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Dokumentation über das Thema "Depression im Sport" in Bezug auf das Rahmenthema "Soziale Gerechtigkeit in einer Globalisierten Welt"
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Vorwort
Durch den tragischen Suizid von Robert Enke im Spätjahr 2009, der wohl jeden
Deutschen schockierte, wurde ich auf das Thema Depression im Sport aufmerksam und
mein Interesse wurde geweckt. Auf der einen Seite, weil ich verstehen wollte, was in
Enke vorging; auf der anderen Seite aber auch, weil mich die Frage nach sozialer
Gerechtigkeit im Sport schon länger beschäftigte.
Ich danke hiermit vor allem meiner Familie, die mich bei der Produktion meiner
Dokumentation, tatkräftig wie moralisch, unterstützt hat.
Einleitung
Durch den auf Depressionen basierenden tragischen Suizid Robert Enkes am 10.
November 2009, wurde europaweit eine Diskussion über den psychischen Druck, der im
Leistungssport auf den Akteuren lastet, in Gang gesetzt. Ein psychischer Druck, der vor
allem auch durch die Globalisierung und dem dadurch entstandenem internationalem
Interesse auf eine neue Stufe gehoben wurde, nicht zuletzt durch den neuen
Wirtschaftsfaktor “Sport”, der durch ebendieses internationale Interesse sehr gewachsen
ist.
Die zentrale Frage, die sich im Zusammenhang mit dem Leitthema “Soziale
Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt” stellt, ist: Gibt es im Leistungssport überhaupt
eine Art soziale Gerechtigkeit?
Auf den folgenden Seiten werden diese und andere damit zusammenhängende Fragen
erörtert und versucht zu beantworten. Ergänzend dazu wird auf die Krankheit der
Depression näher eingegangen und untersucht, wie Depressionen behandelt werden
und was sie überhaupt sind. Des weiteren werden die Ergebnisse einer Studie zu der
Sportler-Psyche der Universität Tübingen in Bezug auf die Frage der (fehlenden)
sozialen Gerechtigkeit analysiert und bewertet. Außerdem wird bearbeitet, inwiefern die
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Globalisierung Einfluss auf den psychischen Druck, der auf die Sportler ausgeübt wird,
nimmt. Unter anderem wird auch der Fall “Sebastian Deisler” behandelt und ein von ihm
gegebenes Interview mit der ‘Zeit’ genauer untersucht und auf den Druck der
Öffentlichkeit auf die menschliche Psyche hin bezogen.
Schließlich wird ein Projekt des österreichischen Bundeslandes Steiermark vorgestellt,
das vor allem Sportlern psychotherapeutische Maßnahmen anbietet.
Hauptteil
1. Der Fall “Robert Enke”
Am 10. November 2010, unweit von seinem Wohnort Empede, beging der damalige
Torhüter des Fußballvereins Hannover 96 und des deutschen Nationalteams im
niedersächsischen Eilvese Selbstmord, indem er sich vor einen Zug warf.
Robert Enke litt unter starken Depressionen, wie sein Psychologe, Dr. Valentin
Markser, öffentlich ausführte. Diese Depressionen waren auch ursächlich für seinen
Selbstmord.
Doch woher kamen diese Depressionen?
Um diese Frage zu beantworten, muss man zurück ins Jahr 2003. Laut seines
Therapeuten, traten hier seinerzeit die ersten Symptome auf. Damals bekam er seine
ersten Dämpfer in seiner Karriere:
Beim FC Barcelona wurde er nach einem desaströsen Spiel nicht übernommen und
nachdem er in Istanbul (Fenerbahce) nach seinem missratenem Debüt von den Fans
mit diversen Gegenständen, wie Flaschen und Feuerzeuge, beworfen wurde, löste er
seinen Vertrag auf.
Darauf begab sich Robert Enke in psychotherapeutische Behandlung bei Dr. Markser,
welcher später bestätigte, dass Enke unter “Versagensängsten” gelitten hatte.
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“Problematisch an Depressionen ist, dass sie nicht geheilt werden können - sie können
nur kontrolliert werden.” (Dr. Markser). Es war also nur eine Frage der Zeit, bis die
psychischen Probleme Robert Enkes erneut auftreten.
2009 als Enke an einem Virus erkrankte, deshalb ein viertel Jahr für seinen Verein nicht
spielen konnte und auch in der Nationalelf nicht mehr seine Position gesichert hatte,
erlitt er einen Rückschlag, aufgrund sportlicher sowie familiärer Probleme, und begab
sich erneut in Behandlung - lehnte jedoch eine Therapie ab.
Niemandem erzählte er von seinen erneuten Depressionen, nur seine Frau und sein
Therapeut wussten Bescheid. Jedoch hatte er auch seinen Therapeuten getäuscht,
indem er ihm glaubhaft klarmachte, dass er keinerlei Selbstmordgedanken habe.
Dass diese Versagensängste, die er aufgrund des enormen Drucks der Öffentlichkeit nie
publik machen konnte, sein Todesurteil waren, ist sehr wahrscheinlich, da er sich in
seinem Abschiedsbrief bei seiner Frau und seinem Therapeuten dafür entschuldigte, sie
im Stich gelassen und getäuscht zu haben.
Außerdem wird an der kurzen Zusammenfassung der negativ einschneidenden
Momente in der Karriere des Vorbilds für viele Kinder und Jugendliche deutlich, dass
diese Versagensängste ebenfalls durch die Reaktion der Öffentlichkeit auf sein
Versagen begründet sind.
Robert Enke wurde in den Momenten seines Versagens menschenunwürdig behandelt,
wie zum Beispiel als er in Istanbul von den eigenen Fans mit Gegenständen beworfen
wurde.
