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Project Management Partners, Project Management Partners, Herbstreffen Herbstreffen Literaturhaus München, 23.10.2009 Literaturhaus München, 23.10.2009 Der Homo oeconomicus bekommt Der Homo oeconomicus bekommt Konkurrenz. Konkurrenz. Die Wiederentdeckung der Emotion in der Die Wiederentdeckung der Emotion in der Wirtschaft Wirtschaft Univ.-Prof. Dr. Johannes Siegrist Institut für Medizinische Soziologie Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Der Homo oeconomicus bekommt Konkurrenz. Die … Prof... · 2009-10-27 · Univ.-Prof. Dr. Johannes Siegrist Institut für Medizinische Soziologie Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

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Project Management Partners, Project Management Partners, HerbstreffenHerbstreffen

Literaturhaus München, 23.10.2009Literaturhaus München, 23.10.2009

Der Homo oeconomicus bekommt Der Homo oeconomicus bekommt Konkurrenz.Konkurrenz.

Die Wiederentdeckung der Emotion in der Die Wiederentdeckung der Emotion in der WirtschaftWirtschaft

Univ.-Prof. Dr. Johannes SiegristInstitut für Medizinische Soziologie

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Historischer Hintergrund: Europäischer Modernisierungsprozess

§ Europäisches Hoch- und Spätmittelalter (13.-15. Jhdt):

Entwicklung des Bürgertum in Städten, Handelskapital,

Zünfte, Fortschritte in Technik und Wissenschaf t

§ Renaissance und Ref ormation (16.-17. Jhdt): Staats-, Rechts-

und Berufsentwicklung; Verkehr, Militär, Kolonialismus,

Kapitalakkumulation

§ Industrielle Doppelrevolution (18. -19. Jhdt): Trias von

Technik, Privatwirtschaf t und Wissenschaf t, Demokratie-

Entwicklung; Bildungsexpansion und soziale Mobilität

Zweckrationales HandelnThese Max Webers (1920)

Dem Modernisierungsprozess im Europa des späten Mittelalters und der Neuzeit liegt ein wirkungsmächtiges kollektives Motiv zugrunde, welches eine spezif ische Kombination von Selbst- und Umweltbeherrschung darstellt: das zweckrationale Handeln.Zweckrationales Handeln wird bestimmt durch:§ das rational begründete Motiv, rein ‚sachlich‘ zu

entscheiden, d.h. subjektiv -private und emotionale Aspekte aus Handlungsentscheidungen auszuklammern;§ das oberste Ziel, bei minimalem Aufwand maximalen Ertrag

zu erzeugen und zu diesem Zweck Handlungsalternativen rational abzuwägen;§ die Orientierung des Handelns an Berechenbarkeit und

Vorhersehbarkeit

Homo oeconomicus

§ Modellvorstellung des Menschen, der sein wirtschaf tliches Handeln nach zweckrationalen Entscheidungen ausrichtet und sich dabei vom Prinzip 'Eigennutz' leiten lässt.

§ Entwicklung des Modells durch Klassiker der Nationalökonomie des 18./19. Jahrhunderts; später: Mathematisierung ökonomischer Entscheidungskalküle (Spieltheorie)

§ Globale real- und finanzwirtschaf tliche Wirkungen des Modells durch daran orientierte Normen und Praktiken in Volks - und Betriebswirtschaf t (bis hin zu 'Neoliberalismus').

Reale Folgen von Wirtschaftspraktiken, die am Leitbild ‚Homo oeconomicus' orientiert sind

§ wirtschaftliches Wachstum im Zuge der Industrialisierung und Tertialisierung

§Wohlstandsvermehrung in den vergangenen 150 Jahren

§Weitreichende Umgestaltung von Wirtschaf t und Gesellschaf t, u.a. durch:

- unternehmerisches Risiko; Investition und Kapitalakkumulation;

- Leistungsmotivation;

- wissenschaftlichen und technischen Fortschritt;

- Marktexpansion

‚Homo oeconomi cus‘ in der Kritik: Allgemeingültiges Bild des Menschen in allen

Bereichen wirtschaftlichen Handelns?

§ Bestimmt das Prinzip Eigennutz wirklich alle wesentlichen wirtschaftlichen Handlungen?

§ Beruhen die maßgeblichen wirtschaftlichen Handlungen ausschließlich oder vorrangig auf zweckrationalen Entscheidungen?

