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8/9/2019 Der Eigene : 1900-01
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8/9/2019 Der Eigene : 1900-01
2/11
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• * .Ende düht erechemir^ÄV***:*'
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. VERTONUNG ;VON ^RICH Ä^bi^ iE(MRE i ^
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GEDiCHT VON f̂CHARD
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Richard Mcletfrelä -
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p^e^^Sä^ |^Abrt ts i t^ tA£^l^^^^^^^ ,
in Königsberg,:an
dem
'21 ..seiner; Ueäer" zuhvV' orträg) ^
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^?'Hümjäri3t^'|s?iJ;^j«^^
Presse einen unumstrittenen^Er/olgi^I)^^
rollen Liedern,
die
sich ras ch weitere.Rre"ise\eröbert ha&nXrtfryiUe'm.frH^gute..
Behandlung der. Stimme,- die.'treffen de,'Dekl a"matlon^di eai^'rec ^e^e-Mel odie','.~,
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^pi^allem; die; g x ^ £ i ^ v & & ^ i
> p r e c t e ^ e ; , M e l o d i e ^ ^ | p ^ ^ |
sowie das
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Gemütvolle' dnd '-%u Herzen"
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Gehfende idel? '.'Köm'pöilUortjan"/ = a|" Dä *^
5
vorliegende Tpnwerk,
das
die. feierliche .Schdrihelt
-fler^
,
.MeWmg^lhU^r^it''
,
*lA.^SiS^M^
grosses Naturgeb et^mit .tiefergreifendei'vlnbruhst'-^InJ^dift^^e-j.de^^Srefji.ij^O-^^F
schmeichelt, wird danh^gewiss dazu; beitragen, dass^e r'^eif achigS äüssSrt Ä j
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Wünsch nach einem Richard Meierireis*Album,-Jn'-deirt aie\bTshe¥^
sowie
die
hoch
un
'.sammelt erscheinen
gedrückten ;Liedef",i:des~ beliefcten' ^fpmpptHs^eh^näi^n^^
, «chi -ba ld
;
; l r i ' 'Et^ung;-ge l^
jJUber
C o Ig'endeVlLfrleirftjSS^a
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Adolf Brand fällt
M.
. jlch bedaure, dass
I nicht in der ' sGese l
dass diese.kleinen J^scheröVIÖfnstwerfce^In^feüe^
'£ Ehren "ihrenL Platz'behaüptetf wurden. 3i>ff© OTcSl^^e 5cfr^e %r5^gff i1^ff^ ^^^
''-'ads Ihrer Feder?
•
gefuriVreb'-häte/'^iberVaScKê IrnictewfetJerv'̂ tfciTihre^ä'ütere
v
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"poetische Schönheit.;-? I>ie/ MnÜc lie^ otef d f ^ ^ u ^
'•
schlägt, is t in'ihrer'persönlichfep ;Nüarlci'rung 'für»5edeh^£emerfü^le^en,'Les'er^
* von onsehätibariem Werte/ürili^e-Erkennmis^der komplizierten" moderheh^Kunstleft»|L
: Veeler' lMe\ gehelmnUrolIe^Natu^
SGedrcäü* fBiit
so
inniger, lauterer" Kraft a1issprfch f^foüsr; aBf^
-titfen Eindruck übenU ^Ihre^NatüVbilder
A
3ind ^vpny-elner vselteneri^-Klarh^if Üri
|~den weichen, schönen Järberi'^n'd;jd",der^flen£üivd doch^d besfömfrite'ri LinieJ.
[.-Ergreifend, sind die tieder, 'dte/wie
;
.ääS Echo' ünierttörbafen i eb en sj »6 - leid vbfl ]
Ctaid doch'ohne Sentimentalität vonvder-Ha^e ;des ~Todef"^lingeii; * Mit Ä^s^"
^
P Zeichnung h ebe ich das Gedi cht j,MorituH* •hervor.,,' Ganz eige ntüm lich berühr^ ?fc3§f
-:.die. Kraft des Geis tes Jn'Vdiesem VOTölut eft^iede' rteüchen.in
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ME 6
H E S A
ADOLF iÖRÄNÖ
f
S «VERLAG
<
ZUR MYSTIK DES NATÜRLICHEN.
