309
BIBLIOTHEK DER GRIECHISCHEN LITERATUR ISSN 0340-7853 . BAND 12

Demetrius Cydones Briefe 1981

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Demetrius Cydones Briefe 1981; Demetrius Cydones Briefe 1981

Citation preview

BIBLIOTHEK DER GRIECHISCHEN LITERATUR

ISSN 0340-7853 . BAND 12

BIBLIOTHEK ---DER GRIECHISCHEN

LITERATUR

HERAUSGEGEBEN VON

PETER WIR TH UND WILHELM GESSEL

BAND 12

EIN BAND DER

ABTEILUNG BYZANTINISTIK

HERAUSGEGEBEN

VON PETER WIR TH

ANTON HIERSEMANN STUTTGAR T

_1981

DEMETRIOS KYDONES

Briefe

ÜBERSETZT UND ERLÄUTERT VON

FRANZ TINNEFELD

ERSTER TEIL, ERSTER HALBBAND

(EINLEITUNG UND 47 BRIEFE)

ANTON HIERSEMANN STUTTGAR T

1981

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Demetrius (Cydonius): Briefe / Demetrios Kydones. Obers. u. erl. von Franz Tinnefeld. - Stuttgart : Hiersemann.

NE: Tinnefeld, Franz Hermann [Hrsg.]; Demetrius ( Cydonius): [Sammlung]

Teil 1. Teil 1, Halbbd. 1. (Einleitung und 47 Briefe). - 1981.

(Bibliothek der griechischen Literatur ; Bd. 12 : Abt. Byzantinistik) ISBN 3-7772-8120-4

NP·(;T

ISBN 3-7772-8120-4 © 1981 ANTON HIERSEMANN, STIJITGART

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des Nachdrucks und der Übersetzung. Ohne schriftli­che Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses urheberrechtlich geschützte Werk oder Teile daraus in einem photomechanischen, audiovisuellen oder sonstigen Verfahren zu vervielfältigen und zu verbreiten. Diese Genehmigungspflicht gilt ausdrücklich auch für

die Verarbeitung, Vervielfältigung oder Verbreitung mittels Datenverarbeitungsanlagen.

Fotosatz in Sabon-Antiqua und Druck: Sulzberg-Druck GmbH, Sulzberg im Allgäu. Bindearbeit: Großbuchbinderei Ernst Riethmüller, Stuttgart.

Einbandgestaltung von Alfred Finsterer, Stuttgart.

Printed in Germany

INHALT

Vorwort.......................................................... IX

Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Das Leben des Demetrios Kydones .................................. 4

Zur Persönlichkeit des Kydones . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

Verzeichnis der Werke ............................................ 62

Vorbemerkungen zum Übersetzungs- und Kommentarteil . . . . . . . . . . . . . . . 75

1. Auswahl und Anordnung der Briefe im ersten Teil. . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

2. Konkordanz der Briefnummern im ersten Teil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

3. Zur Übersetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

4. Zum Kommentar ............................................ 85

5. Übersicht über die prosopographischen Notizen und Exkurse im ersten Halbband des ersten Teils ..................................... 86

Die Briefe des ersten Halbbandes (Nr.l-Nr.48 der eigenen Zählung;

Nr. 33 vacat) .................................................... 89

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Quellen und Sekundärliteratur . . . . . . . . . . 287

Register am Schluß des zweiten Halbbandes

v

<l>IAH~ rYNAIKO~ IEPON

VORWORT

Seit meiner ersten Beschäftigung mit den Briefen des Kydones im Jahr 1970, aus der ein Artikel über seinen Freund und Korrespondenten Georgios Philosophos erwuchs, ging noch einige Zeit mit anderen Arbeiten dahin, bis ich mich entschloß, dieses umfangreiche byzantinische Briefcorpus ins Deut­sche zu übersetzen und zu kommentieren und mich damit auf Jahre einem einzigen Autor zu verschreiben. Mit dem vorliegenden 1. Halbband des 1. Teils lege ich das erste Ergebnis meiner Arbeit an den Kydonesbriefen vor.

Mein erster Dank gebührt meinem Lehrer, Herrn Professor Hans-Georg Beck, der durch seine eindrucksvolle Übersetzung der «ersten Apologie» des Kydones mein Interesse für diesen bedeutenden Byzantiner des 14. Jahrhun­derts erstmals geweckt und dem Fortgang meiner Arbeit an diesem Band seine wohlwollende Aufmerksamkeit erwiesen hat, sodann Herrn Dr. Peter Wirth von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, dem Herausgeber der Abteilung Byzantinistik der vorliegenden Reihe, der dieses Vorhaben von Anfang an begrüßt und mit Anteilnahme und Rat begleitet hat. In die erste Zeit meiner Arbeit an den Kydonesbriefen fiel ein einmonatiger Aufenthalt am College de France, Paris, zu dem mir dank einer Einladung von Herrn Professor Gilbert Dagron ein Stipendium des Deutschen Akademischen Aus­tauschdienstes gewährt wurde. Ich danke Herrn Dagron und seinem Vor­gänger am College, Herrn Professor Paul Lemerle, für die freundliche Auf­nahme in Paris und ihre Anteilnahme an meiner Arbeit.

Zu danken habe ich auch dem mir leider nur von einer kurzen Begegnung persönlich bekannten bedeutenden Forscher und Herausgeber der Kydones­briefe, P. Raymond-Joseph Loenertz, der am 31. 8. 1976 starb, zu früh, um dieses Unternehmen noch mit seinem Rat begleiten zu können. Den Einblick in einige seiner Aufzeichnungen zu den Kydonesbriefen verdanke ich Herrn P. George T. Dennis, Washington, und Herrn Professor Peter Schreiner, Köln. Herr P. Joseph ParameIle vom Institut de Recherche et d'Histoire des Textes, Paris, stellte mir Filme der beiden Haupthandschriften A und B der Briefe zur Verfügung. Dafür sei ihm freundlich gedankt, ebenso auch Herrn Professor Herbert Hunger, Wien, und Herrn Professor Erich Trapp, Bonn, die mir Einblick in die noch unpublizierten Aufzeichnungen zum Prosopo­graphischen Lexikon der Palaiologenzeit in Wien gewährten, sowie Herrn

IX

VORWORT

Professor Edmond Voordeckers, Gent, der mir auf eine briefliche Anfrage bereitwillig antwortete. Den Herren Professor Jan-Louis van Dieten (Am­sterdam) und Dr. Dr. Hubert Kaufhold (München) danke ich für das Mitle­sen der Korrekturfahnen dieses Halbbandes, Herrn van Dieten auch für zahl­reiche wertvolle Hinweise.

Für ihr freundschaftliches Wohlwollen während der letzten Jahre, das mir viel Mut zu meiner Arbeit gegeben hat, danke ich außerdem den Herren Pro­fessoren Alexander Kazdan, Speros Vryonis, Robert Browning, Klaus Wes­sel und Anthony Bryer. Dankbar erinnere ich mich auch an ein gemeinsames Seminar mit meinem Kollegen Professor Harald Dickerhof (jetzt Eichstätt) über die Ost-West-Beziehungen vor und während der Zeit des Kydones. Meinem Kollegen Dr. Lowell Clucas aus San Francisco verdanke ich man­ches anregende Gespräch, vor allem zu Fragen der Geistesgeschichte des 14. Jahrhunderts, meinem Kollegen Igor ticurov, Moskau, wertvolle Hinweise für die Gestaltung des literarischen Kommentars.

Meine Arbeit wurde mir wesentlich erleichtert durch die vorzüglichen Ar­beitsbedingungen, die ein Byzantinist in München antrifft: Das von Karl Krumbacher begründete Institut für Byzantinistik, neugriechische Philologie und byzantinische Kunstgeschichte und die unerschöpfliche Bayerische Staatsbibliothek bzw. ihre Begründer, Erhalter, Mehrer und Mitarbeiter sind bei diesen Dankesworten nicht zu vergessen.

München, April 1981 FRANZ TINNEFELD

x

EINLEITUNG

Wer sich mit byzantinischer Geschichte im 14. Jahrhundert beschäftigt, wird sehr bald dem Namen Kydones begegnen. Das Brüderpaar Demetrios und Prochoros Kydones hat durch die Einführung der scholastischen Me­thode des Abendlandes in die byzantinische Theologie geistesgeschichtlich einen bedeutsamen Akzent gesetzt. Demetrios, der ältere, hat zudem mit Un­terbrechungen vier Jahrzehnte lang als Staatsmann in verantwortlicher Stel­lung die Innen- und Außenpolitik des Reiches unter den Kaisern Ioannes VI. Kantakuzenos (1347-1354) und Ioannes V. Palaiologos (1354-1391) ent­scheidend mitbestimmt.,

Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts war die Außenpolitik des Reiches vor allem von der Sorge um die ständig wachsende türkische Bedrohung gezeich­net, die zunächst von verschiedenen Zentren Kleinasiens ihren Ausgang nahm, aber bald mehr und mehr vom Herrscherhaus der Osmanen geprägt wurde. In dieser Notlage schien sich Byzanz nur noch ein Ausweg anzubie­ten: die Hoffnung auf Unterstützung durch abendländische Mächte. Doch stand der. erwarteten abendländischen Hilfe ein schweres Hindernis entge­gen: die im Jahr 1054 besiegelte und auf dem Konzil von Lyon im Jahr 1274 nur sehr bedingt und auf kurze Zeit aufgehobene Spaltung zwischen der päpstlichen Kirche Roms und der orthodoxen Kirche in Byzanz. Dem be­drängten Kaiser Ioannes V. kam daher ein Staatsmann vom Charakter eines Demetrios Kydones, der dank seiner Übersetzungen der Hauptwerke des Thomas von Aquin die abendländische Theologie wie kein zweiter Byzanti­ner studiert hatte, zur Durchführung einer romfreundlichen Kirchenpolitik recht gelegen.

Doch standen die Zeichen der Zeit der Verwirklichung der an sich so sehr wünschenswerten kirchlichen Einigung in katastrophaler Weise entgegen. In Rom konnte man sich seit dem Scheitern des Unionsversuches von Lyon kirchliche Einigung nur noch in der Form der bedingungslosen Unterwer­fung der Orthodoxen unter den päpstlichen Primat vorstellen; in Byzanz schien spätestens seit der Lateinerherrschaft im 13. Jahrhundert die ableh­nende Einstellung gegenüber dem westlichen Geist in offiziellen Kirchenkrei­sen und in breiten Volksschichten unüberwindlich. Ein Mann wie Kydones, mochte er auch den Anschluß an Rom nicht nur aus politischen Erwägungen,

l'

EINLEITUNG

sondern aus wissenschaftlicher Einsicht und tiefer Überzeugung leiden­schaftlich propagieren, mußte daher in Byzanz von vorneherein auf verein­samtem Posten stehen und konnte nur wenige Gleichgesinnte um sich scha­ren. Seine Position wurde noch erschwert durch eine Auseinandersetzung in­nerhalb der byzantinischen Theologie, die mit dem Namen des Athosmön­ches und späteren Bischofs von Thessalonike Gregorios Palamas verknüpft ist. Die energische Ablehnung der zur Interpretation und Verteidigung der sogenannten hesychastischen Mystik entwickelten palamitischen Theologie brachte Demetrios wie seinen Bruder Prochoros in Konflikt mit der kirchli­chen Hierarchie und ließ den Versuch, diese für eine romfreundliche Kir­chenpolitik zu gewinnen, aussichtslos erscheinen. Die kirchliche Verurtei­lung seines Bruders Prochoros setzte ein deutliches Zeichen, und daß Deme­trios bis kurz vor seinem Tod vor dem Anathema verschont blieb, verdankte er wohl im wesentlichen seiner einflußreichen politischen Position. Der von ihm unterstützte kirchenpolitische «Alleingang» des Kaisers Ioannes V., der im Oktober 1369 ohne den Segen der byzantinischen Hierarchie in Rom den im Hinblick auf den politischen Erfolg völlig sinnlosen Akt der Unterwer­fung unter den Papst vollzogt, stellte ihn praktisch bereits endgültig außer­halb der Orthodoxie, der er wie sein Bruder bis zum heutigen Tag als Ausge­stoßener gilt.

Damit ist ein tragischer Konflikt seines Lebens angedeutet: sein an sich verständliches und berechtigtes Verlangen, Byzanz aus narzißtischer Selbst­versponnenheit zu den weiter gespannten Horizonten des abendländischen Denkens und damit zu den dort mit wesentlich größerer Konsequenz und vertiefterem Verständnis interpretierten Vätern des eigenen Geistes Platon und Aristoteles zu führen, traf auf unüberwindliche religiös und gesell­schaftspolitisch bedingte Widerstände, die eine Realisierung verhinderten.

Der Historiker, der mehr über die Persönlichkeit des Mannes und sein von diesem Konflikt geprägtes Leben wissen möchte, sieht sich vor allem an das . dem Umfang nach gewaltige und nach seinem Inhalt und der stilistischen

1 Zu diesem Vorgang vgl. die Überlegungen von H.-G. Beck, Die Mobilität der byzantinischen Gesellschaft, Orient 14 (Tokyo 1978) 1-14, hier 5 f. über die umstandsbedingte Wandlung des Begriffs «Latinophron» aus einer geistesgeschichtlichen zu einer politischen Größe. Man wird sagen können, daß Kyd. unter dem Zwang der Verhältnisse aus einem theologischen zu einem politischen Latinophron wurde; aber sein Hauptinteresse lag immer im denkerisch­theologischen, nicht im politischen Bereich.

2

EINLEITUNG

Prägung eindrucksvolle Corpus seiner uns erhaltenen etwa 450 Briefe ver­wiesen. Sind diese Briefe als historische Dokumente wegen ihres von episto­lographischen und rhetorischen Formeln geprägten Stils auch nur mit gewis­sen Einschränkungen verwertbar, so bleibt doch der Informationswert im­mer noch ungewöhnlich hoch, und zwar nicht nur, was Kydones selbst be­trifft, sondern auch im Hinblick auf seine an historiographischem Quellen­material etwa ab 1360 besonders arme Zeit. Der Blick in die Sekundärlitera­tur zum 14. Jahrhundert in Byzanz zeigt immer wieder, daß das in den Kydo­nesbriefen überlieferte historische Material, das seit der Edition der Briefe durch Loenertz 1956/60 der allgemeinen Benutzung zugänglich ist, noch längst nicht erschöpfend aufgearbeitet wurde. Dies beruht teils auf den sprachlichen Schwierigkeiten der Briefe, teils auf dem versteckten oder schwer interpretierbaren Charakter der Information, die sich öfters nur durch den Vergleich bzw. die genaue Kenntnis mehrerer Briefe gewinnen läßt. Eine Übersetzung und vor allem ein ausführlicher historisch-literari­scher Kommentar der Briefe erscheinen daher als dringendes Desiderat für jeden, der sich mit der Geschi~hte und der Prosopographie des 14. Jahrhun­derts eingehender beschäftigen will. Diese Lücke versucht die hier begonnene Arbeit zu schließen. Darüber hinaus soll aber der literarische Kommentar (Näheres darüber unten, S. 85 f.) einen Beitrag zum besseren Verständnis des Prosastils und der Epistolographie in Byzanz leisten, deren Sekundärliteratur verhältnismäßig arm an literarischen Einzelinterpretationen ist. Außerdem wird in den folgenden Teilen der Einleitung der bisher ausführlichste doku­mentierte Lebensabriß des Kydones samt einer Würdigung seiner Persön­lichkeit und einem Verzeichnis seiner Werke vorgelegt.

3

DAS LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES1

Demetrios Kydones2 wurde ca. 1324/5 in Thessalonike3 geboren. Zu die­ser Zeit war die Stadt, damals das zweite große Zentrum des byzantinischen

4

1 Eine Biographie des Kyd. auf der Basis des ganzen edierten Quellenmaterials liegt bis heute nicht vor. Die am besten dokumentierte Gesamtübersicht gibt immer noch der Essai de chronologie in LR 108 -122, für die Zeit bis ca. 13 75 später ersetzt durch LOCP 36 und 37. Eine ausführliche Biographie des Kyd. wird angekündigt von F. Kianka (s. KiankaApol 57, A.2). Ich verzichte hier darauf, ältere oder neuere kurze zusammenfassende Darstel­lungen seines Lebens aufzuzählen, die alle den Ansprüchen, die das vorliegende Quellen­material stellt, nicht mehr genügen können. Die folgende biographische Skizze kann eine umfassende Kydonesbiographie nicht ersetzen, versucht aber auf der soliden Basis der Quellen und der neuesten Literatur eine dem Rahmen dieser Publikation angemessene Darstellung zu geben.

2 In seinen Briefen T109/L117,73 und L216,5 nennt Kyd. seinen Vornamen ausdrücklich. Die Herkunft des Familiennamens Kydones ist unsicher. Cammelli (KydEpCam V) dachte an Ableitung von dem kretischen Ort KUÖWVLU, JugieKyd äußerte sich skeptisch über sol­che Vermutungen. Wie ein Blick in Pape-Benseler, Wörterbuch der griechischen Eigenna­men, zeigt, kommen ähnliche geographische Namen öfters vor. Mit ihnen ist volksetymo­logisch das Wort für «Quitten» (KUÖWVLU IlÜA,U) zu verbinden, s. H. Frisk, Griech. etymol. Wörterbuch 11, Heidelberg 1970, s. v. Daneben besteht die Möglichkeit einer Ableitung von KÜÖOC;. F. Bechtel, Die historischen Personennamen des Griechischen bis zur Kaiser­zeit, Halle 1917, führt eine zweiseitige Liste von Namen auf, die am Anfang oder Schluß dies Wort als Bestandteil aufweisen (S. 269f.). Unter anderem ist aus XenHell I 3,18 ein gewisser Kuömv BUtclVtLOC; bekannt. In byzantinischer Zeit ist der, soweit ich sehe, frühe­ste Träger des Namens ein loannikios Kydones, antiarsenitisch eingestellter Erzbischof von Thessalonike von ca. 1260-1272. Ober ihn V. Laurent, La liste episcopale du synodicon de Thessalonique, Texte grec et nouveaux complements, EO 32 (1933) 300-310, hier 305 f. mit weiterer Literatur und LaurReg 1349. Vgl. auch den bei DarRech 532 in einer Synodalliste von 1277 unter Nr. 95 angeführten «uQ'Xwv mü EUUYYEA,LOU» loannes Kydo­nes. Im 14. Jh. ist der Name, auch mit den Varianten Kydonos und Kydoniates, häufiger belegt, wie mir vor allem der Einblick in den noch nicht publizierten entsprechenden Arti­kel des PLP in Wien zeigte. In RaulEp 163 ist ein Demetrios K ydones bezeugt, der nicht mit· unserem identisch sein kann, aber wohl mit dem in RaulEp 151,26.29 erwähnten K ydones. Demetrios Kydones bzw. sein Vater entstammten einer vornehmen Familie in Thessaloni­ke, die dort seit vier Generationen eingesessen war; s. u., A.5.

3 Folgende Quellenzeugnisse sind für eine annähernde Bestimmung des Geburtsdatums von Bedeutung: 1. Am 2. 9. 1346 sagt Kyd. von sich selbst, seine körperliche Entwicklung habe den Höhepunkt (aKIl1l) erreicht (T15/L5, 76).2. Bei Eintritt in den Dienst des Kaisers loan­nes Kantakuzenos (1347) ist er ein VEUVLOKOC; UQ'tL 3tULöuymyrov Kut IlOUOELWV cl3tTjA,A,uy­IlEVOC; (KydApol I 360,28) bzw. ein IlELQclKLOV (ebd. 35), zu jung für eine so hohe Stellung (zu dieser Stellung s. u., A.54). Bei LSc zitierte Quellen geben für IlELQclKLOV ein Alter u~ 20

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

Reiches, ein begehrtes Streitobjekt in den Bürgerkriegen zwischen Kaiser Andronikos 11. und seinem Enkel Andronikos 111., und zudem versuchten noch die jeweils von einer Seite eingesetzen Gouverneure ihre eigenen politi­schen Ziele durchzusetzen. Schließlich erklärte sich die Stadt im Januar 1328 für Andronikos den Jüngeren4

• Mit ihm hielt sein bedeutendster Anhänger, loannes Kantakuzenos, Einzug in die Stadt und machte seinen Einfluß dort geltend.

Der Vater des Demetrios lebte in Thessalonike und hatte dort aufgrund seiner Abkunft und seiner Ämter eine angesehene Stellungs. Mit Kantakuze-

Jahre an. Nach L241,35 ist er «ganz jung» in den kaiserlichen Dienst eingetreten; nach L333,37 begann er «ganz jung» mit dem Studium des Thomas von Aquin, wozu er zweifel­los nicht vor 1347 Gelegenheit hatte (s. u., S. 12). In T76/L21,21 spricht er bei einem 21-jährigen von seiner «Jugend». Diese Angaben zwingen uns, sein Geburtsdatum nicht allzu­lange vor 1326 anzusetzen. 3. Andererseits kann er beim Tode des Vaters 1341 (s. u., S. 7) nicht mehr allzu jung gewesen sein, denn sein Alter befähigte ihn damals schon zu einem gewissen Grade, bei seinen Geschwistern Vaterstelle zu vertreten (KydApol I 360,21-24). Er muß also mindestens 16 oder 17 Jahre alt gewesen sein (Geburtsjahr 1324 oder 1325). 4. Sehr wahrscheinlich war er etwas älter als der Despot Manuel Kantakuzenos, dessen Geburtsjahr auf 1326 angesetzt wird (NicKant 122): wenn er seine Leistung «im jugendli­chen Alter» preist (T6/L17,25;T7/L6,34f.), würde dies im Mund eines Jüngeren oder Gleichaltrigen allzu gönnerhaft klingen. 5. Wenn er sich nach ManEp(Den) 31,5 im J. 13 96 im «Greisenalter» befand und auch SalutEp III 108 sein Alter im gleichen Jahr mit «altis­sime senectutis» angibt, bedeutet das zwar, daß er damals über 70, aber nicht unbedingt, daß er weit über 70 Jahre alt war. Auf sein hohes Alter beim Tod (1397/8) spielt auch das Grabepigramm des Manuel Kalekas an (MercNot 110f.). Diese Quellenzeugnisse bestäti­gen den Ansatz seiner Geburt auf 1324/5. Loenertz' Tendenz in LOCP3 6,48, das Geburts­jahr mit der Angabe «c. 1323» noch weiter zurückzuverlegen, scheint keine zwingenden neuen Argumente für sich zu haben. K yd.' Herkunft aus Thessalonike ist vielfach bezeugt, vor allem in seinen eigenen Briefen, ausdrücklich Tl09/L117,73, aber zu erschließen aus vielen Stellen, wo er von der Vaterstadt redet (LC II 475, Index, s. v. patria Thessalonica). In L332,68 nennt er sie zärtlich «die schönste der Städte». Philipp de Bindo Incontri, der bei seiner Konversion zur römischen Kirche eine Rolle spielte, nennt ihn «civis Thessaloni­censis» (KaepPhil 164).

4 Bosch 44 f.; NicKant 40. Datierung nach DietGreg II 1,209 f. Ober Thessalonike als geisti­ges Zentrum im 14. Jh. vgl. NicChurch 56.

5 KydKant 12,23; 9,22f.30. Die wichtigste Nachricht über seine Familie enthält KydApol II 411, 254ff. Danach war die Familie des Vaters bis zur vierten Generation rückwärts in Thessalonike eingesessen, genuin «byzantinisch» (' PWIlClLOL), ihre Vertreter waren «ßClm­AE'Ümv OLXELOL» und immer wieder auch im öffentlichen Dienst tätig. Ferner nennt PhiIipp de Bindo Incontri den Demetrios Kyd. «nobili genere» (KaepPhil 164).

5

EINLEITUNG

nos eng befreundet, erhoffte er sich von ihm Schutz und Protektion für seine Familie6

• Der Höhepunkt seiner öffentlichen Tätigkeit war seine erfolgreiche Gesandtschaft in den ersten Monaten des Jahres 1341 zur Goldenen Horde (Kipcak) an der unteren Wolga: seiner Diplomatie gelang es, die Mongolen vom byzantinischen Gebiet abzulenken und ihre Angriffslust auf bulgari­sches Territorium zu lenken. Doch erkrankte er auf der Rückreise und starb noch vor der Heimkehr, wohl in Didymoteichon oder Konstantinopel zwi­schen April und Juni 13417

• Die Mutter des Demetrios lebte nach ihres Gat­ten Tod als Witwe in ThessalonikeLwo sie Uß2_~Jlder: Pe~t starb8

• Vielleicht war Demetrios das älteste Kind der Familie, sicher aber der älteste Sohn, denn er war sich nach dem Tode des Vaters seiner Verpflichtung bewußt~ für

- die jüngeren Geschwister zu sorgen9• Sein einziger Bruder Prochoros wurde

in jungen Jahren Mönch im Laurakioster auf dem Athos lO• Als streitbarer

Gegner des Palamismus starb er etwa 1370 nach seiner kirchlichen Verurtei­lung in Konstantinopelll. Von den drei Schwestern starben zwei im Jahr 1362 an der Pest12

, die dritte überlebte damals und starb erst etwa Anfang 138113

• Von den Lehrern des jungen Kydones in Thessalonike, die ihn in den «enzyklischen» Fächern und der Theologie unterwiesen, sind die zwei bedeu­tendsten namentlich bekannt: Isidoros, der spätere Patriarch l 4, und Neilos Kabasilas15

• Ein Einfluß Barlaams, des gelehrten Mönches aus Kalabrien, auf Kydones wurde früher wegen einer angeblichen Korrespondenz als gesichert angesehen, doch handelt es sich bei dem .Briefpartner Barlaams um einen an-

6 KydKant 12,23-3,2; 7,28f. 7 KydKant 13,3-8; 9,12-22; V. Laurent, L'assaut avort{de la Horde d'Or contre l'Empire

byzantin, REB 18(1960)145-162; LBF I 426-430 und 90f. 8 KydKant 16,32-7,1; T50/L110,18. 9 KydApol I 360,23 f. Dort ist «'tOL<; VEOJ'tEQOL<; 'toov aÖEAq>oov» nicht unbedingt so zu verste­

hen, als habe Demetrios nur jüngere Geschwister gehabt. Es genügt, wenn er sich als älte­ster männlicher Nachkomme seines Vaters für die Familie verantwortlich fühlte. Jedenfalls müßte dieinPG 150,881D-882Aerwähnte «Tochter des Kydones», wenn sie eine Schwe­ster des Demetrios war, älter als dieser gewesen sein. Vgl. Exkurs Isidoros, u., S. 161 f., A.19.

10 KydApol III 316,117; s.u., Exkurs, S. 241, A.8 und 9. 11 Verurteilung: Exkurs; S. 239f.; Tod: ebd. S. 240. 12 T50/L110, 13-22. 13 T50, 22-27; L196,31. 14 PLP 3140; Exkurs Isidoros, u., S. 159 mit A.19. 15 T40/L378,11-13.19; KydApol 1390,106-391,124; RackKyd 27.

6

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

deren Demetrios von Thessalonike16• Andererseits ist es unwahrscheinlich,

daß der junge Kydones auf den eindrucksvollen theologischen Kämpfer, der sich in den dreißiger Jahren häufig in Thessalonike aufhielt, überhaupt nicht aufmerksam wurde17

• Sein Versuch, mit Barlaams wissenschaftlichem Kon­trahenten Gregoras Kontakt aufzunehmen, blieb anscheinend ohne Erfolg18

Er berichtet später auch von einem gelehrten Zirkel, in dem er philosophi­sche Studien betrieben und sich mit Pythagoras, Platon und Aristoteles be­schäftigt habe19

• Bereits im Kindesalter hatte Kydones Gelegenheit, im Hause des Vaters dessen Freund Ioannes Kantakuzenos kennenzulernen2o

,

der ihm bald, da er Gelehrsamkeit mit politischer Tätigkeit verband, als Vor­bild erschien21

Einen tiefen Einschnitt in seinem Leben bedeutete für Demetrios der Ver­lust seines Vaters im Alter von etwa 17 Jahren22

• Kurz darauf überstürzten sich auch in seiner politischen Umwelt die Ereignisse: Kaiser Andronikos III. starb in der Nacht vom 14. auf den 15. 6. 134123, Ioannes Kantakuzenos ließ sich seinen Gegnern in der Hauptstadt zum Trotz am 26. 10. 1341 in Didy­moteichon24 zum Kaiser ausrufen, womit der Ausbruch des Bürgerkrieges

16 LBFI lllf.; LOCP 36,48; vgl. auch die Tatsache der Ablehnung des von Kyd. so geschätz­ten Thomas von Aquin durch Barlaam: PapThom 287 f. Die Arbeit von Loenertz bleibt unberücksichtigt bei PodTheol 195 f., der hier noch auf MercNot 154-156 basiert.

17 Ober die philosophische Lehrtätigkeit Barlaams in Thessalonike vgl. G. Schiro, '0 Bae-Aaal! xai. 'rl q>LAOomp(a d<; 'tTJv E>EOoaAOvLXT)V xm:a tOv I~' atrova, Thessalonike 1959.

18 T1/L123 und Bemerkungen zu dem Brief unter BKyd. 19 T15/L5,28-31. 20 KydKant I 2,35-3,2. Aufenthalte des Kantakuzenos in Thessalonike seit 1328: Kant 11

25f.; 28f.; 38; NicKant 41-43; vgl. T5,A.26. 21 T5/L12,6-19. 22 Kant 11 572; LBF I 430; s.o., A.7. Verpflichtung für die unmündigen Geschwister: Kyd­

Kant I 5,3; KydApol I 359,20-360,24. Klage über Belästigung durch habgierige Ver­wandte nach dem Tode des Vaters: T52/L124, 11-14.

23 Weder die Angaben bei SchreinChron 11 250f. noch die bei DietGregII 2,A.523 zur Todes­zeit des Andronikos können ganz befriedigen. Ob der Kaiser in der Nacht vom 14. auf den 15. vor oder nach Mitternacht starb, ist m.E. nicht mit Sicherheit zu sagen. Nach Kant I 560,14 starb er nämlich noch am Abend des 14. 6., nach GregI 560,2f. aber war er tot, be­vor die Sonne aufging, ohne daß Gregoras (wie van Dieten es versteht) behaupten will, er sei erst am Morgen, direkt vor Sonnenaufgang, gestorben.

24 So heißt die Stadt entgegen der in der Sekundärliteratur vorherrschenden Endung auf -os (vgl. für das 14. Jh. z.B. Kant 11 436,6). Ich verdanke den Hinweis, der auf eine Beobach­tungJ.-L. van Dietens zurückgeht (s. BeyGreg 13 7,A.69; vgl. bereits NikChon 11 28, Index,

7

EINLEITUNG

besiegelt war2S, und schon hoffte er Thessalonike für seine Sache zu gewin­

nen, da erhielt er im Frühsommer 1342 die Hiobsbotschaft vom Ausbruch des Zelotenaufstandes mit seiner klar antiaristokratischen und damit auch kantakuzenosfeindlichen Tendenz26

Schon einige Wochen vor dem Ausbruch der Unruhen hatte Kydones brief­lichen Kontakt mit seinem kaiserlichen Gönner aufgenommen und sich sei­nes Wohlwollens versichert27

• Doch konnte Kantakuzenos, dem es nicht vor 1350 gelang, Thessalonike einzunehmen (abgesehen von einer kurzen Zeit­spanne im Sommer 1345, in der seine Anhänger die Stadt beherrschten, er selbst aber in Thrakien weilte), seinem Schützling nicht persönlich zu Hilfe kommen, und schon bald sah sich dieser als treuer Anhänger des Kantakuze­nos persönlichen Anfeindungen ausgesetzt28

• Unter der wirtschaftlichen Not der mehrfach angegriffenen und belagerten Stadt hatte auch er zu leiden29

Einer günstigen Fügung verdankte er es schließlich, zur Zeit des Massakers der Zeloten an den Senatoren und Aristokraten von Thessalonike (August 1345)30 außerhalb der Stadt zu sein: die Zeloten hatten ihn ausreisen lassen mit dem Auftrag, seinen (weiter nicht bekannten) Onkel, der sich auf der Flucht vor der angedrohten Hinrichtung an einen anderen Ort hatte retten können, zur Rückkehr zu überreden. Kydones ging scheinbar auf ihre Nöti-

8

s. v., und jetzt auch DietGreg 11 2,413, Index, s. v.), Herrn H.-V. Beyer, Wien. Wie mir Herr van Dieten mitteilte, findet sich die Form aber auch schon bei A. Th. Samothrakis, AESLXOv

t<noQ(a~ xal. YE<.OYQaq:>(a~ 'tfi~ E>Q~xTJ~, Athen 1963, s. v. Im Anschluß an van Dieten ver­wendet diese Form auch Ph. A. Giannopulos, Didymoteichon. Geschichte einer byzantini-

, sehen Festung, Diss., Köln 1975 (vgl. BZ 71,1978,215). 25 NicKant 46 f. 26 NicKant 50; WeiKant; C. P. Kyrrhis, Gouvernes et gouvernants a Byzance pendant Jr:revo­

lution des Zelotes (1341-1350), Gouvernes et gouvernants, 1968,271-330~\~. P. Matschke, Fortschritt und Reaktion in Byzanz im 14. Jh. Konstantinopel in defBurger­kriegsperiode von 1341-1354, Berlin 1971; WernThess.

27 T3/Lll; die Antwort des Kantakuzenos ist erwähnt T4/L16,4. Brieflichen Trost und fi­nanzielle Hilfe damals bezeugt auch KydKant I 3,11.

28 KydKant I 4,15-39. 29 KydKant 13,33-4,5; 4,39f. Die Flotte des Alexios Apokaukos zusammen mit türkischen

Schiffen vor Thessalonike Frühjahr 1343: NicKant 54. Bald darauf lagert Kantakuzenos kurze Zeit vor der Stadt: NicKant 55. Dazu und zu der wirtschaftlichen Not der Stadt im Herbst 1343: WernThess 54.

30 Datierung nach SchreinChron 11 263 f. Vgl. ferner: T18/L87,12; T95/L77; KydKant I 5,5-8; NicKant 60,A.70 (Quellen); LBF I 283; BarkKyd.

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

gung ein31, kehrte aber nicht zurück, sondern begab sich nach Berroia zu Manuel Kantakuzenos32

, den dessen Vater dort im Jahr 1343 zum Gouver­neur eingesetzt hatte33. Die Flucht des Kydones nach Berroia ist auf etwa Frühjahr 1345 zu datieren34. Seine Auftraggeber rächten sich durch Plünde­rung seines Elternhauses, und seine Angehörigen konnten nur mit knapper Not ihr Leben vor ihnen retten35. Auch der kurze Umschwung in Thessalo­nike zugunsten des Kantakuzenos veranlaßte Kydones nicht zur Rückkehr36, aber es ist anzunehmen, daß er mit seinem Studienfreund Nikolaos Kabasilas zusammentraf, als dieser im Juni/Juli 1345 als Gesandter der Kantakuze­nos-Partei von Thessalonike nach Berroia kam37. Das Massaker der Zeloten an den Aristokraten der Stadt im August 1345 erwies, daß Kydones recht ge­tan hatte, in Berroia zu bleiben38. Auf die Opfer des Massakers verfaßte er in Berroia eine Totenklage (Monodie)39. Seine anfängliche Begeisterung für den neuen Aufenthalt40 wich bald einer tiefen Enttäuschung: die Einwohner Ber­roias erschienen ihm allzu bäurisch41 . Nach einer entsprechenden Korres­pondenz mit Ioannes Kantakuzenos und dem bei ihm einflußreichen Proto­sebastos Kalothetos42 nutzte Kydones, den Manuel Kantakuzenos vergeb­lich zurückzuhalten versuchte, ca. im März 1346 eine sicl1 bietende Mög­lichkeit, nach Thrakien überzusetzen43.

31 KydKant 15,9-20; vgl. T16/L43,10. 32 T7/L6,32, interpr. nach LBF I 280f.; vgl. a.T22/L20,26 mit ausdrücklicher Nennung von

Berroia. Zur Vorbereitung der Flucht vgl. T6/L17,42. 33 NicKant 55. 34 Vgl. dazu T7,D: Kyd. berichtet im Jull 1345 Kantakuzenos von seiner Ankunft in Berroia,

die aber noch vor dem Umschwung in Thessalonike (Juni 1345) anzusetzen ist, da er ja ur­sprünglich von den Zeloten abgesandt war.

35 KydKant 15,21-37 mit anschaulicher Schilderung der völligen Auflösung des Familienbe­sitzes. Vgl. a.T8/L7,62ff.; Tl1/L26,7.14; T16/L43,8; LOCP 36,50.

36 Ober den kurzfristigen Erfolg der Kantakuzenos-Partei in Thessalonike: LBF I 282. Kyd. gratuliert dem Kaiser dazu persönlich in T7/L6.

37 Kant 11 574; LBF I 304f.; AngKabas I 38f.; T18/L87,11. \ 38 S.o.,A.30; KydKant I 5,19.

39 S.u., Werke, 1.3.1; Vortrag anläßlich einer Trauerzeremonie in Berroia: LOCP 36,50. ·40 T7/L6,32-41: Lob für die geistigen Interessen Manuels.

41 Tl1/L26,29-32. Freilich ist diese Klage ein be~J:>J~r Topos: Hunger I 228. Nach T22/L20,26-29 hat Kyd. auch im Einsatz für Manuel unliebsame Erfahrungen gemacht.

42 T9/L2.TI0/L8; Tl1/L26. Zu Kalothetos s.u., Exkurs, S.128-131. 43 T17/L18,4ff.; Tl2/L19,4ff.

9

EINLEITUNG

besiegelt war25, und schon hoffte er Thessalonike für seine Sache zu gewin- .

nen, da erhielt er im Frühsommer 1342 die Hiobsbotschaft vom Ausbruch des Zelotenaufstandes mit seiner klar antiaristokratischen und damit auch kantakuzenosfeindlichen Tendenz26

Schon einige Wochen vor dem Ausbruch der Unruhen hatte Kydones brief­lichen Kontakt mit seinem kaiserlichen Gönner aufgenommen und sich sei­nes Wohlwollens versicherr7

• Doch konnte Kantakuzenos, dem es nicht vor 1350 gelang, Thessalonike einzunehmen (abgesehen von einer kurzen Zeit­spanne im Sommer 1345, in der seine Anhänger die Stadt beherrschten, er selbst aber in Thrakien weilte), seinem Schützling nicht persönlich zu Hilfe kommen, und schon bald sah sich dieser als treuer Anhänger des Kantakuze­nos persönlichen Anfeindungen ausgesetzr8

• Unter der wirtschaftlichen Not der mehrfach angegriffenen und belagerten Stadt hatte auch er zu leiden29

Einer günstigen Fügung verdankte er es schließlich, zur Zeit des Massakers der Zeloten an den Senatoren und Aristokraten von Thessalonike (August 1345)30 außerhalb der Stadt zu sein: die Zeloten hatten ihn ausreisen lassen mit dem Auftrag, seinen (weiter nicht bekannten) Onkel, der sich auf der Flucht vor der angedrohten Hinrichtung an einen anderen Ort hatte retten können, zur Rückkehr zu überreden. Kydones ging scheinbar auf ihre Nöti-

s. v., und jetzt auch DietGreg 11 2,413, Index, s. v.), Herrn H.-V. Beyer, Wien. Wie mir Herr van Dieten mitteilte, findet sich die Form aber auch schon bei A. Th. Samothrakis, AESL'KOv l<TCoQ(a~ 'Kai. YEooYQacp(a~ til~ E>Q~'KTJ~, Athen 1963, s. v. Im Anschluß an van Dieten ver­wendet diese Form auch Ph. A. Giannopulos, Didymoteichon. Geschichte einer byzantini-

, sehen Festung, Diss., Köln 1975 (vgl. BZ 71,1978,215). 25 NicKant 46 f. 26 NicKant 50; WeiKant; C. P. Kyrrhis, Gouvernes et gouvernants a Byzance pendant Jrrevo­

lution des Zelotes (1341-1350), Gouvernes et gouvernants, 1968,271-330:.\~. P. - Matschke, Fortschritt und Reaktion in Byzanz im 14. Jh. Konstantinppel in def'Rtirger­

kriegsperiode von 1341-1354, Berlin 1971; WernThess.

8

27 T3/Lll; die Antwort des Kantakuzenos ist erwähnt T4/L16,4. Brieflichen Trost und fi­nanzielle Hilfe damals bezeugt auch KydKant 13,11.

28 KydKant I 4,15-39. 29 KydKant 13,33-4,5; 4,39f. Die Flotte des Alexios Apokaukos zusammen mit türkischen

Schiffen vor Thessalonike Frühjahr 1343: NicKant 54. Bald darauf lagert Kantakuzenos kurze Zeit vor der Stadt: NicKant 55. Dazu und zu der wirtschaftlichen Not der Stadt im Herbst 1343: WernThess 54.

30 Datierung nach SchreinChron 11 263 f. Vgl. ferner: T18/L87,12; T95/L77; KydKant I 5,5-8; NicKant 60,A.70 (Quellen); LBF I 283; BarkKyd.

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

gung ein31, kehrte aber nicht zurück, sondern begab sich nach Berroia zu Manuel Kantakuzenos32

, den dessen Vater dort im Jahr 1343 zum Gouver­neur eingesetzt hatte33. Die Flucht des Kydones nach Berroia ist auf etwa Frühjahr 1345 zu datieren34. Seine Auftraggeber rächten sich durch Plünde­rung seines Elternhauses, und seine Angehörigen konnten nur mit knapper Not ihr Leben vor ihnen retten35. Auch der kurze Umschwung in Thessalo­nike zugunsten des Kantakuzenos veranlaßte Kydones nicht zur Rückkehr36, aber es ist anzunehmen, daß er mit seinem Studienfreund Nikolaos Kabasilas zusammentraf, als dieser im Juni/Juli 1345 als Gesandter der Kantakuze­nos-Partei von Thessalonike nach Berroia kam37. Das Massaker der Zeloten an den Aristokraten der Stadt im August 1345 erwies, daß Kydones recht ge­tan hatte, in Berroia zu bleiben38. Auf die Opfer des Massakers verfaßte er in Berroia eine Totenklage (Monodie)39. Seine anfängliche Begeisterung für den neuen Aufenthalt40 wich bald einer tiefen Enttäuschung: die Einwohner Ber­roias erschienen ihm allzu bäurisch41. Nach einer entsprechenden Korres­pondenz mit Ioannes Kantakuzenos und dem bei ihm einflußreichen Proto­sebastos Kalothetos42 nutzte Kydones, den Manuel Kantakuzenos vergeb­lich zurückzuhalten versuchte, ca. im März 1346 eine sicl1 bietende Mög­lichkeit, nach Thrakien überzusetzen43.

31 KydKant 15,9-20; vgl. T16/L43,10. 32 T7/L6,32, interpr. nach LBF I 280 f.; vgl. a. T22/L20,26 mit ausdrücklicher Nennung von

Berroia. Zur Vorbereitung der Flucht vgl. T6/L17,42. 33 NicKant 55. 34 Vgl. dazu T7,D: Kyd. berichtet imJull1345 Kantakuzenos von seiner Ankunft in Berroia,

die aber noch vor dem Umschwung in Thessalonike (Juni 1345) anzusetzen ist, da er ja ur­sprünglich von den Zeloten abgesandt war.

35 K ydKant I 5,21-3 7 mit anschaulicher Schilderung der völligen Auflösung des F amilienbe­sitzes. Vgl. a.T8/L7,62ff.; Tl1/L26,7.14; T16/L43,8; LOCP 36,50.

36 Über den kurzfristigen Erfolg der Kantakuzenos-Partei in Thessalonike: LBF I 282. Kyd. gratuliert dem Kaiser dazu persönlich in T7/L6.

37 Kant 11 574; LBF I 304f.; AngKabas I 38f.; T18/L87,11. 38 S.o.,A.30; KydKant I 5,19. 39 S.u., Werke, 1.3.1; Vortrag anläßlich einer Trauerzeremonie in Berroia: LOCP 36,50. 40 T7/L6,32-:-41: Lob für die geistigen Interessen Manuels. 41 Tl1/L26,29-32. Freilich ist diese Klage ein be§9Jer Topos: Hunger I 228. Nach

T22/L20,26-29 hat Kyd. auch im Einsatz für Manuel unliebsame Erfahrungen gemacht. 42 T9/L2~Tl0/L8; Tl1/L26. Zu Kalothetos s.u., Exkurs, S.128-131. 43 T17/L18,4ff.; T12/L19,4ff.

9

EINLEITUNG

Zunächst begab er sich zu Ioannes Kantakuzenos, damals in Selymbria, um bei ihm Hilfe zu finden44, und ~e freundlich aufgenommen45. Ein Brief bezeugt ihn noch im April/Mai ~}~9 an diesem Ort46; damals versuchte Kantakuzenos zum zweiten Mal verg~blich, in die Hauptstadt einzudrin­gen47. Vielleicht war er bei der Krönung des Kantakuzenos in Adrianopel am 21. 5. 1346 zugegen48. Bald veranlaßte ihn jedoch eine uns unbekannte «Notwendigkeit», eine kleinere Stadt Thrakiens aufzusuchen, und eine Er­krankung zwang ihn zu seinem Leidwesen, länger als vorgesehen dort zu verweilen49.

In der Nacht vom 2. zum 3. Februar 1347 fand Kantakuzenos Eingang in die Hauptstadt und einigte sich am 8. 2. mit dem damals vierzehnjährigen le- . gitimen Kaiser Ioannes Palaiologos über einen Modus gemeinsamer Herr- -schaft: Kantakuzenos sollte auf zehn Jahre die Rolle des väterlichen Führers -__ gegenüber dem Jüngeren spielen und war somit der eigentliche regierende Kaiser50.

Da Thessalonike zunächst noch weiter in der Hand der Zeloten blieb, sah­Kydones keine Möglichkeit, dorthin zurückzukehren51, und richtete ein en­komiastisch ausgeschmücktes Bittgesuch ~n den kaiserlichen Protektor, sich weiterhin seiner anzunehmen, womöglich aber auch in naher Zukunft Thes­salonike zu befreien52. Offenbar hatten die Treuebekenntnisse und Lobes­worte, die er damals formulierte, durchschlagenden Erfolg: der Kaiser be­traute ihn «sofort» (so Kydones selbst) oder doch bald mit einem höchst eh­renvollen Post~n: er ordnete nämlich an, «keiner, der an ihn (sc. den Kaiser) eine Bitte habe, könne Gewährung erhalten, wenn er nicht vorher bei mir (sc. Kydones) in dieser Angelegenheit vorgesprochen habe»53. Da Kydones in ei-

44 KydKant I 1,17-20; Tl2/L19; LOCP 36,50. 45 KydKant I 3,13f.; Tl2/L19,17ff. 46 T13/L9. 47 Kant II 556-558. 48 Zum Datum NicKant 61; s. auch T14,D. 49 Notwendigkeit: T14/Ll0,25 f.; kein Auftrag des Kaisers: ebd. 24f.; vgl. ferner T14/Ll0;

T15/L5; T16/L43; vielleicht auch T17/L18. Anfang September 1346 hielt er sich dort noch auf: T15,D.

50 NicKant 63; FailCant; NicAbd. 51 KydKant I 6,17f.

I 52 KydKant I, insb. 6 H. Datierung nach LBF 142 7,A.2, gegen Sevcenko. Etwa gleichzeitig ver­faßte Kyd_ noch einen Panegyrikus auf Kantakuzenos (= KydKant II, s. u., Werke, 1.3.3).

53 Sofort: KydApol I 360,30; Zitat: KydApol I 360,32-34. Vgl. T21/L88,30.

10

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

nem späteren Brief die Funktion des flEoa~wv, die er damals bekleidete, u. a. als Mittlerstellung zwischen Kaiser und Volk beschreibt54 und da außerdem die Leitung der kaiserlichen Kanzlei und der Umgang mit auswärtigen Ge­sandten zu den frühen Funktionen des Kydones wie des flEoa~wv gehörte, spricht vieles dafür, daß Kantakuzenos den begabten Sohn seines Freundes trotz de~senJugend von vorneherein mit dieser ehrenvollen Stellung betraute und nicht, wie Mercati annahm, zuerst nur zum E1d 'twv ÖEiJoEwV_machte55. Wenn man Kydones selbst glauben will, hat er seine staatsmännische Kar­riere nur widerwillig angetreten, trennte sie ihn doch von seinen Studien, die ihm über alles lieb waren. Doch ist die Klage über den Verlust der Muße zu geistiger Betätigung im Munde der gebildeten Staatsmänner seiner Zeit und früherer Epochen auch ein beliebter TOpOS56.

Allerdings ließ sich Kydones auch in seiner verantwortungsvollen Position nicht davon abhalten, seine gelehrten Studien fortzusetzen; vielmehr wagte er sich sogar auf ein ganz neues Arbeitsfeld und begann die lateinische Spra­che zu erlernen. Dazu kam er, wie er selbst berichtet, weil er die Gesandten und Gäste aus dem Westen, die er laut kaiserlichem Auftrag zu betreuen hat­te, zunächst nur mit Hilfe mehr oder weniger schlechter Dolmetscher verste­hen konnte57. Sein Lehrer war ein Dominikaner aus Pera, der genuesischen

54 T42/L50,24-26. Seine Plage mit den vielen Bittstellern besrhreibt Kyd. in T36/L58,44-49. Vgl. LBF1441-465 (insb. 465f., wo besonders die langjährige Funktion als Kanzleivorstand entsprechend dem Aufgabenbereich des Mesazon nach BeckMin 319 betont ist). über den msazon allgemein ferner BeckMin, VerpContrib (insb. 280f., wo Kant 111 285 und KydApol I 360 zitiert sind) und DietGreg 11 1, A.35. Geanlnt 14 u.ö. nennt ihn irrig «Großlogotheteo». Nach VerpContrib 283 ist der Mesazon zwar ein Amts­inhaber, aber, zumindest in der spätbyzantinischen Epoche, kein Titelträger. Anders BeckMin 319 (<< zugleich protokollarischer Würdenträger»). überlegungen über einen mutmaßlichen Titel des Kyd. als Finanzbeamter: s.T45,A.15; dazu auch unten, A.76. Im übrigen ist kein Hof titel des Kyd. belegt; vgl. aber noch T31,A.1.

55 MercNot 360,A.; zu dieser Funktion GuillTitr XXII. Auch EszKal9 nimmt an, daß Kyd. von vorneherein Mesazon wurde. Die Vermittlung zwischen dem Kaiser und Bittstellern gehörte jedenfalls auch später zu seinen Aufgaben (s.A.54).

56 KydloPalll,9-17. Zum Topos: BeckMet 34 ff.; H. Hunger, Der 'H6-L'K6~ des Theodoros Metochites,IIE3tQ. 'toü 8' L\LE'ltv. BU~.l:UVEÖQ., Athen 1958, 141-158. Vgl. auchR. Guil­land, Byz 3 (1926)265ff. Der Palast, in dem Kyd. fortan die entscheidenden Jahre seines Lebens verbringen sollte, war der Blachernenpalast. Vgl. dazu jetzt Müller-Wiener 224. Zu _ der Frage, wo Kyd. damals seine Wohnung hatte, s.T42,A.8. Anscheinend stand der junge Kyd. bereits 1347 im Ruf großer Gelehrsamkeit: s. u., TI9/L86,67.

57 KydApol 1360,41-361,61.

11

EINLEITUNG

Niederlassung jenseits des Goldenen Horns, über dessen Identität man nur Vermutungen anstellen kann58

• Das erste «Lesebuch» des eifrigen Latein­schülers war, recht anspruchsvoll für einen Anfänger, das philosophische Hauptwerk des Thomas von Aquin, die Summa contra gentiles~9. Bald blieb es nicht beim Lesen, und Kydone~ übersetzte das Werk nach und nach ganz ins Griechische60

Als einer seiner alten Freunde aus Thessalonike ließ sich -Nikolaos Kabasi­las Chamaetos von Kydones dazu gewinnen, zu ihm nach Konstantinopel zu kommen, wo er ebenfalls in den Dienst des Kaisers trat61

• Kantakuzenos be­richtet über sich selbst, er habe bereits in diesen Jahren daran gedacht, sich mit einer Gruppe von Freunden, unter ihnen auch Kydones und Kabasilas, in ein Kloster zurückzuziehen. Zuerst war das Kloster des hl. Mamas vorgese­hen, bald aber das St.-Georgs-Kloster der Manganen, wo Kydones selbst wahrscheinlich schon gegen Ende der vierziger Jahre ein aÖ Ef..qJ(l'toV, das An­recht auf eine vom Kloster auszuzahlende Unterhaltssumme, erwarb62

• Die angeblichen Pläne des Kaisers hätten sich zunächst zerschlagen, da der unru­hige politische Alltag ihm kaum Zeit zur Besinnung gelassen habe: ~hessalo=-. nike war von den Zeloten u~d den mit ihnen verbündeten Serben zu befreien, über Jahre zogen sich kriegerische Auseinandersetzungen mit der Seerepu­blik Genua hin, und schließlich meldete der junge Kaiser mehr und mehr seine Ansprüche auf die Macht an, offenbar nach Meinung des Kantakuze-

, nos trotz seiner so betont herausgestellten Neigung für das Mönchtum zu I früh63 •

58 Lobende Erwähnung des Lehrers: KydApol I 361,61-74; Dominikaner nach KydApol I 364,134; dazu LBF I 210. Aus Spanien: LBF 11 26,A.3; dort Identität des Lehrers mit dem später für Kyd. bedeutungsvollen Garcia (s. u., A. 204 und zugeh. Text) vermutet, aber nicht bewiesen. Identität des Lehrers mit Philipp de Bindo Incontri bei Geanlnt 104 vermu­tet, aber nicht bewiesen. Lob der spanischen Dominikaner auch L185,3. über den Beginn der Lateinstudien «ganz jung» L333,37 ff. Wahrscheinlich ist er der Kyd., den Akindynos 1348/51 als «Weisen» bezeichnet: AkindEp I 106,35. Vgl. dazu T 19, BKyd. -"

59 KydApol I 362,98-363,129. S. u., Werke, S. 70f., 2.9.2. 60 Abschluß der übersetzung am 24. 12. 1354; s. u., Werke, ebd. 61 LBF I 305-307; I. Sevcenko, DOP 11 (1957)9lff. 62 KantIlI 107; 285; NicKant 95; LOCP 36,53. Mamaskloster: JaninEgI326ff.; Manganen­

kloster: JaninEgl 75 ff.; Müller-Wiener 13 6-13 8; zum aÖEA,q>ä'tov: M. :l:ivojnovic, ZR VI 11(1968)241-270 (skr.m.engl. Zsfg.); vgl. dazu a.BZ 62(1969)172f.

63 NicKant 72f.; 76-79; 79-85. Zum Vertrag mit Genua I. Medvedev, W 38 (1978) 161-172.

12

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

Da Kantakuzenos an Unionsverhandlungen mit dem Papst nicht uninte~­essiert--war64

, mochten ihm die lateinischen Studien des Kydones zunächst nicht unwillkommen sein; andererseits entwickelten sich die theologischen Ansichten seines engsten Mitarbeiters mehr und mehr in einer Weise, die ihm nicht angenehm sein konnte: er selbst war und blieb ein eifriger Verteidiger der hesychastischen Mystik und der palamitischen Theologie, der er auf dem BIachernenkonzil von Mai/Juni 1351 und in einem abschließenden Synodal­tomos zur Ehre eines Dogmas der Orthodoxie verhalf65 ;"Kydones hingegen erwies sich bald- als ein 'bntschiedener Gegner der Hesychasten und des Pala­mismus, nicht zuletzt, weil sich die von den Palamiten vertretene Energien­lehre nicht mit der für Kydones überzeugenden ;scholastisch-rational be­gründeten Gotteslehre des Thomas von Aquin vereinbaren ließ66

• Doch schwelten die fundamentalen Gegensätze zunächst unter der Oberfläche und traten noch nicht offen zutage, es sei denn in Äußerungen gegenüber einem vertrauten Briefpartner67

Zudem machte er sich politisch dem-Kaiser recht schnell unentbehrlich, so daß ihn dieser z. B. während seiner Kä~pfe mit Ioannes V. Palaiologos im Sommet{1352 bedenkenlos als seinen Vertreter in der Hauptstadt zurücklas­sen konrire-;-andererseits empfand aber Kydones sein damaliges Verbleiben dort auch als eine gewisse Zurücksetzung68

Zuverlässigkeit im Amt war für Kydones bereits damals nicht gleichbedeu­tend mit bedingungsloser Ergebenheit: im Streit des Kantakuzenos mit Ioan­

, nes Palaiologos bezog er keineswegs eindeutig für den ersteren Stellung, son-

64 LBF I 285-302; NicCounc 82-86. 65 DarPatr 2324; L. Clucas, The Hesychast Controversy in Byzantium in the Fourteenth Cen­

tury: a Consideration of the Basic Evidence, Diss., Los Angeles 1975,440-534. 66 PapThom 281 f. Widerlegung der palamitischen Energienlehre vor allem im Hauptwerk

des Prochoros Kydones (De essentia et operatione), dessen Argumentation sich Demetrios in T81/MercNot 346ff. und in KydApol 111 anschloß. Vgl. a. die eigene Apologie des Pro­choros, s. u., Werke, S. 72,3.2 (unter den Spuria des Kyd.). Zu beachten ist allerdings, daß Demetrios selbst der scholastischen Logik gegenüber doch wieder einige Zurückhaltung zeigt: PodTheol 205!

67 T20/L72 an Maximos Kalopheros; interessant auch T21/L88 an einen unbekannten Mönch. Hier wird der Palamismus, und d~s bereits 1347/8, von Kyd. ausdrücklich als Ver­irrung bezeichnet (42f.). Zu dem hier deutlichen Dilemma s.T21,BKyd.

68 T27-T32; T34. Das Treiben der Hofbeamten ohne die Beaufsichtigung durch Kyd. ist in T29/L14 hu~orvoll angedeutet. Zurücksetzung: T30/L42,39ff. Allerdings läßt sich der Grad der Ironie dieser Passage schwer ausmachen: s.T30,BKyd.

