnte danach nicht zweifelhaft sein, dasich in Afghanistan ernste kriegerische Ereignisse vorbereiteten odervielleicht schon im vollen Gange waren. Quetta in Beludschistan,unmittelbar an der afghanischen Grenze gelegen, war das Ausfallstorgegen Kandahar. Und wenn England die Hilfe indischer Frsten inAnspruch nahm, mute es die Situation als kritisch erkannt haben. Nochwar ja der Krieg nicht erklrt, aber Heidecks Mission konnte unterdiesen Umstnden pltzlich eine ganz besondere Bedeutung gewinnen,und es war jedenfalls unmglich, in diesem Augenblick bestimmteEntschlsse fr die nchste Zukunft zu fassen.Der Spaziergang nach seinem in unmittelbarer Nhe des englischen Campgelegenen Bungalo mochte etwa eine Stunde in Anspruch genommen haben,Zeit genug, einen gesunden Appetit wach zu rufen. Es war ihm deshalbdurchaus nicht unangenehm, da er seinen russischen Kameraden an einemschattigen Platze vor der Tr des Gasthauses beim Frhstck sitzen sah,und mit einem herzlich erwiderten Gru nahm er ohne viel Umstnde andem Tische Platz. Frst Tschadschawadse sah recht bla aus und hieltsich lediglich an Sodawasser, das er gegen allen Landesbrauch sogarohne jede Beimischung von Whisky trank. Die appetitlich duftendengebackenen Eier mit Schinken standen unberhrt vor ihm, und er lchelteetwas wehmtig, als er sah, wie gut der andere sie sich auf seineEinladung munden lie.Sie hatten erst ein paar gleichgiltige Worte gewechselt, als zweiindische Mdchen auftauchten, die ihnen allerlei Tand zum Kauf anboten.Die jngere, deren nackter Oberkrper wie Bronze glnzte, war vongroer Schnheit. Selbst die Bemalung ihres Gesichts vermochte dienatrliche Anmut der feinen Zge nicht zu zerstren. Aber so hbsch siewar, so kokett war sie auch. Und sie hatte es offenbar auf den Russenabgesehen. Hinter seinen Stuhl tretend, hielt sie ihm ihre glitzerndenNichtigkeiten vor das Gesicht. Und ihr Benehmen wurde dabei immervertraulicher. Zuletzt streifte sie ein goldglnzendes Armband berdas zierliche, braune Handgelenk und neigte sich, damit er es besserbetrachten knne, so weit ber seine Schulter, da ihre lebenswarme,junge Brust seine Wange streifte.Frst Tschadschawadse war von zu heibltigem Temperament, um solcherVersuchung lange zu widerstehen. In seinen Augen leuchtete es auf, undmit einer raschen Bewegung drehte er sich nach dem Mdchen um, ihrenbiegsamen Leib mit seinem Arme umschlingend.Zu weiteren Zrtlichkeiten aber kam es nicht, denn das kleineAbenteuer, das Heideck unangenehm berhrte, erfuhr eine jheUnterbrechung.Ohne von den am Tische Sitzenden bemerkt zu werden, war der schne,blonde Page des Frsten aus der Tr des Bungalo getreten, einen Tellermit Bananen und Mangos in der Hand. Ein paar Sekunden lang hatte er mitfunkelnden Augen den Vorgang betrachtet. Dann aber war er mit einigenlautlosen Schritten herangeglitten und warf nun, ohne ein Wort zusprechen, den Teller mit den Frchten so geschickt und krftig nach derbronzefarbigen Verfhrerin, da das Mdchen mit einem lauten Aufschreinach der getroffenen Schulter griff, whrend das Geschirr zerbrochen amBoden klirrte.In der nchsten Minute schon war sie mit ihrer Begleiterin in eiligerFlucht verschwunden. Das Gesicht des Frsten aber war rot vor Zorn, under griff aufspringend nach der neben ihm liegenden Reitpeitsche.Schon machte sich Heideck bereit, das verkleidete Mdchen vor einemhnlichen Strafgericht zu bewahren, wie