Hier schließt sich der Kreis, wenn man fragt: Wo ist das Sozialverhalten der
Öffentlichkeit?
Oder anders: Wo ist hier die soziale Gerechtigkeit?
2.1.Was ist eine Depression?
Um besser zu verstehen, was in Robert Enke vor seinem Tod vorging, wird nun
zunächst einmal ausgeführt, welche Erscheinungen als Depression bezeichnet werden
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und im Folgenden erläutert, welche Faktoren vor allem im Leistungssport auf die Psyche
der Sportler einwirken und wie sich diese in Form von Symptomen äußern.
Nach Definition von Werner Stangl, einem österreichischem Psychologen, ist eine
Depression “...eine psychische Störung, die durch die Hauptsymptome gedrückte
Stimmung, gehemmter Antrieb, Interessenlosigkeit und Freudlosigkeit, ein gestörtes
Selbstwertgefühl und eine Abschwächung der Fremdwertgefühle (Verlust von
Interesse/Zuneigung für früher wichtige Tätigkeiten oder Bezugspersonen, Schwund der
emotionalen Resonanzfähigkeit, wobei sich der Patient seiner fehlenden
Fremdwertgefühle schmerzhaft bewusst wird – von Betroffenen als Gefühl der
Gefühllosigkeit bezeichnet) gekennzeichnet ist.”
Da Depressionen eine vielseitige und komplexe Thematik darstellen, folgt, um ebendies
zu zeigen, eine weitere Definition für dieses Krankheitsbild:
“Bei normalen Menschen bezeichnet die Depression eine Stimmungslage, als deren
Gegenpol eine Heiterkeit anzusprechen ist. Depressiv veranlagte Naturen empfinden
und reagieren sensitiver, aber auch langsamer, ihre körperliche Aktivität nimmt ab. Ihre
Einstellung wird von den Gefühlen der Einsamkeit, Minderwertigkeit und
Hoffnungslosigkeit beherrscht. Darunter leiden alle seelische Funktionen.” (Großes
Lexikon in Wort und Bild, Gerd Seibert & Erhard Wendelberger, intermedia produktions-
medienservice GmbH, Tübingen, überarbeitete Auflage, 1979)
Neben diesen Hauptsymptomen treten meist auch noch andere Symptome, wie z. B.
Hilf- und Hoffnungslosigkeit, verringerte Denkfähigkeit und auch eingeschränktes
sexuelles Interesse. Jedoch wirkt sich die Erkrankung der Depression nicht nur auf die
Psyche aus, sondern drückt sich auch durch sichtbare Merkmale am und im Körper aus
(Vitalstörungen). Typische Beispiele dafür sind Appetitlosigkeit, Gewichtszunahme oder
- abnahme, Schlafstörungen oder Schmerzempfindungen am ganzen Körper. Im Bezug
auf den Fall Robert Enke ist auch die erhöhte Infektionsanfälligkeit, welche ebenfalls
eine mögliche Vitalstörung aufgrund von Depressionen darstellt, da der Torhüter, wie z.
5
B. die “Welt” berichtete, “...wegen einer Erkrankung, die als Bakterien-Infektion des
Darmes angegeben wurde, neun Spiele in dieser Bundesliga-Spielzeit verpasst [hatte]”.
Man vermutet, dass der größte Anteil der in Deutschland verübten Selbstmorde auf
Depressionen zurückzuführen sind. Nach dem Statischen Bundesamt wurden 2002
insgesamt 11.163 Selbstmorde verzeichnet. Wenn man von dieser Zahl und der oben
genannten Vermutung ausgeht, würde dies bedeuten, dass pro Jahr mehr Tode auf
klinische Depressionen als auf Verkehrsunfälle (6.842 nach Statischem Bundesamt)
zurückzuführen sind.
2.1.1. Differenzierung
An dieser Stelle ist klarzustellen, dass nicht jede “Niedergeschlagenheitsphase”, etwa
bedingt durch Stress oder eine Verletzung im Sport, einer Depression entspricht. Um
eine klinische Depression auszulösen, müssen verschiedene Faktoren auf die Psyche
des Menschen einwirken. Der größte Unterschied einer Depression zu einem
psychischen Tief ist, dass das letztere von alleine ohne Rückstände vergeht,
wohingegen eine Depression ohne therapeutische Hilfe fast unmöglich zu überwinden
ist.
Ein psychisches Tief kann jedoch auch zu einer Depression ausarten, wenn die oben
angesprochenen verschiedenen Faktoren, wie z. B. die Öffentlichkeit, dieses Tief zu
einem Dauerzustand geraten lassen.
2.2. Diagnose einer Depression
Ob eine Depression vorliegt oder nicht, kann meist nicht einfach so festgestellt werden,
da psychische Krankheiten sehr komplex sind. Aus diesem Grund ist es meist auch der
Fall, dass eine Diagnose erst von einem Experten festgestellt werden kann.
Um eine Diagnose aufzustellen gibt es einige Hilfsmittel, auf die im Folgenden näher
eingegangen wird.
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Als erstes zu nennen ist die sog. Hamilton-Depressionsskala (HAMD), welche eine
klinische Fremdbeurteilungsskala darstellt und die heute meistgebrauchte Skala für
Studien zu Depressionen ist.
Die 1960 von Max Hamilton eingeführte Skala besteht aus 21 Fragen, die der
psychologische Psychotherapeut zu gewissen Symptomen, wie Schlafstörungen,
Hypochondrie und auch Selbstmordgedanken, erheben muss. Hierzu wird jeweils die
Stärke der Ausprägung ebendieser auf einer Skala von 0 bis 4 bzw. 0 bis 2 bewerten.
Nachdem der Test ausgefüllt ist, werden die Bewertungspunkte addiert. Je höher die
Summe, desto schwerer ist die Depression. Schwer depressive Patienten erreichen
meist einen Wert von 25 oder höher.