§Werden wichtige, emotionale und soziale Bereiche betref fende Aspekte wirtschaf tlichen Handelns vom Homo-oeconomicus-Modell systematisch ausgeblendet bzw. verkannt?

Wissenschaftliche Experimente erschüttern das Modell

Experiment 1 – Hypothese: Die Mehrheit der Menschen belohnt f aires und bestraf t unfaires Verhalten, selbst wenn dies mit Kosten verbunden ist (A. Falk, E. Fehr, U. Fischbacher 2000)

Zweistufiges Zwei-Personen-Spiel, bei dem A und B je 12 Punkte erhalten.

Stufe 1: A soll entscheiden, ob er B x (1-6) Punkte gibt oder ihm x (1-6) Punkte wegnimmt. Falls A x Punkte an B gibt, erhält B vom VL 3x, falls A B x Punkte nimmt, verringert sich das Guthaben von B um die von A weggenommenen x Punkte.

Stufe 2: B belohnt oder bestraft das Verhalten von A. Gibt B y Punkte an A, so führt dies zu einem entsprechenden Punkteanstieg bei A und Punkteverlust bei B. Bestraft B A mit y Punkten, so nimmt der VL B yPunkte, A jedoch 3y Punkte weg.

Experiment 1 (Fortsetzung)

Nach dem Homo-oeconomicus-Modell wird B A weder belohnen noch bestrafen, da beides für ihn mit Kosten verbunden ist. Die Spieler B wählen daher auf der 2. Stufe y=0.

Da die Spieler A vom Prinzip Eigennutz bei B ausgehen und dieses für sich selbst anwenden, nehmen sie B die maximal mögliche Punktezahl x weg.

Das empirische Ergebnis zeigt jedoch etwas ganz Anderes:

Spieler B belohnen freundliche Handlungen von A (Wenn A 1x an B gibt, erhält er 2x von B zurück). Und:

Spieler B bestrafen unfreundliche Handlungen von A (wenn A 6x B wegnimmt, wird er von B so bestraft, dass sein Gewinn sich auf der 2. Stufe um 9x verringert.

Experiment 1:Belohnungs- und Bestrafungsverhalten der Spieler B in

Abhängigkeit des Verhaltens der Spieler A (Medianwerte)

Experiment 2

Hypothese: In sozialen Dilemma-Situationen zeigt die Mehrheit der Menschen ein bedingt kooperatives Verhalten: Geben die andern, so gebe ich auch. Verweigern die andern, so verweigere ich auch! (U. Fischbacher, S. Gächter, E. Fehr 2001).

§ Vierergruppen mit 20 Punkten pro Spieler. Auf forderung, einen Betrag x (zwischen 0 -20 Punkten) in ein öf fentliches Gut zu investieren. Auszahlungsregel f ür jeden Spieler: 20 – x + 0.4

§ Entscheidung des Homo oeconomicus: x=0, da Verlust von 1 Punkt durch Gewinn von 0.4 nicht auf gewogen wird.

§ Empirisch beobachtetes Entscheidungsverhalten : Die Spieler sind in dem Maß zu einem Beitrag bereit, in dem ihr kooperatives Verhalten von den übrigen Mitgliedern dadurch belohnt wird, dass sie ebenf alls beitragen (Prinzip der bedingten Kooperation).

Experiment 2: Bedingt kooperetives Verhalten: Durchschnittliche Beiträge in Abhängigkeit vom Verhalten

der anderen Gruppenmi tglieder

Experiment 3

Hypothese: Die Chance, ‚Egoisten‘ bestrafen zu können, erhöht die Kooperationsbereitschaft in der Gruppe (E. Fehr, H. Gintis 2007)

§ Werden soziale Dilemma-Situationen häufig wiederholt und erfahren die Spieler, wer nicht bezahlt hat (‚Egoisten‘), so sinkt die Bereitschaft zu Kooperation drastisch.

§ Erhalten kooperationsw illige Spieler dagegen die Chance, ‚Egoisten‘ zu bestrafen, so steigt die Kooperations -bereitschaft stark an, selbst wenn damit eigene Verluste einhergehen (‚Rache ist süß‘; Bedeutung der Normgeltung in Gruppenprozessen!).

