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Der bivalente V12-Motor des BMW Hydrogen 7 Mit dem V12-Motor der weltweit ersten mit Wasserstoff betriebenen Luxuslimousine, die einen Serienentwicklungsprozess durchlaufen hat, geht BMW einen weiteren Schritt auf dem Weg ins Wasserstoff-Zeitalter. Mit sequenzieller Wasserstoffein- blasung, kombiniert mit der Valvetronic und einer komplexen Betriebsstrategie, ent- wickelt der 6,0-l-Motor ein Drehmoment von 390 Nm und leistet 191 kW. Gleichzeitig unterschreitet er mit deutlichem Abstand die weltweit strengsten Abgasgrenzwerte. ENTWICKLUNG MTZ 06I2007 Jahrgang 68 446 Alternative Antriebe

Der bivalente V12-Motor des BMW Hydrogen 7

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Der bivalente V12-Motor

des BMW Hydrogen 7

Mit dem V12-Motor der weltweit ersten mit Wasserstoff betriebenen Luxuslimousine, die einen Serien entwicklungsprozess durchlaufen hat, geht BMW einen weiteren Schritt auf dem Weg ins Wasserstoff-Zeitalter. Mit sequenzieller Wasserstoff ein-blasung, kombiniert mit der Valvetronic und einer komplexen Betriebsstrategie, ent-wickelt der 6,0-l-Motor ein Drehmoment von 390 Nm und leistet 191 kW. Gleichzeitig unterschreitet er mit deutlichem Abstand die weltweit strengsten Abgasgrenzwerte.

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1 Einführung

Regenerativ erzeugter Wasserstoff hat als kohlenstofffreier Energieträger das größte Potenzial, die individuelle Mobilität kom-mender Generationen zu sichern. Ein wich-tiger Schritt auf dem Weg dahin war die Entwicklung des BMW Hydrogen 7. Hierbei wurde weltweit erstmalig mit einem Pre-mium-Wasserstofffahrzeug der komplette Serienentwicklungsprozess durchlaufen, womit die gleichen hohen Ansprüche wie an alle anderen Serienfahrzeuge der BMW Group gelten.

Der BMW Hydrogen 7 wird in einer auf 100 Einheiten begrenzten Kleinserie produ-ziert. Er soll weltweit von Entscheidungs-trägern und Meinungsführern aus Politik, Wirtschaft und Forschung genutzt werden. Diese sollen für die Technik begeistert wer-den und so dem Übergang in die H2-Mobili-tät und dem Vorantreiben der nötigen In-frastruktur neue Impulse verleihen.

Weil eine flächendeckende Versorgung für monovalente Wasserstofffahrzeuge noch nicht gegeben ist, entschied sich die BMW Group für ein bivalentes Antriebskonzept.

2 Konstruktive Merkmale

2.1 GrundmotorDer Motor basiert auf dem 6,0-l-V12-Ottomo-tor mit Valvetronic und Benzin-Direktein-spritzung aus dem BMW 760i [3], Tabelle.

Zur Beherrschung irregulärer Verbren-nungserscheinungen (Klopfen, Selbstent-flammung, Rückzündung) wurde das Ver-dichtungsverhältnis auf = 9,5 abgesenkt. Dazu wurden die Pleuel um 1,5 mm ver-kürzt und die Kolbenbodengeometrie an-gepasst.

Das Aluminium-Kurbelgehäuse wurde im Bereich zwischen den Zylinderlaufbuch-sen mit Schlitzen versehen, um durch zu-sätzlichen Kühlmitteldurchfluss die Wär-meabfuhr im OT-Bereich gleichmäßiger zu gestalten. Die Abdichtung zum Zylinder-kopf übernimmt eine speziell entwickelte Vierlagen-Metalldichtung.

Die Besonderheiten der stöchiometri-schen Wasserstoffverbrennung im volllast-nahen Bereich, wie die höhere Brennge-schwindigkeit, das geringere „Flame Quen-ching“ und der intensivere Wärmeüber-gang führen im Vergleich zum Benzinbe-trieb zu lokal höheren thermischen und mechanischen Belastungen von Kolben und Ringpaket.

Der neu konstruierte Kolben wurde des-halb für höhere Spitzendrücke (bis 170 bar) ausgelegt, Bild 1. Der von heißen Brenngasen

beaufschlagte Ringnutenbereich wird durch einen Kühlkanal thermisch entlastet.