Lasst doch die Sinnlichkeit sich ausleben: sie hat alles in
sich vorgesehen,
um
alles wenden
zu
können,
was
sich
in ihr
ausre ifen will. Denn das Vorausgesandte ist ja nur ein Bruch
stück dessen, was das Sinnliche als Darstellungsmittel eines
wachsenden Sinns bedeutet, in welchem es eben die Geschichte
des Sinnbildlichen vorstellt.
Sich ausleben heisst: die Arbeitselemente kennen lernen,
die unsere Giltigkeit zusammensetzen — nicht aber sich gehen
lassen, um gleichgiltig zu werden. Die Ungleichgiltigkeit ist
das Parallelogramm der Kräfte, aus dem unsere Resultante
hervorzugehen hat.
Dieselben Leute, die der Natur ihre Technik verar gen,
wollen auf:die Bedingungen,
auf die
sich ihre Geschäftsinter-
essierth'eit stützt , im Ernstfall keineswegs verzichten. Man müsste
den Spass erleben, dass die Menschen wirklich auf einen Tag
hin alle gut ehrlich und gesund würden: dann würden tausend
gegen einen Seelsorger ehrlich werden
in
ihrem Schmerz
und
bete n: „Herr , lass sie wieder sündigen — und der Jurist würd e
ums Unrecht riehen und die Ärzte noch viel wirksamere Re-
cepte verschreiben oder Anleitungen ausstellen über die Art und
e i se
krank zu werden und es zu bleiben.
»
Unter den Verbrauchsmitteln des grossen We rthaushalts
sind das Naturmindere und Naturwidrige das Allen Offenbare —
und Überallherrschende — weil das Gemeinverständliche, das
DKK
ElCiKNK.
321 — J A N T A K I I K K T l'ldO.
8/9/2019 Der Eigene : 1900-01
3/11
s ich mit Händ en greifen läss t . Es g iebt a ber e ine Ve rbor gen
hei ts lehre , wei l es e in öf fent l iches Geheimnis g iebt : d ie erwachsene
Nat ür l ich kei t Nur wenige s ind auser lesen , den S inn der Na tu r
zu deuten und auf ihm s ich abzu trage n — die meis ten haben
Ohren, um nichts zu hören , und Augen, um nichts zu sehen,
und s ind auf das Rech t ihrer Besch ränkth ei t versessen wie auf
das äussers te Himmelsglück .
»
Ja, d iese Nussknac kerzif fer : d ie Na tur Einzahl in a l lem
Au g en s ch e in Der Au s g an g s f ak to r a l l e r s i ch im W er d en zu
s ammen s e tzen d en R ech n u n g s g r ö s s e Od e r wo h e r wü r d en d i e
Wertunterschiede ihre Vergleichsmöglichkei t nehmen und d ie
s ich zu einer anwachsenden Übers icht verarbei tenden Verhäl tn is
schichten ihre verb indende und zwischen den Gegenübers te l lungen
rangie rende Ins tanz, wenn n icht von einem zu Gru nde l iegen den
Geheimbegr if f : dessen ins Unend liche gerüc kter D urch mes ser
eb en d as Ver b o r g en e b i ld e t : d a s g r o s s e » Un b ek an n te"
*
Dieses grosse „Es" — wir a lle s ind seine "Selbs tvermit te-
lungsmedi .en in auf- und abs teigenden Gleichniswer ten .
* . . .
Die Natur kann s ich im Papierdrachen wie in e iner a lge
braischen Idee ihr Vermit te lungssymbol nehmen, um gegebene
Meh r - o d e r Min d e r b es ch r än k u n g en in ih r e R ich tu n g s k e t t e
lebendig e inzureihen . Da rum is t es ebenso fa lsch von den
Pfaf fen der Freide nkerei , dem Kinde rgeis te ' ) zuzum uten , dass es
Ge dan ken fliegen lasse, wie es falsch ist, wenn die Pfaffen de s
Ki r ch en tu ms d em Er wach s en en zu mu ten , b e im P ap ie r d r ach en
zu b leiben .