Experiment 3Kooperationsrate ohne (links) bzw. Mit Bestrafungsmöglichkei t von ‘Egoisten’

Norm sozialer Reziprozität

§ „Wer einem andern eine Gabe schenkt oder eine Leistung erbringt, die

für diesen von Nutzen ist, kann damit rechnen, von ihm eine

gleichwertige Gegengabe oder Gegenleistung zu erhalten “

(A. Gouldner, 1960).

§Die Norm sozialer Reziprozität stellt Tauschgerechtigkeit sicher.

§ Evolutionärer Vorteil: Teilen A und B den gemeinsam erzielten

Gewinn zu gleichen Teilen auf , so erhält jeder für sich zuletzt einen

höheren Betrag, als dies der Fall ist, wenn jeder seine Entscheidungen

konsequent am Prinzip Eigennutz orientiert ('win-win-Situation').

Verhaltensökonomisches Experiment zum Zusammenhang zwischen Tauschungerechtigkeit

und Herzfrequenzvariabilität

§ Aufbau des Experiments: § "Arbeitnehmer" (Studenten) lösen 25 Minuten eine

simple Aufgabe, deren monetärer Ertrag auf Bildschirmen festgehalten wird.

§ "Arbeitgeber" (Studenten) erhalten den Ertrag und entscheiden, wie viel sie als Vergütung auszahlen.

§ Kommunikation erfolgt nur über Bildschirm. Nach Auszahlungsentscheidung vierminütiges Ruheintervall für "Arbeitnehmer" ohne Möglichkeit der Rückmeldung (EKG-Daten sowie am Schluss Daten zu Emotionen und Fairnessbeurteilung)

Untersuchungshypothesen(N= 30 männliche Studierende; Alter 21,9 Jahre +- 2,3)

1. Je niedriger die Vergütung, desto höher die Stressbelastung (desto niedriger die Herzfrequenzvariabilität)

2. Je größer die Diskrepanz zwischen der als gerecht beurteilten und der tatsächlich erhaltenen Vergütung, desto höher die Stressbelastung (desto niedriger die Herzfrequenzvariabilität)

Stress

Spektrum von Reaktionen auf eine bedrohliche bedrohliche HerausforderungHerausforderung (Stressor)

1. auf der Ebene der Wahrnehmung und Bewertung:Wahrnehmung und Bewertung:Kontrollierbarkeit und Relevanz des Stressors; Erfolgschancen der Bewältigung

2. auf der Ebene der Emotionen:Emotionen:in Abhängigkeit von 1) u.a. Wut, Angst, Ärger, Hilflosigkeit

3. auf der Ebene physiologischer Reaktionen: physiologischer Reaktionen: Aktivierung von Stressachsen (SAM- / HPA-Achsen)

4. auf der Ebene motorischen Verhaltens:motorischen Verhaltens:Kampf oder Flucht; Unterwerfung, Passivität

„Bedrohte Kontrolle“ und „bedrohte Belohnung“ „Bedrohte Kontrolle“ und „bedrohte Belohnung“ durch Manipulation der sozialen Rangordnung durch Manipulation der sozialen Rangordnung

bei männlichen Makakenbei männlichen Makaken--Affen: Affen: Auswirkungen auf KoronarläsionenAuswirkungen auf Koronarläsionen

Quelle: J.R. Kaplan et al. (1994), Am Heart J, 128: 1316.

00,10,20,30,40,50,60,70,80,9

mit ohne0

0,10,20,30,40,50,60,70,80,9

stabile instabilesoziale Gruppe

Mitt

lere

Grö

ße a

ther

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kler

otisc

her

Plaq

ues (

mm

2 )

Betablocker(nur instabile soziale

Gruppe)dominant rangniedrig

Veraus-gabung

Beloh-nung

- Anforderungen- Verpflichtungen

- Lohn, Gehalt- AufstiegsmöglichkeitenArbeitsplatzsicherheit

- Wertschätzung

Erwartung(‘übersteigerte

Verausgabungsneigung ‘)

Extrinsische KomponenteExtrinsische Komponente

Intrinsische KomponenteIntrinsische Komponente

Modell beruflicher GratifikationskrisenModell beruflicher Gratifikationskrisen(J. Siegrist, 1996)(J. Siegrist, 1996)

Erwartung(‘übersteigerte

Verausgabungsneigung ‘)

Warum werden berufliche Gratifikationskrisen über einen Warum werden berufliche Gratifikationskrisen über einen längeren Zeitraum erfahren?längeren Zeitraum erfahren?