Die deutsche Variante des HAMD (1995 veröffentlicht) besteht lediglich aus 14 Fragen,
was aber nicht bedeutet, dass diese Skala qualitativ schlechter ist, da diese nur eine
Einschätzung der Schwere der Depression ermöglichen soll.
Ähnliche Test zur Feststellung der Schwere der Depression sind das Beck-
Depressionsinventar (BDI) und das Inventar depressiver Symptome (IDS). Bei diesen
beiden genannten Tests wird ebenfalls wie beim HAMD durch Punktesysteme die
Schwere der Depression festgemacht.
2.3. Selbstmord und präsuizidales Syndrom
Wie nun eine Depression zum Selbstmord bzw. zu Selbstmordgedanken führen kann, ist
die Frage, mit der sich im Folgenden beschäftigt wird.
Durch den psychischen Vorgang der Depression, also die allgemeine Unlust und auch
das oben erwähnte gestörte Selbstwertgefühl, kann im Extremfall das Gefühl des
Lebensüberdrusses entstehen. Für das Umfeld des Depressiven ist es sehr schwer
einen Suizid vorherzusehen - siehe Robert Enke. Einige Anzeichen für einen
bevorstehenden Selbstmord gibt es jedoch. Diese Anzeichen werden auch allgemein als
“präsuizidale Syndrome” (Erwin Ringel) bezeichnet. Unter den Begriff des präsuizidalen
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Syndroms fallen Erscheinungen wie Sinn- und Hoffnungslosigkeit, das dadurch
resultierende Gefühl, mit der Realität nicht mehr umgehen zu können (Aufbau einer
Scheinwelt) und auch die Wertlosigkeit des Lebens an sich. Selbstmordgedanken sind
also bei Depressiven also keineswegs harmlose Gedanken wie bei gesunden
Menschen, sondern ernstzunehmende Warnsignale.
Dass also von der Gesellschaft hervorgerufene Depressionen lebensgefährlich sind,
sollte sowohl von den professionellen Arbeitgebern (meistens Profi-Vereine) der
Betroffenen als auch von der
Gesellschaft selbst erkannt und berücksichtigt werden. Dementsprechend kommt den
Arbeitgebern für ebendiese exponierten Berufe eine besonders große Verantwortung
gegenüber ihren “Arbeitnehmern” zu, da ein weitaus größeres Feld an Belastungen auf
diese einprasselt, als an einem “normalen” Arbeitsplatz.
2.4. Therapie von Depressionen
Man unterscheidet bei der Behandlung mit Depressionen umzugehen zwischen der
Methode der Psychotherapie und der Methode der Pharmakotherapie.
2.4.1. Psychotherapie
Wie der Name der erstgenannten Methode vermuten lässt, wird hier die Depression
durch verschiedene psychotherapeutische Vorgehensweisen behandelt. Die beiden
wichtigsten sollen nun näher betrachtet werden.
Heutzutage werden vor allem die die sog. Kognitive Verhaltenstherapie (Aaron T. Beck)
und die interpersonelle Therapie (Weissman/Klerman) angewandt, da bei diesen beiden
Formen der Behandlung durch klinische Studien eine überdurchschnittliche Erfolgsrate
festgestellt wurde.
Um zunächst auf eine der beiden Behandlungsarten näher einzugehen, wird im
Folgenden die Kognitive Verhaltenstherapie betrachtet. Bei dieser geht es vor allem um
die Selbsterkenntnis des Patienten und die damit verbundene Umstrukturierung der
Gedankengänge. Das Problem von depressiven Menschen ist vorwiegend, dass sie,
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selbst wenn sie möchten, nicht mehr positiv denken können. Ihre Gedankengänge sind
bleibend so ins Negative verschoben, dass er ohne das Erkennen dieses geistigen
Zustandes nicht in der Lage ist, etwas an ebendiesem zu ändern. Folglich steht bei der
Kognitiven Verhaltenstherapie die Selbsterkenntnis des Patienten im Mittelpunkt.
Der Patient wird dazu gebracht aktiv seine Gedanken, Gefühle und Reaktionen in
schwierigen Situationen festzuhalten und sich dementsprechend damit zu beschäftigen.
Durch den Therapeuten wird unterstützend die Erkennung der “Ist-Situation” gefördert,
indem er gezielte Fragen zu dieser stellt.
Wenn diese Erkenntnis abgeschlossen ist, hat der Patient gelernt mit seinen
Depressionen insofern umzugehen, indem er weiß, wo die Fehler in seinen Gedanken
liegen und wie er sie “berichtigen” kann.
Im Normalfall dauert eine solche Behandlung zwischen 20 bis 45 Therapiesitzungen an.
Nachdem die Betrachtung der ersten psychotherapeutischen Methode abgeschlossen
ist, wird nun auf die andere oben angesprochene übergegangen: die interpersonelle
Therapie.
Diese Behandlungsmethode von Depressionen fokussiert sich, im Gegensatz zu der
ersten Vorgehensweise, auf das bessere Zurechtkommen des Depressiven mit seiner
Umwelt, vor allem mit den Menschen im Umfeld. Beschäftigt wird sich also hierbei mit
zwischenmenschlichen Beziehungen, Problemen, die infolgedessen auftreten, und
sozialen Beziehungen. Ziel dabei ist nicht die Veränderung der Persönlichkeit des
Patienten, sondern die, wie schon gesagt, positivere Bewältigung bestimmter
zwischenmenschlicher Situationen.
Wichtiger Bestandteil einer solchen Therapie sind die festgelegten Ziele des Patienten
und auch seine aktive Beteiligung, da diese nur erfolgreich abgeschlossen werden kann,
wenn die Motivation von ihm selbst kommt.