sein neuer Freund es gesternan seinem indischen Boy vollzogen hatte. Aber er sah, da es seinerIntervention hier nicht bedurfte.Hochaufgerichtet und mit einem beinahe verchtlichen Zucken der schnenLippen war der junge Page dicht vor den Frsten hingetreten. Einhalblautes, zischendes Wort, dessen Sinn Heideck nicht verstand, muteden Zorn des Russen pltzlich beschwichtigt haben. Denn er lie denschon zum Schlage erhobenen Arm sinken und warf die Peitsche auf denTisch.Geh und hole uns einen anderen Nachtisch, Georgij! sagte er sogleichmtig, als wre gar nichts geschehen. Es ist eine wahre Plage,da man vor diesem indischen Gesindel nicht eine Stunde lang Ruhe hat.Ueber das Gesicht der Cirkassierin huschte es wie ein triumphierendesLcheln. Sie warf einen freundlichen Blick auf Heideck und wandtesich schweigend dem Bungalo zu. Voll Bewunderung und nicht ohne eineleise Regung des Neides gegen den glcklichen Besitzer von sovielberckender weiblicher Schnheit sah ihr Heideck nach, wie sie anmutig,sich leicht in den Hften wiegend, dahin ging. Er hatte schon eineBemerkung auf den Lippen, die dem Frsten verraten sollte, da erhinter das allerdings sehr durchsichtige Geheimnis seiner maskiertenReisebegleiterin gekommen sei. Aber er wurde durch einen neuenZwischenfall daran gehindert.Ein englischer Soldat im Ordonnanzanzuge trat an den Tisch undberreichte Heideck, der ihm dem Ansehen nach bekannt sein mute, mitmilitrischem Grue ein Billet.Von dem Herrn Obersten, sagte er. Und ich soll melden, da es sehrdringlich sei.Mit Verwunderung griff Heideck nach dem Brief. Er enthielt in zwarhflicher, doch immerhin ziemlich bestimmter Form die Bitte um einenmglichst baldigen Besuch des Herrn Hermann Heideck. Das bedeutete beider Machtstellung, die Oberst Baird hier in Chanidigot inne hatte,einen Befehl, dem er ohne Zgern und Widerspruch gehorchen mute.Baird war der Hchstkommandierende des hier stationierten Detachements,das aus einem Infanterieregiment von etwa sechshundert Mann, einemzweihundertvierzig Pferde starken Ulanenregiment und einer Feldbatteriebestand. Wie in allen anderen Residenzen der groen indischen Frsten,hatte die britische Regierung auch in Chanidigot eine Streitmachtstationiert, die stark genug war, um den Maharadjah in Respekt zuhalten und alle Rebellionsgelste im Keime zu ersticken. Da OberstBaird zugleich den Posten eines Residenten am Hofe des Frstenbekleidete und somit alle diplomatische und militrische Gewalt inseiner Hand vereinigte, war er als der eigentliche Herr und Gebieter inChanidigot anzusehen.Sein Bungalo lag inmitten des auf einer weiten, grnen Ebeneaufgeschlagenen Lagers. Es war eine Gruppe von Gebuden, die einen mitPflanzen und einem pltschernden Brunnen geschmckten viereckigen Hofumschlossen.Wie es schien, hatte er Befehl gegeben, Heideck sofort vorzulassen.Denn der Adjutant, bei dem sich Heideck gemeldet hatte, fhrte ihn ohneweiteres in das Arbeitszimmer seines Vorgesetzten.Hflich, doch mit einer Gemessenheit, die sich merklich von seinembisherigen Benehmen gegen den beliebten Gast des Offizierkorpsunterschied, dankte ihm der stattliche, martialisch aussehende Mann frsein rasches Erscheinen.Bitte nehmen Sie Platz, Mr. Heideck, fgte er hinzu, ich habe michungern entschlossen, Sie zu bemhen, aber ich konnte es Ihnen nichtersparen. Es ist mir gemeldet worden, da Sie heute Morgen bei demMaharadjah