*
Das Leben der Zufäl l igen is t gemeine Notwendigkei t , das
Leb en der Untersc heidun gsfähigen und dahe r Wese nt l ichen is t
i d ea l e No twe n d ig k e i t : d i e W i r k u n g s l in i e au s d em Zu s amm en h an g
' ) Die Berücksicht igung der Kindesbedingungen in der Überle i tung macht
eben das Kind zu seinem eigenen Überwinder — und so hoffen wir auch, dass
durch e ine erziehungsgemäss natürl iche Kul tur — nicht aber durch e ine ent -
sinnlichendc urtd gew altthä tige Unnatu r auch die Kindheit der Mensch heit —
und be« ihr einmal endgiltig — überwunden sein wirdl
DK R Kimme
— 322 —
JAMC'AKHKFT
1900.
beider b i ldet d ie F igur des in s ich unterscheidenden und daher
zwischen seinen Ausd rucksge gensätz en rangierende n „Egoismus"
von „Gott" — d. h . se ine a l les zur e igenen Richtungsangelegen
hei t machende Selbs t thät igkei t , an der d ie Einen und d ie Anderen
1
)
je nach ihren Qual i tä ts abs tän den so oder so ihren Antei l hab en:
en twed e r im R ü ck wär t s g ewen d e ten , W id e r l i ch en u n d Gemein en
— o d e r im Vo r wär t s g ek eh r t en u n d R e in e r v e r mi t t e l t en
*
Die Reinervermit te lung des dem Richtungsbegr if f a l les
S e lb s t t r i eb s Näh e r k o m men d en : u n d d i e Ver mi t t e lu n g im Ver
b r au ch s r ah m en d es v o n d e r Na tu r b ed eu tu n g Ab g ek eh r t en u n d
dar in Selbs twid r igen: b i ldet das Ensemble im Regi s ter der
Zw eck weg e, auf denen eben d ie in d ie Mys t ik der Un ermess -
lichkeit r eich end e Sinn völligkeit ihre Giltigkeitsziffer erfüllt
•
Darum braucht es uns um die Natur n icht bange zu sein ,
dass s ie auf a l l ihren Um wege n in jene Höhe ein lenkt , d ie s ie
in unserem Gehirn a ls das bezeichnet , was s ie , a ls wegweisende
Ursache in unserer Taxat ion , wil l , um s ich mit a l lem in ihrer
ers t rebten Gan zbe deu tung auszulösen Wa s uns betr if f t , so helfen
wir , soweit wir unsere Ideal itä tszif fern zur Einrec hnung zu b r ingen
verm ögen, zur Not wen digke i t des Naturg eschehe ns , auf d ie s ich
eben in der Ereignisket te des h is tor ischen Ver laufs jeg l iches
Das e in b e r u f en k an n , e in en h ö h e r en C h a r ak te r an zu n eh men
•
Auf was a lso a l l das zusammenbezogene Widerspiel der
Kräf te h inaus wil l? Auf d ie Blüte des Natür l ichen und d ie
Fruchtzei t der Zukunf t , in der das gemeine Fragment: d ie a l te
Bornier thei t endgül t ig aufgebraucht erschein t , um uns d ie Arbei ts
fernen einer höher s tehenden Polar i tä t an tre ten zu lassen
•
W as also auch noch für kurz oder lange zum V orbe hal t
d e r No tw en d ig k e i t g eh ö r en mag , un d was au ch n o ch in d i e s em
ü b er d i e u n g le i chs t en Ver mi t t e lu n g s b ed in g u n g en g eh en d en G an g
s
) A ls in sich blinde (zufällige) oder in sich unter scheid ungs fähige (ideale)
„Kgoisten
DE R RMIRKK. — 32.» — JA XI'A KIIKF T 1900.
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Wi r s t a n d e n a b e n d s oft allein,
D a n n z w a n g
ich
m i c h :
„es
darf n icht sein "
—
"Wenngleich
ich
a u c h
vor
Durst verg ing
U n d n a c h t s m i c h w a n d
in
Se h n su c h t sq u a l
—
Bis gestern
ich zum
er s ten
Mal
An Deinem Halse h ing .
Ein Jubel fass t mein Her z . Durch beb t
V o n e i n e m Ra u sc h e , nie erlebt,
D r ä n g t w e i t a u f a t m e n d Br u s t an Brust.
Mund wühl t s ich wi ld an M u n d in Gier,
In he isser Brunst . Ich d a n k e Dir
F ü r
so
v ie l L iebes lust
2 1 . S e p t e m b e r
1899.