§§ AbhängigkeitAbhängigkeitDer Beschäftigte findet auf dem Arbeitsmarkt keine Alternative und zieht ein unf aires Beschäftigungsverhältnis dem Arbeitsplatzverlust vor.

§§ Strategische EntscheidungStrategische EntscheidungDer Beschäftigte akzeptiert ein Ungleichgewicht aus Verausgabung und Belohnung, um seine zukünf tigen Karrierechancen zu verbessern (‚antizipatorisches Investment‘).

§§ Übersteigerte VerausgabungsneigungÜbersteigerte VerausgabungsneigungDer Beschäftigte weist ein motivationales Muster exzessiver Leistungsbereitschaft auf, wodurch die investierte Verausgabung die erhaltene Belohnung häufig übersteigt.

Erfassung von Globalisierungsfolgen durch das Erfassung von Globalisierungsfolgen durch das Modell beruflicher GratifikationskrisenModell beruflicher Gratifikationskrisen

Erhöhte VerausgabungErhöhte Verausgabungà Intensität; Leistungsdichte; Termindruckà Ausdehnung der Arbeitszeit; Kürzung von Erholungszeità Zunahme irregulärer Arbeitszeitenà Rascher Wechsel von Arbeitsaufgaben, Arbeitskollegen und -

umgebung

Geringere BelohnungGeringere Belohnungà Zunahme von Arbeitsplatzunsicherheità Risiken von beruflichem Abstieg, Versetzung, unfreiwilliger

Frühberentungà Reduzierte Aufstiegschancen, Lohneinbussen, Wegfall von

Vergünstigungenà Verschlechterung von Betriebsklima, Fairness/

Verfahrensgerechtigkeit und Respekt in Organisationen

§ Skala ‚VerausgabungVerausgabung‘ (6 Likert-skalierte Items)= wahrgenommene Anforderungen (Cronbach‘s α = .72)

§ Skala ‚BelohnungBelohnung‘ (11 Likert-skalierte Items) = erfahrene oder zugesicherte Gratifikationen (α = .83)

- 3 Subskalen: (a) Gehalt und beruflicher Aufstieg, (b) Wertschätzung, (c) Arbeitsplatzsicherheit

‚VerausgabungVerausgabung--BelohnungsBelohnungs--Quotient Quotient ‘ = Summe ,Verausgabung ‘ / (Summe ,Belohnung‘ × 6/11)

§ Skala ‚berufliche Verausgabungsneigungberufliche Verausgabungsneigung‘(6 Lik.-skal. Items)= psychisches Muster der Bewertung und Bewältigung von

Anforderungen und Belohnungen (α = .76)

nähere Angaben s. http://www.unihttp://www.uni--duesseldorf.de/medicalsociologyduesseldorf.de/medicalsociology

Messung Messung beruflicher Gratifikationskrisenberuflicher Gratifikationskrisen

Untersuchung des Gesundheitszustandes ganzer Bevölkerungsgruppen (Betrieb, Kommune etc.)

Sozialepidemiologie:Sozialepidemiologie:Studium gesellschaftli cher Einflüsse (Arbeit, Wohnen, soziale Netzwerke...) auf Gesundhei t und Krankheit.

Goldstandard: Goldstandard: Längsschnittstudie bei initial gesunden Bevölkerungsgruppen (Ermittlung relativer Risikenbei Exponierten im Vergleich zu Nicht-Exponierten).

EpidemiologieEpidemiologie

Koronare Herzkrankheit und DepressionKoronare Herzkrankheit und Depression

„Bis zum Jahr 2020 werdenDepression und Koronare Herzkrankheit

weltweit die führenden Ursachen vorzeitigen Todes und durch Behinderung eingeschränkter

Lebensjahre sein. “

(Murray and Lopez 1996)

Berufliche Gratifikationskrisen / Kontrolle über Berufliche Gratifikationskrisen / Kontrolle über Arbeitsaufgabe und Neuerkrankung an KHKArbeitsaufgabe und Neuerkrankung an KHK, ,

Whitehall IIWhitehall II--Studie (N=9.095 Männer und Frauen)Studie (N=9.095 Männer und Frauen)

Quelle: J. Bosma et al. (1998), Am J Publ Health, 88: 68–74.

