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MANAGEMENT: I NTERVIEW WZL-Direktor Prof. Robert Schmitt über Sinn und Wirkung von Emotionaler Produktgestaltung "Der Kunde bezahlt nur für Werte, die er auch wahrnimmt" Wo die technischen Merk- male von Produkten immer ähnlicher werden, bietet die emotionale Produkt- gestaltung eine Chance, sich vom Wettbewerb abzu- grenzen, sagt Prof. Robert Schmitt. Er gehört den Di- rektorien des Werkzeug- maschinenlabors WZL der RWTH Aachen und des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie OPT) in Aachen an. HAuch bei Investitionsgütern beeinflussen emotionale Aspekte Kaufentscheidungen ganz wesentlich." 22 Industrieanzeiger Nr . 22 / 2011 » Herr Prof. Schmitt, was verstehen Sie un - ter Emotionaler Produktgestaltung? Bei der Emotionalen Produktgestaltung geht es darum, den Kunden über verschie- dene Kanäle anzusprechen, um ihm den Wert des Produkts zu vermitteln. Früher definierte sich dieser Wert über die Funk- tionalität. Heute gleichen sich die Funktio- nalitäten immer mehr an, so dass der Wert des Produkts nicht mehr ohne weiteres er- sichtlich ist. Die Theorie, dass Mensohen rein rational entscheiden, hat sich über- holt. Wir reagieren irrational, lassen uns von Gefühlen leiten. Das Ziel muss es des- halb sein, über emotional wahrnehmbare Eigenschaften den Wert eines Produkts zu vermitteln. Nur wenn das gelingt, wird ein Interessent bereit sein, den Preis eines hochwertigen Produkts zu bezahlen. Emo- tionale Produktgestaltung erhöht aber auch die Wiedererkennbarkeit der Produk- te eines Herstellers. Sie erlaubt damit die Differenzierung vom Wettbewerb und stei- gert die Kundenbindung. » Im Konsumerbereich ist das einsichtig, aber gilt es auch bei Investitionsgütern? Dass dieses Prinzip bei Konsumgütern - Autos beispielsweise, Handys oder ande- ren elektronischen Geräten - eine Grund- voraussetzung für den Erfolg ist, haben die führenden Anbieter längst verinner- licht. Das Gleiche gilt auch bei Investiti- onsgütern, etwa einer Werkzellgmaschine. Auch sie müssen vermitteln, dass sie die in sie gesetzten Erwartungen sicher und zuverlässig erfüllen. Viele Einkäufer be- haupten zwar, rein rational zu entschei- den, in der Praxis spielen aber auch bei ihnen Emotionen eine wichtige Rolle. » Wie funktioniert Emotionale Produkt- gestaltung? Über methodische Baukästen lässt sie sich strukturieren. Es geht nicht nur um Design, sondern um eine Dimension der Produktgestaltung, die bereits im Ent- wurfsprozess einfließen muss. Und zwar überall dort, wo es zu einer Interaktion zwischen Nutzer und Produkt kommt, wo er das Produkt sieht, fühlt oder riecht. Dort lohnt es sich, intensiv über die Ge- staltung nachzudenken. Aus rein tech- nischen Merkmalen ist die Qualität für die meisten Kunden nicht mehr abzuleiten. Deshalb sind die anderen Kanäle, die Ge- fühle ansprechen, so wichtig. Das geht auch Hand in Hand mit der Ergonomie. Bei einer Werkzeugmaschine ist damit aller- dings nicht nur die Bedienung gemeint. Sie ist Teil einer ganzen Anlage und in die- sem Zusammenhang müssen beispiels- weise auch der Materialfluss und die Wertschöpfung transparent sein. » Was sind die Voraussetzungen, dass diese emotionale Übeaeugungsarbeit gelingt? Zunächst muss man verstehen, wie Men- schen funktionieren, wie sie Dinge erle- ben. Dann gilt es, ein Vokabular zu schaf· fen, um bestimmte Merkmale zu beschrei- ben, und schließlich dieses VokabLilar in technische Merkmale zu übersetzen. Ein Beispiel: Der Schalter einer Waschmaschi- ne soll ein Gefühl von Wertigkeit, Lang- lebigkeit und Solidität vermitteln. Ein we- sentliches Merkmal dabei ist der Druck· kraftverlauf bei der Betätigung. Die tech- nische Übersetzung, nämlich die Feder- oder die Schnappkraft, lässt sich dann mit einer physikalischen Größe beschreiben, der Federsteifigkeit. Emotionale Produkt- gestaltung ist ein mehrstufiges Verfahren, das dazu dient, Dinge auf einer abstrakten Ebene vergleichbar zu machen und daraus Gestaltungsrichtlinien abzuleiten. Dabei gilt es, sowohl subjektive Beobachtungen in objektive technische Größen umzuset· zen als auch vorhandene Daten, etwa Werkstoffeigenschaften, zu subjektivieren und damit Emotionen zu transportieren. » Was sind die wesentlichen Fehler bei der Emotionalen ProdUktgestaltung?