13

EINLEITUNG

dern sprach sich gegen die Verbannung des Jüngeren Anfang 1353 auf die In­sel Tenedos aus69

• Trotz solcher unterschiedlicher Auffassungen im religiö­sen wie politischen Bereich behielt er seine einflußreiche Stellung bei Kanta­kuzenos bis zu dessen Abdankung im November/Dezember 13547°. Den Grund dafür wie auch für die baldige Rückkehr in den kaiserlichen Dienst unter Ioannes V. sieht Loenertz mit Recht in der charakterlichen Integrität des Kydones, der Zeit seines Lebens den offenen Kampf der Intrige vorgezo­gen hat71

• Am 10. Dezember zog er sich zusammen mit seinem kaiserlichen Herrn ins Manganenkloster zurück und nutzte die Ruhezeit zur Vertiefung seiner geistigen Interessen72

• Nach seinen eigenen Angaben hat sie nicht all­zulange gedauert 73. Schon bald muß der junge Palaiologe, der nunmehr die politische Verantwortung übernommen hatte, begriffen haben, daß er ohne den erfahrenen Mitarbeiter seines Vorgängers nicht auskommen konnte, und im Verlauf des Jahres 1356 wurde dieser erneut als ~Eoa~OJv in den Pa­last berufen74

• Neben seiner Unentbehrlichkeit mag dabei auch die Tatsache

69 KydIoPal 12,3-6. Zum historischen Hintergrund: Kant III 285, wo Kantakuzenos die Vertrauensstellung des Kyd. im Palast betont. Ferner T36/L58; NicKant 81; LOCP 36,54; 37,9. Kritik an Ioannes V.: T27,X3; T32,X1. S. auch unten, Exkurs, S. 199 mit A.6 und 7.

70 Zur Abdankung des Kantakuzenos: FailCant; NicAbd. 71 LOCP 37,10; s. u., S. 54ff.: zur Persönlichkeit des Kyd. 72 LOCP 36,55; T37/L49. Das Glück dieser Zeit schildert KydIoPal11,21-38. Widerstre­

ben, in den Staatsdienst zurückzukehren: ebd. 12,27-39. Kantakuzenos begab sich jedoch nach 1357 in das Charsianiteskloster der Hauptstadt: NicAbd 280 f. Zum Manganenklo­ster s.o., A.62. Zum Charsianiteskloster: JaninEgl 516f.

73 In KydIoPal spricht er selbst von wenigen Tagen (11,18-28). Andererseits spricht er in L 338,8f. von einem dreißigjährigen Dienst bei Ioannes V., der mithin erst 1357 begonnen hätte. Auffällig ist ferner, daß in dem berühmten Chrysobull Ioannes' V. an den Papst vom 15. 12. 1355 (DöReg 3052) von ihm keine Rede ist, sondern ein anderer Lateinkenner in der Kaiserkanzlei, Nikolaos Sigeros (den Kyd. nie erwähnt: LBF 1110; zu dessen Biogra­phie s. LBFI 300f.), hierbei mitwirkte. So istes zwar nicht angeraten, mit LOCP 36,56 eine Zeit von drei Jahren als obere Grenze für den Aufenthalt im Manganakloster anzunehmen, aber wohl doch 11/2 Jahre, will man die «wenigen Tage» mit den «30 Jahren» vereinba­ren.

74 Aus der Zeit des Ruhestandes stammen ausdrücklich die Briefe T38/L61; T39/L62, nach­weislich aber auch T37/L49. Bald oder einige Zeit nach der Rückkehr in den kaiserlichen Dienst sind verfaßt T411L38; T42/L50 (hier ausdrücklich die Funktion als Ilwaf;,{J)v er­wähnt), T43/L3; T44/L46; T45/L47. Sein Widerstreben, dem Ruf des Kaisers in den Pa­last zu folgen; schildert er ausführlich in KydIoPalll,29-13,27. Daß hier keine nachträg­liche Interpret~tion seiner Gefühle vorliegt, zeigen Briefe wie T411L38.

14

LEBEN DES DEMETRIOS KYDON~~

der gütlichen Einigung zwischen Kantakuzenos und Ioannes V. eine Rolle ge­spielt haben75

Von Anfang an war der Dienst bei dem neuen Herrn für K ydones mehr eine Bürde als eitle Ehre. Der in manchen politischen Alltagsfragen eher hilf­los wirkende junge Kaiser scheint die Fähigkeit des mittlerweile erfahrenen Staatsmannes rücksichtslos für sich in Anspruch genommen zu haben, und dessen Gewissen~ftigkeit kam ihm dabei sehr zustatten 76. Wiederholt bat er in den folgenden Jahren um Entlassung aus dem Staatsdienst77

, denn sein Herz hing an einer anderen großen Aufgabe: der Ob~rsetzung nunmehr der gewaltigen Summa theologiae des Aquinaten, die er erstaunlicherweise sogar parallel zu seinen Verpflichtungen bei Hofe zu einem erfolgreichen Ende führte78

• Diese Tätigkeit gewann ihn allerdings mehr und mehr für das römi­sche Christentum, und seine Neigung fand zusätzliche Förderung durch seine Bekanntschaft mit den Dominikanern, allen voran Philipp de Bindo Incontri, seit 1351 Inquisitor in der Romania, d. h. in den lateinischen Kolonien auf griechischem Boden. Er verdankte Kydones im J. 1356 die Entdeckung der Akten des achten ökumenischen Konzils von 869/70 in einer Kurzfassung im Kloster Ioannes' des Täufers im Quartier von Petra, nicht weit vom Blacher­nenpalast'9, und mit ihrer Hilfe glaubte er den Patriarchen Photios als den

75 NicKant 86. Eine Vermittlerrolle für Kyd. bei loannes V. spielte wohl auch damals schon die Kaiserin Helene, Tochter des Kantakuzenos und Gattin loannes' V., die sich für ihre geistigen Interessen bei Kyd. Anleitung und Rat holte. Vgl. das späte Zeugnis L222,12ff.

76 Vgl. vor allem T42/L50 und T49/L31. Zudem war die aufreibende Tätigkeit als solche of­fenbar nicht einmal mit einer regulären Bezahlung verbunden: K ydloPal16,3 - 5; 17,7 ff.; 21,22-28. Anspielungen auf seine harte Beanspruchung im Dienst durchziehen die ganze Korresponz des Kyd. Vgl. noch T20/L72,16 (bereits 1347); T36/L58,44; T44/L46, 13; T45/L47,29 ff.; T49/L31,16; T53/L78,12f.; T69/L103,68f.; Tl09/L117,15; T114-117/L135-138; T0132/L99; T0136/Ll05,10; ferner L120; L140; L158; L187,17; L192; L202; L218,77; L242; L281; L323; L344; L443,71f.; KydloPalll,8ff. Ober die zeitweilige Tätigkeit des Kyd. in der Finanzverwaltung s. T45/L47,3 8-40; LBF I 459. Auch Kantakuzenos verwaltete als Mesazon die Staatskasse: Kant 1338,14-17; 11 99,12ff., doch bereits mit Delegation einzelner Aufgaben des Amtes. Vgl. auch VerpCon­trib 278, der aber von einer entsprechenden Tätigkeit des Kyd. noch nichts wissen konnte; ferner DietGreg 11 1,133. Zu seinem mutmaßlichen Amtstitel: T45,A.15.

77 KydloPaI21,10-13. 78 Kyd. übersetzte die Prima, die Prima Secundae und die Secunda Secundae. Ober die Etap­

pen der Arbeit s. u., Werke, S. 71, 2.9.3. 79 JaninEgl 435-443; Müller-Wiener 27 (Karte); 108; 134; 166.

15

EINLEITUNG -

Hauptschuldigen am Schisma der Orthodoxen überführen zu können8o• In

den Augen des Inquisitors war Kydones im Jahr 1357 bereits ein «conversus ad fidem» bzw. ein «verus fidelis» 81. Man darf annehmen, daß der päpstliche Legat Petrus Thomae, mit dem Kydones wohl erstmals im Frühjahr 1357 in Konstantinopel zusammentraf82

, ihn bei der Gelegenheit auch in die römi­sche Kirche aufnahm83

• Jedenfalls sucht Kydones den Legaten in zwei Briefen an seinen Freund Georgios den Philosophen gegen dessen diffamierende Vorwürfe zu verteidigen84

• Doch stand Kydones auch in dieser Frühzeit sei­ner Konversion dem Papst und den abendländischen Christen keineswegs unkritisch gegenüber; schon bald mußte er die bittere Erfahrung machen, daß die versprochene Hilfe gegen die Türken nur sehr zögernd verwirklicht wurde85

Im Jahr 1361/62 besuchte Kydones in Thessalonike seine an der Pest schwer erkrankte Mutter, die bald darauf starb86

• Von seinen drei Schwe­stern weilte die älteste zu der Zeit in Konstantinopel; auch sie starb bald dar­auf an der Pest87

• Die beiden anderen begleiteten ihn nach dem Tod der Mut-

80 KaepPhiI164-167. über die weiteren Schicksale der Handschrift: o. Kresten, Eine Samm­lung von Konzilsakten aus dem Besitze des Kardinals Isidoros von Kiev, Wien 1976,80f. Vgl. a. D. Stiernon, Constantinople IV=Histoire des conciles oecumeniques 5, Paris 1967, 306.

81 KaepPhil164f. Ein Zeugnis der religiösen Wende des Kyd. ist BriefT40/L378 an den ehe­maligen Lehrer Neilos Kabasilas. Zu dessen Biographie s. T40, D. Seine Enttäuschung über ihn bezeugt KydApol 1391 ff. Die römischen Lehren über das Filioque und den Primat ver­teidigt Kyd. vor allem im religiösen Testament (s. u., Werke, S. 67, 1.7.2). Zum Primat auch KydApol I 375ff. Seine sorgfältigen Recherchen über die Ursache der Kirchenspal­tung bezeugt er ebd. 386ff.

82 Nach EszKal13,A.4; 204 und Smet 74,A.30 trafPetrus Thomae frühestens im April 1357 in Konstantinopel ein und blieb dort nach EszKal 14 bis zum Sommer.

83 Vermutung bei EszKal13 und Smet 204f. Ausdrücklich bezeugt ist aber nur die Konver­sion des Kaisers (Smet 75; DöReg 3071) und zweier griechischer «Adliger»: des loannes' Laskaris Kalopheros und des Manuel Angelos. Vgl. auch LOCP 36,58. MercNot 437 hatte die Konversion des Kyd. auf 1359, die Zeit des zweiten Aufenthaltes von Petrus Thomae in Konstantinopel, angesetzt. NicChurch 80 bewertet die Konversion wohl mit Recht eher als intellektuellen denn einen im Herzen vollzogenen Vorgang.

84 T49/L31,77f.; T63/L97,54f. 85 T59/L93,59. 86 T50/L110,18 f. (Anspielung auf den Tod der Mutter); Reise nach Thessalonike:

T50/Lll0,17; vgl. auch T49/L31,75f. 87 T50/Lll0,14f. über ihre mögliche Identität s. u., Exku~s Isidoros, S. 161f., A.19.

16

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

ter in die Hauptstadt; wo aber nur die jüngste die Pestepidemie überlebte88•

Auch Kydones erkrankte damals, aber nicht an der Pest; di~ Symptome las­sen eher auf psychische Erschöpfung schließen89

• Um diese -Zeit spielte sich auch die Affäre um seinen Freund, den byzantinischen Senator Ioannes Las­karis Kalopheros ab: er heiratete Maria, die Tochter des Matthaios Kanta­kuzenos und Nichte der Helene Kantakuzene, Gattin Ioannes' V., und dieser fürchtete alsbald unliebsame thronrechtliche Konsequenzen einer ehelichen Verbindung zwischen den bei den Kaiserfamilien der Laskariden und der Kantakuzenen. Vor seinem Zorn floh das junge Paar ins Abendland und suchte beim Papst in Avignon Hilfe90

• Kalopheros war nicht der einzige Freund, dessen Anblick Kydones bald auf Dauer entbehren mußte: auch sein Arzt und Freund Georgios der Philosoph zog seit Beginn der sechziger Jahre ein unstetes Leben in der Fremde einer zweifelhaften Geborgenheit in der Hauptstadt des Reiches vor, nicht zuletzt deshalb, weil seine «freigeistigen», von Platon geprägten philosophischen Ansichten zu der vom Hesychasmus und Palamismus geprägten offiziellen kirchlichen Linie im Widerspruch standen91

• Kydones jedoch blieb, wenn er Abenteurern wie Kalopheros und Georgios auch gelegentlich nicht ohne Neid nachschaute92

, weiter seinem oft sehr aufreibenden Dienst im Palast ergeben. Dort gab es gelegentlich auch Er­freulichesfür ihn, wie z. B. die ehrenvolle Aufgabe, den 1350 geborenen Prin­zen Manuel zu erziehen, der zweifellos schon in jungen Jahren die Begabung zeigt<!,.ji~ aus seinen späteren Werken ersichtlich ist93

• Bald nach 1362 ver­faßte Kydones seine große (die sog. erste) Apologie, in der er seine «lateiner-

88 T50/Lll0,15-27. Zum Todesdatum der jüngsten Schwester s.o., S. 6 mit A.13. 89 Angst vor der Pest: T47/L109,36. Erkrankung: T50/Lll0,34-40. Vgl. auch T54/L73,

19-35, mit psychologischer Deutung der Symptome und der Erwähnung von Bettlägerig­keit und zeitweiligem Ausscheiden aus dem Palastdienst.

90 LOCP 36,60f.; EszKaI18f.; NicKant 163f. Kalopheros in Avignon (Anfang bis Sommer 1365): EszKal 24-27.

91 TinnGeorg 150 f. 92 T49/L31,15 ff.; T67/L325,15 ff. Eigene frühe Reisepläne: T44/L46, 28-38. 93 Kyd. ist als Lehrer Manuels 11. gemäß LOCP 37,16,A.3 nur in einer einzigen Quellennach­

richt bezeugt: ManEp(Den)Nr. 11,24-26. Die Formulierung, Kyd. habe den geistigen Sa­men gelegt und begossen, könnte auf frühen Beginn des Unterrichtes hinweisen. Beziehun­gen zwischen Kyd. und dem Prinzen Manuel sind vor der Italienreise nur indirekt nach­weisbar, da Kyd.' erster Brief an Manuel erst aus demjahr 13 71 stammt. Die Briefe Manu­els an Kyd. datieren noch später.

17

EINLEITUNG

freundliche» Einstellung begründet und mit seinen Widersachern, die aus bornierter Gesinnung alles Westliche ablehnten, hart ins Gericht geht93a

Am 8. 10. 1364 bestieg der fanatische Palamit und Antiunionist Philotheos Kokkinos zum zweiten Mal den Patriarchenthron von Konstantinopel, nicht ohne die uneigennützige Hilfe und Vermittlung des K ydones, der sich aber in diesem Fall zu seinem eigenen Unglück als weitherzig erwies94

• Inzwischen hatte sich eine Entwicklung angebahnt, die dem neuen Patriarchen nicht ge­fallen konnte: im gleichen Herbst 1364 trafen Gesandte von Ioannes V. in Avignon bei Papst Urban V. ein, um mit dem seit 1362 amtierenden Oberhir­ten der römischen Kirche erste Kontakte anzuknüpfen. Konkreter Anlaß der Gesandtschaft war die Bitte um Schutz der byzantinischen Untertanen vor den negativen Auswirkungen eines geplanten abendländischen Kreuzzugs­unternehmens, den der Papst gern zusagte, allerdings mit der Ermahnung, sich nun zur Union mit der westlichen Kirche zu bequemen95

• Damit schien ein erster Schritt getan, die müde Skepsis der Byzantiner gegenüber der west­lichen Hilfsbereitschaft zu überwinden, die Kydones noch im Sommer 1364 in einem Brief an Simon Atumanos, Bischof von Cassano, der damals in Avi­gnon weilte, beredt ausgedrückt hatte96

• In einem Schreiben vom 18. 4. 1365 wandte sich der Papst persönlich an Kydones, ein Beweis für dessen maßgeb­liches Mitwirken bei diesen Kontakten97

• In einem anderen Schreiben vom gleichen Tage wandte sich Urban außerordentlich freundlich an den byzan­tinischen Kaiser, verhieß wirksame militärische Hilfe ohne Voraus leistungen der Byzantiner (allerdings nicht, ohne an den «Abfall» der Griechen zu erin­nern) und lud ihn an die Kurie ein. Dieser zuvorkommende Ton war zweifel­los dem bereits erwähnten Ioannes Laskaris Kalopheros zu verdanken, der beim Papst in seiner Eheangelegenheit vorstellig geworden und freundlich empfangen worden war, zumal auch er sich bereits seit geraumer Zeit der

. 93a Nähere Angaben zur Apologie im Werkverzeichnis, unten, S. 66, 1.6.1. 94 DarPatr 2462; über die Hilfe des Kyd.: KydApollII 322,314. Vgl. T68/L129,18-20. Zur

Person des Patriarchen s. Exkurs nach T68 (im 2. Halbband des 1. Teils). 95 HalEmp 83-88. 96 T59/L93. 97 HalEmp 363 f. (Dokum. Nr. 5). Dort ein Brief des Papstes an Maximos Laskaris Kalophe­

ros, und am Schluß: «Eodem modo dilecto filio nobili viro Dimitrio Cydonn..,....,>, also ein Schreiben gleichen Wortlautes an ihn. Dazu HalEmp 95; EszKal125, Nr. 9: Kyd. wird wie Maximos als Angehöriger der römischen Kirche angeredet.

18

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

römischen Kirche angeschlossen hatte98• In der Folgezeit war Urban V. tat­

sächlich eifrig um einen Kreuzzug gegen die Türken bemüht, der sich nach langem Hin und Her in einem Unternehmen des «Grünen Grafen» Amadeo von Savoyen verwirklichte. Während der Kaiser am Hof Ludwigs des Gro­ßen in Buda weilte, bzw. auf der Rückreise von dort in Vidin aufgehalten wurde, traf Amadeo mit seiner Flotte im Sommer 1366 (vor 4. 9.) in Pera ge­genüber von Konstantinopel ein99

• Damals hielt Kydones in Konstantinopel die Rede Pro subsidio Latinorum, um die Byzantiner für das hilfreiche Un­ternehmen des Abendländers günstig zu stimmen, und die Kaiserin Helene unterstützte den «Grünen Grafen» von Savoyen mit einer beachtlichen SummelOO

Kaiser Ioannes V. kehrte erst im Frühjahr 1367, zwischen dem 15.3. und dem 6. 4., nach Konst~n.tinopel zurück101

• In Verhandlungen mit Amadeo von Savoyen hatte cr: ~ß:h in Sozopolis (Januar/März 1367) verpflichtet, mit seinem ältesten Sohn lind präsumptiven Nachfolger Andronikos persönlich zu Papst Urban zu kommen102

• Eine Synode in Konstantinopel stellte jedoch bald darauf fest, eine Union sei ohne ein allgemeines Konzil nicht möglich103

In der gleichen Richtung äußerte sich der Exkaiser und Mö~-,h Ioannes Kan­takuzenos in Verhandlungen mit dem lateinischen Patriarchen Paulus, und die Pläne für ein Unionskonzil nahmen sogar konkretere-Formen an104

• Von

98 AUrb V Nr. 74. Von der Konversion des Kaisers vor dem Legaten Petrus Thomae (s.o., A.83) ist hier keine Rede mehr. Ober die möglichen Gründe vgl. A. Hohlweg, BZ 71 (1978) 191, AnzeigeJ. Gill,John V ... Das Schreiben beginnt vielmehr mit den Worten: «LicetTua Serenitas ac clerus et populus Graecorum a gremio sacrosanctae Romanae et universalis Ecclesiae, extra cuius oboedientiam non habetur salus, damnabiliter devietis ... », fährt aber dann versöhnlicher fort: « ... nihilominus tarnen, quia censemini eiusdem Ecclesiae fi­lii ... , vestrum omnium filialem reditum ad dictam matrem vestram ... tanto desiderabilius affectamus, quanto remotiores ab illius uberibus facti estis.» Zur Rolle des Kalopheros in Avignon: EszKal 24f. und oben, A.90.

99 CoxAmad 220ff. Nach HalEmp 112 traf Ioannes bald nach Jahresbeginn 1366 in Buda __ ein. SchreinChron II 294f. setzt die Abreise auf November/Dezember 1365 an.

100-,S. u., Werke, S. 65, 1.3.4. HalEmp 143 nimmt an, Kyd. habe die Rede «au sein d'une grande assemblee politique» gehalten. Unterstützung des Grafen durch Helene mit 12 000 Hyper­peru: CoxAmad 222f. Vgl. auch BarkMan 8,A.18.

101 VasViag 158,A.3. 102 HalEmp 151. Endgültiger Abschluß der Vereinbarung in Konstantinopel am 29.5. 1367:

DöReg 3114. 103 HalEmp 152; DarPatr 2526. 104 HalEmp 157; MeyendProj; NicCounc 89-91.

19

EINLEITUNG

nun an liefen in eigenartiger Weise zwei unvereinbare Verhandlungslinien parallel oder besser über Kreuz: die des Konzils und die des Kaiserbesuches beim Papst, und die letztere Variante wurde anscheinend von Kydones favo­risiert, der in seiner Begeisterung für die ·römische Kirche in diesem Fall kei­nen großen kirchenpolitischen Realismus zeigtelos. Im Sommer 1367 bega­ben sich 8 byzantinische Gesandte zusammen mit Amadeo von Savoyen zu Verhandlungen mit dem Papst nach Italien, der am 30.4.1367 Avignon ver­lassen hatte und am 9. 6. in Viterbo bei Rom eingetroffen war106

• Hier wurde nun, nicht zuletzt auf Betreiben des «Grünen Grafen», aus der Bereitschaft zum konziliaren Unionsgespräch eine Bereitschaft zur Unterwerfung des Kaisers, stellvertretend für sein Reich, unter den Papst; vermutlich hatten die Gesandten auch entsprechende geheime, unter dem Einfluß des Kydones er­teilte Anweisungen107

• Am 6. 11. versandte Urban ein Bündel von Briefen in dieser Angelegenheit an zahlreiche betroffene Persönlichkeiten, angefangen mit dem Kaiser selbst, den er für Mai 1368 zu sich einlud108

• Ein besonderes Schreiben an Kydones und zwei andere byzantinische Adressaten lobt diese als die eifrigsten griechischen Anhänger der «Union», die jedoch nichts ande­res als Unterwerfung bedeutete109

• In allen diesen Briefen ist von einem Kon­zil überhaupt keine Rede mehr, was in der Konsequenz der päpstlichen Poli­tik im 14. Jh. keineswegs überraschtllo. Doch waren die Befürworter einer

105 In der Zeit zwischen Frühjahr 1366 und Frühjahr 1368 weist das Epistolar des Kyd. eine bedauerliche Lücke auf. Wir besitzen daher auch üher seine Einstellung zur Unionsfrage aus dieser Zeit kein direktes Zeugnis von ihm, sondern sind auf die Äußerungen anderer wie den Papstbrief vom 6. 11. 13 67 angewiesen (s. u., A.I09).

106 HalEmp 160; DöReg 3115. Zur Reise des Papstes: VasViag 160f. 107 HalEmp 163; Vermutung über die Rolle des Kyd. wegen des Papstbriefes A.I09. Geheime

Anweisungen: MeyendProj 160. 108 AUrb VNr. 124-132a; HalEmp 166-171; VasViag 162-168. Erhalten sind insgesamt -

23 Briefe, allerdings nur, wenn man einige Briefe gleichen Wortlauts an verschiedene Adressaten mitzählt, so AUrb V Nr. 131 b, c, d; 132, 132 a ( ((eodem modo» am Schluß des abgedruckten Textes). Der wichtigste an den Kaiser selbst ist nicht erhalten. über den Grund vgl. HalEmp 166f. und SchreinChron II 300.

109 AUrb V Nr. 131: ((Nobilibus viris Dimitrio Chidoni et Strongillo militi ac Ioanni praetori Constantinopolitan. (so abgekürzt) ». Das Dokument ist auch bei HalEmp 368, Nr. 9 ab­gedruckt. Zum Inhalt HalEmp 156.

110 HalEmp 172. Bereits im Jahr 1339 waren die Vorschläge Barlaams für ein Unionskonzil bei Benedikt XII. in Avignon auf Ablehnung gestoßen (NicCounc 77 - 80). Keinen besseren Erfolg hatte Ioannes Kantakuzenos mit einem Schreiben etwa aus dem Jahr 1350 (Kant III 59f.; NicCounc 84-86). Ernsthaft aufgegriffen hat die byzantinischen Konzilsvorschläge

20

t.EBEN DES DEMETRIOS KYDONES

Union ohne Konzil (wie Kydones) zweifellos in der Minderheit und zudem von der kirchlichen Hierarchie nicht autorisiert. Zudem gelang es dem Pa­triarchen Philotheos mehr und mehr, diese Gruppe dogmatisch und damit auch moralisch ins Zwielicht zu bringen, vor allem seit im April 1368 Pro­choros Kydones, überzeugter Parte~gällger seines Bruders, von der Synode in Konstantinopel als Häretiker verurteilt worden war. Ging es hier auch offi­ziell nur um die von Prochoros bestrittene palamitische Energienlehrell1

, so war die Verurteilung praktiscIi doch ein Schlag des Patriarchen und wohl auch des im Hintergrund agierenden Exkaisers Ioannes Kantakuzenos gegen Demetrios, den allerdings, wohl wegen seiner damaligen Position beim Kai­ser, das kirchliche Anathema erst viele Jahre später traf112

Kydones konnte unterdessen das nun eindeutig zur Konversion umgedeu­tete Unionsvorhaben wenigstens auf schmaler Basis verwirkliche~, w~il Kai­ser Ioannes V. nach seinem Ungarnbesuch und den Zusagen Ludwigs des Großen113 aus politischen Gründen auch gegen den Willen seiner kirchlichen

nur der lateinische Patriarch Paulus im Gespräch mit Kantakuzenos (Mönch Joasaph) Juni 1367. MeyendProj 159 spricht in diesem Zusammenhang von dem «essai d'union le plus serieux que le Moyen Age ait connu», der aber von den geheimen Parhllelverhandlungen (s.o., A.I07) durchkreuzt wurde.

111 DarPatr 2541; Exkurs Prochoros, unten, S. 240 mit AA7. 112 Text de&..Anathems gegen die Brüder Kydones: MercNot 61; Syn 87,647-89,682. Gegen

Demetrios konnte der Patriarch schon wegen dessen angesehener Stellung beim Kaiser da­mals nicht direkt vorgehen. Vermutlich wurde gegen ihn das Anathem, wenn überhaupt zu seinen Lebzeiten, erst ausgesprochen, als er zu Ende des Jahrhunderts Konstantinopel end­gültig verlassen hatte; s. u., A. 267. Vgl. dazu auch HalEmp 179,AA. Das Anathema über Demetrios ist nur erhalten in den Versionen Pr und Py des Synodikon (s. Apparat des Tex­tes in Syn 87), von denen die eine gemäß Syn 34 von 1421/25, die andere von 1439 stammt. Kyd. selbst spricht aber in KydloPaI19,22f. von einer Anklage seitens der Palamiten, die ihm großen Schaden zugefügt habe.

113 Ludwigs Forderung: zuerst Bekehrung, dann Hilfe (zusammenfassend neuere Literatur zur Ungarnreise Ioannes' V. bei BarkMan 6f., A.14-A.17) soll bis zur Bedingung erneuter Taufe des Kaisers gegangen sein. Allerdings sucht J. Gill, John V Palaeologus at the court of Louis I ofHungary (1366), BSI38(1977)32-38 diese Annahme mit einer Reihe von Grün­den zu widerlegen. Jedenfalls kann kein Zweifel bestehen, daß die Romreise des Kaisers erst durch die Intransigenz Ludwigs des Großen in religiösen Fragen ihre politische Moti­vierung erhielt. Dies ist bei aller Kritik am Sinn der Romreise zu bedenken. Vennutlich war auch das Ausbleiben ungarischer Hilfe nach der Konversion von Rom eine der Hauptent­täuschungen für den Kaiser. Am 28. 1. 13 75 ermahnte der wohlmeinende Papst Gregor XI. Ludwig erneut zur Hilfe für Byzanz (AGreg XI Nr: 137).

21

EINLEITUNG

Amtsträger zum Äußersten entschlossen war und seinem Minister, soweit er es vermochte, Rückendeckung gab114

• So fand denn die Italienreise Ioannes' V. mit einiger Verzögerung doch noch statt: Anfang August 1369 ist die An­kunft des Kaisers auf italienischem Boden (Neapel) bezeugt, und in seinem Gefolge befanden sich zwar außer dem lateinischen Patriarchen Paulus und dem Herrscher von Lesbos Francesco Gattilusi auch Würdenträger und Be­amte des Hofes einschließlich Kydones, aber keine Abordnung des Klerus oder der kirchlichen Hierarchie in Byzanz oder auch ein anderer orthodoxer Patriarch115

• Entgegen der ursprünglichen Zusage war der älteste Sohn An­dronikos als Regent in Konstantinopel zurückgeblieben116

, und der Prinz Manuel wurde zweifellos noch vor der Abreise seines Vaters zum Gouver­neur von Thessalonike bestellt; zwischen ihm und K ydones bestand damals bereits ein freundliches Lehrer-Schüler-Verhältnis117

Mit welchen Gefühlen Kydones nach Rom reiste, bezeugt sein Brief an Si­mon Atumanos einige Zeit vor der Abreise: er freute sich darauf, die Vertre­ter des abendländischen Denkens~ mit dem er sich seit frühester Jugend be­schäftigt hatte, nun persönlich kennenzulernen; andererseits erscheint die Freude aber auch bereits getrübt durch den Ärger über die Habgier der abendländischen Gastgeber, die sich vom Besuch des Kaisers hohen Gewinn erhofften. Diese Erwartung wirkt allerdings auf den späteren Betrachter an­gesichts der finanziellen Not des Kaisers eher komisch118

• Doch nun war es endlich so weit: um den 1. 9. meldeten der Patriarch Paulus und der «cancel­larius imperii» Kydones dem Papst, wie dieser selbst mit Schreiben aus Vi­terbo berichtete, die Ankunft des Kaisers in Italien, und am 18. 10. 1369 kam

114 Das geht vor allem hervor aus KydIoPaI10,13 H.; vgl. auch T81/MercNot 348,63. Aber nicht weniger bezeichnend ist, daß Kyd. sich in dieser Zeit einen Brief wie T68/L 129 an Pa­triarch Philotheos erlauben konnte, wohl die schärfste Invektive, die wir aus seiner Feder kennen.

115 Zur Reise Vas Viag 174 f. Für das Datum des Aufbruchs von Byzanz gibt es keinen Quel­lenbeleg; VasViag hält bereits Anfang April für möglich. Zum Gefolge des Kaisers: Hal­Emp 190-193.

116 BarkMan 9; 12 mit A.29 (Lit.). Der von HalEmp 191 f. erwähnte Andronikos Palaiologos im Gefolge des Kaisers war vielleicht ein Megas Primikerios dieses Namens; vgl. Pap Nr. 57 mit A.282.

117 BarkMan 9 mit A.23; DenReign 13,A.3 8. Beziehung des Kyd. zum Prinzen Manuel: s.o., A.93.

118 T69/Ll03.

22

_ - LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

es in Rom zum ersten und entscheidenden Zusammentreffen zwischen Papst und Kaiser im Ospedale di Santo Spirito «in Sassia» am Tiber unweit der En­gelsburg und des Vatikans, bei dem auch Kydones zugegen war119

• Der Kai­ser unterschrieb ein zweisprachiges Glaubensbekenntnis, dessen lateinisches Original Kydones zuvor ins Griechische übersetzt hatte, und das in allen ent­scheidenden Kontroverspunkten die römische Lehre bedingungslos akzep­tierte12o

• Diese Konversion des Kaisers und seines Gefolges, die mit einer Union nichts zu tun hatte, wurde am 21. 10. in einer feierlichen Zeremonie urbi et orbi verkündee21

• Zu weiteren Verhandlungen und privaten Kontak­ten mit dem Papst, aber nicht zuletzt auch aus Geldnot, blieben die Byzanti­ner noch bis März 1370 in Rom122

• Aus dieser Zeit ist ein Brief des Kydones an seinen Bruder erhalten, der diesen vielleicht bereits nicht mehr erreichte, denn während Demetrios in Italien weilte, ist Prochoros, wohl in Konstanti- -nopel, gestorben 123. In diesem Brief klagt Demetrios, sein Einsatz bei den di­plomatischen Verhandlungen zwischen Kaiser und Kurie fordere ihn so sehr, daß ihm keine Zeit bleibe, sich entsprechend seinen Wünschen und Erwar­tungen mit Vertretern des-.abendländischen Denkens zu unterhalten; nicht einmal privaten Studien könne er sich widmen. Er berichtet jedoch von zahl­reichen Begegnungen mit angesehenen Vertretern der Kurie und von einem Angebot an ihn persönlich, in Rom zu bleiben, das auch der. Papst begünsti-

119 Schreiben aus Viterbo vom 2.9. 1369: HalEmp 37Of., Dokum. Nr. 12. Zum Inhalt: Dö­Reg 3120; HalEmp 188. Treffen vom 18.10.: HalEmp 195; VasViag 179.

120 Der Inhalt des Glaubensbekenntnisses und die Formel des Eides, den er darauf ablegen soll­te, waren dem Kaiser durch zwei päpstliche Schreiben vom 1. 7. 1366 (AUrb V Nr. 107; 108) im wesentlichen bekannt. Dazu HalEmp 118f. Dokumente der Konversion vom 18. 10.: Schreiben «Noverint universi» vom 7. 10. mit Ankündigung des Vorganges (AUrb V Nr. 168, 1. Teil, S. 287 f., wo die «Nonen des Oktober» irrig auf den 5. datiert sind; Thei­ner 37f., NE 11, 249f.); Glaubensbekenntnis in der Fassung vom 10. 10.; Theiner 38f. (lat.), 41-43 (gr.); Fassung vom 18.10.: NE 11,245-249 (lat.), 241-245 (gr.); Protokoll des Vorgangs vom 18. 10.: AUrb V Nr. 168,2. Teil, S. 288-290; NE 11, 250,20-253; Kurzfassung: Theiner 37. Über Kyd. als Übersetzer des Glaubensbekenntnisses vgl. auch unten, Werke, S. 71f., 2.12. Ober die zwei Fassungen VasViag 173; lat. Text vom 18.10. ebd. 180-183. Über den Vorgang: HalEmp 198.

121 HalErnp 198f.; VasViag 183. 122 HalEmp 199 f. Um dem Kaiser aus der Geldnot zu helfen, wandte sich Urban V. am 4. 11.

mit einem Schreiben an Amadeo von Savoyen: AUrb V Nr. 169; dazu HalEmp 200. 123 T71/L39. Zum Tod des Prochoros LOCP 36,70 und unten, Exkurs, S. 240 mit A.57 und 58.

23

EINLEITUNG

ge124• Tatsächlich wissen wir, daß eine päpstliche Bulle vom 9. 3. 1370 ihm

die Einkünfte der lateinischen Kirche von Patras auf zwei Jahre zusicherte, nicht ohne Mitwirkung des späteren Papstes Gregor Xl., der ihm sehr zuge­tan war125

• Doch konnte er sich nicht zu einem längeren oder dauernden Aufenthalt an der Kurie entschließen, und aus seinen eigenen Äußerungen zu diesem Thema ist der Grund klar zu entnehmen: sein Gefühl der Verantwor­tung gegenüber dem Kaiser und der Treue zur bedrängten und notleidenden Heimat verbot es ihm, solchen Versuchungen nachzugeben, eine Entschei­dung von geradezu tragischer Dimension~ wenn man bedenkt, daß ihm nach seiner Rückkehr schwerste Anfeindungen nicht erspart blieben126

• Mag man also auch seine Unterwerfungspolitik gegenüber Rom kritisieren, moralisch bleibt er über jeden Verdacht des Opportunismus erhaben. Es ging ihm zwei­fellos nur um das Wohl des bedrohten Reiches, und er war mit einer gewissen Hoffnung nach Rom gefahren, obwohl er die Aussichtslosigkeit seiner Posi­tion, was konkrete Hilfe für die Heimat anbetraf, schon bald einsehen muß­te. Auch in dieser Hinsicht ist sein letzter Brief an Prochoros ein erschüttern­des Dokument, das den Zwiespalt zwischen Erwartung und Wirklichkeit be­redt anklingen läßt: «Wir haben hier nichts von dem erreicht, wofür wir uns eingesetzt haben. Die Römer halten uns ja unsere irrigen Ansichten in theo­logischen Fragen und unsere Neuerungen im kirchlichen Bereich und in der religiösen Praxis vor und nennen den Übermut der Barbaren die Strafe dafür. Das läßt mir das Bleiben schwer, wiederum aber auch die Heimkehr bitter

124 Vgl. LOCP 36,66. 125 AUrb VNr. 187 mit dem Zusatzschreiben 187a vom gleichen Tage, das Kyd. von der Resi­

denzpflicht in Patras befreit. In beiden Schreiben wird Kyd. als «c1ericus Constantinopoli­tanus» angeredet. Der damit vorausgesetzte Weihegrad ist nicht angegeben, doch muß Kyd. mindestens eine niedere Weihe erhalten haben. Angeboten hatte man ihm aber an­scheinend sogar das Bischofsamt oder gar die Kardinalswürde. Vgl. KydApol II 414,372 . (ILEYLOLTJ LEQOOOUVTJ). über die Verleihung des Kanonikats: HalEmp 206; Freundschaft mit Pierre Roger de Beaufort (später Papst Gregor X!.): HalEmp 282. De facto blieben aber die Einkünfte des Kanonikats aus, wie wir aus einem Schreiben Gregors Xl. vom 20. 11. 13 75 wissen: AGreg XI Nr. 180; dazu HalEmp 323,A.4. Vgl. auch MercNot 437-441; Kyd­Apol II 414,350f., wo vorausgesetzt ist, daß Kyd. bisher nichts erhalten hat. .

126 Begründung s~iner Entscheidung: T711L39,32-36; vgl. auch KydIoPal 22,16-30 und L226,165-174, wo er sein Versprechen an den Papst erwähnt, nach Rom zurückzukeh­ren. Die Treue zum Vaterland betont er auch T79/L1 07,22 f. und KydApol II 414,3 73 (ta~ EvmiHta :rtQo'tLlLiloa~ o'XLa~). Anfeindungen nach der Rückkehr: T78/L34,23 f.; T79/Lt07,20ff. und weitere Briefe; ferner KydIoPaI19,21-29.

24

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

werden» 127. Diese Zeilen zeigen deutlich, daß auch er, mochte er sich selbst auch seinerzeit durch die Konversion dem Anspruch der römischen Kirche bedingungslos gebeugt haben, nun doch von Rom eine gewisse Konzilianz in Fragen des Glaubens und der Disziplin, zumindest aber in den Umgangsfor­men, erhofft hatte und von der Intransigenz des Gesprächspartners ent­täuscht war.' Zwar gab es am Rande::des Geschehens auch Erfreuliches für ihn, wie seine Freundschaft mit dem späteren Kardinal Agapitus Colonna, dem er noch nach Jahren seine Grüße.ausrichten ließ128

• Im ganzen aber war die Italie~reise aus seiner späteren Sicht kaum mehr als eine fatale Odyssee, wozu nun auch noch die folgenden Erlebnisse beitrugen129

Am 18.3. 1370 ist die byzantinische Delegation wieder in Neapel bezeugt; man reiste von dort um die Südspitze Italiens nach Ancona 130 und traf gegen Ende des Frühjahrs in Venedig ein, wo den Kaiser und sein Gefolge die finan­zielle Not auf längere Zeit festhielt131

, bis schließlich der Prinz Manuel aus der Heimat finanzielle Hilfe von nicht näher bekanntem Umfang brachte132

In Venedig erhielt Kydones noch einmal von Papst Urban V. eine schriftliche Versicherung seines Wohlwollens133, verbunden mit dem Ausdruck der Hoffnung, er werde fortan zur «Bekehrung» seines Volkes beitragen134

Erst ein Jahr, nachdem er Rom verlassen hatte, konnte Ioannes V. (bald nach dem 2. 3. 1371) von Venedig aus die Heimreise antreten; es ist so gut wie sicher, daß Kydones zusammen mit ihm abreiste, aber unterwegs trenn­ten sie sich, wahrscheinlich in griechischen Gewässern, denn Kydones machte auf der Peloponnes in Mistra für kurze Zeit Station, um seinen Freund seit den Tagen von Berroia Manuel Kantakuzenos zu besuchen135

127 T71/L39,35-39. 128 1190,60-62; vgl. PLP 116. Freude am Romaufenthaltist auch inL226,158-160 bezeugt. 129 KydIoPaI 14,33-15,4. Ähnlich äußert sich Kyd. bereits in T72/L36,10f. und T73/L71

(über die Geldnöte des Kaisers und sein Umherirren in Italien, um Geld aufzutreiben). Vgl. auch T75/L29,17; T84/L106,9; T86/L37,4; T87/L35,4. Aber auch dieItalienreiseManu­eIs wird als Odyssee bezeichnet (T76/L21,21).

130 LoenJeanV 217f. Zu Ancona: T73/L71,9; L349,4ff. 131 BarkMan 11,A.28 (Lit.). 132 ChrysJohnV 77; vgl. LoenJeanV 218. 133 HaIEmp 384f., Dokum. Nr. 20 vom 22. 6.1370 (= AUrb VNr. 200). Dazu HaIEmp 206. 134 Diese Mahnung zeigt, wie sehr der Papst die reale Situation in Byzanz verkannte. 135 Terminus post quem der Abreise: HalEmp 229; über Kyd. LOCP 36,67. Zu seinem Auf­

enthalt in Venedig vgl. noch die begeisterte Ekphrase aus der Rückschau T90/L24. Reise zur Peloponnes: T77/L22; T86/L37,5f.; L225,33.

25

EINLEITUNG

Ioannes V. aber begab sich zu einem längeren Aufenthalt, vielleicht zur Erho­lung von den Strapazen der Reise, vielleicht aber auch, um zur Auslösung seines als Bürge in Venedig verbliebenen Sohnes Manuel Geld zu beschaffen, auf die Insel Lemnos, eines der letzten größeren Eilande, die dem Reich ver­blieben waren 136.

Spätestens im. Frühsommer 1371 traf Kydones wieder in Konstantinopel ein, wohl aufgenommen von dem regierenden Mitkaiser Andronikos IV., sehr schlecht von einem «Verfluchten», wie er ihn nennt, zweifellos dem Pa­triarchen Philotheos137

• Die außenpolitische Lage der Hauptstadt war ver­zweifelt, wie aus einem Brief des Kydones an einen bei Ioannes V. weilenden hohen Beamten hervorgeht; darin läßt er dem Kaiser ausrichten, er möge sei­ner Stadt schleunigst zu Hilfe kommen138

• Es fällt auf, daß er in dieser Zeit dem Kaiser nicht persönlich schreibt. Vermutlich hatte schon während der letzten Wochen des Italienaufenthaltes eine Verstimmung des Kaisers gegen­über Kydones wegen der Erfolglosigkeit der Italienreise eingesetzt, die nach seiner Rückkehr offen zutage trat139

• In dieser prekären Lage der Hauptstadt scheint eine einflußreiche Gruppe dort, die offenbar auch den Regenten An­dronikos auf ihrer Seite hatte, die Auslieferung der Stadt Kallipolis am Hellespont, seit der Rückeroberung durch Amadeo von Savoyen wieder by­zantinisch140

, an den Türkensultan Murad 1. empfohlen zu haben, um ihn

136 Der Aufenthalt des Kaisers auf Lemnos wird ausdrücklich nur durch T74/L28, 7.9 be­zeugt. Dazu LOCP 36,67 f. BarkMan 14 erwähnt die Station des Kaisers auf der Insel mit keinem Wort. Mit diesem Lemnosaufenthalt Ioannes' V. ist vielleicht eine Stelle in der pan­egyrischen Vita des bulgarischen Patriarchen Euthymios, verfaßt von Gregor Camblak, in Verbindung zu bringen, auf die HalEmp 232,A.1 erstmals hingewiesen hatte. Die Verbin­dung zwischen dem Zeugnis des Kydonesbriefs und dem der Vita stellt VoordEmp 615,A.35 her, wo Voordeckers vermutet, der Lemnosaufenthalt Ioannes' V. stehe im Zu­sammenhang mit seinem von der Vita bezeugten Bemühen, von dem genannten Euthymios . (damals Mönch auf dem Athos und angeblich im Besitz großer Reichtümer) Geld für die Auslösung seines Sohnes Manuel in Venedig zu erhalten, wofür er ihn, wie die Vita berich­tet, auf Lemnos inhaftiert habe. Vgl. dazu auch SchreinChron 11 302 mit A.22. Eine genaue Diskussion des Fragenkomplexes erfolgt im Kommentar zu T74.

137 T78/L34; dazu LOCP 36,68. 138 T74/L28; vgl. a. T75/L29. 139 Andeutung einer Gesinnungsänderung des Kaisers in KydIoPaI18,33-35; vgl. auch ebd.

14,19f. 140 Eroberung von Kallipolis (Gallipoli, Kalliupolis) durch Amadeo von Savoyen Ende August

1366: BarkMan 7.

26

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

mit einer solchen Preisgabe zu beschwich.tigen. Noch einmal strengte Kydo­nes seine ganze Redekunst an, um diese Politik zu widerlegen und zu verhin­dern14

\ und tatsächlich wurde die Stadt erst ca. Juni 1377 den Türken ausge­liefert142

Am 28. 10. 1371 endlich traf auch Ioannes V. wieder in Konstantinopel ein143

• Kydop.es sah sich veranlaßt, bald darauf wegen der Anfeindungen vor allem von seiten der orthodoxen Kirche, aber auch wegen der Gesinnungs­änderung des Kaisers gegenüber seiner Person, in einer ausführlichen Rede mit Bilanz seiner bisherigen Tätigkeit um Entlassung aus dem Dienst zu ersu­chen 144. Er plante anfangs, nun doch der Einladung nach Rom zu folgen und dort auf geraume Zeit als Botschafter der byzantinischen Sache zu wirken. Keineswegs wollte er der Heimat ganz den Rücken kehren, sondern in ab­sehbarer Zeit wiederkommen; er hatte nicht die Hoffnung aufgegeben, im Abendland doch noch größere Aktivitäten für sein bedrängtes Vaterland an­zuregen 145. Die Entlassung wurde ihm auch nach einer gewissen Zeit des Wartens gewährt146

, aber seinen letzten Sold blieb ihm der Kaiser zunächst schuldig147

, und Kydones zögerte nicht, ihn in einem geharnischten Brief zu

141 In seiner Rede «Oe non reddenda Callipoli», s. u., Werke, S. 65, 1.3.5. Dort auch Begrün­dung der Datierung auf Sommer 1371 und Widerlegung der These von Charanis (Char­Strife 297), die Rede stamme aus dem Jahr 13 76. K yd. nahm zweifellos auch die Niederlage der Serben gegen die Türken an der Marica zur Kenntnis: T94a/L63.

142 BarkMan 458-461. Kyd. bezeugt selbst die Abtretung in L167,15. 143 SchreinChron 11 30lf. Dort auch über eine mutmaßliche antiunionistische Palastrevolu­

tion gegen den Kaiser. Bald darauf verfaßte Kyd. das Prooimion zu einem Chrysobull, das dem Prinzen Manuel seine Apanage Thessalonike in erweiterter Form bestätigte, s. u.,

. Werke, S. 65, 1.4.3. Seine guten Beziehungen zu Manuel in Thessalonike bestätigen die Briefe T83/L23 und T85/L79.

144 KydloPal. Dazu LOCP 36,69 und 37,19 S. u., Werke, S. 65, 1.3.6. Seine Auseinanderset­zung mit den eigenen Gegnern und den Feinden seines Bruders Prochoros bezeugen vor al­lem die Briefe T81/MercNot 346ff.; T93/L400 (beide bezeugen die Gegnerschaft des 10-annes Kantakuzenos im religiösen Streit); T94/L151 an Theodoros Meliteniotes; T103/L131 (Auseinandersetzung mit einem antilateinischen Bischof) und T102/L116 (Auseinandersetzung mit Manikaites); einen Ausfall gegen die Palamiten und ihren Einfluß am Hof findet man auch in KydloPal 18,36-19,37.

145 KydloPal 22,9-23,33; T86/L37 an Kalopheros. 146 Bezeugt zuerst in den Briefen T96/L115 und T97/L181. 147 Auf den Sold kommt er bereits in KydloPal17,40 ff. zu sprechen. Aus dem Dienst entlas­

sen, versucht er ihn zunächst über einen Mann in der Umgebung des Kaisers in Erinnerung zu bringen (T96/L115,14-20). Auf die kaiserliche Ungnade spielt vor allem T99/L55 an.

27

EINLEITUNG

mahnen; Ton und Stil sind ein schlagender Beweis für den Verfall des kaiser­lichen Ansehens in diesen Jahren148

• Doch blieb Kydones auch in dieser zwei­ten Phase des Ruhestandes (nach 1354/55) nicht ganz uninteressiert am Ge­schehen im Palast, wie einige Briefe aus der Zeit beweisen149

• Es mag überra­schen, daß er seine Entpflichtung vom kaiserlichen Dienst nicht augenblick­lich nutzte, um die geplante Italienreise anzutreten; andererseits ist zu be­denken, daß eine solche Reise jetzt nur noch rein privaten Charakter gehabt hätte und an eine Art Botschaftertätigkeit in Rom bzw. Avignon (wohin Urban V. noch im Jahr 1370 zurückgekehrt war und wo Gregor Xl. inzwi­schen als sein Nachfolger residierte) nicht mehr zu denken war150

• Seit etwa Herbst 1372 plante er eine Reise mit wesentlich näherem Ziel: Francesco I. Gattilusio, Schwager Ioannes' V. und Teilnehmer an der Italienfahrt 1369, ein eifriger Anhänger der Unionspolitik und Kydones in Freundschaft zuge­tan, hatte diesen in seine Residenz Mitylene auf Lesbos eingeladen, und Ky- . dones erbat sich vom Kaiser die Erlaubnis, der Einladung nunmehr zu folgen. Doch verweigerte Ioannes V. (aus unbegründetem Mißtrauen, wie Kydones selbst unterstellt) seine Zustimmung, und Kydones scheint die Reise, viel­leicht angesichts der schwierigen politischen Lage (Verschwörung des An­dronikos?) noch einmal verschoben zu haben151, bis er schließlich etwa im

148 T98/L70; dazu SevSoc 18f. (Rapp.) = 80f. (Actes). 149 T99/L55; besonders aber Tl00/L114, wo Kyd. auf das Geschehen im Palast Einfluß zu

nehmen sucht. Der zurückgezogene Aufenthalt im Manganenkloster (<<zu Hause», T96/L115,12), der mit der Reise nach Lesbos endete, dauerte etwa 11/2 Jahre; s. die Be­merkungen zur Datierung der Briefe T96-Tll0. Wohl in dieser Zeit stellte Kyd. die in LOCP 36,72 erwähnte erste Sammlung seiner Briefe zusammen.

150 Erörterung einer geplanten Reise nach Frankreich (wohl Avignon) in T86/L37; dazu LOCP 37,8. Für eine diplomatische Mission kam Kyd. wohl zu der Zeit nicht mehr in Fra­ge.

lSl Den Wunsch des Kyd., die Reise zu unternehmen, und die Verweigerung bezeugt Tl09/L117. Gattilusio, ein Freibeuter aus angesehener genuesischer Familie, hatte 1356(?) Eirene-Maria (zu dieser Namengebung s. DietGreg II 2,431, Index, s. v. Maria, mit Kritik an PLP 5973), eine Schwester Ioannes' V., geheiratet, nachdem er diesem zum Thron ver­holfen hatte (vgl. aber NicAbd, der sich gegen eine Oberbewertyng seiner Hilfe ausspricht). Zu seiner Person vgl. MillerGatt; HalEmp 190; BarkMan 35,A.92. Zur Freundschaft des Kyd. mit Gattilusio s.Tl09/L117, 12-14; Tl12/L133, 12ff. Die Annahme, Kyd. habe die Reise nach dem ersten Plan noch einmal auf längere Zeit verschoben, trifft nur zu, wenn Tl09/Ll17 bereits im Herbst 1372 verfaßtwurde, wofür einiges spricht (s. U., Tl09,D und bereits LOCP 36,72). Da jedoch die Gründe keine endgültige Sicherheit geben, ist der Brief in der chronologischen Reihe direkt vor der Lesbosreise eingeordnet. In den letzten Mona-

28

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

September 1373 (jedenfalls vor 25. 9.) doch nach Lesbos reiste l52• Bis Früh­

jahr oder Herbst 1374 verbrachte er eine erholsame Zeit auf der Insel, wo ihm nur das kulturelle Ambiente fehlte l53

• Der Kaiser hörte indessen trotz der erteilten Reiseerlaubnis nicht auf, ihm gram zu sein, und Kydones wandte einige Mühe daran, sich mit ihm zu versöhnen 154. Besonders traf es ihn, daß der hohe Herr auch nicht auf seine Mitteilung, er werde bald zurückkehren, positiv reagiertel55 • ' '.

So verwundert es nicht, daß Kydones auch nach seiner Rückkehr in die Hauptstadt bei Hofe nicht sogleich in Gnaden aufgenommen wurde. Dafür spricht jedenfalls ein Brief, der eine bereits zwei Jahre andauernde Ungnade erwähnt und betont, er wisse nur gerüchtweise vom Tun des Kaisers l56

• 50-

~

ten vor dieser fanden die Auseinandersetzungen um die Verschwörung des Prinzen und Mitkaisers Andronikos Palaiologos mit dem Osmanenprinzen Saudji statt, deren genauer Ablauf wegen widersprüchlicher Quellenangaben nicht mehr zu rekonstruieren ist. Nach SchreinChron 11 304-307 fielen die Hauptereignisse in den Mai 13 73. Ferner gibt Chalk I 37,4-9 an, der (erzwungene) Aufenthalt loannes' V. bei Murad I. zu gemeinsamen Er­oberungen habe die Gelegenheit zu der Verschwörung gegeben. Doch ist es auch denkbar, daß dieser Aufenthalt mit der Verschwörung gar nichts zu tun hat und erst auf das Jahr 1374 zu datieren ist. Zu dieser Annahme gibt u. a. der bei DenReign 36 mit A.43 zitierte Papstbriefvom 28. 1. 13 75 Anlaß, dessen Angaben so auffällig mit TI07 /L194,5 -11.15 f. übereinstimmen, daß man TI07 (zusammen mit TI06/L193) zeitlich lieber näher an die­sen Papstbrief heranrücken möchte. TI06 und 107 wären dann erst nach der Lesbosreise des Kyd. einzuordnen. Da aber auch hier keine endgültige Gewißheit besteht, erscheint der Brief Tl 07 (mit 106) in der chronologischen Reihe in Anlehnung an die Angaben bei Chalk unter dem Jahr 1373. Die eingehende Diskussion der Datierungsfrage erfolgt unter TI07,D.

152 Kyd. erhielt schließlich doch vom Kaiser die Erlaubnis (Tll1/L132, 30-32; Tl12/L133, 28; T113/L134, 26f.; LOCP 37, 16).

153 Briefe aus Mitylene: Tl11-117. Dazu LOCP 37,15f. Fehlende geistige Anregungen:, T114/L 13 5,23 ff. Zum Topos von der öden Provinz s. 0., AAL Ehrungen durch F rancesco ' Gattilusio: Kyd. erhielt offiziell das Bürgerrechtyon Lesbos (L307,4), und der Inselherr­scher wollte ihn zu seinem ersten Minister maGhen (Tl12/L133,12ff.; L307,6f.). Zur Chronologie des Lesbosaufenthaltes: Ankunft jedenfalls einige Zeit vor der Krönung Ma­nuels zum Mitkaiser, s. nächste Anm.; Rückkehr bis Winter 1374/5 wegen der Mitwir­kung bei den Verhandlungen mit den Gesandten des Papstes: s. u., A. Ü7 und zugeh. Text.

154 Versöhnliche Annäherung an loannes V. im Brief an Manuel 11. anläßlich der Gratulation zu seiner Krönung zum Mitkaiser am 25.9. 1373 (Tll1/L132,12ff.) und in Briefen an Freunde im Kaiserpalast (T116/L137; T117/L138).

155 T117/L138,11ff. 156 L168. Gegen Loenertz' Annahme (in der Ausgabe), der Brief sei noch in Mitylene geschrie­

ben, spricht Evmüi}a, Z. 6. Dagegen spricht nicht die Bemerkung über eine Information

29

EINLEITUNG

gar die Beziehung zu dem am 25. 9. 1373 zum Mitkaiser gekrönten Prinzen Manuel hatte anscheinend zeitweilig eine Trübung erfahren1S7

• Einen ersten Schritt zur Rückkehr in den kaiserlichen Dienst tat Kydones indessen durch seine Hilfeleistung bei Verhandlungen mit einer Gesandtschaft Papst Gre­gors XI., die sich seit Winter 1374 in Konstantinopel aufhieles8

• Der Kaiser war damals wegen seiner negativen Erfahrungen mit einer «friedlichen» Türkenpolitik erneut an Kontakten mit der Kurie interessiert und hatte sei­nerseits einen Gesandten nach Avignon geschickt1s9

• Er beklagte sich brief­lich über das Ausbleiben der ungarischen Türkenhilfe, die er sich von seiner Konversion erhofft habe, und der Papst antwortete mit Briefen an ihn, Kaiser Manuel und Ioannes Kantakuzenos16o

• An Kydones hatte der Papst bereits am 18. 3. 1374 persönlich geschrieben und ihn, wie schon früher vorgesehen, als gleichsam ständigen Repräsentanten der katholischen Byzantiner zu län­gerem Aufenthalt an die Kurie eingeladen161

• Doch hinderte ihn wohl das wieder zunehmende Interesse des Kaisers an seiner Person, die Reise anzutre­ten. So teilt er in einem Brief an seinen Schüler und Freund Rhadenos vom Herbst 1375 mit: der Kaiser suche ihn wieder für seinen Dienst zu gewinnen,

durch Gerüchte; denn mangelnder direkter Kontakt zum Kaiserpalast ist natürlich auch im «Ruhestand» in der Hauptstadt möglich. Loenertz plädiert allerdings in LS 11181 für Kon­stantinopel. Andere Briefe aus dieser letzten Zeit der Ungnade sind vermutlich L139,143 und 186 mit der erneuten Klage des Kyd., der Kaiser lasse ihn ohne Besoldung.

157 Ober die angespannte Beziehung zu Kaiser Manuel s. Tl12/L133 und dazu LOCP 37,16. Sie dauerte zunächst auch nach der Rückkehr an (L166,21 ff.), doch bezeugen einige an­dere Briefe aus der Zeit eine Wiederaufnahme der freundschaftlichen Beziehungen: L192 (entgegen der Annahme von Loenertz, Ausgabe, nicht mehr aus Lesbos, sondern bereits aus der Hauptstadt geschrieben; anders LS 11 88: Konstantinopel 1379?) und-l..120.

158 LOCP 37,18 aufgrund von L182. Die Gesandten Gregors XL, seit 30. 12. 1370 Papst, ver­ließen Avignon im Oktober 13 74: HalEmp 305 ff. Ihre «kürzlich» erfolgte Rückkehr nach Avignon erwähnt AGreg XI Nr. 173 vom 27.9.1375. Vgl.auch L140,31ff.