A n m e i n H e r z
D a s ist nun aus
V e r su n k e n
ist
mein kurzes Glück :
E i n F r ü h l i n g s t r a u m zur Win terze i t .
Mein Herz vere is t ; mein Land beschnei t .
M e i n a r m e s H e r z
Dein Blü ten t raum kehr t nie zurück .
Dir lach te e inst
ein
Sonnenschein .
Z w e i A u g e n h o l d ,
ein
L i p p e n p a a r
V e r s p r a c h e n
Dir auf
i m m e r d a r
Ein Leben vo l le r Sonnenschein .
Der ho lde Mund küsst mich n ich t mehr . — —
Sei s t i l l sei s t i l l das ist nun aus — —
D i e Wi n t e r n a c h t r i n g s
um
mich
her.
Einsam verhal l t mein Schr i t t im Haus.
In se inem Herzen th ron t ein We i b .
Sei still sei s t i l l e inst war er D e i n
Sei still wer weiss , wie bald sein H erz
Sich wieder wendet he imatwär ts ,
U m e w i g D e i n zu se in
Peter Hamecher
DE R
E I G E N E .
— 326 —
JANUARHEFT
1900.
IN DIE FERIEN
E r
war ihr
e inz iger Sohn . Se ine Gesta l t
war
schmach t ig .
Ro te Loc ken bekrän zten se in Ant l i tz . E inst
war es
b lühend ,
r o se n w a n g i g g e w e se n ; j e t z t l a g e r t e Re i f
auf den
müden ,
ab-
g e sp a n n t e n Z ü g e n .
In der
H a n d h i e lt
er
e ine k le ine Reise tasche .
D a s s sie leer , ganz leer war, wusste se ine Mu t ter n ich t .
„ L e b w o h l , " s a g t e er k u r z und se ine k lagenden Augen
ruh ten e inen Augenb l ick f ragend , hof fend , zweife lnd
auf ihr.
A c h , sie v e r s t a n d ihn ja n ich t . Sie mein te es in i h r e r Art so
g u t mit ihm und d o c h . . . . und d o c h . . . . Er liebte sie, weil
e r s ich zwang , sie zu l ieben . E inen na tü r l ichen Zug zu ihr hin
e m p f a n d er ja schon längst n ich t mehr .
S ie war über fünfz ig Jahre alt. Ziemlich hoch gewachsen ,
mit e rnsten , s t rengen Zügen s tand sie vor ihm. Ihr Zie l war
G l ü c k und als We g zum G l ü c k k a n n t e sie nur die mater ie l le
Be f r i e d i g u n g . Der D r a n g n a c h F r e i h e i t , L i e b e , Sc h ö n h e i t war
ih r unverständ l ich .
N o c h ein le tz tes Mal ruh te de r Bl ick des So h n e s auf ihr,
d a n n g i n g er mit l e i c h t e m H ä n d e d r u c k . Er wol l te zu einem
F r e u n d e ,
der auf
Sc h l o s s F r e m d e n b e r g w o h n t e ,
in die
Fer ien .
So h a t t e er ihr g e sa g t .
Die Sonne ne ig te ih re Bahn schon dem H o r i z o n t e zu, als
e r d u r c h die lebhaf ten St rassen der S t a d t dem Bahnho fe en t -
g e g e n g i n g .
In
einzeln en, dunkle n Lo kal en flimmerten schon
d i e G a s f l a m m e n .
In der
Luft
lag ein
e igen tümliches Summen.
O d e r s c h w i r r t e
es nur so in
se inem Kopfe
— Er
dach te n ich t
w e i t e r d a r ü b e r n a c h .
Er war so
u n sä g l i c h m ü d e .
•—
D E R
E I G E N E .
— 327 — '
J A N U A R H E F T
1900.
8/9/2019 Der Eigene : 1900-01
6/11
Der Zug b rauste durch d ie Dunkelhe i t h in .
R a t sc h . . . . r at sc h . . . . ra ts ch
I m m e r z u I m m e r z u
L u f t R u h e S c h l a fe n —
Er fuhr zwei ter Klasse . Es so l lte n ich t wieder vorkommen,
sag te e r s ich . Der K opf lehn te an d ie weichen P o ls te r ; d ie
Aug en sch lössen , d ie Brust hob und senk te s ich . Er a tm ete
schwer, langsam, als ob er einer lästigen Pflicht Genüge leiste.