0,5

1

1,5

2

2,5

3

keineBelastung

mittlereKontrolle

geringeKontrolle

0,5

1

1,5

2

2,5

3

keineBelastung

hoheVerausg.

oder geringeBelohn.

hoheVerausg. +

geringeBelohn.

adjustiert für Alter, Geschlecht, Zeitraum bis Nachuntersuchung+ jeweils alternatives Arbeitsstressmodell+ Berufsstatus, koronare Risikofaktoren, negative Affektivität

OR OR

**

**

Kontinuierlich registrierter Blutdruck, Herzfrequenz Kontinuierlich registrierter Blutdruck, Herzfrequenz und Herzfrequenzund Herzfrequenz--Variabilität in Abhängigkeit von Variabilität in Abhängigkeit von

beruflichen Gratifikationskrisenberuflichen Gratifikationskrisen

berufliche Gratifikationskrise:

neinja

Berufliche Gratifikationskrisen und Auftreten Berufliche Gratifikationskrisen und Auftreten depressiver Störungendepressiver Störungen (GHQ): Whitehall II(GHQ): Whitehall II--StudStudieie

(N=6110, (N=6110, ZeitraumZeitraum: 5.3 : 5.3 JahreJahre))

0,5

1

1,5

2

2,5

3

kein Stress hoheVerausg.

ODER niedr.Bel.

hoheVerausg. UND

niedr. Bel.

# adjustiert für Alter, Angestelltengrad, Wert GHQ bei Eingangsuntersuchung; Personen im affektiver Störung zu Studienbeginn nicht enthalten

* p < .05

0,5

1

1,5

2

2,5

3

kein Stress hoheVerausg.

ODER niedr.Bel.

hoheVerausg. UND

niedr. Bel.

Männer Frauen

Quelle: S.A. Stansfeld et al. (1999), OEM, 56: 302.

*

*

*

OR#OR#

Erhöhtes Risiko koronarer Herzkrankheit bei hoher beruflicher Stressbelastung von Beschäftigten in Peking

(Fall-Kontrollstudie N=388)

0

1

2

3

4

5

6

Berufliche Gratifikationskrisen

NiedrigMittelHoch

Adjusted for age, and sex; Additionally adjusted for hypertension, diabetes mellitus, smoking, BMI, CHD family history, educational level, and marital status; *p<0.05; **p<0.01; ***p<0.001

Quelle: Xu W. et al (2009) J Occup Health 51: 107-113

Arbeitsstress und Hypertonie Arbeitsstress und Hypertonie bei berufstätigen Frauen in Pekingbei berufstätigen Frauen in Peking

(n = 421 (n = 421 ♀♀; 38,8 +/; 38,8 +/-- 8,1 Jahre)8,1 Jahre)

Multivariate odds ratio f ür Auftreten von Hypertonie

§§ Niedrige BelohnungNiedrige Belohnung 3.093.09 (1.21 (1.21 -- 7.92)7.92)§§ Wenig AbwechslungWenig Abwechslung 3.053.05 (1.49 (1.49 -- 6.27)6.27)§ Konflikt zwischen Arbeit

und Familie 3.79 (1.19 - 3.95)§ Rauchen 2.17 (1.19 - 3.90)§ BMI ≥ 25 7.29 (3.71 - 14.37)

Quelle: L.Y.Xu et al. (2000), Int J Behav Med, 7, S1: 10.

Arbeitsstress und depressive Störungen bei japanischen Arbeitern

mit Arbeitsplatzunsicherheit

OR# 95 % KI p

Hohe Anforderung 0,83 0.32 – 2.15 .70Niedrige KontrolleNiedrige Kontrolle 4.714.71 1.16 1.16 –– 13.7213.72 .00.00+Anf./-Kontrolle 2.16 0.85 – 5.51 .10GratifikationskriseGratifikationskrise 4.134.13 1.39 1.39 –– 12.2812.28 .01.01VerausgabungsneigungVerausgabungsneigung 2.562.56 1.01 1.01 –– 6.476.47 .05.05

# Kontrolliert für Alter, Geschlecht , berufliche Position, Berufsgruppe und Arbeitsplatzmerkmale

Quelle: Tsutsumi et al., Scand J Work Environ Health 2001, 27: 146-153

Auswirkungen von chronischem Arbeitsstress:Auswirkungen von chronischem Arbeitsstress:Überblick über empirische EvidenzÜberblick über empirische Evidenz

GesundheitsgefahrenGesundheitsgefahrenà Stressassoziierte Krankheiten (v.a. Herz-Kreislauf-