159 DöReg 3142; HalEmp 305-307: die Gesandtschaft des Kaisers traf Anfang Dezember 1374 in Avignon ein.

(160 Der Brief des Kaisers, den der Papst im Januar 1375 erhielt (HalEmp 307; DöReg3143), ist nicht erhalten, aber in seiner Antwort vom 28. 1. ging der Papst auf den Inhalt ein. Die la­teinische Version des Briefes war nicht von Kyd., sondern von einem gewissen Manuel Sgu­ropulos verfaßt worden. Antwortbriefe des Papstes: AGreg XI Nr. 134-136; dazu Hal­Emp 310f.

161 G. Mercati, Sela versione dall' ebraico del codice Veneto gr. VIlsia di Simone Atumano ar­civescovo di Tebe, Roma 1916 (StT 30), 57,A.1 (Text; dort auch der Hinweis auf weitere unpublizierte Briefe des Papstes nach 1369 an Kyd.); HalEmp 311.

30

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

da er die neidische Gesinnung seiner Gegner bei Hofe durchschaut habe und es nun bedaure, sich «SO lange Zeit» seiner Gegenwart beraubt zu hahen 162.

Allerdings ließ sich Kydones nicht ganz zur Aufgabe seiner Reisepläne bewe­gen und kehrte auch nicht voll in den Palastdienst zurück, sondern war vor­erst nur bereit, zweimal die Woche beim Kaiser vorzusprechen163

• Der ge­nannte Rhadenos, erstmals in einem Brief an seinen langjährigen Thessaloni­zenser Freund Tarchaneiotes vom Jahr 1374, und zwar als bei Kydones an­wesend, erwähnt, sollte in den folgenden Jahren einer seiner engsten Freunde und Korrespondenten werden164

• Rhadenos reiste im Herbst 1375 nach Thessalonike, wo ihn Kydones seinem einstigen Reisebegleiter nach Italien, dem Großdomestikos Demetrios Palaiologos, empfahl165

• Die Abreise des Freundes, die ihm einen herben Verlust bedeutete, weckte in ihm erneut das Verlangen, die Einladung nach Italien anzunehmen, und er äußerte für Früh­jahr 1376 konkrete Reisepläne166

• Doch schob er die Fahrt wieder auf, und wir können die Gründe (Bitten des schwer bedrängten Kaisers?) nur vermu­ten: im Frühjahr 1376 verhandelte Ioannes V., von anderen abendländischen Helfern im Stich gelassen, mit Venedig über eine Verlängerung des bestehen­den Waffenstillstandes und trat zum Preis dafür die Insel Tenedos ab; Vene­dig ratifizierte den Vertrag im Juli 1376 und nahm die Insel im Oktober in Besitz167

• Doch war es inzwischen in Byzanz zum Umsturz gekommen: im Juli entwich Andronikos IV. aus dem Kauleoskloster zu Konstantinopel, sei­nem letzten Haftaufenthalt nach dem Scheitern seiner Verschwörung mit dem Osmanenprinzen Saudji, und eroberte am 12. 8. 1376 die Hauptstadt

162 L187,13-32. Womöglich hat auch hier die Kaiserin Helene eine positive Rolle gespielt: s. L222,19ff.

163 L187,32-39. 164 L182,33 (erste Erwähnung). Vermutlich traf Kyd. Rhadenos zum ersten Mal auf Lesbos

1373/4, vgl. L273,30. Briefe an Rhadenos in chronologischer Folge: L159; 187; 191; 170; 171; 172; 173; 177; 169; 196; 197;219; 198;207;227;202;248;262;285;270;289; 324; 273; 310; 311; 303; 316; 334; 335; 332; 350; 351; 352; 353; 354; 355; 363 (Mittei­lung von seinem Tod in einem Brief an Manuel 11.). Zur langjährigen Freundschaft mit Tarchaneiotes: s. u., Exkurs, S. 218-221.

165 L157,12ff.; einige Zeit danach ist der in A.162-164 zitierte Brief L187 verfaßt. Ihm ging als Mahnbrief L159 voraus.

166 L171,9f., zu datieren auf Winter 1375/6. 167 HalEmp 320-322; DöReg 3150; BarkMan 25,A.59; LBF I 430-432. Anspielung auf

nicht endende Schwierigkeiten wegen seiner (sc. Kydones') Vorliebe für die abendländische Philosophie: L174 aus dem Sommer 13 76.

31

EINLEITUNG

mit genuesischer Hilfe. Seinen Vater und seine beiden Brüder Manuel und Theodoros ließ er nun seinerseits im Anemasturm einkerkern 168.

Bei seiner Rückkehr aus Italien hatte sich Andronikos gegenüber Kydones von der freundlichen Seite gezeigrt69

, und entsprechend hatte der Macht­wechsel in Konstantinopel nicht zwangsläufig die Absetzung des Staatsman­nes zur Folge, doch war offensichtlich Kydones selbst mit dem Umsturz nicht einverstanden 170. So war es kein Wunder, daß s~ine Position am Hof sich verschlechterte: ein gewisser Amarantos trat an seine Stelle, wenn er auch nach wie vor nicht ganz ohne Einfluß bliebl71

• Doch erklärte er nach Ablauf einiger Monate dem Usurpator unmißverständlich, er sei nicht länger bereit, ihm zu dienen, sondern wolle nun endlich der Einladung des Papstes folgen, ·der am 17. 1. 1377 nach Rom zurückgekehrt warl72

• Doch betonte er auch diesmal wieder, er wolle der Heimat nicht endgültig den Rücken kehrenl73

Wieder fand die Reise nicht statt, hauptsächlich deshalb, weil der ihm gewo­gene Papst Gregor bald darauf, am 27.3. 1378, starbl74

• Doch hörte Kydo­nes auch nach dessen Tod nicht auf, bei der Kurie für seine Heimat zu inter­venieren: in einem Brief von Ende 1378 bat er seinen in Rom weilenden Freund Kalopheros, bei dem neuen Papst Urban VI. um Hilfe gegen die Tür­ken nachzusuchen, deren wachsenden Druck auf die Hauptstadt und ihren Herrscher er mit beredten Worten schildert. Wie weit er dabei im Auftrag des Andronikos handelte, ist unbekanntl75

168 BarkMan 24-29; SchreinChron 11 311-313. Von türkischer Hilfe für Andronikos ist in L 167,13 ff. die Rede; dort auch die Mitteilung der Abtretung von Kallipolis zum Dank für die Hilfe.

169 S.o., A.137 und zugeh. Text. 170 L167,35-39, im Oktober 1376 an Kalopheros, deutsch bei EszKa1216, Nr. 6. Hier pro­

phezeit Kyd. dem Reich den Untergang. 171 L176,28ff.; gespannt waren die Beziehungen zu Andronikos' Patriarchen Makarios:

L130. 172 L154, wegen der ausdrücklichen Nennung Roms (Z.45) nicht vor der Rückkehr des Pap-

stes dorthin (13 77) zu datieren. 173 L154,59. 174 Kydones selbst gibt diesen Grund für den Ausfall der Reise an: L226,177. 175 L190, deutsch bei EszKaI220ff., Nr. 8. Datierung kurz nach Ausbruch des abendländi­

schen Schismas (August/September 13 78), als noch Aussicht auf Hilfe des Papstes bestand, die durch das Schisma zunichte wurde. Ein Auftrag Andronikos' IV. ist wegen seines vor­ausgehenden Arrangements mit den l;'ürken (s.o., A.168) eher unwahrscheinlich, zumal sich ja Kyd. kaum noch ihm verpflichtet fühlte (s.A.172 und zugeh. Text).

32

LEBEN DES DEMETRIOS"KYDONES

Etwa im Juni 1379 gelang es Ioannes V. und seinen zwei Söhnen Manuel und Theodoros, aus der Haft im Anemasturm zu entweichen und über Sku­tari zu Sultan Murad zu fliehen176

• Am 1. Juli drang Ioannes V. mit türki­scher Hilfe in die Hauptstadt ein, und Andronikos floh nach Pera/Galata177

Unmittelbar nach seinem Erfolg muß Ioannes V. Kydones zu sich gerufen haben, denQ. dieser vermittelte in der fatalen Affäre mit der Stadt Thessaloni­ke, die sich geweigert hatte, den Hauptkaiser Ioannes nach seiner Befreiung zu unterstützen; auf Ansuchen eines Anhängers von Ioannes V. in Thessalo­nike legte Kydones bei diesem Fürbitte für die ungetreue Stadt ein178

• Andro­nikos wurde in Pe ra samt seinen genuesischen Verbündeten belagert, bis es im Frühjahr 1381 zu einer Aussöhnung zwischen Vater und Sohn kam179

In der Zeit zwischen Sommer 1379 und Frühjahr 1381 weilte Kydones einmal im Auftrag des Kaisers als Gesandter bei den Türken in Anatolien180

,

war aber auch maßgeblich an den Verhandlungen mit Genua beteiligt181•

Doch war Ioannes V. mit den Ergebnissen der Türkengesandtschaft (von der nichts Näheres bekannt ist) anscheinend unzufrieden, und er kritisierte auch sein «Versagen» (wegen körperlicher Erschöpfung, wie Kydones selbst be­richtet) in den Verhandlungen mit Genua182

• Hinzu kamen erneute Ausein­andersetzungen mit den kirchlich nach wie vor dominierenden Palamiten. Doch konnte Kydones hier auch Erfolge verzeichnen und gegen die Palami-

176 BarkMan 32f. 177 BarkMan 35; L222,88; SchreinChron II 320-322. 178 L206. 179 BarkMan 35f.; DöReg 3171; über Reflexe dieser Vereinbarungen in den Kydonesbriefen

ebd. 36,A.93; s. insb. L218,46-61 über den aufreibenden Einsatz des Kyd. bei den Ver­handlungen. Nach L220 hielt sich Manuel damals zum Bedauern des Kyd. bei den Türken auf.

180 Erwähnung der Gesandtschaft: L218,42. Kyd. begab sich nach Kotyaion südöstlich von Brussa: vgl. Loenertz zu Z.42 aufgrund der ursprünglichen Lesart der (autographen) Handschrift: App. zu Z.26. DöReg 3169: «an Emir Suleiman?» «ca. Anf. 1381». Nach I. Melikoff, Art. Germiyan-Oghullari, EI 11 (1965) 989 regierte der Germiyanide Süleyman Shah ab 1363 in Kütahyah (= Kotyaion). Aus Schwäche arrangierte er sich ca. 1381 mit den Osmanen und gab deren Prinzen Bayazid seine Tochter zur Frau. Als Brautgabe erhielt der Prinz Kütahyah, wo er fortan residierte, und andere Städte im nördlichen Germiyan. Vgl. dazu auch H. Inalcik, Art. Bayazid I,EII (1960) 1117 und D. E. Pitcher, An Historical Geography of the Ottoman Empire, Leiden 1972, Map VIII und XI. Ob Kyd. noch zu Sü­leyman oder schon zu Bayazid reiste, ist unbekannt.

181 S.o., A. 179. 182 L218,42-45. 61-67.

33

EINLEITUNG

ten meinungsbildend wirksam werden 183. Zu einem konnte er sich allerdings nach wie vor nicht entschließen: sich aus Glaubensrücksichten von seinem Volk abzusondern und ganz nach Italien umzusiedeln, wozu ihm Simon Atumanos, seit 1366 lateinischer Erzbischof von Theben, erneut geraten hat­te184

• Er fand auch einen neuen Grund, sogar eine kürzere Reise in den We­sten wiederum aufzuschieben: er wolle auf jeden Fall in seinem Ruhesitz im Georgskloster der Manganen (wohin er sich seit der erneuten Ungnade des Kaisers wieder zurückgezogen hatte1848

) abwarten, bis sich die beiden Seere­publiken Venedig und Genua, in deren Streitigkeiten Byzanz seit Jahren ver­wickelt war, miteinander geeinigt hätten. Eine Reise nach der Beendigung des Krieges sei dann kein Akt der Feigheit mehr, sondern diene nur der In­formation 185

• Die Einigung der Seerepubliken erfolgte im Frieden von Turin am 23.8. 1381; der Brief dieses Inhalts ist also einige Zeit vor diesem Datum geschrieben 186.

Diesmal dauerte die Verstimmung des Kaisers nicht allzulange: einige Zeit später, wohl 1382, hielt sich Kydones, diesmal als Gesandter des Kaisers, er­neut auf Lesbos auf, um mit Francesco Gattilusio über die Herausgabe der einige Jahre zuvor von ihm okkupierten Stadt Ainos an der Maricamündung zu verhandeln, doch hatte er hier so wenig Erfolg wie zuvor bei den Tür­ken187

• Durch die Vereinbarung Ioannes' V. im Mai 1381 mit Andronikos, wonach dieser als Apanage die Stadt Selymbria mit Umgebung erhielt und gleichzeitig erneut als legitimer Nachfolger bestätigt wurde, wurde der Mit­kaiser Manuel, dem ja bis dahin seit Jahren die Nachfolge zugesagt war, er­heblich zurückgesetzt. Wir wissen nicht einmal, ob er wie zuvor als Despot von Thessalonike vorgesehen war. Auffallend ist jedenfalls, daß er im Herbst

183 L226,24-39. Aus dieser Zeit stammen wohl auch drei Briefe an Manuel 11. mit Anspielun­gen auf die ungnädige Gesinnung seines Vaters und Bitte um Fürsprache: L231; 237; 238. In LS 11 117 bzw. 119 hatte Loenertz noch Datierung auf 1389/90 erwogen.

184 L226,40-151. Ital. übers. des Briefes mit Anmerkungen: FedSim 13 9-148; Resümee: ' LBF 11377.

184a L226,152f. 185 L226,157. Das gleiche Ethos verlangt er auch von Freunden, so von Simon Atumanos

(L226, 13 3) und von Rhadenos (L219, 1 0-12), dem er zunächst vorwirft, aus Feighei t nach Thessalonike gegangen zu sein; allerdings nimmt er den Vorwurf in L207 zurück.

186 Vor dem Frieden von Turin nach L226,155f.; Datierung nach BarkMan 40,A.112. 187 L202, aus Mitylene, 28-33: nur aus Rücksicht auf die alte Freundschaft hat ihn Francesco

I. Gattilusio nicht sogleich davongejagt. Auch L224 ist wohl in dieser Zeit aus Lesbos ge­schrieben. Rückkehr aus Mitylene nach Konstantinopel bezeugt L255. DöReg 3173.

34

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

1382 heimlich und unerwartet die Hauptstadt verließ und erneut, vielleicht in eigener Machtvollkommenheit, die Herrschaft in Thessalonike wieder­aufnahm188

• Kydones war von der Abreise des kaiserlichen Freundes tief be­troffen, zumal er sich bei ihm das Verständnis für seine geistigen Interessen erwarten konnte, das er bei seinem Vater vermissen mußte, aber Manuels Anwesenheit hatte ihm auch in allgemein menschlicher Hinsicht einen Rückhalt gegeben 189.

Am 10.4. 1380 war Manuel Kantakuzenos, der Despot von Mistra, ge­storben, und im frühen Herbst 1382 hatte sich Theodoros, der jüngste Sohn 189a Ioannes' V., nach Morea begeben, um dort, offenbar im Einver­ständnis mit den dort noch lebenden Kantakuzenen Ioannes (Exkaiser und Mönch) und dessen Sohn, dem Kaiser Matthaios, die Herrschaft zu über­nehmen190

• Bald darauf schrieb Kydones dem neuen Despoten, der damals ca. 30 Jahre alt war, beglückwünschte ihn und ermahnte ihn zu weiser Herr­schaft191

• Die freundschaftliche Beziehung wurde bald ein wenig getrübt, weil Theodoros mit der Übersendung einer Kydones versprochenen Plu­tarchhandschrift längere Zeit hindurch zögerte192

• Sein Bruder Manuel war in der Hinsicht großzügiger: er ließ seinem Freund einen Platokodex vom Berg Athos zukommen, den er sich sehnlich gewünscht hatte. Bei der Ankün­digung der Handschrift im Winter 1382/83 hatte Manuel Kydones noch im Manganakloster vermutet, doch Kydones teilte ihm mit, die «Fesseln» des Palastdienstes hielten ihn wieder gefangen193

Im Frühjahr/Sommer 1383 erbat sich Manuel die Anwesenheit und den persönlichen Rat seines väterlichen Freundes, aber Kydones widerstand auch

188 DenReign 57-60; BarkMan 42-45; L247,11. 189 L203,4-6;L241,4ff. Bitte an Manuel, bei seinem Vater für den Schutz der gelehrten Stu­

dien einzutreten: L236,12ff.;L243. 189a Vgl. dazu SchreinStud 151,A.2. 190 NicKant 119. Genaues Todesdatum des Manuel Kantakuzenos nach SchreinChron I 243

und 11 323. Zum Datum der Abreise des Theodoros: BarkMan 44. Reflex der Todesnach­richt: L200,4. Zum Tode der beiden genannten Kantakuzenenkaiser bald darauf (Mai/Juni 1383) SchreinChron 11 325f.

191 L251. 192 L293,23ff.;L313,13;L322,16. 193 Über die abenteuerliche Irrfahrt und Beschädigung der Handschrift dabei: L259 von ca.

Frühjahr 1383; dazu DenReign 69f. und BarkMan 416 m~t A.35; vgl. auch SevSoc 29,A.84(Rapp.)=91(Act.); zum Aufenthaltsort des Kyd: ManEp(Den) Nr. 3,20; L276,33-35.

35

EINLEITUNG

dieser Versuchung, den Problemen in der Hauptstadt zu entfliehen 194, um so begreiflicher, weil wir wissen, wie empfindlich Ioannes V. auf solche Ten­denzen der Abwanderung zu dem nun in seiner Ungnade lebenden Sohn rea­gierte195

; begaben sich doch im Frühjahr 1383 zahlreiche Freiwillige nach Thessalonike, um Manuel, den neuen Helden im Kampf gegen die Türken, zu unterstützen196

• Nach anfänglichen Erfolgen Manuels kam der furchtbare Rückschlag: am 19. 9. 1383 fiel Serres, die einst, im November 1371, durch Manuel selbst von den Serben eroberte bedeutende makedonische Festung, in die Hände der Osmanen 197, und noch im Herbst 1383 begann die Belage­rung Thessalonikes durch Hayreddln, den türkischen BegIerbeg Murads I. in Rumelien198

• In Briefen an den bei Manuel weilenden Rhadenos äußerte Ky­dones im Herbst 1383 nun doch wieder konkrete Absichten, Konstantinopel zu verlassen und, zumindest vorübergehend, in Thessalonike Station zu ma­chen, vermutlich weil gerade Manuels Notlage ihn zur Hilfe aufrief199

• Aber auch dort stießen seine religiösen Überzeugungen auf Kritik20o

• Wiederum unterblieb die Reise, und Kydones tröstete sich durch die Korrespondenz mit Freunden: mit dem fernen Kalopheros, dem er ungeachtet politisch bedingter Schweigepausen brieflich in tiefer Freundschaft verbunden blieb201

, und mit den Freunden in Thessalonike Manuel, Tarchaneiotes und Rhadenos. Doch gestaltete sich während der langen Belagerungszeit dieser Stadt auch der Briefwechsel mit ihnen oft schwierig, so daß ihm sogar dieser Trost häufig versagt blieb202

Ein weiterer Freund wurde ihm am 6. 8. 1384 durch ein Erdbeben in Mity-

194 Begründung L2 79,29 ff. an einen hohen Beamten in Thessalonike; insb. 43 ff. 195 L267,56ff.; L264,79ff.: Zorn des Kaisers über angebliche entsprechende Absichten des

Ioannes Asanes. Die Position und der Einfluß des Kyd. bei Ioannes V. schienen damals ziemlich hoch zu sein; vgl. das in L344 geschilderte Gespräch mit dem Kaiser in der Ange­legenheit seines Freundes Georgios des Philosophen (dazu TinnGeorg 163f.).

196 DenReign 71; BarkMan 48. 197 BarkMan 49; SchreinChron II 326f. (Lit.). 198 BarkMan 49f.; Trostbrief des Kyd.: L283. 199 Anspielung: L285,27; konkreter L289,26-29. 200 Aufschlußreich L235 (in zwei Fassungen) an den Metropoliten von Thessalonike Isidor

Glabas. ... 201 L223 und L269, dazu EszKaI223-231. In L269,82ff. drückt Kyd. auch die vage Hoff­

nung aus, ihn bald zu sehen. 202 L277, ca. Spätsommer 1384,10ff. Noch weniger ist es ihm allerdings möglich, persönlich

zu kommen: ebd. 9.

36

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

lene entrissen: Francesco I. Gattilusio, dem er in einem Brief an den gemein­samen Freund Rhadenos tief empfundene Worte des Nachrufes widmete, un­ter Würdigung auch des unersetzlichen Verlustes in politischer Hinsicht, sah er doch in dem politisch geschickten Inselherrscher ein Bollwerk des Reiches gegen die Türken und verglich ihn mit Hektor von Troja203

Im Spätsommer 1384 nahm er in einem Brief an Rhadenos erneut das Thema der Italienreise auf: Garsias (Garcia), ein spanischer Mönch, wohl Dominikaner, der sich spätestens seit 1381 öfters in Konstantinopel aufhielt, unter anderem um dort Griechisch zu lernen, und der 1387 als lateinischer lfischof von Theben bezeugt ist, hatte für eine Italienreise des Kydones dort alles vorbereitet, und Kydones erwartete nun für seine eigene Abreise nur noch dessen Rückkehr nach Byzanz204

• Diese konkreten Reisepläne standen auch, wie sich bald herausstellte, im Zusammenhang mit der Notlage Manu­els in Thessalonike. Dieser hatte im Februar/März 1385 eine Gesandtschaft an Papst Urban VI. geschickt, welche Verhandlungen über eine Kirchen­union und natürlich gleichzeitig Türkenhilfe für Thessalonike aufnehmen sollte. Kydones, der bis zu diesem Zeitpunkt keineswegs schon abgereist war, bot nun Manuel seine Hilfe als Vermittler in Italien an205

• Gleichzeitig tadelte er, daß die Gesandtschaft abgegangen sei, ohne daß Manuel zuvor mit ihm Rücksprache genommen habe; Manuel entschuldigte sich dafür mit eine~ kurzen Brief, ging aber nicht auf Kydones' Hilfsangebot ein. Sah er in dem Katholiken Kydones einen ungeeigneten Vermittler206 ? Es vergingen Monate

203 L273,27ff. So erklärt sich auch der Ton tiefer Niedergeschlagenheit in dem ganzen Brief. Selbst Briefe bringen keinen Trost, sondern nur schmerzliche Erinnerung: L273,4ff.; 303,18ff.; 311,4ff. Andauernde Treue gegenüber der Familie der Gattilusi bezeugt ~}Q? Doch gewannen bald Verleumder des Kyd. bei dem Nachfolger Francescos I. Francesco 11. Einfluß: L321. Zum Todesdatum vgl. jetzt SchreinChron 11 327f.

204 L310,13-20.71-73; PLP 3570 mit irriger Angabe des Vornamens Stephanus, der auf Verwechslung mit seinem Vorgänger in der Liste von Loenertz (LBF 11 324) beruht. Vgl. FedSim 88,A.44;107;119; LBF 11 26,A.3; 324; 384, Reg. 218; 386, Reg. 229; DenReign 145,A.30; LC 11 432f.

205 L314 an einen hochgestellten Mann der Umgebung Manuels in Thessalonike, Z.43-48; 302,48ff.: Kyd. fühlt sich übergangen, weil die Gesandtschaft op.ne Rücksprache mit ihm abgegangen ist. Zur Gesandtschaft: BarkMan 55; DöReg 3181 a; DenReign 140.

206 ManEp (Den) Nr. 8. Wie BarkMan 55,A.152 zeigt, bleiben zu diesen Verhandlungen zwi­schen Manuel und der Kurie manche Fragen offen, nicht zuletzt, weil für die Zeit von 1383-1386 die einschlägigen päpstlichen Dokumente verloren sind. Wie Kyd: Brief an den Metropoliten von Thessalonike zeigt (s.o., A.200), genoß er jedenfalls auch nicht in dieser Stadt das Vertrauen der führenden kirchlichen Vertreter.

37

EINLEITUNG

quälenden Wartens. Inzwischen erhob sich Andronikos IV. erneut gegen sei­nen Vater, erlitt in einer erbitterten Schlacht eine Niederlage und starb am 28. 6. 1385207

• In Briefen nach Thessalonike beklagte Kydones die schwie­rige Lage in der Hauptstadt und kündigte erneut die Italienreise an, die er doch nicht verwirklichte208

• Im Frühjahr/Sommer 1386 traf der päpstliche Legat Paulus Foscari, den Urban VI. in Beantwortung der Gesandtschaft Manuels nach Thessalonike geschickt hatte, endlich ein, aber überraschen­derweise und versehentlich (?) in Konstantinopel, wo er von Ioannes V., der seinem Sohn immer noch grollte, recht ungnädig empfangen wurde209

• So kam der Legat erst mit einiger Verspätung nach Thessalonike, und Kydones, der an den Vorgängen regen Anteil nahm, informiert uns in einem Brief, der Legat habe der belagerten Stadt militärische Hilfe versprochen, und Manuel habe samt den Vertretern der Stadt ein Glaubensbekenntnis für die römische Kirche abgelegt21o

• Es ist bezeichnend, daß man nun in Konstantinopel Ky­dones Vorwürfe machte, er sei an diesem «Glaubensabfall» Thessalonikes schuld, da er den Legaten zuvor entsprechend beeinflußt habe211

• Vielleicht wurden diese Vorkommnisse dem Kydones zum Anlaß, sich erneut aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen212

Indessen ließ die versprochene Hilfe aus dem Westen für Manuel natürlich auf sich warten, und die Lage Thessalonikes wurde immer verzweifelter213

In der höchsten Not wandte sich Manuel (Winter 1386/87) an Kydones um Rat, ob er sich nach Konstantinopel, nach Mistra oder in den Westen bege-

207 BarkMan 51 f.; L308;309;306. Möglicherweise hat der Streit Ioannes' V. mit seinem Sohn auch seine Beziehung zu Kyd. erneut verschlechtert.

208 L294;299;304;305;306;308,18ff.74ff. In den beiden letztgenannten Briefen bezieht sich Kyd. auf eine Mahnung Manuels, er möge in Konstantinopel verbleiben; er weist sie niit gereizten, ja verbitterten Formulierungen zurück: L306,57 ff., ~ger heftig L309,74 ff .. Die Reisepläne haben sich noch mehr konkretisiert in einem Brief an den Despoten Theo­doros von Mistra: auf seiner Fahrt nach Italien will Kyd. auch die Peloponnes besuchen, und der Kaiser hat ihm sogar die Erlaubnis dazu erteilt: L336,29-35.

209 DenReign 142-146. 210 L327,7-23, bezieht sich auf diverse Gerüchte über die Vorgänge in Thessalonike. Vgl. im

übrigen 0., A.206. und DenReign 147f. 211 L327,27ff. mit sarkastischer Erwähnung der Hesychasten als Gegner der Union 34ff. 212 L3 5 9, Herbst 13 86,20 f. Erneut verdichteten sich die wohl wegen der Affäre mit dem Lega­

ten wieder aufgeschobenen Reisepläne: L337,51, zur Zeit einer Pest in Konstantinopel. 213 DenReign 151; BarkMan 56f.

38

j

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

ben solle214• Es erschien Kydones schwierig, hier Ratschläge zu geben, zumal

ihn der gegen seinen Sohn erbitterte Ioannes V. als dessen Freund (?) von den Beratungen über Manuels Schicksal ausgeschlossen hatte; sein Nachfolger als JlEaa~Wv war inzwischen ein gewisser Georgios Gudeles geworden215

• Er empfahl Manuel dennoch, nach Konstantinopel zu kommen, erhoffte er sich doch nur so die Möglichkeit einer Aussöhnung zwischen Vater und Sohn, und er war bereit, bei ihrem Zustandekommen mitzuwirken216

, ein Zeichen, daß er sich doch noch einigen Einfluß bei Hofe beimaß. Auf eine Italienreise brauchte er allerdings vorerst nicht mehr zu hoffen: der Kaiser hatte sie ihm rundweg verboten, und K ydones mußte sich schriftlich an einen Mann in der Umgebung des gestrengen Herrschers wenden, um die Gründe zu erfra­gen217

Für das Jahr 1386 lassen sich erstmals Kontakte zwischen Kydones und Manuel Chrysoloras, dem späteren Lehrer des Griechischen in Florenz, nachweisen; doch bestanden diese zweifellos schon wesentlich länger, wie

. aus der brieflichen Erwähnung der Gemeinsamkeit geistiger Interessen her­vorgeht218

In den ersten Monaten des Jahres 1387 neigte sich das Schicksal Thessalo­nikes seinem Ende ZU219. Nach Barker verließ Manuel, von den Einwohnern im Stich gelassen, die Stadt am 6. 4. zu Schiff, und am 9. 4. drangen die Tür­ken ein220

• In einem Brief an Manuel beklagte Kydones den Fall seiner Hei-

214 DenReign 152f.; BarkMan 57f. 215 Zu Gudeles: L357,32f.; PLP 4334. 216 L342 an Manuel und L332 an Rhadenos. 217 L361,11-13; 362,25ff.; 371,23-28. Etwas später, in L331,3i (deutsche übersetzung

EszKaI233-235), in 345,65 und 371,14-23 gab er auch die Pest als Hinderungsgrund der Reise an (Pest auch 337,38; Verweilen auch 329,26f.; Entschluß zur Reise: 331,50f.). Fer­ner erfahren wir (L331,30f.), daß er Venedig als Reiseziel vorgesehen hatte. Ein weiterer Grund für die Verzögerung der Reise war seine Unsicherheit, Kalopheros dort zu treffen: L345,65 ff.; 371,28-37.

218 L358, insb. 31. Kyd. solidarisiert sich in dem Brief mit Chrysoloras, gegen den Antilateiner Vorwürfe erhoben haben, und verteidigt ihn, ebd. 19 f.

219 L332 an Rhadenos mit dem Ratschlag, die Stadt zu verlassen. 220 BarkMan 59 f. Barkers Angaben basieren auf der Umdatierung einer Notiz des Chronicon

breve Thessalonicense für das Jahr 1372 (SchreinChron I 351=LC I 175), begründet in BarkMan 446-450. Fundierte Zweifel daran bei SchreinChron 11 303 f. Aufgrund der di­vergierenden Angaben in den Kleinchroniken läßt sich mit Sicherheit nur sagen, daß die Türken Thessalonike irgendwann zwischen März und Mai 13 87 eroberten: SchreinChron 11 332f. '

39

EINLEITUNG

matstad~21. Entgegen seinem Ratschlag wählte Manuel, wohl aus Furcht vor dem Groll seines Vaters, als erstes Reiseziel Lesbos, wo Francesco 11. ihn und sein Gef~lge (darunter auch Rhadenos) die Stadt Mitylene nicht betreten ließ222. Kydones, inzwischen noch einmal mit Ioannes V. ausgesöhnt (nach­dem er sich kurz zuvor bitter über Brüskierung von seiner Seite beklagt hat­te223), gab in dieser Situation Manuel die Auskunft, es bestehe wenig Hoff­nung, daß sein Vater einlenken werde224. Da entschloß sich der junge Kaiser zu einem verzweifelten Schritt: er begab sich zum Türkensultan Murad nach Brussa, um mit dessen Hilfe den Vater umzustimmen, denn er erhoffte sich von diesem «Verbündeten» seines Vaters seit 1379 einigen Einfluß in der Angelegenheit225. In Briefen an Rhadenos kritisierte Kydones heftig diesen Akt der Selbstaufgabe und riet dem Freund sogar, sich von Manuelloszusa­gen und zu ihm nach Konstantinopel zu kommen226. Doch entgegen allen Warnungen begleitete Rhadenos seinen kaiserlicher.. Herrn nach Brussa, wo er ganz unerwartet bald (an einer Krankheit?) starb. Seinen plötzlichen Tod empfand der alternde Kydones als furchtbaren Schlag, und seine Trauer um diesen Verlust mischte sich mit der weiteren Besorgnis über die Türkenpoli­tik Manuels, der inzwischen jedoch mit Murad erfolgreich verhandelt hatte und noch im Herbst 1387 mit Empfehlungen des Sultans an Ioannes V. in Konstantinopel eintraP27. Kurz zuvor hatte ihm Kydones noch nach Brussa geschrieben, hatte erneut über Anfeindungen geklagt und Reisepläne erwo­gen, die er aber in der Erwartung seines Besuches noch zurücT<stellen wol-le228. '-

Seine Hoffnung, den kaiserlichen Freund nach langer Trennung wiederzu­sehen, wurde zunächst enttäuscht. Manuel versöhnte sich zwar mit seinem Vater, aber den Gegnern des Kydones gelang es, diesen von allem Hofge­schehen fernzuhalten, und er mußte froh sein, Manuel einmal von ferne zu sehen. Schließlich kam es aber doch zu einem kurzen Zusammentreffen ohne

221 L348. 222 BarkMan 59-61. 223 L338. Versuch einer Aussöhnung: L340. 224 L350,63-69, an Rhadenos, der an M:~muels Seite weilt. BarkMan 61. 225 BarkMan 62f. 226 L350;352;354;355; dazu BarkMan 61 f. Vgl. zur Einstellung des Kyd. gegen jedes Arran­

gement mit den Türken DujCon 89-91. 227 L363,28ff. BarkMan 63f. 228 L365,35-43.

40

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

Wissen und Willen Ioannes' V. anläßlich einer Jagd; später sahen sie sich auch einmal im Kaiserpalast. Doch blieb die Atmosphäre gespannt, und bei Manuels Abreise in sein mit dem Vater vereinbartes Exil nach Lemnos konnte bzw. wollte Kydones wegen seiner mächtigen Feinde in der Umge­bung des Kaisers wiederum nicht dabeisein229

• Diese redeten Ioannes V. ein, Kydones sei an der ganzen Misere des Reiches schuld, und das Glück werde wiederkehren, wenn er nur aus dem Wege sei, eine Verleumdung, die jeden­falls bestätigt, welche Schlüsselposition er lange Zeit am Kaiserhof besessen hatte230

• Er reagierte darauf mit der bitteren Ankündigung, er werde sich selbst mit Verbannung bestrafen und bewies mit einem Brief an Kalopheros, daß es ihm mit der Reise nach Italien nun ernst war: er bat seinen Freund dringend, sein unstetes Reiseleben aufzugeben und irgendwo seßhaft zu wer­den, wo er mit ihm gemeinsam seinen Lebensabend verbringen könne231

• Ob Kalopheros diesem Rat folgte oder aus eigenem Entschluß entsprechend handelte, sei dahingestellt: jedenfalls transferierte er einen großen Teil seines Vermögens nach Venedig, das ihm damals politisch am sichersten schien, und machte dort sein Testament232

Aber noch einmal sollte es anders kommen, und immer noch sollten fast drei Jahre dahingehen, bis es zur Verwirklichung der Reisepläne kam. Kydo­nes' Beziehung zu Ioannes V. verbesserte sich in der Zeit nicht, und nur im Reich der Träume fand er noch Zugang zu dem Herrn, dem er so lange gewis­senhaft und unter Hintanstellung der eigenen Interessen gedient hatte233

• Um

229 L368;372;373;381;374; BarkMan 65; LoenLemn 119-122.L84? 230 L3 74,15 -17. 231 L374,23;L371,37-58; EszKaI238-240. 232 EszKal96f. 233 L3 77 und L411 (dazu BarkMan 67,A.186). Sein letzter erhaltener Briefkontakt mit ihm ist

L3 86, nach Loenertz zu datieren auf 13 88/9, in dem Kyd. den Kaiser an einige Versprechen erinnert (einige Lampen, Handschriften und 600 Stateren, damit er seine Gläubiger bezah­len kann). Seine durch den Kaiser bedingte Armut erwähnt er auch in L405. Vgl. ferner L199,45;L261 (Bitte um Steuernachlaß); auch schon KydIoPa115,31 ff. Doch ist der Be­griff der Armut relativ zu verstehen; sein persönlicher Diener z. B. verblieb ihm bis in die späte Zeit hinein: s. L426,18 (Z.7 sogar im Plural) und LC 11 463, s.v. Cydonius, Deme­trius, eius famulus. Ferner besaß er ein bescheidenes (L405) Stück Land mit Obstbäumen und einem Rosengarte~ (s.LC 11 463, s.v. Cydonius, Dem., eius pometum, eius rosetum). Man kann jedenfalls annehmen, daß Kyd. seit seinem in L359 (s.o., A.212) geschilderten Ausscheiden aus dem kaiserlichen Dienst nur noch einmal, am Karfreitag 13 87(L340), sei­nen einstigen Herrn persönlich gesehen hat, und seine damalige Hoffnung auf eine nach­haltige Aussöhnung blieb wohl ein Wunschtraum. Zu L340 s. auch oben, A.223.

41

1

EINLEITUNG

so intensiver gestalteten sich seine brieflichen Kontakte mit Manuel 11. auf Lemnos234, und in der Korrespondenz erscheint als neuer Freundesname der des damals bei Manuel weilenden Maximos Chrysoberges, eines Schülers, der ca. 1390 in Pera in den Dominikanerorden eintreten sollte235

• Ein be­zeichnendes Licht auf die angespannte Versorgungslage der Hauptstadt und sein eigenes Leben im politischen und auch wirtschaftlichen Abseits wirft die wiederholt an Manuels Adresse gerichtete Bitte um Zusendung einer Ziegen­felldecke, zweifellos innerhalb der Stadtmauern einer Kostbarkeif36

• In By­zanz hatte er allerdings nach wie vor in der Person der Kaiserin Helene, der Gattin Ioannes' V., eine gütige und einflußreiche Helferin, die ihn wohl auch in dieser schweren Zeit nicht im Stich ließ237

Die Geschehnisse der Hofpolitik spiegeln sich in seinen Briefen aus dieser Zeit immer seltener. Um so mehr bewegen ihn außenpolitische Ereignissewie der Sieg des bosnischen Voevoden Vukovic bei Bileca über die Türken"ß7. 8. 1388) oder die Schlacht auf dem Kossovo Polje am 15. 6.1389, die'Sultan Murad den Tod brachte. Doch sind seine Kommentare dazu keineswegs en­thusiastisch: er gäbe seinem Volk auch dann keine Chance mehr, wenn aUe Türken vernichtet würden238

• Seine traurige Lage auf dem Abstellgleis spie­gelt wiederum ein nach Manuels Rückkehr in die Hauptstadt verfaßter Brief, in dem er nicht nur darüber klagt, den Freund nicht sehen zu dürfen, sondern auch von einer unangenehmen Augenkrankheit und einem allgemeinen Schwächegefühl berichtet, das ihn daran hinderte, zu gehen oder gar auszu­reiten: er müsse, abgeschnitten von jeder Nachricht, zu Hause sitzen und

234 Zur Korrespondenz dieser Zeit LoenLemn 123 -140 mit Resümees aller Briefe. Zur Dauer des Exils dort ca. Herbst 1387 bis 31. 3. 1390: BarkMan 65,A.179;71.LC 11 364, zu L41 0,5, setzt die Rückkehr Manuels nach Konstantinopel vor dem 21. 10. 13 89 an. Dage­gen BarkMan 67,A.186, mit Erörterung der ganzen Diskussion dieser Frage. Barkers Ein­wände, die LoenLemn nicht zur Kenntnis nimmt, scheinen mir überzeugend.

235 KalekEpLoen 57f.; L333;393,37; 387; 394 u. a. L333 ist wegen seiner Stellung im Brief­corpus vermutlich bereits in die Zeit vor dem Lemnosaufenthalt des Chrysoberges zu datie­ren.

236 L404 an einen Mann der Umgebung Manuels und L397 an diesen selbst, vielleicht im Zu­sammenhang mit dem in L426 beschriebenen strengen Winter.

237 L222,8 ff. 238 Bileca: L398,17; dazu DujCon 90 (<<pres de Plocnik»). Kossovo: L396,24ff.; dazu Duj­

Con 91.

42

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

warten, bis sich ein freiwilliger Berichterstatter bei ihm sehen lasse239• Doch

kann die Krankheit, die wohl auch der psychischen Symptome nicht entbehr­te, nicht allzulange gedauert haben, denn im Verlauf des Jahres 1390 konkre­tisierten sich seine Reisepläne. Dies bezeugt der erste Brief des Manuel Kale­kas, damals Lehrer der EY')(:U'XA.LO~ rtULÖELU in Konstantinopel24o

, an Kydo­nes, worin Kalekas dem Älteren seine Verehrung ausspricht und es mit re­spektvoller Scheu vor seiner Größe erklärt, wenn er bisher keine Verbindung mit ihm aufgenommen habe241

Im Laufe des Jahres 1390 also reiste Kydones zusammen mit Manuel , Chrysoloras nach Venedig, wo Roberto Rossi, ein junger, für die griechische Sprache begeisterter Florentiner Humanist und Schüler des dort heimischen Staatsmannes und Humanisten Coluccio Salutati, nun bei Manuel Grie­chisch lernte und auch Beziehungen zu Kydones aufnahm242

• Am 20. 1. 1391 wurde diesem in Venedig eine große Ehre erwiesen: er erhielt vom Dogen An­tonio Vener (1382-1400) das «ewige» venezianische Bürgerrecht. Die Ver­leihungsurkunde würdigte den in der Mitte der Sechziger stehenden Gelehr­ten als «nobilis et eximiae sapientiae vir»; sie lobte die Lauterkeit seiner

239 L410,6-13. Datierung gegen Loenertz und mit BarkMan 65;71 auf die Zeit nach dem 31. 3. 1390.

240 KalekEpLoen 18; zum Begriff TinnNiv 245,AAa. 241 KalekEp Nr. 4 (Text S. 172f., Resümee S. 108). Kurz vor der Abreise befindet sich Kyd. in

L435, wo er Tarchaneiotes (damals in Konstantinopel) den für das Griechische begeister­ten jungen Mailänder Humanisten Paulus empfiehlt (vgl. TinnNiv 278 f.; aus Mailand nach L360,26) und scherzend berichtet, er bereite sich nun darauf vor, die Sprache der «Barbaren» zu reden (ZA8).

242 Diese Tatsache ist bekannt aus SalutEp III 108 (BriefNr. XIII vom 18.2.1396 an Kyd.): «Cum Venetias tu et Manuel vidistis, ubi, cum primum Robertum amicabiliter susceperis fecerisque doceri (sc. durch Chrysoloras, gemäß KalekEpLoen 72), multorum animos ad linguam Helladum (= Graecorum, irrige Verwendung des Landesnamens als Volksname; vgl. Novati zur Stelle) accendisti.» Itn gleichen Brief (SalutEp III 106) nennt Salutati den Roberto Rossi «communem in doctrina filium» (sc. mit Kyd.), was wohl darauf hinweist, daß Rossi auch in Kyd. seinen Lehrer sah. Zur Person Salutatis vgl. u.a. B. L. Ullmann, The Humanism of Coluccio Salutati, Padova 1963; dort S. 119f. auch über den Briefwechsel mit Kydones. Zur Bedeutung Salutatis vgl. auch H. Baron, The Crisis of the Early Italian Renaissance, Princeton 1966 (2nd rev.ed.). Zur Datierung der Reise des Kyd. s.Kalek­EpLoen 64,AA,A.5. Vgl. auch CamCris, dessen Datierung der Reise auf 1394/5 durch Loenertz überholt ist.

43

EINLEITUNG

Glaubenshaltung und die Fülle seiner religiösen Gesinnung243• Trotz dieser

Ehrung hielt es ihn nicht allzulange in der Lagunenstadt244• Während seiner

Abwesenheit war in Konstantinopel am 16. 2. 1391 Kaiser Ioannes V. ge­storben, dem bis in seine letzten Tage kein Leid erspart blieb: von April bis September 1390 herrschte sein Enkel Ioannes VII. als Usurpator in der Hauptstadt, und als dieser mit türkischer Hilfe vertrieben war, nahm der neue Sultan Bayazid I. nicht nur Ioannes VII., sondern auch den vom Vater in Gnaden aufgenommenenen Mitkaiser Manuel in seinen Dienst: beide muß­ten ihm bei der Eroberung Philadelphias, der letzten byzantinischen Festung:­in Anatolien, behilflich sein; Ioannes V. aber wurde gezwungen, seine eigene Festung beim Goldenen Tor in Konstantinopel zu schleifen. Diese Demüti­gung hat er nicht lange überlebt24s

• Auf die Nachricht vom Tode des Vaters gelang es Manuel, aus dem Dienst des Sultans zu entkommen und am 8. 3. 1391 in Konstantinopel die Herrschaft zu übernehmen246

Die Italienreise von 1390/91 bedeutete in zweifacher Hinsicht eine Ent­täuschung für Kydones: er traf seinen Freund Kalopheros nicht, wie er ge­hofft hatte, in Venedig an, und er konnte sich seinen sehnlichen Wunsch,­nach Rom zu reisen, wegen der verworrenen politischen Lage in Italien nicht erfüllen247

• So trieben ihn die Langweile in der geistig weniger anregenden Handelsstadt und die Sorge um das Schicksal seiner Heimat und seiner dorti­gen Freunde nach Hause zurück, und er traf etwa Mitte März 1391 wieder in Konstantinopel ein248

• Die Reise in der kalten Jahreszeit war nicht ohne

243 Text der Urkunde bei R.-J. Loenertz, Demetrius Cydones, citoyen de Venise, EO 37(1938}125 f. Der Kardinal, den Kyd. damals in Venedig traf (nach LR 111 bereits Früh­jahr 1390), ist Cosma = Cosimo Migliorati, später (1404-1406) Papst Inriozenz VII. (L443,27; Loenertz zur Stelle, wonach Cosma von Mai 1390 bis März 1391 in Venedig weilte).

244 Vermutlich ist in diese Zeit ein Brief des Ioseph Bryennios aus Kreta an Kyd. zu datieren' (Resümee: LBF 11 55), in dem er ihn ermahnt, so schnell wie möglich nach Konstantinopel und in d~n Schoß der orthodoxen Kirche zurückzukehren. Möglich ist auch eine Datierung auf den zweiten Venedigaufenthalt des Kyd. 1396/7.

245 BarkMan 73-80; SchreinPhilad. Kyd. erwähnt den Tod Ioannes' V. nur einmal beiläufig (L440,58).

246 BarkMan 82 f. 247 Kalopheros: L436,51-55; Lage in Italien: ebd. 66-68; L442,18ff.; L443,14ff. (Freunde,

vor allem der Kardinallegat Cosma Migliorati, rieten ihm von der Romreise ab). 248 L443,50f.; Datierung der Rückkehr nach Loenertz zu L430.

44

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

Strapazen für den inzwischen auf die Siebzig zugehenden Gelehrten gewesen, und so sah er sich zunächst physisch außerstande, den Kaiser zu seinem Herr­schaftsantritt zu beglückwünschen249

• Wir wissen nicht, ob es noch zu einer persönlichen Begegnung kam, bevor Manuel bereits am 8. 6. desselben Jah­res wieder zu erneutem Dienst in Bayazids Armee die Stadt verlassen mußte. Als Regentin ließ er offenbar seine Mutter Helene zurück250

Bereits bald darauf schien das Schicksal der Hauptstadt endgültig besie­gelt zu sein: die Türken belagerten sie etwa ab August/September 1391 und suchten sie auszuhungern251

• Im Spätherbst wurde sie zudem noch von der Pest heimgesucht252

• Jedoch sah sich Manuel nicht in der Lage, seiner Stadt zu Hilfe zu kommen25J

• Diese ganze Entwicklung betraf natürlich auch Ky­dones unmittelbar, und er bedauerte es nun sogar, überhaupt aus falsch ver­standener Loyalität zurückgekehrt zu sein, da er ja in seiner Stellung als Pri­vatmann doch nichts mehr für die Stadt tun konnte. Wieder träumte er von einer Italienreise und seinem geliebten Rom, wo er «an den Gräbern der Apo-

" stel beten» wollte. Bezeichnend ist allerdings, daß er nun nicht mehr an ein längeres und dauerndes Verbleiben in Italien dachte. In Venedig war ihm klar geworden, wie sehr er Byzantiner und Grieche war und daß er wenigstens auf griechischem Boden eine neue Heimstatt finden mußte, wenn ihm die Haupt­stadt keine erträgliche Bleibe mehr bot. So wollte er nun auf der Peloponnes beim Despoten Theodoros I. Asyl suchen, unter Berufung auf wiederholte Einladungen von dessen Seite254

• Bedauern über seine Rückkehr äußerte er andererseits in einem Brief an den schon erwähnten griechischen Dominika­ner Maximos Chrysoberges: gern hätte er sich zu ihm nach Pera begeben, aber das war nicht möglich, weil die Genuesen dort Ioannes VII. begünstig­ten, dem Kydones als Freund Manuels 11. nicht genehm sein konnte255

• Doch wurde er gelegentlich von Dominikanern aus Pera besucht256

249 L430; vgl. auch L440 . . 250 BarkMan 87. 251 Hilferufe an Manuel in Anatolien: L444; 432; 429;431. 252 L431. 253 ManEp (Den) Nr. 21. Kyd. berichtet über die traurige Lage in L442,30-59 an Theodoros

I. von Mistra. 254 L442,69-91. 255 L443,65 H.; zur Lage in Konstantinopel auch L436,19-42. 256 L443,76 und Loenertz zur Stelle.

45

EINLEITUNG

Nicht nur zur Peloponnes, auch zu Kreta nahm er in dieser Zeit Kontakte auf, wie seine Korrespondenz mit dem dort lebenden gelehrten Mönch Atha­nasios beweist, und Kreta sollte ja der Ort sein, wo er sein letztes Asyl fand257

, Die brieflichen Eigenzeugnisse wer~en in diesen Jahren immer spär-~ licher, und die meisten Nachrichten über ihn sind nun anderen Quellen zu entnehmen258

, Aus einem späten Zeugnis wissen wir von Kontakten mit dem -, damals wenigstens zeitweilig noch in Konstantinopel lebenden berühmten Philosophen Georgios Gemistos Plethon, aber über die Zeit lassen sich keine genaueren Angaben machen259

,

Als Manuel spätestens in der ersten Januarwoche 1392 aus Anatolien nach Konstantinopel zurückkehrte, begann eine Zeit intensiver freundlicher Be­ziehungen zwischen ihm und seinem Mentor, die nicht auf die Korrespon­denz beschränkt blieben260

, Zu den letzten erhaltenen Briefen des Kydones gehört sein inhaltsreicher Dankesbrief an seine ständige Gönnerin, die Kaise­rin Helene, verfaßt im Sommer/Herbst 1392 vor deren Eintritt ins Kloster; sie hatte damals Kydones bei der Verteilung ihrer Güter besonders be­dacht261

, Ein Brief Manuels aus etwa dieser Zeit auf den Tod eines Kydones -gehörenden Pferdes läßt vermuten, daß jener bis dahin noch trotz fortge­schrittenen Alters regelmäßig ausgeritten war262

,

Ende 1395 kam Iacopo Angeli da Scarperia, wie Roberto Rossi ein huma­nistisch interessierter Schüler des Coluccio Salutati in Florenz, nach Kon­stantinopel, um dort Griechisch zu lernen, und nahm Beziehungen zu Chry-

257 L441 (von 1391); 408;434 (nach der Stellung im Briefcorpus etwa um 1390 geschrieben), 258 Vor allem kommen die Briefe Manuels 11. in Frage: ManEp(Den) Nr. 22,,23,25,26,29 und

einige Briefe des Manuel Kalekas. 259 L. Mohler, Kardinal Bessarion als Theologe, Humanist und Staatsmann, III, Paderborn

1942,467,18: mit Hilfe einer Zeichnung löst Kydones für Plethon das Problem der be­rühmten platonischen Zahl in PIPI ta 546 Be. F.Masai, Plethon et le Platonisme de Mistra, , Paris 1956,62f. vermutet weitere Beziehungen zwischen Plethon und Kyd. Masai wendet sich ebd., 49-52 gegen die irrige Gleichsetzung Plethons mit Kyd.' Korrespondenten Ge­orgios Philosophos.

260 ManEp(Den) Nr. 22: Manuel hofft, sobald Kyd. von einer Krankheit genesen ist, ihn wie­der bei sich zu sehen. Zu demselben Thema noch herzlicher ebd. Nr. 29. Zweifellos wat Kyd. auch Gast bei der Hochzeit und Krönung Manuels im Februar 1392. Zu diesem Er­eignis BarkMan 99 ff.

261 L222 und Manuels Reaktion darauf: ManEp(Den) Nr. 23, mit Anmerkung von Dennis. 262 ManEp(Den)Nr. 26.

46

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

soloras und Kydones aup63. Vor allem aber gewann Manuel Kalekas, der sich 1390 dem Kydones respektvoll genähert hatte264, während dieser Jahre mehr und mehr Bedeutung in seinem Leben: bereits 1393 genoß er so sehr sein Vertrauen, daß er mit der schwierigen Aufgabe betraut wurde, die Sammlung der späteren Briefe des Kydones zu kopieren265. Im Som­mer/HerbstJ396 brach Kalekas wie einst sein Meister mit der orthodoxen Kirche, wurde katholisch und begab sich zu den Dominikanern von Pera266. In der Hauptstadt triumphierte indessen unter dem tatkräftigen Patriarchen Antonios IV. (1391-97, zum 2. Mal) mehr als je zuvor der Palamismus, und die neu aufflammende Verfolgung der Antipalamiten vertrieb auch Kydones endgültig aus der Stadt, der er in schweren Zeiten die Treue gehalten hatte267. Erneut reiste er im September/Oktober 1396 zusammen mit Manuel Chryso­loras, den die Stadt Florenz zum Lehrer der griechischen Sprache und Litera­tur in ihre Mauern berufen hatte, obwohl ihn eine Krankheit plagte und das Reisewetter ungünstig war, nach Venedig268.

263 Die Namensform, die in der Literatur verschieden angegeben wird, hier nach R. Weiss, Ja­copo Angeli da Scarperia (1360 -1410/11), Medioevo e Rinascimento. Studi in onore di Bruno Nardi, 11, Florenz 1955, 803-827 = R. Weiss, Medieval and Humanist Greek, Pa­dova 1977, XVI (S. 255ff.). Vgl. auch KalekEpLoen 71-73.

264 S.o., A.241. 265 KalekEp Nr. 5. Antwort des Kyd.: L437 (= KalekEp, S. 333, Nr. 7). Die Kopie der Brief­

sammlung ist wie diese selbst erhalten. Kopie: Vat. Urbin. gr. 133; Original (Autograph): Vat. gr. 101. Vgl. dazu KalekEpLoen 21f.

266 KalekEpLoen 25 f. 267 KalekEpLoen 26;55f.;128; KalekEp Nr. 38,23-25. Der lateinische Dominikaner-Erzbi­

schof Johannes III. von Sultanyeh (1404) bezeugt bereits in seinem Libellus de notitia orbis das oben (A.112) zitierte Anathem über Demetrios Kyd. (KalekEpLoen 55). Quellen der antipalamitischen Politik dieser Zeit: KalekEp Nr. 17; 21; 46. DarPatr 3001 (Mai-Aug. 1395); 3021 (Konstantinos Asanes; Febr.-März 1396); 3022 (Frühj.-So. 1396, Prozeß gegen Manuel Kalekas); 3056 (Juli 1397). Dennoch läßt es Manuel 11. in einem Brief (s. u., A.270) so erscheinen, als habe Kyd. die Hauptstadt freiwillig verlassen (sc., da er sich nicht bekehren ließ).

268 KalekEpLoen 66; Datierung: ManEp(Den) Nr. 31, Anfang. Dazu Dennis, ebd. A.l, mit Ansatz der Abreise unmittelbar bevor König Sigismund (Zsigmond) von Ungarn nach der verlorenen Schlacht von Nikopolis (25. 9. 13 96) in Konstantinopel eintraf. Die Abreise des Kyd. bezeugt auch KalekEp S. 324 (lat. Brief des Kalekas), aus dem wir erfahren, daß er Kyd. nicht nach Venedig begleitete. Aus ManEp(Den)Nr.31,4 f. erfahren wir, daß Kyd. zur Zeit der Abreise krank und die Witterung schon recht kühl war (<<mitten im Winter» ist wohl Hyperbel).

47

EINLEITUNG

Von Kaiser Manuel sind noch zwei Briefe erhalten, die mutmaßlich in der Folgezeit an Kydones nach Italien geschrieben sind269

• In dem zweiten macht Manuel ihm Vorwürfe, seine Heimat in der Not verlassen zu haben. Diese Vorwürfe muten, wenn man den Anlaß der Abreise bedenkt, seltsam an, auch wenn man sie mit Dennis abschwächend ironisch deutet. Selbst wenn sie Ausdruck freundschaftlicher Sehnsucht sind, erscheinen sie befremd­lich270

• Wir hesitzen ferner noch zwei Briefe des Kalekas an Kydones in Itali­en, einen mit Anspielungen auf seinen ehrenvollen Empfang (wohl in Vene­dig), einen zweiten mit dem Ausdruck der Hoffnung auf Rückkehr aller Exu­lanten, wenn «Gott sich habe versöhnen lassen», d. h., wenn es gelungen sei, die Türken wie durch ein Wunder zu vertreiben; andernfalls werde Kalekas seinem Freund nach Italien folgen271

• Er sollte ihn jedoch nicht mehr wieder­sehen.

Wir wissen nicht, ob Kydones von Venedig aus noch andere Orte in Italien besuchte. Wenn der im Jahr 1506 (!) schreibende Raffaele Volterrano recht hat, hielt er sich noch eine Zeitlang in Mailand auf, aber sonst besitzen wir keinerlei Nachweis über eine solche Reise272

• Wahrscheinlicher ist jedoch, daß er, den es schon bei seinem vorausgehenden Italienbesuch nicht lange dort hielt, von der Sehnsucht nach der griechischen Heimat getrieben, unmit­telbar von Venedig und ohne andere Zwischenstationen den Weg nach Kreta nahm, wo er im Winter 1397-98 starb; seine Abreise von Venedig ist auf

269 ManEp(Den)Nr.36;62. 270 ManEp(Den)Nr.62,17 ff., dazu Dennis, A.5. Am ehesten lassen sich die Vorwürfe Manuels

im Kontext mit dem Mahnbrief des Ioseph Bryennios (s.o., A.244) interpretieren, der evtl. auch in diese Zeit zu datieren ist ( «Kehre um zur orthodoxen Kirche» ). Ausgesprochen ist jedoch nur die Anklage, Kydones verlasse die Heimat wie ein Deserteur.