waren.Allerdings. Ich hatte in Geschften mit ihm zu reden. Denn ich steheim Begriff, fr mein Hamburger Haus einen groen Posten Indigo von ihmzu kaufen.In Ihre Geschfte habe ich mich selbstverstndlich nicht einzumischen.Aber ich mu Ihnen sagen, da wir einen direkten Verkehr von Europernmit den eingeborenen Frsten nicht gern sehen. Sie werden deshalb guttun, mir in knftigen Fllen vorher Mitteilung davon zu machen, wennSie zu dem Maharadjah berufen werden, damit wir uns ber das, was Sieihm sagen oder nicht sagen drfen, verstndigen knnen. Wir drfenleider nicht allen indischen Frsten trauen, und dieser hier istvielleicht einer der unzuverlssigsten unter ihnen. Sie drfen das, wasich Ihnen da sage, nicht als einen Ausdruck des Mitrauens gegen Sieansehen. Die Verantwortlichkeit meiner Stellung aber gebietet mir dieallergrte Vorsicht.Ich begreife das vollkommen, Herr Oberst!Gerade in diesem Augenblick scheint sich die Lage besonders schwierigzu gestalten. Ich mte mich sehr tuschen, wenn wir nicht rechtunruhigen Zeiten entgegen gingen. Der Generalgouverneur von Turkestanist auf dem Marsche, und seine Avantgarde ist bereits ber die Grenzevon Afghanistan vorgedrungen.Heideck hatte Mhe, die Erregung zu verbergen, in welche dieseBesttigung der Mitteilung Tschadschawadses ihn versetzte.Ist das gewi, Herr Oberst? Was wollen die Russen in Afghanistan?Was sie da wollen? Nun, mein lieber Mr. Heideck, ich denke, das istziemlich klar. Ihr Vorgehen bedeutet den Krieg gegen uns. Ruland willdas natrlich vorlufig noch nicht offen zugeben. Man behandelt denVormarsch als eine Angelegenheit, die nur den Emir anginge und um diewir uns nicht zu kmmern htten. Aber man mte sehr befangen sein, umdie wahre Absicht nicht zu durchschauen.Und darf ich fragen, was der Herr Oberst zu tun gedenkt?Oberst Baird mute den jungen Deutschen in der Tat fr eine sehrvertrauenswrdige oder fr eine sehr ungefhrliche Persnlichkeithalten, da er ihm bereitwillig Antwort gab.Die russische Avantgarde hat den Amu darja berschritten und ziehtdas Murgabtal herauf nach Herat. Danach werden wir unsere Maregelntreffen. Die Moskowiter sollen sich in uns getuscht haben. So geduldigund langmtig sind wir doch nicht, da wir unsere lieben Nachbarneinfach in offene Tore einziehen lassen. Ich denke, es wird bei denrussischen Generalen einige lange Gesichter geben, wenn sie sich inAfghanistan pltzlich unseren Bataillonen, unseren Sikhs und Gurkhas,gegenber sehen.Der Adjutant erschien mit einer offenbar sehr wichtigen Meldung, undda Heideck wahrnahm, da der Oberst mit seinem Ordonnanzoffizierunter vier Augen zu sprechen wnsche, hielt er es fr ein Gebot derHflichkeit, sich zu empfehlen.Die Worte des Obersten: Das Vorgehen der Russen in Afghanistanbedeutet den Krieg`, klangen ihm unablssig in den Ohren wieder. Erpries in seinem Herzen den glcklichen Zufall, der ihn zur rechtenZeit auf den Schauplatz groer weltgeschichtlicher Ereignisse gefhrthatte. Und alle seine Gedanken waren einzig darauf gerichtet, wie er esanfangen knne, beim Ausbruch der Feindseligkeiten als Zuschauer undBeobachter zugegen zu sein.Da sein russischer Freund von demselben Wunsche erfllt sein wrde,durfte er um so eher voraussetzen, als Frst Tschadschawadse ja einerder beiden unmittelbar beteiligten Nationen angehrte. Er beeilte sichdeshalb, ihn von dem Inhalt seiner Unterredung mit dem Obersten Bairdin Kenntnis zu setzen. Und