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TECHNOLOGY LAW UNI WIEN 2006 1 Der „New Approach“ zur Bewältigung von Komplexität und Dynamik der Technologie DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha

Der „New Approach“ zur Bewältigung von Komplexität und ...techlaw.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/inst_unternehmensrecht/...2 TECHNOLOGY LAW UNI WIEN 2006 Inhalt Technologie

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TECHNOLOGY LAW UNI WIEN 20061

Der „New Approach“ zur Bewältigung von Komplexität und Dynamik der Technologie

DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha

TECHNOLOGY LAW UNI WIEN 20062

Inhalt

Technologie und Recht – ein SpannungsfeldDer europäische „New Approach“ als ein bewährtes Instrument der Co-RegulierungGlobalisierung von Technologierecht: das WTO-Abkommen über technische HandelshemmnisseLegitimität und Bedeutung von „Standards“ als „soft law“

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Inhalt

Technologie und Recht – ein SpannungsfeldDer europäische „New Approach“ als ein bewährtes Instrument der Co-RegulierungGlobalisierung von Technologierecht: das WTO-Abkommen über technische HandelshemmnisseLegitimität und Bedeutung von „Standards“ als „soft law“

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Technologie - Komplexität

Impact assessmentInterdisziplinaritätAlternativ-TechnologienGlobalisierung der TechnologienMaximale Sicherheit versus wirtschaftliche MachbarkeitSicher versus „innovation-receptive“

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Technologie - Dynamik

Immer kürzere ProduktlebenszyklenInnovationen und „time-to-market“Technische und wirtschaftliche DynamikTechnologie-Recht als Wirtschaftsrecht

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Entzieht sich die Technologie der Regelung durch Gesetze?

„Wenn der Staat es nicht regeln kann, dann soll er es lassen“….?

Legitimität und Kompetenz

Globalisierung des Technologie-Rechts?

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Alternativen zu gesetzlicher Regelung

Offenheitdes Verfahrens

Status des Dokuments

Obergrenze Kosten/Zeit

Vorschriften(Gesetze.....)

Nic

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lich

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NormenStandards

Öffentlich verfügbareSpezifikationen

Informativ Empfehlung qualifizierteEmpfehlung

Verweis auf Normen

verbindlich

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Charakteristika von „Normen/Standards“

(Technische) Spezifikationfür jedermann zugänglichunter Mitarbeit und im Konsens aller interessierten Kreise erstelltberuht auf abgestimmten Ergebnissen von Wissenschaft, Technik und Praxiserstrebt größtmöglichen Nutzen für die Allgemeinheitist von anerkannter Normungsorganisation zur allgemeinen und wiederkehrenden Anwendung angenommenEinhaltung nicht zwingend vorgeschrieben

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Abfallwirtschaft | Akustik | Arbeitssicherheit | Baukonstruktion | Bauplanung | Bauprodukte | Bauprojektmanagement |

Baustoffe | Bautechnik und Bauleistungen | Bauvertragswesen | Bauwirtschaftswesen | Behindertenhilfen | Bergbau |

Biotechnologie | Bodenschutz | Brandschutzwesen | Bürotechnik | Chemie | Dienstleistungen | Druckgeräte | Energiewirtschaft | Erdöl |

Fahrzeugbau | Freizeiteinrichtungen | Gesundheitswesen | Gummi | Handwerkerarbeiten | Haustechnik | Hebezeuge | Heizung |

Hoch- und Tiefbau | Holz | Informationsverarbeitung | Kunststoffe | Land- und Forstwirtschaft | Lebensmitteluntersuchung |

Luft- und Raumfahrt | Luftreinhaltung | Lüftung | Maschinenbau & Anlagenbau | Medizintechnik | Metalle | Möbel | Physik | Postwesen |

Prüfwesen | Qualitätsmanagement | Risikomanagement | Schweißtechnik | Spielzeug | Stahl | Strahlenschutz | Textilwesen |

Transportwesen | Umweltmanagement | Umweltschutz | Verdingungswesen | Vergabewesen | Verkehrsbauwerke |

Vermessungswesen | Wasser- und Abwasserbau | Wasserschutz | Werkstoffprüfung | Wertanalyse | Zertifizierungswesen

