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A . M . H I R S C H L
Der Harnwegsinfekt (Symptome, Diagnose, Therapie)
Begriffsdefinitionen
Thalhammer et al., Consensus Statement HWI 2012
Begriffsdefinitionen
Unkomplizierte HWI o Keine funktionellen oder anatomischen Anomalien
o Keine relevante Nierenfunktionsstörung
o Keine Begleiterkrankungen, welche einen HWI oder Komplikationen begünstigen
o DM bei stabiler Stoffwechsellage
Komplizierte HWI o Blasenkatheter, Ureterstent
o Abflussbehinderung, Steine
o Nach urologischem Eingriff
o Immunsuppression
o Kinder
o Männer
o Schwangere
o DM mit Spätkomplikationen oder instabiler Stoffwechsellage
o Rekurrenz <1 Monat trotz adäquater Therapie
Häufigkeit von Harnwegsinfektionen
S-3 Leitlinie 043/044
Harnwegsinfektionen, 2017
Asymptomatische Bakteriurie
Häufigkeit
o Prämenopausal mit/ohne Schwangerschaft: 2-7%
o Postmenopausal: 15-20%
Bei multimorbiden Pat., Pflegeheim-BewohnerInnen signifikant höher
o Männer < 65 Jahre: 1%
o Männer ≥ 65 Jahre: 5-10%
Therapieindikationen
o Schwangerschaft ?
Leicht erhöhtes Pyelonephritis-Risiko (2,4 vs. 0,6%; Kazemier et al. Lancet Inf. Dis.
2015)
Erhöhtes Risiko für Frühgeburten und niedriges Geburtsgewicht?
Screening (16. Woche) ?
o Vor Schleimhaut-schädigenden Interventionen
o Nierentransplantation
Innerhalb der ersten 3 Monate nach Transplantation
Pathogenese
Infektionsweg o Aszension von Erregern aus dem Perianal-und Perinealbereich
o Pyelonephritis auch hämatogen
Erreger o Zumeist Bakterien, selten Pilze
Fördernde Faktoren o Störungen der Vaginalflora
Hygiene, orale Kontrazeptiva, Postmenopause, Antibiotika, Gebrauch von Diaphragmen und Spermiziden
o Reduzierter Urinfluss
Geringe Trinkmenge, anatomische Abflussbehinderungen.....
o Blasendauerkatheter
Rasche bakterielle Besiedlung
o Bakterielle Virulenzfaktoren
Fimbrien, Adhäsine, Invasine ....
Symptomatik
Zystitis
o Dysurie
o Pollakisurie
o Imperativer Harndrang
o Schmerzen über der Symphyse
o Übelriechender Harn
o Makrohämaturie
o Urininkontinenz (bei postmenopausalen Frauen)
Pyelonephritis
o Flankenschmerz
o Klopfempfindliches Nierenlager
o Fieber/Schu ttelfrost, allgemeines Krankheitsgefu hl
https://www.netzwerk-frauengesundheit.com
Diagnose
Anamnese
Körperliche Untersuchung
Klinik
Harnuntersuchungen
o Teststreifen
o Harnsediment (Mikroskopie, Durchflusszytometrie)
o Kultur
Blutuntersuchungen
o Entzündungsparameter (CRP, Leukozyten, BSG)
o Nierenfunktion etc.
o Kultur (Pyelonephritis)
Bildgebende Verfahren
o Sonografie etc.
Wahrscheinlichkeit eines HWI bei Vorliegen unterschiedlicher klinischer Zeichen
S-3 Leitlinie 043/044 Harnwegsinfektionen, 2010
Harn-Teststreifen
S-3 Leitlinie 043/044 Harnwegsinfektionen, 2017
Sensitivität: 68-90% Spezifität: 71-87% Positiver Vorhersagewert: 55-81% Negativer Vorhersagewert: 77-95%
Ordibed.at
Wright et al., Am. Fam. Physician 2006
Fehlermöglichkeiten mit Harn-Teststreifen
S-3 Leitlinie 043/044 Harnwegsinfektionen, 2017
Warum eine Harnkultur?
Diagnose allein aufgrund klinischer Kriterien
o Fehlerquote ca. 1/3
o Hohe Sensitivität
o Geringe Spezifität
Die zusätzliche Anwendung von Urinteststreifen erhöht die diagnostische Genauigkeit nur geringfügig
Harnkultur + Klinik verringern die diagnostische Ungenauigkeit deutlich (Goldstandard)
Maximaldiagnostik ökonomisch sinnvoll und praktikabel?
Maximal sensitive vs. spezifische Diagnostik?
Morbidität und Mortalität
Risiken der Diagnostik
Patienten-Wunsch
Indikationen zur Harnkultur
S-3 Leitlinie 043/044 Harnwegsinfektionen, 2017
Uringewinnung
Suprapubische Aspiration
Urethraler Einmalkatheter
Mittelstrahlurin nach Reinigung der Genitalien
Mittelstrahlurin ohne vorherige Reinigung
Uringewinnung ohne weitere Anleitung
In häuslicher Umgebung gewonnene Probe
Harn ist steril!
