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Der gesetzliche Mindestlohn in der Praxis – erste Erfahrungen und Durchsetzung Veranstaltung der FES NRW am 22. Juni 2015 im Stadtmuseum in Siegburg Dr. Claudia Weinkopf Stellvertretende Geschäftsführende Direktorin des IAQ

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Der gesetzliche Mindestlohn in der Praxis – erste Erfahrungen und

Durchsetzung

Veranstaltung der FES NRW am 22. Juni 2015 im Stadtmuseum in Siegburg

Dr. Claudia WeinkopfStellvertretende Geschäftsführende Direktorin des

IAQ

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Gliederung

• Mindestlohneinführung in Deutschland• Erste Eindrücke und Erfahrungen• Lehren aus anderen Ländern• Fazit und Ausblick

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Vorgeschichte und Ausgangslage

• Tarifautonomie als hohes verfassungsrechtliches Gut in Deutschland – keine staatlichen Eingriffe in die Lohnsetzung– Aber deutlicher Rückgang der Tarifbindung seit Anfang der

1990er Jahre und erhebliche Zunahme von Niedriglöhnen• Gewerkschaften NGG und ver.di forderten als erste die

Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns– Andere Gewerkschaften zunächst eher skeptisch

• Auf politischer Ebene lange Zeit Ablehnung eines gesetzlichen Mindestlohns und allenfalls Bereitschaft für branchenbezogene Lohnuntergrenzen– Unionsparteien und FDP noch im Bundestagswahlkampf 2013

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Niedriglohnanteile in der EU-Ländern und Höhe der durchschnittlichen Entgelte im Niedriglohn-sektor, 2010

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Das Tarifautonomiestärkungsgesetz• Bundesweiter Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde ab 1/2015

– Tarifvertraglich kann bis 31. Dezember 2016/2017 davon abgewichen werden (sofern allgemeinverbindlich)

• Ausnahmen für unter 18-Jährige, Auszubildende, Langzeit-arbeitslose, manche Praktika (und Zeitungszustellung)

• Einrichtung einer Kommission – je drei Vertreter/innen der Sozialpartner, je ein/e wissenschaftliche/r

Berater/in– Empfehlung zur Erhöhung des Mindestlohns alle zwei Jahre (orientiert

an der Steigerung der Tariflöhne)• Erleichterung der AVE und Öffnung des AEntG für alle

Branchen – Vereinbarung höherer Branchenmindestlöhne weiterhin möglich

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Herausforderungen

• Hoher Anteil von Betroffenen– 2012 verdienten nach IAQ-Berechnungen

zwischen 13,6 und 19,7% der Beschäftigten (4,7 bis 6,8 Millionen) weniger als 8,50 € pro Stunde

– Besonders hohe Anteile geringer Stundenlöhne • Ostdeutschland• Gastgewerbe, Landwirtschaft, Handel • Minijobs• Kleinere Betriebe ohne betriebliche Interessenvertretung

• Akzeptanz und Durchsetzung des Mindestlohns in der Praxis

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Erste Eindrücke und Erfahrungen aus der Praxis (1)

• Verbreitete Unsicherheit und Unklarheit– Zahlreiche Anfragen bei den Hotlines von BMAS und DGB –

u.a. auch von Steuerberatungen und Betrieben• Zahlreiche Presseberichte über (legale und illegale)

Tricks zur Vermeidung von Lohnerhöhungen in Folge des Mindestlohns – z.B.– Reduzierung der bezahlten Arbeitszeit, keine Vergütung für

Warte- oder Bereitschaftszeiten– Verrechnung oder Streichung von Zuschlägen, Sonder-

zahlungen oder sonst üblichen Leistungen Folge: Beschäftigte profitieren (ggf. zunächst) nicht

oder nur begrenzt vom Mindestlohn

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Erste Eindrücke und Erfahrungen aus der Praxis (2)

• Hohe Zustimmung zur Mindestlohneinführung in der Bevölkerung

• Spürbarer Rückgang der Zahl der Minijobs seit Anfang 2015

• Kein Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, sondern weitere Zunahme

• Zahl der Aufstocker/innen leicht rückläufig• Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose in der

Praxis ohne Bedeutung• …

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Lehren aus anderen Ländern (1)

• Mindestlohnregelung muss einfach verständlich und bekannt sein bei Beschäftigten und Betrieben– Britische Regierung hat im Vorfeld der

Mindestlohneinführung und auch in den Folgejahren mehrere landesweite Werbekampagnen finanziert

– Auf Umsetzungsprobleme wurde mit Nachsteuerungen und Handlungshilfen reagiert

• Dokumentation der Arbeitszeiten und wirksame Kontrollen sind unerlässlich– Sanktionen müssen schmerzhaft und abschreckend sein – Neuerdings „Naming & Shaming“-Strategien als

flankierende Maßnahme

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Lehren aus anderen Ländern (2)

• Durchsetzung vorenthaltener Mindestlohnansprüche– Meldungen von Verstößen müssen unbürokratisch und auch

anonym möglich sein– Bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche müssen Beschäftigte

unterstützt werden• in Deutschland bislang nicht vorgesehen (nur individueller

Klageweg)• in Großbritannien demgegenüber systematische Unterstützung

durch Compliance Officers der Kontrollbehörde HMRC vor Gericht; darüber hinaus geplant: zeitnahe Voraberstattung von Nachzahlungen durch HMRC + nachträgliche Eintreibung von Zahlungsrückständen bei Betrieben

– In beiden Ländern gefordert, aber bislang nicht vorgesehen: Verbandsklagerecht

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Fazit und Ausblick• Um- und Durchsetzung des gesetzlichen Mindestlohns

als lernenden Prozess begreifen– Nachsteuerungen müssen möglich und erwünscht sein -

angestoßen auch durch Umsetzungserfahrungen auf der Branchenebene

– Individuen, Sozialpartner und betriebliche Interessenvertretungen als Impulsgeber für erforderliche Änderungen

• Wechselwirkungen mit dem Tarifvertragssystem im Blick behalten– Wirksame Eindämmung des Niedriglohnsektors nur durch

Stärkung des Tarifsystems möglich– Mindestlohn als untere Lohngrenze, tarifliche Löhne zur Sicherung

qualifikationsadäquater Vergütungen

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Anhang

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Höhe der Mindestlöhne in der EU in €, 2015

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Relativer Wert der EU-Mindestlöhne, 2010