Der Kunde bezahlt nur für Werte, die er auch wahrnimmt€¦ · Gut gemeint, aber schlecht gelöst war das . Armaturenbrett eines Fahrzeugs der ,Kom paktklasse, das in der Herstellung

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Page 1: Der Kunde bezahlt nur für Werte, die er auch wahrnimmt€¦ · Gut gemeint, aber schlecht gelöst war das . Armaturenbrett eines Fahrzeugs der ,Kom paktklasse, das in der Herstellung

-MANAGEMENT: INTERVIEW

WZL-Direktor Prof. Robert Schmitt über Sinn und Wirkung von Emotionaler Produktgestaltung

"Der Kunde bezahlt nur für Werte, die er auch wahrnimmt"

Wo die technischen Merk­

male von Produkten immer

ähnlicher werden, bietet

die emotionale Produkt­

gestaltung eine Chance,

sich vom Wettbewerb abzu­

grenzen, sagt Prof. Robert

Schmitt. Er gehört den Di­

rektorien des Werkzeug­

maschinenlabors WZL der

RWTH Aachen und des

Fraunhofer-Instituts für

Produktionstechnologie

OPT) in Aachen an.

HAuch bei Investitionsgütern beeinflussen emotionale Aspekte Kaufentscheidungen ganz wesentlich."

22 Industrieanzeiger Nr. 22 / 2011

» Herr Prof. Schmitt, was verstehen Sie un ­

ter Emotionaler Produktgestaltung?

Bei der Emotionalen Produktgestaltung

geht es darum, den Kunden über verschie­

dene Kanäle anzusprechen, um ihm den

Wert des Produkts zu vermitteln. Früher

definierte sich dieser Wert über die Funk­

tionalität. Heute gleichen sich die Funktio­

nalitäten immer mehr an, so dass der Wert

des Produkts nicht mehr ohne weiteres er­

sichtlich ist. Die Theorie, dass Mensohen

rein rational entscheiden, hat sich über­

holt. Wir reagieren irrational, lassen uns

von Gefühlen leiten. Das Ziel muss es des­

halb sein, über emotional wahrnehmbare

Eigenschaften den Wert eines Produkts zu

vermitteln. Nur wenn das gelingt, wird ein

Interessent bereit sein, den Preis eines

hochwertigen Produkts zu bezahlen. Emo­

tionale Produktgestaltung erhöht aber

auch die Wiedererkennbarkeit der Produk­

te eines Herstellers. Sie erlaubt damit die

Differenzierung vom Wettbewerb und stei­

gert die Kundenbindung.

» Im Konsumerbereich ist das einsichtig,

aber gilt es auch bei Investitionsgütern?

Dass dieses Prinzip bei Konsumgütern ­

Autos beispielsweise, Handys oder ande­

ren elektronischen Geräten - eine Grund­

voraussetzung für den Erfolg ist, haben

die führenden Anbieter längst verinner­

licht. Das Gleiche gilt auch bei Investiti­

onsgütern, etwa einer Werkzellgmaschine.

Auch sie müssen vermitteln, dass sie die

in sie gesetzten Erwartungen sicher und

zuverlässig erfüllen. Viele Einkäufer be­

haupten zwar, rein rational zu entschei­

den, in der Praxis spielen aber auch bei

ihnen Emotionen eine wichtige Rolle.

» Wie funktioniert Emotionale Produkt­

gestaltung? Über methodische Baukästen lässt sie

sich strukturieren. Es geht nicht nur um

Design, sondern um eine Dimension der

Produktgestaltung, die bereits im Ent­

wurfsprozess einfließen muss. Und zwar

überall dort, wo es zu einer Interaktion

zwischen Nutzer und Produkt kommt, wo

er das Produkt sieht, fühlt oder riecht.