271 KalekEp Nr. 17;25. 272 KalekEpLoen 56 mit irriger Datierung der Notiz auf 1552, das Jahr der Lyoner Ausgabe.

48

Volterranos Angabe «defunctus est annis abhinc fere CC» ist daher nicht mit Loenertz in CL, sondern in C zu korrigieren (so ohne Hinweis auf eine Korrektur KydEpCam IX). Zu Raffaele Maffei de Volterra (1451-1522, Historiker und Humanist, Sekretär mehrerer Päpste, Hauptwerk Commentariorum rerum urbanarum libri XXXVIII, Kydoneszitat aus l.XV, Anthropologia, col. 447 der Lyoner Ausgabe 1552; Erstausgabe Rom 1506) s. Enci­clopedia storico-nobiliare italiana IV (1931) 203f; danach LThK s.v. Maffei Raffaele. Vielleicht verwechselt der Autor den Kyd. mit Kalekas, der sich tatsächlich später in Mai­land aufhielt und dort einige Übersetzungen anfertigte, die man später Kyd. zuschrieb: MercNot 80-83.

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

spätestens Sommer 1397 zu datieren273• Die wichtigste zeitgenössische

Quelle für seinen Tod ist das Epistolar des Manuel Kalekas. Sein frühestes Zeugnis ist ein Brief vom Winter 1397/98 oder Frühjahr 1398 an Maximos Chrysoberges in Kreta, geschrieben aus Pera. Kalekas weiß, daß Chryso­berges von Italien (Pavia bzw. Rom) nach Kreta gereist ist, um Kydones dort noch lebend anzutreffen; aber er hat inzwischen von dessen Tod erfahren274

Leider teilt Kalekas nichts über die näheren Umstände seines Todes mit, auch nicht in den späteren Briefen, in denen er ihn betrauert275

• Näheren Auf­schluß geben nur späte Quellen. So berichtet Volterrano, Kydones habe am Ende seines Lebens auf Kreta den Armen seinen Besitz geschenkt und dort in einem Kloster gelebt (vermutlich nicht in einem orthodoxen), wo er auch ge­storben sei. Dieser Angabe widerspricht jedenfalls nicht das vorausgehende Leben des Kydones276

• Mit Vorsicht aufzunehmen ist dagegen ein angebli­ches Zeugnis des Georgios/Gennadios Scholarios (des ersten Patriarchen von Konstantinopel nach 1453), das nur in sehr später überlieferung vorliegt277

:

273 Venedig war für Kyd. weniger denn je attraktiv: Kalopheros war bereits 1392 auf Cypern gestorben (EszKaI105), und sein Schüler Maximos Chrysoberges hatte Venedig kurz vor seiner Ankunft verlassen: KalekEpLoen 61; LBF 11 62 (Philosophiestudien in Pavia seit 13 96; Februar 13 98 an der römischen Kurie bezeugt). Datierung der Abreise des Kyd. nach KalekEpLoen 61.

274 Frühestes Zeugnis: KalekEp Nr. 38, 6-9.10f. (sein Grab). 23-25 (ehrenvoller Tod in der «Fremde»; zu diesem Begriff KalekEpLoen 27; Kuk IV 197).32f. (Wunsch des Chryso­berges, Kydones noch zu sehen). Aus KalekEp Nr. 40,47 ff. erfahren wir, daß Chrysoberges auch seinen Vater noch auf Kreta hatte sehen wollen, der aber fast gleichzeitig mit Kyd. starb, bevor Chrysoberges nach Kreta kam. KalekEp Nr. 48 (September 1398) schließlich teilt mit, daß Manuel Chrysoloras dem Kalekas im Winter 1397/98 geschrieben und ihm offenbar bei dieser Gelegenheit den Tod des Kyd. mitgeteilt habe. Das nächste Zeugnis ist die Grabschrift von Kalekas auf Kyd.: MercNot 1l0f.

275 KalekEp Nr. 45;46;56;58 (mit Erwähnung des auch aus eigenen Briefen des Kyd. bekann­ten Dieners; vgl. 0., A.233).

276 Volterrano in der 0., A. 272, zitierten Notiz. Wortlaut bei KalekEpLoen 56. An ein ortho­doxes Kloster ist kaum zu denken, denn das Synodikon, s.o., A.112, läßt ihn «in Schande und gottlos in der Fremde» sterben. Vgl. auch nächste Anm.

277 Oeuvres compleres de Gennade Scholarios, ed. L. Petit, A. Siderides, M. Jugie, Bd. VIII (1936) 507 und MercNot442f. (Text), überliefert im T61l0C; aYOOtTlC; xata AatLvWv, Jassy 1698, S. 7 von Dositheos, Patriarch von Jerusalem. Bedenken gegen die Authentizität be­reits in der Ausgabe von Petit etc., S. XII, mit dem Hinweis auf die isolierte späte Überliefe­rung und das Fehlen entsprechender Äußerungen über Kyd. in bekannten Werken des Pa­triarchen.

49

EINLEITUNG

Kydones habe am Ende seines Lebens seinen Abfall von der Orthodoxie be­reut, er habe Rom und die Ehren, mit denen man ihn dort aufgenommen habe, verlassen und habe sich über Kreta zu denen begeben wollen, die ihn vertrieben hatten (sc. nach Konstantinopel), mit der Absicht, zur orthodoxen Kirche zurückzukehren; er habe dies vielen dort (sc. auf Kreta) gesagt, u. a. auch dem Lehrer Ioseph (Bryennios?), der dies auch bezeugt habe. Doch be­vor er ein Schiff erreicht habe, das ihn nach Konstantinopel hätte bringen können, sei er in Wahnsinn verfallen und in diesem Zustand (sc. auf Kreta) gestorben. Mit Ausnahme der Vertreibung aus Konstantinopel (die im weite­ren Sinne zutrifft) und des Todes auf Kreta ist an dieser Geschichte einiges suspekt. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß Kydones bei seiner letzten Italien­fahrt noch in Rom war. Es paßt auch nicht zu allem, was von Kydones be­kannt ist, daß er vor dem Tode eine so totale innere Wandlung erfahren ha­ben sollte. Man mag dagegen einwenden, daß der Lehrer Ioseph, der als· Zeuge beschworen wird, vielleicht gewisse Äußerungen des Altersschwachen mißdeutet hat und die Nachricht damit doch einen wahren Kern enthält. Doch ist der Geschichte auch aus formalen Gründen zu mißtrauen: in ihr sind ja zwei beliebte erbauliche Motive miteinander verwoben: das von der Bekehrung und das vom schrecklichen Tod des Sünders278

Zu erwähnen sind noch einige Vermächtnisse des Kydones: eine finan­zielle Hinterlassenschaft für das Dominikanerkloster in Pera279

, eine Summe von 50 H;yperpern für seinen Neffen Ioannes28o

, Handschriften aus seiner

278 Ausführliche Auseinandersetzung mit der Notiz mit begründeten Zweifeln an ihrer Zuver­lässigkeit MercNot 441-450. Die dort geäußerten Bedenken gegen die Nachricht vom Tod des Kyd. auf Kreta und die Annahme, er sei in Venedig gestorben, sind allerdings ge­mäß A.274 zurückzuweisen.

279 LBF 11 26. 280 DarPatr 3133; M. Treu in BZ 1 (1892) 60. Der Patriarch Matthaios I. von Konstantinopel

bestimmte im Mai 1400, die Summe der Mutter des noch Unmündigen auszuhändigen. Die Unmündigkeit des Neffen macht keine Schwierigkeiten, wenn man bedenkt, daß die jüng­ste und einzig bis 1381 überlebende Schwester des Kyd. (s.o., A.88) bis spätestens Ende 1341 (Todesjahr des Vaters, der zuletzt gegen Ende des Winters 1340/1 in Thessalonike weilte; LBF I 426ff.) geboren sein kann und daß die volle privatrechtliche Mündig­keit=Geschäftsfähigkeit seit dem nachklassischen Recht mit dem 25. Lebensjahr beginnt (M. Kaser, Das römische Privatrecht 11, München, 2. Aufl., 1975, 117). Dann könnte der genannte Neffe frühestens 13 76 geboren sein, was sich mit dem mutmaßlichen Alter seiner Mutter vereinbaren ließe.

50

LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES

Bibliothek und 100 Hyperpern für Manuel Chrysoloras28oa; einige andere

Handschriften des Kydones wurden wohl von Kaiser Manuel 11. nach Kon­stantinopel gebracht280b

• Wesentlich bedeutender ist sein geistiges Ver­mächtnis: seine Briefe, seine anderen eigenen Werke, seine Übersetzungen, vor allem die gewaltige Leistung einer Übertragung der Summen des Thomas von Aquin281

, aber als unmittelbares Zeugnis auch die uns überlieferten, von ihm selbst geschriebenen Manuskripte282 und seine Randbemerkungen in vielen anderen Handschriften, die zeitweilig in seinem Besitz waren283

Obwohl von der offiziellen Kirche geächtet, war er doch nicht bei allen Landsleuten vergessen. Unter ihnen waren es vor allem die Freunde seiner späteren Jahre: Manuel Chrysoloras, Manuel Kalekas, Maximos Chryso­berges und seine Brüder284

, ferner der Mönch Ioasaph vom Xanthopuloiklo­ster in Konstantinopel, der eine bedeutsame Rolle bei der Verbreitung seiner Schriften spielen sollte285

• Aber außer Kalekas und Chrysoberges waren auch

280a Von Herrn Dr. A. van Gemert, Amsterdam, wurde mir durch Herrn van Dieten freundli­cherweise die Xerokopie eines Urkundentextes aus Venedig, Archivio di Sdto (Notai del Regno di Candia, Mappe 25,f.27V

) vom 17. 10. 1398 zur Verfügung gestellt, die ein wei­teres Zeugnis über eine testamentarische Hinterlassenschaft des Kyd. enthält. Den Herren Prof. Dr. E. Brunhölzl, Dr. G. Bernt und Dr. J. Prelog vom Institut für Lateinische Philolo­gie des Mittelalters der Universität München danke ich für ihre Hilfe bei der Transkription des Textes, der in diesem Rahmen nicht veröffentlicht werden kann. Vermerkt sei jedoch die für den Zusammenhang entscheidende Mitteilung der Urkunde, daß Kyd. einem Grhussolura, Bürger von Konstantinopel, dessen Bevollmächtigter Demetrios Skaranos (ebenfalls aus Konstantinopel) nun in Florenz wohnt (weshalb Grhussolura zweifellos identisch mit Kyd.' Freund Manuel Chrysoloras ist), 100 Hyperpern und drei Handschrif­ten (Aristoteles, Briefe des Libanios und Briefe des Kydones) vermacht hat. Skaranos bestä­tigt den Empfang dieser Hss.

280b Vgl. dazu LC II 453 f. (Nr. 2; 3) und SevSoc 29 (Rapp.) = 91 (Act.). Die beiden Urkunden sind nun auch ediert bei F. Thiriet, Duca di Candia. Ducali e lettere ricevute etc., Venezia 1978, Nr. 22; 31.

281 S. u., Werke, S. 70f., 2.9.2 und 2.9.3. 282 S. u., Werke, S. 74, Anhang. 283 Zahlreiche Hinweise darauf in MercNot 156-171. Vgl. auch o. Kresten, Eine Sammlung

von Konzilsakten aus dem Besitz des Kardinals Isidoros von Kiev, Wien 1976, 22f. (Resti­tuierung eines Textes durch Kyd.).

284 LBF II 77-79; KalekEpLoen. 285 KalekEpLoen 85; LR 24,A.l; JanEg1393. Dieser Ioasaph ist nach NE 2,299f. Kopist der

Hss Burney. 75 (= B der Kyd.-Briefe) und Paris gr. 1213. Das Inhaltsverzeichnis der Pariser Hs, ediert in NE 2,300-303, ist in einer zu der des Ioasaph zeitgenössischen Schrift ge-

51

EINLEITUNG

andere Dominikaner von der Persönlichkeit des Kydones beeindruckt, wie z. B. Johannes III., lateinischer Erzbischof von Sultanyeh in Armenien, der ihn im Jahr 1404 in seinem Libellus de notitia orbis als einen der von der Or­thodoxie Anathematisierten erwähnte und ihn einen «quasi alter Chrisosto­mus» nannte, der um seines Glaubens willen viel gelitten habe286

• Der italie­nische Humanist Francesco Filelfo, der sich zwischen 1420 und 1427, abge­sehen von einer Gesandtschaftsreise nach Buda, in Konstantinopel aufhielt, machte dort auch Bekanntschaft mit einem Schüler des Kydones im Rang ei­nes Primikerios, der die Abschrift einer seiner Apologien besaß287

• Demetrios Chrysoloras, ein Verwandter unbekannten Grades des Manuel Chrysoloras, verfaßte einen Dialog zur Verteidigung der orthodoxen Lehre vom Ausgang des Hl. Geistes, in dem Neilos Kabasilas, Thomas von Aquin, Kydones (als Gegner dieser Lehre) und er selbst auftreten288

• Er war nicht der einzige Geg­ner des Kydones in Glaubensfragen, der ihn zitierte. Auch bei Gennadios Scholarios findet Kydones, nicht nur in der Mär von seinem schrecklichen Ende, mehrfach Erwähnung289

Eine umfassende Würdigung seines Nachlebens ist hier nicht intendiert. Sie müßte bis in die Gegenwart reichen, denn die Auswertung seiner literari­schen Hinterlassenschaft, insbesondere seiner großen Übersetzungen, hat in den letzten Jahren erst begonnen29o

schrieben (ebd. 300), aber nicht von ihm; die Bezeichnung des Kyd. als 'tQLaa{}-A.LO~ (ebd. 303 oben) wäre von ihm auch nicht zu erwarten.

286 KalekEpLoen 55. Zur Person des Autors: Loenertz in ArchFFPraed 10 (1940) 260-264. 287 Fran~ois Filelfe, Lettres, ed. E. Legrand, Paris 1892, 153. 288 PapThom294f.; Beck 751; ManEpDenXXXIVf. Im übrigen wurde natürlich die gesamte

Auseinandersetzung zwischen Anhängern und Gegnern des Aquinaten in Byzanz durch die Übersetzungen und die Verteidigungsschrift des Kyd. (s. u., Werke, S. 63, 1.1.1) erst in, Gang gebracht (dazu Pap Thom und die gesamte unten, Werke, S. 63, 1.1.1 und S. 70 f., 2.9 zitierte Literatur). .

289 Gennadios Scholarios (wie oben, A.277), Bd. 11 447; 486; Bd. III 13 f.; 93 f.; 499 f.; Bd. IV 328;470. Vgl. auch KalekEpLoen 19,A.1; Duk 329,8. In späteren Jahrhunderten bediente man sich auflateinischer Seite gern der Schriften des Kyd. zur Widerlegung der orthodoxen Häresie, so im Collegium Graecorum de Urbe, begründet von Gregor XIII.: E. Legrand, Bibliographie hellenique du XVII siede, III, 512. Vgl. jetzt auch V. Peri, Ricerche sull' edi­tio princeps degli atti greci del concilio di Firenze, StT 275, 1975,29, A.7.

290 Über das begonnene Unternehmen einer Ausgabe seiner übersetzung der Summa theolo­giae s. u., Werke, S. 71, 2.9.3.

52

ZUR PERSÖNLICHKEIT DES KYDONES

Wohl kaum hat je ein Byzantiner ein nach Umfang und Gehalt so reiches Selbstzeugnis hinterlassen wie Kydones mit seinen 449 Briefen, sechs Reden, drei Apologien und seinem religiösen Testament, um nur die für seine Bio­graphie ergiebigsten Werke zu nennen. Das Votum seiner Zeitgenossen ist demgegenüber wesentlich spärlicher, aber immerhin noch von Wert!. So wäre es verlockend, aufgrund des gesamten Materials ein umfassendes Per­sönlichkeitsbild, soweit es die Eigenart der verfügbaren Quellen zuläßt, zu­sammenzustellen2

• Der Rahmen der vorliegenden Publikation gestattet es nur, einen Entwurf dazu anzubieten. .

Kydones war über mehrere Jahrzehnte hinweg einer politisch extrem un­ruhigen Periode, eigenen Mißerfolgen und Zeiten kaiserlicher Ungnade zum Trotz ein Mann in hervorragender Vertrauensstellung bei zwei Kaisern, von denen der spätere den früheren auf keineswegs unproblematische Weise ab­löste3

• Welchen Eigenschaften verdankte er diese Position? Sein Erfolg bei Kantakuzenos 1347 wurde zwar durch die vorausgehende Freundschaft sei­nes Vaters mit dem Großdomestikos erleichtert, aber keineswegs allein be­gründet. Zunächst einmal zeigte er nach dem Tod des Vaters ein großes Ge­schick, sich bei dem Gönner seiner Familie in Erinnerung zu bringen und sich seine Gunst zu erhalten. Seine frühen Briefe an Kantakuzenos4 sind enkomia­stische Meisterstücke, in denen echte Bewunderung und gekonnter rhetori­scher Ausdruck in einer Weise vermischt sind, die ihren Eindruck bei dem li­terarisch gebildeten Machthaber nicht verfehlen konnte. Auch in seinen bei­den Lobreden auf Kantakuzenos im Jahr 1347 und noch in späteren Briefen an ihns gelang es ihm, denselben Ton erfolgreich zu treffen. Bei seinem Nach­folger Ioannes V. waren literarische Ansätze für den Aufbau einer Beziehung nicht gegeben. Dennoch fehlt es nicht an enkomiastischen Tönen, z. B. für die

1 S. u., A.59-62. 2 Über die Problematik des byzantinischen Briefes als historische Quelle s. vor allem I. Sev­

cenko, Nicolaus Cabasilas' correspondence and the treatment of late byzantine literary texts, BZ 47 (1954)49-59.

3 ZurStelIungdesKyd.s.o.,S. 10f.mitA.53-55;S. 14mitA.74. Über den Herrschahswech­sei 1354: s.o., S. 14 mit A.70.

4 S. u., T3-8; T10; T13; T14: 5 KydKant I und 11; T27; T29; T32.

53

EINLEITUNG

spärlich belegten Heldentaten des Kaisers6 oder für seine Gnade und Huld7•

Doch dürfte das Geheimnis seiner langen (allerdings mehrfach von Perioden der Zurücksetzung unterbrochenen) Tätigkeit im Dienst des Palaiologen· kaum in seinem etwaigen Geschick, sich in Szene zu setzen, liegen, sondern in seinen Fähigkeiten und in seinem zuverlässigen Charakter.

Damit sind die Eigenschaften angesprochen, welche vor allem die Dauer seiner Vertrauensstellung am besten erklären: ein extrem ausgeprägtes Pflichtbewußtsein, Gewissenhaftigkeit und die Bereitschaft, persönliche In­teressen für den Dienst an der Gemeinschaft zurückzustellen. In diesem Zu­sammenhang spricht er von der «Notwendigkeit», die ihn zum Palastdienst zwinge8

• Daß dieser Dienst, vor allem unter Ioannes V., für ihn keineswegs immer eine erfreuliche Sache war, steht außer Zweifel9

, zumal er seine ge­lehrten Interessen deswegen erheblich einschränken mußte 10 • Noch deutli­cher wird sein Pflichtbewußtsein seit 1370, als das verlockende Angebot an ihn erging, wie siebzig Jahre später ein Bessarion in geachteter hierarchischer Position im Abendland im Dienst der römischen Kirche zu wirkenll• Er hat das Angebot nicht nur damals zurückgewiesen, weil er nicht zum Verräter an seiner Heimat werden wollte, sondern er verzichtete noch fast zwei Jahr­zehnte lang darauf, wieder in dieses Abendland zu reisen, dessen wissen­schaftlicher Standard ihn so sehr beeindruckte und von dessen Gelehrten er sich Anregung für seine eigenen Studien erhoffte12

• Und als er sich endlich, al­ler staatsmännischen Verpflichtungen ledig, zu der Reise entschlossen hatte, schien er bald nichts Eiligeres zu tun zu haben, als in die Heimat zurückzu­kehren, deren politische und wirtschaftliche Lage angesichts der türkischen Bedr~hung verzweifelt war13

Mit seinem Pflichtgefühl verband sich lange Zeit und erst im Laufe der

6 TS1; Tl0S (Versuch der Annäherung), ebenso Tl06. Ferner L211 (Siegesenkomion). 7 L139. 8 T41/L38,4; T69/Ll03, 68. 9 T42/LSO, 22ff.; T44/L46; T49/L31, 14ff.; KydloPal11,9ff.; 13,31; 14,23f.;19,24ff. (In-

trigen im Palast); T96/L11S; Tl12/L133,10. 10 Am deutlichsten formuliert in KydloPal 11,21-28; vgl.a.T49/L31,21ff. 11 KydApollI 414,72f.; KydloPaI22,23f. 12 Ober seinen Verzicht: T86/L37,36ff.; s.o., S. 24 mit A.126; Gelehrte des Abendlandes: Kyd-

10Pai 22,9ff.; T86/L37,41-44. Vgl. auch TinnNiv 272-277. 13 S.o., S. 43 f.

54

KYDONES' PERSÖNLICHKEIT

Jahre durch die Logik der tatsächlichen Entwicklung widerlegt der Glaube an eine Sendung: seine geliebte Heimat (unter der er schon bald nicht mehr "nur die Vaterstadt, sondern das »Reich« überhaupt~ soweit es noch vorhan­den war, versteht) 14 durch die Bildung einer christlichen Liga der Byzantiner und der-Abendländer von den verhaßten Türken zu befreien. In diesen sah er im Gegensatz zu manchen seiner Landsleute 15 den Feind schlechthin, weil sie in seinen Augen die Erzgegner des Christentums waren, von dessen Wahrheit er tief durchdrungen war, freilich auf der Basis des abendländisch-scholasti­schen Denkens, das seine byzantinischen Glaubensgenossen bis auf wenige Ausnahmen ablehnten. Allmählich einsehen zu müssen, daß die Hoffnung auf Erfüllung dieser Sendung durch kirchliche Intransigenz auf beiden Sei­ten 16 und durch politisches Desinteresse im Abendland vereitelt wurde, war wohl die eigentliche Tragik seines Lebens.

War Kydones als Staatsmann nicht mehr als ein pflichtbewußter, gewis­senhafter Idealist? Immer wieder finden sich in seinen Briefen Ansätze zu kri-

" tischer Sicht auch der Vertreter der römischen Kirche, der er sich verschrie­ben hatte; seine Begeisterung für den Westen war keineswegs blind17

• Dar­über hinaus verfügte er über beachtliches diplomatisches Geschick: im Ein­satz für die Belange anderer18 oder als Berater und Warner seiner Briefpart-

14 Heimat Thessalonike: LC II 475, Index, s.v. patria Thessalonica; Heimat byzantinisches Reich: ebd. s.v. patria Constantinopolis et Graecum imperium. Näheres: T15,A.7.

15 Anspielung auf solche Tendenzen in KydLat 968 A; vgl KyrMakr 179 f. 16 Über den kompromißlosen Standpunkt Roms: s.o., S. 24 f.; Feinde der Union in Byzanz: Kyd­

Lat 985 D; KydApol I 368ff.; bezeichnend T79/L107,20ff.; grundsätzliche Diskussion: T72/L36 und dazu LoenOen. Doch ist zu bedenken, daß die orthodoxe Seite, auch ihre ent­schiedensten Vertreter, ernsthaft über ein Unionskonzil verhandelt hatten, das von Rom rundweg verhindert wurde, s.o., S. 19 mit A.104. Immerhin zeigte man in Rom soviel Rea­lismus, an einer erfolgreichen Bekehrungstätigkeit des Kyd. unter den eigenen Landsleuten zu zweifeln: KydApol II 416,407 -410. Neue Hoffnung auf eine Liga der Christen gegen die Türken zeigt Kyd. dennoch wieder in L190,49f. im Jahr 1378/9. Im Zusammenhang mit seiner Konversion und seinem Versuch, die Orthodoxie der römischen Kirche anzunähern, hat man Kyd. einen «Newman des 14. Jahrhunderts» genannt (KaepPhil170). Jedoch sind solche Vergleiche wegen des sehr verschiedenen zeitgeschichtlichen Hintergrundes nur mit großer Vorsicht zu übernehmen.

17 Kritik am deutlichsten in T59/L93,48ff.; T69/L103,19ff.; T71/L39. Nach der Romreise: s.o., S. 25, A.129.

18 Fürbitte: T39/L62; T104/L156.

55

EINLEITUNG

ner19, aber auch in <ler Verfolgung der eigenen politischen Ziele und Ansich­

ten20• Mehr Energie als Diplomatie bewies er im unerbittlichen Kampf gegen

die Feinde seines Bruders, die ihn selbst im Innersten getroffen hatten: nicht einmal sein einstiger Freund und Gönner Ioannes Kantakuzenos blieb ver­schont21

• Vielleicht wäre es seiner Karriere förderlicher gewesen, wenn er auch in eigener Sache mehr taktiert und weniger polemisiert hätte; aber menschlich läßt ihn seine Offenheit in der Auseinandersetzung nur sympa­thischer erscheinen.

Sympathisch erscheint Kydones in zahlreichen Briefen auch im freundli­chen und engagierten Umgang mit seinen Mitmenschen: in uneigennütziger Fürbitte22

, durch wohlmeinenden Rat23, in liebevoller Besorgnis24

, in der Teilnahme an ihrer Trauer25 und in schmerzerfüllten Nachrufen auf den to­ten Freund26

, besonders aber in der Liebe zu seinem Bruder Prochoros, der auch wie kein zweiter seine Gfundüberzeugungen teilte27

• Der Schmerz um seinen Tod nach schmachvoller Verurteilung durch die Kirche, der er hatte dienen wollen, ist tiefer als jeder andere spürbar und für seine persönliche Entwicklung von einschneidender Bedeutung28

• In seiner Liebe zu Prochoros verband sich Gemeinsamkeit der Interessen mit der starken Bindung an seine Familie, die vor allem in den früheren Briefen vielfach zutage tritt29

• Als

19 Ratschlag und Warnung: T26/L64; T49/L31; T54/L73;T56/L30,31ff.; T59/L93,45ff. Ge­schickter Versuch, die Gunst des Kaisers wiederzugewinnen: T105/L147; T106/L193; T107/L194.

20 Vgl. vor allem die feste Sprache seiner Apologien I und 11 (s. u., Werke, S. 66, 1.6.1 und 2) und seiner beiden politischen Mahnreden (Werke, S. 65, 1.3.4 und 5), die Einleitung zu seiner Streitschrift für Thomas von Aquin (RackXen 365) und sein religiöses Testament (Werke, S. 67, 1.7.2). Von den zahlreichen Briefen, die hier anzuführen wären, seien nur T72/L36; T74/L28; T94/L151; T102/L116; T109/L117 genannt.

21 T68/L129; T81/MercNot 346ff.; T93/L400; KydApoll III (s. u., Werke, S. 66, 1.6.3). 22 T19/L86; T25/L60; T39/L62; L156; L215,6ff.; L221; L266; L349; L357. S. auch oben,

A.18. 23 L342; s. auch oben, A.19. 24 L331; L437 u.a. 25 L248; 413 (Kondolenzbriefe). 26 T64/L98 (Astras); L273,27ff. (Gattilusi); L363,28ff. (Rhadenos). 27 S. vor allem T81/MercNot 346ff. und KydApol III (wie 0., A.21). Über Prochoros s. Exkurs,

S.237ff. 28 Vgl. außer den in A.27 genannten Werken: T91/L67; T94/L151; T93/L400. 29 T15/L5,98f.; T16/L43,l1.23; T21/L88,38; vgl. auch seinen Respekt vor dem Elternhaus

KydApol I 359; KydKant 12,23; Vater: KydKant 18,17; T0127/L75,13ff.

56

KYDONES' PERSONLICHKEIT

Mensch erscheint Kydones auch in seinem sozialen Engagement. Natürlich hört er dabei nie auf, Vertreter der gesellsc~aftlichen OberschichtJ° zu sein, und sein humanes Empfinden für die Lage der Armen oder der Untergebenen mündet nicht in Ambitionen, bestehende gesellschaftliche Verhältnisse zu verändern. Trotzdem ist es nicht selbstverständlich, wenn er ein offenes Auge für soziale Not zeigt3\ die Ausbeutung der Armen durch gewissenlose Be­amte kritisiert32 oder an der Person seines Dieners Anteil nimme3.

Schließlich fehlen in den Selbstäußerungen des Kydones auch alle Töne von Eitelkeit oder Selbstgefälligkeit, die uns nicht selten im Mund der Mäch­tigen begegnen. Lobsprüche und Ehrungen verstand er, wenn sie ihm zuteil wurden, mit rhetorischer Anmut, aber ohne Koketterie zurückzuweisen und ging danach recht bald zur Tagesordnung über34.

Hatte er sich im Palastdienst weitgehend seiner Freiheit begeben, die er nach eigener Aussage über alles liebte35

, so pochte er in einem anderen Be­reich sehr darauf: auf keinen Fall wollte er sich an eine Frau binden und sah in der Ehe ein «Joch» oder gar einen «Sklavendienst»36. Sein Entschluß, nie zu heiraten, wurde vermutlich durch seinen Eintritt in den römischen Kleri­kerstand im Jahr 1370 besiegelt; jedenfalls äußert er in der folgenden Rede an Ioannes V. diese Entscheidung auffallend dezidiert37. Andererseits erwies

30 Zweifel an der «Menschlichkeit» gewisser Menschengruppen der Unterschicht: T47/ L109,A.6 (zu Z.9-11, mit Betonung ihrer fehlenden moralischen Gesinnung). Kritik an der böswilligen Faulheit der Armen, die seinen Besitz in Thessalonike geplündert haben: KydKant I 5,32-34; vgl. auch ebd. 9,6f. und dazu KyrMakr 178.

31 Am deutlichsten T15/L5,105ff. 140ff. 151-154. Soziale Not stimmt ihn melancholisch, aber er stellt sich nicht die Frage, wie man die Not lindern könnte. An anderer Stelle betont er aber die Wichtigkeit der Hilfe für die Armen: T55/L108,28-30. Vgl. KyrMakr 178-180.

32 Vor allem T100/L114; ferner L257. Persönlicher Verzicht auf Ausbeutung der Armen: Kyd­IoPal 15,33ff.; 16,18ff. Dazu kritisch SevSoc 24 (Rapp.) = 86 (Actes).

33 L268,10ff., insb. 26ff.; L330. 34 T85/L79; T89/L119; T 0122/L52; T 0133/L76;T 0138/L126;L420 (Grenzen des eigenen

Wissens). Natürlich wird hier nicht übersehen, daß die Bescheidenheit auch zu den literari­schen Topoi gehört. Vgl. auch, was Kyd. selbst (T21/L88,18-21) über sein Verhalten ge­genüber Rivalen sagt.

35 T85/L79,5; vgl. KydIoPal 15,28-30. 36 T45/L47,18. Sexualität sieht Kyd. zwar für die Fortpflanzung als notwendig an (KydMort

7,13ff.; 11,20ff.), lehnt aber sexuelle Beziehungen für sich selbst ab (ebd. 21,18f.). 37 Kleriker: s.o., S. 24 mit A.125. Entschluß, nie zu heiraten: KydIoPal 15, 18-30.

57

EINLEITl1NG

er der Ehe seiner Freunde den gehörigen Respekt und fand vor allem im Falle des Todes ihrer Gattinnen zarte Worte der Anteilnahme38

• Im übrigen emp­fahl er aber auch dem jüngeren Freund Rhadenos ein Leben in Keuschheit39

._

Zeugnisse für seine Beziehungen zu Frauen sind spärlich. Aus dem Ruf des Verbannten in jungen Jahren nach der Mutter, meist verbunden mit der Sehnsucht nach Geschwistern oder Freunden, wird sich kaum eine auffal­lende Mutterbindung ableiten lassen4o

• Mit Hochachtung und Anteilnahme spricht er von seinen Schwestern41

• Zwei kurze Begleitbriefe zu einem Ge­schenk an ein befreundetes Schwesternpaar sind erhalten42

• Im übrigen wis­sen wir nur von einer einzigen ihm nicht verwandten Frau, die in seinem Le­ben eine nennenswerte Rolle gespielt hat: Helene, die Tochter des Ioannes Kantakuzenos und Gattin Ioannes' V., die etwa 10 Jahre jünger als er war. Gemäß seinem ersten erhaltenen Brief an sie aus der Zeit um 1350 teilte sie schon früh seine geistigen Interessen (was man von ihrem Gatten wohl nie sagen konnte), aber darüber hinaus bekunden seine wenigen Briefe an sie eine zarte Zuneigung und bezeugen zugleich eine hilfreiche Zuwendung von ihrer Seite, die sich mit einer sachbezogenen Lehrer-Schüler-Beziehung allein kaum erklären läßt43

• Es scheint, daß sie es vor allem war, die ihm das Leben am Kaiserhof erträglich erscheinen ließ, auch wenn ihr launischer Gatte und Rivalen im Amt es ihm oft schwer machten.

Fragen wir nach Schattenseiten seiner moralisch lauteren Persönlichkeit, dann fällt zunächst eine depressiv-melancholische Veranlagung auf, gele­gentlich auch verbunden mit wohl hypochondrischen Erkrankungen. Die er­ste für uns erkennbare Depression befiel Kydones während seines Aufenthal­tes an eine~unbekannten Ort in Thrakien im Jahr 1346. Hier, in einer wenig attraktiven Umgebung44

, wurde er sich der langen Trennung von seinen An-

38 T88/L68;L413 (Versuch, den Freund mit Vernunftüberlegungen zu trösten, zeigt doch eine gewisse Distanz vom Grund seiner Trauer). Überraschend wenig Verständnis für die Lieb,e seines Dieners zu seiner Frau zeigt Kydones in L218,20ff.

39 L227,7 und Loenertz zur Stelle. 40 Mutter und Geschwister: T15/L5,8.33; T16/L43,23 f.; T21/L88,38. Mutter und Freunde:

T15,93. Mutter allein: T9/L27,11f.; T16/L43,11; s. vor allem T15/L5,98f. 41 T50/Lll0,15; L196,31 (Sorge um die jüngste Schwester). 42 L296; L405. 43 Briefe an die Kaiserin: T24/L389; T92/L25;T113/L134; L143; L256 ; L222 (dieser Brief

gibt eine umfassende Retrospektive auf die Beziehungen zwischen Kydones und der Kaise­rin); ManEp(Den) Nr. 23 nennt diesen Brief «a'tEXvÖJ~ 'iJöELav trtLO'tOATJV».

44 T15/L5,37f.

58

KYDONES' PERSÖNLICHKEIT

gehörigen schmerzlich bewußt45, aber die Krise ging tiefer und führte ihn zu

der Erkenntnis, daß die reale Welt vom Bösen durchdrungen ist und das Posi­tive nur in Wünschen und Vorstellungen existiert; damals fand er nach pla­tonischer Manier die Ursache des Übels in den bösen Begierden, die der Geist daher zu zügeln habe46

• Die entsprechenden Krankheitssymptome (Kopf­schmerz, Schwindel, Fieber) erscheinen als Begleitumstände der Krise47

Nicht besser erging es ihm im Jahr 1362/3, als seine Mutter und zwei Schwe­stern an der Pest gestorben waren und sein Übertritt zur katholischen Kirche in seiner Umgebung die ersten negativen Reaktionen hervorgerufen hatte: sein Körper rächte sich für die geistige Anspannung durch Schlaflosigkeit und Schwindel48

• Eine Depression, wenn auch ohne Krankheitssymptome, scheint sich ferner in seinem Brief aus Rom an den Bruder 1369/70 anzudeu­ten49

• Allerdings sollte man nicht dem Fehler verfallen, jedem körperlichen Schmerz eine psychische Deutung zu unterlegen50

• Hingegen scheint mir der über fast zwanzig Jahre gehende Aufschub seiner Reisepläne, auch wenn

- man jeweils die neuen äußeren Hindernisse berücksichtigt, ein Symptom für eine gewisse depressive Schwerfälligkeit zu seins1.

Ein wenig unwohl ist uns manchmal bei der Lektüre seiner enkomiasti­schen Briefe an hochgestellte Persönlichkeiten, die, wie oben schon gesagt, vor allem in frühen Jahren zu seinem Erfolg beitrugen 52; doch sollte man hier dem byzantinischen Hofstil manches zugute halten. Ferner scheinen seine Klagen über ausbleibende ZahlungenS3 und die demonstrative Betonung sei-

45 S.o., AAO. 46 T15/L5,163-169. Doch bleibt die Frage zu stellen, inwieweit Kyd. mit Äußerungen dieser

Art einem pessimistischen Zeitgeist verpflichtet ist, wie BeckMet 100ff. ihn für Theodoros Metochites nachweist.

47 T14/Ll0,10ff.; T15/L5,15-17.39f.97; T16/L43,24f. 48 T50/Lll0,34ff.; T54/L73,13f. 49 T71/L39. Melancholische Anwandlungen bezeugen auch zahlreiche Briefe aus seinem spä­

teren Leben. 50 Z. B. Klage über Zahnschmerzen: L240; L301. 51 S. o.,S. 27; 30-38; 41. Im Zusammenhang damit fällt ein Hang zum Determinismus auf:

gern beruft sich Kyd. auf schicksalhaften Zwang (avayx.TJ), wo man von ihm eine eigene Entscheidung erwartet. So auch schon bei Eintritt in den Palastdienst unter Ioannes v.: T43,A.ll; für die spätere Zeit z.B. L279,43f. S.u., T17,A.1.

52 S.o., S. 53. 53 Betonung der Uneigennützigkeit: KydIoPal17,7 ff. Lohnforderung: KydIoPaI17,40-18,5,

mit erneuter Geste des Verzichts: 18,5f. Energische Anmahnung des Lohnes: T98/L70 (dazu oben, S. 27f. mit A.148).

59

EINLEITUNG

nes bescheidenen Besitzes schlecht zu einem «Weisen» zu passen. Besonders befremdend wirkt es, wenn er das Gerücht von einer päpstlichen Pfründe in der zweiten Apologie so weit von sich weist: er hat zwar bis dahin kein Geld erhalten; aber die Absicht des Papstes, ihn zu beschenken, läßt sich nicht leugnen54

• Jedoch sollten derartige Menschlichkeiten unseren Gesamtein­druck von seiner Persönlichkeit nicht allzusehr trüben.

Überblickt man die Entwicklung seines Charakters, dann lassen sich etwa vier Phasen unterscheiden: die Jugendphase bis 1347, noch tastend und su­chend, Kontakte knüpfend und andererseits noch stark familiengebunden und von enthusiastischen oder depressiven Gefühlen geprägt55

; die erfolg­reichste und aktivste Phase vom ersten Eintritt in den kaiserlichen Dienst 1347 bis zur ersten freiwilligen Abdankung 1371, geprägt von der Hoffnung auf eine erfolgreiche Bündnispolitik mit dem Abendland, in der wohl auch der Großteil seiner Thomasübersetzungen entstanden ist; die folgende Phase bis Winter 1386/7, eine Zeit wechselnder Gunst seines kaiserlichen Herrn, extremer Anfeindungen durch die Antiunionisten und Palamiten, überzeug­ten Festhaltens an dem Glauben, dessen Vertreter zwar seiner Heimat keine Hilfe bringen, ihm selbst aber ihre Hochachtung bekunden, eine Zeit der immer stärkeren Hinwendung zu seinem Schüler und kaiserlichen Freund Manuel 11. und der intensiven Korrespondenz mit Rhadenos, einem anderen befreundeten Schüler an der Seite Manuels in Thessalonike; schließlich die Altersphase, gekennzeichnet von einer gewissen Resignation gegenüber sei­nen Landsleuten und der hoffnungslosen Lage des Reiches, eine Zeit aber, in der er mehr und mehr mit seiner Entscheidung für das Abendland und seine Form des Christentums Ernst macht, einen Kreis von Anhängern um sich schart, die den gleichen Weg vom orthodoxen Glauben zur römischen Kirche wie er gehen, und die Heimat mehr oder weniger notgedrungen schließlich ganz verläßt, ein Schritt, der ihn allerdings seelisch überfordert und den er nicht lange überlebt hat.

Das Hauptverdienst des Kydones als Gelehrter liegt zweifellos bei seinen Thomasübersetzungen. Von seinen fünf Traktaten56 liegt nur der «Über die Verachtung des Todes» in edierter Form vor, und die hier vertretene Haltung findet sich auch gelegentlich in seinen Briefen bestätigt, so daß die Wahl des

54 Zurückweisung des Vorwurfs: s.o., S. 24 mit A.125 (KydApol 11 414, 350ff.). 55 Aus dieser Zeit die Briefe T1-T17. 56 S. u., Werke, S. 63 f., 1.1.

60

KYDONES' PERSÖNLICHKEIT

Themas keineswegs als Zufall anzusehen ist57• Die übrigen Traktate sind

Spiegel der theologischen Auseinandersetzungen, in die er verwickelt war, . ebenso seine Apologien58

Das Urteil seiner Zeitgenossen über ihn war naturgemäß gespalten. Für die einen war er der verfluchte Abtrünnige59

, für die anderen der Weise, der Ehr­furcht und Gefolgschaft verdiente60

• Eine Haltung zwischen diesen Extre­men bezeugen die 19 Briefe Manuels 11. an ihn. Dieser wohl am umfassend­sten gebildete Kaiser der byzantinischen Spätzeit61 teilte zwar nicht seine re­ligiösen Oberzeugungen62

, verdankte ihm aber wohl zu einem großen Teil seine literarische und philosophisch-theologische Bildung und führte mit ihm

! eine Korrespondenz, geprägt von hohem literarischem Niveau und persönli­'cher gegenseitiger Achtung und Zuneigung63

Den besten Schlüssel zur Deutung seiner Persönlichkeit finden wir bei Ky-• dones selbst, wenn er in seiner ersten Apologie schreibt, die Heimat sei das Ehrwürdigste und Heiligste, aber Gott und die Wahrheit seien noch höher zu achten64

. Die Wahrheit - das war in seinen Augen keine verschwo-mmene

57 Traktat: s. u., S. 63,1.1.1. Zeugnisse in Briefen: T82/Ll; L174,42 (die ILvtllLfJ 'Ö'uvcn;ou führt zur Weisheit).

58 Apologien: s. u., Werke, S. 66, 1.6. 59 S.o., S.21 mit A.112; S.49 f. Höflicher Brief des loseph Bryennios (s. Resümee in LBF 11 55). 60 Tiefste Ergebenheit und Anhänglichkeit bezeugen die vier Briefe des Manuel Kalekas an

Kyd. (KalekEp Nr. 4; 5; 17; 25) und seine Nachrufe auf ihn (s.o., 30 mit A.274; 275). Freundschaft bekunden auch Georgios Gabrielopulos (LC I 173), Nikolaos Kabasilas (LC I 169 f. und NikKabEp 41 f.), Theodoros Pediasimos (Briefe, ed. M. Treu, Progr. Gymn. Pots­dam 1899,31-33; dazu Treu, 57), Theodoros Potamios: ManEp(Den)227 (Text eines Brieffragments) und, abgesehen von mehreren päpstlichen Schreiben, Coluccio Salutati: s.o., S. 43 mit A.242. Vgl. ferner Kant III 285, wo dieser sein Wohlwollen für Kyd. und des­sen Vertrauensstellung im Palast betont.

61 Man wird ihn wohl in dieser Hinsicht über loannes Kantakuzenos stellen dürfen, den einzi­gen, der sich in der Palaiologenzeit mit ihm messen kann und ihm natürlich das Geschichts­werk voraushat, im übrigen aber nicht so vielseitig in der literarischen Produktion ist (vgl. BarkMan 410ff.).

62 S.o., S. 37 mit A.206. Manuel selbst schrieb eine orthodoxe Abhandlung über den Ausgang des Hl. Geistes: ManEpDen XVII mit A.6; BarkMan 434 (gegen die Lateiner).

63 Bedeutung des K yd. für die Bildung Manuels: vgl. BarkMan 414 - 419; andere Einflüsse auf Manuel: ebd. 419. Briefe Manuels an Kyd.: ManEp(Den) Nr. 3; 4; 8; 10-12; 14; 16; 19-23; 25-26; 29;31;3~;62.

64 KydApol I 400,1302ff.; vgl. auch KydApol 11 417,458.

61

EINLEITUNG

«Überzeugung», sondern die UXQLßi)C; :rtLm:LC;, wie er sie mit Hilfe der thoma­sischen Theologie aus Schrift und Vätern erkannt zu haben glaubte65

VERZEICHNIS DER WERKE

Dieses Verzeichnis enthält alle Originalschriften (1.) und Übersetzungen (2.) des Kydones, soweit sie mir bekannt geworden sind, ferner die wichtig-· sten ihm fälschlich zugeschriebenen oder zweifelhaften Werke und Überset­zungen (3.). Zu den echten Werken und Übersetzungen werden folgende In­formationen gegeben: Titel in lateinischer Sprache (da bei den meisten seiner Werke ein lateinischer Titel gebräuchlich ist; z. T. von mir neu formuliert), Incipit (Ine:) , neuere kritische Edition (KrEd:), falls vorhanden. Wenn keine kritische Edition vorliegt, wird eine andere etwa vorhandene Edition (meist in PG) und deren Quelle genannt (sc. die PG zugrundeliegende Ausgabe) und eine Liste aller mir bekannt gewordenen Handschriften (Hss:) gegeben. Bei Übersetzungen wird auch die oder eine Ausgabe des Originals mitgeteilt. Die Handschriften werden wie folgt aufgezählt: Auf die Nummer der Hand­schrift folgt nach Doppelpunkt die Folioangabe. Der Anfangsbuchstabe der Aufbewahrungsorte ist für die Reihenfolge maßgebend. Verschiedene Auf­bewahrungsorte werden durch Punkt, Handschriften am gleichen Ort durch Strichpunkt abgetrennt. Da es sich grundsätzlich um griechische Handschrif­ten handelt, wird auf den Zusatz gr.=graecus verzichtet. Bei den Überset­zungen der beiden großen thomasischen Summen (2.9.2/3) wird mit Ergän­zungen auf die Listen bei PapMet verwiesen. Auf die Edition bzw. die Hand­schriftenliste folgt das Datum der Abfassung mit Begründung (D:). Am Schluß stehen etwaige Hinweise auf Quellennachrichten über das Werk (Q:) und grundlegende Sekundärliteratur (Lit:), soweit nicht schon bei D angege-.

65 KydApol I 396,1170ff.; vgl. auch ebd. 391,1031 ff. (wo sein Wahrheitsbewußtsein in Ge­gensatz zu der ängstlichen Vorsicht seines Lehrers Neilos Kabasilas gesetzt ist). Eine Würdi­gung der «latinophilen» Tendenzen des Kyd. findet sich neuerdings bei M. A. Poljakovskaja, Dirnitrij Kidonis i zapad (60-e gg. XIV v.), in: Social'noe razvitie Vizantii, ed. E. F. ~ames, Sverdlovsk 1979, 46-57. Diese Tendenzen haben nach Meinung der Verfasserin zwar nicht den «nationalen» Interessen von Byzanz gedient, aber die «humanistischen» Neigungen der byzantinischen «Intelligenz» gegenüber der «finsteren Mystik» gefördert.

62

KYDONES' WERKE

ben. Bei den unechten Schriften (3.) werden Titel, Incipit, etwa vorhandene Edition, der wirkliche Verfasser, falls bekannt, und ein Literaturhinweis zur Begründung der Unechtheit gegeben.

1. Originalschriften

1.1 Theologische und philosophische Traktate 1.1.1 Defensio sancti Thomae adversus Nilum Cabasilam.lnc: H fJ.EV XU'tcl AU'tLV<OV 1tQo{h,­fJ.LU. Unediert. Exzerpte: Racküb 49f.; RackThom 1365-1367. Exzerpte in deutscher übers.: M. Rackl, Der hl. Thomas von Aquin und das trinitarische Grundgesetz in byz. Beleuchtung, Xenia Thomistica III (1925) 363-389, hier: 380-388; RackKyd 26-29. Hss: Athos 4508 = Iviron 388: 950 (Fragrn.). Flor., Laur. 59,17: 38-53 (Fragrn.). Mosqu. 245 Vlad.: 230-266. Oxf., Barocc. 90: 27-62. Rom, Vat. 614: 110-126 (dav. Vallic. 143); 1103: 1-52; 1756: 307-346. Venedig, Mare. 157: 7-76. Wien, Vind. theol. 260 Nes.: 210-268. D: Bald nach 1363: MercNot 138 aufgrund von KydApolI 392,53-393,58; vgl. LOCP 36,55.Lit: PodTheol 196-206 (Zur theolog. Methodenlehre des Kydones in dieser Schrift); ebd. 196,A.819 (Lit.).

1.1.2 De processione Spiritus Sancti ad amicum quendam.lnc: 'E1tt 1tOAAOOV 'tii~ ofj~ <pLAOfJ.U­iHu~. Unediert. Hss: Andros, Kloster ZrooÖ6xou rrTJyij~ Ti i\YLU~, 43 Lampr.: 98-162 (Frag­mente; MercNot 71,A.5). Madrid, Scorial. 54=R. 111. 20: 1-111,112-132; 293 = Y.III.23: H. (Fragrn.). Mosqu. 441 Vlad.: 161-251. Paris. 1267: 166-173 (bei Omont ohne Inc., Fragrn.?). Rom, Vat. 1103: 1-211 (MercNot 71,A.5; 505); 1756: 347f. (Fragrn.); 1902: 160-175 (Fragrn.); Ottob. 60: 225ff. (Fragrn.); 379: 200ff. (daraus Vallic. 143). Venedig, Mare. 156: 1-93 (MercNot 81). Wien, Vind. theol. 260 Nes.: 1-210. D: unbekannt. Lit: MercNot 71 f. Diese Schrift wurde öfters mit der Kydones fälschlich zugeschriebenen Schrift gleichen Titels verwechselt, die sich in PG 154,863-958 findet, s. u., 3.1.2. Noch Geanlnt 106 schreibt sie im Gefolge eines mißverstandenen ThEE-Artikels (111 1095) von St. G. Papadopulos irrig dem Kydones zu. Gegen die Hl.-Geist-Lehre des Kydones schrieb Ioseph Philagrios, s. To­madBry 188, Nr. 14.

1.1.3 De personarum proprietatibus in Trinitate ad Constantinum Asanem.lnc.: 'E1tmvoov OE

'tii~ 1tEQt J't(lV'tU. Ed: CanCid nach Vat. 1102, mit lat. übers. und Erläuterungen. Weitere Hs: Vat.1879: 41-44 (Fragrn.); dazu MercNot 128,A.2;142; CanVatzurHs.D: Der erste Brief des Kydones an den Adressaten Konstantioos Asanes (T43/L3) aus dem Jahr 1358 erweist die bei­den schon als wohlbekannt miteinander. Da Asanes zudem noch im J. 1415 als lebend bezeugt ist (ManEpDen XXVIII; TrappAs 172 f.), läßt sich für die Abfassung der Schrift weder ein term. ante quem noch ein term. post quem sicher bestimmen. Doch nimmt CandCid 115 f. aufgrund innerer Kriterien eine Abfassung vor 1389, wahrscheinlich sogar vor 1368 an. Andererseits ist kaum an eine Abfassung vor 1354 zu denken, zumal Asanes 1358 noch ziemlich jung war.

1.1.4 De patrum Latinorum auctoritate ad amicum quendam.lnc: 1:iJ fJ.EV OUÖEV YEAOL6'tEQOV. Unediert. Hs: Vat. 1879:50-59. D: unbekannt. Lit: KalekEpLoen 4, Nr. 4; LR 84.

63

EINLEITUNG

1.1.5 De contemnenda morte. [ne: Tüv 'tii~ 'i'uxii~ (mü 't0'Ü O'mJ.l.<l'to~ XWQLO'I16v. Kr Ed: H. Dek­kelmann, Lipsiae 1901. Bei D. nicht genannte Hss: Flor., Laur. 59,24: 68-85; Ricc. 76: 150-161 (Fragrn.). Neapel, Gerol. XXII.I: 260-270.Rom, Vat. 486: 97-100 (Fragrn.; dazu MercNot 133,AA). D: längere Zeit vor 13 71, s. T82/Ll,D.Q: T82/L1. Lit: Einleitung und Te­stimonien Deckelmanns zur Ausgabe; MercNot 148 f.; W. Blum, «Ober die Verachtung des To­des», Münster 1973 (dtsch.Obers.); SandGod 55-87, zum Platonismus der Schrift.

1.2 Predigten

1.2.1 Sermo in festo Annuntiationis beatae Mariae virginis dictus. [ne: uOO'aL 'toov 3t6AEWV ßOUAOV'taL. Unediert. Hss: Athos, Laura 1369: 29-32 (Fragrn.); Vatopedi 478: 264-266 (Fragrn.). Lond., Brit. Mus. Add. 10072: 1 ff. Madr., Scor. 234 =<1>.111. 15: 52-102. Oxf., Ba­rocc. 90: 102-130. Paris. 1213: 325-354 (dazu NE 2,316); Coisl. 315: 591-649. Rom, Vat. 604: 59-101. Wien, Vind. theol. 262; med. 36: 133-156 (inc. mut.). D: 1386/7 (?), jedenfalls nicht allzu lange Zeit vor Abfassung von L3 84. Lit: M. Jugie, Le discours de Demetrius Cydones sur l' Annonciation et sa doctrine sur l'lmmaculee conception, EO 17 (1914) 97 -106; MercNot 158.

1.2.2 Sermo in festo Ascensionis Domini dictus. [ne: TOL~ U3tEQ 't0'Ü I1EYclAOU ß-EO'Ü. Unediert. Hss: Oxf., Barocc. 90: 131-143. Rom, Vat. 1879,98-109. D: 1387 (?), jedenfalls einige Zeit vor L343, einem bei Loenertz nicht datierten Brief, in dessen Umgebung aber zum Großteil Briefe aus den Jahren 1385/7 stehen; vgl. LC 11 XIV, Tabelle mit Zeitangabe zu livre XXXII. Lit: KalekEpLoen 5, Nr. 10.

1.2.3 Sermo in sanctum Laurentium. [ne: Ol O'm<pQov~ 'toov EQamoov. Unediert. Hss: Lond., Burn. 73: 1-240. Oxf., Barocc. 90: 63-101. D: 1379-82 (?), jedenfalls einige Zeit vor L213, nach LC 11, XIV (Tabelle) mit livre XXI in die genannte Zeit zu datieren. Q: NikKabEp 42, Nr. 15 = LC I 170, Nr. 2.

1.2.4 Sermo in Pentecosten et in Spiritum Sanctum. [ne: OLI1Etel 'tou~ YEvva(ou~. Unediert. Hs: ·Vat. 677, 1-14. D: unbekannt. Lit: MercNot 65.

1.3 Reden (in chronologischer Reihenfolge)

1.3.1 Monodia occisorum Thessalonicae. [ne: f\.VÖQE~, ÖO'OL tel~ 'toov O'UYYEVOOV. Ed: PG 109,640-652, nach Combefis, Corpus histor. byz. inter scriptores post Theoph., VII, 384-392, Paris 1685. Hss: Flor., Laur. 59,24: 86-91; Lond., Burn. 75: 307-311. Paris. 1213: 417-420 (NE 2,320); Coisl.315: 770-779. Rom, Vat.486: 89-94 (MercNot133,A.4).D: ca .. Sept. 1345 (s.o., S. 9, A.39). Lit: BarkKyd (engl. Obers.); WernThess 56; LOCP 36,50; Hunger I 132f. (zum literarischen Genus).

1.3.2 Oratio ad lohannem Cantacuzenum prima. [ne: J\VTlVEYKaI1EV, ci> ßaO'LAE'Ü, tOOV O'uv­EXOOV EXELVWV. KrEd: LC I 1-10. D: Bald nach 3.2.1347, s. LBF I 427,A.2. Lit: NicKant 63,A.77.

1.3.3 Oratio ad lohannem Cantacuzenum secunda. [ne: uO'tE I1EV 'tel 3taQ6v'ta XQTJ 3tQOO'EL3tEL v. KrEd: G. Cammelli, BNJ 4 (1923) 77-83. Dazu E. Kurtz, BNJ 5 (1926/7) 58.D: bald nach 3. 2. 1347, s. NicKant 63,A.77.

64

KYDONES' WERKE

1.3.4 Oratio pro subsidio Latinorum. Inc: Ilewmv !J.EV cb c'lvÖeE~. Ed: PG 154,961-1008, nach Combefis, Auctarium Novum 11, Paris 1684. Hss: Flor., Laur. 59,24: 50-68. Paris. 1213: 355-371 (NE 2,316); Coisl. 315:.650-679. Rom, Vat. 486: 54-69 (MercNot 133,A.4; KalekEpLoen 10). D: Ende August 1366 nach LOCP 36,64 (vgl. MercNot 506; HalEmp 143; 0., S. 19, A.100).

1.3.5 Oratio de non reddenda Callipoli. Inc: "EÖEL !J.EV cb c'lvÖeE~. Ed: PG 154,1009-1036, nach Combefis, Auct. Nov. 11., Paris 1684, 1284-1318. Hss: Flor., Laur. 59,24: 39-49. Paris. 1213: 371-380 (NE 2,317); Coisl. 315: 679-699. D: Sehr wahrscheinlich Sommer 1371 mit MercNot 141,A.2; 506; HalEmp 243-246; LOCP 37,11 u. a. Besonders wichtig für die Datie­rung ist OstS er 13 8,A.54: die in der Rede, 1033 A, erwähnten serbischen Gesandten, die von By­zanz Hilfe erbitten, lassen sich in die Zeit vor der Marieaschlacht (26.9. 1371) gut einordnen; dagegen ist für das Jahr 1376 kein konkreter Anlaß für eine serbische Gesandtschaft bekannt. Zu diesem Argument schweigen die Vertreter einer Datierung der Rede auf 1376 (CharStrife 297) bzw. 1377 (BarkMan 16,A.38; 460).

1.3.6 Oratio ad Iohannem Palaeologum. Inc: f\.eW"tE ßUOLAEÜ' 3tOAAWV ayuihöv 1tOAAa,)(L~. KrEd: LC 110-23. D: Bald nach 28. 10. 1371 (LOCP 36,69; 37,19); vgl. 0., S. 27 mit A.143 f.

1.4 Prooimien zu Kaiserurkunden (chronologisch)

1.4.1 Chrysobull Ioannes' V. für das Soter-Pantokratorkloster in Didymoteichon. Inc: Ilav,;a !J.EV futAW~. Ed: Teiledition bei ZachProoem 1411, nach einer nicht näher bekannten Hand­schrift aus dem Besitz von G. A. Rhalles. Weitere Hss: Paris. 1213: 381f. (NE 2,317); Coisl. 315: 699 -70 1. D: Term. post quem ist das Rücktrittsdatum des Ioannes Kantakuzenos (10. 12. 1354), da die Urkunde von Ioannes V. allein ausgestellt ist. Lit: DöReg 3_030, wo aber in Un­kenntnis der Pariser Handschriften das Incipit unbekannt blieb. Zu Didymoteichon s.o., S. 7, A.24.