die Wirkung seiner Mitteilungen auf denFrsten war ganz so, wie er es erwartet hatte.Also wirklich! Die Avantgarde ist schon ber den Amu darja! Und eswird also an der rechten Stelle der Krieg ausbrechen! rief der Russein hellem Jubel aus. In unserer Armee herrschte die Befrchtung,da der Zar sich vielleicht niemals zu dem Entschlusse aufraffenwrde, einen Krieg zu fhren. Es mssen mchtige und unwiderstehlicheEinflsse gewesen sein, die zuletzt doch ber seine Friedensliebegesiegt haben.Sie wollen natrlich so schnell als mglich zur Armee? fragteHeideck. Und da der Frst bejahte, fgte er hinzu:Ich wrde Ihnen dankbar sein, wenn Sie mir erlauben wollten, michIhnen anzuschlieen. Wie aber kommen wir ber die Grenze? Hoffentlichlt man uns als unverdchtige Kaufleute unbehelligt passieren.Das ist nicht so ganz sicher. Wahrscheinlich werden wir nicht soleicht aus Indien hinauskommen, wie wir hereingekommen sind. Immerhinaber mssen wir's versuchen. Wir knnen mit der Bahn in zwlf Stundenin Peschawar und in fnfzehn in Quetta sein. Beide Bahnlinien drftenaugenblicklich noch nicht durch Truppensendungen beansprucht sein.Aber wir werden gut tun, unsern Aufbruch zu beschleunigen. Vermutlichwrden wir sowohl von Peschawar wie von Quetta aus bald auf russischeTruppen stoen. Denn ich zweifle nicht, da auch gegen Kabul hin einrussisches Korps im Vormarsch ist, obwohl der Oberst, wie Sie sagen,nur von einer Avantgarde sprach, die auf Herat marschiere.Ich wrde vorschlagen, ber Peschawar und durch den Kaiberpa zugehen, weil wir so am schnellsten und sichersten nach Kabul gelangen.Wir werden das nachher noch des nheren besprechen, Herr Kamerad!Jedenfalls ist es ausgemacht, da wir zusammen bleiben. Hoffe ich doch,da auch auf der groen Weltbhne in diesem Augenblick Ihre NationSchulter an Schulter mit der meinigen gegen England steht.[Illustration]V.Als verheirateter Offizier bewohnte Kapitn Irwin nicht eine derhlzernen Baracken im englischen Camp, sondern ein Bungalo in derVorstadt.Es war ein einstckiges, von einem groen, gut gehaltenen Gartenumgebenes Haus mit breiten Veranden, das frher einem hohen Hofbeamtendes Maharadjah als Wohnung gedient hatte. Abseits lagen zwei kleinere,fr die Dienerschaft bestimmte Gebude, von denen gegenwrtig nur einesbenutzt wurde.Die Sonne desselben Tages, der ihm so wichtige und fr die Gestaltungseiner nchsten Zukunft entscheidende Entschlsse nahe gelegt hatte,neigte sich bereits dem Untergange zu, als Hermann Heideck dieKaktushecke und das Bambusgebsch des zum Irwinschen Bungalo gehrendenGartens durchschritt.Er war in einen Gesellschaftsanzug aus leichtestem schwarzen Tuchgekleidet, wie es englische Sitte fr einen um die abendliche Dinerzeitabgestatteten Besuch unter jenem Himmelsstrich vorschreibt.Er kam heute nicht aus eigenem Antrieb, und der Morgengru Irwinshatte nichts Einladendes gehabt. Ein Billet von Mrs. Irwin hatteihn zu seiner Ueberraschung um sein Erscheinen zu dieser Stundegebeten. Er hatte der Fassung des Briefes entnommen, da es sich umetwas Dringliches handeln msse, und es lag nicht fern, zu vermuten,da die unglckliche Pokerpartie des Kapitns die Ursache wre. WasMrs. Edith veranlat haben konnte, sich gerade an ihn zu wenden, warihm allerdings vorlufig ein Rtsel. Denn seine Beziehungen zu derschnen jungen Frau hatten bis zu diesem Augenblick ganz und gar nichtsVertrauliches gehabt. Er war ihr