Wie schon festgestellt wurde (siehe 2.3.), fühlen sich Schwerdepressive ihrer Umwelt
meist nicht mehr gewachsen. An dieser wohl entscheidenden Stelle anzugreifen und
dem Depressiven Hilfe beim Erlernen, sich den Umgang mit der Umwelt zu erleichtern,
zukommen zu lassen, ist wohl der Grund für überdurchschnittliche Erfolgsquote dieser
Behandlungsform.
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2.4.2. Pharmakotherapie
Bei der Pharmakotherapie geht es, wie der Name schon sagt, um die Behandlung der
Depression mit Medikamenten - sog. Antidepressiva.
Durch Depressionen entsteht im Gehirn ein Mangel an Serotonin oder Noradrenalin (je
nach Art der Gehirnzellen). Serotonin spielt eine große Rolle in der Regulation des
Tonus’ (Spannung) der Blutgefäße und beeinflusst somit den Blutdruck; weiter wirkt es
auf die Magen-Darm-Aktivität und die Tätigkeit des Zentralen Nervensystems. Des
weiteren wirkt Serotonin als Neurotransmitter in den Nervenzellen. Noradrenalin hat
ebenfalls Einwirkung auf den Blutdruck und wirkt, wie Serotonin, als Neurotransmitter.
Durch ebendiesen Mangel dieser beiden Stoffe ist auch das zu Beginn (siehe 2.1.)
angesprochene Symptom der verringerten Denkfähigkeit zu erklären.
Wirkung der meisten der Antidepressiva ist, diesen Mangel auszugleichen, indem vor
allem Hemmstoffe verabreicht werden, die den Rücktransport der Stoffe in ihre Zellen
verhindern und so aktiv als Neurotransmitter im Gehirn wirken können. Andere
Antidepressiva hemmen den Abbau von diesen Neurotransmittern (Glückshormonen),
was ebenfalls bewirkt, dass kein Mangelzustand dieser Stoffe im Gehirn herrscht.
Robert Enke hatte sich jeglicher Therapie entzogen und war nicht bereit sich auf eine
der oben genannten Behandlungsmethoden einzulassen. Vermutlich, weil er sich selbst
nicht eingestehen wollte, stark depressiv zu sein und nach außen hin schwach zu
scheinen. Diese Angst nach außen hin erneut schwach zu erscheinen, wie schon 2003,
trieb ihn wahrscheinlich noch weiter in seine Depression und entwickelte sich zu einem
Teufelskreis, den er alleine nie durchbrechen hätte können. Ein Teufelskreis, der nur
entstehen konnte, weil Versagensängste durch eine menschenunwürdige Behandlung
der Öffentlichkeit, der Gesellschaft, entstanden. Ein Teufelskreis, der ihm letztendlich
nur noch einen Ausweg bot: den Tod.
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3. Die ‘Zeit’: “Jeder zweite Sportler kämpft mit psychischen Problemen”
Der Fall Robert Enke ist leider kein Einzelfall, wie das Institut für Sportwissenschaft in
Tübingen am 17. November 2009 bekannt gab. Im Zeitraum 2006 bis 2008 wurden ca.
700 Sportler, Trainer und Funktionäre aus den Bereichen Handball und Leichtathletik
biografisch befragt.
Das Ergebnis der Studie ist erschreckend: jeder zweite Leistungssportler fühlt sich
ausgebrannt und kraftlos; jeder dritte klagt über Schlafstörungen; jeder fünfte zeigt
Anzeichen gelegentlicher Depressionen.
Professor Angsar Thiel, einer der Leiter dieser Studie, sagte, dass diese Symptome,
aufgrund der Fokussierung einzig und allein auf die körperliche Leistung, meist
verdrängt werden würden. Weiter behauptete er, die Sportler würden, sobald die
gebrachte Leistung nicht mehr die gewünschte darstelle, in ein “tiefes Loch mit teilweise
regelrecht traumatischen Folgen [fielen]”.
Da die Studie nicht nur Athleten, sondern auch deren Trainer miteinbegriffen hat, kam
ein anderer Teil der Befragung zum Ergebnis, dass die Trainer für Probleme ihrer
Schützlinge prinzipiell offen wären, würden sich jedoch zu schnell damit zufrieden
geben, wenn der Sportler behauptet, es sei alles in Ordnung, obwohl er meist nicht
einen gesunden Anschein macht.
Die ‘Zeit’ schreibt, “die wesentliche Ursache sehen die Forscher im System des
Leistungssports”.
Wenn also alleine durch das System des Leistungssports jeder fünfte Leistungssportler
über gelegentliche Depressionen klagt, ist es kein Wunder, dass in Kombination mit
anderen Faktoren, wie zum Beispiel dem Erwartungsdruck der Medien, ernsthafte
psychische Erkrankungen, meinst in Form von klinischen Depressionen, entstehen.
4. Der Druck der Öffentlichkeit auf die Psyche
Der Druck, der alleine durch das System des Leistungssports, also der alleinigen
Fokussierung auf körperliche Leistungen, ist, wie gezeigt, enorm. Doch stehen die
Athleten nicht nur unter diesem Druck. Der Erwartungsdruck der Öffentlichkeit, in Form
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von Medien und auch Fans, ist mindestens genau so hoch. Immer nach außen, für die
Öffentlichkeit, immer perfekt erscheinen zu müssen, weil es erwartet wird, ist für einen
Profisportler Alltag. Welche Auswirkungen der Druck der Öffentlichkeit auf die Psyche
der Sportler hat, soll im Folgenden erläutert werden.