Bei der Ringabstimmung galt es auch, die Blow-by-Gase so gering wie möglich zu halten, um negative Auswirkungen durch den hohen Wasserstoff- und Wasseranteil im Kurbelgehäuse zu vermeiden. Der Ver-dichtungsring mit 1,2 mm Höhe ist ein Kompromiss zwischen gutem Formfüllver-mögen und mechanischer Robustheit.

Die Blow-by-Gase werden über die Saug-anlage wieder in den Brennraum geleitet. Um Rückzündungen in das Kurbelgehäuse auszuschließen, ist ein zusätzliches Ab-sperrventil in die Zuleitung zur Kurbelge-häuseentlüftung eingebaut. Für den Was-serstoffbetrieb wurden außerdem die Mo-torölqualität und das Ölangebot optimiert.

Wie bei allen Gasmotoren war es wegen der fehlenden Additive notwendig, Ventil-sitzringe und Ventile sorgfältig aufeinan-der abzustimmen. Für die Sitzringe kommt eine speziell entwickelte, verschleißopti-mierte Legierung zum Einsatz.

In Betriebszuständen nahe der Klopf-grenze haben späte Zündwinkel als Reakti-on der Klopferkennung hohe Abgastempe-raturen und eine entsprechend hohe ther-mische Belastung der Auslassventile zur Folge. Diese werden deshalb aus einer hoch-warmfesten Nimonic-Legierung gefertigt. Die Ein- und Auslassventile sind zusätzlich zur Verschleißminimierung gepanzert.

2.2 Wasserstoff – Versorgung und GemischbildungIm Gegensatz zum Benzinbetrieb basiert die Gemischbildung im H2-Betrieb auf ei-ner zylinderselektiven Saugrohreinbla-sung aus einem motornahen Gassammler

Die Autoren

Wolfram Enke ist zuständig für die Me-

chanik-Entwicklung des

BMW-H2-Motors bei der

BMW Group in München.

Manfred Gruber ist Prozessverantwort-

licher für den Antrieb des

BMW Hydrogen 7 bei der

BMW Group in München.

Ludwig Hecht ist verantwortlich für die

Steuergeräte-Entwick-

lung im BMW-Clean-

Energy-Projekt bei der

BMW Group in München.

Bernhard Staar betreut die Applikations-

umfänge im BMW Clean-

Energy-Projekt bei der

BMW Group in München.

Tabelle: Motorkenn-daten des V12-Motors Benzin (Basis) und Bi-Fuel (H2 und Benzin)Table: V12 engine’s key data for petrol (basis) and bi-fuel (H2 and petrol)

Motordaten Benzin Bi-Fuel

Bauart V-12 / 60°

Zündfolge 1-7-5-11-3-9-6-12-2-8-4-10

Hubraum 5972 cm3

Bohrung / Hub 89 / 80 mm

Zylinderabstand 98 mm

Anzahl Ventile 4

Ø Einlassventil 35 mm

Ø Auslassventil 29 mm

Einlassventilhub 0,3 - 9,85 mm

Auslassventilhub 10,3 mm

D Hauptlager 70 mm

D Pleuellager 54 mm

Verdichtung 11,3 : 1 9,5 : 1

Pleuellänge 140 mm 138,5 mm

Kraftstoffqualität ROZ 98 H2 oder ROZ 98

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mit relativ geringem Druckgefälle von 1 bar, Bild 2. Der Überdruck entsteht aus-schließlich durch das Verdampfen von kryogenem Wasserstoff im Tank, eine Was-serstoff-Förderpumpe ist nicht notwendig. Die zum Verdampfen erforderliche Wär-memenge wird dem Motorkühlmittel ent-zogen und über eine elektrische Pumpe geregelt.

Der gasförmige Wasserstoff gelangt über ein elektromagnetisches Druckregelventil (1) und die teilweise flexible Edelstahl-Vor-laufleitung (2) zum motornahen Gassamm-ler (Rail) auf der Sauganlage (3). Aus diesem werden die Einblaseventile (4) gespeist, die den Wasserstoff sequenziell der Ansaugluft zuführen. Die Raildruckregelung erfolgt über Druck- und Temperatursensoren. Da-durch vereinfacht sich die kennfeldgesteuer-te Gasdosierung.

