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Grundzüge des Insolvenzverfahrens
Gläubiger, vornehmlich solche, die regel-
mäßig am Wirtschaftsleben teilnehmen,
kennen ihre Rechte üblicherweise sehr gut.
Sie setzen säumige Zahler in Verzug, be-
rechnen Verzugszinsen und außergerichtli-
che Mahnkosten. Wenn dies nicht hilft, er-
heben sie Zahlungsklage und betreiben
nach erfolgreichem Prozess die Zwangs-
vollstreckung. Hier setzt oftmals ein regel-
rechter „Wettlauf der Gläubiger“ ein. Nur
der Schnellste darf darauf hoffen, etwas zu
bekommen. Den Langsamen hingegen
„beißen die Hunde“, er geht leer aus.
Was viele nicht wissen: Bei einer Insol-
venz wird diese zwangsläufige Abfolge
durchbrochen. Klageverfahren gegen
den Schuldner sind nach Insolvenzeröff-
nung nicht mehr möglich. Bei Zwangs-
vollstreckungen gilt dies sogar schon für
einen vorhergehenden Zeitraum. So wer-
den Vollstreckungen (rückwirkend) für ei-
nen Zeitraum bis zu drei Monaten vor
dem Insolvenzantrag (welcher wiederum
in der Regel einige Monate vor der Insol-
venzeröffnung liegt) unwirksam. Dies hat
seinen Grund darin, dass anstelle des
„Wettlaufs der Gläubiger“ im Insolvenz-
verfahren grundsätzlich eine Gleichbe-
handlung der Gläubiger erfolgt.
Auswirkungen des Insolvenzverfah-
rens auf das Mietverhältnis
Entgegen der landläufig bestehenden
Auffassung wird das Mietverhältnis mit
dem Mieter nicht automatisch beendet,
wenn über dessen Vermögen das Insol-
venzverfahren eröffnet wird. Mehr noch:
Die Insolvenz des Mieters stellt nicht ein-
mal einen Kündigungsgrund dar. Zwar
sehen einige Mietverträge eine Regelung
vor, wonach bei der Eröffnung des Insol-
venzverfahrens der Vermieter berechtigt
sein soll, das Mietverhältnis außeror-
dentlich zu kündigen. Eine solche Rege-
lung ist allerdings nach geltendem Insol-
venzrecht unwirksam. Die sogenannte
Kündigungssperre verhindert, dass der
Vermieter nach Eröffnung des Insolvenz-
verfahrens wegen solcher Mietrückstän-
de kündigt, die in der Zeit vor dem Insol-
venzeröffnungsantrag entstanden sind.
Die Kündigungssperre gilt auch dann,
Der Mieter in der InsolvenzWas tun als Vermieter, wenn der Mieter insolvent ist?
1
Vor zehn Jahren, nämlich zum 01.01.1999, wurde in Deutschland das Verbraucherinsol-venzverfahren eingeführt: Verschuldete Privatpersonen haben so die Möglichkeit, nach einer Spanne von sechs – sieben Jahren wieder schuldenfrei zu werden. Zuletzt haben sich die jährlichen Neuverfahren bei etwa 100.000 eingependelt. Angesichts der aktuel-len Finanz- und Wirtschaftskrise dürfte diese Anzahl auch im laufenden Jahr 2009 er-reicht oder gar überschritten werden. Viele dieser Insolvenzschuldner sind auch Mieter. Mag. rer. publ. Carsten Sessler von der Depré RECHTSANWALTS AG gibt in diesem Bei-trag Vermietern einen Überblick über die Konsequenzen, welche sich aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihren Mieter ergeben, und zeigt auf, was Sie im Vorfeld so-wie während des Verfahrens tun können.
Business & Law Rhein-Neckar 2009
Klageverfahren gegen den Schuldner sind nach Insolvenz-eröffnung nicht mehr möglich.