1.4.2 Chrysobull Ioannes' V. für eine Stiftung der Kaiserinmutter Anna von Savoyen zugunsten des Johanniterordens. Inc: 'Ev 3tä,OL ÖEL "tOV ßUOLAEU xue(~E<Jß'UL. Ed: ZachProoem 1416f. nach der Rhalles-Hs (s. 1.4.1). D: Zwischen 10. 12. 1354 (s. 1.4.1) und dem Tod der Kaiserin Anna ca. 1364/5 (s. u., T61,D).Lit: ZachProoem 1411f.; DöReg3031 mit veralteter Datierung.

1.4.3 Chrysobull Ioannes' V. zur Bestätigung des Despoten Manuel in seiner Apanage von Thessalonike mit Gewährung der Herrschaft über Städte und Landstriche in Makedonien und Thessalien, die er von den Serben zurückgewonnen habe und gegen die Türken verteidigen wer­de. Inc: "OOOL~ 6 eEO~ c'leXELV. Ed: ZachProoem 1417-1422, nach Hs Rhalles. Weitere Hss: Lond., Bum. 75: 311-314. Paris. 1213: 382-386 (NE 2,317); Coisl. 315: 701-708. D: Nov./Dez. 1371 (DöReg 3130; Loenertz zu L346). Q: T85/L79; L346. Lit: BarkMan 14,A.36 (Lit.); Hunger I 156f. spricht irrtümlich von drei Prooimien zu Urkunden für Manuel.

1.4.4 Chrysobull Ioannes' V. für seinen Sohn Michael. Inc: Twv 3teO~ "tTJv <pUOL v xeEWV. Ed: Sp. Lampros, BZ 5 (1896) 339f. nach Bum. 75: 291. Weitere Hss: Vat. 1879: 109f.; Urbin. 80: 166f. (Fragm.). D: Zwischen Frühjahr 1367 und Sommer 1373, nach SchreinStud 153. Q: L148. Lit: SchreinStud 152f., insb. 152, A.4; CanVat 109f.; MercNot 129,A.4; Loenertz zu L148.

65

EINLEITUNG

1.5 Briefe

KrEd: LC 1,11. Lit: Die Rezensionen von M. Candal, OCP 27 (1961) 208-210; J. Darrouzes, REB 20 (1962) 234-236; P. Wirth, BZ 56 (1963) 341-344 (mit einigen kleinen Textkorrektu­ren); LOCP 36;37; LR. Im Briefcorpus des Kydones verbergen sich z. T. auch andere literari­sche Genera, so z. B. ein Tagebuchblatt mit Reflexionen (T15/L5); Gutachten zur Per­son (L307,33 ff.); philosophische Reflexionen (L282,30ff.; 346,40ff.); Ekphrase (T90/L24,14-24); Gebet (L412,16ff.); niedergeschriebene Träume (L377; L411). Der Form nach ein Brief, der Länge und dem Inhalt nach eine Art Traktat ist die epistula de Prochoro fratre mortuo ad amicum quendam. Ine: IIoAAu aya'fra OOL ytVOL"tO. KrEd: MercNot 346-355. D: Ca. Sommer 1371 (s. u., T81).Lit: MercNot343-346. Von Loenertz, wohl wegenseinerinhalt­lichen und kodikologischen Sonderstellung, nicht in die Briefsammlung aufgenommen: der Brief steht im ersten Teil der Hs Vat. 1879 im Kontext theologischer Traktate (dazu CanVat). Ich habe den Brief an seinem annähernd chronologischen Ort unter Nr. T81 in die Reihe der über­setzten Briefe aufgenommen. über einige dem Kydones fälschlich zugeschriebene Briefe s. u., S. 73, 304.

1.6 Apologien

1.6.1 Apologia I. Ine: l\toJlaL 1tQo~ E>EOÜ. KrEd: MercNot 359-403 (nach dem Autographen Vat. 1102: 55 -76). D: Zwischen 1363 und 1367 nach MercNot 138, aber wahrscheinlich bald nach c. 1362 (Todesjahr des Neilos Kabasilas gemäß der unten, S. 260, vorgenommenen Datie- I

rung), da nach Angabe des Textes (392,53-393,58) Neilos Kabasilas wohl noch nicht lange tot ist. Lit: Deutsche übersetzung von H.-G. Beck, OstkirchI. Stud. 1 (1952) 208-225; 264-282; SevDecll72,A.20; 175,A.34; 176,AAO; Hunger I 24; 170; TinnNiv 273; KiankaApol.

1.6.2 Apologia 11. Ine: 'Eyw OE1t6QQo>'frEV. KrEd: MercNot403 -425 (nach dem Autographen Vat. 1879: 136-148). D: Zwischen Sommer 1371 (nach der Rückkehr aus Italien) und August 13 73 (vor der Lesbosreise). MercNot 13 9 und A. zu 415 hatte in Unkenntnis der Lesbosreise den Rahmen nach unten bis März 1375 gesteckt. Doch paßt die Apologie am besten in die Phase schwerster Anfeindungen in Byzanz nach der Rückkehr aus Italien, nicht in die relativ ange­nehme Zeit des Kydones am Hof des Gattilusio (vgl. 0., S.29 mit A.153). Lit: MercNot 138-140; 437-441; KalekEpLoen 8, Nr. 18; CanVat zu Vat. 1879.

1.6.3 Apologia III pro Prochoro fratre ad Philotheum patriarcham. Ine: '0 E>EO~ oiöE. KrEd: MercNot 313-338. D: Nach dem Tode des Prochoros (Text: 315,50; 336,77ff.) und nach der. Rückkehr des Kydones aus Italien, wahrscheinlich Sommer/Herbst 1371. Lit: MercNot 296ff. Über eine weitere Prochoros-Apologie s. u., 3.2. Die bei Beck 736f. erwähnte dritte Apologie, die sich bei Boissonade, Anecdota nova, Paris 1844 finden soll, konnte ich dort nicht entdecken. Vermutlich handelt es sich um eine Verwechslung mit einem der dort edierten Briefe. über die ,bei Beck 737 erwähnte Apologie IV s. u., 1.7.2. Vgl. auch unten, 3.2.

1.7 Verschiedenes

1. 7.1 Sententiae variae (kurze Äußerungen zu philosophischen, religiösen oder moralischen Fragen). Solche Sentenzen finden sich verstreut zwischen den Briefen des Kydones in folgenden

66

KYDONES' WERKE

Hss: Vat.l01 (autographe Briefsammlung des Kydones); Urb.133 (Abschrih der vorgenannten Sammlung durch Manuel Kalekas); Burn. 75 (2 Sentenzen: Nr. 147; Nr. 172 in der Zählung der Hs); Meteor.or. Barl. 202 (1 Sentenz); Vat. 1102 (zwei Sentenzen, ed. MercNot 435-437, mit Einleitung). Ed: Von den Sentenzen des Vat. 101 hat G. Cammelli einen Teil in BNJ 5 (1926/7) 48 - 5 7 ediert; vgl. dazu MercN ot 507. Lit: Eine Liste der Sentenzen in den von Loenertz benutz­ten Briefhandschriften findet sich in LR 123 -134 (Table des incipit); alle dort in Sperrdruck an­geführten Incipit beziehen sich auf Sentenzen. Ober die dort verwendete Zählung der Sentenzen s. LR 31.

1. 7.2 Testamentum religiosum. Ine: Olöa JtOAAOU~ btLJtEOOIJ.EVOlJ~ IJ.OL. KrEd: MercNot 425-435 (nach dem Autogr. Vat. 1102: 115-121).D: 1371/73 (?). MercNot 140f.: jedenfalls nach Apol II; der Inhalt paßt in die angegebenen Jahre, aber spätere Abfassung ist nicht ausge­schlossen, nach LR 113 « 13 79 au plus tard». Bei Beck 737 ist der Text als Apologie IV geführt.

1. 7.3 Initium operis controversias doctrinales quasdam attinentis (Fragm.). Ine: no JtOAA.(lXL~ JtQO'tEQov. KrEd: LR 106f. (nach Vat. 101: 177): D: Unbekannt. Lit: LR 48,A.l: « ••• piece non-epistolaire, omise par le copiste de U (= Urb. 133)); KydEpCam, Liste-Nr. 333.

1. 7.4 Encomium breve in s. Iohannem Chrysostomum. Ine: Til~ oij~ JtCl1:EQ EÖEL <poovil~. Ed: NE 6 (1909) 106f.; MercNot 157f. (nach der autogr. Vorlage Vat. 571: 249). Auch in Barb. 74: 25 überliefert. D: Um 13 88 (?); vgl. die Lobesworte für Ioannes Chrysostomos in L406, nach seiner Stellung im Briefcorpus auf 1388/89 zu datieren. Lit: ManEp(Den) Nr. 25,A.2.

1. 7.5 Encomium breve in fr. Ricoldum. [ne: XaQL~ OOL 1:il~ öLaAE~Eoo~. Ed: MercNot 161 (nach der autogr. Vorlage Vat. 706: 136). Weitere Hss: Athen, 'Io1:.xat EitvoA.h. Nr. 37: 70 (NE 6,674). Madr., Scor. 553 = Q. IV. 1: 65. Patmos 418: 42. Rom, Vat. 706: 36; 1570: 170f.; 1748: 120. D: Zwischen 1354 und 1360 (mutmaßliche Zeit der Abfassung der übersetzung der Streitschrift Ricoldos, s. u., S. 71, 2.10; dort auch zu dessen Person) (?).

1.7.6 Opusculum arithmeticum. Ine: ~oß-tV1:00V MO 1J.0vaöo~ 6noooovo'Üv äQLß-lJ.ffiv. Une­diert. Hss: Berlin, Phillipp. 1549 (= 145 Studemund/Cohn): 160. Madr., Scor. 251 = Y.1. 12: 80. Paris. 2377 (Abschr. von Vat. 1411): 162; 2428: 188 (P. Tannery, Memoires scientifiques, ed. J.-L. Heiberg, IV, Toulouse/Paris 1920, 7f.; 75); Suppl. 652: 160. Rom, Vat. 1411: 13. D: Unbekannt. Lit: GregEp II Guill332 über Paris. 2377 (entgegen Guillands Annahme besteht wegen des übereinstimmenden Zeugnisses der Hss kein Zweifel an der Verfasserschah des Ky­dones); MercNot 169, A.4 über Vat. 1411: 13. Die Kenntnis über die Identität der genannten Passagen in Paris. 2377 un,d Paris. Suppl. 652 verdanke ich einer brieflichen Auskunft von MlIe.Denise Papachryssanthou. Vgl. auch Tannery, ebd: 75,A.2.

1.7.7 Scholia in Euclidis Elementa. Unediert.Hs: Bonon. (BibI. comm.): 18f. Q: L347 (bezeugt die Verfasserschaft). Lit: Euclidis Elementa, ed. Heiberg-Stamatis, Vll, Leipzig 1977, XXIV; GregEp II Guill 332 (noch in Unkenntnis von L347); Hunger II 254.

1.7.8 Tabula versuum duodecim ostendens dierum incrementa deminutionesve per singulos menses. Ine: MaQ1:. Lö'[Zeichen i1ALO~] aQXTJ XQLO'Ü· 1) 1)IJ.EQa wQffiv Lft Unediert. Hss: Vat.298: 590 (dazu MercVat 424); vgl. auch Meteor. 105: 79 (dazu Bees 136, Nr. 26).

67

EINLEITUNG

2. Obersetzungen

2.1 Augustinus von Hippo (t 430) und Verwandtes

2.1.1 Augustinus, Contra lulianum (5 Exzerpte) (Editionen des Originals s. Altaner8 428f.). Ine: '0 a1ho~ äyLO~ AuYO'U(J"tLVO~. Unediert. Hss: Vat. 606: 238f. (dazu MercNot 159; Rack­Aug 26f.); 1096: 222 (dazu MercNot 162; RackAug a.a.O.); Vallic. 131.

2.1.2 Augustinus, Epistulae variae. Unediert. Hs: Vat. 609: 185ff., enthält Briefe Augustins, teils von Demetrios, teils von Prochoros Kydones übersetzt und eigenhändig geschrieben. Aus dem Vergleich mit anderen Autographen des Demetrios identifiziert RackAug 25 f. folgende Brieffragmente als von ihm übersetzt: f.190 f.: ep. 143 ad Marcellinum (Orig.: CSEL 44,250 ff.); f.191: ep. 28 ad Hieronymum (s. CSEL 34,103ff.); f.209: ep. 82 ad Hieronymum (CSEL 34,351 ff.). D: Term. ante quem ist Demetrios' Abreise nach Italien ca. Sommer 1369, nach der er Prochoros nicht wiedersah; term.post quem der Zeitptmkt, zu dem Prochoros in Konstanti­nopel eintraf, also Juni 1367 gemäß Exkurs, unten, S. 239. Die Brüder haben sich zwischen Früh- I

jahr 1345 (als Demetrios Thessalonike verließ) und diesem Zeitpunkt nur einmal kurz gesehen (Exkurs, unten, S. 237 mit A.14); aber damals hatten sie wohl kaum Zeit für eine solche Arbeit; daher kommt nur 1367/9 in Frage.

2.1.3 Augustinus, Excerpta e variis tractatibus in Evangelium lohannis de Spiritu Sancto sumpta (Orig.: ed. R. Willems, Corp. Christ. Lat. 36, 1954). Ine: '0 'X:UQLO~ 'iJlJ.&v 1TJooü~. Ed: PG 147,1131-1158 (nach Petr. Arcudius, Opuscula aurea, ed. posthum nach 1633); A. Mai, Nova Pa trum Bibliotheca I, 415-427 (MercNot64,AA).Hss: Flor., Laur.10,14: 70-78; Mon. 27: 85-95; Rom, Vat. 677: 50-56 (dazu MercNot 67,A.1); 1115: 83-90 (MercNot 166); 1428: 67-78; 1488: 7-19; Ottob. 144: 192-255; Vallic. 131. Vened., Marc. 589. Lit: Rack­Aug 27f. mit Angabe aller übersetzten Teile der Traktate (sc. Nr. 94-96, 99-100).

2.1.4 Ps.-Augustinus, Monologia sive Soliloquia (Ein mittelalterliches Erbauungsbuch, PL 40,863-898; vgl. RackAug 23 ff.; O. Bardenhewer, Gesch. d. altkirchl. Lit. IV, 1924,454: wahrscheinlich erst nach 1215 verfaßt.). Griech. Titel: EuXat 'Ö'EW(lTJ'tLxat xat EQw'tLxaL, bzw.: 'Ex 'twv ... · 'tL ö.v ELrtOL 'i''Uxi!. Ine: 'E3"nyvoLTJV OE, XUQLE. Ed: Nikodemos Hagiorites, Istanbul 1799 ('E1tL't0IlTJ EX 'tWV 1tQoeprrcavax'toöaßLÖLxwV 'i'aA.IlWV etc., 133 -154). Hss: Ankara, Türk Tarih Kurumu 7. Athen, Nat. bibI. 372; 876 (Fragm.). Athos 766 = Xenoph. 64; 2585 = Xerop. 252; 2890 = Doch. 216; 3449 = Kutl. 376; 3779 = Dion. 245; 3974 = Dion. 440; 4659 = Ivir. 539; 4876 = Ivir. 756; 5834 = Pantel. 327; 6310 = Pantel. 803; 78 PoHtes (Kutl.); Va-. top. 994 Eustr.Bukarest, Ac.Rom. 576: 13-61; 632: 38-101. Flor., Laur. 59,13: 248-273. Istanbul, Metoch. des HI. Grabes (Papad.-Kerameus, 1EQOO. BLßA.. IV; dazu Richard, Reper­toire 114, Nr. 431) 91; 145: 6-31. Jerusalem Papad.-Kerameus 11, 379: 16-66 (Schluß fehlt). Kalabryta, Mega Spelaion 107: 76-172. Paris. 2075: 343-362. Patmos 390. Rom, Vat. 607: 1-56; 1750: 99-155 (daraus Pal. 76: 1-85), vgl. CanVat 23 f. über unterschiedI. Anordnung des Textes in diversen Hss; Pal. 226: 16-52. Sinai 939. Smyrn. r 17. Q: T92/L25 (?).

2.1.5 Fulgentius von Ruspe (467-533), De fide seu de regula fidei ad Petrum (Kompendium der Dogmatik in Anlehnung an Augustins Enchiridion, ed. M. J. Rouet de Journel in «Enchiri­dion Patristicum» 1947). Ine: Tii~ aij~ aYWtTJ~, 'tEXVOV nE'tQE. Unediert. Hss: Rom, Vat. 607,

68

KYDONES' WERKE

1-56 (daraus Vallic. 131, Nr. 3); Autogr. 1096: 199-221 (dazu MercNot 162) (daraus ist Vat. 606: 220-238 gleichzeitige Abschrift, s. MercNot 159). Vind. theol. 190: 202-208 (Fragm.). Lit: RackAug 22 f.

2.1.6 Prosper Tiro von Aquitanien (t nach 455), Sententiae ex Augustino delibatae (Ed.: PL 45,1859-1898; PL 51,427-496). Inc: JUTJ'6iJ~ E<TtLV axaxta. Unediert. Hss: Vat. 606: 198-220 (dazu MercNot 159); Autogr. 1096: 171-199 (MercNot 162). Lit: RackAug 21f.

2.2 Symbola conciliorum Toletanorum I et III (?)

2.2.1 Symbolum concilii Toletani I (um 400) (Ed.: Denzinger Nr. 188). Inc: TIL<TtEU0IJ.EV d~ ~va eEOV aA.TJ-fhvOv 3ta't'EQa. Unediert. Hs: Vat. 1879: 112. Lit: Can Vat 451: übersetzer Kydo­nes oder Kalekas.

2.2.2 Symbolum concilii Toletani 111 (589) (Ed.: Denzinger Nr. 470). Inc: ~uVEA.{}6v't'wv

3tCIV't'wv't'oov E3tLox63twv. Unediert.Hs: Vat. 1879: 112-115. Lit: CanVat451: Obers. Kydones oder Kalekas.

2.3 Symbolum tidei de Trinitate s. Hilar;; Pictavorum episcopi (ex sermone qui post Penteco­sten infesto sanctae Trinitatis recitatur; non exstatinter edita huius opera; PG 150,40).Inc: TIL­O't'EUOIJ.EV 't'TJv ö.ytav TQLaöa. Hs: Vat. 677: 59. Ed: PG 150,40f.

2.4 Papst Gregor der Große (t 604), Homilia XXVI (Ed.: PL 76, 1197 ff.) (Fragm.). Inc: TIEQ" 't'TJV EuaYYEA.LXTJV 't'au't'TJv avayvwOLv (MercNot 65). Unediert. Hss: Vat. 677: 56-59; 1115: 90-92. Lit: MercNot 67,A.1.

2.5 Epistula Ioannis VIII pp. ad imperatores Basilium, Leonem, Alexandrum (Init.) (= Jaffe Reg. Nr. 3271, 16.8.879; ed. Mon. Germ. Hist. Ep. VII 166ff.).Hss: S. MercNot 164,A.1. Inc: 'EYQa1pa't'E TjIJ.LV. Lit: KaepPhil165,A.11; oben, S. 15 f. mit A.80.

2.6 Constitutum Constantini (entst. zw. 750 und 850) (krit. ed. von H. Fuhrmann, 1968; zur These von einer ursprünglich griechischen Version des Disposi tio-Teils s. u.). Einzige griechische Gesamtübersetzung aus dem Lateinischen, sehr wahrscheinlich von Kydones nach MercNot 162-165 und Petrucci (s. u.), 152. Inc: L\6YlJ.a ßaOLA.LX6v. Ed: A. Pavlov, VV 3 (1896) 58-80 (nach Ottob. 309: 1-20); A. Gaudenzi, Il Costituto di Costantino, BuH. dell'Ist. stor. ital. 39, Roma 1919 (nach Vat. 614: 76-79 und 789: 185-192). Weitere Hss: Vat. 778: 567-575; 973; 1102: 77-82 (Autograph des Kydones; erstes Blatt fehlt); 1416 (Fragm.). D: 1369-71 in Italien nach E. Petrucci, I rapporti tra le redazioni latine e greche del Costituto Constantino, BuH. Ist. stor. ital. Med. Evo 74 (1962) 151-160.Lit: MercNot 90; 162-165 (über Kydones als übersetzer); 508; Petrucci, ebd. 45-160. Vor dieser übersetzung war in Byzanz in griechischer Sprache nur der Mittelteil des CC, die dispositio, bekannt (darüber Kydones selbst in Vat. 1102, s. MercNot 163). Sie beginnt in der Version des Kydones mit den Worten ötov EXQtValJ.Ev OUV 3täOL (s. Ed. Pavlov, 69 unten). Die beiden anderen Versionen des vollen Wortlautes der disposi­tio in griechischer Sprache sind nebeneinander ediert in W. Ohnsorge, Konstantinopel und der Okzident, Darmstadt 1966, 108-122; über spätere Paraphrasen Ohnsorge, ebd. 98. Die These

69

EINLEITUNG

von einer ursprünglich griechischen Fassung der dispositio wurde von Gandenzi (s.o.) begrün- \ det und von Ohnsorge, a.a.O., 93 ff. und BZ 61 (1968) 277ff. zur These von der Abfassung durch PapstLeo 111. ausgebaut. Dazu positiv Ilse Rochow, Dt. Ltztg. 90 (1969) 142-145; nega­tiv P. E. Schramm, Gesch. in Wiss. und Unt. 19 (1968) 445-448; vgl. ferner R.-J. Loenertz, Constitutum Constantini. Destination, destinataires, auteur, date, Aevum 48 (1974) 199-245, mit Datierung vor 800.

2.7 Anse/rn von Aosta, Erzbischof von Canterbury (t 1109)

2.7.1 De processione Spiritus Sancti (Ed.: PL 158,285-326}.lne: J\.QVEL'taL 'to 'twv rQaLXwv. Unediert. Hss: Vat. 1115: 65-80 (dazu MercNot 165f.; KalekEpLoen 42,A.3); 1122: 170-192 (MercNot 65,A.l; KalekEpLoen 42,A.3);_ Barb. 439 (danach Vallic. 151).

2.7.2 De azymo et fermentato epistula ad Walerannum Newenburgensi episcopum (Ed. PL 158,541-548}.Ine: Elöo'tLßQaxEaAEyw.lJnediert.Hss: Vat. 677: 59-62; 1115: 81-83 (dazu MercNot 67,A.l; KalekEpLoen 42,A.3); Vallic. 151; 177. Lit: RackKyd 25; MercNot 65; PG 154,833/4, Nr. 28.

2.8 Pierre von Poitiers (Petrus Pictaviensis) (t 1205), Genea/ogia Christi ab Adam (über Aus­gaben s. Ph. S. Moore, The Works of Peter of Poitiers, Notre Dame/Ind. 1936). Ine: Tij~ LEQä.~ [O'toQLa~ xa'tavoiJoa~ EyW lJ.ijxo~. Unediert.Hss: Madr., Scor. 61 = l:. I. 1: 1-6; 436 = E>. I. 17 (verschollen); 506 = Q. I. 5: 1-7, heute identisch mit Paris. Suppl. 1159 (zu diesen drei Hss s. G. de Andres, Los manoscritos escurialenses de la genealogia de Cristo de Dem. Cid., La Ciudad de Dios 74,1958,271-276; vgl. BZ 51,1958, 450). Rom, Vat. 1906: 1-7; 2127 (dazu JugieKyd 396,A.9). Lit: MercNot 144-146; CanVat zu Vat. 1906.

2.9 Thomas von Aquin (t1274)

2.9.1 De rationibus fidei contra Saracenos, Graecos et Armenios liber ad cantorem Antioche­num (S. Thomae de Aquino Opera Omnia/ed. Leonina/40 = Opuscula 1, Romae 1969, B, 1-80). Ine: '0 lJ.axaQLo~ cbtoa'toAo~ nE'tQo~. Unediert. Hss: Flor., Laur. 4,12: 44-70. Rom, Vat. 1570: 175-251. Vened., Marc. 11, 9: 298-317. Lit: GianVat 166f.; PapMet 56-60; Ju­gieKyd 393,A.2; KalekEpLoen 13, Nr. 14.

2.9.2 Summa contra gentiles (noch keine krit. Gesamted., Ed. u. a. Turin 1961/1967). Griech. Titel: To'Ü ooq>o'Ü E>WIJ.ä. ... 3tEQL 'tij~ Ev Tfi xa'Ö'oALXTI 3tLO'tEL aATJ'Ö'ELa~ xat xa'tcl. 'twv aLQEoEwV 'twv Evav'tLOUIJ.EVWV aU'tfi. Unediert (eine von L. Petit vorbereitete Edition wurde nicht abge­schlossen). Hss: Liste bei PapMet 34-43; Ergänzungen in der Rezension von B. Kotter, ZKG 89 (1970) 264; außerdem: Marc. 11, 2: 119-306 (dazu Turyn, Dated Greek Man., I 232f.). Exz. ferner in Barocc. 90: 144-149 (war seit Fabricius, PG 154,829f., Nr. 8 irrig als gesondertes Werk geführt; identifiziert in MercNot 133,A.4: Übers. von IV,55 der s.c.g.) und 149-153 (Übers. von IV,53 der s.c.g.); beide Exzerpte zu Fragen der Inkarnation Christi. D: Übersetzung des ganzen Werkes abgeschlossen am 24. 12. 1354. Berechnung des Datums aus dem Kolophon der Hs Vat. 616: 313 durch V.Laurent, EO 26 (1927) 357 f. Der Grund, den PapMet 30-32 für eine frühere Datierung des Abschlusses angibt, Kydones habe sich nach der Abdankung des Kantakuzenos nicht mehr in dessen Nähe aufgehalten, ist hinfällig; s.o., S. 14 mit A.72. Q:

70

KYDONES' WERKE

L333. Lit: RackKyd; RackÜb 51-53; MercNot 11,A.3; 15; 122; 160; JugieKyd 389-392; PapMet 25-43; PodRez 306,A.l; KiankaApoI60,A.17; 63f.

2.9.3 Summa theologiae W, la IIae, lIa lIae, nach PapMet 43) (Handausgabe u.a. Turin 1948; noch keine krit. Ed.). Griech. Titel: Toii ay(ou 9wJ.lä. 'tOii Ä'KULVel'tOU ... 'tij~ 'frEOAOYL'Kij~ ouv-61PEW~ bzw. OUV'telSEW~ (sc. J.lEQO~ ... ) (vgl. PapMet48f.). Unediert; Teiledition derIlaellael_16 durch G. Leontsines und A. Glykophrydu-Leontsine unter Leitung von E. Mutsopulos: ~TjJ.lTj'tQ(ou KuÖ'wVt'], 9wJ.lä. Ä'KULVel'tOU: l:ouJ.lJA.<l 'frEOAOYL'Kij, ESEAATjVw'frELOU, 't. 15, Athen 1976: Liste der Hss bei PapMet; dazu noch folgende: Paris. 1237: 296f. (Fragm.); Vat. 1892 (Fragrn.). D: Beginn einige Zeit vor 13. 11. 1358, da nach der Notiz von Mosqu. 228: 318 da­mals Kap. 44-119 der Prima fertiggestellt waren. Die Übersetzung der Prima war spätestens 1363 abgeschlossen (nach PapMet49, Nr. 5 ist Mare. 146 mit der ganzen Prima auf dieses Jahr zu datieren). Weitere Zeitangaben sind offenbar nicht möglich. Q: T63/L97,55 ff.; T66/L33,47ff. (Diskussion mit Georgios Philosophos über Thomas von Aquin); L333. Lit: PapMet 43 -52; MercNot 11,A.3; 503 (mit irriger Angabe über Abschluß des ganzen Werkes bis 1358); RackÜb; A. Glykofridou-Leontsini (sic!), La traduzione in greco ... , Nicolaus 3 (1975) 429-432.

2.9.4 De articulis fidei et ecclesiae sacramentis ad archiepiscopum Panormitanum (ed. Man­- donnet, Opuscula, Bd. 111, Paris 1927, 1-18; demnächst Bd. 42 der ed. Leonina). Inc: ÄSLOL

3tuQ' EJ.loii fJ VJ.lE'tEQU llycl3tTj. Unediert. Hss bei PapMet 60 (Mosqu. 259; 439).

2.10 Ricoldo Pennini da Montecroce (t 1320), Contra legern Sar(r)acenorum (Einzige Ausgabe des Originals Sevilla 1500, nach TrappManuel35,A.110; der lat. Text in PG 154 ist offenbar eine Rückübers. aus dem Griech.). Inc: TI60aL ELOLV U[ fJJ.lEQaL 'toii ÖOUAOU oou. Ed: PG 154,1035-1170 nach der Ausgabe Basel 1543; dazu PG 154,371/2, Anm: Textproben bei TrappManuel 36-43. Hss: Athen, <101:. 'Kui. E'frvOA. haLQELU 37: 1-70 (NE 6,474). Athos, Laura 1854, Nr. 3. Edirne: Adr.l097 (BZ 14,591, Nr. 9,2). Madr.,Scor. 553 = Q. IV. 1: 1-65. Paris. 1191. Patm. 418. Rom, Vat. 433: 180-243; 706: 79-135; 1570: 2-170; 1748: 57-120. Wien, Vind. theol. 261 (Nes.): 119-260. D: Zwischen 1354 und 1360 nach Trapp­Manuel35. Q: L328. Lit: J.-M. Merigoux, Un precourseur du dialogue islamo-chretien Frere Ricoldo (1243-1320), Rev. thom. 73 (1973) 609-621 mit der irrigen Behauptung, Kydones habe seine Übersetzung 1386 an Kantakuzenos (t 1383!) geschickt (richtig: an einen unbekann­ten Freund in Thessalonike). TrappManuel3 5 - 44; Gian Vat 166. Zur Nachwirkung der Über­setzung TrappManuel 44-48; 86-88; 91f.

2.11 Bernardus Guidonis = Gui (t 1331), Legenda s. Thomae deAquino, de ortu, vita et obi tu ac gestis eius, cap. 53; 54 (Liste der Werke des Aquinaten) (Ed.: Bureaux de la Revue thomiste, St.-MaximiniVar/Frankreich 1913/27). Inc: '&ti. 'tOL~ 'tEnuQOL ßLßA(OL~ 'toov MmpelOEwv. Unediert. Hs: Mare. 11,2: 117 f. Dazu Turlt 1232 und pag. XXV: Abfassung durch Kydones in einem Brief von Mioni überzeugend begründet.

2.12 Professio fidei catholicae aI oanne imperatore Graecorum Romae apu4 papam facta. Der lateinische Text und die Übertragung durch Kydones liegen in zwei Fassungen vor. 1. Fassung vom 10. 10. 1369: ed. Allatius (1648) und Theiner 38-39 (lat.), 41-43 (gr.) (dazu VasViag

71

EINLEITUNG

173,A.2,A.3}. 2. Fassung vorn 18. 10. 1369: ed. NE 11 (1914) 241-249 (lat. u. gr.); VasViag 180-183 (lat.). Foto des gr. Originals NE 11, Taf. 5 (nach S. 116); Unterschrift des Kaisers cbd. Tafel 6 (nach S. 254). Q: Abfassung der übers. durch Kydones bezeugt im zugehörigen Brief des Papstes Urban V. vorn 18. 10. (Inc: Noverint universi), ed. Theiner 37f. (teilweise); NE 11 (1914) 249-253 (Einl. ebd. 100); AUrb Nr. 168. Lit: DöReg 3122 ohne Erwähnung der Fas­sung vorn 10. Okt.; MercNot 146-148. S. auch 0., S. 23 mit A.120.

2~13 Ordo missae dominicanus. Ine: '0 IJ.EAA.roV LEQOUQYl10ELV LEQEUI!;. KrEd: A. Baumstark, Or. Christ. 4 (1904) 9-27 nach Vat. 1093 (dazu KalekEpLoen 13 f.). D: Nach KalekEpLoen 56 verfaßt während des letzten Italienaufenthaltes des Kydones, also zwischen Sept.lOkt. 13 96 und Sommer 1397. Lit: Nach 1. Morelli, Bibliotheca manuscripta Graeca et Latina I, Bassani 1802,50 ist diese übersetzung erwähnt in Marc. 38 (einer Hs mit Meßformularen, von Manuel Chrysoloras ins Griechische übersetzt). Ebd. erwähnt Morelli auch die übersetzung einer Kar­freitagsliturgie durch Kydones, die sonst nicht bekannt wurde.

3. Schriften und Übersetzungen, die Kydones fälschlich zugewiesen wurden (Spuria)

3.1 Traktate

3.1.1 Adversus Palamam. Ine:"Iva WI!; EV xE<paAa(cp. Verf.: Mönch Nephon. Ed: PG 154, 837-864. Lit: MercNot 62-77; KalekEpLoen 12, Nr. 1.

3.1.2 De processione SpiritUs Sancti. Ine: "On IJ.EV oti. 'tijl!; lIy(al!; TQLaöol!;. Verf.: Manuel Ka­lekas. Ed: PG 154,863-958. Lit: MercNot 62-77; KalekEpLeon 33ff.; 42.

3.).3 Responsiones ad quaestionem aliquam disputatam. Unediert. Lit: MercNot 264f. (Verf. vielleicht Prochoros) gegen]. Stiglmayr, BZ 8 (1899) 299, der Kydones auch andere Schriften ir­rig zuweist.

3.1.4 Exhortatio ad filium de contemptu mundi. Ine: '0 XQ6vol!; f1Ö'rJ 'tijl!; ElJ.ijl!; troijl!;. Mahnung eines anonymen Verfassers an einen Mönch. Unediert. Lit: MercNot 129,A.3.

3.1.5 Dialogus moralis de matrimonio. Teiled.: R.-]. Loenertz, REB 15 (1957) 183 f. nach Pa­ris. 3041: 102 (engl. übers. bei BarkMan 111); gesamter Text: 89-104. Verf.: In der Hs irrig dem Kydones zugeschrieben, in Wirklichkeit von Manuel II.; s. Loenertz, ebd.; BarkMan 431; 554f.; DenReign 15,A.47. über andere in dieser Hs irrig dem Kydones zugeschriebene Texte Manuels H.: MercNot 506.

3.2 Apologia pro Proehoro Cydonio. Ine: "&AEOV IJ.EV WI!; ulJ.äl!;. KrEd: MercNot 296-313 nach Vat. 678: 2-10. Nach MercNot 26 und 285 findet sich der Schluß ab 312,17 auch in Paris. 1310: 28 (für die Edition kollationiert). Verf.: In der vatikanischen Hs dem Kydones zuge­schrieben, doch sieht MercNot 26 und 51 f. in Prochoros, evtl. von Demetrios unterstützt, den eigentlichen Verfasser. Beck 735: «Demetrios dürfte einen beträchtlichen Anteil an der Apologie seines Bruders Prochoros gehabt haben.»

72

KYDONES' WERKE

3.3 Inveetiva adversus Iosephum Bryennium. Ine: Twv IJ.EV owv a"C61tooV öUmp1'JIJ.LwV. KrEd: KydEpCam 118-120; Tomad Bry 1102-104; KalekEp 335-337. Verf.: Noch von MercNot 96 und 447 nach der Angabe von Marc. 509: 95 für echt gehalten. Unecht aus chronologischen Gründen nach KalekEpLoen 33,A.2 (wahrscheinlich von Demetrios Skaranos); 37f.

3.4 Briefe

3.4.1 Epistula s'apientissimi et doctissimi viri Demetrii Thessalonicensis ad ... dominum Bar­laamum episcopum Gyracensem. Ine: Cum olim tu, partibus nostris dimissis. Ed: PG 151,1283-1301 nachH. Canisius, Basnag. Thesaur. IV, diesernachMonac.lat. 111 (MercNot 149,A.2). Verf.: Bei MercNot 149-156 noch als echt behandelt; die Echtheit ist aber seit der Argumentation von Loenertz (LBF I 111 f. = OCP 23, 1957,201 f.; zustimmende Anzeige von H.-G. Beck, BZ 51,1958,190) nicht mehr haltbar. PodTheoI147,A.645 und 195,A.815 behan­delt den Brief dennoch als von Kydones verfaßt, ohne LBF 111 f. zu erwähnen. Nach Loenertz muß der Verfasser ein anderer Demetrios aus Thessalonike sein.

3.4.2 Epistula ad magistrum quendam famosum et a multis frequentatum (Fragrn.). Ine: (mu­tiI.) KaAALom 'Kat 1tQa"C"Coov. Ed: MercNot 158 f. nach Vat. 604: 15. Verf.: Mercati hält die Ver­fasserschaft durch Kydones für möglich; er könne aber auch die hier adressierte Person sein. Letzteres ist wahrscheinlicher, denn ein Brief dieser Art ist auch aus der Frühzeit des Kydones nicht überliefert (auch Tl und T2 unterscheiden sich im Stil erheblich); ferner steht im unmittel­baren Kontext des Fragments kein Werk des Kydones, sondern erst foI. 59ff.

3.4.3 Epistula. Ine: 'Eyw "COL~ <p(AOL~ ErtL"CU"C'tOUOLV aE( "CL ßOUA6IJ.EVO~ U1tOUQYELV. Ed: LR 20 nach Vat. 101: 184 (der autographen Kydoneshandschrift von einem Anonymus beigefügt). Verf.: Loenertz zweifelt an der Verfasserschaft des Kydones u. a. wegen der Erwähnung sonst unbekannter Personen durch den Verfasser.

3.4.4 Epistula ad hesychastam quendam. Ine: Tüv IJ.EV 'Ho(oöov A6yo~ alQEL. KrEd: LC 1179 (= Anonymi palamitae epistula 7). Verf.: Von MercNot 47,A.l dem Kydones zugeschrieben. Doch handelt es sich nach LC 1176, App. in der Hs Vat. 678: 83 um ein Autograph des anony­men Palamiten, der nach LC I, VIII spätestens seit 1380 Besitzer dieser Hs war. In LC I 176ff. sind auch seine übrigen Briefe ediert. Auch MercNot 128 f. erwähnt diesen Brief, allerdings ohne sich eingehender mit ihm zu befassen; daher ist ihm die Identität des Briefes mit dem von Mat­thaei (1776) edierten entgangen (ebd. 47,A.l).

3.4.5 Epistula ad monachum quendam (= L121). Ine: OllJ.a( OE 'Kat 1tQÜ EUx:ij~, ist nach LC 11, XVII identisch mit ep. 147 des Synesios von Kyrene (ed. A. Garzya, Romae 1979).

3.4.6 Epistula ad amicum quendam (= L122). Ine: "IO'Ö'L ÖL1tATI IJ.E Eu<pQava~, stammt nach LC 11, XVIIf. von einem unbekannten Verfasser.

3.5 Übersetzungen

3.5.1 Thomas von Aquin, Sermo in Festo SS. Corporis Christi (ed. P. Mandonnet, Bd. 4, Paris 1927, opusc. No. 38, 477-480; demnächst Bd. 44 ed. Leonina). Ine: 'H "C'ij~ OTJIJ.EQOV TJlJ.tQa~ EUcpQ6ouvo~ IJ.vTJIJ.TJ. Unediert. KalekEpLoen 7, Nr. 15 läßt die Frage offen, ob die übersetzung

73

EINLEITUNG

von Kydones oder Kalekas stammt, doch ist nach A. Pertusi, Mise. G. Galbiati 111, Milano 1951, 290 und ders., Boll. Bad. Grottaf. n.s. 12 (1958) 141 f. Abfassung durch Kalekas anzunehmen.

3.5.2 Missa in Nativitate Domini iuxta ritum Ambrosianum. Ed.: A. Fumagalli 1757. Hs-Vor­lage unbekannt. Darüber MercNot 77 - 80 mit begründeten Zweifeln an der Übersetzung durch Kydones.

Anhang:

Die Autographen des K ydones in der Bibliotheca Vaticana

1. Vat. 101. 320 Briefe. Lit: MercNot 157; LC I, IIIf.; LC 11; LR 2ff. 2 Vat. 571: 249 (s.o., 1.7.4). 3 Vat. 609: 8-131,168-171. Thomas von Aquin, Summa theologiae, la.Lit: MercNot 160. 4. Vat. 609: 185ff. (s.o., 2.1.2). 5. Vat. 616: 1 f. Korrekturen, Marginalien, lat. Unterschrift des Kydones. Lit: TurVat 150. 6. Va!:. 706. Diverse Korrekturen des Kydones. Lit: MercNot 161. 7. Vat. 706: 136 (s.o., 1.7.5). 8. Vat. 1096: 171-199 (s.o., 2.1.6). 9. Vat. 1096: 199-221 (s.o., 2.1.5).

10. Vat. 1096: 222 (s.o., 2.1.1). 11. Vat. 1102: 55-76 (s.o., 1.6.1). 12. Vat. 1102: 115-121 (s.o., 1.7.2). 13. 1102: 77-82. Donatio Constantini (init. mutil.). Lit: MercNot 162. 14. Vat. 1115. Diverse Korrekturen und Marginalien. Lit: MercNot 165f. 15. Vat. 1879: 136-148 (s.o., 1.6.2). 16. Vat. Urb. 123. Marginalien.

74

VORBEMERKUNGEN ZUM ÜBERSETZUNGS- UND KOMMENTARTEIL

1. AUSWAHL UND ANORDNUNG DER BRIEFE IM ERSTEN TEIL

Bereits Loenertz hatte es als wünschenswert angesehen, dem Historiker die Briefe des Kydones möglichst in chronologischer Ordnung vorzulegen (LC I, XII). Doch läßt sich von einer chronologischen Ordnung der Briefe in der auf Kydones selbst zurückgehenden Überlieferung nur bedingt sprechen. Kydo­nes kopierte seine Korrespondenz in Hefte, von denen jedes (allerdings mit einigen Ausnahmen) die Briefe eines Zeitabschnittes enthielt. Auf der Basis dieser Hefte legten Kydones selbst (im Vat. gr. 101) und seine Erben die uns heute vorliegenden Briefsammlungen an. Die Anordnung der Briefe in-der

. Überlieferung gibt also einen gewissen Anhaltspunkt, aber zu sicheren Krite­rien der Datierung gelangt man nur mit Hilfe von inneren, sich aus dem Brief selbst ergebenden Gründen. Da aber auch hier viele Unsicherheiten bleiben, hielt sich der Editor mit Recht nicht für befugt, die überlieferte Anordnung in seiner Ausgabe um eines genaueren chronologischen Prinzips willen ausein­anderzureißen. Wer hingegen eine kommentierte Übersetzung vorlegt, die dem Historiker von Nutzen sein soll, hat hier meines Erachtens eine größere Freiheit. So habe ich mich entschlossen, in dieser Publikation die Briefe des Kydones ohne Rücksicht auf die Überlieferung in einer annähernd chronolo­gischen Reihenfolge vorzulegen. Bei einem solchen Verfahren ist die sorgfäl­tige Begründung des für jeden einzelnen Brief angesetzten Datums, die Loe­nertz in seinen veröffentlichten Arbeiten nur für wenige Briefe mitgeteilt hat­te, unentbehrlich. Hilfen für die chronologisch richtige Benutzung des Brief­corpus hat Loenertz selbst in LR 108-122 (Essai de chronologie), in LC II 484-496 (Series epistularum chronologica) und für die Briefe bis 1374 in LOCP 36 und 37 gegeben. Wertvolle Anhaltspunkte für eine Datierung gibt Loenertz auch in kurzen Angaben und Quellenverweisen zum Text der Aus­gabe. Die mir von P. Schreiner und G. T. Dennis (nach Abschluß meiner Vor­arbeiten für den vorliegenden ersten Band) zur Verfügung gestellten unpubli­zierten Aufzeichnungen von Loenertz zum Briefcorpus des Kydones (LS I, LS II, LNB; Näheres dazu unten, Verzeichnis der Quellen etc.) sind für eine Be­gründung der Datierung weniger hilfreich als gelegentlich für das Verständ-

75

EINLEITUNG

nis des Textes und die Prosopographie der Korrespondenten und erwähnten Personen. Sie sind im ganzen wegen ihres Alters (abgefaßt vor Abschluß der Ausgabe) von begrenztem Wert. Jede Benutzung dieses Materials wird durch Zitieren kenntlich gemacht.

Natürlich gibt es eine ganze Reihe von Briefen, die überhaupt keine oder nur sehr ungenaue Anhaltspunkte für eine Datierung enthalten. Doch gibt es für die Datierung der meisten in LC I veröffentlichten Briefe (die auch den überwiegenden Anteil der in diesem ersten Band vorgelegten Briefe liefern) wenigstens einen Anhaltspunkt: die von Loenertz rekonstruierten Sammlun­gen B2

, B4 und B6 der für LC I grundlegenden Handschrift Burneyanus 75 (= B) enthalten (nach LR 64 und LOCP 36,72) ausschließlich Briefe, die bis zur Abreise des Kydones nach Lesbos im Jahr 1373 abgefaßt sind. Es handelt sich um die Briefe, die in LC I in den Büchern II-VIII und X-XII zusammenge­faßt sind. Das von Loenertz dort (LOCP 36,72) ebenfalls genannte Buch XIII ist jedoch auszuschließen: von den darin zusammengefaßten vier Briefen ist nur L119 vor 1374, L120 hingegen danach entstanden, und L121 und 122 sind unecht (nach LC II, XVII). Es ist also gerechtfertigt, alle Briefe der Sammlungen B2

, B4 und B6 in diesen ersten Teil(= Halbband 1 und 2) aufzu­nehmen, dessen Briefbestand mi t der Lesbosreise des K ydones (1373/74) en­det. Es ist allerdings möglich, daß sich unter den mit inneren Kriterien nicht datierbaren Briefen außerhalb dieser Sammlungen (zum Großteil in LC II ediert) noch einige Stücke finden, die in die Zeit bis 1374 zu datieren sind, 'so wie dies nachweislich für L378, L389 und andere der Fall ist. Doch werden von den Briefen der anderen Sammlungen nur die eindeutig in die Zeit bis 1374 datierbaren aufgenommen, die übrigen sollen, damit der überlieferte Bestand nicht unnötig zerrissen wird, möglichst im Kontext ihrer kodikolo­gischen Überlieferung vorgelegt werden.

Dieser erste Übersetzungs band wird also folgende Briefe enthalten: 1. In einer annähernd chronologischen Reihenfolge alle Briefe, die Kydones bis zu seiner Rückkehr von der Insel Lesbos (ca. 1374) verlaßt hat, soweit sie sich mit inneren Kriterien einigermaßen genau datieren lassen. Zu diesem Zweck war die Einführung einer neuen Numerierung notwendig, mit deren Hilfe die Briefe fortlaufend chronologisch gezählt werden. Um die eigene Numerie­rung von der in der Edition Loenertz deutlich zu unterschieden, verwende ich bei der Zitierung der Briefe die Abkürzung L für die Zählung Loenertz, die Abkürzung T für die eigene Zählung, jeweils der Nummer des Briefes vorge­stellt. Um das Nachschlagen zu erleichtern, zitiere ich die Briefe durchweg

76

VORBEMERKUNGEN

(außer bei Verweisen auf den Kommentar) nach beiden Zählungen, nach der eigenen Zählung allerdings vorläufig nur Briefe, die im ersten Teil enthalten sind. In annähernd chronologischer Anordnung enthält der erste Teil die Briefe Tl-117(Tl17/L13 8 ist meiner Ansicht nach der letzte noch auf Les­bos abgefaßte Brief, während L 168 und L 192 entgegen der letzten Annahme von Loenertz [in LC 11] wohl erst nach der Rückkehr des Kydones in die Hauptstadt geschrieben sind). 2. Im Anschluß an die chronologisch näher bestimmbare Gruppe werden aus den Sammlungen B2

, B4 und B6 die auf­grund ihrer handschriftlichen Überlieferung jedenfalls vor 1374 zu datieren­den, aber im übrigen chronologisch nur sehr unpräzise einzuordnenden Briefe vorgelegt. Hier wird im wesentlichen die Reihenfolge in LC I zugrunde gelegt, aber inhaltlich Zusammengehöriges gelegentlich zusammengefaßt. In der Zählung schließe ich diese Briefe an die genauer datierbaren an, kenn­zeichne sie aber durch eine der Zahl vorgesetzte O. Es handelt sich um 21 Briefe, bezeichnet mit den Nummern (T) 0118-0138.

Gemäß den dargelegten Prinzipien für die Aufnahme von Briefen in den er­sten Übersetzungsband wurden folgende Briefe aus LC I nicht aufgenom­men: L2 und L4 (nicht näher datierbare Briefe der Sammlung BI = Buch I in LC I); L8 0-84 = Buch IX in LC I = Sammlung B3 nach LC I, XIII (die mit in­neren Kriterien datierbaren Briefe dieser Sammlung gehören in eine wesent­lich spätere Zeit); L121 und 122 scheiden nach LC 11, XVII als unecht aus; von den Briefen des Buches XV die Nummern L127 und 128 (bei L127 ist die Datierung bis 1374 sehr unwahrscheinlich; L128 läßt sich weder kodikolo­gisch noch inhaltlich näher datieren); L130 (aus inneren Gründen später an­zusetzen); L120 (laut der Überschrift in Hs 0 an «Kaiser» Manuel gerichtet, also nach dessen Erhebung zum Mitkaiser am 25. 9. 1373 abgefaßt; da er andererseits in Konstantinopel geschrieben ist, muß er aus der Zeit nach der Rückkehr des Kydones in die Hauptstadt stammen: zur Zeit der Erhebung Manuels zum Mitkaiser hielt sich Kydones bereits auf Lesbos auf).

Zur Aufnahme der traktatähnlichen Epistel zur Verteidigung des Procho­ros (aus MercNot 346ft.) unter der Nummer T81 vgl. oben, Werke, 1.5,/ S.66.

Um die Benutzung zu erleichtern, schließe ich im folgenden zwei Konkor­danzen der Briefnummern des gesamten ersten Teils (1. und 2. Halbband) an. Die erste schlüsselt die Zählung von Loenertz mit der eigenen auf (unter An­gabe, welche Briefe LC I bzw. LC 11 entnommen sind), die zweite die eigene Zählung mit der von Loenertz (mit Adressat und Datierung).

77

EINLEITUNG

Aus technischen Gründen wird der erste Teil in zwei Halbbänden vorge­legt. Der erste Halbband enthält außer der Einleitung die Briefe Nr. 1-48 der eigenen Zählung, insgesamt 47 Briefe (da Nr. 33, s. Begründung dort, eine Leerstelle ist). Der Einschnitt nach T48 erweist sich als sinnvoll, weil mit T49 die Reihe der Briefe an Georgios Philosophos beginnt und zwischen T48 und T49 eine Reise des Kydones nach Thessalonike liegt.

2. KONKORDANZ DER BRIEFNUMMERN IM ERSTEN TEIL

2.1 Reihenfolge nach der Zählung von Loenertz

Aus LC I L28 = T74 L57 = T35 L29 = T75 L58 = T36

L1 = T82 L30 = T56 L59 = T28 L2 nicht im 1. Teil L31 = T49 L60 = T25 L3 = T43 L32 = T57 L61 = T38 L4 nicht im 1. Teil L33 = T66 L62 = T39 L5 = T15 L34 = T78 L63 = T94a L6 = T7 L35 = T87 L64 = T26 L7 = T8 L36 = T72 L65 = T62 L8 = TI0 L37 = T86 L66 = T 0125 L9 =T13 L38 = T41 L67 = T91 LI0 = T14 L39 =T71 L68 = T88 Lll = T3 L40 = T23 L69 = TI0l L12 = T5 L41 = T31 L70 = T98 L13 = T32 L42 = T30 L71 = T73 L14 = T29 L43 = T16 Ln = T20 L15 = T27 L44 = T 0118 L73 = T54 L16 = T4 L45 = T 0119 L74 = T 0126 L17 = T6 L46 = T44 L75 = T 0127 L18 = T17 L47 = T45 L76 = T 0133 L19 =T12· L48 = T 0120 L77 = T95 L20 = T22 L49 = T37 L78 = T53 L21 = T76 . L50 = T42 L79 = T85 L22 = T77 L51 = T34 L80 nicht im 1. Teil L23 = T83 L52 = T 0122 L81 nicht im 1. Teil L24 = T90 L53 = T 0123 L82 nicht im 1. Teil L25 = T92 L54 = T46 L83 nicht im 1. Teil L26 = Tll L55 = T99 L84 nicht im 1. Teil L27 = T9 L56 = T 0124 L85 = T 0128

78

VORBEMERKUNGEN

L86 = T19 LI09 = T47 Aus LC II L87 = T18 Lll0 = T50 L88 = T21 Lll1 = T80 L132 = Tll1 L89 = T51 L112 = T 0121 L133 = Tl12 L90 = T 0129 Ll13 = T 0137 L134 = Tl13 L91 = T 0130 L114 = TI00 L135 = T114 L92 = T2 L115 = T96 L136 = Tl15 L93 = T59 L116 = TI02 L137 = T116 L94 = T61 L117 = TI09 L138 = T117 L95 = T 0131 L118 = Tll0 L147 = TI05 L96 = T60 L119 = T89 L151 = T94 L97 = T63 L120 nicht im 1. Teil L156 = TI04 L98 = T64 L121 nicht von Kydones L181 = T97 L99 = T 0132 L122 nicht von Kydones L193 = TI06

LI00 = T65 L123 = Tl Ll~1 = TI07 LI0l = T 0134 L124 = T52 L195 = TI08 LI02 = T 0135 L125 = T58 L275 = T48 LI03 = T69 L126 = T 0138 L325 = T67 LI04 = T70 L127 nicht im 1. Teil L378 = T40 LI05 = T 0136 L128 nicht im 1. Teil L389 = T24 LI06 = T84 L129 = T68 L400 = T93 LI07 = T79 L130 nicht im 1. Teil LI08 = T55 L131 = TI03 MercNot 346ff. = T81

2.2 Reihenfolge nach der eigenen Zählung

Ort

Thessalonike Tl = L123 T2 = L92 T3 =Lll T4 = L16 T5 =L12 T6 = L17

Berroia T7 = L6 T8 = L7 T9 = L27 TI0 = L8 Tll = L26

Adressat

Nikephoros Gregoras Ein angesehener Richter Ioannes Kantakuzenos Ioannes Kantakuzenos Ioannes Kantakuzenos Manuel Kantakuzenos

Ioannes Kantakuzenos Ioannes Kantakuzenos Leon Kalothetos Ioannes Kantakuzenos Leon Kalothetos

Datum

1341 oder früher Vor Frühjahr 1345 (?)

Nov. 1341/März 1342 (?)

April/Mai 1342 Sommer 1342 oder Frühjahr 1343 Ca. 1344

Juli 1345 Ca. August 1345 Ca. August 1345 Ca. Okt./Nov. 1345 Ca. Okt./Nov. 1345

79

EINLEITUNG

Ort Adressat Datum

Selymbria T12 = L19 Manuel Kantakuzenos Winter 1345/46 TB = L9 Ioannes Kantakuzenos April/Mai 1346

Ort in Thrakien T14 = L10 Ioannes Kantakuzenos Ca. Aug./Sept. 1346 T15 = L5 Brief ohne Anschrift 2. Sept. 1346 T16 = L43 Isidoros Bucheiras Ca. Sept. 1346 T17 = L18 Manuel Kantakuzenos Ca. Sept. 1346

Konstantinopel T18 = L87 Nikolaos Kabasilas Ca. März/April 1347 T19 = L86 Isidoros Bucheiras Mai/Juni 1347 T20 =L72 Maximos Kalopheros Herbst 1347 T21 = L88 Ein Kleriker (Mönch?) Herbst 1347-Sommer 1348 T22 = L20 Manuel Kantakuzenos Einige Zeit nach 25. 10. 1349 T23 = L40 Ein Freund. Tarchaneiotes? 1347-1354; wahrschein-

lich vor Herbst 1350 T24 = L389 Helene Kantakuzene/ 1347-1352; wahrscheinlich

Palaiologina 1350/1351 T25 = L60 Ein Freund 1352 (?) T26 = L64 Ein Freund, Gesandter in Thrakien Frühjahr 1352 T27 = L15 Ioannes Kantakuzenos Sommer 1352 T28 = L59 Ein rhetorisch gebildeter Freund

in der Umgebung des Ioannes Kantakuzenos. Tarchaneiotes? Sommer 1352 (?)