Problem: Kontamination mit Keimen
der Scheide, Darm, Harnröhre und Haut
Wichtige Aspekte bei der Uringewinnung
Morgenurin
o ≥4h nach letzter Miktion
o Vor AB-Therapie
o Reduktion einer Kontamination durch
Spreizen der Labien
Sorgfältige Reinigung des Meatus urethrae/Glans penis mit Wasser
Gewinnung von Mittelstrahlurin
Invasive Diagnostik
o Schwierigkeiten hinsichtlich einwandfreier Uringewinnung
o Wiederholt unklare Befunde (Mischkulturen, fragliche Leukozyturie)
o Säuglinge und Kleinkinder
Dauerkatheter
o Katheterwechsel vor Probenentnahme
o Nach Desinfektion durch Punktion der vorgesehenen Einstichstelle
Probentransport
Nativharn
o Am besten rascher Transport und Verarbeitung
o Ansonsten Kühlung bei 2 - 8°C (bis zu 24h)
Eintauchnährböden
o KZ kann zum Zeitpunkt der Gewinnung festgehalten werden
o Nur sinnvoll bei Verzögerung des Transports oder der Bearbeitung
o Nachteile
Nur Ausschluß einer Bakteriurie mit ≥104/ml möglich
Häufig fehlerhafte Anwendung (Beimpfung, Restflüssigkeit im
Behälter…)
Keimzahlbestimmung weniger verlässlich
Nicht alle Erreger erfassbar
U.U. aufwändigere Bearbeitung im Labor
Kulturelle Harnuntersuchung
Erreger
Keimzahl
Antibiogramm
Erregerspektrum – labors.at 2016
Erregerspektrum bei Frauen mit unkompl. Zystitis
S-3 Leitlinie 043/044 Harnwegsinfektionen, 2017
Escherichia coli
Enterococcus faecalis
Candida albicans
Pseudomonas aeruginosa
Klebsiella pneumoniae
Enterococcus faecium
Proteus mirabilis
Andere
Escherichia coli
Enterococcus faecalis
Klebsiella pneumoniae
Proteus mirabilis
Staphylococcus saprophyticus
Candida albicans
Pseudomonas aeruginosa
Andere
stationär Prozent
Escherichia coli 37,6
Enterococcus faecalis 19,8
Candida albicans 9,9
Pseudomonas aeruginosa 7,0
Klebsiella pneumoniae 6,1
Enterococcus faecium 5,1
Proteus mirabilis 4,2
ambulant Prozent
Escherichia coli 67,3
Enterococcus faecalis 9,1
Klebsiella pneumoniae 4,4
Proteus mirabilis 3,6
Staphylococcus saprophyticus 2,9
Candida albicans 2,5
Pseudomonas aeruginosa 2,3
stationär ambulant
Erregerspektrum Harne – AKH, 2014
Diagnostische Wertigkeit der Keimzahl
S-3 Leitlinie 043/044 Harnwegsinfektionen, 2017
Infektion versus Kontamination
Hinweise auf Infektion
o Leukozyturie
o KZ > Grenzwerte
o Uropathogene Spezies
o Monokulturen uropathogener Erreger
o Nachweis desselben Keimes in mehreren Proben
Hinweise auf Kontamination
o Wiederholt fehlende Leukozyturie
o Niedrige Keimzahlen
o Mischkulturen von > 2 Keimen
o Nachweis nicht uropathogener Bakterien
o Verschiedene Spezies in mehreren konsekutiven Proben
Therapie
Reichliche Flüssigkeitszufuhr
Warme Sitzbäder
Anticholinergika/Analgetika
Antibiotika o Empirisch
o Nach Antibiogramm
Unterstützende Maßnahmen o Meist im Rahmen der Langzeit-AB-Therapie bei rez. HWI
o Verhaltensempfehlungen
o Laktobazillen-Zufuhr
o Orale/parenterale Immunstimulation
o Phytotherapie (natürliche Antibiotika) z.B.
Kapuzinerkresse
Meerrettich
o Adhäsionshemmung z.B.
D-Mannose
Moosbeeren
Antibiotika-Empfindlichkeit – labors.at 2016
Antibiotika-Empfindlichkeit – labors.at 2016
Therapie der unkomplizierten, akuten Zystitis
Spontanheilungsrate 30-50%
Selten Komplikationen
Symptomatische Therapie (Ibuprofen) vs. Antibiotika o 70 bzw. 80% nach einer Woche beschwerdefrei
Antibiotische Therapie o Raschere Symptom-Besserung
o Vermindert Risiko der Chronifizierung und von Sekundärinfektionen (Pyelonephritis-Risiko 1-2%)
Vorzugsweise orale Kurzzeit-Therapie o „single shot“ oder bis zu 3 Tagen
o Bessere Compliance
o Weniger Nebenwirkungen
o Geringerer Resistenzselektionsdruck
Therapie der unkomplizierten Zystitis
S-3 Leitlinie 043/044 Harnwegsinfektionen, 2017
Aktuelle Referenz