Wasserstoff stellt durch seine Molekül-größe höchste Anforderungen an die Dicht-heit der Kraftstoffanlage. Alle Verschrau-bungen, O-Ring-Dichtungen und Dichtflä-chen am Druckregler und an der Vorlauf-leitung sind deshalb doppelwandig ausge-führt. Eventuell auftretende Leckagen wer-den über einen zentralen H2-Gassensor er-kannt.

Die Aluminium-Sauganlage mit inte-griertem Wasserstoffsammler wird im Sandfeingussverfahren hergestellt. Die ho-hen Dichtigkeitsanforderungen stellen höchste Ansprüche an die Gussqualität.

Die gesamte Wasserstoffversorgungsan-lage ist so ausgelegt, dass sie auch im Crash-Fall dicht bleibt.

Die Dosiergenauigkeit der Einblaseven-tile, Bild 3, hat direkten Einfluss auf die Leer-laufqualität, die Laststeuerung, das Emissi-

onsverhalten und die Verbrennungsstabili-tät. Die Ventilkonstruktion mit radialem Gaseintritt und axialem Austritt bietet opti-male Voraussetzungen zum Schalten großer Querschnittsflächen in kürzester Zeit.

2.3 ZündsystemDas Zündsystem mit ruhender Zündvertei-lung wurde vom Benzinmotor übernom-men. Eine Gleitfunken-Rennzündkerze oh-ne vorstehende Masseelektroden verhin-dert Selbstzündungen im H2-Betrieb. Um die Hotspot-Wirkung zu reduzieren, wurde ein geringerer Kerzen-Wärmewert als beim reinen Benzinmotor gewählt.

2.4 WärmemanagementEine Besonderheit des Wasserstoffbetriebs ist die breite Varianz des Wärmeeintrags zwi-schen stöchiometrischer Verbrennung bei Volllast und magerer Verbrennung in der Teillast. In Verbindung mit dem erhöhten Wasseranteil im Blow-by-Gas werden hohe Anforderungen an das Wärmemanagement des Motors gestellt. Es muss über die Ölkon-ditionierung sicherstellen, dass stets optima-le tribologische Bedingungen herrschen.

An den Kühlmittelkreislauf des Motors ist auch der H2-Wärmetauscher des LH2-Tanks angebunden, Bild 4. Dieser zusätz-liche Kreislauf ist ein selbstregelndes Sys-tem zur Nutzung der Motorwärme für die H2-Druckerzeugung. Ein Regelthermostat hält die Temperatur im Kreislauf auf zirka 50 °C. Die Ansteuerung der Zusatzwasser-pumpe im kleinen Kreislauf erfolgt je nach Wärmebedarf des H2-Wärmetauschers über das Sicherheits- und Tanksteuergerät (siehe Kapitel 4.3), das auch die Systemdiagnose (Einfrierschutz) übernimmt.

3 Funktionale Merkmale

3.1 VolllastDas maximale Drehmoment- und Leistungs-niveau wird bei niedrigsten Emissionen und guten Wirkungsgraden im stöchiome-trischen H2-Betrieb erreicht.

Ein charakteristischer Effekt für die Saug-rohreinblasung von gasförmigem Wasser-stoffs ist jedoch der Füllungsverlust, da im stöchiometrischen Betrieb etwa 30 % der an-gesaugten Luft verdrängt wird. Andererseits wird durch die geringere Masse und die hö-here Schallgeschwindigkeit von H2 auch die Saugrohrdynamik beeinflusst, wodurch sich der Fanggrad verschlechtert. Durch Op-timierungsmaßnahmen wird dieser Effekt teilweise kompensiert. Es musste aber ein Kompromiss zwischen Benzin- und Wasser-stoffbetrieb gefunden werden.

Bild 2: Wasserstoffversorgung des Motors: 1 elektromagnetisches Druckregelventil, 2 teilweise flexible Edelstahl-Vorlaufleitung, 3 motornaher Gassammler (Rail) auf der Sauganlage, 4 EinblaseventileFigure 2: Engine‘s hydrogen supply system: 1 electromagnetic pressure regulating valve, 2 partly flexible stainless steel feed line, 3 intake manifold, 4 injection valves

Bild 1: KühlkanalkolbenFigure 1: Cooling duct piston

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Die Charakteristik der H2-Verbrennung hängt stark von der Gemischzusammenset-zung ab. Bei einem -Wert nahe 1 sinken die Zündenergie und der Vorzündbedarf rapi-de, die Brenngeschwindigkeit und der Gra-dient des Verbrennungsdruckes steigen stark an. Bei stöchiometrischem Gemisch sind der Druckanstiegsgradient und die Brenngeschwindigkeit im Vergleich zu einem benzinbetriebenen Motor deutlich höher. Der Zündzeitpunkt für eine optimale Verbrennung liegt bei zirka 1 °KW vor ZOT.