T29 = L14 Ioannes Kantakuzenos Sommer 1352 T30 = L42 Sekretäre des

Ioannes Kantakuzenos Sommer 1352 T31 = L41 Sekretäre des

Ioannes Kantakuzenos Sommer/Herbst 1352 T32 =L13 Ioannes Kantakuzenos Okt.1352 T33 vacat T34 = L51 Ioannes Pothos Okt. 1352 T35 = L57 Ein Sekretär des

Ioannes Kantakuzenos Okt.-Winter 1352 T36 = L58 Prochoros Kydones Frühjahr 1353/Herbst 1354 T37 = L49 Alexios (?) Kassandrenos Ca. 1355 T38 = L61 Georgios Synadenos Astras Ca. 1355 T39 = L62 Ein am Kaiserhof einfluß-

reicher Freund 1356 T40 = L378 Neilos Kabasilas 1356 (?) T41 = L38 Prochoros K ydones Ca. 1356

80

VORBEMERKUNGEN

Ort Adressat Datum

T42 = L50 Alexios Kassandrenos Ca. 1356 T43 = L3 Konstantinos Asanes Frühjahr 1358 T44 = L46 Georgios Synadenos Astras 1358/9 T45 = L47 Georgios Synadenos Astras 1358/9 (bald nach T44) T46 = L54· Georgios Synadenos Astras Ca. 1359/60 T47 = L109 Konstantinos Asanes Ca. 136112

T48 = L275 Demetrios Kassandrenos (?) Herbst 13611Winter 136112

Ende des ersten Halbbandes

Reise des Kydones nach Thessalonike und Rückkehr nach Konstantinopel

T49 = L31 Georgios der Philosoph Ca. Frühjahr 1362 T50 = Lll0 Georgios der Philosoph Ca. Sommer 13 62 T51 = L89 Ioannes V. Palaiologos Sommer 1363 (?) T52 = L124 Nikolaos Kabasilas Sommer 1363 T53 = L78 Ein literarisch gebildeter

Freund. Tarchaneiotes? Herbst 1363 (?) T54 = L73 Ioannes Laskaris Kalopheros Herbst 1363 (?) T55 = L108 Georgios Synadenos Astras Herbst 1363 T56 = L30 Manuel Raul Metochites Herbst 1362/Frühjahr 1363 T57 = L31 Georgios der Philosoph Frühjahr oder Herbst (?) 1363 T58 = L125 Nikolaos Kabasilas Herbst 1363 T59 = L93 Simon Atumanos Sommer 1364 T60 =L96 Georgios Synadenos Astras Ca. Frühjahr 13 65 T61 = L94 Ein Freund Sommer (?) 1365 T62 = L65 Ein Freund in angesehener

Stellung Sommer (?) 1365 T63 = L97 Georgios der Philosoph Sommer 1365 T64 = L98 Tarchaneiotes Ca. Herbst 13 65 T65 = UOO Ein Freund und Arzt des

Kaisers Ioannes V. Ca. Herbst 1365 T66 = L33 Georgios der Philosoph Herbst 1365 (?) T67 = L325 Ioannes Laskaris Kalopheros Winter 1365/6-Frühjahr 1366 T68 = L129 Philotheos Kokkinos Ende März/Anfang April 13 68 T69 = L103 Simon Atumanos Winter 1367/68 T70 = L104 Ein Freund 1368-Sommer 1369

Reise nach Italien

T71 = L39 Prochoros Kydones Nov. 1369-März 1370 T72 = L36 Andronikos Oinaiotes Ca. Sommer 13 70 T73 =L71 Konstantinos Asanes Ca. Herbst 13 70

81

EINLEITUNG

Ort Adressat

Rückkehr nach Konstantinopel

T74 = L28 Demetrios Palaiologos T75 = L29 Phakrases, Großprimikerios T76 = L21 Manuel Palaiologos T77 = L22 Manuel Kantakuzenos T78 = L34 Georgios der Philosoph T79 = L107 Ein Freund (Tarchaneiotes?) T80 = Lll1 Ein Freund (Tarchaneiotes?) T81 = MercNot

346ft. Ein Freund, Antipalamit T82 = L1 Georgios Perdikes (?) T83 = L23 Manuel Palaiologos T84 = L106 Demetrios Palaiologos T85 = L79 Manuel Palaiologos T86 = L37 Ioannes Laskaris Kalopheros T87 = L35 Ioannes Kyparissiotes T88 = L68 Ein Freund in politisch

einflußreicher Stellung T89 = L119 Mönch Ioasaph T90 = L24 Ein Freund; Ioannes Laskaris

Kalopheros (?) T91 = L67 Ein Mönch, ehemals Bekannter

des Prochoros Kydones T92 = L25 Helene Kantakuzene Palaiologina T93 = L400 Ioannes Kantakuzenos =

Mönch Ioasaph T94 = L151 Theodoros Meliteniotes T94a = L63 Ein Freund T95 = L77 Phakrases, Großprimikerios T96 = L115 Ein Unbekannter, im Kaiserpalast (?) T97 = L181 Ein Freund T98 = L70 Ioannes V. Palaiologos T99 = L55 Ein Freund in einflußreicher

Stellung am Kaiserhof T100 = L114 Eine einflußreiche Persön-

lichkeit am Kaiserhof T101 = L69 Ein Freund, im Palastdienst (?)

T102 = L116 Demetrios Angelos Manikaites T103 = L131 Ein Bischof T104 = L156 Ein einflußreicher Freund

am Kaiserhof

82

Datum

Sommer 1371 Sommer 1371 Ca. Sommer 13 71 Sommer 1371 Sommer 1371 SommerlHerbst 13 71 Herbst 1371 (?); 1362 (?)

1371 (?) 1371 (?) Ca. Herbst 13 71 Ca. Herbst 13 71 Herbst 13 71/Winter 13 71/2 Winter 1371/2 Winter 1371/2; Sommer 1371 (?)

1371/2 (?) Frühjahr 1372 (?) 1371/4

1371/2 Sommer 13 71/Sommer 13 73 (?)

1371/2 Ca. Herbst 13 71-Anfang 13 72 Herbst 13 71-Anfang 13 72 November 1371 (?);nach 10A.1372(?) 1372 (?) 1372 (?) 1372 (?)

1372/3 (?)

1372/3 (?) 1372/3 (?) 1372/3 (?) 1371/3 (?)

1372/3 (?)

Ort Adressat

TI05 = L147 Ioannes V. Palaiologos TI06 = L193 Ioannes V. Palaiologos TI07 = L194 Ein Begleiter des

Kaisers Ioannes V. TI08 = L195 Ein Freund TI09 = L117 Ioannes V. Palaiologos

T110 = L118 Sguropulos

Reise nach Lesbos

Tl11 = L132 Tl12 = L133

Tl13 = L134 T114 = L135 T115= L136

T116= L137 T117 = L138

Manuel Palaiologos Ein im Kaiserpalast einflußreicher Freund Helene Kantakuzene Palaiologina Andreas Asanes Ein Briefschreiber im Auf­trag eines Despoten Ein langjähriger Freund Ein literarisch gebildeter Freund

Rückreise nach Konstantinopel

VORBEMERKUNGEN

Datum

Mai 1373 (?)

Sommer 1373 (?); Frühjahr 1374 (?)

Sommer 1373 (?); Frühjahr 1374 (?) Sommer 1373 (?); Frühjahr 1374 (?)

September 1373 (??) oder Herbst 1372 (?) Winter 1372/3 (?) (Fragment)

Ca. Okt. 13 73

Ca. Okt. 13 73 Ca. Okt. 13 73 Herbst 1373 (?)

1373 Okt.-Frühjahr 1374 (?)

Ca. Spätherbst 13 73 Herbst 1373/Winter 1373/4

Oberhaupt nicht oder nur ungenau datierbare Briefe aus LC I, alle verfaßt vor 1374

T 0118 = L44 Sguropulos 1350/73 T 0119 = L45 Mönch Galaktion 1347173 T 0120 = L48 Phakrases 1347173 T 0121 = L112 Phakrases (?) 1347173 T 0122 = L52 Ein literarisch gebildeter

Freund Ca. 1350173 T 0123 = L56 Ein literarisch gebildeter

Freund Ca. 1362 (??) T 0124 = L53 Ein Antipalarnit=Adressat

von 0123 Ca. 1362 (??)

T 0125 = L66 Eine bedeutende Persönlichkeit 1340-1350 (?)

T 0126 = L74 Befreundete Mönche 1341/73 T 0127 = L75 Ein Freund 1355173; Nov. 1371/Frühj. 1372 (?) T 0128 = L85 Ein Freund 1347173 T 0129 = L90 Ein Freund 1347173 T 0130 = L91 Ein Freund 1347/69 T 0131 = L95 Ein rhetorisch gebildeter

Freund Vor 1374 T 0132 = L99 Ein verbannter Antipalarnit 1355/März 1368 (?)

83

EINLEITUNG

Ort Adressat Datum

T 0133 = L76 Ein zu Unrecht Verfolgter 1355/69 (?) T 0134 = LlOl Ein ehemaliger Studienkollege

und Freund 1347/73 T 0135 = Ll02 Ein ehemaliger Studienkollege

und Freund 1347/73 T 0136 = L105 Ein rhetorisch gebildeter

Freund 1357/9 (??) T 0137 = Ll13 Laskaris 1372/3 (??) T 0138 = L126 Nikolaos Kabasilas 1371/2 (??)

3. ZUR ÜBERSETZUNG

Jeden übersetzten Brief leitet eine Titelleiste mit folgenden Angaben ein: In der ersten Zeile die Nummer nach der eigenen Zählung und die Überschrift gemäß der handschriftlichen Überlieferung, soweit eine solche vorhanden ist. Mit der zweiten Zeile beginnen die weiteren Angaben: L = Loenertz­Zählung des Briefes; OKyd: Aufenthaltsort des Kydones bei der Abfassung; E: Name und ggf. Titel des Empfängers; falls der Name unbekannt ist, eine dem Brief entnommene Kurzbeschreibung; OE: Aufenthaltsort des Empfän­gers; D: Datum der Abfassung; wI (= wesentlicher Inhalt): Knapp gefaßte Angabe über den Briefinhalt. Die Kategorie E entfällt, wenn sich die notwen­dige Information über den Empfänger bereits aus dem überlieferten Titel (er­ste Zeile) ergibt.

Die Zeilen der Übersetzung werden nach der Ausgabe von Loenertz ge­zählt. Die Übersetzung sucht zwischen Genauigkeit und Verständlichkeit die Waage zu halten. Auch größere Satzgefüge werden aus Treue zum Stil des Kydones im allgemeinen nicht aufgelöst. Freie Übersetzungen und unklare Stellen werden im Kommentar erläutert.

Der für den griechischen Brief seit der Ptolemäer- und vor allem seit der Kirchenväterzeit bzw. Libanios typische Wechsel von «ich» und «wir» (sog. pluralis sociativus) zur Bezeichnung der 1. Person Singular wurde in der Übersetzung beibehalten wie auch von Dennis in ManEp(Den). Vgl. zu die­sem Phänomen die grundlegende Arbeit von H. Zilliacus zu diesem Thema: ZillNum. Dort zum plur.soc. insb. 10, Begriff; 45, Ptolemäerzeit; 57, Kir­chenväter und Libanios. Der byzantinische «reinsprachliche)) Briefstil kennt wie der antike nicht eine grundsätzliche Höflichkeitsanrede, die unserem

84

VORBEMERKUNGEN

«Sie» entspricht. An ihre Stelle tritt, wie Zilliacus zeigt, eine Fülle von Mög­lichkeiten, die höfliche Anrede auszudrücken. So sehr es der heutigen Praxis entsprechen würde, als Anrede grundsätzlich «Sie» zu verwenden, so habe ich doch darauf verzichtet, damit das Gefühl für den freieren Gebrauch sol­cher Wendungen im Griechischen durch die Übersetzung nicht verlorengeht und nicht der Eindruck entsteht, es gebe im Griechischen eine dem «Sie» ent­sprechende Höflichkeitsanrede. Der bei Zilliacus belegte Wechsel von «du» und «ihr» scheint allerdings bei Kydones nur selten (z.B. T86/L37,48) vor­zukommen; beliebt ist bei ihm aber die respektvolle Anrede mit HAUPT (s. T19, A.2; T22, A.10 u.ö.). Im ganzen ist er im Gebrauch solcher Wendun­gen sparsam, auch da, wo man sie erwarten sollte (s. die Briefe Tl, T2 und die Briefe an Kaiser loannes Kantakuzenos).

4. ZUM KOMMENTAR

Der Übersetzung jedes einzelnen Briefes schließt sich ein Kommen­tar(K)an, gegliedert in vier mit römischen Ziffern bezeichnete Kategorien.

I. Begründung der Angaben in der Titelleiste der Übersetzung über OKyd,E (soweit nicht in der handschriftlichen Überlieferung im Titel ange­geben), OE und D (zu den Abkürzungen s.o., 3.), gelegentlich aus Gründen der Zweckmäßigkeit in abgewandelter Reihenfolge.

11. Historischer Gehalt des Briefes in systematischer Zusammenstellung, ggf. unter Heranziehung anderen Quellenmaterials, erläutert: zur Biogra­phie des Kydones (BKyd), des Empfängers (BE), erwähnter dritter Personen und Personengruppen (X, in der Reihenfolge der ersten Erwähnung für jeden Brief durchgezählt, also Xl usw.), zur Zeitgeschichte (ZG), schließlich die Angabe der im Brief erwähnten erhaltenen oder (meist) nicht erhaltenen Briefe von Kydones, dem Empfänger oder anderen Personen (Ep).

111. Angaben über die handschriftliche Grundlage der Edition unter Ver­wendung der von Loenertz eingeführten Siglen (Hs oder Hss), über Ausga­ben des Briefes vor LC I und 11, Übersetzungen und Sekundärliteratur, soweit sie nicht schon im Zusammenhang einer der anderen Kategorien genannt ist (Ed, Vb, Lit).

IV. Aufschlüsselung der Anmerkungen im Brief text. Die Anmerkungen enthalten Angaben zum Verständnis des Textes, sachliche Erläuterungen, Worterklärungen, Literarisches und geben Aufschluß über Zitate und An-

85

EINLEITUNG

spielungen. Die literarischen Erläuterungen beziehen sich auf epistologra­phische, rhetorische und stilistische Details, ohne Vollständigkeit zu bean­spruchen. In einzelnen Fällen wird auch der Aufbau eines Briefes gewürdigt. Eine grundsätzliche Abhandlung zum Briefstil des Kydones ist für den Schluß des auf drei Bände geplanten Übersetzungs- und Kommentarwerkes auf­grund des dann in seiner Gesamtheit vorliegenden Materials vorgesehen, wird also im dritten Band nachgeholt werden.

Die unter den Rubriken BE und X zusammengefaßten Informationen der Kydonesbriefe über die Biographie der Empfänger und dritter'Personen wer­den beim ersten Vorkommen des Namens durch eine zusätzliche Notiz oder durch einen längeren Exkurs ergänzt. Die kürzere Notiz wird unmittelbar unter BE gegeben, der Exkurs folgt dem Brief, in dem der Name erstmals vorkommt. Je nach dem Erfordernis wird der Exkurs in Form eines allgemei­nen biographischen Abrisses aus allem verfügbaren Quellenmaterial oder, falls schon solche Abrisse oder Biographien in der neueren Sekundärliteratur vorliegen, als Zusammenfassung der Information aus allen Kydonesbriefen gegeben. Im folgenden wird eine Liste aller biographischen Zusamm~nfas­sungen im ersten Halbband des ersten Teiles vorgelegt, mit der Angabe, ob es sich um eine Notiz (N.), um einen biographischen Abriß (b.A.) oder um eine Zusammenfassung der Information aus den Kydonesbriefen (Inf. Kyd.) han­delt.

5. ÜBERSICHT ÜBER BIOGRAPHISCHE NOTIZEN UND EXKURSE

Akakios, Mönch: T45, X2, S. 276 (N.) Angelos, Manuel: T26,E, S. 195 f. (N.) Archos: T25, Xl, S. 191 (N.), vgl. auch S. 195 f. Asanes, Konstantinos: T43, BE, S. 268f. (N.) Astras, Georgios Synadenos: T38, S. 250-254 (b.A.) Bucheiras, Isidoros, Mönch, später Patriarch: T16, S. 158-163 (b.A.) Chamaetos, s. Kabasilas Diplobatatzes: T34, X6, S. 229 Gregoras, Nikephoros: Tl. Zur Person s. DietGreg I 1 H.; BeyGreg Isidoros, Patriarch, s. Bucheiras Kabasilas Chamaetos, Neilos: T40, E, S. 259f. (N.) Kabasilas Chamaetos, Nikolaos: T18, BE, S. 267 (Lit.) Kalopheros, Maximos: T20, BE, S.176 (N.). EszKal, Index, s.v. Kalothetos, Leon: T9, S. 128-131 (b.A.); vgl. T44, D, S. 271f.

86

Kantakuzene, Helene: T24, E, S. 188 (N.). NicKant 135-138 Kantakuzenos, Ioannes: T3, S. 95-100 (Inf.Kyd.). NicKant 35-103 Kantakuzenos, Manuel: T6, S. 115 -117 (Inf.Kyd.). NicKant 122-129 Kantakuzenos, Matthaios: T12, S. 139f. (Inf.Kyd.). NicKant 108-122 Kassandrenos, Alexios: T37, E und BE, S. 245 (N.); T42, BE, S. 264 Kassandrenos, Demetrios: T48, E, S. 285 (N.) Kassandrenos: T38, X3, S. 249 (N.) Kydones, Prochoros: T36, S. 237-244 (b.A.) Lampudios: T34, X2, S. 229 (N.) Orchan: T43, Xl, S. 269; T47, ZG, S. 281 (N.) Palaiologina, Helene, s. Kantakuzene Palaiologos, Ioannes, V., Kaiser: T26, S. 198-205 (Inf.Kyd.) Palaiologos: T45, X3, S. 276 (N.) Pepagomenos: T19, Xl, S. 172 (N.) Philes, Ioannes: T26, E, S. 195f. (N.) Potamiates: T30, X3, S. 216 (N.) Pothos, Ioannes: T34, E und X2, S. 223 (N.) Pothos, Markos: T38, Xl, S. 249 (N.), vgl. T39, X3, S. 256 Sguropulos: T48, X3, S. 285 (N.) Süleyman, Sohn Orchans: T27, Xl, S. 207; T32, X3, S. 226 (N.) Tarchaneiotes, Manuel (?): T30, S. 218-221 (b.A.)

VORBEMERKUNGEN

Tzykandeles (= Tzikandeles): T29, Xl, S. 211f. (N.); vgl. T35,A.3 und 5, S. 232

87

DIE BRIEFE

1 - Aus T1-IDiSALONlKE AN"-NlKEPHOROS GREGORAS1

L: 123; OE: Konstantinopel; D: 1341 oder früher; wI: Versuch, die Gunst des Gregoras und seine Vergebung in einer Angelegenheit zu finden, in der Kydones fälschlich beschuldigt wird.

Ich möchte mich keinesfalls für würdig halten, zu den Guten zu zählen, so­lange ich es für das Beste halte, sich selbst zu erkennen2

• Von denen aber, die 5

solche schätzen und an bedeutenden Männern ihre Freude haben, will ich mich vielleicht nicht den ersten, aber doch den zweiten nennen3

• Es strebt ja nach allgemeiner Ansicht alles zum Guten hin, auch wenn es selbst nicht gut ist4

Wenn es sich denn so verhält und ich zwar nicht zu den Guten gehöre, Menschen dieser Art aber gebührend verehre, du4a hingegen die anderen Gu- 10

ten so weit überragst, wie diesen die Nichtswürdigen nachstehen, kannst du daraus folgern, wie ich für dich wunderbare Seele empfinde, es sei denn, du willst auf die Rücksicht nehmen, die grundlos Unruhe gestiftet haben und sich durch Anklagen gegen andere beliebt machen wollen5

• Tu tätest daher Unrecht, über die, die so für dich empfinden, das Gegenteil von dem zu den­ken, was sie über dich auch den anderen erzählen würden6

• Wenn du aber 15

anderer Meinung bist und wir dir nichtswürdig, böswillig und von ganz min­derwertigem Charakter zu sein scheinen, würdest du doch wohl auf keinen Fall leugnen, daß es schön wäre, denen, die sich mit dir versöhnen wollen und sich selbst anklagen, Verzeihung zu gewähren7

• So sei es denn: gewähre uns in einem Brief die Vergebung und laß die von deinen Gütern kosten, die da-nach verlangen. 20

K I. OK yd und E ergeben sich aus der Überschrift in der Handschrift. OE: Seit seiner Gesandt­

schaftsreise nach Serbien (1326) hielt sich Gregoras ständig in Konstantinopel auf. Zu seiner Biographie vgl. jetzt vor allem BeyGreg. D: Der entscheidende Anhaltspunkt für die Datierung ist die Angabe der Hs (Vat.gr. 1086), der Brief sei aus Thessalonike geschrieben, wo sich Kyd. nur bis spätestens Frühsommer 1345 aufgehalten hat (s.o., S. 9 mit A.34). Der spätere kurze Aufenthalt des Kyd. in Thessalonike (s . .o., S. 16 mit A.86) kann hier außer Betracht bleiben, da Gregoras (t 1358/61 nach BeyGreg 155) damals (sc. 1361/2) wohl schon tot war, und außer­dem, weil der respektvolle Ton des Briefes nicht mehr in diese Zeit passen würde. Weder war Gregoras kurz vor seinem Tode noch der von allen verehrte Lehrmeister noch hätte Kyd. in sei-

89

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

ner Position beim Kaiser einen Grund für ein solches Schreiben gehabt. Nach LOCP 36,49 ge­hört der Brief (wenn er wirklich von Kyd. sei, wovon Loenertz trotz des klaren Votums der Hs nicht voll überzeugt scheint) von seinem Tenor her in die Zeit, als Kyd. in Thessalonike seine Studien betrieb, d.h., vor dem Tod des Vaters (April/Juni 1341 nach LBF 1430), denn nach KydApol I 359,20ff. zwang ihn dies Ereignis, seine Studien abzubrechen und für die Familie zu sorgen.

11. BKyd: Vgl. wI und die Bemerkung zu D. Worin die Anklage gegen Kyd. (13) bestanden haben könnte, ist schwer auszumachen. Auch die Annahme, daß er wegen Beziehungen zu Bar­laam von Kalabrien den Unwillen des großen Gelehrten vermutet oder wirklich erfahren hat (?), ist nicht zu beweisen, vgl. 0., S. 7 mit A.16-18. Es gibt keinerlei Anzeichen oder Belege dafür, , daß dieser Brief den gewünschten Erfolg hatte. BE: Der Brief setzt voraus, daß sich Gregoras in geachteter Stellung befindet, was vor allem für die Zeit von 1331-1341 zutrifft (DietGreg I 10-12). Xl: Gewisse Ankläger, die eine Gefahr für eine gute Beziehung zwischen Kyd. und Gregoras bedeuten (Gegner Barlaams in Konstantinopel?) (12f.).

III. Hs: E 228v -229r (s.LC I,XI). Ed: J. Boivin im Corpus Parisinum 1702, danach L. Scho­pen in der Gregorasausgabe des CB, I, XCI, nicht erwähnt LC I, XIVf. S. aber GregEp 11 276.

IV. 1 Im Gegensatz zu den folgenden der Hs B entnommenen Briefen enthält dieser in einer Gregorashandschrift (Vat. gr. 1086) überlieferte Brief neben der Anschrift auch den Aufenthalt­sort des Absenders in der Überschrift.

2 Der Brief beginnt mit einer Bescheidenheitswendung. Die gewählte Übersetzung setzt ge­gen die Ausgabe von Loenertz die Lesart «YLvwm(.ELv aut6v» statt «aut6v» voraus. Meine an­fänglichen Bedenken gegen diese Korrektur (die durch die Ausgabe im CB gestützt wird) wurden durch Herrn van Dieten zerstreut, der zwar wie ich im Mikrofilm der Hs eeaut6v» liest, es aber für möglich hält, daß dieses nachträglich Änderung eines vorherigen eeaut6v» ist. Die Beziehung zwischen eeYLvwm(.ELv Eaut6v» und e<avTJQ aya'fr6<;» hat zudem bereits ihr antikes Vorbild in Ps.-PIAlk 1131 b. Im übrigen nimmt Kyd. den Gedanken, er zähle nicht zu den Guten, in Z.8 f. wieder auf. Vgl. eine ähnliche Bescheidenheitswendung in T89/L119,15 f. Bescheidenheitswen­dungen als Bestandteil der Korrespondenzeröffnung finden sich mehrfach in diesem und den beiden folgenden Briefen (T2 und T3).

3 Bescheidenheitswendung: nicht einmal unter den Verehrern der eeaya'froL äVÖQE<;» ist Kyd. der erste. Der Gedanke eeich gehöre nicht zu den Guten, freue mich aber an ihnen» auch in KalekEp Nr. 45,6 f. In T101/L69,13 nimmt sich Kyd. ironisch von der Gruppe der «Guten» aus.

4 Aristot EN 1,1: 1094a3; KydMort 42,25-43,3. Geschickt leitet der Brief mit zwei allge­meinen Feststellungen (4-5; 7 - 8) zum konkret Gemeinten über. Zum Problem der Korrespon­denzeröffnung (zweifellos handelt es sich um den ersten und faktisch auch einzigen Brief des Kyd. an Gregoras) s. Hunger I 222.

4a Zum Verzicht auf das deutsche e<Sie» in der Anrede s.o., S. 84f. 5 Zum Problem, wer hier gemeint sein könnte, s.o., BKyd. 6 Der sehr gestelzt formulierte Satz (der vielleicht noch eine gewisse sprachliche Unsicher­

heit des jugendlichen Kyd. zeigt?) meint, Gregoras solle die Verehrung von Anhängern wie Kyd. ohne Mißtrauen annehmen.

7 Die angebotene Alternative ist fragwürdig; sie übertreibt die Bescheidenheit zur unange­messenen Selbstanklage. Ausdruck d~r jugendlichen Unsicherheit des Kyd.? Der Bezug auf die «Kühnheit» der Korrespondenzeröffnung (s. T2,A.2; A.5} ist nicht so klar wir in T2.

90

BRIEFE Tl-Tl

2

L: 92; OKyd: Thessalonike (?); E: Ein angesehener Richter; OE: Thessalonike (?); D: Vor Frühjahr 1345 (?); wI: Respektvoller Versuch einer Kontaktaufnahme.

Die Zuneigung drängt mich, mit dir brieflichen Kontakt aufzunehmen1.

Wenn ich mir aber den Empfänger des Briefes vorstelle, so ruft er, nichts sei kühner als diese Frechheit2

• Da aber das Gute stärker ist als das Böse und der, 5

der am meisten zu lieben fähig war, sagte, die vollkommene Liebe vertreibe die Furch~, wollen wir die Furcht von uns werfen und das tun, was die Liebe gebietet. So schreiben wir denn und wünschen dir Wohlergehen und alles, was ein Leben ohne Trauer ermöglicht, uns selbst aber Verzeihung für unsere Kühnheit, und wir hoffen zuversichtlich, sie nicht zu verfehlen, da deine Güte4 mir alles verheißt. Wenn aber die Gesetze des Anstandes gebieterisch 10

erklären, mein Vergehen sei zu groß für eine Vergebung, dann komm und be­strafe mich. Wir werden jedenfalls gern ertragen, was du zu leiden oder zu büßen befehlen magsts. Denn nichts hat mehr Geltung für uns als deine Ent­scheidungen: Kaiser richteten sich danach; es bewunderten sie die, denen an der Gerechtigkeit gelegen ist; keiner aber, nicht einmal die Verurteilten selbst, konnten daran etwas aussetzen6

K I. OK yd, D: Es spricht einiges dafür, diesen Brief, dessen Adressat nicht überliefert ist, in die

Jugendzeit des Kyd. in Thessalonike (bis 1345) zu datieren. Ähnlich wie hier knüpft Kyd. in Tl und T3 mit dem Briefpartner Kontakt, vor allem mit Bescheidenheitswendungen, die zwar dem Klischee entsprechen, aber zumindest in seiner Position am Kaiserhof seit 1347 bei ihm kaum noch zu erwarten sind. Da zudem jede Anspielung auf eine. Notlage fehlt, scheidet wohl auch die Zeit von 1345 -134 7 aus. E: Auf den Beruf des Empfängers läßt der letzte Satz des Briefes, auf seine angesehene Stellung der ganze Tenor des Briefes schließen. Loenertz vermutet einen ehe­maligen Richter (<<ex iudice» in seiner Überschrift zum Brief), wohl weil seine beruflichen Er­folge im letzten Satz in der Vergangenheit (Aorist) aufgezählt werden; doch erscheint mir die Annahme, er sei deshalb nun Richter «im Ruhestand», nicht zwingend. OE: Da im Gegensatz zum Brief an Gregoras jede Bitte um eine schriftliche Antwort fehlt, ist es am wahrscheinlich­sten, daß der Empfänger sich am gleichen Ort wie Kyd. aufhielt und dieser mit seinem Brief einen persönlichen Kontakt einleiten wollte.

11. BKyd: Vgl. zu OKyd, D. 111. Hs: B 266v

, Nr. 131. IV. 1 Zuneigung als Begründung der Kontaktaufnahme auch am Anfang von Tl und T3.

(Topoi der Korrespondenzeröffnung: s.Tl,AA). 2 Auch der Hinweis auf die eigene Kühnheit ist ein Bescheidenheitstopos der Korrespon­

denzeröffnung, vgl. Hunger I 222. So auch T3,5 (Kühnheit); 13 (Schamlosigkeit).

91

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

3 Anspielung auf 1 Jo 4,18; gemeint ist also der «Lieblingsjünger» Johannes. Das Schriftzi­tat enkräftet den Einwand der Angst.

4 Das Wagnis des Schreibers wird sozusagen aufgehoben durch die beim Briefpartner vor­ausgesetzte Güte, so auch T3,17.

5 Vergebung und Buße wegen unangemessener Kühnheit. Vgl. T1,A.7 (Topos der Korre­spondenzeröffnung).

6 Zur Interpretation der Stelle vgl. oben, E.

3 - AN KAISER KANTAKUZENOS

L: 11; OKyd: Thessalonike; E: Ioannes Kantakuzenos; OE: Didymoteichon (?); D: Novem-. ber 1341/März 1342 (?); wI: Versuch, mit dem soeben (26.10.1341) zum Kaiser ausgerufenen Freund der Familie brieflich Kontakt aufzunehmen, und Ausdruck der Sehnsucht nach seiner persönlichen Gegenwart.

Etwas Beschwerliches ist ein Liebender, und mächtig überredet die Liebe 5 Menschen, die sie einmal beherrscht, sich selbst zu vergessen 1. Dies meine

ich, wenn ich mir meine Kühnheit vorhalte. Kühnheit, sage ich, aber es wäre angemessener, von Unverschämtheit zu reden2

• Erhebt dich doch, Kaiser, deine Würde auf den Gipfel des Zeus3

, und hätte Platon dich gekannt, er hätte gesagt, dir sei eine königliche Seele und eine königliche Vernunft ange­boren4

• Die Musik deiner Sitten und dein harmonisches Gleichmaß im Um-10 gang mit anderen lassen das Saitenspiel des Lesbiers vollends zum Mythos

werdens. Das Meinige aber ... Doch warum von so großer Ungleichheit re­den? So weit entfernt also von deinen Vorzügen zu wandeln und sich dabei nicht einmal zu schämen, dummes Zeug zu schwätzen, sondern auch noch ans Schreiben zu denken und dich so gar den Schatten fürchten zu lassen6

,

wird das nicht jeder, wie gesagt, für Unverschämtheit halten und glauben, . 15 auch dies Geschwätz verdiene wie einst bei Thersites einen Odysseus als

Zuchtmeister7 ? Indessen woher mich Angst bedroht, von dorther sehe ich mir auch Trost

kommen8• Du bist ja nicht Kaiser, nur um dich fußfällig verehren zu lassen,

du hast auch nicht mit eitler Anmaßung die Schönheit deiner Güte geschän­det, bereit, auf jedes Geschrei hin gleich zu strafen, sondern du erweist viel­mehr deine Gesinnung als noch edler und vereinigst Sanftmut mit deiner her­vorragenden Stellung. Und bist du auch überzeugt, dem Kaiser gebühre sol-

20 che Verehrung, so hältst du doch die Menschenfreundlichkeit noch mehr für eine kaiserliche Eigenschaft9

• Mag man auch Gott vielerlei Namen geben, so wollen wir ihn doch am ehesten gut nennen, und die Philosophie sagt, es gebe

92

BRIEFE TZ - T3

I darüber hinaus nichts mehr 10 So glaube ich denn, es wäre übertriebene I Ängstlichkeit, einen, der so gut ist, zu fürchten, zumal, da Zuneigung mich : zum Schreiben 10a treibt.

Du also, der du deinen Untertanen gewährst, was sie brauchen, und auch keinen deiner Feinde betrübt hastll, erweise mir wieder das Glück, dich zu hören, das Glück auch12

, dich zu sehen;laß mich dein Antlitz schauen, laß 25

. aber auch deine Rede, süßer als Honig, strömen13• Freiwillig werde ich von

; so seligem Anblick nicht lassen 14.

K I. D, OKyd: Der Brief trägt alle Anzeichen einer Korrespondenzeröffnung (s. u., Fußnoten).

Er ordnet sich gut als erster in eine Reihe von Briefen ein, die Kyd. in den frühen vierziger Jahren an loannes Kantakuzenos richtete; kein anderer als er kann der im Titel gemeinte Kaiser Kanta­kuzenos sein (über den Beginn seines Kaisertums s. wl). Kantakuzenos hatte sich zuletzt im Win­ter 1340/41 zusammen mit seinem kaiserlichen Herrn Andronikos In. in Thessalonike aufgehal­ten und war wohl mit diesem im Mai 1341 in Konstantinopel eingetroffen (LBF I 426 f.). Nach seiner Ausrufung zum Kaiser in Didymoteichon (zum Hergang der Ereignisse seit dem Tod An­dronikos m. s. NicKant 44-49) brach er am 5. 3. 1342 von dort nach Thessalonike auf, von Syn­adenos, dem Gouverneur der Stadt, heimlich zur Übernahme der Macht in dieser aufgefordert.

I Zwischen den beiden Daten 26. 10. 1341 (Kaisererhebung des Kantakuzenos) und seinem Auf­bruch von Didymoteichon muß der Brief geschrieben sein. Einerseits würdigt er das Kaisertum des Adressaten als etwas Neues (6 ff.), andererseits scheint er noch nichts über seinen Aufbruch von Didymoteichon zu wissen; noch weniger macht er eine Anspielung auf den im Sommer 1342 ausgebrochenen Zelotenaufstand. Über die Freundschaft des Kantakuzenos mit der Familie des Kydones s.o., S. SE. mit A.6. E: S. D, OKyd. OE: S. ebd.

11. BKyd: Nach dem Tod seines Vaters mußte Demetrios Kyd. in Kantakuzenos gemäß dem i Vermächtnis seines Vaters (KydKant 12,37) eine Art väterlichen Schutzpatron sehen, und der vorliegende Brief ist der erste, mit rhetorisdu~r Finesse formulierte Hilferuf der noch jugendli­chen Halbwaise an den Mann, der durch seine Erhebung zum Kaiser noch weit mehr als zuvor geeignet schien, entsprechende Zusicherungen an den verstorbenen Freund zu erfüllen. «Wie­der» (Z.24) weist darauf hin, daß Kyd. seinen Gönner noch einige Zeit zuvor gesehen hat, wahr-

, scheinlich bei seinem letztvergangenen Aufenthalt im Winter 1340/41 in Thessalonike (s.o., D, OKyd). BE: S. Exkurs, S. 95-100.

111. Hs: B 193v -194r, Nr. 22. IV. 1 Eine allgemeine Feststellung führt den Kühnheits-Topos der Korrespondenzeröff­

nung ein (s.o., T2,A.2): von der Rücksichtslosigkeit des Liebenden. Zum Gedanken der Selbst­vergessenheit des Liebenden vgl. PS.-PI Erast 138a und ähnlich LI96,15: WtATt01:OV Ö EQffi~. Zur erotischen Sprache im Brief: Thraede 127 mit A.202. 'EQffi'tL'Kal. EWOLaL erzeugen yAUXt,.tTt~ nach Herrn 333,4.

2 Vgl. T2,A.2; A.5. 3 Dahinter steht die Vorstellung von dem Zeus, der auf dem vielgipfligen Olymp thront

(HomIll,499). Der Vergleich des Kantakuzenos mit Zeus auch T28/L59,17. Der byzantinische

93

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Klassizismus ist hier stärker als die Vorstellung vom christlichen Kaiser. Offiziell hatte sich zu­letzt Diokletian «Iovius» genannt.

4 Nach PIPhlb 30d besitzt Zeus eine königliche Seele und Vernunft; vgl. entsprechend L192,14f.

5 Harmonisches Gleichmaß (EilUQJ.l.Om:LU): Anklang an PIPlta 400d. Vgl. auch T7,A.23. Lesbier: Anspielung auf die Terpandros-Sage (Quellen im Loenertz-Apparat zur Stelle und zu L9,32): Zur Zeit innerer Unruhen ließen die Lakedaimonier auf Geheiß des Orakels den Musi­ker Terpandros von Lesbos kommen, der die Rebellen mit seiner Musik besänftigte und den in­neren Frieden wiederherstellte. Seitdem kommentierten die Spartaner jeden späteren Musiker mit der Bemerkung: ((Er kommt nach dem lesbischen Sänger.» Die Wendung wurde später auf alles Zweitrangige übertragen. Des Kaisers «Musik» kann natürlich nicht zweitrangig sein, und so muß Terpandros ((vollends» zur mythischen Gestalt werden. Der Gedanke, Kantakuzenos überbiete Terpandros, findet sich abgewandelt in T13/L9,32 (A.12). Terpander auch bei ThomMagHom 768,8 ff. Zum Topos der überbietung (U1tEQOXi)) grundlegend CurtLit 171 ff. im Gefolge von F. Focke, Synkrisis, Hermes 58 (1923) 335-339. Der Begriff findet sich bei Ari­stotRhet I 9,1368a19. Andere Einordnung bei Lausberg § 404: comparatio als Form der ampli­ficatio, besonders für das epideiktische Genos kennzeichnend: Begebenheiten der Geschichte, der Dichtung und des Mythos werden durch den zu lobenden Gegenstand überboten. Natürlich lassen sich in der antiken und byzantinischen rhetorischen Literatur zahllose Beispiele finden, aus der Zeit des Kyd. z. B. GregAndr 23 (Andronikos III. überbietet Alkibiades und Alexander).

6 Bescheidenheitswendungen, beginnend mit einer Ellipse. II6QQoo EA.UUVELV 'tLVO~ in die­sem Sinne verwendet: PIKra 410e. Schwierigkeiten macht die treffende Wiedergabe der Wen­dung «YQUJ.l.J.l.CL'tOOV J.l.EJ.l.VijO{)UL» an dieser Stelle. Sie scheint (auch mit der Variante J.l.VTJ0'ÖVm) sowohl in der Bedeutung «ans Schreiben denken» (vgl. LSc, s. v. J.l.LJ.l.Vi)OXOO, B, I, 1; so, wie der Kontext zeigt, sicherT35/57,18) als auch ((ans Schreiben erinnern» (LSc, ebd., B, II, 1; so gemäß' Kontext T77/L22,34 und L391,30) vorzukommen. Im vorliegenden Brief gibt der Kontext keine sichere Auskunft, doch scheint die ((Kühnheit» des Kyd. bereits darin zu bestehen, daß er überhaupt daran dachte, einem Mann von der Stellung des Kantakuzenos zu schreiben, nicht in der Anmahnung eines Briefes. An eine solche ist auch deshalb weniger zu denken, weil Kyd. ja am Schluß des Briefes den ausdrücklichen Wunsch äußert, den Kaiser persönlich zu sehen. Das Sprichwort vom Schattenfürchten (vgl. PIPhd 101 d) drückt die Furcht vor etwas Nichtigem aus, hier als Bescheidenheitswendung zu verstehen: der unbedeutende Kyd. wagt den großen Kaiser mit seinem Brief ((einzuschüchtern». Ähnliche Verwendung L271,14 (vgl. dort auch Z.5). Zum

grammatischen Verständnis der Stelle: Verbinde tUptV'tu OOL (aq>LfJJ.l.L c. dat.: Pape, s. v., 1, am Schluß) und 'tTJv QXLclV q>QLL'tELV (q>QL't'tOO c.acc. = erschrecken vor, fürchten: LSc, s. v., H, 2).

7 Erneute Bescheidenheitswendung unter Anspielung auf HomIl2,254-277. 8 Ähnlicher Gedanke: T2,AA 9 über Güte, Sanftmut und Menschenfreundlichkeit (q>LA.UV'frQOO1tLU) als kaiserliche Eigen­

schaften: Treitinger 229 mitA.90. Vgl. KydKantI 9,10; KydKant II 82,42 und zahlreiche Stellen in den anderen Briefen an Kantakuzenos. Vgl. auch Exkurs, S. 99, A.29.

10 PIPlta379b; vgl. Kittel, s. v. ayu'fr6~, 13-15; ManEp(Den) Nr. 31,46. Schlüssevongött­lichen auf kaiserliche Eigenschaften ergeben sich aus der Vorstellung vom Kaiser als Stellvertre­ter Gottes, s. Treitinger 43.

10a W.: rnL 'tou'tO.

94

BRIEF T3/EXKURS IOANNES KANTAKUZENOS

11 Feindesliebe des Kaisers auch: T5/L12,34f., A.14; T8/L7,31.39f. 42-44; T9/L27,21; T21/L88,33; T26/L64,43,A.15; T27/L15,23 ff.; T30/L42,60f.; T32/L13,14ff.52-61; T3 5/L5 7,10 f. Entsprechend Kantakuzenos über sich selbst: Kant II 216,22; 362,3 ff.; 502,17 f.; 526-528; 557; 572,20; III 22,20. Vgl. WeiKant 18-20. Doch lobt Kyd. später auch die Fein­desliebe Ioannes' V.: Tl 09 /L 117,59 f.

12 Anapher (E'ÖöaLJ.I.OVa - E'ÖöaLIJ.OVa); dazu Lausberg § 629; zur Funktion (affektbetonte Vereindringlichung) ebd. § 608.

13 HomIl 1,249. Die Stelle in ähnlichem Bezug auch L375,4f.; L401,18. Anders Man­Ep(Den) Nr. 5,19.

14 Der Anblick des Briefpartners auch T77/L22,30. Oberschwenglicher Ausklang des Brie­fes, mit dem Kyd. die Aufmerksamkeit des kaiserlichen Gönners erneut auf sich lenken will.

Exkurs

IOANNES KANrAKUZENOS IN DEN KYDONESBRIEFEN1

Die Briefe des Kydones an Ioannes Kantakuzenos und seine sonstigen brieflichen Äußerungen über ihn sind relativ arm an historischen Fakten. Dem Briefstil entsprechend werden historisch bedeutsame Vorgänge nicht berichtet, sondern nur angedeutet, so möglicherweise ein Versuch des Kai­sers, im Sommer 1342 Thessalonike zu erobern2

, der Umschwung der Stim­mung in Thessalonike für seine Sache im Juni/Juli 13453

, seine Erfolge im östlichen Thrakien seit Frühjahr 13454

, sein Kampf um Konstantinopel im Frühjahr 13465 und seine kriegerische Auseinandersetzung mit Ioannes V. im Sommer/Herbst 13526

• Konkrete Andeutungen finden sich ferner über sein Verhältnis zu Kydones und seiner Familie: seine Freundschaft mit Ky­dones' Vater7

, sein daraus folgendes persönliches Patronat über Kydones8

und dessen ruhiges Vertrauen auf die gnädige Gesinnung seines kaiserlichen Herrn, auch wenn es einmal scheinbar anders aussieht9

• Im übrigen wird von ihm in den Briefen bis zum Datum seiner Abdankung im Dezember 1354 fast durchweg10 ein stark enkomiastisch gefärbtes Bild entworfen, das erst in den Jahren danach einem z. T. kritischeren Urteil weicht. Auch die hesychasten­freundliche Politik seines kaiserlichen Herrn griff Kydones, während er noch in seinen Diensten stand, nicht offen an; doch zeigt uns eine kritische Äuße­rung gegenüber diesen Mönchen seine tatsächliche Einstellungll.

Das enkomiastische Bild des Kaisers in den Briefen vor 1354, das weithin dem Bild entspricht, das Kantakuzenos in seinen Memoiren von sich selbst entwirft, trägt die folgenden wesentlichen Züge:

Gott selbst ist es, der Kantakuzenos zum Kaiser erwählt hat, und seine

95

EXKURS IOANNES KANTAKUZENOS

Herrschaft stammt von ihm 12. Doch leitet sich sein Kaisertum nicht nur in der üblichen Weise von Gott ab13

, sondern Gott zeigt ihm auch in ganz be­sonderer Weise seine Gunst, seinen Schutz und seine Hilfe14. So ist er auch allein dem Urteil Gottes unterworfen 15, das freilich positiv ausfallen wird, da er sein gesamtes Verhalten nach ihm ausrichtet16. Er steht auch in eOngster mystischer Verbindung zu ihm, die ihm eine Mittlerfunktion zwischen Gott und den Menschen sichert17, und wird gleichsam zum Abbild Gottes18.

Außer dem Willen Gottes legitimieren aber noch andere Faktoren seinen Herrschaftsanspruch. Eine relativ geringe Rolle spielt dabei seine Abkunft19, der Wille seines Vorgängers Andronikos 1I1.19a und der des Senates von Konstantinopel20. Im Vordergrund steht vielmehr der Gedanke, daß er der geborene Herrscher, der platonische Philosophenkönig schlechthin ist21. Diese Eigenschaft stellt er durch seine überragenden Tugenden und Voll­kommenheiten unter Beweis22, so daß seine Herrschaft mit Recht als Beloh­nung seiner Tugend gefeiert werden kann23. Vor allem zeichnen ihn die pla­tonischen Herrschertugenden aus24, im einzelnen Tapferkeit25, Gerechtig­keit26, verständiger Sinn27 und Weisheie8. Hinzu kommt aber als die einem christlichen Kaiser besonders anstehende Tugend die Menschenliebe29, die sich ausprägt als Sanftmu~o, Güte31

, Großmu~2 und vor allem Feindeslie­be33. Ein solcher Herrscher ist natürlich der Wohltäter seiner Untertanen34

und ein erlösender HeilandJ5 gemäß der Herrscheridee von Byzanz36. Er ist auch der selbstlose Diener des gemeinsamen Wohls37, bei allen beliebt und angesehen38, abgesehen von böswilligen Gegnern39, und der Garant allge­meinen Friedens40, dem universale Herrschaft gebührt41. Abgesehen von sei­nen Herrschertugenden ist er auch ein ausgezeichneter Philosoph im Gefolge Platons42, ein vollkommener Theologe43, ein begeisterter Liebhaber der schönen Literatur und ein meisterhafter Stilist44, schließlich auch als Lehr­meister seines Sohnes Manuel der beste Pädagoge45.

Seine antiken Vorbilder sind als Herrscher der Göttervater Zeus46, als. Krieger Alexander der Große47, Herakles48 und Achilleus49, als Rhetor und Literat Demosthenes50, Odysseus, Nestor und Palamedes5\ als «Naturge­nie» Phokion und Demosthenes52, als Heilbringer Hippokrates53. Kydones vergleicht ihn auch mit der Sonne, deren höchster Wert jedem einsichtig sein muß54. Schließlich wird er immer wieder als Sieger gepriesen: auf dem Schlachtfeld55, aber mehr noch durch seine persönliche Faszination56, seine Menschenliebe gegenüber den Feinden57, seine Einsich~8 und auch durch seinen vollendeten Stil59.

96

EXKURSIOANNESKANTAKUZENOS

Erst nach der Abdankung des Kaisers wird der Streit um den Palamismus zum offenen Stein des Anstoßes zwischen ihm und Kydones. In einem Brief aus dem Jahr 1362/63 ist Kantakuzenos vermutlich einer der «Herrscher» der Peloponnes, mit denen vorsichtig umzugehen Kydones seinem Freund Raul Metochites empfiehlt, da es schwierig sei, die mit Worten zu überzeu­gen, die in di.esen Fragen ein für allemal die Vernunft mißachtet haben60. Daß es wirklich nur diese Streitfrage ist, die ihn von Kydones trennt, wird in einem Brief aus Venedig an Asanes (1370/71) noch deutlicher. Hier schreibt Kydo­nes zunächst: «Du weilst bei einem Kaiser, der eine weise Rede auch anzu­nehmen bereit ist. Ihm kannst du täglich zuhören, wie er Denkwürdiges sagt USW.»61. Allerdings fährt er fort, im Verlauf der anregenden geistigen Ge­spräche könne Palamas plötzlich «wie ein Unkraut aufsprossen», und wei­ter: «Der Kaiser aber gibt den Mann nicht leichterhand preis, sondern vertei­digt ihn geflissentlich, wenn jemand es wagt, ihn anzugreifen. Das aber führt vielleicht dazu, daß ihr euch einmal auf unliebsame Weise voneinander trennt» 62. Daß Kantakuzenos aber am Prozeß gegen Prochoros Kydones maßgeblich beteiligt war, wurde zwar vermutet63

, ist aber unwahrschein­lich64

• Mit Sicherheit jedoch verfaßte Kantakuzenos eine Streitschrift gegen Prochoros' Lehren, deren Verbreitung Kydones in einem scharfen Brief an . den Exkaiser kritisierte65

Nach diesem Brief ist kein schriftlicher oder mündlicher Kontakt mehr zwischen Kydones und Kantakuzenos bezeugt. Doch hegte Kydones an­scheinend keinen dauernden Groll gegen seinen ehemaligen kaiserlichen. Herrn, wie spätere Briefe von ihm beweisen. In einem Schreiben an Mat­thaios Kantakuzenos von Herbst 1382 erinnert sich Kydones gern der ehren­vollen Stellung, derer ihn Kantakuzenos einst gewürdigt hatte66

, und emp­fiehlt ihm den Vater, dessen Tage damals bereits gezählt waren67

, als Ratge­ber68

• Rückblickend findet Kydones erneut Worte des Lobes für ihn in dem langen Brief an seine Tochter Helene aus dem Jahr 139269

So scheint es also, daß Kydones trotz der Affäre mit seinem Bruder das Gute nicht vergessen hatte, das er Kantakuzenos verdankte, und auch geneigt war, seine Herrschertugenden bis zum Schluß anzuerkennen.

1 Als neuerer überblick über Leben und Werk des Kantakuzenos ist grundlegend NicKant Nr. 22, S. 35-103. Vgl. neuestens auch M. A. Poljakovskaja, Dimitrij Kidonis i Ioann Kantaku­zin (k voprosu 0 politiceskoj koncepcii serediny XIV v.), VV 41 (1980) 173-182. Wichtige Kor- . rekturen an Nicols Bild von Kantakuzenos finden sich bei DietGreg 11 1, A.27 (S. 119 f.; 124) und A.34 (S. 129f.); vgl. auch ebd. 11 2, 421, Index, s. v. Johannes VI. Kantakuzenos.

97

EXKURS IOANNES KANTAKUZENOS

2 T5, D. Nach Möglichkeit wird auf die Buchstaben bzw. Fußnoten des Kommentars ver-wiesen, wo die betr. Textstelle des Briefes erläutert wird.

3 T7,D. 4 T8,ZG; T10,BE. 5 T13,OE; D. 6 T26,X1; X4; X5; T30, OKyd etc. Kyd. betont den unfreiwilligen Charakter dieses

Kriegsunternehmens, das Kantakuzenos mit Rücksicht auf seine familiäre Bindung an loannes V. lieber nicht durchgeführt hätte: T27,A.11.

7 T5, OKyd; A.26; T6,A.14. 8 T3, BKyd; T8, BKyd; A.25.Vgl. auch KydKant 12,23-3,2. 9 T30/L42,45; A.18; A.21. 10 Einzige Ausnahme ist der in ironischem Ton geschriebene Brief T29/L14. 11 T21,X1; ZG. 12 T5,A.16; T6,A.3; T7,A.7; A.11; T8,A.9; vgl. Kant 11 338-342; 344; s. auch 167-169

(dazu NicChurch 46); 305; 481; 555. Zur Idee «aus Gott»: HungProoim 49ff. 13 Oberbietung aller anderen Herrscher: T8,A.9; Topos derKaiserrede; vgl. Greg I 342ff. 14 T5,A.16; T12,A.16; T27,A.1; A.3; vgl. KantII 330,11 f.; 333,13-15; 351,18; 352,19;

361,19f.; 374,19-21; 395,18-21; 418,1-4; 419,21-24; 477,22; 527,10f.; 559,10f.; 591,1-3; 609,15f.; III 9,6-11; 35,15-21; 146,5-8. Herrschaft mit Gottes Willen: Kant 11 340,llff.; 341,19ff.; 342,3ff.; 351,18; 352,19f. Vgl. HungProoim 63ff. ('Ö'EO<pLAiJ~).

15 T13,AA. 16 T8,A.14; T29,A.6; T32,A.21. Vgl. auch T13,AA. 17 T4,A.12-A.18. 18 T3,A.10. Vgl. HungProoim 58ff. (!LC!Ll1aL~ 'Ö'EO'Ü). 19 Nur einmal: T6,A.2; A.4. 19a Anders Kantakuzenos selbst, dem an dieser Legitimation sehr gelegen ist; vgl. NicKant

44, A.29. 20 T8,X1. Zum Problem eines Herrschaftsauftrages an Kantakuzenos vgl. A. Christophilo­

pulu,lI aV'tLßaOLAECa Ei.~ 'to B'Ul;aV'tLov, Athen 1970, 120ff.; 124; NicKant 44. 21 Genie von Natur aus: T5,A.8; A.9; Philosophenkönig: T4,A.13; T7,A.1; A.8; A.13;

A.15; T8,A.2; A.4; A.8; T12,A.8; A.9; T29,A.8; vgl. KydKant 11 78,14. 22 Allgemein: T3/L11,9.18; T5,A.25; T7,A.23; A.26; T8,A.5; T10/L8,6.16; T13,A.ll;

A.12; T27,32.35f.; T32/L13,13. Vorbild der Tugend: T8/L7,20. 23 T6,A.3; T7/L6,14-16,A.8; A.11; T8/L7,28-30; T32/L13,14 (AA). 58.60f.; T35/

L57,11. Variante: der Gedanke, Kantakuzenos «schmücke» das Kaisertum durch seine Tugend (T10/L8,6,A.1).

24 T8,A.11; vgl. auch A.2. 25 T4/L26,28; T5/L12,51; T8/L7,30; T13/L9,15.20.23; vgl. T12/L19,20f. (A.9). 26 T5,A.5; T7/L6,11; T8/L7,19.33; T13/L9,18.20f.; T22/L20,44-46; T25/L60,20;

T27/L15,7.21.32; T35/L57,10; vgl. HungProoim 114ff.

27 Gr.: <pQ6vl1QL~: T8,L7,11,32; T9/L27,21; T26/L64,59. Gr.: o!;U'tl1~ (Scharfsinn): T8,L7,18; T13/L9,23; vgl. GregAndr 23,42. In T10/L8,11 f.lobt Kyd. die Klugheit (QUVEQL~), mit der Kantakuzenos die Türken zu Bundesgenossen macht (vgl. dazu T10,BE).

28 Gr.: ao<pLa: T8/L7,10; T10/L8,16.

98

EXKURS IOANNES KANTAKUZENOS

29 Gr.: <pLÄ,UV{}QOOltLU: T3,A.9; T4/L16,38; T35,A.2. über die antiken Wurzeln des Begrif­fes vgl. H. Hunger, Philanthropia. Eine griechische Wortprägung auf ihrem Wege von Aischylos bis Theodoros Metochites, in: Byzantinistische Grundlagenforschung, London 1973, XIII (Auf­satz von 1963). Ferner HungProoim 143ff.

30 Gr.: TJJlEQ6'tTJ<;: T3/Lll,19; Tl2/L19,17; vgl. Kant II 597,13; III 9,10. 31 Gr.: ltQu6'tTJ<;: T3/Lll,17; T8/L7,20.31; T13/L9,23.41; T32/L13,60; Moses und Da­

vid als Vorbilder der Sanftmut: T32/L13,60 (A.23). 32 Gr.: 1:0 JlEYUÄ,OltQE1tE<;: T13/L9,23; JlEYUÄ,O'\PUXLU: T27/L15,32. 33 Alle Belege s. T3,A.ll. Gegenstand der Feindesliebe sind regelmäßig seine politischen

Gegner, zuerst die Partei des Apokaukos in Konstantinopel, später Ioannes V. und seine Anhän­ger in den Auseinandersetzungen des Bürgerkrieges.

34 Gr.: EUEQYE'tTJ<;: T4,A.18; Eil ltOLroV: T13,A.6; T26/64,24; XOLviJ EU1:UXLU: T13,A.22; T18/L87,8f.; vgl. auch T8,ZG; T3/Lll,23f.; HungProoim 137ff.

35 T8,A.25; T13,A.20; T14,A.7. 36 S. u., T8,A.25. 37 T8/L7,35; T32/L13,20. 38 T3/Lll,9; T4,A.21 (persönliche Faszination); T13/L9,7f.; A.21; T29/L14,8f. 39 T32/L13,49. 40 TI0,A.4; vgl. A.7. 41 T7,A.12. 42 T8/L7,18f.; T13/L9,37. Philosophische ßUXXELU: T5,A.25; T13,A.15. über die im we­

sentlichen literarisch gefärbte Begeisterung für Platon im 14. Jh. mit dem Exponenten Gregoras s. MedGum 57 f.

43 T4,A.20; T5,A.6. Doch wird Kantakuzenos in späteren Briefen des Kyd. nicht mehr als Theologe gefeiert, wegen bereits sich anbahnender theologischer Differenzen?

44 T5/L12,4ff. 10ff.; A.8; A.I0; A.12; T13/L9,24.36-38; A.17; T21/88,21ff.; T23/ L40,15 f.; T24/L389,4f. 6ff. Vgl. auch T3/Lll,25f. (seine wohllautende Stimme); T23/L40,13 (sein literarischer Zirkel).

45 T6,A.6; T7,A.19; A.22. 46 T3,A.3; T28/L59,17; Abstammung von Zeus: T8,A.3. 47 T4/L16,A.I0; T5,A.2; TI0,A.I0. 48 T5,A.21; T27,A.6. 49 T27,A.7. 50 T5,A.2. 51 T5,A.3. 52 T5,A.9 53 T8,A.25. 54 T5,A.23; HungProoim 75ff. 55 T24,Xl; T27,A.l; T30,A.16; vgl. NicKant 61,A.71. 56 T29,A.3. 57 T35/L57,11. 58 T9/L27,21. 59 T5,A.16; A.18-20. Selbstverständlich handelt es sich in dem ganzen Passus (beginnend

mit A.21) nicht um individuelle Eigenschaften des Kantakuzenos, sondern um bekannte Topoi

99

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

des Kaiserlobes, mit einigen spezifischen Akzenten (Feindesliebe; rhetorisches Talent; Philo­soph).

60 T56/L30,31-37. 61 T73/L71,29 ff. über den Bezug dieses Zitates aufIoannes, nicht auf Matthaios Kantaku-

zenos vgl. T73,X2. 62 T73,33-38. 63 MercNot 344,A.2. 64 MercNot 514 zu 344,A.2 äußerte selbst Bedenken; vgl. meine überlegungen zu T81, X2. 65 T93/L400; vgl. NicKant 90,A.134; ebd. 99, Nr. 2 mit A.164. 66 L241,35f. 67 Er starb am 15. Juni 1383 in Mistra (NicKant 92). 68 L241,42f.; vgl. den Exkurs Matthaios Kantakuzenos, unten, S. 140. Zu der positiven

Würdigung in diesem Brief paßt auch die längere, zweifellos auf Ioannes Kantakuzenos zu be­ziehende enkomiastische Passage in L200, 7-20 (Jahr 1382).

69 L222,98 f.

4 - AN KAISER KANTAKUZENOS

L: 16; OKyd: Thessalonike; E: Ioannes Kantakuzenos; OE: Unterwegs von Didymoteichon nach Thessalonike; D: April/Mai 1342; wl: Enkomiastischer Dank für einen erhaltenen Brief; bescheidene Zurückweisung der kaiserlichen Anerkennung; Kantakuzenos als Mystiker und Mittler zwischen Gott und den Menschen der Erde.

5 Nicht geringen Gewinn hatten wir von jenem Brief!, vielmehr einen, dem nichts, zu vergleichen ist, wenn man mit Vernunft die Gaben des Glücks zu beurteilen versteht. Denn daß du durch ihn an uns erinnert wurdest und mit einem eigenen BrieF das Gedenken bewiesen hast: welcher Stellung im Staat, welchem Ruhm, welchem Reichtum würde man das nicht mit Recht vorzie­hen? Daß du aber sogar auf den Sekretär verzichtet hast und vielmehr deiner Hand, die schon so viel vollbracht hat, a'uch noch die Mühe des Schreibens

10 zumuten wolltest: das bedeutet größeren Ruhm als Statuen für die, die damit geehrt werden, jedenfalls wenn sie es vernünftig erwägen. Das Dritte aber stellt mit seinem Glanz das Vorausgehende in den Schatten: ein wunderba­res, über die Maßen wunderbares Votum wurde meinen Worten gegeben3

Ich hatte sie vorher für schwach und schlecht gehalten; jetzt aber gibt dein 15 Zeugnis ihnen größere Kraft als der Musik des Timotheos4

• Der soll ja mit seinem Flötenspiel den Mut Alexanders geweckt haben, und du gestandest, dein Gefühl habe in meinem Brief etwas Bewegendes gefundens.