Der Sportpsychologe des Bundesliga Vereins VfL Bochum, Thomas Graw, sagte den
‘Stern’: “Fußball-Profis bewegen sich in einem Umfeld, in dem nur absolute
Hochleistung zählt, und sie haben hohen Druck, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren,
wenn sie nicht mehr ans Limit gehen. Man muss immer Gewinner sein, nur so kann man
sich legitimieren.”
Dieser Druck, immer ein “Gewinner” zu sein, wird vor allem von der Öffentlichkeit
produziert.
Ein konkretes Beispiel hierfür ist der ehemalige Fußballprofi und Nationalspieler
Sebastian Deisler. Der Stern schreibt: “...er selber wollte nur spielen, am liebsten mit
Freunden unter Ausschluss der Öffentlichkeit.”
Deisler wurde von Anfang an seiner Karriere von den Medien als “Jahrhunderttalent”
(Zeit) gehandelt und es wurden Erwartungen in ihn gesteckt, denen er mental nicht
gewachsen war, wie er selbst in seinem Buch “Zurück ins Leben” schreibt.
In einem Interview mit der ‘Zeit’ spricht Deisler über seinen Leidensweg und schildert,
was in ihm seinerzeit vorging. Wie es für einen Menschen sein muss, der keinerlei
Privatsphäre von der Öffentlichkeit zugestanden bekommt, wird deutlich, wenn man
sieht, wie der ehemalige Fußballprofi beschreibt, wieso er nach langer Abwesenheit ein
letztes Mal mit der Veröffentlichung seines Buches in die Öffentlichkeit tritt: “Damit die
Menschen verstehen, was das für ein Wahnsinn war, den sie um mich veranstaltet
haben. Sie haben sich zwar Tag für Tag Gedanken über mich gemacht. Aber sie haben
mich nie gefragt, wie es mir damit ging.”
Das “Halligalli”, so Deisler, das um ihn veranstaltet wurde, überforderte ihn. Er konnte
schlicht nicht damit umgehen, wie man im weiteren Verlauf des Interviews deutlich
aufgezeigt bekommt. Zum Beispiel erzählt der “Held, der nicht zum Helden taugte”
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(Zeit): “Mein Leben wurde vereinnahmt. Ich habe manchmal im Bett gelegen und
gebetet: »Lieber Gott, ich schaff das nicht.«”
Wie auch bei Enke im Jahr 2003 spielen die Fans, und somit ein anderer, aber sehr
bedeutender, Teil der Öffentlichkeit, eine entscheidende Rolle. Als Deisler einen
Vertrag beim FC Bayern München angeboten bekommt, zögert er nicht allzu lange und
stimmt dem Wechsel nach Saisonende zu. Für die Zustimmung alleine erhielt der
damalige deutsche Hoffnungsträger 20 Millionen Mark. Durch ein Informationsloch bei
einer Bank erfährt die ‘Bild’-Zeitung von dem Wechsel Deislers und macht publik, was
noch monatelang geheim gehalten werden sollte, um laut Dieter Hoeneß, dem
damaligen Manager Herta BSC Berlins, “Unruhe im Verein zu verhindern” (Zeit).
Deisler verletzte sich in einem der folgenden Spiele schwer und musste außer Landes
operiert werden. Während seiner fünfmonatigen Abstinenz kochte bei den Fans der
Hass gegen ihn, weil von nun an von diesen als Verräter angesehen wurde. Bei seinem
Gespräch mit der ‘Zeit’ schildert der Interviewte die Dinge aus seiner Sicht: “Ich habe
Drohbriefe erhalten. »Wir kriegen Dich!«, »Wir killen Dich!«. Das ist es, was mir den
Fußball versaut hat. Das war mein Genickschuss.”
Ein Verhalten der Fans, einem großen Teil Deislers Umfelds, das als
menschenunwürdig bezeichnet werden kann. Er selbst bezeichnet diese Phase in seiner
Karriere als “Genickschuss”. Eine Beschreibung für einen Zustand, die nur vermuten
lässt, wie ein Mensch sich fühlt, wenn er Opfer einer Hetzkampagne wird.
Dass dieser Hass auf Deisler überhaupt entstehen konnte, ist vor allem den Medien
zuzuschreiben, wie zum Beispiel die ‘Bild’-Zeitung zu Deislers Wechsel titelte:
“Millionen-Deisler – werden ihm heute die Beine schwer?”.
Dieses Zusammenwirken von Faktoren, wie das System des Leistungssports an sich,
den Medien und auch den Fans, die die Denkweisen dieses Systems scheinbar
bedenkenlos übernehmen, im Umfeld Deislers trieb ihn letztendlich in die Depression.
Heute befindet sich Sebastian Deisler immer noch in Behandlung, um zu lernen mit
seinen Depressionen umzugehen, doch im Interview erwägt er nachdenklich: “Heute
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frage ich mich, ob das System, das ich verlassen habe, vielleicht kranker ist, als ich es
war.”
5. Leistungssport und die Globalisierung
Die enge Beziehung zwischen Leistungs- bzw. Profisport und der Globalisierung ist
heute überall zu sehen. Namen wie Claudio Pizarro (SV Werder Bremen; Geburtsland:
Peru) oder Edin Dzeko (VfL Wolfsburg; Geburtsland: Bosnien-Herzegowina) werden
heutzutage im Bezug auf den deutschen Fußball als normal angesehen. Vor 50 Jahren
waren solche Namen in einer deutschen Profiliga eine Besonderheit. Grund für diesen
Wandel im (Hoch-)Leistungssport ist vor allem die Globalisierung, die im letzten
Jahrhundert stattgefunden hat, und die damit verbundene internationale Talentsuche
großer Profivereine. Ein anderes Indiz für die enge Verbundenheit zwischen
Leistungssport und Globalisierung das Turnier um die Weltmeisterschaft, das seit 1930
jede 4 Jahre ausgetragen wird.