Krankheiten u. af fektive Störungen)à Psycho-biologische Mechanismenà Gesundheitschädigende Verhaltensweisen

DisengagementDisengagementà Absentismusà Innere Kündigungà Berufsausstieg

Obstruktionà Verstoß gegen soziale Normenà Gewaltanwendung

Berufliche Gratifikationskrisen und Bereitschaft, Berufliche Gratifikationskrisen und Bereitschaft, den Pflegeberuf aufzugebenden Pflegeberuf aufzugeben

Europäische Studie (NEXT), N=25.853 PflegekräfteEuropäische Studie (NEXT), N=25.853 Pflegekräfte

0%

20%

40%

60%

80%

100%

0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6

nieseltengelegentlichofttäglich

Ich denke über einen Berufswechsel nach:

Quotient aus Verausgabung und Belohnung

Quelle: H.W. Hasselhorn et al. (2003).

Wunsch nach Frühberentung in Abhängigkeit Wunsch nach Frühberentung in Abhängigkeit von beruflicher Stressbelastung (Gratifikationskrisen) von beruflicher Stressbelastung (Gratifikationskrisen)

SHARESHARE--Projekt in 10 europäischen Ländern, N=6.244Projekt in 10 europäischen Ländern, N=6.24410

%20

%30

%40

%50

%60

%70

%80

%

Wun

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ES FR IT AT GR DE SE DK CH NL

geringe Stressbelastungmittlere Stressbelastunghohe Stressbelastung

Quelle: A. Börsch-Supan et al. (2005). SHARE First Results Book. Mannheim.

Ø Angemessene Anerkennung, Wertschätzung von Leistung, Tauschgerechtigkeit (Reziprozität) bei der Arbeit und vertrauensvolle Zusammenarbeit (bedingte Kooperation) sind wichtige Ressourcen erfolgreichen und nachhaltigen Wirtschaftens.

Ø Diese Ressourcen sind förderlich für Gesundheit, Arbeitsmotivation und Produktivität, wie indirekt aus Forschungsergebnissen zu Arbeitsqualität und Gesundheit zu schließen ist.

Ø Das Homo-oeconomicus-Modell hat diese Ressourcen zu unrecht ausgeblendet.

SchlussfolgerungenSchlussfolgerungen

Wann ist Arbeit gesund?Folgerungen aus wissenschaftlicher Evidenz

§ Anspruchsvolles, nicht überforderndes Arbeitsaufgabenprofi l (hohe Autonomi e, reichhaltige Lern- und Entwicklungschancen)§ Angemessene Erfahrungen von Erfolg und

sozialer Anerkennung sowie materielle Gratifikationen für erbrachte Leistungen§ Vertrauensvolles Klima der Zusammenarbei t

sowie des fairen und gerechten Umgangs§ Sinnerfüllte und gesicherte Perspektive der

Leistungserbringung aus Sicht der Arbeitenden

Das Sirdal Modell für Arbeitsbedingungen und -tätigkeit

Ertragsqualität und Produktivität

Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeiter/innen

Kundenzuf riedenheit und Loyalität

Arbeitsplatz und -umfeld

Programme zur Entwicklung der Arbeitsqualität

Praktische Folgerungen: Praktische Folgerungen: Stressabbau in der betrieblichen Stressabbau in der betrieblichen

GesundheitsförderungGesundheitsförderung

§§ Die einzelne Person (intrapersonell):Die einzelne Person (intrapersonell):Stressbewältigung als Stärkung individueller Problemlösungskompetenz; Entspannungsverfahren§§ Die Gruppe (interpersonell):Die Gruppe (interpersonell):

Kooperation und Umgang mi t Konflikten; Führungsverhalten§§ Die Organisation (strukturell):Die Organisation (strukturell):

Änderungen auf der Ebene der Arbei tsorganisation einschließlich Arbeitszeit sowie der Personalentwicklung

§§ AufklärungAufklärung über die Bedeutung von Arbeitsstress bei Krankheitsentw icklung§ Verbessertes Erkennen und BewältigenErkennen und Bewältigen

von Arbeitsstress § Einübung von EntspannungsfähigkeitEntspannungsfähigkeit§§ VerhaltenstrainingVerhaltenstraining zur Reduktion übersteigerter

beruflicher Verausgabungsneigung

Intrapersonelle EbeneIntrapersonelle Ebene

§ Verbesserung von KooperationsbeziehungenKooperationsbeziehungen§ Verbesserung des vertikalen vertikalen