einigemal in grerer Gesellschaft,beim Polospiel der Offiziere und hnlichen Anlssen begegnet. Und wenner, durch ihre Anmut und ihren Geist gefesselt, sich der Gattin desKapitns vielleicht auch lebhafter gewidmet hatte, als irgend einerder anderen anwesenden Damen, so hatte sich ihr Verkehr doch durchausin den konventionellen Grenzen bewegt. Und niemals wrde es ihmeingefallen sein, sich einer besonderen Bevorzugung durch Mrs. Irwin zurhmen.Die zierliche indische Zofe der Hausfrau empfing den Besucherund fhrte ihn zu der Veranda. Mrs. Irwin, die in einem Kleidevon roher Seide auf einem Schaukelstuhl gesessen hatte, ging ihmeinige Schritte entgegen. Aufs neue fhlte sich Heideck entzcktdurch den Liebreiz ihrer Erscheinung. Sie war eine echt englischeSchnheit von hoher, wundervoll ebenmiger Gestalt, feinen Zgen undjener weien, durchsichtigen Haut, die den Tchtern Albions einenihrer eigenartigsten Reize verleiht. Reiches, dunkelblondes Haarschmiegte sich in dichten, natrlichen Wellen um die breite Stirn,und ihre blauen Augen hatten den klaren, ruhigen Blick einer ebensointelligenten wie willensstarken Persnlichkeit.In diesem Moment allerdings schien die junge Frau, die Heideck bishernur als die gelassene und beherrschte Dame der groen Welt kennengelernt hatte, sich in einer Erregung zu befinden, die sie nurunvollkommen zu verbergen vermochte. Etwas eigentmlich Befangenes warin der Art, wie sie den Besucher begrte.Ich danke Ihnen fr Ihr Erscheinen, Mr. Heideck! Meine Einladung wirdSie befremdet haben, aber ich wute mir nicht anders zu helfen. Bitte,lassen Sie uns in das Parlour gehen, es wird hier drauen empfindlichkhl.Von solcher Khle konnte Heideck zwar noch nichts bemerken, aber erglaubte zu verstehen, da es nur die Furcht vor einem Lauscher sei,die den Wunsch der jungen Frau bestimmte. In der Tat schlo sie hinterihm die Glastr und lud ihn ein, ihr gegenber auf einem der breitenRohrsthle Platz zu nehmen.Kapitn Irwin ist nicht anwesend, erffnete sie, noch immerersichtlich mit einer starken Verlegenheit kmpfend, das Gesprch. Erist fortgeritten, um seine Schwadron zu inspizieren und wird, wie ermir sagte, nicht vor Tagesanbruch zurckkehren.Heideck begriff nicht recht, weshalb sie ihm diese Mitteilung machte.Wre er ein von seiner Unwiderstehlichkeit berzeugter Frauenjgergewesen, so wrde er darin vielleicht eine sehr durchsichtigeErmutigung erblickt haben. Aber er war weit entfernt, Ediths Worteneine derartige Deutung zu geben. Die Verehrung, die er dieser schnenFrau seit dem ersten Augenblick ihrer Bekanntschaft entgegengebrachthatte, schtzte sie hinlnglich vor jedem unlauteren Verdacht. Wenn sieihn zu einer Zeit hierher beschieden hatte, wo sie sicher sein konnte,da ihr Gesprch nicht durch das Erscheinen ihres Gatten gestrt werdenkonnte, so hatte sie dafr sicherlich andere Grnde gehabt, als denWunsch nach einem Abenteuer.Und wie er sie da vor sich sitzen sah, mit einem Zug herben Kummers,regte sich in seinem Herzen kein anderes Verlangen als der lautereWunsch, diesem ohne Zweifel tief unglcklichen Wesen irgend einenritterlichen Dienst erweisen zu drfen.Aber er hatte nicht den Mut, ihr etwas derartiges zu sagen, bevor sieihm nicht in unzweideutiger Weise ein Recht dazu gegeben htte. Darumwartete er schweigend auf das, was sie ihm weiter mitzuteilen wnsche.Und es gab eine ziemlich lange, etwas peinliche Pause, bevor