Dass die Globalisierung nicht nur auf die Qualität des Sports auswirkt, sondern auch
durch internationales Interesse der Medien, mehr Geld “mit ins Spiel bringt”, ist ein
beachtenswerter Punkt, der näher betrachtet werden sollte.
Durch das angesprochene Geld, das durch weltweites Interesse am Sport in die
Vereinskassen der Welt gespült wird, wurde auch logischerweise auch das
wirtschaftliche Interesse am Sport geweckt. Doch dieses rücksichtslose wirtschaftliche
Interesse hat auch sehr negative Seiten, die zu bemerken sind. Neben dem Glanz
größerer, beeindruckender Stadien und besserer Umstände den Sport auszuüben, wird
oft vergessen, dass durch das viele Geld auch der Druck auf die einzelnen Spieler
wächst. “Ausnahmeathleten, die täglich im Blickpunkt stehen und bei denen jede
Bewegung beobachtet wird, müssen mit der Berühmtheit und dem Geld, das sie
verdienen, den Preis bezahlen für gravierende Einschnitte im Privatleben und die immer
möglichen ‘Versager’-Schlagzeilen des Boulevards.”, schreibt der ‘Stern’ und trifft damit
die Problematik, die heutzutage immer häufiger bei Profisportlern auftritt.
Die Sportler sind dazu gezwungen, ihre psychischen Probleme, aufgrund des
öffentlichen Drucks, perfekt zu sein, zu verdrängen.. Denn wer diese Probleme zeigt, ist
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nicht der oben angesprochene “Gewinner”, sondern ein Schwächling. Hierzu sollte noch
einmal kurz das Fallbeispiel Sebastian Deisler aufgegriffen werden:
Deisler selbst wurde nach seinem Wechsel zum FC Bayern wegen seinen psychischen
Problemen, die seinen Mannschaftskollegen bekannt waren, von ebendiesen nicht als
gleichwertig angesehen, wie folgender Auszug aus dem Interview zeigt:
“Einige haben mich hinter vorgehaltener Hand »die Deislerin« genannt.”
Wie unmenschlich und mit welch wirtschaftlicher Rationalität mit Athleten umgegangen
wird, zeigt auch der an Menschenhandel grenzende Vertrieb mit Spielern, die weniger
als Personen angesehen werden, sondern eher als perfekt scheinende Maschinen, die
zum Handel bestimmt sind, wenn sie einen gewissen Wert erreicht haben. Ein weiteres
Beispiel für die schon fast abhanden gekommene Menschlichkeit im Leistungssport
zeigt ein Ausspruch des bekannten Politikers und Bayern-Verwaltungsbeirats Edmund
Stoiber im Jahr 2003, der Deisler, nach Bekanntgabe seines Rücktritts aufgrund von
Depression, als “eines der größten Verlustgeschäfte des FC Bayern” bezeichnete.
Eine wirtschaftliche Rationalität, die wohl durch die Globalisierung und den
internationalen wirtschaftlichen Wettkampf mit Vereinen, in der ganzen Welt erst
ermöglicht wurde, und eine menschliche Sicht der Dinge nicht mehr zulässt.
6. Prophylaktische Hilfsangebote
Durch die Globalisierung wurde, wie gerade behandelt, der psychische Druck auf die
Athleten durch das größere Interesse aller Kontinente unserer Erde am Sport stark
erhöht. Dass dem entgegengewirkt werden muss bzw. den Athleten die Möglichkeit
gegeben werden muss, mit ebendiesem Druck umgehen zu können, hat sich auch die
österreichische Regierung mit diesem Thema befasst.
Um aufzuzeigen, dass international die Problematik erkannt wurde, wird im Folgenden
ein Hilfsangebot für Spitzensportler des österreichischen Bundeslands Steiermark
vorgestellt.
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Die Landessportorganisation des Bundeslandes Steiermark hat sich zur Aufgabe
gemacht, in erster Linie Sportlern, aber auch Trainern, Funktionären und Eltern, eine
Anlaufstelle bei auf Leistungsdruck beruhenden psychischen Problemen bei sich selbst
bzw. bei Schützlingen oder Kindern zu bieten.
Angeboten wird vor allem mentales, auch psychomotorisch genanntes, Training und
Hilfestellung bei der Persönlichkeitsentwicklung bzw. Beratung der Eltern zur
Unterstützung ihrer Kinder bei dieser. Weiterhin wird Trainern der psychologische Weg
zur Teamentstehung und Sportlern ihren Umgang mit Emotionen zu kontrollieren
beigebracht.
Neben all diesen wichtigen, nicht zu vernachlässigenden Themen, sticht vor allem das
Angebot heraus, in Krisensituationen diese gemeinsam mit einem Therapeuten zu
intervenieren. Da diese nicht selten durch eine Verletzung entstehen, wird ebenfalls
angeboten, das Training nach einer solchen mit psychotherapeutischen Beistand zu
beginnen.
Jedoch bietet das Land nicht nur solche Hilfen an, sondern versucht auf seiner
Homepage, den Betroffenen Mut zu machen, über ihren Schatten zu springen und sich
der Angebote anzunehmen, indem es die zu erwartenden Resultate durch ebendiese
Behandlungen auflisten, wie zum Beispiel die “Erhöhung der Belastbarkeit in
Stresssituationen und der psychischen Stabilität” (Sportorganisation Steiermark).
Des weiteren wird der direkte Kontakt mit Sportwissenschaftlern sowie
Sportpsychologen angeboten, was für den Stellenwert für psychologische Betreuung
schön aufzeigt.