KommunikationsflussesKommunikationsflusses§ Verbesserung des FührungsverhaltensFührungsverhaltens bei

Vorgesetzten § Schaffung einer betrieblichen

AnerkennungskulturAnerkennungskultur

Interpersonelle EbeneInterpersonelle Ebene

Auswirkungen eines Führungstrainings bei Managern Auswirkungen eines Führungstrainings bei Managern auf Stresshormonausscheidung und auf Stresshormonausscheidung und

Entscheidungsspielraum bei abhängig BeschäftigtenEntscheidungsspielraum bei abhängig Beschäftigten

InterventionsgruppeInterventionsgruppe KontrollgruppeKontrollgruppe

Baseline

387.2387.2

6.06.0

Baseline

390.4

6.2

nach 1 Jahr

345.2345.2

6.16.1

nach 1 Jahr

391.3

5.7

mittl. Kortisol-wert (nmol/l)

mittlerer Entscheidungs -spielraum(range 2-8)

Interaktion Gruppe X Zeit: *p = .05, **p = .02Quelle: T. Theorell et al. (2001), Psy chosom Med, 63: 724 -733.

****

**

§§ LeistungsgerechteLeistungsgerechte Gestaltung vonErwerbseinkommenErwerbseinkommen (z.B. kompensatori sche Lohndifferentiale; Tarifflexibilität)

§ Ausbau von BonussystemenBonussystemen und anderen Formen der Gewinnbeteiligung

§ Gratifikationen in Form individualisierter individualisierter Arbeitszeitgestaltung Arbeitszeitgestaltung bzw. betriebsinterner Dienstleistungen

§ Honorierung von BetriebstreueBetriebstreue / qualifikationsgerechter AufstiegAufstieg

§§ ArbeitsplatzsicherheitArbeitsplatzsicherheit

Strukturelle Ebene:Strukturelle Ebene:Verbesserungen der GratifikationsstrukturVerbesserungen der Gratifikationsstruktur

Arbeitsstress und Burnout nach struktureller Intervention; Arbeitsstress und Burnout nach struktureller Intervention; Beobachtungszeitraum 12 Monate, Beobachtungszeitraum 12 Monate,

2 kanadische Krankenhäuser, N=302 (Intervention) 2 kanadische Krankenhäuser, N=302 (Intervention) vs. 311 (Kontrollen) (ANCOVA, adj. für baseline)vs. 311 (Kontrollen) (ANCOVA, adj. für baseline)

Variable

AnforderungenKontrolleUnterstützung dur ch

VorgesetzteUnterstützung dur ch

KollegenBerufl. Grat.-kriseBurnout

Mittelwerte zu t1 adj. f ür t0

Intervention - Kontrollen p

12.0868.5910.82

12.49

1.1046.66

12.6868.0610.42

12.26

1.1549.03

.015.015

.382

.028.028

.056.056

.002.002

.034.034

Quelle: R. Bourbonnais et al. (2006), Occup Environ Med, 63: 335.

1. Arbeitsplatzsicherheit2. Gezielte (sorgfältige) Personaleinstellungspo litik3. Dezentrale Entscheidung, verstärkte Teamarbeit4. Individuelle, leistungsorientierte Bezahlung5. Systematische und extensive Schulung6. Abbau von Statusunterschieden zwischen den

innerbetrieblichen Positionsgruppen (z.B. Zimmer-größe, Anrede etc.)

7. Offene Informationspolitik (Transparenz), v.a. bezüglich der Betriebsergebnisse

Quelle: J. Pfeffer (1998): The Human Equation: Building Profits by Putting People First. Boston: Harvard Business School.

Sieben Praktiken Sieben Praktiken ökonomisch erfolgreicher Betriebe (USA)ökonomisch erfolgreicher Betriebe (USA)

Der Homo oeconomicus bekommt Konkurrenz

• Die Überbewertung des Prinzips Eigennutz hat bei den Beschäftigten wie bei den Unternehmen unbeabsichtigte kontraproduktiven Folgen.

• Zweckrationales Handeln wird überschätzt, wertrationales Handeln, welches zentrale zwischenmenschliche Emotionen (Fairness, Vertrauen, Kooperation) berücksichtigt, wird unterschätzt.

• Nachhaltiges Wirtschaften erfordert eine neu zu entwickelnde Balance zwischen Rationalität und menschlicher Emotionalität.