Bäum e, Wies en , Getre idefe lder , W aldunge n flogen vorüber . Hohl
rasse l te der Zug über e ine hohe Eisenb rücke . Daru n ter e in
g länze nder , go ldene r Sp iegels t re i fen .
Er fand ke ine Ruh e. Je tz t sah er durchs o f fene Fenster
e in schma les , weisses Band g le ich laufend mit dem Bahndamm
den Zug beg le i ten .
Seine Wa nge n g lüh ten ; Schweiss s tand auf se iner St i rne ;
in ihm wühl te d as Fieber . Er sank in d ie Po ls te r z u rück .
Ein Ja hr früher. Au f eben dieser Stra sse eilte ein jun ger
Mann von d re iundz wanz ig Jahren dah in . Es war im Hoc h-
sommer und noch lag der Tau auf den Gräsern und doch war
er schon fünf Stun den unterw egs W en n er anhielt, nahm er
immer e inen zerkn i t te r ten Br ief hervor , durch las ihn hast ig ,
ängst l ich und e i l te dann keuchend wei te r . In dem Br iefe s tan d
f o l g e n d e s :
L i e b e r R o b e r t
Wie gerne wol l te ich , dass ich d iesen Br ief n ie an Dich
hät te abgehen lassen müssen Wie schmerz t es mich , dass
ich Dir wehe tun muss. O wären wir doch mit unsrem frühern
f reundschaf t l ichen Verhäl tn is zu f rieden gew esen ; dann würde
uns das Weh , das unsäg l iche Leid der Trennung erspar t ge-
b l ieben se in Ja , mein l ieber , a rme r Rober t , ich kann Dir
n ich t meh r angehöre n . Du weiss t ja , dass mein Brude r n ie ,
n ie fü r d iese Verb in dung war , und Du w eiss t auch , dass e r es
is t , dem ich a l les , Ausb i ldun g , Erz ieh ung , Na hru ng , kü rz a l les
und jede s zu verdank en habe . Mein Va ter s ta r b , wie ich ein
Kind von zwei Jahren war , und mein Bruder ha t se ine Ste l le
in aufopfernder Weise e ingenommen. W as fü r Gründ e se ine
Abneigung gegen Dich ha t , weiss ich n ich t ; e r i s t ja so ver -
sch lossen . Ab er das weiss ich , dass ich ih m unsäg l ich wehe
D E R E I G E N E — 3 2 8 — J A N U A R H E F T 1 9 00
tun würde , wenn ich Dein We ib zu we rden behar r te . Sieh ,
es ist meine Pflicht, dass ich Dir Dein W or t zu rückgeb e.
Zürne m ir n ich t , mein l ieber Ro be r t ; g laube n ich t , dass
ich Dich nicht geliebt hab e. Du ahns t nicht, wie mir zu
Mute, dass mir das Herz brechen will, wie ich dies schreibe.
Ich kann n ich t meh r Leb e wohl
Emmy.
Er war bewusst los zusammengebrochen , wie er d iese Bot-
schaf t empfangen . W as war sie ihm n ich t gewes en Vate r ,
Mut ter , Bruder , Schwester , a l les fand er in ih r. Aus der Wü ste
seines Daseins, niemand verstand ihn, hatte sie ihn herausgerissen.
Ih r ko nn te e r al l se in Füh len , Den ken , Empf inden anver t rauen .
Sie war so gut, so edel.
.•> Am Ab end h atte er den Brief empfa ngen. Lan ge lag er
gepein ig t , gequäl t , ruhelös auf se inem Lag er . Kein Schlaf
Es konn te , dur f te n ich t se in In ih r sah er ja se ine ganze W el t ,
sein ganzes Selbst, sein ureigenes Ich.
Auf zu ihr ,Sie musste ihn hören . Er wür de sie erweiche n.
Noc h s tanden d ie Lic h tpu nk te an dem schwarzen Himmel ,
a ls er s ich auf den W eg na ch W . m ach te .
Er war am Zusammenbrechen , wie er dor t ankam.
Sie wohnte in e inem hübschen Häu schen m it g rünen Roul eaux
und einem kleinen Balk on. Es wa r ihm, als sähe er ihr liebes
Ant l i tz am Fenster verschwinden , wie er den ängst l ichen Bl ick
in die Höhe richtete.