Normen von A bis Z

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Normen/Standards als Ergänzung des Rechts

Privatrecht

Parteienvereinbarung(zB technische Spezifikation von Leistungen)

Vertragsauslegung(Verkehrssitte, Handelsbrauch)

Sorgfaltsanforderungen (Verschulden), relevant insbesondere in Schadenersatzprozessen

Öffentliches Recht

Verbindlicherklärung von Normen in Gesetzen, Verordnungen, Bescheiden

Exklusiver/indikativer VerweisStarrer/gleitender Verweis

Interpretation unbestimmter Rechtsbegriffe zB „Stand der Technik“, „allgemein anerkannte Regeln der Technik“, „anerkannter Stand der Technik“

TECHNOLOGY LAW UNI WIEN 200611

Inhalt

Technologie und Recht – ein SpannungsfeldDer europäische „New Approach“ als ein bewährtes Instrument der Co-RegulierungGlobalisierung von Technologierecht: das WTO-Abkommen über technische HandelshemmnisseLegitimität und Bedeutung von „Standards“ als „soft law“

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„Co-Regulierung“ und „New Approach“

Gesetzgeber setzt (nur) einen Rahmen

New Approach (und Global Approach) 1. Council Resolution of 07.05.1985, 'New Approach to

technical harmonization and standards' 2. Council Resolution of 21.12.1989 Global Approach

to certification and testing3. Council Decision 93/465/EEC general guidelines and

detailed procedures for conformity assessment thatare to be used in New Approach directives

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„New Approach“ („Neue Konzeption“)

Richtlinien beschränken sich auf die Harmonisierung dergrundlegenden Anforderungen

Verweis auf Normen (bleiben freiwillig!)(harmonisierte Normen = technische Spezifikationen, welche die grundlegenden Anforderungen näher ausführen)

Konformitätspolitik:Konformitätsvermutung bei normkonformen Produkten

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Mehr als 20 Richtlinien nach „New Approach“, zB

AufzügeBauprodukteDruckgeräteGasgeräteMaschinensicherheitMedizinische GerätePersönliche SchutzausrüstungenSeilbahnenSpielzeugSportboote

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„wesentliche Anforderungen“

legen die notwendigen Elemente für den Schutz des öffentlichen Interesses fest

Einhaltung der wesentlichen Anforderungen ist obligatorisch (nur Produkte, die diese erfüllen, dürfen in Verkehr gebracht bzw. in Betrieb genommen werden)

Anwendung der wesentlichen Anforderungen abhängig von den vom jeweiligen Produkt ausgehenden Gefahren

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Das Beispiel „Seilbahnrichtlinie“

KAPITEL IISICHERHEITSBAUTEILE

Artikel 5(1) Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, damit

Sicherheitsbauteile- nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie dazu beitragen, dass Anlagen, in die sie eingebaut werden, die grundlegenden Anforderungen nach Artikel 3 Absatz 1 erfüllen; - nur in Betrieb genommen werden, wenn sie dazu beitragen, dass Anlagen, in die sie eingebaut werden, die Sicherheit und Gesundheit von Personen und gegebenenfalls die Sicherheit von Gütern bei sachgemäßem Einbau und sachgemäßer Wartung sowie bestimmungsgemäßem Betrieb nicht gefährden können.

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Die grundlegenden Anforderungen nach Artikel 3 Absatz 1

Artikel 3(1) Anlagen und ihre Infrastruktur, Teilsysteme sowie Sicherheitsbauteile einer Anlage müssen die auf sie anwendbaren,in Anhang II genannten grundlegenden Anforderungen erfüllen.(2) Entspricht eine nationale Norm, die zur Umsetzung einer harmonisierten europäischen Norm dient, deren Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden ist, den grundlegenden Anforderungen nach Anhang II, so wird bei entsprechend dieser Norm hergestellten Anlagen und ihrer Infrastruktur, Teilsystemen sowie Sicherheitsbauteilen einer Anlage davon ausgegangen, dass sie den betreffenden grundlegenden Anforderungen genügen.