B & L TitelthemaKrisenmanagement
Mag. rer. publ. Carsten
Sessler ist Fachanwalt
für Miet- und Woh-
nungseigentumsrecht
sowie Arbeitsrecht bei
der Depré RECHTSAN-
WALTS AG. Ein weiterer
Schwerpunktbereich ist
die Zwangsverwaltung.
wenn der Mietrückstand, welcher vor der
Insolvenzeröffnung aufgelaufen ist, sehr
hoch ist. Der Vermieter muss es also se-
henden Auges hinnehmen, dass der Miet-
rückstand nach Eröffnung des Insolvenz-
verfahrens weiter anwächst. Erst wenn
nach Insolvenzeröffnung ein weiterer er-
heblicher Mietrückstand aufgelaufen ist,
kann der Vermieter kündigen.
Frühzeitig kündigen!
Um die vorgenannte Konsequenz zu ver-
meiden, ist dem Vermieter anzuraten, das
Mietverhältnis beim Ausbleiben von Miet-
zahlungen so früh wie möglich zu kündi-
gen. Eine vor dem Insolvenzantrag be-
gründete Kündigung bleibt nämlich auch
nach Insolvenzeröffnung wirksam. Die
Voraussetzungen für eine außerordentli-
che und fristlose Kündigung liegen immer
dann vor, wenn sich der Mieter mit (min-
destens) zwei Monatsmieten im Rück-
stand befindet. Resultiert der Mietrück-
stand aus zwei aufeinander folgenden
Monaten, ist eine fristlose Kündigung so-
gar schon früher möglich, nämlich dann,
wenn der Mietrückstand eine Monatsmie-
te plus einen Cent beträgt. In diesem Falle
muss der Mietrückstand daher nicht zwei
volle Monatsmieten betragen.
Ansprüche des Vermieters in der
Insolvenz
Wie viel die offenen Forderungen des Ver-
mieters wert sind, richtet sich danach, ob
diese aus der Zeit vor oder nach Insol-
venzeröffnung stammen. Forderungen
aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung sind
– von seltenen Ausnahmefällen abgese-
hen – praktisch wertlos. Hierzu zählen
sämtliche Mietrückstände, die vor Insol-
venzeröffnung fällig geworden sind, so-
wie Nachforderungen aus Betriebskos-
tenabrechnungen, welche vor Insolvenz-
eröffnung gegenüber dem Mieter abge-
rechnet worden sind.
Diese Forderungen nennt man Insolvenzfor-
derungen. Der Vermieter hat sie – ebenso
wie die anderen Gläubiger – gegenüber dem
Insolvenzverwalter anzumelden, und dieser
entscheidet dann, ob sie berechtigt sind
oder nicht – er „stellt die Forderung fest“.
Hat der Mieter während des Insolvenz-
verfahrens ein Einkommen, das über der
Pfändungsfreigrenze liegt, wird dieser
Einkommensteil gleichmäßig unter den-
jenigen Gläubigern verteilt, deren Forde-
rungen festgestellt worden sind. In der
Praxis handelt es sich hier meistens um
sehr geringe Beträge, die deshalb auch
nur einmal im Jahr ausgezahlt werden.
In den – ebenfalls sehr häufigen – Fällen,
in denen der Schuldner über kein pfän-
dungsfreies Einkommen verfügt, gehen
die Gläubiger sogar gänzlich leer aus.
Miete für die Zeit nach der Insolvenz-
eröffnung muss vom Insolvenzverwalter
grundsätzlich in voller Höhe „aus der Insol-
venzmasse“, also aus dem bei Insolvenz-
eröffnung bestehenden und dem nach der
Eröffnung der Insolvenz angehäuften Ver-
mögen des Schuldners bezahlt werden.