Dort lohnt es sich, intensiv über die Ge­

staltung nachzudenken. Aus rein tech­

nischen Merkmalen ist die Qualität für die

meisten Kunden nicht mehr abzuleiten.

Deshalb sind die anderen Kanäle, die Ge­

fühle ansprechen, so wichtig. Das geht

auch Hand in Hand mit der Ergonomie. Bei

einer Werkzeugmaschine ist damit aller­

dings nicht nur die Bedienung gemeint.

Sie ist Teil einer ganzen Anlage und in die­

sem Zusammenhang müssen beispiels­

weise auch der Materialfluss und die

Wertschöpfung transparent sein.

» Was sind die Voraussetzungen, dass diese

emotionale Übeaeugungsarbeit gelingt?

Zunächst muss man verstehen, wie Men­

schen funktionieren, wie sie Dinge erle­

ben. Dann gilt es, ein Vokabular zu schaf·

fen, um bestimmte Merkmale zu beschrei­

ben, und schließlich dieses VokabLilar in

technische Merkmale zu übersetzen. Ein

Beispiel: Der Schalter einer Waschmaschi­

ne soll ein Gefühl von Wertigkeit, Lang­

lebigkeit und Solidität vermitteln. Ein we­

sentliches Merkmal dabei ist der Druck·

kraftverlauf bei der Betätigung. Die tech­

nische Übersetzung, nämlich die Feder­

oder die Schnappkraft, lässt sich dann mit

einer physikalischen Größe beschreiben,

der Federsteifigkeit. Emotionale Produkt­

gestaltung ist ein mehrstufiges Verfahren,

das dazu dient, Dinge auf einer abstrakten

Ebene vergleichbar zu machen und daraus

Gestaltungsrichtlinien abzuleiten. Dabei

gilt es, sowohl subjektive Beobachtungen

in objektive technische Größen umzuset·

zen als auch vorhandene Daten, etwa

Werkstoffeigenschaften, zu subjektivieren

und damit Emotionen zu transportieren.

» Was sind die wesentlichen Fehler bei der

Emotionalen ProdUktgestaltung?

Page 2: Der Kunde bezahlt nur für Werte, die er auch wahrnimmt€¦ · Gut gemeint, aber schlecht gelöst war das . Armaturenbrett eines Fahrzeugs der ,Kom paktklasse, das in der Herstellung

-Overengineering! Entwicklung an der fal­

schen Stelle verteuert ein Produkt, ohne

dem Kunden einen erkennbaren Gegen­

wert zu bieten . Der Trick ist, die Sache

nicht unnötig zu verkomplizieren, sondern

genau auf die Bereiche zu achten, die für

den Nutzer wahrnehmbar sind und die für

ihn den Wert ausmachen. An verdeckten

Bereichen reichen vergleichsweise ein­

fache Lösungen. Aber auch sie müssen

zuverlässig funktionieren.

» Welche Vorteile bringen entsprechend ge­

staltete Produkte dem Hersteller?

Emo·Nonale Produktgestaltung kann dazu

beitragen, Wettbewerbs- und Preisvorteile

zu erzielen. So hat etwa ein Maschinen­

bauer bereits 2003 durch eine kosten neu­

trale Designänderung erreicht, dass der

Vertrieb eine Preissteigerung von zwei

Prozent durchsetzen konnte. Ohne Rede­

sign hätte das Unternehmen in der glei­

chen Zeit mit einem Preisverfall von rund

fünf Prozent rechnen müssen. Emotionale

Produktgestaltung ermöglicht es, in Märk­

ten Wettbewerbsvorteile zu erzielen, in

denen sich die Produkte technisch ange­

nähert haben und ein objektives Beurtei­

len der Qualität für den Kunden kaum

noch möglich ist. Deshalb ist sie beson­

ders für Premiumhersteller wichtig. Der

Kunde bezahlt immer nur den Wert, den er

dem jeweiligen Produkt zumisst.

» Und wie profitiert der Kunde?

Eine hohe technische Qualität ist ein not­

wendiges und wichtiges, aber nicht mehr

hinreichendes Kriterium. Nutzen entsteht

dem Kunden nicht nur durch sichere Funk­

tionserfüllung, sondern auch durch die

wahrgenommene Qualität, etwa durch

Ästhetik oder sensorische Empfindungen.