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ANHANG II GRUNDLEGENDE ANFORDERUNGEN

…2.4. BemessungDie Anlage, die Teilsysteme sowie alle Sicherheitsbauteile müssen so bemessen, geplant und ausgeführt werden, dass sie allen vorhersehbaren Belastungen - auch außer Betrieb - mit ausreichender Sicherheit standhalten, wobei insbesondere äußere Einflüsse, dynamische Lasten undErmüdungserscheinungen zu berücksichtigen sind und dem Stand der Technik Rechnung zu tragen ist. Dies gilt auch für die Wahl der Werkstoffe.

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ANHANG II GRUNDLEGENDE ANFORDERUNGEN

…2.5. Montage2.5.1. Die Anlage, die Teilsysteme sowie alle Sicherheitsbauteile müssen so geplant und ausgeführt werden, daß Montage und Einbau sicher durchgeführt werden können.2.5.2. Die Sicherheitsbauteile sind so zu planen, dass Montagefehler entweder konstruktiv oder durch geeignete Kennzeichnung der Sicherheitsbauteile verhindert werden.

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ANHANG II GRUNDLEGENDE ANFORDERUNGEN

….2.6. Ausfallsicherheit der Anlage

2.6.1. Die Sicherheitsbauteile müssen so geplant und ausgeführt werden und verwendet werden können, dass ihre eigene Funktionssicherheit und/oder die Sicherheit der Anlage entsprechend der in Anhang III genannten Sicherheitsanalyse in jedem Fall mit einem angemessenen Sicherheitsfaktor nachgewiesen und ihr Ausfall dadurch höchst unwahrscheinlich ist.

…..daß bei ihrem Betrieb für jeden Ausfall eines Bauteils, durch den auch nur indirekt die Sicherheit beeinträchtigt wird, rechtzeitig eine geeignete entsprechende Maßnahme getroffen wird.

TECHNOLOGY LAW UNI WIEN 200621

„harmonisierte Normen“

„harmonisierte Normen“ = Europäische Normen, die von europäischen Normungsorganisationen aufgrund eines von der Kommission nach Anhörung der Mitgliedstaaten erteilten Mandatesin Ergänzung einer Richtlinie erarbeitet wurden

TECHNOLOGY LAW UNI WIEN 200622

Einige Beispiele

ÖNORM EN 1709:2005 01 01 Sicherheitsanforderungen für Seilbahnen für den Personenverkehr - Erprobung, Instandhaltung, BetriebskontrollenÖNORM EN 1908:2005 01 01 Sicherheitsanforderungen für Seilbahnen für den Personenverkehr – SpanneinrichtungenÖNORM EN 1909:2005 07 01 Sicherheitsanforderungen für Seilbahnen und Schleppaufzüge des Personenverkehrs - Räumung und BergungÖNORM EN 12385-9:2003 04 01 Drahtseile aus Stahldraht -Sicherheit - Teil 9: Verschlossene Tragseile für Seilbahnen zum Transport von Personen

TECHNOLOGY LAW UNI WIEN 200623

Konformitätsvermutung

Veröffentlichung der Fundstellen (Nummer, Titel) harmonisierter Normen im EG-Amtsblattharmonisierte Norm - Vermutung der Konformität mit den wesentlichen Anforderungen der RichtlinieNorm bleibt weiterhin freiwilligkeine systematische Prüfung des technischen Inhaltsder Norm durch Kommission oder Ständigen Ausschuss (aber: Anfechtung möglich)

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Die CE-Kennzeichnung

bedeutet Übereinstimmung eines Produkts mit den wesentlichen Anforderungen einer/mehrerer EU-Richtlinie(n) wendet sich nur an die staatliche MarktaufsichtZeichen der Erklärung des Herstellers/Importeurs, dass er alle relevanten EU-Richtlinien einhältin Eigenverantwortung des Herstellers/Importeursist Voraussetzung für das In-Verkehr-Setzen eines Produkts im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)

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Die CE-Kennzeichnung

ist kein Qualitätszeichenist kein Normkonformitätszeichenist kein Zertifizierungszeichen(kann daher weder vergeben noch entzogen werden!)bedeutet die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriftensteht für unterschiedliche Inhalte, je nach EU-Richtlinie

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Inhalt

Technologie und Recht – ein SpannungsfeldDer europäische „New Approach“ als ein bewährtes Instrument der Co-RegulierungGlobalisierung von Technologierecht: das WTO-Abkommen über Technische HandelshemmnisseLegitimität und Bedeutung von „Standards“ als „soft law“