100

EXKURS IOANNES KANTAKUZENOS/BRIEF T4

Freilich verkenne ich mich nicht so sehr, meinen Worten solche Kraft zuzu­trauen, sondern bin mir bewußt, auch hiermit eine unverdiente Wohltat empfangen zu haben. Wenn aber dein Empfinden so leicht reagierte, ist es der Fülle deiner Vollkommenheit zuzuschreiben. Menschen ohne Eros achten ja 20

auch nicht auf tatsächlich vorhandene Schönheit. Versteht aber eine Seele fein zu empfinden, läßt sie sich wohl sogar durch Schattenbilder anregen6

Wer den Wein liebt, gerät ja auch schon in Verzückung, wenn er nur den Namen des Dionysos hört7

, und schon die Leier des Simmias läßt den Lieb­haber erbeben8

• Kurz, entscheidend ist die Empfänglichkeit der Seele, die auch schon auf geringe Reize stark reagiert; eine schwache Seele aber können 25

auch starke Eindrücke nicht treffen9• Es ist also nichts Ungewöhnliches,

wenn auf meinen schlechten und kunstlosen Gesang der Makedone begierig zu den Waffen greift, seine Gegner sucht und seinen einmal geweckten Mut nicht zügeln kann; denn nicht dem Flötenspiel, sondern der Tapferkeit des Herrschers verdankt sich dies Erwachen lO

• Einen Sardanapal hätte ja nicht einmal Marsyas mit seinem Flötenspiel aus dem Frauengemach herausge­locktll• So bleibt eine kleine Seele wohl auch, wenn von großen Vorbildern der Tapferkeit die Rede ist, ohne Empfindungen. 30

Das Wirken der Liebe also, die deine Seele beherrscht, ist nicht noch auf zusätzliche Antriebskräfte angewiesen, sondern sobald sie nur ein wenig von dem hört oder sieht, was ihr gemäß ist, lodert sofort ihre Flamme empor und setzt alles in Brand. Und zuerst steigt sie empor zum Himmel und ruht sich aus bei den Schauungen, die ihr dort zuteil werden12

, noch mehr aber will sie das Gute selbst sehen, von dem sie auch ausgegangen ist, und zieht diese sterbliche Welt zum unsterblichen Vater13

• Sie versöhnt, verbindet und fügt 35

zusammen; sie gibt den Liebenden 14 den Mut, sich mit Paulus zu rühmen, nichts könne sie von Christus trennen15

• Wenn sie aber die Wonne dort ge­nossen und sich genügend an jener Seligkeit gesättigt hat, steigt sie menschen­freundlich zum Nächsten hinab16

• Zuerst erfleht sie dann allen im Gebet, was über menschliches Sehen und Hören hinausgeht und alles Sinnen des Herzens 40

hinter sich läße7• Soll der Liebende aber auch noch äußere Gaben hinzufü­

gen, womit würde er geizen, der er doch sogar bereit wäre, sein Leben für die Freunde hinzugeben, aber nicht nur für sie: trägt er doch bis zu den äußersten Erdenbewohnern seinen liebenden Eifer und will für sie dasselbe wie für sich selbst erwirken 18.

Was ist also seliger als diese Kraft der Empfindung, die an so großen Gü­tern Anteil hat und sie auch weitergibt? Oder wer ist in höherem Maße glück- 45

101

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

lich als du, der du dich nicht an Gold und angehäuften Edelsteinen freust (du hast sie einst in Menge erworben, wolltest sie aber niemals deinen Besitz nen­nen19

), sondern statt all dem die Liebe, diesen göttlichen Besitz, in deiner Seele trägst und, weil du an ihr so reich bist, gern über sie redest und reden hörst? Freue dich also, gebrauche zuversichtlich dein Redetalent und sei ge-

50 wiß, daß du in der Behandlung dieses Themas Meister bist20• Denn wer so

viele' hervorragende Freunde gefunden hat (und alle deine Freunde haben er­fahren, daß du sie nicht weniger liebst, als sie sich selbst lieben können), des­sen tiefe Vertrautheit mit der Sache der Freundschaft ist kaum noch zu be­zweifeln! Du gibst mir aber auch die Gewißheit, daß dein persönliches Bei­spiel21 deiner rhetorischen Technik entspricht. Wer sich also darin so aus­zeichnet, der muß ganz notwendig auch andere durchbohrend treffen und die Zuneigung anderer mit edlem Sinn annehmen. Es sei dir aber noch mehr die

55 Fähigkeit verliehen, auf die Seelen anderer einzuwirken; doch wer möchte einräumen, du selbst könnest von anderen über Liebe belehrt werden? Das ist wahrhaftig unmöglich, aber auch das vorher Gesagte22 ist schwierig. Denn mag es auch deinem Siegel keineswegs an Klarheit oder Schönheit fehlen und mögen andere auch vielleicht ihr Wachs bereithalten, so widersetzen sich doch bei uns seine Härte und seine steinige Beschaffenheit den formenden

60 Kräften. Es wird ja, wenn die Gesetzlosigkeit überhandnimmt, die Liebe bei vielen erstarren - sprach die LIEBE23

K I. OKyd, D,E: Am Anfang ist deutlich gesagt, Kyd. habe auf seine Erinnerung hin von Kan­

takuzenos einen Brief erhalten. Der Erinnerungsbrief war T3; Kantakuzenos hat Kyd. in einem nicht erhaltenen Brief geantwortet und seinen Briefstil gebührend gelobt. So ergibt sich zwin­gend, daß T4 zeitlich der nächste Brief nach T3 ist. Einen näheren Anhaltspunkt für die Datie­rung gibt die Bemerkung am Schluß: mit «bei uns» kann nur Thessalonike gemeint sein, wo sich Kyd. auch bei Abfassung von T3 aufhielt. Mit der «überhandnehmenden Gesetzlosigkeit» spielt Kyd. zweifellos auf die Aflfänge des Zelotenaufstandes an, die nach NicKant 50 auf Früh­sommer 1342 zu datieren sind. Damals war Kantakuzenos auf dem Marsch von Didymoteichon nach Thessalonike und erhielt in Philippi die Nachricht, Synadenos, der Gouverneur Thessalo­nikes, sei von den Zeloten aus der Stadt vertrieben worden. Um diese Zeit muß Kyd. seinen Dan­kesbrief T4 geschrieben haben. OE: Vielleicht Philippi.

II. BKyd: Die Reaktion des Kaisers auf die Erinnerung in T3 war offenbar freundlicher, als Kydones es sich erträumt hatte. Es war ihm gelungen, genau den Ton zu treffen, den der Kaiser liebte. Kyd. fährt nun auf diesem Weg fort: er weist des Kaisers Lob auf seine Person zurück und verherrlicht zugleich die faszinierende, von theologisch-philosophischer Schau geprägte Persön­lichkeit des Kantakuzenos, die nur zu geben, aber von anderen nichts zu empfangen hat. BE: S. Exkurs, oben, S. 95 ff. ZG: Anspielung auf den Zelotenaufstand in Thessalonike (58-60); vgl.

102

BRIEF T4

dazu Wern Thess 53; NicKant 5 O. Ep: 1. Brief des K yd. an Kantakuzenos (4 ff.) = T3; 2. Eigen­händig geschriebene Antwort des Kantakuzenos an Kyd., auf die Kyd. mit T4 antwortet (6ff.), nicht erhalten (NicKant 96).

111. Hs: B 198 r -199r, Nr. 27. Lit: LC II,XVII,A.1.

IV. 1 Gemeint ist T3 (s.o., Ep1). 2 Zum Brief des Kaisers s.o., Ep2. 3 Die Gunst des kaiserlichen Briefes ist in einer Klimax beschrieben: 1. persönlicher Brief, 2.

eigenhändig, 3. voll des Lobes für den Stil des Kyd. Die Klimax wird verstärkt durch gehäufte Überbietungstopoi: 1. welcher Stellung ... , 2. das bedeutet mehr ... , 3 ... , stellt das Vorausge­hende in den Schatten. Zur Überbietung T3,A.5.

4 Dank der Anerkennung durch Kantakuzenos überbietet Kyd. auch den Dichter und Mu­siker Timotheos von Milet (ca. 450-360 v. Chr. I). Nach Suda T 620 soll ihn Alexander d. Gr. (geb. 356!) noch gekannt und seine Musik geschätzt haben. Durch seinen Gesang zu Ehren Athenes sei er einst so begeistert worden, daß er während des Zuhörens plötzlich zu den Waffen griff und ausrief: «So soll königliche Musik klingen!» Die Anspielung auf Timotheos in anderer Verwendung: ManEp(Den) Nr. 34,16. Vgl. auch NikChon 486, 28; NikChonür 54,26; 130,12.

5 W.: « ... gefunden, wodurch es bewegt worden sei», mit Infinitiv der indirekten Rede im . Relativsatz (KG 11 550-552). Die Wendung-r6 OOV 3t6:1}0~ E"(>ELv findet sich auch L204,6. Die

angedeutete Überbietung (<<größere Kraft als») besteht wohl in der vorausgesetzten Überlegen­heit des Kantakuzenos über Alexander d. Gr.'

6 Mit einer Bescheidenheitsgeste (wie schon Z.13: ... schwach und schlecht ... ) gibt Kyd. das Lob an den Kaiser zurück. Der Begriff EtÖWA.OV (Schattenbild) wohl im Anklang an Platon: alles Unvollkommene, Lügenhafte, Abbildhafte im Gegensatz zur Ideenwelt, z. B. PITht 150e; Plta 516a.

7 Für die wie ein stehender Ausdruck klingende Wendung habe ich bislang keinen weiteren Beleg gefunden. Der Sinn ist jedenfalls: das sensible Empfinden des Briefpartners reagiert auf den kleinsten Anstoß; so auch die folgende Anspielung.

8 PIPhd 73d: Sokrates zu Simmias: eine Leier oder ein Gewand könne den Liebhaber an den Geliebten erinnern (vgl. auch T12,A.13). Hier wie Z.20 Anspielung auf eine Beziehung zwischen den Briefpartnern, geprägt vom geistigen Eros im Sinne Platons. Vgl. auch T3,A.1.

9 Vorstellung von der btL-rTJÖEL6'tTJ~ der Seele: PIPlta 433a; zum Gedanken vgl. auch PITht 191cd.

10 Rückkehr zur Anekdote von Alexander und Timotheos, s.o., AA. Den Vergleich seiner Person mit Alexander d. Gr. schien Kantakuzenos nicht ungern zu hören; vgl. T5/L12,7; T10/L8,29. 31. Der Kaiser der «Rhomäer» als Nachfolger Alexanders bei Kant I 188. Vgl. a. Bosch 3; H. Gleixner, Das Alexanderbild der Byzantiner, München 1961,15; HungMim 27. Zur Tapferkeit s.o., Exkurs, S. 96 mit A.25.

11 Vergleich aminore: Sardanapal (= Assurbanipal, der letzte große Assyrerkönig, 668 - 625), in der Sage (zuerst bei Ktesias von Knidos um 400 voll ausgebildet) Inbegriff der Ge­nußsucht und des verweichlichten Lebens; angeblich kleidete und schminkte er sich nach Frau­enweise. Marsyas, phrygischer silenähnlicher Dämon, berühmt als Spieler der Doppelflöte, auf der er mit ApolIon konkurrierte. Das Flötenspiel verbindet Marsyas mit Timotheos. Die Ver­bindung Marsyas-Sardanapal scheint bei Kyd. originell zu sein.

103

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

12 Zusammenfassend noch einmal der Gedanke, ein kleiner Funke genüge, um die Liebe (hier ayemTJ statt ~Q(J)~, vgl. A.8) des Kantakuzenos in Brand zu setzen. Das Subjekt des Aufstie­ges ist grammatisch nicht klar, da 'l'uxiJ und q>A6t; im Griechischen weiblich sind, doch ist es wohl die (entflammte) Seele, auf die sich ~uu'tiJv und 6'l'01lEVTJ usw. beziehen. In der folgenden Schilderung des mystischen Aufstieges der kaiserlichen Seele sind (neu-)platonische und christli­che Elemente gemischt. Das Bild von der Flamme spielt in der Sprache Symeons des Neuen Theo­logen eine große Rolle; s. die Ausgabe der Hymnen von Koder/Paramelle/Neyrand, 11, 1971, 386 (Index, s. v. q>A.6t;). Die {}EUIlU'tU der Seele im Himmel erinnern an die IlUXUQLUL {}EUL der Seele tV'to~ oUQuvou in PIPhdr 247 a, doch fehlt dort der Gedanke vom Ausruhen, der sich z. B. PlotEnn VI 9,9,Z.13 findet. Aufstieg der Seele mit Schau der «göttlichen Dinge» auch PIPlta 517b-d.

13 Das ((Gute selbst» gesehen zu haben, wird vom Philosophenherrscher erwartet (PIPlta 540a). Zum Ausgang der Seele von der Idee des Guten PIPlta 517bc. Es schließt sich nun eine Reihe von Gedanken an, die von der Vorstellung des Kaisers als Vermittler zwischen Gott und Welt (bzw. der Menschheit) ausgehen (Treitinger 38 f.). Für die nicht neutestamentliche Verbin­dung ((unsterblicher Vater» konnte ich nur den Beleg Synesios, Hymn. 2,114 (Terzaghi) finden.

14 Hier wieder platonisch ((tQum:u~» (PIPhdr 24ge) trotz des folgenden Pauluszitats! Für einen Byzantiner nichts Bedenkliches. .

15 NTRm 8,35.39. Zum Gedanken vom Kaiser als Stellvertreter Christi Treitinger 125 H. Kantakuzenos sah sich selbst in besonderer Verbindung zu Christus; z. B. erschien ihm Christus im Traum, um ihn vor Gefahr zu warnen (Kant 11 429,19).

16 Seligkeit (ru:rtU{}ELU), Anklang an PIPhdr 247 d? Menschenfreundlich: s.o., Exkurs, S. 96 mit A.29. Der Nächste: der Mitmensch im christlichen Sinne wie NTMt 5,43 usw.

17 «Erfleht ... im Gebet» (OUVEUXE'tUL) mit Anklang an den Schluß des platonischen Phai­dros (279bc), wie das folgende (('tOOV ~t;(J){}EV» (äußere Gaben) ergibt: Sokrates betet zu Pan und allen Göttern, ((schön zu werden im Inneren und daß, was ich an Äußerem (~t;(J){}EV) habe, den inneren Dingen befreundet sei». Kantakuzenos mußte als Kenner Platons die Anspielung auf das berühmte Gebet verstehen, mit der Kyd. nach der Bewunderung des kaiserlichen Mystikers ge­schickt an materielle Bedürfnisse (auf die der betende Sokrates ironisch anspielt) erinnert. Zur Umschreibung der geistigen Gaben des kaiserlichen Mystikers spielt Kyd. auf NT1K 2,9 an. Phaidros bittet nach dem Gebet des Sokrates: ((Erflehe dies auch mir!»

18 Phaidros begründet seine Bitte um das Gebet des Sokrates mit dem Satz ((denn Freunden ist alles gemeinsam». Kyd. überhöht den Gedanken der Freundschaft mit Anspielung aufNTJo 15,13, und wie Christus sein Leben auch für die ((zerstreuten Kinder Gottes» hingibt (NTJo 11,52), so erstreckt sich auch die Liebe des Kaisers bis zu den ((äußersten Erdenbewohnern». Ober den Kaiser als ((ersten und vornehmsten Missionar des Christentums» vgl. H.-G. Beck, Christliche Mission und politische Propaganda im byzantinischen Reich, Settimane di studio XIV, Spoleto 1966, 654 (Lit.). Auch der Gedanke vom Kaiser als Wohltäter ist hier enthalten (Treitinger 229f.).

19 Ober den Besitzstand des Kantakuzenos vor 1341 WeiKant 11-13; 21 f. In seinem eige­nen Geschichtswerk stellt sich Kantakuzenos gern als großzügigen Geldgeber hin, dem sein kai­serlicher Freund Andronikos 111. für seine ayemTJ dankbar ist (Kant 1136-13 8, ähnlich I 278 f., wo er auf den eroberten Schatz eines Gegners im Bürgerkrieg großmütig verzichtet und das Geld im Gesamtwert von 40000 Nomismata an die Truppe verteilen läßt).

104

BRIEFE T4-TS

20 Sc. das Thema « (geistige) Liebe», von dem Kyd. geschickt zur Freundschaft überleitet. Daß Kantakuzenos es liebte, theologische Gespräche zu führen, setzt auch T5/L12,16 voraus. Seine theologischen Schriften hingegen stammen aus späterer Zeit (NicKant 98 f.).

21 Kantakuzenos ist also nicht nur ein Theoretiker der Freundschaft, seine persönliche Aus­strahlung entspricht der Theorie, und so hat Kydones die Chance, seine Freundschaft erwidert zu sehen.

22 Sc., noch mehr auf andere Seelen einzuwirken. Die Begründung folgt: das spröde Mate­rial entzieht sich der Prägung.

23 Das Bild von Wachs und Siegel nach PITht 191c/192a, aufgenommen von SynDion 278,5, hier aber in anderer Verwendung von der Beziehung zwischen Liebendem und Gelieb­tem. Mit LC II,XVII,A.1 ist nicht zu bezweifeln, daß Kyd. hier auf die Feinde des Kantakuzenos in Thessalonike «<bei uns») anspielt (s.o., I.). Das Wort von der erstarrenden Liebe ist ziemlich wörtliche Anspielung auf NTMt 24,12. Mit dem für die Gedankenführung des Briefes so ent­scheidenden Stichwort aYMTJ, nun bezogen auf die Person Christi, läßt Kyd. den Brief so ge­schickt ausklingen, daß der Leser noch einmal die Beziehung Kaiser = Christus mithören mußte.

5 - AN KAISER KANTAKUZENOS

L: 12; OKyd: Thessalonike; E: Ioannes Kantakuzenos; OE: Ein Ort in der Nähe von Thessa­lonike (?); D: Sommer 1342 oder Frühjahr 1343; wI: Enthusiastischer Dank für einen Brief des Kaisers; Enkomion auf seine rhetorischen und kriegerischen Fähigkeiten; Beteuerung der eige­nen Loyalität; Sehnsucht nach einem persönlichen Wiedersehen.

o welche Redegewalt! Labyrinthe der Peitho1 glaubte ich aufzurollen, als ich den Brief aus edler Hand durchlas. Dabei hatte ich gemeint, was vom Kai- 5

ser und von dieser Tyrannin komme, müßte ganz unterschiedlich sein, und derselbe könne niemals zugleich Alexander und Demosthenes werden2 ! Jetzt aber lügen die Dichter doch nicht in allem, und wenn ich von Odysseus, Ne­stor und Palamedes höre3

, lache ich nicht mehr über Homer, er wolle nur von Wunschgebilden erzählen. Wird doch deine übermäßige Vollkommenheit zum Beweis dafür, es habe Männer von solcher Fähigkeit tatsächlich gege- 10

ben3a• Du hast ja gezeigt, man müsse nicht in abgelegenen Winkeln die

Schönheit geistiger Betätigung suchen, noch Muße für die Vorbedingung hal­ten, um angemessen über solche Gegenstände reden zu können4

; vielmehr seien in gleicher Weise Märkte wie Kriegsschauplätze, auswärtige Feldzüge, Seefahrten und alles, was voll ist von Unruhe und Geschäftigkeit, nicht schlechter geeignet, die Weisheit zu erlangen, als der Philosophenmantel. So 15

führst du an demselben Tag oft Krieg, sprichst RechtS, verhandelst mit Ge­sandten, diskutierst über das, was im Himmel ist6

, und zeigst, wenn du mit

105

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

geistreichen Gesprächspartnern zu tun hast, daß du über eine Begabung ver­fügst, die auch ihrer Fähigkeit überlegen ist.

Derselben Ansicht waren offenkundig alle, die beim Vorlesen des Briefes zugegen waren7

• Sie sahen sich gezwungen, zugleich Freudensprünge zu 20 tun 7a und zu wehklagen: zu dem einen ver anlaß te sie der Scharfsinn der Ar­

gumente, das andere geschah ihnen, weil sie einsehen mußten, daß deine Be­gabung ihrem eigenen, in langer Zeit erworbenen Wissen überlegen ist. Nun schien ihnen Pindar der beste der Dichter zu sein, der über die von Natur Be­gabten und über die Menschen mit angelerntem Wissen so Beispielhaftes ge­sagt hat8

, und auch der Gedanke an Phokion und Demosthenes hatte nun 25 nichts Überraschendes mehr9

• Ich aber hielt ihnen vor, sie sollten dazu auch noch die Zeitlage bedenken und erwägen, in welch schwierige Situationen du geraten bist, ohne zu scheitern, und wie du dir trotz der Angriffe von allen Seiten die Zeit für Literatur und Rhetorik nicht nehmen ließest, sondern so, als lebtest du in Muße, nur auf das eine bedacht warst: als noch ganz unbe­rührt von Bildung die zu erweisen, die sich darauf etwas einbilden lO

• So ist denn jetzt der alleredelste Kaiserll bei uns nicht nur deswegen berühmt, son-

30 dern sogar Gerichtsredner räumen ihm das Feld und überlassen ihm die Eh­renpreise ihrer Kunst12•

Wenn also alle so über deine Persönlichkeit entschieden haben, ist es dann nicht eine Schande, daß ich noch länger ehrgeizig streite, die unschönen Zweifel eifrig verteidige, dazu noch ungerecht bin und mir selbst den schimpflichsten Schaden zufüge13 ? Denn du bist ja nicht schroff oder geneigt, leichthin zu zürnen, wie sich jetzt bei jenen Unruhestiftern erweist: du hattest

35 sie oft in deiner Hand, und sie hatten in jeder Hinsicht Strafe verdient, aber du ließest dich niemals gegen sie erbittern14

• Und ist nicht auch mir von dei­ner Zunge der Siegeskranz der Triumphanten bei den Panathenäen verliehen worden lS? Bezeugt sie nicht, daß deine Seele jetzt wie früher allem Zürnen fern ist? Du hast also gesiegt, Kaiser, und Zeuge deines Sieges bin ich, der Be­siegte. So liege ich also da, von der Kraft der Worte, der zwingenden Logik

40 der Gedanken in Fesseln geworfen, nicht fähig, der Größe deiner Seele zu wi­derstehen; sie ist das Größte, sie hat mich mitgerissen durch den glücklichen Beistand dessen, der dir dein Leben lang den Sieg verleiht16

, uns aber die Ret­tung und, wenn wir vernünftig sind, Gehorsam gegen deine Gesetze17

• Nun hast du mit Gottes Hilfe auch noch dies Siegesmal aufgerichtet; ihn hast du zum Zeugen des Geschehenen angerufen und überführst mich so, mein frü­herer Verdacht sei unbegründet gewesen 18.

106

BRIEF TS

Was soll mir nun fortan noch irgendeine Tröstung, komme sie nun von Freunden oder von dir, Kaiser? Denn wo eher die Besiegten als die Sieger 45

Päane anstimmen, wäre es da nicht eitel Ironie, sich noch zusätzlichen Trost zu erbitten19? Uns jedenfalls erscheint jede Freude weniger wünschenswert als diese Niederlage, und wollte uns jetzt noch jemand den Sieg verleihen, wir weinten und grämten uns zu Tode20

• Vielmehr hast du, der du um uns be­sorgt warst, Trost verdient; denn wir, die wir dich doch am meisten von allen 50

kennen und die anderen über deine herrlichen Gaben belehren müßten, wir also klagen Herakles der Feigheit an21

, und was wir jedem gemeinen Mann zutrauen, wagen wir auch von dir zu denken! Kein Wunder, wenn du daher fürchten mußt, vergebens soviel Zeit für uns verschwendet zu haben!

Nun, gerade bei mir ist dafür das Heilmittel zu finden, und ich will dich, wie Platon sagt, mit dem Zauberspruch beschwören, bis ich dich geheilt habe22

• Keineswegs hast du dein Vertrauen einem Unwürdigen geschenkt, 55

Kaiser, und ich bin auch kein Stein, der beim Anblick der Sonne23 etwas an­deres für wertvoller hält als sie. Nein, ich kenne deinen edlen Charakter (oder ich müßte den Verstand verloren haben), ich kenne deine Weisheit, ich kenne deinen machtvollen Scharfsinn und möchte auch die Menge darüber beleh­ren. Bin ich aber kein Atlas und kann auf meinen Schultern auch nicht die Last der Erde tragen, wie es ihm der Mythos zugeschrieben hat, wird mich 60

das schüchtern zur Erde blicken lassen und mir die Zuversicht nehmen, die du mir gegeben hast24? Nein, das wäre ein Unrecht! Denn weder ist dein Cha­rakter allem gewohnt Menschlichen ähnlich, noch wäre es ungerechtfertigt, mich zum Interpreten so unerhörter Vorzüge zu bestellen, zum al du nur we­nige an deiner Verzückung Anteil nehmen läßt. Denn es ist doch auch not­wendig, in deiner Sache zu reden! Bin ich also deswegen noch immer ein schlechter Kenner deines Wesens, wenn es sich der gemeinsamen Natur ent- 65

ziehes? Dennoch, wenn ich für meine Unkenntnis Strafe verdient habe, komm und

fordere sie! Ich werde sie mit Freuden auf mich nehmen und dir noch dazu dankbar sein. Sind wir doch jetzt von Tränen matt, wenn wir auf das Bett schauen, das dein Mitwisser vieler Nachtwachen in der Wahrnehmung dei­ner politischen Aufgaben, vieler Entschlüsse und vieler Sorgen geworden ist26

• Dieser Anblick macht uns das Herz noch schwerer, da er unser Gemüt an deine persönliche Gegenwart und dazu an die schweren Zeiten erinnert, 70

die dich zwingen, für uns zu Felde zu ziehen. Höre also auf, uns mit dem An­blick des Bettes zu vertrösten, zeige dich uns selbst! Denn weder hat Epiktet

107

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

mit der Lampe die Weisheit verkauft, noch wirst du mit einem hölzernen Ge­stell die Freunde trösten27

K I. 0 K yd: K yd. befindet sich an einem Ort, wo ihn das Bett, in dem Kantakuzenos geschlafen

hat, an dessen frühere Anwesenheit erinnert (67). Es liegt nahe, an das Vaterhaus des Kyd. in Thessalonike zu denken, in dem Kantakuzenos oft zu Gast war (KydKant I 2,23 ff.) (so auch LS I zu diesem Brief). Auch die Verlesung des kaiserlichen Briefes im Freundeskreis ist nach Kenntnis der Biographie des Kyd. nur in dieser Stadt denkbar (18). D: Der Brief ist in jedem Fall nach T3 und T4 zu datieren, denn T3 muß der erste Brief der Reihe sein (s. T3,D), und T4 bezieht sich ausdrücklich auf die Antwort des Kaisers aufT3 (s.T4,1.). Andererseits ist T5 noch aus Thessa­lonike geschrieben, von wo sich Kyd. ca. Frühjahr 1345 nach Berroia begab. Ferner läßt der Wunsch, Kantakuzenos möge persönlich nach Thessalonike kommen (65 ff.), vermuten, daß Kyd. konkrete Gründe hat, damit auch zu rechnen. Nun hat der Kaiser zweimal versucht, die Stadt einzunehmen, Sommer 1342 und Frühjahr 1343 (NicKant 50; 54). Folglich gehört der Brief in einen der beiden angegebenen Zeiträume hinein. OE: Makedonien nach NicKant 50, wenn D zutrifft.

11. BKyd: Kyd. lebt noch im Elternhaus (A.26), spielt in einem Kreis von Anhängern des Kantakuzenos in Thessalonike eine führende Rolle (18 f.58-65) und wünscht sich sehnlich, je­ner möge dort die Herrschaft übernehmen (65.71). BE: Kyd. hat aus den unter Dangegebenen Gründen allen Anlaß, sowohl die rhetorischen Fähigkeiten als die Tapferkeit des Kaisers zu lo­ben (A.1-4, 8-10, A.12, A.16, A.18-21; Parallelstellen im Exkurs, 0., S. 96). Zur Einord­nung des Briefes in die Biographie des Kantakuzenos s.o., D. Xl: Die gemeinsamen Freunde des Kyd. und Kantakuzenos in Thessalonike (18-28). ZC: Anspielungen auf die Unruhen des Bür­gerkrieges (13 .15 .24 - 26. 70 f.). Ep: Ein vollendet formulierter Brief des Kantakuzenos an K yd., durch den sich dieser «besiegt» fühlt (37f.47; A.20).

III. Hss: B 194r-195\ Nr. 23; M 5v-7" Nr. 2; 0 283 v-284" Nr. 34. IV. 1 Die rhetorische Beziehung des Bildes vom Labyrinth ist nicht selten, vgl. Suda, s. v.;

GregEp 11 Nr. 48, A.1. Auch T66/L33,47; KydApol I 366,196. Peitho, zuerst der nachhomeri­schen Dichtung als Göttin bekannt, gewinnt vor allem mit dem Aufschwung der Rhetorik ab 5. Jh. v. Chr. an Bedeutung. Sie erscheint im folgenden als Tyrannin wie EurHek 816.

2 Sc. zugleich ein Mann der kriegerischen Tat und der schönen Rede. Diese glückliche Ver­bindung wird auch in anderen enkomiastischen Texten gelobt, z. B. von Theodoros Prodromos in einem Enkomion auf Isaak Porphyrogennetos, ed. E. Kurtz, BZ 16 (1907) 117, Z. 187. VgI. auch die Wendung «ein Verehrer des Hermes und des Ares» NikChonOr 37,20. Kantakuzenos mit Alexander d. Gr. verglichen auch T4,A.10; mit Demosthenes: unten, Z. 24.

3 Auch hier ist an die Verbindung von heldenhafter Tapferkeit mit Rhetorik gedacht. Ne­stor als Redner: HomIl1,248 f. u. ö. VgI. T9,A.2. Odysseus, Nestor und Palamedes nebeneinan­der wie PIPhdr 261b. Odysseus als Redner: HomIl3,216-224. VgI. T23/L40,9,A.3. Palamedes, bei Homer nicht erwähnter griechischer Held vor Troja, ist seit dem kyklischen Epos «Kyprien» bekannt. In der späteren Sage zählte er zu den großen Erfindern; nach der Suda, s. v., war er her­vorragend in Philosophie und Dichtung. Anspielung auf das Lügen der Dichter: Ps.-PlDik 374a; Paroem I 371.

108

BRIEF T5

3a Ein entsprechender Gedanke findet sich bei Greg I 334, 9-12. 4 über Muße als Vorbedingungen geistiger Tätigkeit im spätbyzantinischen Denken:

BeckMet 26ff., insb. 35. Vgl. unter den Werken des Metochites die unedierten Gedichte Nr. 11,13 und 14 (Inhaltsangaben bei R. Guilland, Poesies inedites de Theodore Metochite, Byz 3, 1926, 265-302); ferner das unedierte, «Ethikos» genannte Werk, dazu Hunger I 169 (Lit.).

5 Daß Kantakuzenos in den Jahren vor seinem Einzug in Konstantinopel (1347) gelegent­lich selbst in seiner Eigenschaft als kaiserlicher Gerichtsherr (Treitinger 216) Recht sprach, da ihm die gerichtlIchen Institutionen der Hauptstadt nicht zur Verfügung standen (vgl. dazu P. Lemerle, Recherehes sur les institutions judiciaires a l'epoque des Paleologues, I. Le tribunal im­perial, Annuairelnst. Phil. Hist. Or. Slav. 9, 1949, 369ff.), liegt auf der Hand. So spielte ihm z. B. Stefan Dusan zwei «Verräter» zur Aburteilung zu, denen er aber großmütig verzieh (Kant 11 362,3 ff.).

6 Anspielung auf die theologischen Interessen des Kaisers, vgl. T4/L16,30ff. und Beck 731f.

7 Diese Stelle läßt darauf schließen, daß es einen Kyd. nahestehenden Kreis (literarischen Zirkel; vgl. T23,A.5) von Anhängern des Kantakuzenos in Thessalonike gab. Vgl. T5,BKyd. Doch ist «alle» eine besonders in diesen frühen Briefen des Kyd. beliebte übertreibung, die kei­neswegs bedeutet, daß es sich um zahlreiche Personen handelte. Das eigene Lob wird jedenfalls hier verstärkt durch Berufung auf das Lob anderer wie T12,A.16.

7a rr"öaw als Ausdruck der Freude (uq>' "öovij~): vgl. T24,A.6; L211,12; Mazaris 58. 8 PindOI2,157. Der Dichter unterscheidet hier den geborenen Weisen (unter dem Bild des

Zeusvogels Adler) von denen, die ihr Wissen nur erlernt haben und geschwätzig wie Krähen sind. Vgl. auch PindOI2,86. Auch Long 2,1 nimmt auf diesen Gedanken Bezug, und D. A. Rus­seIl bemerkt in seinem Kommentar Longinus' On the Sublime, Oxford 1964, 63 f. dazu: «An old commonplace of aristocratic ethics, early and often applied to poetry.» Hier mit Bezug auf den sprachlich vollendeten kaiserlichen Brief, aber auch bei Kyd. öfters: T21/L88,26f.; T81/Merc­Not 349,95; T84/L106,14.

9 Zu denken ist hier wie beim Pindarzitat an Vorbilder genialer Naturbegabung. Nach Plut­Phok 6 lernte der hervorragende attische Stratege Phokion (402/1-318) das Kriegshandwerk bei dem mittelmäßigen Feldherrn Chabrias; nach PlutDem 4 hatte Demosthenes unfähige Leh­rer.

10 Gemeint ist, daß der Kaiser mit seiner unerhörten sprachlichen Begabung neue Maßstäbe gesetzt hat und alle so überbietet, daß ihre Bildung sich gleichsam in nichts auflöst.

11 '0 J'tav,;a äeLm;o~ ßaOLÄ.EU~», als respektvolle Bezeichnung des Kaisers gebräuchlich, vgl. T39/L62,40; T54/L73,88; T59/L93,30; T69/L103,8; T68/L129,65; gelegentlich auch für andere Personen: T48/L275,28 (ohne den Kaisertitel).

12 Die Anspielung auf die Fähigkeiten des Kantakuzenos als Gerichtsredner gehört wohl in den Zusammenhang, der in A.5 besprochen ist.

13 Die Stelle bezieht sich wohl auf eine (scherzhaft gemeinte?) Bemerkung des Kyd. in einem vorausgehenden, nicht erhaltenen Brjef an Kantakuzenos, etwa dahingehend, Kantakuzenos werde seine Herausforderung zum stilistischen Wettstreit nicht annehmen (uJ'tO'tpLm, w. Ver­dächtigungen, hier wohl im Sinne von Zweifeln an der Fähigkeit des Kantakuzenos). Ein Bezug der Stelle auf T3/L 11, 11-15 (in LS I zu diesem Brief vermutet) läßt sich kaum verteidigen.

14 Vor allem wohl Anspielung auf die von ihm selbst in seinen Memoiren gefeierte Großmut

109

ÜBERSETZUNG UND KOMMENT AR

des Kantakuzenos gegenüber seinem Gegner Alexios Apokaukos 1341 (NicKant 46). Zur Fein­desliebe s. T3,A.l1.

15 Zweifellos Anspielung auf das Lob des Kantakuzenos für den Briefstil des Kyd. Loenertz (Ausgabe, zu dieser Stelle) will hier offenbar das griechische Wort 1tOj.lJtEUELV mit «Spottlieder singen» übersetzen (gemäß Suda Nr. 2023) und vermutet entsprechend, Kyd. habe hier die Pan­athenäen mit den im entsprechenden Sudaartikel erwähnten Dionysien verwechselt. Doch zeigt eine Parallelstelle (T23 /L40, 7), daß K yd. keineswegs an Spott denkt, sondern sich ganz ernsthaft über das Lob des Kaisers freut. Tatsächlich findet sich in der Suda unter Nr. 2021 noch eine an­dere Bedeutung des Verbums, die hier genau paßt: IIoj.lJtEUEL - oo~ VEVLXTJXW~ IlEYUATJyoQEL. Kyd. ist also einer, der sich seines rhetorischen Sieges rühmen kann, so wie die Sieger im Agon an den Panathenäen sich ihres Sieges rühmten. Allerdings bringt weder die Suda noch sonst eine mir bekannte Quelle den Sieg an den Panathenäen mit dieser Bedeutung in Verbindung. Vgl. aber eine ähnliche Formulierung L225,37: an den Panathenäen das Haupt bekränzen.

16 Zur Vorstellung von der literarischen Niederlage im Brief vgl. Hunger 1210. Die Idee vom Kaiser als Sieger (Treitinger 169ff.) ist hier in den rhetorisch-literarischen Bereich übertra­gen. In seinen eigenen Memoiren vertritt Kantakuzenos die Ansicht, von Gott in besonderer Weise erwählt (Kant 11 340-342: Äußerungen des Metropoliten von Didymoteichon) und be­günstigt zu sein (Kant 11 351,18; 352,19f. u.a.). S.o., Exkurs, S.98,A.14.

17 Zur Idee vom Kaiser als Gesetzgeber: Treitinger 215 f. Kyd. nimmt im Hinblick auf Kan­takuzenos öfters auf diesen Gedanken Bezug: KydKant I 21,4; T7/L6,12; TI0/L8,14; T13/L9,18.

18 Mit dem Sieges mal ist der anfangs erwähnte Brief des Kaisers gemeint. Vgl. oben. A.13. 19 Der Gedanke ist in seiner spitzfindigen Dialektik bezeichnend für den Briefstil des Kyd.:

die eigene Niederlage ist sein größter Trost, da ein solcher «Sieger» sie herbeigeführt hat: Bezug auf Z.3 7 -40.

20 Hyperbolische Oberspitzung des Gedankens von der trostreichen Niederlage.

21 Die Wendung, vielleicht sprichwörtlich (mir aber sonst nicht bekannt), besagt soviel wie «von jemandem etwas ganz Unpassendes annehmen», inhaltlich zu beziehen auf die in A.13 dis­kutierte Stelle. Kantakuzenos als Herakles auch T27/L15,13. Auch sonst werden Kaiser mit Herakles verglichen, vgl. HungMim 23.

22 PIPhd 77e. Kyd. wandelt das «ESE1t~OTJ'tE» offenbar selbständig in «ESLCIOWllaL», womit er geschickt die Verknüpfung zu «q><lQJ.lUxov» herstellt. Das seit der Antike beliebte Bild vom Heilmittel (PoeschBibl, s. v. Heilmittel; Medizin) findet sich auch bei Kyd. nicht selten, z. B. T16/L43,5; T33/L51,23; T41/L38,8; T54/L73,10; T61/L94,5; T82/Ll,11; T84/LI06,7; TI01/L69,21; TI04/L156,42 u.a.

23 Der in Enkomien beliebte Vergleich des Kaisers mit der Sonne (vgl. für die Epistologra­phie auch GabrEp I, Index, s. v. Sonne) ist hier durch den Gedanken, es gebe nichts Wertvolleres als sie, sinngemäß interpretiert.

24 Zum Gedanken vgl. T2,A.4; T3,A.8: eine für die frühen Briefe des Kyd. bezeichnende Bescheidenheitswendung.

25 Die Stelle, die der Interpretation Schwierigkeiten bereitet (hier wird die Konjektur OU'tE für EilE 'tE vorgeschlagen) scheint mir folgendes zu besagen: Einerseits läßt sich für eine so einma­lige Persönlichkeit überhaupt kein adäquater Interpret finden (und so kann auch Kyd. dies nicht sein; vgl. zu diesem Gedanken GregAndr 25,14ff.), andererseits muß doch schließlich das Lob

110

BRIEFE T 5 - T6

des Kaisers gesungen werden, also besser von mangelhaften Interpreten als überhaupt nicht! Dieser Gedanke findet sich auch bei Greg I 328,19-22. Zur Verzückung des Kaisers (ßaxXELa): Bezug wohl auf das geistige Niveau des Kaisers im allgemeinen. Mit Bezug auf Kantakuzenos auch T13/L9,38. Von der philosophischen Begeisterung PISmp 218b, vgl. Phd 69d; ferner Greg I 558,22 u. a.

26 Mit LS I ist anzunehmen, daß sich das erwähnte Bett im Elternhaus des Kyd. befindet (s.o., OKyd). Mit einer Prosopopoiie (Herrn 20,9) verstärkt Kyd. die Beziehung zwischen dem Erinnerungsgegenstand und der gemeinten Person. Kantakuzenos hielt sich in Thessalonike auf: Anfang 1328 (Nickant 40); Frühjahr 1332, Herbst 1333, HerbstIWinter 1333/4 (DietGreg 11 2, 340f.); Winter 1339/40 und 1340/41 (0. Tafrali, Thessalonique auXIVe siede, Paris 1913, 222f.). .

27 Nach LukInd (§ 13) kaufte ein gewisser Neanthos für 3000 Drachmen die irdene Lampe Epiktets in der Hoffnung, sie werde ihm beim nächtlichen Studium dazu helfen, ein zweiter Epiktet zu werden (Anspielung auf die Geschichte auch T 0123/L56,10). Der seit der «Leier des Simmias» gepflegte Gedanke, Gegenstände könnten an den fernen Freund erinnern (PIPhd 73d; s.o., T4,A.8), wird hier entwertet: zu groß ist die Sehnsucht nach der Person selbst (so auch T2 7/L 14,22). Der Wunsch, den Kaiser zu sehen, wird am Schluß als der wirkungsvollsten Stelle des Briefes geäußert und mit der Epiktet-Anspielung verstärkt.

6 - AN DEN SOHN DES KAISERS

L: 17; OKyd: Thessalonike; E: Manuel Kantakuzenos; OE: Berroia; D: Ca. 1344; wI: Ver­such einer Kontaktaufnahme durch Lob der Abstammung des noch jugendlichen Kaisersohnes; Möglichkeit des persönlichen Kommens nach Berroia ~n Aussicht geste~lt.

Manche seien als Gute geboren, sagt Platon, weil sie vonc Guten abstam­men1

. Daß aber dies Wort mehr dir zukommt als denen, auf di,!! es zuvor ge- 5

sagt ist, hätten, glaube ich, sogar deine Feinde zugegeben. Denn dein Vater ist Kaiser, und durch seine Abstammung ist er den anderen, die sich allein ihres Kaisertums rühmen können, überlegen2

; seine Persönlichkeit auch ist so her­vorragend, daß er, wäre er nicht rechtmäßigerweise Kaiser geworden, diese Würde verdientermaßen als Auszeichnung für seinen Charakter erhalten hätte3

• Deine übrige Ahnenreihe aber hätte wohl nur Hesiod ~bührend be- 10

sungen, dem es zugleich mit dem Lorbeer von den Musen gegeben war, sogar die Geschlechter der Götter zu preisen4

• Bei so ausgezeichneten Vorbildern in deiner Ahnenreihe hätten dir ganz gewiß, selbst wenn du hättest schlafen wollen, die Leistungen der Vorfahren rum Ruhm genügt5

Nun hast du aber den hervorragendsten Führern6 die noch edlere Natur 15

unterworfen (wie der Sachverstand7 der Bauern sich guten Ackerboden un­terwirft) und hast üb~r alles Erwarten reichen Ertrag gebracht. Wenn sich

111

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

aber mit Wissen und natürlicher Veranlagung auch Übung verbinden muß und wenn nach dem Wort Platons darauf die angewiesen sind, die in ihrer Kunst zur höchsten Vollendung gelangen wollen8

, so können auch aus die­sem Grunde die, die sich in wahrer Redekunst geübt haben, nicht anders re­den. So singen denn die, die es gesehen haben, ein Lied davon, wie eifrig und

20 lernbeflissen du von Natur aus bist, und wie es einmal von jemandem hieß, er habe sein ganzes Leben zu einer einzigen Übung gemacht9

, das hat sich vor al­lem an dir bestätigt. Und fürwahr, du läßt die Übung auch zu Taten werden, schreckst die Feinde und erfreust die Deinen; du lehrst deine Zuschauer das Fürchten und läßt die weiter Entfernten ungläubig staunen über die ständige

25 Folge und die Größe der Taten, die du täglich vollbringst, und weil du zu sol­chen Dingen trotz deines jugendlichen Alters fähig bist, gibst du Anlaß zu der Vermutung, ein BühnentricklO sei dabei im Spiel.

Dafür bekränzen alle deinen kaiserlichen Vater: einmal, weil er einen sol­chen Sohn hat, dann aber auch wegen seiner klugen Entscheidung; erwies sich doch der, den er als Wächter der von ihm selbst erkämpften Städte zu­rückzulassen geruhte, sogar als den Wächtern Platons überlegenll. Dich aber

30 feiert man, weil du nicht nur damit zufrieden warst, das Anvertraute zu be­wahren und, in Mauern eingeschlossen, die Aussicht auf plündernde Barba­ren für eine Großtat zu halten, sondern weil du, in dem Glauben, auch das gehöre zu deinen Pflichten, selbst auszogst, die Soldaten gegen die Feinde führtest, kämpfend sie schlugst und als Sieger zurückkehrtest, so auf den denkbar größten Nutzen der Städte bedacht. Du hast den Bestand an Städten

35 bewahrt, jetzt aber auch noch einige von den anderen hinzu gewonnen, und kaum hast du sie erobert, da wendest du dich schon zu anderen und mehrst den Ruhm des Kaisers, ihm mit deinem persönlichen Einsatz die Städte un­terwerfend. So erweist du dich in jeder Hinsicht als hervorragend: durch Ab­stammung, Übung und natürliche Veranlagung, durch deine Worte und Ta­ten. Ich möchte aber noch hinzufügen: auch durch das, was du in Zukunft tun wirst; denn was ich aus deinen jetzigen Leistungen schließend prophe­zeie, ist noch bedeutender12

So wäre es denn ein Glück, einen so hervorragenden Mann zu sehen, bei 40 ihm zu weilen, seinen Worten zuzuhören. Da dies aber das Schicksal verhin­

dert, muß ich notgedrungen das tun, was mir bleibt: mich zu freuen, wenn etwas Bedeutendes von dir berichtet wird, mir aber das zu wünschen, was mir noch mehr bedeutet; sehne ich mich doch, dein Antlitz zu sehen und, wenn du redest, den Sirenen zu lauschen13

• Wenn aber auch du den Men-

112

BRIEF T6

sehen, die dir am meisten wohlgesonnen sind, Dank schuldest, wo sie auch immer sein mögen, tust du wohl recht, wenn du mich als einen solchen liebst, mich als einen aus deinem Hause ansiehst14 und mir deshalb Aufenthalt bei 45

dir gewährst, wenn Gott es mir verleiht, zu dir zu kommen 15.

K I. E: Der Empfänger des Briefes, nach dem Titel der Hs ein Kaisersohn, muß wegen der Lo­

besworte auf den noch lebenden Vater (6 ff.26 ff.) ein Sohn des loannes Kantakuzenos sein. Was den Auftrag des Vaters zum Schutz der Städte (28 ff.) betrifft, so kommen beide Söhne in Frage: Matthaios erhielt 1343 das Kommando von Komotine und Umgebung (NicKant 109), Manuel, der jüngere Sohn, im gleichen Jahr das von Berroia und Umgebung (NicKant 123; Greg 11 673,1-10; Kant 11 391,16-22). Da sich aber Kyd. bald darauftatsächlich nach Berroia begeben hat (T7/L6, OKyd) und er hier sein mögliches baldiges Kommen bereits andeutet (45f.), da er schließlich auch auf die große Jugend des Empfängers anspielt (25), kann der Empfänger nur der jüngere Kaisersohn Manuel sein. OKyd: Da Kyd., bevor er sich nach Berroia begab, Thessalo­nike nicht verlassen hat (als er die Stadt zum ersten Mal verließ, kehrte er nicht mehr zurück, KydKant 15,9 ff., d. h., er begab sich gemäß T7,OKyd nach Berroia) und er andererseits erklärt, das Schicksal trenne ihn von seinem Korrespondenten (40), ist als sein Aufenthaltsort bei Abfas­sung des Briefes Thessalonike anzunehmen. D: Terminus post quem: Einige Zeit, nachdem Kan­takuzenos Berroia verlassen und seinen Sohn als Kommandanten der Stadt dort zurückgelasseQ hatte, d. h., Frühjahr/Sommer 1343 (NicKant 54; 123), einige Zeit danach deshalb, weil Manuel inzwischen in eigener Initiative militärische Erfolge errungen hat (32f.); so ist Abfassung im Laufe des Jahres 1344 am wahrscheinlichsten, wenn man die Ankunft des Kyd. in Berroia auf etwa Frühjahr 1345 ansetzt. OE: S.E.

11. BKyd: Offenbar hatte Kyd. Berroia bereits längere Zeit, bevor er eine Gelegenheit fand, Thessalonike zu verlassen, als Zufluchtsort ausersehen (45) und bereitete mit entsprechenden Schmeicheleien das Terrain bei dem jugendlichen Herrn von Berroia vor. Die Bemerkun~ über das Alter Manuels (25) weist darauf hin, daß Kyd. zumindest um einiges älter war als de; ca. 1326 (oder etwas später: NicKant 122) geborene Kaisersohn. BE: S. u., Exkurs, S. 115 f. Xl: 10-annes Kantakuzenos, dessen edle Abkunft (s. A.2) und rechtmäßiges Kaisertum (A.3) betont werden. X2: Hervorragende Erzieher Manuels (A.6). ZG: Ober die Kämpfe in der Gegend von Berroia während der Abwesenheit des loannes Kantakuzenossind wir aus anderen Quellen nicht informiert. Dieerwähnten Barbaren (31) sind vermutlich serbische Truppen Stefan Du­sans (NicKant 56). Die von Manuel gewonnenen Städte waren vermutlich zuvor Anhänger der Apokaukos-Partei in Konstantinopel; am Beispiel Platamon wird deutlich, daß ein «Abfall» in dieser Richtung zu befürchten war (Kant 11 389,9).

111. Hss: B 199r-200r, Nr. 28; 0 285v-286" Nr. 37.

IV. 1 PIMx 237a: das Lob der Guten soll bei ihrer Abkunft beginnen. Vgl. a. Tl2/L19,23 f. Ober die Abkunft als Topos des Enkomions vgl. Herrn 14.

2 Die Betonung der edlen Abkunft des Kantakuzenos muß hier überraschen, da er selbst in dieser Hinsicht große Zurückhaltung übte (NicKant 27), doch haben auch andere Literaten wie Manuel Philes darauf Bezug genommen (NicKant 27,A.43). Die Erwähnung der Kaiser ohne edle Abkunft wäre als zeitgeschichtliche Ansp~elung sinnlos, da Kantakuzenos über seine Mut-

113

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

ter selbst mit dem regierenden Palaiologenhaus verwandt war; sie hat hier rein rhetorische Be­deutung und entspringt der Tendenz des Überbietungstopos (T3,A.5). Vgl. auch NicKant 28,A.47 und 48 und DietGreg 11 1,119f.; 124.

3 Um dem Vorwurf, ein Usurpator zu sein, zu begegnen, ist Kantakuzenos wie einst Michael VIII. sehr darauf bedacht, die Rechtmäßigkeit seines Kaisertums zu begründen (vor allem mit seiner Erwählung durch Gott, T5,A.16, und mit seiner «brüderlichen» Beziehung zu Androni­kos 111., DöParasp 199). Kyd. setzt die Rechtmäßigkeitvoraus und fügt den Charakter als weite­res Indiz hinzu. Derselbe Gedanke: s.o., S. 96, A.23; T7/L6,16; T8/L7,27; auch mit Bezug auf andere Personen: T12,A.6; T19/L86,14f.; T26/L64,47f.; T60,A.6; ferner KydMort 38,12. Vgl. PIPI ta 608c, Phd 114c.

4 HesTh 1-34. Durch die Erwähnung des Dichters der Theogonie wird nicht nur der Kai­ser, sondern auch seine ganze Familie in eine göttliche Sphäre gerückt.

5 Der Text «hätten dir ... die Leistungen der Vorfahren zum Ruhm genügt» ist in Bund 0, den beiden einzigen Hss des Briefes, nachgetragen. Der von Loenertz in eckige Klammern ge­setzte folgende Text (den er also nach LC I,XV athetiert wissen will), der ursprünglich statt der Korrektur den Satz fortsetzte, lautet in deutscher Übersetzung: « ... würdest du ganz gewiß ($Itt: hättest du ... ) ... auf keinen Fall zu denen gehören, die für ihre Taten in schlechtem Ruf stehen; deine Gesinnung bliebe aber hinter der deiner Lehrmeister zurück». Dieser Text mit ei­ner deutlichen Einschränkung des Lobes wurde vermutlich von Kyd. selbst durch die erstge­nannte Formulierung, die für Manuel günstiger ist, ersetzt. Abgesehen davon, daß für eine späte­ren Kopisten hier kaum ein Grund für eine solche Textkorrektur bestand, sprechen folgende Gründe dafür, daß die Korrektur auf Kyd. selbst zurückgeht und daher zuungunsten der ur­sprünglichen Lesart in den Text gehört: 1. Nach LR 59 gehört der Brief zu der Gruppe, die in B und 0 2 überliefert ist. Von der Sammlung 0 2 heißt es ebd., sie lasse einen persönlichen Kontakt ihres Herausgebers «avec le milieu Oll s'accumulaient les materiaux qui allaient entrer dans le corpus B »vermuten, d. h. auch, Bund 0 2 sind nicht voneinander abzuleiten, und ihre Lesarten, mithin auch die Korrektur, sind voneinander unabhängig. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, daß die Korrektur auf Kyd. selbst zurückgeht. 2. Nach LR 52 werden eigene Korrekturen von Kyd. auch in anderen Teilen der Hs B tradiert, und ein Blick in die Ausgabe zeigt, daß Loenertz entsprechend ursprüngliche Lesarten von B häufig zugunsten der Korrektur athetiert. Er hätte also auch hier die erste Lesart der beiden Handschriften eigentlich in den Apparat setzen sollen, zumal die Korrektur von zwei unabhängigen Zeugen gestützt ist.

6 Die hervorragenden Führer und zuvor erwähnten Lehrmeister Manuels sind vermutlich nichts weiter als seine Vorfahren, insbesondere sein Vater, der in T7/L6,36f. als sein Lehrmei­ster schlechthin erscheint.

7 Z.16 liest Loenertz irrig fJtw'tTJILTJv statt-TJ (eindeutig Lesart von B, wie mir der Einblick in den Film der Hs zeigte). Der Erntevergleich auch T15/L5,83 f.; der Bauer auch T19/L86,40.

8 PIPhdr 269d. 9 Ist hier an «ILEAE'tWV öLaßEßLffiXEV(lL» (XenAp 3; XenMem 4,8,4 mit Bezug auf Sokrates)

zu denken? 10 Die Wendung «W~ (WOJtEQ) WtO ILTJxavil~» stammt, wie LSc, s. v. ILTJXavi], 1,3 zeigt, aus

Demosthenes; doch gibt es auch verwandte Belege bei anderen Autoren. Die Erfolge des jugend­lichen Manuel preist auch Greg 11 673,2 H. Der Topos von den überraschenden Leistungen eines Jugendlichen findet sich z.B. auch T51/L89,15.19; PapZit 57,26.

114

BRIEF T6/EXKURS MANUEL KANT AKUZENOS

11 Bekränzen im Sinne des Siegespreises bei sportlichen Wettkämpfen wie z. B. T10/L8,34f.; T65/L100,10. Manuel überbietet (vgl. T3,A.5) die platonischen Wächter (PIPIta 375 f.), die Platon als tapfer und hart gegen die Feinde, sanftmütig gegenüber den Bürgern der ei­genen Stadt, als lernbegierig und philosophisch gesinnt schildert.

12 In der Zukunft wird Manuel sogar sich selbst überbieten; vgl. vor. Anm. Selbstüberbie­tung auch T13,A.1.

13 Wunsch, den Briefpartner zu sehen, auch T3/L11,25; T7/L6,28f. Vergleich der Stimme des Briefpartners mit dem Gesang der Sirenen: T9/L27,34; T14/L10,6; T17/L18,10; T84/L106,8; T66/L33,38; vgl. ManEp(Den) Nr. 14,14. Zur Verwendung des Sirenen bildes im byzantinischen Brief allgemein HungMim 29.

14 Wohl wegen der Freundschaft seines Vaters mit Manuels Vater. 15 Das eigentliche Anliegen des Briefes am Schluß; vgl. T5,A.27.