Im stöchiometrischen Betrieb erreicht der V12-H2-Motor dennoch eine Leistung von 191,2 kW und ein maximales Drehmo-ment von 390 Nm, Bild 5.

3.2 EmissionenIm Wasserstoffbetrieb entstehen keine pri-mären CO2-, CO- oder HC-Emissionen. Le-diglich durch den Ölverbrauch des Motors fallen geringste Mengen HC an, die aber im Dreiwege-Katalysator oxidieren. Die Rest-konzentration im Abgas nach dem Kataly-sator kann vernachlässigt werden.

Als einzig relevante Rohemissionen ist beim H2-Motor die Bildung von Stickoxiden möglich, was auf die bei stöchiometrischer Wasserstoffverbrennung sehr hohen Pro-zesstemperaturen zurückzuführen ist.

Weil H2-Motoren in einem weiten -Be-reich homogen betrieben werden können, ergeben sich durch die weiten Zündgren-zen von H2-Luft-Gemischen (4 bis 76 Vol.-% in Luft) aber völlig neue Perspektiven zur Vermeidung von Stickoxiden – auch ohne Ladungsschichtung. In Betriebsbereichen mit hohem Luftüberschuss ( > 1,8) entste-hen aufgrund der niedrigen Prozesstempe-raturen kaum Stickoxidemissionen.

Im Bereich der maximalen Leistung können bei leicht überstöchiometrischem Gemisch die Stickoxide mit dem geringen Wasserstoff-Überschuss (zirka 1 %) im Drei-Wege-Katalysator reduziert werden. Durch die hohe Reaktionsfreudigkeit des Wasser-stoffs sind Konvertierungsraten von mehr als 99,9 % und damit nach dem Katalysa-tor niedrigste NOX-Restkonzentrationen möglich. Eine modifizierte Katalysator-Beschichtung verbesserte die Konvertie-rungsrate nochmals. Bei -Werten von zir-ka 0,97 ist auch die Restkonzentration von H2 nach dem Katalysator nur noch kleiner als 0,1%, Bild 6.

Bei -Werten zwischen 1 und 1,8 ist der Dreiwege-Katalysator wegen der fehlenden Reaktionspartner unwirksam. Hier ist oh-ne Zusatzstoffe keine effiziente Abgasnach-behandlung möglich. Wegen der sehr ho-hen Stickoxidemissionen und dem einge-schränkten Temperaturfenster führt in

diesem -Bereich auch der Einsatz von NOX-Speicherkatalysatoren nicht zu den ge-wünschten Resultaten.

Der Motorstart erfolgt immer mit Was-serstoff. Somit kann auf verbrauchsinten-sive Aufheizstrategien des Katalysators ver-zichtet werden.

3.3 BetriebsstrategieDie Betriebsstrategie wird in drei Bereiche untergliedert, Bild 7:– Bereich 1: Im oberen Lastbereich wird

der Motor mit = 0,97 betrieben. Die Ab-gasnachbehandlung erfolgt im Drei-

wege-Katalysator durch Reduzierung der Stickoxid-Rohemissionen mit unver-branntem Wasserstoff.

– Bereich 2: Bei niedrigen Lasten wird der Motor mit > 1,8 betrieben. Die mini-malen Stickoxid-Rohemissionen erfor-dern keine Abgasnachbehandlung.

– Bereich 3: Dieser Bereich mit -Werten zwischen 0,97 und 1,8 ist für den Betrieb des H2-Verbrennungsmotors ausgeschlos-sen, da keine wirkungsvolle Abgasnach-behandlung möglich ist.

Dank dieser Strategie unterschreitet der BMW Hydrogen 7 die weltweit schärfsten,

Bild 3: EinblaseventilFigure 3: Hydrogen injection valve

Bild 4: Kühlkreislauf für H2-WärmetauscherFigure 4: Coolant circuit for the hydrogen heat exchanger

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momentan geltenden SULEV-Emissions-grenzwerte um zirka 70 %.