TECHNOLOGY LAW UNI WIEN 200627

WTO Abkommen über TechnischeHandelshemmnisse (Technichal Barriers to Trade)

(Annex: WTO Code of Good Practice for Standardization)

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WTO TBT: Standards als Vorgabe für den Gesetzgeber

2.4 Where technical regulations are required and relevant international standards exist or their

completion is imminent, Members shall use them, or the relevant parts of them,

as a basis for their technical regulations except when such international standards or relevant parts

would be an ineffective or inappropriate means for the fulfilment of the legitimate objectives pursued, for instance because of fundamental climatic or geographical factors or fundamental technological problems.

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Inhalt

Technologie und Recht – ein SpannungsfeldDer europäische „New Approach“ als ein bewährtes Instrument der Co-RegulierungGlobalisierung von Technologierecht: das WTO-Abkommen über technische HandelshemmnisseLegitimität und Bedeutung von „Standards“ als „soft law“

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Grundprinzipien der Normung

Neutrale GemeinschaftsarbeitOffenheit und Transparenz –Einbindung aller betroffenen und interessierten Kreise

KonsensÜberzeugen statt überstimmen – allgemeine Zustimmung, keine Widersprüche gegen wesentliche Inhalte des Dokuments.Ö: Einstimmigkeit; Europa: qualifizierte Mehrheit

Kohärenz Widerspruchsfreiheit und Einheitlichkeit des Normenwerks auf nationaler und auf europäischer Ebene. Nationale Normen, die Europäischen Normen widersprechen, werden zurückgezogen.

PublizitätJeder Normenentwurf wird zur Stellungnahme durch die Öffentlichkeit aufgelegt

TECHNOLOGY LAW UNI WIEN 200631

Nationale Normen

Von allen „stakeholdern“ erarbeitetÖffentliches StellungnahmeverfahrenEinstimmige AnnahmeÖNORM xxxx, DIN xxxx …

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Europäische Normen – ENs

ident in allen EU- und EFTA-StaatenÖNORM EN xxxx, DIN EN xxxx …

erarbeitet in Technischen Komitees TCs desEuropäischen Komitees für Normung CENMitwirkung von Delegierten aus den nationalen Fachgremien („Spiegelgremien“)Übernahme verpflichtend -> widersprechende nationale Normen werden zurückgezogen

TECHNOLOGY LAW UNI WIEN 200633

Stimmgewichte

Deutschland 29Frankreich 29Italien 29UK 29

Spanien 27Polen 27

Niederlande 13

Belgien 12Griechenland 12Portugal 12Tschech.Republik 12Ungarn 12

Luxemburg 4 Estland 4Lettland 4Slowenien 4Zypern 4

Island 3Malta 3

ÖSTERREICH 10Schweden 10Schweiz 10

Dänemark 7Finnland 7Irland 7Norwegen 7Litauen 7 Slowakei 7

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Internationale Normen – ISO

erarbeitet in Technischen Komitees TCs der International Organizationfor Standardization ISOMitwirkung von Delegierten aus den nationalen Fachgremien aus aller WeltÜbernahme nicht verpflichtendZahlreiche ISO-Normen sind zugleich ENs -> zB ÖNORM EN ISO 9001

TECHNOLOGY LAW UNI WIEN 200635

Bewältigung von Komplexität und Dynamik der Technologie durch „Co-Regulation“

„Standards“ als demokratisch legitimierte Regeln ergänzen den rechtlichen Rahmen

„Standards“ als nicht ausschließlicher Weg, den rechtlichen Rahmen zu erfüllen (Rechtssicherheit, aber keine Innovationshemmung)

„Standards“ leichter harmonisierbar als unterschiedliche nationale Gesetze

„Standards“ rascher anpassbar an „state of the art“

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Nützliche LinksEinstiegsinformation über www.help.gv.at

(„für UnternehmerInnen/für Bürgerinnen“ – „Normen“)

Österreichisches Normungsinstitut (ON) www.on-norm.at

Europäisches Komitee für Normung (CEN) www.cenorm.be

Internationale Organisation für Normung (ISO) www.iso.org

www.newapproach.org informiert über New Approach-Richtlinien, harmonisierte Normen, notifizierte Stellen