Mrs.Irwin, ersichtlich all ihren Mut zusammennehmend, fortfuhr:Sie waren ein Zeuge des Auftritts, der sich gestern abend in derOffiziersmesse zwischen meinem Mann und dem Kapitn Mc. Gregorabgespielt hat. Wenn ich recht unterrichtet bin, habe ich es sogarlediglich Ihnen zu verdanken, da mein Mann nicht in der erstenErregung Hand an sich gelegt hat.Bescheiden wehrte Heideck ab.Ich habe durchaus nichts getan, was mir einen Anspruch auf IhreDankbarkeit gbe, Mrs. Irwin, und ich glaube auch nicht, da Ihr Gattesich wirklich zu einer solchen unsinnigen Verzweiflungstat httehinreien lassen. Im entscheidenden Augenblick wrde der Gedanke an Sieihn sicherlich vor dem Aeuersten bewahrt haben.Er war berrascht von dem Ausdruck der Verachtung, den das schneGesicht der jungen Frau bei seinen letzten Worten angenommen hatte, undvon dem harten Klang ihrer Stimme, da sie erwiderte:Der Gedanke an mich? Ah, wie wenig Sie meinen Mann kennen! Er istnicht gewhnt, um meinetwillen irgend welche Opfer zu bringen. Undvielleicht wre sein freiwilliger Tod nicht einmal das Schlimmste, waser mir htte antun knnen.Sie sah wohl die Bestrzung in seinen Zgen, und deshalb fgte sierasch hinzu:Sie werden mich gewi fr das herzloseste Geschpf halten, weil ich sozu einem Fremden sprechen kann. Aber gilt nicht auch in Ihrem Lande derVerlust der Ehre fr schlimmer als der Tod?Unter gewissen Umstnden -- ja. Aber so tragisch ist die Lage IhresGatten hoffentlich nicht zu nehmen. Nach dem Eindruck, den ich bishervon der Persnlichkeit des Kapitns Mc. Gregor empfangen habe, ister nicht der Mann, der Mr. Irwin um einer leichtsinnig eingegangenenSpielschuld willen zum Aeuersten treiben wird.O nein, Sie beurteilen diesen Ehrenmann vollkommen richtig. Er wrdeam liebsten ganz auf die Zahlung verzichten. Und in der Absicht, einderartiges Arrangement herbeizufhren, war er heute nachmittag hier.Aber der trichte Stolz, die malose Eitelkeit Irwins machten alleseine guten Absichten zu schanden. Das Ergebnis von Mc. Gregors gutgemeinten Bemhungen war einzig eine heftige Szene, durch die die Sachenur noch mehr verschlimmert wurde. Mein Mann ist entschlossen, seineSchuld um jeden Preis zu bezahlen.Und -- verzeihen Sie die indiskrete Frage -- ist er dazu imstande?Wenn er sich meines Vermgens bedient -- gewi! Und ich habe es ihmohne weiteres zur Verfgung gestellt. Ich habe ihm gesagt, da er allesbis auf den letzten Penny nehmen mge, wenn dieses Opfer ausreichendsei, mich fr immer von ihm zu befreien.Heideck wute kaum, ob er seinen Ohren trauen drfe. Auf nichts inder Welt war er weniger vorbereitet gewesen, als darauf, solcheGestndnisse zu empfangen. Er fing an, irre zu werden an dieser Frau,die ihm bisher der Inbegriff aller weiblichen Vollkommenheit gewesenwar. Und er suchte nach einer Gelegenheit, weiteren Enthllungenvorzubeugen, die sie seiner Ueberzeugung nach schon in der nchstenStunde bereut haben wrde.Niemand kann von Ihnen verlangen, Mrs. Irwin, da Sie fr einestrfliche Leichtfertigkeit, fr eine vielleicht im halben Rauschbegangene Uebereilung Ihres Gatten ein so ungeheures Opfer bringen.Aber da Sie mich einmal der Ehre gewrdigt haben, mit mir ber dieseDinge zu sprechen, so ist es vielleicht nicht unbescheiden, wenn ichIhnen sage, da es meiner Ansicht nach das richtigste wre, IhrenMann die Folgen seiner Handlungsweise tragen zu lassen. Sie brauchenwohl kaum zu frchten, da dies