Vom automatischen Umschalten zwi-schen den Betriebsbereichen darf der Fah-rer nichts spüren. Da aber bei einem Um-schaltvorgang bis zu 25 % des Drehmo-ments kompensiert werden müssen, wer-den hohe Anforderungen an die Motorsteu-erung gestellt.

Bereits bei Annäherung an die Umschalt-grenze werden Drosselklappen und Valvetro-nic vorpositioniert. Sobald eine Umschal-tung notwendig ist, verändert die Motorsteu-erung zwischen zwei Arbeitsspielen das Ge-misch. Dabei wird der emissionskritische

-Bereich nicht durchfahren, sondern scharf umgeschaltet. Zur Kompensation des Dreh-momentsprunges wird zeitgleich zum -Wert auch der Zündwinkel verstellt. Außer-dem wird die Drosselklappe nachgeführt, die langsamer als die Gemisch- und Zünd-winkelverstellung reagiert. Parallel zur Be-wegung der Drosselklappe wird über den Zündwinkel das Drehmoment korrigiert, bis

sich die Drosselklappe in der Sollposition be-findet. Der Zündwinkel ist dann wieder im Bereich der optimalen Verbrennung.

3.4 Bivalenter BetriebDer gleichzeitige Betrieb mit H2 und Benzin muss ausgeschlossen werden, was für die Umschaltung zwischen den Kraftstoffen eine besondere Herausforderung darstellt. Der Wechsel kann durch folgende Szenari-en notwendig werden:– manuelles Umschalten durch den Fahrer– automatisches Umschalten bei „Tank

leer“-Erkennung– automatisches Umschalten auf Benzin-

betrieb bei einem möglichen Fehler im H2-System (Backup-Lösung).

Vor dem Umschalten wird vom System überprüft, ob der jeweilige Tankfüllstand und Kraftstoffdruck ausreichen. In diesem Fall schaltet die Motorsteuerung in Zündrei-henfolge nacheinander die Zylinder einer Bank auf den gewählten Kraftstoff um. Dann erfolgt über einen Drehmomentab-

gleich eine Banksynchronisation. Anschlie-ßend folgt analog die zweite Zylinderbank.

3.5 Vermeidung irregulärer VerbrennungenDie Position der Einblaseventile im Saug-rohr trägt entscheidend zur Beherrschung des Betriebsverhaltens des Motors bei. Um eine Rückzündung durch heißes Restgas zu vermeiden, muss gewährleistet sein, dass beim Öffnen des Einlassventils kein brennbares Gemisch, sondern nur Luft am Einlassventil ansteht. Der Wasserstoff muss so ins Saugrohr eingeblasen werden, dass er beim Ladungswechsel vollständig in den Brennraum gesaugt wird.

Undefinierte Gemischzusammensetzun-gen könnten zu irregulären Verbrennungs-erscheinungen führen. Die Einblasung er-folgt daher stets mit einem überkritischen Druckverhältnis, um die Dosiergenauigkeit zu optimieren.

3.6 KlopfregelungDie Grundfunktionen der Klopfregelung sowie die Sensorik stammen vom Benzin-motor. Wegen der höheren Anforderungen durch den Wasserstoffbetrieb mussten die Funktionalitäten aber erweitert und ange-passt werden.

Dies gilt auch für die Filterfrequenzen der Motorsteuerung, weil sich die Geräusch-signatur einer klopfenden H2-Verbrennung von den bekannten Größen im Benzinbe-trieb unterscheidet. Weil der Motor in einem sehr breit gefächerten -Bereich betrieben wird, variieren auch die Klopferkennungs-parameter wie die Filterfrequenz, Klopf-messfenster und Klopfintensität sehr stark.

Wegen der sehr schnellen Verbrennung und des damit verbundenen hohen Druck-anstiegsgradienten im stöchiometrischen Betrieb sind sehr schnelle Erkennungs- und Reaktionszeiten für ein Klopfereignis notwendig.