Die Folge ist, dass Mitarbeiter motivierter

an den Maschinen arbeiten, stolz sind,

daran arbeiten zu dürfen. Und Kunden,

die durch die Hallen geführt werden, trau­

en ihrem Geschäftspartner die erwartete

Kompetenz und Exzellenz eher zu. Außer­

dem dient ihm die emotional wahrgenom­

mene Qualität als psychologische Recht­

fertigung für seine Kaufentscheidung.

»Können Sie Beispiele tür gelungene Pro­

duktgestaltung nennen?

Gildemeister hat mit der neuen Design­

linie gezeigt, wie die Konzentration auf re­

levante Wahrnehmungscluster von Werk­

zeugmaschinen dazu beiträgt, technische

Perspektive Gesamlprodukt Baugruppe Baulell Eigenschaft Parameter

W3hrnehmUf1g Harmonie Emheit qualllaUvnochwertig

Infolm hc sart , ubjektlv subjektiv 5ubjekhv lerlQbjektlVlert

Informq!IOO s- Kunde quelle Kunde Kundel

Experte Experte'Messteclmik Konstt1Jkliön

Erhebungs­ Fra!lebögen methode

freie und leUsllllk.lurieri Inlerview5

BE obachtung, r);ules Den~en',

orkshop5 Deskrip.tlveMethoden Messtechnik

Das Aachener Ebenenmodell der wahrgenommenen Produktqualität Quelle; WZL/ IPT

Funktionserfüllung und Design miteinan­ nicht die Absicht emotionaler Produkt­

der zu verbinden. Große Fenster und ein gestaltung. Es geht rein darum, die Funk­

heller Arbeitsraum gewähren eine gute tionalität und Qualität des Produkts zu

Einsicht, eine ljchtlinie mit wechselnden vermitteln. Das Versprechen, das Optik

Farben zeigt den aktuellen Arbeitszustand und Haptik geben, muss die Funktionalität

an und trägt so zur Sicherheit bei. Als wei­ halten. Sonst wendet sich der Kunde ab.

teres Wahrnehmungscluster haben die Und solchermaßen enttäuschte Klientel ist

Bielefelder das Bedienpult identifiziert. Es nur schwer zurückzugewinnen. Ein we­

lässt sich an den Bediener anpassen und sentlicher Aspekt ist auch die Überein­

mühelos dorthin bewegen, wo es benötigt stimmung mit dem Markenimage.

wird. Das sind gut durchdachte Details,

die dem Kunden das Gefühl vermitteln, » Welchen Einfluss hat das Markenimage?

dass an einer solchen Maschine andere Einen großen! Das gleiche Produkt mit

Details, die er nicht spontan wahrnimmt, verschiedenen Markenlabeln versehen,

auch intelligent und hochwertig gelöst führt zu einer unterschiedlichen Beurtei­

sind. Ein ebenfalls sehr gutes Beispiel ist lung der Produktqualität.

das iPad, mit dem Apple sogar eine kom­

plett neue Produktgattung begründete. • Haider Willrett [email protected]

» Und ein weniger gelungenes Beispiel?

Gut gemeint, aber schlecht gelöst war das

Armaturenbrett eines Fahrzeugs der ,Kom­

paktklasse, das in der Herstellung richtig

teuer war. Damals der deutsche OEM mit

einem Bezug aus echtem Leder eine be·

sonders hochwertige Anmutung errei­

chen. Leider wurde dabei zu wenig auf

den Untergrund und die Narbung geach­

tet, so dass es für viele Kunden wie ein

billiges Plastikteil wirkte.

» Ist Emotionale Produktgestaltung Manipu­

lation des Kunden?

Nein, das soll und darf sie nicht sein. Das Auch bei Werkzeugmaschinen gilt : Nimmt der

träfe eher auf den Bereich Neuromarke­ Kunde in den sicht- und fühlbaren Bereichen eine ting zu, wo man davon ausgeht, Verhal­ hohe Qualität und clevere Lösungen wahr, traut er

diese auch dem Gesamtsystem zu Bild; DMGtensweisen stimulieren zu können. Das ist

Industrieanzeiger NI. 22 / 2011 23