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Zusammenfassung
Zu Beginn der Dokumentation werden die Umstände des Selbstmordes Robert Enkes
näher betrachtet, mit dem Fazit, dass dieser auf Depressionen basierte, die vor allem
durch Versagensängste hervorgerufen wurden, die auf ein Verhalten der Medien und
der Fans, welches nicht anders als unmenschlich zu bezeichnen ist, zurückzuführen
sind.
In diesem Zusammenhang tut sich die Frage auf: Gibt es im Leistungssport eine soziale
Gerechtigkeit?
Doch zunächst wird sich mit dem Thema Depression an sich beschäftigt, was insofern
von Nöten ist, dass eine Verständnisgrundlage für den weiteren Verlauf der
Dokumentation, in der immer wieder von Depression die Rede ist, geschaffen ist.
Als erstes werden zwei Definitionen, eine allgemein wissenschaftliche und eine
psychologische, genannt, wobei diese nicht stark voneinander abweichen. Im
Wesentlichen werden Hauptsymptome wie gedrückte Stimmung, gehemmter Antrieb,
Interessenlosigkeit und Freudlosigkeit, ein gestörtes Selbstwertgefühl und eine
Abschwächung der Fremdwertgefühle genannt. Des weiteren wird sich mit einigen
Nebensymptomen beschäftigt, wobei auffällig ist, dass Parallelen einiger mit dem
konkreten Fallbeispiel “Enke” bestehen, wie zum Beispiel einer Darminfektion, die den
Torhüter monatelang außer Gefecht setzten, und der allgemeinen köperlichen
Anfälligkeit für Infektionen oder Viren während der Depression. Weiterhin wird die These
aufgestellt, dass in Deutschland mehr Menschen an Suiziden auf Grund von
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Depressionen sterben, als bei Verkehrsunfällen. Belegt wurde diese durch Zahlen von
Verkehrsunfalltoten und begangenen Suiziden im Jahr 2002 des Statischen
Bundesamtes.
Darauf stellt sich die Frage in Bezug auf die Problematik der Depression, wie eine
solche diagnostiziert wird und wieso es, insbesondere bei Robert Enke, zum Suizid
kommen kann.
Genannt wurden bei der Diagnose die drei wichtigsten Test, um die schwere der
Depression festzustellen.
Indem der Therapeut gezielte Fragen, die auf einem Fragebogen, zum Beispiel der
Hamilton-Depressionsskala, zu diversen Symptomen, wie Schlaflosigkeit oder
Selbstmordgedanken, um nur wenige zu nennen, und aufgrund der Antwort des
Patienten die Stärke der Ausprägung skaliert werden.
Nachdem also festgehalten ist, wie man eine Depression diagnostiziert, stellt sich immer
noch die Frage: wieso kann eine Depression den Erkrankten in den Selbstmord treiben?
Man kommt zu dem Ergebnis, dass es vor allem an dem möglichen Syndrom der Sinn-
und Hoffnungslosigkeit liegt, welches zur Folge hat, dass der Depressive in eine Art
Lebensüberdruss verfallen kann und sich der Realität nicht mehr gewachsen fühlt.
Solche Anzeichen eines Depressiven nennt man auch präsuizidale Syndrome.
Wie nun aber Depressiven beigebracht wird, wie sie mit ihrer Krankheit umgehen, und
wie ein solcher “Heilvorgang” mit Medikamenten unterstützt wird, ist noch nicht geklärt.
Infolgedessen werden die psychotherapeutischen Behandlungsmethoden, in Form von
der sog. Kognitiven Verhaltenstherapie und der sog. interpersonellen Therapie, und
auch die Pharmakotherapie näher betrachtet.
Nachdem die Thematik der Depression, deren Diagnose und Behandlung,
abgeschlossen ist, wird sich nun der konkreten Depression im Leistungssport gewidmet
und damit einer Studie des Instituts für Sportwissenschaft in Tübingen. Die
Sportwissenschaftler führten eine zwei Jahre lange biografische Befragung an ca. 700
Athleten, Trainern und Funktionären aus den Bereichen Handball und Leichtathletik
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durch und kamen zu dem Ergebnis, jeder fünfte Sportler hätte mit gelegentlichen
Depressionen zu kämpfen. Grund dafür sehen die Forscher vor allem in dem Systems
des Leistungssports.
Wenn also noch andere soziale Faktoren mit auf das System Leistungssport einwirken,
ist es kein Wunder, dass ernsthafte Depressionen im Sport bald nicht mehr zur
Ausnahme gehören.
Wie diese anderen sozialen Faktoren sich zusätzlich auf die Psyche auswirken, ist die
nächste Frage, die man sich stellt.
Vor allem die Öffentlichkeit, in Form von Medien und Fans, hat großen Einfluss auf die
Psyche der Sportler. Als “Paradebeispiel” hierzu wird der ehemalige Fußballprofi
Sebastian Deisler angeführt, der, ähnlich wie Robert Enke, unter Depressionen litt, die
durch den immensen Erwartungsdruck, der durch die Medien und den Fans entstand,
entstanden sind, wahrscheinlich auch deshalb, weil Presse, sowie Fans, das
angesprochene schädliche System des Leistungssports ohne Bedenken verinnerlicht
haben. Für sie zählt einzig und alleine die körperliche Leistung - eine ähnliche
Erwartungshaltung wie Maschinen gegenüber.
Der als “Wunderkind” angesehene Deisler, sprach mit der ‘Zeit’ über seine frühzeitig
beendete Fußballkarriere und den Problemen, mit denen er nach und nach zu kämpfen
hatte - wie die Öffentlichkeit ihn zu einem psychischen Wrack machte.
Wie nun aber die soziale Gerechtigkeit mit der Globalisierung in Verbindung tritt, ist die
entscheidende Frage, auf die hingearbeitet wurde.