3.7 KatalysatorschutzfunktionHohe Abgastemperaturen, welche die maxi-mal zulässige Eintrittstemperatur am Kataly-sator überschreiten, erfordern eine Bauteil-schutzfunktion. Da eine Gemischüberfettung bei Gasmotoren keinen Effekt hat, wird im H2-Modus folgende Strategie angewendet: Bei Erreichen der kritischen Abgastempera-tur wird pro Zylinderbank in Zündreihenfol-ge umlaufend jeweils ein Zylinder in den NOX-unkritischen Bereich umgeschaltet. Ist eine stärkere Temperaturabsenkung nötig, wird ein weiterer Zylinder abgemagert. Der damit verbundene Leistungsabfall bewegt sich in der Größenordnung der Schutzfunk-tion im Benzinbetrieb.

Bild 6: NOX-Kennfeld für = 0.97Figure 6: NOX diagrams for = 0.97

Bild 5: Volllast-KurveFigure 5: Full-load characteristic curves

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Bild 8: Funktionsschema Zusatzsteuergerät für Wasserstoff Figure 8: Auxiliary control unit for hydrogen – functional diagram

3.8 Kraftstoffverbrauch und FahrleistungenDer Wasserstoffmotor bietet durch die be-sonderen Eigenschaften des H2-Luft-Ge-misches noch große Potenziale zur Ver-brauchsreduzierung. Im stöchiometrischen Betrieb lassen sich durch die extrem schnel-le Verbrennung hohe thermodynamische Wirkungsgrade erzielen. Die Laststeuerung erfolgt hier aber noch verlustbehaftet durch eine Quantitätsreglung. Hier ver-spricht künftig der verstärkte Einsatz der BMW-Valvetronic weitere Verbesserungen.

Im Magerbetrieb ( > 1,8) läuft der Mo-tor drosselfrei, die Laststeuerung erfolgt durch Qualitätsregelung. Allerdings gehen die Brenngeschwindigkeit und damit der thermodynamische Wirkungsgrad mit magerer werdendem Gemisch stark zu-rück. Ab 4 reicht ein Arbeitsspiel nicht mehr aus, um die Verbrennung vollständig zu beenden. Um auch im Magerbetrieb op-timale Verbrauchswerte zu erzielen, ist ab einem gewissen Luftüberschuss eine Kom-bination aus Qualitäts- und Quantitätsre-gelung notwendig.

Die Reichweite im Wasserstoffbetrieb beträgt rund 200 km.

Der BMW Hydrogen 7 mit Sechsgang-Automatikgetriebe beschleunigt von 0 auf 100 in 9,5 s. Die Höchstgeschwindigkeit ist elektronisch auf 230 km/h begrenzt.

Im Fahrzeug stellt sich ein Wasserstoff-verbrauch von 3,6 kg/100 km ein. Das ent-spricht einem Benzinäquivalent von zirka 13 l/100 km. Durch die thermodynami-schen Vorteile und den großen Bereich der drosselfreien Laststeuerung ergibt sich ge-genüber dem Benzinbetrieb (13,9 l/100 km) ein Verbrauchsvorteil.

Weitere erhebliche Verbrauchspotenzi-ale ließen sich durch eine monovalente Auslegung des Motors auf reinen Wasser-stoffbetrieb erschließen.

4 Steuergeräte

4.1 Software-Entwicklung MotorsteuerungAls Basis für die neue Software dienten be-reits existierende Entwicklungen und Funktionen. Darauf aufbauend wurden die Funktionen für Wasserstoff und den biva-lenten Betrieb mit lastneutralen Wechseln zwischen den Betriebsarten Benzin und H2 entwickelt.Innovationen im Projekt:– allgemeine Funktionen für den Betrieb

des Wasserstoff-Verbrennungsmotors– Funktionen für den bivalenten Betrieb

und den Abgleich zwischen den Be-triebsarten Benzin und Wasserstoff

– spezielle Momentenstruktur für Wasser-stoff

– Wasserstoff Raildruck-Regelung– Berechnung der Einspritzzeiten aus der

relativen Kraftstoffmenge für Wasserstoff– Realisierung der momentenneutralen

Betriebsarten-Umschaltung (Benzin/ Was-serstoff) in allen Lastpunkten

– Wasserstoff Fett-Betrieb ( = 1)– Wasserstoff Mager-Betrieb ( > 1,6)– Umschaltung zwischen Mager/Fett-Betrieb– Abgastemperaturbegrenzung Wasserstoff– Klopfregelung für Wasserstoff – Rückzündungserkennung– Sicherheitskonzept analog VDA für Was-

serstoff– Beschleunigungsüberwachung im H2-

Magerbetrieb– Diagnosen für Wasserstoffbetrieb.