Die Glocke schr i ll te . . . e r war d angemeldet . —
„Das Fräu le in i s t d iesen Morgen fü r e in paar Tage ver re is t . '
Am späten Abend sank er , d roben im Wäldchen , au f den
rebenbep flanzten H ügel , auf eine Bank . Die Sonne warf ihre
le tz ten Grüsse über d ie We i te h in und d ie Fens ter des Städ tch ens
zu den Füssen des Einsamen s t rah l ten im go ldenen Scheine .
Er w usste n icht mehr , wo er den ganzen T ag h erumgeir r t w ar .
Se in Kopf b rann te und vor den Augen lag g rauer , schwerer
Nebel . Er war e r schöpf t . Er versuch te s ie zu hassen , zu ver -
ach ten . Es g ing n ich t .
Vo r Beiner Seele stand in strah lend er Kla rhei t ihr liebliche s
Bi ld und wenn er es über s ich b rach te , das Zucken se ines He rzens
D E R E I G E N E . — 3 2 9 — J A N U A R H E F T 1 9 0 0 .
8/9/2019 Der Eigene : 1900-01
7/11
niederzukämp fen , so musste e r s ich sagen : „Sie i s t g ross . Sie
ist stä rke r als du "'
Da beschloss er , auch seine Pflicht zu thun und ihr das
Tr ag en ih res Leid es zu er le ich tern , dadurc h , dass e r ih ren W eg
nich t meh r k reuzte . Er r i ss e in Bla t t aus se inem Tas chen buch e
u n d sc h r i e b m i t z i t t e rn d e r H a n d d i e Wo r t e darauf „Ich be
wu nder e , l iebe und verehre Di ch Fa hr wohl " D ann fa l te te e r
das Pa p ie r zusamme n und versch loss es , um es d run ten im
Städ tche n , das schon in näch t l ichem Dunkel lag , der Post zu
Oberge ben . — — — — — — —- — — — —
Na chd em er se in Liebs tes ver lo ren , ha t te d ie We l t fü r ihn
keinen Rei z mehr . Umso nst such te ihn sein Fre und Wil liam bei
ge legen t l ich en B esuchen aufzuhei te rn , zu t rösten , au fzur ich ten .
Er lächel te nur le ise zu a l len Bem ühunge n . De r Schmerz ü ber
den unerse tz l ichen Ver lus t , dazu d ie Qual des Nich tv ers tände n-
werdens von se inen Angehör igen , d ie ihn nur e inen ungenügsamen
Son der l in g nann te n , zers tö r ten se inen Lebe nst r ieb . Er ward
müd e, lebensmüde . Nie man d ahn te , dass schon se i t Mona ten
se in Au ge s ich n ich t mehr zum Sch lafe gesch lossen . Er w urde
b le ich und b le icher und mager te ab . Bei e inem näch t l ichen
Spaziergange , den er nur in le ich ter Kle idung un ternommen,
erkä l te te e r s ich . Er f ing an zu husten . W as kümmer te ihn
das Stech en und Na gen in se iner Bru st ; es war ihm oft e ine
W ohl t a t , Hess es ihn doch eher vergessen , was er genossen , was
h in ter ihm lag .
Bis vor e in paa r W oche n ha t te e r e i fr ig s tud ier t . Nich t wei l
ihm am Stud ium v ie l ge legen wa r ; e r ha t te ja ke in Zie l und ke inen
Zw eck mehr , — so ndern um sich zu zers t reuen . Je tz t war
se ine Kraf t zu En de und er ged ach te d ie Fer ien anzu tre ten .
D i e Fe r i e n .
Schon e ine Stun de war e r un terw egs. E r musste ba ld am
Zie le se in . De r b le iche Glanz des Mon des quäl te ihn . Er sch loss
d a s Fe n s t e r , z o g d e n V o r h a n g u n d sc h l o s s w i e d e r d i e A u g e n .
V o r w ä r t s
Die Masch ine fauch te und z isch te , d ie Wa gen rasse l ten ;
er hör te es n ich t . Ihm war schw erer um s Herz denn je und
doch war es ihm, a ls sp ie le Fre ud e , Hof fnung durch das Bang en
in se iner Brust .