Ein leider sehr häufig auftretender Aus-
nahmefall stellt die sogenannte Masse-
unzulänglichkeit dar. Hierbei zeigt der In-
solvenzverwalter an, dass die Insolvenz-
masse lediglich ausreicht, um die Kosten
des Insolvenzverfahrens zu zahlen. In
2Business & Law Rhein-Neckar 2009
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diesem Fall kann häufig auch die laufen-
de Miete nicht mehr gezahlt werden – der
Vermieter geht dann völlig leer aus.
Sonderkündigungsrecht des Insol-
venzverwalters
Der Insolvenzverwalter kann das Miet-
verhältnis mit einer dreimonatigen Kün-
digungsfrist kündigen. Dies gilt unab-
hängig davon, ob im Mietvertrag eine
längere Kündigungsfrist oder eine länge-
re Mietdauer steht.
Bei der Wohnraummiete besteht die Be-
sonderheit, dass anstelle des Sonderkün-
digungsrechts eine Erklärung des Insol-
venzverwalters möglich ist, wonach An-
sprüche des Vermieters nach Ablauf einer
dreimonatigen Frist nicht im Insolvenzver-
fahren geltend gemacht werden können.
Das Mietverhältnis wird in diesem Fall
nicht mit dem Insolvenzverwalter, son-
dern zwischen dem Vermieter und dem In-
solvenzschuldner (also dem Mieter) fort-
gesetzt. Die Wohnung wird also vom In-
solvenzverfahren getrennt behandelt.
Außerdem kann der Vermieter dann erst
nach Ablauf der Dreimonatsfrist das Miet-
verhältnis gegenüber dem Mieter kündi-
gen. Er verliert daher weitere wertvolle Zeit
und muss in dieser Zeit hinnehmen, dass
der Mietrückstand weiter anwächst. Zwar
steht dem Vermieter gegen den Insolvenz-
verwalter ein Schadenersatzanspruch zu,
wenn dieser von seinem Sonderkündi-
gungsrecht (bzw. im Falle der Wohnraum-
miete von seinem Erklärungsrecht) Ge-
brauch macht. Dieser Schadenersatzan-
spruch ist jedoch eine bloße Insolvenzfor-
derung, welche im Regelfall wertlos ist.
Vermieterpfandrecht
Hat der Vermieter ein Vermieterpfandrecht
und übt er dieses aus, darf der Insolvenz-
verwalter die betroffenen Gegenstände
„absondern“. Das bedeutet, dass diese
gesondert verwertet werden, was eine
Besserstellung des Vermieters gegenüber
den übrigen Insolvenzgläubigern darstellt.
Voraussetzung des Vermieterpfand-
rechts ist, dass die Sache im Eigentum
des Mieters steht und vor dessen finan-
zieller Krise in die Mieträume einge-
bracht wurde. Die Sache darf nicht un-
pfändbar sein und nicht zum gewöhnli-
chen Hausrat des Mieters gehören. Häu-
fig sind diese Voraussetzungen bei insol-
venten Mietern nicht erfüllt.
Wenn dies doch der Fall ist, umfasst das Ver-
mieterpfandrecht maximal die Rückstände
bis zwölf Monate vor der Insolvenzeröff-
nung. Von dem Verwertungserlös werden
an die Insolvenzmasse 4 % Feststellungser-
lös, 5 % Verwertungspauschale sowie die
Umsatzsteuer abgeführt. Der restliche Ver-
wertungserlös steht dem Vermieter zu.
Fazit
Insgesamt betrachtet stehen die Chan-
cen für Vermieter schlecht, alle Forderun-
gen in der Insolvenz des Mieters geltend
machen zu können. Der Vermieter tut da-
her gut daran, frühzeitig zu handeln und
das Mietverhältnis umgehend zu kündi-
gen, sobald die oben angesprochenen
Voraussetzungen hierfür vorliegen.
Mag. rer. publ. Carsten Sessler/
Depré RECHTSANWALTS AG
Bei „Masseunzulänglichkeit“ geht der Vermieter häufig völlig leer aus.