4.2 Zusatz-Steuergerät für WasserstoffDer V12-Benzinmotor des BMW 760i hat zwei Zylinderbänke mit je sechs Benzin-Hochdruck-Einspritzventilen, die von zwei Zusatz-Steuergeräten angesteuert werden, Bild 8. Der bivalente V12-Motor wurde um

Bild 7: Betriebsstrategie mit -Sprung Figure 7: Operating strategy with leap

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Page 7: Der bivalente V12-Motor des BMW Hydrogen 7

sechs H2-Einblaseventile je Bank sowie um einige Sensoren erweitert. Deshalb war es notwendig, ein Zusatz-Steuergerät für den Wasserstoffbetrieb zu entwickeln.

4.3 Sicherheits- und Tank- SteuergerätUm sämtliche Funktionen der H2-Versor-gung, die Überwachung der H2-Sicherheit im Gesamtfahrzeug sowie den Anzeige- und Bedienfunktionen abzudecken, wurde ein weiteres Steuergerät entwickelt. Um den höchsten Sicherheitsstandards zu ent-sprechen, erfolgte die Softwareentwick-lung in Anlehnung an IEC61508 SIL3.

Zu den Hauptfunktionen des Steuergeräts gehören neben der Steuerung der Betriebsart (Benzin/H2) und Betankung auch die H2-Ver-sorgung, die Druckregelung im Tank wäh-rend der H2-Entnahme, die Reichweitenbe-rechnung sowie Sicherheits-, Überwachungs-, Diagnose- und Wartungsfunktionen.

5 Zusammenfassung

Der BMW Hydrogen 7 hat alle notwendigen und üblichen Schritte eines Serienentwick-lungsprozesses durchlaufen. Die Besonder-heiten des Wasserstoffs wurden dabei be-

rücksichtigt. Parallel waren zunächst die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen wie– Schulung der am Projekt beteiligten

Mitarbeiter– Qualifizierung und Ausstattung der

Werkstätten– Integration in die Fertigungsabläufe der

Werke– Einrichtung von H2-Motoren- und Kom-

ponentenprüfständen– Schaffung der H2-Infrastruktur an den

verschiedenen Erprobungsstandorten.Insgesamt konnte der Nachweis der Indus-trialisierbarkeit eines Fahrzeugs mit was-serstoffbetriebenem Verbrennungsmotor erbracht werden. Die Produktion erfolgt auf denselben Fertigungseinrichtungen wie für Benzinmotoren. Alle Qualitäts- und Sicherheitsvorgaben werden in identischer Weise erreicht.

Somit steht das Know-how für die Ent-wicklung und Fertigung wasserstoffbetrie-bener Verbrennungsmotoren durchgängig zur Verfügung.

Das unwesentlich höhere Motorgewicht (<10 %) ist mit einem monovalenten Kon-zept kompensierbar. Die Herstellungskos-ten eines monovalenten Antriebs erreichen

bei entsprechender Stückzahl das Niveau eines Benzinmotors.

Höhere spezifische Leistungen sind durch Aufladung oder/und Direkteinblasung mög-lich. Der Nachweis dafür wurde bereits an Vollmotoren am Prüfstand erbracht.

Auch wenn der BMW Hydrogen 7 hin-sichtlich der Fahrleistungen nicht mit dem BMW 760i vergleichbar ist, beweist er doch, dass nachhaltige Mobilität und die sprich-wörtliche Freude am Fahren einander nicht ausschließen.

Literaturhinweise[1] Kiesgen, G.; Klüting, M.; Bock, C.; Fischer, H.:

The new 12-cylinder hydrogen engine in the 7 series:

The H2 ICE age has begun. SAE 2006

[2] Klüting, M.; Kiesgen, G.; Berger, E.; Rottengruber, H.:

Hydrogen powertrain development for powerful,

efficient and clean vehicles. NHA 2006

[3] Jägerbauer, E.; Fröhlich, K.; Fischer, H.: Der neue

6,0-l-Zwölfzylindermotor von BMW. In: MTZ 64 (2003),

Nr. 7-8, S. 546 ff.

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For an English version of this article, see MTZ Worldwide.

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