Durch die Globalisierung wurde wegen des ermöglichten internationalen Interesses,
immer mehr Geld mit ins Spiel gebracht. Wegen der enormen Summen, die die Spieler
für ihre Leistung bekommen, stehen sie im Blickpunkt der ganzen Welt. Dass der
psychische Druck, erfolgreich zu sein, ins Unermessliche steigt, ist zwangsläufig. Dass
dem aber so wenig Beachtung und deshalb auch Rücksicht gezollt wird, liegt wohl auch
an dem immer größer werdenden Einfluss der Wirtschaft, denn der Sport wurde durch
die Globalisierung ein starker Wirtschaftsfaktor. Die Denkensweise, vor allem von den
Medien und den Vereinen, wurde so rationalisiert, dass Spitzensportlern keinerlei Fehler
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mehr erlaubt sind und sie als Gegenstände, mit denen Handel getrieben wird,
angesehen werden, wie ein Ausspruch von Edmund Stoiber zeigt: er bezeichnete
Sebastian Deisler als “eines der größten Verlustgeschäfte des FC Bayern”.
Zuletzt wurde eine vom Staat geförderte österreichische Hilfsmaßnahme genauer
betrachtet, um zu zeigen, dass international gegen den psychischen Druck, der im
Leistungssport herrscht, vorgegangen wird.
Fazit
Durch die Dokumentation über “Depression im Sport” in Bezug auf die soziale
Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt wird vor allem deutlich, dass in einer
kommerzorientierten,
globalisierten Gesellschaft, wie die heutige, ist es schwer soziale Gerechtigkeit zu
erwarten, wenn die Wirtschaft im Vordergrund steht.
Aus diesem Grund kann man behaupten, dass im Leistungssport generell keine soziale
Gerechtigkeit herrscht - zumindest wenn in erster Linie das Kommerzielle im Fokus
steht, was fast überall, wo professionell Sport betrieben wird, der Fall ist.
Dass daraus ein rationales, unmenschliches Geschäft mit menschlichen Protagonisten
gemacht wird resultiert, ist deshalb leider zwingend.
Darauf aufbauend sieht man, anhand tragischer Beispiele, was diese
kommerzorientierte Gesellschaft aus den Menschen macht, die sie überhaupt erst
entstehen ließ - psychische Wracks.
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Menschen, die mehr sein müssen als nur herausragende Sportler, wie man anhand des
Beispiels Robert Enke oder Sebastian Deisler gesehen hat. Menschen, deren Traum, für
ihre Liebe zum Sport zum Beruf zu machen, zum Albtraum wurde, indem sie dem
psychischen Druck, der auf ihnen lastete, nicht mehr standhalten konnten und
infolgedessen starke Depressionen bekamen.
Persönliche Stellungnahme
Ich selbst finde, dass heute im Leistungssport das Hauptsächliche nicht mehr im
Mittelpunkt steht: der Sport an sich. Durch das internationale Interesse am Sport
entwickelte sich dieser zu einem großen Wirtschaftsfaktor, der jedoch dafür sorgte, dass
die Menschlichkeit, die meines Erachtens nach sehr wichtig ist, verloren geht.
An diesem Punkt muss man auch die Verantwortlichkeit der Vereine bzw. der
Arbeitgeber der Hochleistungssportler für ebendiese kritisieren, da durch das
vorwiegend wirtschaftliche Interesse die Sportler, meiner Meinung nach, nicht als
Menschen angesehen werden, sondern vielmehr als perfekte Maschinen, die ihre Arbeit
verrichten, für den Verein Geld verdienen und irgendwann weiterverkauft werden. Sie
geben einen großen Teil der Verantwortung für das gesundheitliche Wohl, somit auch
dem psychischem, ab, indem sie die Athleten als eine Art Handelsgut ansehen, um das
man sich nicht kümmern braucht.
Schockierend für mich sind vor allem die Folgen der fehlenden sozialen Gerechtigkeit.
Dass das Fehlen einer solchen zu Depressionen führen kann, die wiederum im
schlimmsten Fall einen Suizid hervorrufen können, ist schon sehr eindrucksvoll im
negativen Sinne.
Während ich mich mit dem Thema Depression (Diagnose, ...) befasste, wurde mir
überhaupt erst bewusst, dass Depressionen als eine wirkliche Krankheit angesehen
werden müssen. Vorher dachte ich, wenn ich das Wort “Depression” hatte, an einen
traurigen Menschen, der mit seinen Problem nicht richtig klar kommt. Welchen
Hintergrund dieses Nicht-Klarkommen hat, war mir nicht bewusst, was wahrscheinlich
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auch der Grund für mein Erstaunen war, wie schlimm Depressionen überhaupt sind. Vor
allem an dem Beispiel Sebastian Deisler wurde mir bewusst, wie die Psyche unter dem
System des Leistungssports leidet.
Letztendlich muss ich sagen, dass diese Dokumentation mir sehr die Augen geöffnet
hat, was das Sozialverhalten der Gesellschaft im Sport für eine Rolle spielt. Mir selbst ist
es nämlich auch schon passiert, dass ich ohne nachzudenken, was hinter einem
Versagen eines Sportlers steckt, über ihn geurteilt habe, als wäre er eine perfekte
Maschine, die immer ihre komplette Leistung bringen kann und somit auch ihre beste.
Da ich aus eigener Erfahrung spreche und mein Verhalten gegenüber
Hochleistungssportlern aufgrund dieser Dokumentation auch verändert habe, appelliere
ich an jeden, der von Athleten immer das Leistungsmaximum erwartet, sich zunächst
einmal mit den Hintergründen, die die Leistung bestimmen, wo auch nicht zuletzt die
Psyche eine große Rolle spielt, zu befassen, bevor er unwissend richtet.
Philipp Deuchler