D E R E I G E N E — 3 3 0 — J A N U A R H E F T 1 9 0 0;
Wie der Schaffner seine Karte durchlochte, schüttelte er
bedenk l ich den Kopf be im Anbl ick des Reisenden , dessen ro te
Locke n wir r um s Hau pt wal l ten und un ter dessen Brauen hervor
zwei uns täte , f lackernde Aug en bran nten . An der nächsten
Halte stelle hätte er de n Zug zu verlassen , teilte er dem Fie
bernden mit . — —
Es wa r neun Uh r , a ls Rob er t se ine Fussre ise nach der
Wo hnu ng se ines Fre unde s an t ra t . Der Weg führte grössen te il s
durch Wa ld . Am Himm el e i l ten Wolkenfe tzen dem Mon de
vorbei . Durch s Gehölz s töhn te e in schwüler Wind .
Ro ber t s t r ich s ich mi t der H and über d ie Augen . - E r
t räum te wohl im Gehen . Immer sah er zwischen den Stämm en
etwas Weisses hervor t re ten , das ihm zu winken sch ien und doch
empfand er ke ine Furch t . Ihm war , a ls müsse er d ie Erscheinu ng
kenne n, als geh öre er zu ihr, und leise winkte er ihr wieder zu,
sp rach fast unbewus st : „Auf Wieders ehen " ~
Von Em my hat t e e f lange n ich ts mehr vernommen; dann
war d ie Nach r ich t zu ihm gedru ngen , dass s ie e rk rank t se i .
In den t ie f herabh änge nden Zw eigen der schwarzen Tann en
raschel te es . Am Himmel jag te der Wind , der s ich imme r
starker e rhob , g rosse schw arze Wolkenknäuel vorüber . In der
Ferne g ro l l te es dumpf und mürr isch und in kurzen Zwischen
räumen loh te es he ll au f am Hor izon te . E in Gewit te r nah te . •
R ob er t eilte so ras ch es seine Kräfte erlaubten. In seiner
Brust koch te und b rodel te es zu merkwürd ig . Von se inem
Antl i tze rann der Schw eiss in g rossen Tropfen und doch über f log
ihn ein heftiges Frostgefühl.
Da quoll es zwische n seine Lippe n. Er w ischte sich den
Mund mit se inem weissen Taschen tuche .
Die he l len Sch läge des e isernen Klopfers k langen durch
d ie Hal len des Sch losses Fremdenberg . —
„ Ro b e r t , d u ? Z u d e r S t u n d e ? "
»Ja , Wil l iam. Ich komme zu d i r in d ie Fer ien ."
„Du f iebers t , " sag te Wil l iam, der d ie Han d se ines Fre und es
ergriffen und ihn ins Wohnzimmer geführt hatte.
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„M ir ist nicht re cht w ohl; ich bin so müde u nd in de r
Brust da s t ich ts und b re nn ts und n ag ts . O " —
Er zog se in Tas chen tuch hervor und wisch te s ich den
Schweiss von der St i rne . Das Tuc h war b lu t ig . — —
Rob er t lag in dem Bet te , das ihm se in Fre und angew iesen .
Wil l iam wach te im Nebe nzim mer . E in Gerä usch d ran g aus
Rob er ts Kam me r , e in t ie fes , langes Stöhnen . Als 'W il l iam e in t ra t ,
lag se in Freund mit angstvo l len b le ichen Zügen , e in Tuc h vo r
den Mund gepresst . Blu t s icker te hervor . —
E s g i n g z u E n d e . — —
Wil l iam stand mit se iner weinenden Frau am Bet te des
gel ieb ten Freundes. In der L inken h ie l t Rob er t e in zusam men-
gekn i t te r tes Pap ier , das e r au f das rasch k lopfende Herz p ress te .
Die Rec h te s t reck te e r den be iden an se inem La ge r Stehenden dar .
„Ha bt Dank — Ihr hab t mich — verstand en . — Ich gehe —
in — d ie — Fer ien •
Es war vorüber .
jfcdolf /kttenhofer.
D E R
EI G ENE. — 332
JANUAR H EF T 1900 ,
JESUS UND DIE RELIGION „UNSERER TAGE««
E i n e S t u d ie v on M i c h a e l S a w k a .
(Fortsetzung.)
Das s Jesus n ich t nur von se inen näheren Bekann ten , mi t
welchen er au fgewachsen war und d ie ihn von Kindhei t an
kann t en , mi t Spo t t und Hohn überschü t te t w urde , sondern auch
von se inen Famil ienangehör igen v ie les e rdu lden musste , bezeugen
se ine W or te : „Ein Prop het g i l t n i rgend wenige r , denn in se inem
V a t e r l a n d e u n d i n s e i n e m H a u s e " ( M a t t h . ) ; b e i M a r k u s h e is s t e s :
. . . u n d d a h e i m b e i d e n S e i n e n " . M a r k u s s c h re i b t: » U nd
da es hör ten , d ie um ihn waren (worun te r se ine Mut te r und
Brüder zu vers tehen) , g ingen s ie h inaus und wol l ten ihn ha l ten ,
denn s ie sp rac hen , e r wird von Sinnen komm en." Na ch Johann es
heiss t es : »Und da er a lso zu dem Volke rede te , s iehe , da
stand en se ine Mu t ter u nd se ine Brüder d raussen , d ie wol l ten
mit ihm reden . Er ab er sp rach : W er i s t meine Mut ter und
wer s ind meine Brü der? Und er reckete d ie Ha nd aus über
se ine Jü nge r und sp rach : Siehe , das i s t meine Mut te r und meine
Brü der und Schw estern . . . . " Jesus un terb rach se ine Pred i g t
n ich t ; e r wa r d er Vorwürfe und k le in l ichen St iche le ien über -
d rüss ig und wies se ine Angeh ör igen ab . Nac h Johann es wurde
Jesus von se inen Brüdern verspo t te t .
Tref fen de W or t e über Jesus f indet e in Pr ies ter , Dr . Pau l
W i g a n d
4
) : Jesus von Naz are th , der vor ach tzehn Jahrhund er ten
h ier au f Erd en ge leb t h a t , i s t wahr und wahrhaf t ig e in Mensch ,
e in wirk l icher M ensch nach Leib , See le und Geis t , ganz wie
wir . E r wurde von e inem We ibe gebore n , ha t te unsere wahre
mensc h l iche Natu r , wie er s ie vor fand . Er ha t te se ine Leiden
«) „Das Geheimnis der hl. Dreieinigkeit und der Gottheit Jesu Christi,
r o n D r . P a u l W ig a n d . F r an k fu r t a . M. 1 89 7 , K a rl B r e c h e r t
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Die Bethä t ig i ing wahrhaf ter Hu mani tä t , d ie s i t t l iche Pf l ich t
n iemanden zu ver le tzen , v ie lmehr jedem nach Kräf ten zu he l fen ,
d ie t reue Pf l ich terfü l lung der Wel t und s ich se lbst gege nübe r
in a l len Lag en des Lebens, m ag man nun „re ich und ange sehen"
oder „mühsel ig und be laden
1
' s ein — d a s i s t d i e F o r m d e r
R e l i g i o n u n s e r e r T a g e . U n d j ed e r M en sc h t ra ch te t, d ie
ihm während se ines Leben s besch iede ne Aufga be red l ich nach
seinen besten Krä ften zu erfüllen — deshalb ist kein Me nsch
ohne Rel ig ion Aus übung der mensch l ichen und s i t t l ichen
Pf l ich ten und Geb ote , welc he e ine For deru ng der mora l ischen
Gerech t igkei t i s t — d iese Rel ig ion en tsp r ich t auch vo l l den
G r u n d p r i n z i p i e n d e r L e h r e J e su . „ R e l i g i o n w a r in d e n A u g e n
d es N a z a r e n e r s d i e L i e b e z u m M e n s c h e n u n d d e r
M e n s c h e n u n t e r e i n a n d e r ."" )
G
) Pfarrer Pau l G öh re , der Verfasser des bekannten l iuehes : „Dre i
Monate Fabrikarbeiter , in einer Rede.
(Fortsetzung folgt.)
Verantwortlicher Hodaktcnr:
Adolf Brand-Neurahnsdorf.
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— j A S I A R U E l r 1 0 0 0 .
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Jatirgang 1000 lind in Hnitl^ itgenomm enrr' ~\^ -"" ^-f
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M il d e Seräo.;
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Der Cüettlauf des E ebels^or^ RndiRfp lfng"
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