Exkurs

MANUEL KANTAKUZENOS IN DEN KYDONESBRIEFEN

In den frühen Kydonesbriefen erscheint Manuel, der zweite Sohn des 10-annes Kantakuzenos (zum Geburtsjahr s.o., BKyd), als der jugendliche Held, der weit über sein Alter hinaus Taten vollbringt und Siege erringt (s.o., E; A.I0; T7/L6,34f.), zugleich aber auch für alles Geistige auf~schlossen ist (s.o., Z.20; T7/L6,37) und sich durch einen harmonischen Charakter aus­zeichnet (T7,A.38f.), worin er seinem Vater ebenso ähnlich (T7/L6,33; T12/L19,23) wie im Aussehen ist (T12/L19,22). Kydones, der sich bei ihm in Berroia (s.o., E) von ca. Frühjahr 1345 bis ca. März 1346 aufgehalten und so vor den Zeloten in Sicherheit gebracht hatte (s.o., S. 9), verspürte ein Gefühl dankbarer, mit Bewunderung gemischter Freundschaft für ihn, die ihn gele­gentlich zu übertriebenen Formulierungen hinriß (T12/L19,26-30). An die anregenden, geistvollen Gespräche (T17/L18,12f.) und die gemeinsam durchstandenen Sorgen (T22/L20,26-28) denkt Kydones später nicht ohne Trauer zurück und gibt Manuel recht, der den Davonstrebenden damals (ca. 1346) vergeblich zurückzuhalten suchte (T17 /L18,5; T22/L20,28). Nicht ganz grundlos mußte Kydones fürchten, daß er ihm dafür zürnte (T17/18,12ff.). Andererseits erwartete Kydones von ihm aber auch Dank­barkeit für die Unterstützung, die er ihm in Berroia.gegen seine Widersacher geleistet hatte (T22/L20,29ff.). Als Kydones den Brief T22 verfaßte, hatte sich Manuel soeben (Herbst 1349) auf die Peloponnes begeben, um die Ver­waltung der Halbinsel mit dem Titel «Despot», den er seit 1347 führte, zu

115

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

übernehmen (NicKant 123; SchreinChron 11 275 f.). Anscheinend geizte er dort nicht mit Geschenken, um sich Freunde zu gewinnen (T22/L20,30-34; bestätigt durch KantIII 86,2-6, wo von «Wohltaten» Manuels an die Städte und die Mächtigen. der Peloponnes berichtet wird, die freilich deren aufsäs­sige Gesinnung ~icht besänftigen konnten). Im Jahr 1348 hatte er während der Abwesenheit seines Vaters vorübergehend in Konstantinopel den Ober­befehl bei den Operationen gegen die Genuesen übernommen, und Kydones hatte ihn bei dieser Gelegenheit sicher wiedergesehen. Doch gibt es seit Ma­nuels Abreise nach Mistra auf lange Zeit kein Zeugnis eines brieflichen Kon­taktes zwischen den einstigen Freunden. Nur gelegentlich erwähnt Kydones ihn während der nächsten zwanzig Jahre in Briefen an andere Adressaten. Bald lobt er ihn ohne ausdrückliche Hervorhebung zusammen mit seinem Bruder (T26/L64, J. 1352), bald spricht er von seinen guten Beziehungen zu seinem Freund loannes Pothos (T34/L51,19ff.) oder spielt auf Maßnahmen Manuels an (T34,X2), bald berichtet er von Auseinandersetzungen zwischen Manuel und seinen im J. 1361 auf der Peloponnes eingetroffenen Angehöri­gen, insbesondere seinem Bruder Matthaios (T48/L275; zur Situation Nik­Kant 125). Nach der Aussöhnung Manuels mit Vater und Bruder kam es zu einer wie auch immer· gearteten gemeinsamen Herrschaft, und Kydones spricht mehrfach von den «Herrschern» der Peloponnes (T50/Lll0, 1363,47; T56/L30,1363,36f., hier als Begünstiger der Palamiten). Vermut­lich ist auch in T 0123/L56 von ihm und seiner Hilfsbereitschaft die Rede (16). Daß Manuel sich nicht zum Schreiben an seinen alten Freund bequem­te, wohl aber mit Kaiser loannes V. Briefe austauschte, bezeugt T66/L33,1365,23. Es ist kaum denkbar, daß Kydones indirekt Manuel meint, wenn er in T57/L32, 4-7.17-19 ein düsteres Bild der Verhältnisse auf der Peloponnes entwirft, z. T. beeinflußt von seinem Freund Georgios. Eher ist an den Topos von der öden Provinz aus der Sicht der Hauptstadt zu denken (Hunger I 228). Erst auf der Rückreise aus Italien hat Kydones den Despoten im Frühjahr 1371 wiedergesehen, als er auf seiner Reise in Mistra Station machte (T77/L22,4 f.24). Die Gefühle, die Kydones und Manuel einst in Berroia verbunden hatten, erwachten neu. Kydones berichtet von an­regenden Gesprächen in Manuels Literatenzirkel (T77,19f.), lobt seine phi­losophisch-theologischen Interessen (13-17) und seine Herrschertugenden (11 ff.). Trotzdem gab es nach Kydones' Rückkehr in die Hauptstadt offen­bar keinen weiteren Briefwechsel zwischen ihnen. Allerdings schrieb ihm im Jahr 1373 ein Unbekannter im Auftrag des Despoten, und Kydones bedankte

116

EXKURS MANUEL KANTAKUZENOS/BRIEF T7

sich bei ihm (T115/L136). Manuels Tod im Jahr 1380 erwähnt Kydones bei­läufig in einem Brief von 1382 (L200,4), in einem anderen (L293,37) er­wähnt er seine Liebe zur Literatur und seine reichhaltige Bibliothek, die nach seinem Tod verschleudert worden sei (37-40), und beklagt sich bei dessen Nachfolger Theodoros Palaiologos, eine Plutarchhandschrift aus dieser Bi­bliothek, die er sich erbeten hatte, nicht erhalten zu haben (23 H.). Unter den Handschriften der Vaticana befindet sich mindestens eine, die für Manuel kopiert worden ist (NicKant 128). Von ihm verfaßte Schriften oder Briefe sind nicht überliefert, obwohl wir auch von einer Korrespondenz mit Grego­ras und Manuel Raul wissen (NicKant 128).

7 - AN KAISER KANTAKUZENOS

L: 6; OKyd: Berroia; E: Ioannes Kantakuzenos; OE: Thrakien; D: Juli 1345; wI: Freude über den Erfolg der Kantakuzenospartei (in Thessalonike); Bericht über seinen Aufenthalt in Berroia.

Jetzt, glaube ich, ist uns die Glückseligkeit Platons zuteil geworden1; denn

einem, der alle in allem überragt und einer Seele, erfüllt von Philosophie, hat 5

Gott die Sorge für das Ganze übertragen2 und damit Geist statt jener vorheri­gen Telchinen3 zum Herrscher über den Staat bestellt. Jene hatten überall nur Tod und Verwirrung gebracht, hatten die, für die sie angeblich sorgten, an die Feinde verraten3a und wollten nicht, daß der, der sie hätte hindern kön­nen, Kaiser sein sollte, um nur selbst ungehindert Dinge, die schrecklich auch nur anzuhören sind\ frech zu tun, während die anderen Qualen wie im Ha- 10

des zu erleiden hattens. Aber Gott kannte bereits seit langem den, der für Ge­rechtigkeit sorgen und die Herrschaft auf gerechten6 Gesetzen begründen sollte 7 ; so ließ er zuvor die schwere Zeit beispielhaft kommen, um zu zeigen8

,

nichts könne standhafte Vernunft zu Fall bringen, und krönt jetzt, am Ende seines Laufes, wie Platon sagt9

, den, der gebührend gekämpft hat. Jenen 15

Elenden hat er ein Ende, schlimmer als jede Tragödie, beschiedenlO, dir aber

wie in einem Wettkampf als Preis der Tugend das Kaisertum verliehen l1.

Nun freuen sich mit dir deiner Herrschaft Völker, Städte, Inseln und Konti­nente; sie preisen dein Genie und singen davon, wie du alle besiegt hast12

Uns aber, denen der Kaiser ein vertrauter Freund ist, preisen sie glücklich und prophezeien uns, welch großes Glück wir noch zu gewärtigen haben: alle 20

117

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Völker werden dir zu FüfSen liegen, alle Städte von dir Gesetze empfangen, alle dich allein als ihren Herrn anerkennen; die Tugend wird blühen, die Weisheit eine freie Sprache führen, und in allem Guten wird der Kaiser seinen Untertanen Vorbild sein13

• So ragst du als himmelhohe Säule nicht nur nach dem Vorbild des Iphikrates «auf der Peloponnes» 14, sondern in aller Herzen und Sinnen.

25 Ich aber, dein Anhänger von Anfang an, der in der Seele getroffen war, wenn etwas dir nicht nach Wunsch ging, sich aber über jede Kunde vom Fortgang deiner Sache freute, ich glaubte jetzt, meine Ohren könnten allein die Freude nicht fassen, und so wollte ich, unabhängig von allen Boten, meine Augen an dem süßesten aller Anblicke weiden und, an deiner Seite weilend,

30 selbst das Wissen schauen, welches die Welt bewegt15• Dazu begehrte ich die

Flügel des Daidalos, verlangte aber auch nach dem geflügelten Wagen des Zeus16

• Da aber die Natur mir solches verweigert, tröste ich mein Herz an dem, was mir möglich ist17

: ich bin in die beste aller Städte geeilt - ich meine die, die dich zuerst wie Thetis den Dionysos aufgenommen hat18

- und lasse meine eigene Seele im Ebenbild deiner Seele ausruhen 19. Mit ihm20 bin ich

35 täglich zusammen, sehe ihn schon in jungen Jahren Leistungen gereifter Männer vollbringen und so seinem Alter offensichtlich Gewalt antun2

\

denke dabei vergleichend an den, der nicht weniger sein Lehrmeister als sein Vater ist, und erkenne, daß dies alles deine Lehren sind22

• Denn sein feuriger Geist, seine Liebe zur schönen Literatur, sein Lerneifer, sein gegen Zornge­fühle gefeiter Sinn, sein beflügelter Schwung in allen Fragen der Wahrheit und überhaupt sein ganz und gar harmonischer Charakter23

: all das sind ja 40 Merkmale deiner eigenen Persönlichkeit, die durch Vererbung auf deine

Kinder übergehen24• So lebe ich denn jetzt hier wie in einem Heiligturn25 und

erfreue mich an all dem. Es sei mir aber doch vergönnt, in die großen M yste­rien eingeweiht zu werden und die unser Land durchs'trahlende Vollkom­menheit des Kaisers zu schauen26

K I. OKyd: Er befindet sich bei einem Sohn des Ioannes Kantakuzenos (33 H.) und in der Stadt,

die Kantakuzenos zuerst aufgenommen hat (32f.). Dies war Berroia in Makedonien, als Kanta­kuzenos im Frühjahr 1343 aus Serbien zurückkehrte (LBF I 28Of.; SchreinChron 11 256f.; Nik­Kant 54). D: Mit dem großen Erfolg des Kantakuzenos, auf den der Brief in weiten Passagen, be­ginnend mit dem ersten Wort «jetzt», anspielt (1-24), kann, wie Loenertz (LBF I 282) gezeigt hat, nur der Umschwung in Thessalonike für die Sache des Kantakuzenos gemeint sein, als nach dem Tod seines Vaters Alexios der Gouverneur von Thessalonike Ioannes Apokaukos sich offen

118

BRIEF T7

gegen die Zeloten erklärte und eine Friedensgesandtschaft (Pharmakes und Nikolaos Kabasilas) nach Berroia sandte (NicKant 60). Von den Gesandten hat Kyd. vermutlich die Kunde erhalten und sandte dieses Schreiben als Zeichen seiner enthusiastischen Freude wohl unmittelbar dar­auf, also noch im Juli 1345 an den Kaiser. Ober die kurze Dauer dieser für Kyd. günstigen politi­schen Phase vgl. ebenfalls NicKant 60. OE: Zur Zeit der Abfassung dieses Briefes befand sich Kantakuzenos auf dem Weg von Serres nach Konstantinopel oder bereits vor dieser Stadt (Nic­Kant 59f.).

11. BKyd: Kyd. beeilt sich, sein andauerndes Vertrauensverhältnis zu Kantakuzenos zu be­tonen und sich so nach echt byzantinischer Manier rechtzeitig seines Wohlwollens zu versichern (vgl. dazu oben, S. 53). Mit Manuel Kantakuzenos (s.u., Xl) verbinden ihn geistige Interessen (34ff.). 'Das Verhältnis ist nicht das eines Lehrers zum Schüler, was auf geringen Altersunter-" schied schließen läßt (über sein etwas höheres Alter: oben, S. 5, A.3, zu 4.). BE: S. unter D. Xl: Wegen des zu erschließenden Aufenthaltsortes Berroia kann der erwähnte Kaisersohn (33 ff.) nur Manuel Kantakuzenos sein (s.o., Exkurs, S. 115; T6,E). X 2: Anspielung auf den Tod des Ale­xios Apokaukos (15; vgl. Kant 11 542f.; Greg 11 740; SchreinChron 11263). ZG: S. unter D.

III. Hss: B 189v -190V, Nr.17; 0 2TT'-278 r, Nr. 20; P 390r-391r

, Nr. 2.Ed: KydEpCam Nr.4. Ob: Ebd. (frz.). Lit: LBF 11 279-283.

IV. 1 Affektbestimmter Anfang mitviiv auch PsellEpSath V 222, Nr. 2 (fünfmal); 228, Nr. , 5 (zweimal). Vgl. auch GregAndr 21,9 und 22,11. Gemeint ist die Glückseligkeit (EuÖmJ.l.0v(u;

der Begriff ist im Deutschen nicht adäquat wiederzugeben), die allein unter der Herrschaft eines philosophischen Königs möglich ist (PIPlta 473de; zum Begriff vgl. PIGrg 470e, Smp 188d). Kantakuzenos als Philosophenkönig: s. Exkurs, S. 96.

2 Hyperbolische Verwendung von «all(es) », hier und unten, Z.20.22.24.36.39. Nicht zu­fällig verwendet Kyd. hier auch für den Staat (Cammelli: les affaires) die Bezeichnung «das Gan­ze» ("tu ÖAU), die ich daher auch wörtlich habe stehen lassen.

3 Die Telchinen (sagenhaftes Gnomenvolk auf Rhodos, wegen seiner Bosheit verschrieen) zur Bezeichnung von Menschen negativen Charakters auch T86/L37,16; hier sind die Zeloten von Thessalonike gemeint. «Geist» bzw. «Vernunft» (voiil!;) wie T3,A.4.

3a Zu diesem propagandistischen Gedanken der Kantakuzenospartei vgl. WernThess 60. 4 Zu denken ist vor allem an die Schreckensherrschaft des Michael Palaiologos (Kant 11

569,19ff.), ermordet einige Zeit vor Alexios Apokaukos. Die hyperbolische Wendung «auch nur anzuhören» findet sich auch (in ähnlicher Form) T8/L7,28; T81/MercNot 350,135; vgl. a. T14/Ll0,9.17; Tl07/L194,11.

5 Hadesqualen auch: T8/L7,52; T16/L43,17; T31/L41,20; T44/L46,19; T47/Ll09,13, eine beliebte Wendung. Vgl. z.B. GabrEp Nr. 74,56f.

6 S. Exkurs, S. 96. Ich beziehe btEL{}EV auf ÖLXU(roV, Cammelli übersetzt «de la-haut», wohl nicht zutreffend.

7 Kantakuzenos von Gott erwählt: T5,A.16. 8 WortspieI1taQuöEL;u~ und ÖEL;UI!;, im Deutschen nicht nachzuahmen. Die Geschichte

nimmt exemplarischen Charakter an: die Zeit der Prüfung erweist die Standhaftigkeit philoso­phischer Vernunft.

9 PIPlta 613 bc: Erfolgreich ist nur der Läufer, der bis zum Ende durchgehalten hat. 10 Oberbietung (T3,A.5) der Tragödie: auch T16/L43,7. «Elende», gr. OH"Ö'QOLI!;, verächt­

lich von Personen: LSc, s. v., 11.

119

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

11 Lohn der Tugend: s.o., Exkurs, S. 96 mit A.23. Kaisertum von Gott wie A.7. 12 Gedanke von der universalen Kaiserherrschaft des Kantakuzenos, belegt auch in dem

von Kantakuzenos nicht ohne Selbstgefälligkeit zitierten Schreiben des Mamelukensultans an ihn: Kant III 94,11-17.

13 Die Vorstellung vom platonischen Philosophenkönig (s.o., S. 96) ist hier mit dem Ge­danken des Universalismus verbunden.

14 Der attische General Iphikrates wurde berühmt durch seinen Sieg über die Spartaner 390 v. Chr. Der kaiserliche attizistische Redner Aristeides zitiert aus einer «Ä1tOAOY(U {mEe 'tfjc; öweEäc;» des Iphikrates oder vielleicht des Lysias (in seinem Namen) den Satz, bedeutender als sein Denkmal in Athen erscheine ihm die «himmelhohe Säule» auf der Peloponnes, die seine Tapferkeit bezeuge (Aristeides 11 385 Jebb). Vermutlich hat für diese Anspielung des Kyd. die Beziehung des Kantakuzenos zur Peloponnes Bedeutung (Bereitschaft zur Unterwerfung 1341: NicKant 46).

15 Ahnliehe Beteuerung seiner unerschütterlichen Treue zu Kantakuzenos KydKant I 4,15 ff., insb. 27-3 O. Ein solcher Stil wirkt auf das heutige Empfinden eher aufdringlich, führte aber in Byzanz aufgrund der rhetorischen Tradition (bereits nach AristotRhet 13568 muß der Redner sein ~'Ö'Oc;, seinen positiven Charakter, ins rechte Licht rücken, um mit seiner Rede zu überzeugen) zum Erfolg. Vgl. oben, BKyd und S. 53; 59. Wissen (btLO'tTtIlTJ) als Erkenntnis des Seienden (PIPlta 477b) gehört zu den entscheidenden Merkmalen des Philosophen(königs) (PIPlta 475e-477b).

16 Zum epistolographischen Topos «Flügel der Sehnsucht»: Thraede 90f.; 174f. Bei Ky­dones «Flügel des Daidalos» auch T77/L22,26 als Ausdruck der Sehnsucht; in anderer Verwen­dung T63/L97,23. Im Zusammenhang mit der Flügelsymbolik verwendet Kyd. erneut ein pla­tonisches Bild: PIPhdr 246e; an die gleiche Stelle des Dialogs klingt das vorausgehende «eo'tLä­OaL» (Augen«weiden», Z.29) an (247e).

17 Zum epistolographischen Topos, die Realität verhindere die Erfüllung der Sehnsucht, vgl. Thraede 64; 80f.; 174. Hier mit der überraschenden und originellen Variante, eine gewisse Erfüllung der Sehnsucht beim Sohn als dem Abbild des Vaters zu finden. Normalerweise ist das «Mögliche» nur der Brief (Thraede 174).

18 Dionysos, von dem «männermordenden» Lykurgos verfolgt, flüchtete sich ins Meer und wurde dort von Thetis aufgenommen (HomIl6, 130-140 und spätere Erweiterungen der Sage). Vgl. LBF I 280f.

19 Gemeint ist Manuel Kantakuzenos. Diese Formulierung mit Bezug auf die Gattin eines Kaisers: PsellEpSath V 225. Erläuterungen des hier verwendeten Bildes: T12/L19,23-25. Das Verb avu1tuuw entstammt der epistolographischen Topik (Thraede 176). Die in A.17 angedeu­tete Variante wird hier anscheinend weiter ausgebaut.

20 «Ihm» wäre grammatisch noch auf «Ebenbild» zu beziehen, sinngemäß aber bereits auf die Person Manuels wie das folgende «ihn».

21 Vgl. dazu oben, Exkurs, S. 115. 22 Zum Gedanken vgl. T6,A.6. 23 «Beflügelter Schwung», vgl. RAC s. v. Flügel (Flug) der Seele I (P. Courcelle). «Harmoni­

scher Charakter (ti'Ö'wv IlOlJOLXTt) » wie schon T3/Lll,9 (A.5), ferner T13/L9,32; als ti'Ö'wv ae­Iloveu bei Greg 11 625,13. Harmonie der Seele bei PIPhd 85e-86d.

24 Vgl. T6,A.l und 2.

120 -'--

BRIEFE T7 - T8

25 Im Vergleich zum Aufenthalt bei seinem Vater ist der bei Manuel Kantakuzenos nur den kleinen eleusinischen Mysterien entsprechend (LBF I 281). Zum Gedanken vgl. PIGrg 497c; AristophPI 845.

26 ((Äm:QWt'wuoav», Anklang an NTLk 17,24 (die Parusie des Menschensohnes)? Die großen Mysterien: Eleusis, vgl. LBF I 281,A.3. Vgl. auch T17,A.15.

8 - AN KAISER KANTAKUZENOS

L: 7; OKyd: Berroia; E: loannes Kantakuzenos; OE: Thrakien;D: Ca. August 1345; wI: En­, komi on auf Kantakuzenos als platonischen Philosophenkönig und christlichen Herrscher; Hil­: feruf nach dem Massaker an den Aristokraten von Thessalonike.

Ein göttliches Gesetz verlangt und die allgemeine Natur will es so, daß man allen Herrschern, wenn sie anwesend sind, die schuldigen Ehren erweist, der 5

abwesenden aber mit lobender Rede gedenkt1• Wenn aber das Herrschen

sich auch mit Tugend eint und einer über Städte und zugleich über sich selbst herrscht, wenn er mit dem Herrschen bei sich selbst beginnt und so erst allen anderen dies Joch auflegt: mit wieviel mehr Recht würden diesen nicht alle verehren und sich selbst beglückwünschen, unter seiner Herrschaft zu le­ben2 ? Zeichnet ihn aber außer seiner Stellung auch noch philosophische Ge- 10

sinnung und Verlangen nach Weisheit aus, läßt der Kranz der Vernunft sein Purpur kleid noch schöner erstrahlen, dann nennt ihn Homer ein Kind des Zeus3 und ehrt ihn mit den erhabensten Namen. Platon aber fügt noch Opfer für den lebenden und toten Herrscher hinzu, als ob seine Taten ihn gleichsam in ein göttliches Dasein versetzten4

• Solche Ehrungen also haben viele andere je nach ihrer Weise empfangen; der eine erlangte alle, der andere wenigstens 15

einen größeren Teil. Jedoch hat mancher, der alle Ehrungen gewann, seinem Ansehen geschadet, wenn er nicht die entsprechend hervorragende Befähi­gung zeigte. Du aber, der du alle guten Eigenschaften in dir vereinigst, wie sonst niemand auch nur eine von ihnen besitzt, bist durch sie alle zu diesem Ziel gelangts: dein feuriger Sinn und Verstand lassen dich als Vollkommen­sten von allen Reigentänzern Platons erscheinen6

, und es bewundern dich alle, die von seiner Lehre erfüllt sind; für Gerechtigkeit, Sanftmut und alles 20

übrige Wohlverhalten bist du den anderen ein Vorbild geworden7•

Aber auch noch ein dritter Vorzug ist bei dir hinzugekommen: dem, der seine Sinnlichkeit beherrscht und in allem seine Vernunft gebraucht, hat Gott

121

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

die Herrschaft im Inneren auch' mit äußeren Zeichen geschmückt und den, der sich selbst nützlich ist, veranlaßt, es auch für die anderen zu werdens. So

25 hat sich das, was von vielen gesagt ist: sie verdankten ihr Kaisertum dem Wil­len Gottes, bei dir vor allem bestätigt, und alle sind sich gleichsam in aller Öf­fentlichkeit einig, wenn sie rühmend von dir sagen, dein Zepter komme dir vor alle~ von dort droben 9•

Zudem hat er dir diese Gnade nicht einfach nur für lange Tugendübung vorbehalten, sondern hat dich zuvor durch Schwierigkeiten geführt, vor de­nen ein anderer schon aufs bloße Hören hin10 versagt hätte, und ließ dich erst, als er deine Charakterstärke in jeder Hinsicht erwiesen hatte, zu deiner

30 vollen Würde gelangenll, deine Tapferkeit daran erweisend, daß du so viele Widersacher überwunden, deine Sanftmut daran, daß du ihr frevelhaftes Tun ertragen hast12• Deine Klugheit aber erweist sich darin, daß dir kein ge­gen dich vorbereiteter Anschlag unbekannt bleibt. Auch deine Gerechtigkeit bleibt nicht verborgen; bist du doch, als der frühere Kaiser und der Große Se-

35 nat13 ihre Beschlüsse faßten und überhaupt alle, die Verstand hatten, dich zur Kaiserwürde beriefen, so entschlossen den Städten zu Hilfe geeilt! Wenn du aber trotz so vieler, die dir Leid zufügen können, trotz vieler Widersacher und einer noch größeren Zahl, die täglich abtrünnig wird, dein Sinnen nur auf Gott gerichtet hältst und mit dem Blick auf ihn das Leid durchstehen kannst: gäbe es einen Grad der Frömmigkeit, einen Grad der Beharrlichkeit, für den du nicht als Vorbild gelten kannst14? ..

I 40 Dein Lohn für dies alles ist nun, daß du, ohne irgendeinen deiner Feinde ge-

tötet zu haben, die Herrschaft antreten kannst; vielmehr hast du, als auch sie für ihre Taten Strafe verdienten, an keinem von ihnen die Strafe vollzogen, sondern sie fielen übereinander her und töteten sich gegenseitig. Du aber hast noch Erbarmen mit ihnen, obwohl sie weiter wüten, und beweintest den Tod 4einer Gegner, da du nicht einmal gegen sie bittere Gefühle aufkommen läßt15

• Das erleben täglich die Städte, die dich aufgenommen haben, und wer-45 fen sich selbst ihre frühere Undankbarkeit vor; sie freuen sich jetzt, weil sie

sicher sein können, daß du nicht nachtragend bist und daß du sie nach ihrer Leidenszeitwieder in das Reich16 aufnehmen und ihnen den alten Wohlstand wiedergeben wirst. Er war zuvor von uns gewichen, jetzt aber, sagen sie, ha­best du ihn wiederhergestellt: die Unruhen sind nunmehr zu Ende, es herrscht Eintracht, Tore werden geöffnet, die schon lange Zeit vor den Feinden ver-

50 schlossen waren, das Land wird wieder von seinen Besitzern bearbeitet, und dein Name verscheucht, als sei er eine göttliche Macht, die Feinde17

; die dir )

122

BRIEF T8

aber jetzt aus Unverstand widerstehen, haben wahre Hadesqualen zu erlei­den, denn ihre Leiden führen zum sicheren Tod 18.

Wohlan, tu auch an uns dasselbe wie an den Thrakern und laß uns, die wir schon an der Staatsmacht19 verzweifelt sind, durch dein bloßes Erscheinen wiederaufleben. Dann werden die Barbaren aufkreischen wie Vogelschwär- 55

me, die sich vor dem großen Geier ängstigen20; die Rhomäer aber werden

wieder Beute machen und werden dieselben, deren Anblick von der Stadt­mauer aus sie schaudern ließ, durch kühnen Einfall in ihre Reihen zu erneu­tem Dienst zwingen, wenn nur du dich _ mit Kriegslust waffnest21

• Zwar fürchte ich auch für die anderen Städte, die in solcher Notlage sind, am mei­sten aber bedrückt mich die Situation meiner Heimatstadt, die vielfach und oft schon gegen sich selbst wütete, es jetzt jedoch ~um Äußersten getrieben 60

hat22, als sie ihren Senat, aber auc-h so viele ihrer Bürger ermordete und, statt

eine Heimat zu sein, unsicherer als das_ganze Meer ersehieE23• Täglich aber

fügt sie noch' neues übel hinzu, und es steht z-u fürchten, daß ich, nachdem -unser Haus zerstört, unser Besitz geplündert ist und ich in der Freiheit das Schicksal der Gefangenen erleide24, nun auch noch der Geschwister und der Mutter beraubt werde. Sei aber du der Retter und werde denen, die in Ohn- 65

macht sinken, zum Hippokrates 25.

K I. D: Die Datierung ergibt sich eindeutig aus dem Hinweis Z.60f., «jetzt» habe Kydones'

Vaterstadt (Thessalonike) ihren Senat und zahlreiche Bürger ermordet. Gemeint sein kann nur das berühmte Massaker des Sommers 1345, nach LC 1,174 und SchreinChron 11 263 f. auf Juli! August anzusetzen. Der Brief kann nicht lange danach geschrieben sein, ist also auf August, spätestens September 1345 zu datieren. S. auch ZG. OKyd: Kyd. hält sich außerhalb von Thes­salonike (59ff.), aber noch nicht in Thrakien (53) in «freier Gefangenschaft» auf, zweifellos in Berroia, der Insel im Feindesland (s. A. 24). OE: Nach NicKant 60 lagerte Kantakuzenos im Au­gust vor Konstantinopel und zog sich im September nach Didymoteichon zurück; wahrschein­lich erhielt er Kydones' Brief erst dort.

11. BKyd: Kyd. hat von dem Umschwung in Thessalonike zugunsten der Zelotenpartei (s. D und ZG) gehört; sein Haus ist zerstört, der Familienbesitz geplündert (s.o., S. 9 mit A.35), und er macht sich von Berroia aus, das er nicht verlassen kann (A.24), Sorge um das Schicksal seiner Angehörigen (62-65); daher sein dringender Hilferuf an Kantakuzenos (53 ff.). BE: S. ZG und Exkurs, S. 95 ff. Xl: Andronikos III., der Kantakuzenos zusammen mit dem Senat das Kaisertum angetragen haben soll (33 f.; vgl. dazu oben, S. 96 mit A.20). X 2: Anspielung auf die Ermordung des Alexios Apokaukos (42; vgl. T7,X2). ZG: Das von Kyd. entworfene paradiesische Bild von der Lage der «Städte» (48 ff., sc. in Thrakien, wie 53 zeigt) spielt auf die Erfolge des Kantakuze­nos seit Frühjahr 1345 im östlichen Thrakien an, wo die Städte Chariupolis und Apros (Kant 11 479), Bizye (11 489-491), Adrianopel (11 525), Selymbria und andere (11 518) sich mehr oder

123

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

weniger freiwillig Kantakuzenos anschlossen; doch gab es auch Ausnahmen wie Ainos (11 483) und Bera (11 196f.; 556,14). Kyd. weiß aber auch, daß noch viele «abtrünnig» werden (37), daß Kantakuzenos also das Spiel noch nicht gewonnen hat. Mit den «Barbaren» (54 f.) ist wohl vor allem auf die andauernde Bedrohung Makedoniens und Westthrakiens durch Stefan Dusan an­gespielt, der ja kurz nach Abfassung dieses Briefes die bedeutende Festung Serres eroberte (Nic­Kant 59f.; da Kyd. auf diese Katastrophe nicht anspielt, kann man sicher sein, daß der Brief vor Eintreffen dieser Schreckensnachricht vom 25. 9. 1345 in Berroia abgefaßt ist). Zur Anspielung auf das Massaker in Thessalonike s.o., D.

111. Hss: B 190v -19P, Nr. 18; 0 278 r -279r, Nr. 21; P 391 r -392 r

, Nr. 3. IV. 1 Dahinter steht der Gedanke vom Kaiser als Objekt religiösen Kultes: Treitinger 49 ff.

Zur Formulierung «YLvoIlEVU<; '[Lila<;» (ähnlich T58/L125,11; T 0131/L95,4)vgl. LSc,s. v. yC­YV0IJ.UL I,2,b.

2 Herrschen und sich beherrschen: PIGrg491 d (s.o., Exkurs, S. 96 mitA.24). Bei sich selbst beginnen: w. cup' tatCu<; aQXEo'frm, sprichwörtliche Redensart, erläutert bei EustHom 1579 als «mit dem Besseren oder Eigenen beginnen», abgeleitet von der Vorstellung, daß man zuerst der Hestia opferte. Weitere Belege im Thesaurus, s. v. tO'tCu.

3 Nach der Aufzählung von Tugenden des Philosophenkönigs (s.o., S. 96) Anspielung auf die antike Vorstellung, Herrscher stammten von Zeus ab (HomIl2,196.660 etc.); vgl. Sp. N. Marinatos, L\LOYEVEL<; ßUOLA.ijE<;, Studies pres. to D. M. Robinson, I, 1951, 126ff. S. a. T3,A.3.

4 PIPlta 540bc. Der Zusatz «für den lebenden und toten» scheint von Kyd. zu stammen; die Opfer für den toten Philosophenkönig, von denen Platon an der Stelle spricht, paßten natürlich noch nicht auf Kantakuzenos.

5 Kantakuzenos überbietet (T3,A.5) durch totale Vollkommenheit alle anderen Herrscher. Zu diesem Topos s.o., S. 98, A.13.

6 Der Vergleich des Philosophenjüngers mit dem Reigentänzer ist platonisch: PlTht 173bc, Prt 315b, vgl. a. Phdr 252cd (Anhänger eines Gottes). Der BegriffxoQ6<; verblaßte später zum terminus für die Anhängerschaft eines Professors überhaupt: LibOr 1, § 19f. und öfter.

7 Zur Sanftmut: s.o., S. 96, A.30 und 31. Vorbild der Tugend: entspr. Gedanke PIPlta 484d. 8 Sinnlichkeit beherrschen: Gedanke PIPlta 485d, Formulierung PISmp 196c; Vernunft ge­

gen Sinnlichkeit: PIPlta 431cd. Die äußere Manifestation der Selbstbeherrschung des Kantaku­zenos ist seine kaiserliche Machtausübung. Sich selbst und dem Staat nützlich sein: PIPlta 413e.

9 Zur Herrschaft nach Gottes Willen: s.o., S. 95 f. mit A.12. «Vor allem»: Kantakuzenos überbietet alle gotterwählten Kaiser. Berufung auf den Konsens aller in der Rhetorik beliebt; bei Kyd. z. B. T48/L275,22; T49/L31,38.

10 Zu dieser Weadung s. T7,AA. 11 Zur Verwendung des Wortes oxijlJ.U s. ManEpDen 4,A.3 und 6,A.1. Im folgenden die

vier sog. Kardinaltugenden (PIPlta 427 e), wobei jedoch hier q>Q6vTJm<; für die sonst allerdings belegte (s. Exkurs, S. 96, A.28) ooq>(u und Sanftmut (1tQäov) für oOJq>QoO'lJvrj eintritt. Zu q>Q6vfJ­OL<;: s. S. 96, A.27.

12 Zur Fetndesliebe: T3,A.l1. 13 MeyaA.TJ j3aUAtl ist keine amtliche, sondern nur eine rhetorische Bezeichnung für den Se­

nat. In der terminologischen Übersicht bei ChristSki (dort S. 30) fand ich nur einen Hinweis auf lleyaA.TJ oUYXA.TJ'tO<; in rhetorischer Verwendung bei Michael Choniates~

14 Kantakuzenos überbietet (vgl. A.5) alle anderen, die solche Tugenden üben.

124

15 Erneutes Lob der Feindesliebe (wie A.12). 16 W.: 'tOL~ ÖAOL~ wie T7,A.2.

BRIEFE TB - T9

17 Kyd. entwirft eine rhetorische Vision des Friedens für die Anhänger und des Schreckens für die Feinde des Kantakuzenos.

18 Das beliebte Hadesbild (T7,A.5) wird hier beim Wort genommen: die Lage der Widersa­cher ist hoffnungslos wie eine Strafe im Hades, weil sie dem Tod geweiht sind.

19 Erneut «~oL~ ÖAOL~» wie A.16, hier unter dem Aspekt der Wirksamkeit staatlicher Macht für die Untertanen. -

20 SophAi 168 f. Der Geier ist der rasende Aias, vor dem die Argeier zittern. Doch versteht Sophokles das Aufkreischen anders: er bez~eht es gerade auf die Zeit, wenn Aias nicht zugegen ist und seine Feinde Mut schöpfen, Kyd:-hingegen auf das Kommen des Kantakuzenos; doch ist für ihn entscheidend die Anspielung auf die Angst der Vögel vor dem Geier.

21 Sich mit Kriegslust waffnen: HomIl 19,36. 22 W.: 'KOAo<pwva bttßT)'KEV, PlEuthd 301e; Nom 673d und öfter; Soll 11 19. 23 Das Bild vom unsicheren Meer (hier in der Form der Oberbietung) bei Kyd.: T10/L8,23;

T16/L43,8 f.; T20/L72,23; T41/L38,9; T79/L107, 10f.; vgl. Kant 11 582,4 (vom Staatsschiff), KazdanKor 1-16 und KashdanCant 312 f. Zum Gedanken vom feindlichen Meer vgl. auch H. Rahner, Zeitschr. f. kath. Theol. 66 (1942) 96ff.

24 Mit einem Oxymoron beschreibt Kyd. seine Lage in Berroia als «Gefangener», da alles ringsum in der Hand Stefan Dusans war (s. Greg 11 746).

25 Hippokrates: T65/L100,9; T50/L110,42. Weitere Stellen: LC 11 468 (Index). Hippokra­tes steht hier stellvertretend für «Arzt». Das Bild vom heilenden Arzt bei Kyd.: T14/L10,20; T61/L94,27 (Asklepios); T95/L 77 ,24. Mit Bezug auf Kantakuzenos: T26,A.26; auf den Kaiser allgemein: HungProoim 130ff.; auf Neilos Kabasilas: KydApol 1391,1023. Vgl. PIPrt 357e etc. und ATEx 15,26; NTMk 2,17 u. a. Mit diesem Bild und der konkret zu verstehenden Anspie­lung auf den aol"tTJ(>-Aspekt der Kaiseridee (vgl. Treitinger 231ff.; HungProoim 154; T13/L9,44; T14/L10,23) beschließt Kyd. seinen Hilferuf an den Kaiser.

9 - AN DEN PROTOSEBASTOS

L: 27; OK yd: Berroia; E: Leon Kalothetos; OE: Thrakien, bei loannes Kantakuzenos; D: Ca. August 1345; wI: Mahnung des säumigen Briefschreibers; Vorwurf, Kalothetos habe in seiner nunmehr einflußreichen Stellung beim Kaiser den früheren Freund (Kydones) vergessen.

Du hast uns, als du die Stadt verließest, anderes versprochen, als du jetzt in 5

Taten verwirklichst. Denn damals versprachst du, an uns zu denken und das Gedenken mit Briefen auszuweisen. Jetzt aber kommen zwar viele von euch zu uns, aber auch nicht einer bringt uns einen Brief von dir - anscheinend sollte das damals nur so dahingesagt sein. Hättest du es nämlich mit entspre­chendem Ernst gesage, dann müßte es uns durch die Häufigkeit der Briefe

125

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

kenntlich werden. Aus welchem Grund aber läßt du deinen Worten nicht 10 auch den Erweis durch Taten folgen? Deine Zunge kann es ja mit der Ne­

stors2 aufnehmen. Ihrer Redeströme bin ich schon seit langer Zeit beraubt, und das bereitet mir größeren Schmerz als der Gedanke, jetzt die Mutter nicht sehen zu können, ja mir tut es wohler, über dich etwas zu erfahren, als den Dürstenden das Trinken3

Du willst doch wohl auch nicht behaupten, du wolltest deinen Freunden verbieten, an deinen unglücklichen Erlebnissen Anteil zu nehmen. Denn

15 ohne das alte Sprichwort aufzuheben, das den Freunden Gemeinsamkeit in allem vorschreibt4

-: was du jetzt genießen kannst, ist genau das, was ich dir am meisten von allen Dingen wünschen möchte. Du könntest dich also auch nicht dar aufs zurückzieh~n, wenn du die Vernachlässigung unserer Person entschuldigen wolltest. Falls du aber von uns den Grund hören willst: auch du hast dich dem, was Menschenart ist, nicht entziehen können, sondern seit

20 du jener Bedrängnis und der Gefangenschaft mit knapper Not entronnen bist, dich in Krieg und Waffengang stürztest, nun beim Kaiser weilst (bei ihm, der alle mit Waffen besiegt hat, noch mehr aber durch Vernunft Sieger ist) und für deine Dienste bei ihm großzügigen Lohn erhältst, glaubst du als klei­ner Geist zu gelten, wenn du dich noch um so unbedeutende Menschen kümmerst6

• Natürlich würde ich dich mit Freuden nicht nur hierin, sondern 25 in allem beim Kaiser erfolgreich sehen. Wenn du aber daran verhaftet bist

und es dich dazu bringt, deine Freunde zu vernachlässigen (selbst wenn es sich um Menschen in bes~heidener Stellung handelt), so paßt das nicht zu ei­nem Mann wie dir und stimmt nicht zu dem, was alle von dir singen. Sehen wir doch sogar, wie Gott, der alles, Großes wie Kleines, geschaffen hat, kei­neswegs in seiner Hinwendung zu den größeren Dingen die geringeren miß­achtet, sondern mit wunderbarer Kraft a~ch sie in den Bereich seiner Vorse­hung einbezieht6a

30 Es wäre daher wohl angebracht, auf diese Entschuldigung zu verzichten! Willst du aber von der Anklage freikommen 7 , dann ahme mit einer Palinodie Stesichoros nachs und schreibe denen, die dir nur so vergeben werden. Uns aber soll dein Brief die gegenwärtigen Übel aufwiegen, und wir werden uns mit ihm darüber trösten, daß wir dich nicht sehen können9

, in der Vorstel­lung, deine Sirenenstimme zu hören 10.

K I. OK yd: Kyd. erwähnt die Trennung von seiner Mutter (11 f.), befindet sich also nicht in

126

BRIEF T9

Thessalonike (vgl. T8,BKyd), und schreibt an jemanden, den er um seinen Aufenthalt beim Kai­ser beneidet (15 f. 20), befindet sich also selbst nicht bei diesem. Da sich nun aus TI0/L8,24ff. (der gleichzeitig mit TIl1L26, dem nachweislich späteren Brief an denselben Kalothetos, ab­ging) Aufenthalt in Makedonien ergibt und aus T12/L19 hervorgeht, daß sich Kyd. direkt von Manuel Kantakuzenos (also aus Berroia) zu dessen Vater begeben hat, kann Kyd. auch bei Ab­fassung des vorliegenden Briefes nur in Berroia sein. D: Auf jeden Fall ist dieser Brief einige Zeit vor TI0 und T~ 1 geschrieben (s. dort) und daher mit ziemlicher Sicherheit noch auf 1345 zu da­tieren. Falls er (wie in LOCP 36,50 vermutet) gemeinsam mit T8 abging, wäre er wie dieser zu datieren. Dafür könnte die Erwähnung der «gegenwärtigen übel» (32) sprechen, die man auf die Vorgänge in Thessalonike beziehen könnte (T8,D). E: Der in der überschrift genannte Protose­bastos kann nur der für 1345 an der Seite des Kantakuzenos erwähnte Kalothetos sein (Kant 11 553,20; NicKant 60f.; zu seiner Person s. den unten folgenden Exkurs; dort auch, A.15, zu der Frage, ob noch ein anderer Protosebastos in Frage kommt. OE: Nach Z.20 beim «Kaiser», also bei Kantakuzenos, der sich damals wahrscheinlich in Didymoteichon aufhielt (NicKant 60).

11. BKyd: Kyd. sieht sich noch als unbedeutenden Privatmann (23.25) und klagt über «ge­genwärtige übel», womit sowohl die Vorgänge in Thessalonike (s.D) wie die Unzufriedenheit mit seiner Umgebung in Berroia (Tl 0/L8,5 .17; TIl1L26,29 - 32) gemeint sein können. Xl: 10-annes Kantakuzenos, Sieger durch Waffen, noch mehr aber durch Vernunft (21; s.o., S. 96 mit A.58). ZG: Kriegerische Auseinandersetzungen (20) in Thrakien (s. OE).

111. Hss: B 205v-206" Nr. 38; P 396rv, Nr. 10. Ed: BoissAnNov 296f. (Nr. 21). IV. 1 «Ernst», gr. yvOOJ..l.TJ, Gesinnung (vgl. z. B. L205,3.7); dazu Hunger 1220 f. (über ÖL<l­

{}EOL~). Das Argument, es gebe keine Briefboten (Hunger I 229), läßt Kyd. nicht als Entschuldi­gung gelten, ähnlich T62/L65,11f. Erinnerung an ein Briefversprechen auch T30/L42,9. Zum Brief als Erweis freundschaftlichen Gedenkens vgl. T 0118/L44,7.

2 Nestor: vgl. T5,A.3; T211L88,7 u.ö.; auch sonst häufig zur Anerkennung rhetorischer Fähigkeiten, z.B. NikChonOr 216,29; Greg I 331,15f.

3 Beziehung des Kyd. zu seiner Mutter, s.o., S. 58 mit AAO. Brief stillt den «Durst»: Thraede 171; Hunger I 225 mit A.91.

4 Paroem. I, 106; PIPI ta 424a, 449c; Phdr 278c. Bei Psellos: TinnFr 159. Ferner: T541 L73,7; T59/L93,24f. Weitere Belege: HungerI223 mitA.69. Vgl. auch T20,A.l; PapZit52,10; KarSpr 60, Nr. 99.

5 Sc., daß es nur schlechte Nachrichten gebe, die er mit dem Freund nicht teilen wolle. Also weitere Ablehnung denkbarer Entschuldigungsgründe wie A.1.

6 Ironische Bescheidenheitsgeste, die den Hochmut des Briefpartners anprangert, nochmals Z.25. Zur Widerlegung dieser Haltung erfolgt ein Vergleich a maiore ad minus: sogar Gott wendet sich den Geringen zu (27-29).

6a Vgl. NTMt 10,29; Lk 12,6. 7 Zu den termini der Gerichtssprache im Mahnbrief: Hunger I 222.

8 Der Lyriker Stesichoros (6. Jh. v. Chr.) änderte später seine eigene homerisierende Darstel­lung der Helenasage zugunsten von Helenas Unschuld ab, wohl aufgrund von Hesiod, fr. 266. Nach der Legende wurde er durch das Eingreifen Helenas oder der Dioskuren zum Widerruf (Palinodie) veranlaßt. Vgl. PIPhdr 243ab (Palinodie des Sokrates zur Versöhnung des Eros); KarSpr 38, Nr. 46.

9 Zum Topos Brief als Trost: Hunger I 224f.; Thraede 90; 168ff.; TomadEp 112f.

127

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Bei Kydones: Tll/L26,14; T64/L98,59; T65/LIOO,22f.; T94a/L63,11; T116/L137,14f.; T0134/LIOI,6.

IO Zum Topos Tl7 /L6,A.13. Es fällt auf, daß dieser Brief wesentlich reicher an epistolo~ graphischen Klischees ist als die an Kantakuzenos, für den Kyd. offenbar mehr Originelles zu «bieten» bereit war.

Exkurs

LEON KALOTHETOS (BIOGRAPHISCHER ABRISS)

Die Familie, deren Name sich aus 'XaA6~ + {}E't6~ (Adoptivkind) zusam­mensetzt, leitet ihren Ursprung aus dem kleinasiatischen Ephesos1 uild ist auf Chios, wo sie später ansässig war, zuerst um das Jahr 1200 nachweisbar2

Bereits im Jahr 1315 ist der hier behandelte Leon als Mitverfasser eines Brie­fes an den Patriarchen loannes XIII. bezeugt, in dem es um eine Anklage ge­gen den Bischof von Chios und seinen Chartophylax ging3

• Damals stand die Insel unter der von Byzanz notgedrungen als eine Art Lehen genehmigten Herrschaft der genuesischen Familie der Zaccaria, seit Benedetto I. Zaccaria im Jahr 1304 die Insel von Phokaia aus okkupiert hatte4

, und es nützte By­zanz wenig, daß seine Fahnen auf den-Stadtmauern von Chios gehißt waren5

Immer widerwilliger gewährte Andronikos 11. den Zaccaria die Verlänge­rung ihrer Herrschaft6

• Schließlich erlaubte sich Martino, ein Enkel6a Bene­dettos 1., der seinen mitregierenden Bruder Benedetto 11. von der Herrschaft ausgeschaltet hatte, einen Übergriff, der ein hartes Einschreiten der Byzanti­ner herausforderte: er baute ohne Genehmigung des Kaisers eine Zitadelle, die zweifellos seinen eigenen militärischen Zielen dienen sollte 7 • Damals be­gab sich Kalothetos, der angesehenste Magnat von Chios und schon seit den Zeiten seiner Vorfahren mit dem Hause des Kantakuzenos engstens befreun­det8

, nach Didymoteichon zur Mutter des damaligen Großdomestikos loan.,. nes Kantakuzenos und beklagte sich bei ihr über die Anmaßung der Lateiner, die Byzanz nicht nur der Herrschaft über Chios, sondern auch der hohen Steuereinkünfte von den Einwohnern der Insel beraubt hätten9

• Der mit Kan­takuzenos befreundete Andronikos 111., der inzwischen Kaiser geworden war, konnte also mit der Unterstützung des Magnaten rechnen, als er nach einem unbeachtet gebliebenen Ultimatum an Martino10 im Herbst 1329 mit einer Flotte auf Chios landete. Martino wurde abgesetzt und als Gefangener nach Byzanz gebrachtll. Ben~detto 11., der seinerseits Byzanz gegen seinen

128

BRIEF T9/EXKURS LEON KALOTHETOS

Bruder zu Hilfe gerufen hattella, wurde nun die Gouverneursstelle angebo­

ten; aber er erhielt sie schließlich nicht, da er die unannehmbare Forderung nach unabhängiger Herrschaft stelltellb

; er starb noch im Jahr 132912• Ver­

mutlich wurde statt seiner nun Kalothetos byzantinischer Statthalter auf der Insel, in welcher Stellung er einige Zeit später bezeugt ise3

• Als treuer An­hänger des Kantakuzenos wurde er während des Bürgerkriegs wohl ziemlich bald nach 1~41 durch Alexios Apokaukos von diesem Posten abgesetzt und begab sich nach Thessalonike, wo er offenbar von Freunden des Kantakuze­nos aufgenommen wurde14. Doch scheint ihn Kantakuzenoseinige Zeit spä­ter an seine Seite berufen zu haben, wo ihn jedenfalls der vorliegende Kydo­nesbrief (T9; vgl. T11,10.18) bezeugt. Während Kantakuzenos in Thrakien seine Ma~ht au~baute, fiel der Feldherr Ioannes Batatzes von ihm ab und ging zur Kaiserin Ahna über. Daraufhin betraute Kantakuzenos den Kalothetos

"mit der schwierigen Aufgabe, Batatzes zur Umkehr zu bewegen; die Mission blieb aber ohne Erfolg15. Bei seiner Abreise von Thessalonike hatte Kalothe­tos dem Kydones versprochen, sich beim Kaiser für ihn zu verwenden, aber erst ein zweiter Mahnbrief, sein Versprechen einzuhalten16, verschaffte Ky­dones die ersehnte Einladung nach Thrakien17.

Auch nach dem Einzug de~ Kantakuzenos in Konstantinopel 1347 blieb Kalothetos zunächst an seine-r Seite; eine Urkunde vom 9. 9. 1349 bezeugt noch seine Anwesenheit im Blachernenpalases. Doch ernannte ihn Kanta­kuzenos noch im gleichen Jahr zum Nachfolger des infKampf gegen die Ge­nuesen gefallenen byzantinischen Statthalters von Alt-Phokaia (an der klein­asiatischen Küste nordwestlich von Smyrna)19. Von dort aus bekämpfte er gemeinsam mit Kantakuzenos die Genuesen. Ein gescheiterter Versuch, im Jahr 1350 mit Venedig ein Handelsabkommen zu seinen Gunsten zu schlie­ßen, ist urkundlich bezeugeo. Im gleichen Jahr bot sich ihm auch eine Gele­genheit, den Genuesen das damals bedeutendere Neu-Phokaia mit Hilfe ei­ner byzantinischen Partei in der Stadt zu entreißen; aber es wurde bereits 1351 von der Chios beherrschenden «Aktiengesellschaft» der Genuesen, der Maona, zurückerobert21

• Wenn man dem Florentiner Geschichtsschreiber Matteo Villani glauben darf, wurde er einige Jahre später von seinem eigenen Sohn vorübergehend (?) abgesetze2

• Dieser war es angeblich, nicht sein Va­ter Leon, dem der von Piraten in Gewahrsam genommene jüngste Sohn des Osmanenemirs Orchan, genannt Halil, in die Hände fiel, und er sei es gewe­sen, der bei Kaiser Ioannes V., der notgedrungen für Halils Freilassung bei ihm eintrat, mit größter Unverfrorenheit um ein hohes Lösegeld feilschte23

129

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Die byzantinischen Quellen, Kantakuzenos und Gregoras, wissen nichts da­von und sprechen allem Anschein nach immer von ein und demselben Kalo­thetos24

• Jedenfalls war es wohl nicht dieser Sohn, sondern Leon Kalothetos selbst, der nach der Freilassung Halils von Ioannes V. neben einer hohen Geldsumme den Titel Panhypersebastos erhielt25

, zumal er ja vorher bereits Protosebastos war26

• Etwa 1358 vertrieben ihn die Genuesen von Chios end­gültig aus Alt-Phokaia, und der Ort wurde angeblich an die Gattilusi von Lesbos in Erbpacht gegeben27

• Leons weiteres Schicksal ist unbekannt, doch weist eine Bemerkung des Kydones darauf hin, daß er sich damals (?) auf «Reisen» begab28

1 K. Amantos, rEVEaAoYLxa EX X(ou, EEBS 26 (1956) 38,A.4 (Name). Zur Herkunft der Familie aus Ephesos: WeiKant 37 mit Lit.angaben.

2 Amantos, ebd. 38. 3 DarPatr 2042. 4 ArgentiChios 54 f. 5 Kant 1370. 6 Kant 1371,9-12. 6a So ArgentiChios 56,A.1 (vgl. auch 57), aufgrund einer Urkunde vom 27.3. 1313, gegen

Miller. 7 Zum Bau der Zitadelle DietGreg 11 2,308. 8 Kant 1371; NicKant 31,A.64; Bosch 113. 9 Kant I 37lf.; Bosch 113. Greg I 438 f. erwähnt Kalothetos und seinen Einsatz mit keinem

Wort, während Kantakuzenos wohl dazu neigt, die Rolle seines Anhängers überzubetonen. 10 Kant I 373 f.; Greg I 438; DöReg 2750; DietGreg 11 2, 308. 11 Kant I 377f.; Greg 1439. 11 a Nach DietGreg 11 2,310 war Kalothetos vielleicht im Auftrag Benedettos nach Didymo-

teichon gereist. 11b DietGre"g 11 2,310. 12 Kant I 380,1-3. 13 Kant I 379 erwähnt zunächst nur materiellen Lohn für Kalothetos. Nur Kant III

84,16-20 bezeugt rückblickend seine Statthalterschaft auf Chios, ohne anzugeben, wann sie begann; doch darf man nach der vorherigen Aktivität Leons annehmen, daß er sofort nach Be-. nedettos 11. Tod (Kant I 380,1-3) diese Stelle erhielt.

14 Absetzung: Kant III 84,16-20. Nach T11 ,A.3 haben sich Kyd. und Kalothetos zuletzt in Thessalonike gesehen; dieser muß sich also einige Zeit dort aufgehalten haben.

15 NicKant 60. Der Titel «Protosebastos» ist bei Kant 11 553,20 im Zusammenhang mit der Gesandtschaft des Kalothetos erstmals für diesen bezeugt. Wann er ihm verliehen wurde, ist un­bekannt. Zum Titel s. PseudoKod 137 (15. Würde); 155 (Kleidung); 175 (reiner Titel); 305 (vom Despoten an der 13. Titel). Ein anderer namentlich bekannter Protosebastos unter Kanta­kuzenos ist Alexios Metochites (Kant III 104,10; 108f.). Er gehörte aber zu den Gegnern des Kantakuzenos (NicKant 72) und kommt daher (entgegen der Vermutung von BoissAnNov 296,A.1) als Adressat des Briefes T9/L27 nicht in Frage.

130

EXKURS LEON KALOTHETOS/BRIEF Tl 0

16 T11/L26, Versprechen: T9/L27,4; T11/L26,9-11. 17 Gemäß T12/L19 ist Kyd. bei Kant~kuzenos eingetroffen und hält sich bei ihm auf. Na­

türlich läßt sich nicht beweisen, ob mehr seine eigenen Briefe an Kantakuzenos (T8/L7 und vor allem T10/L8) oder mehr die Vermittlung des Kalothetos, die als Faktum nirgends belegt ist, zum gewünschten Erfolg führte.

18 DöReg 2952. _ 19 NicKant 70. Ober die Vorgeschichte vgl. Kant 111 81-85; Greg 11 842; 851. Ober Pho­

kaia und die folgenden Vorgänge um Kalothetos und Halil vgl. auch meinen unten, 1=43,1., zi­tierten Artikel.

20 LC 11 434: Venezia, Senato, Misti 26 = ThirReg 237, 2. 3. 1350. 21 G. u.1. Stella, Annales Genuenses, bei L. A. Muratori, Nuova Ediziöne, ed. G. Petti Balbi,

XVII,p: 11, Bolögna 1975, 149,10-12: über die Verhandlungen einer byzanzfreundlichen Partei in Folia nova == Neu-Phokaia mit den Teucri (sc. den «Byzantinern» von Alt-Phokaia).

22 Matteo Villani (hier zitiert nach der Ausgabe Croniche di Giovanni, Matteo e Filippo Villani, Trieste 1858, nach Buch und Kapitel), LVII, cap. LXXI: « ••• Foglia vecchia, una terra che l'irnperadore avea data a un suo barone (sc. Kalothetos), e'l figliuolo l'avea tolta al padre.». Ober dieses und die folgenden Ereignisse hat meines Wissens zuletzt (!) auf der Basis zitierter Quellen geschrieben C. Hopf in: Ersch und Gruber, Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaf­ten und Künste, Bd. 68 (1859) 308-341, Artikel Giustiniani (Familie aus Genua), dort 316ff. Hopf gibt an, wohl aus einer anderen Quelle (da dies bei Villani nicht vermerkt ist), der Sohn habe loannes geheißen.

23 So Hopf im Artikel. Vgl. auch T43,D,OE. 24 Kant 111 320-322; Greg 111 505,3 (ohne Nennung des Vornamens). Besonders zu beach­

ten Greg 111 561,12, wonach dieser Kalothetos (sc. der das Geld forderte) E1tL 'tQ03tEUrov, also Be­auftragter von Byzanz, und kein Usurpator ist. Vgl. auch DöReg 3055 und 3057; LOCP 36,58.

25 Villani, 1. VII, cap. LXXVIII spricht im Zusammenhang mit den Geldverhandlungen von «quello Greco che la (sc. Foglia vecchia = Alt-Phokaia) tenea». Zu Titel und Geldsumme Nik­Kant 134,A.4; zum Rang des Panhypersebastos: dritter nach dem Despoten (PseudoKod 300).

26 T9/L27; Tll/L26; Kant 11 553,20. 27 So Hopf im Artikel, wie A.22. Hopfs Quellengrundlage für diese Behauptung ist mir un­

bekannt. Vgl. zu dieser Frage meinen unten, T43,1., zitierten Artikel, A.63. 28 T44/L46,33 und die Bemerkung dazu: ebd. D. Da Kyd. in demselben Brief Pläne äußert,

ins Abendland zu reisen, und er Kalothetos als sein «Vorbild» anführt, ist die Vermutung, er habe sich in ein westliches Land (Italien?) begeben, berechtigt.

10 - AN KAISER KANTAKUZENOS

L: 8; OKyd: Berroia; E: loannes Kantakuzenos; OE: Thrakien; D: Ca. Oktober/November 1345; wI: Lob auf die Erfolge des Kantakuzenos in Thrakien; Hilferuf an Kantakuzenos, auch in Makedonien solche Taten zu vollbringen; Ausdruck des Wunsches, Kantakuzenos möge ihn an seine Seite rufen.

131

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Den Thrakern ist es ja wohl vorausbestimmt, alles Gute zu genießen, uns 5 aber, bis zum Äußersten unglücklich zu sein! Deshalb ist ihnen also ein Kai­

ser verliehen, der mehr als alle das Kaisertum durch seinen edlen Charakter zu Ansehen gebracht hat: er hat die Tore der Städte, die schon lange Zeit vor den Feinden geschlossen waren\ geöffnet, und die Bürger, die gleichsam zu Mumien geworden waren2

, herausgeführt; er gibt ihnen nach langer Zeit wieder die Möglichkeit, das umliegende Land zu betreten, aber auch die be­nachbarten Städte, ohne einen der früheren Feinde fürchten zu müssen. Sie

10 fangen nun an, furchtlos zu genießen, was ihnen gehört, und müssen sie ein­mal auf freiem Feld übernachten, tun sie auch das, ohne jemanden zu fürch­ten. Sind doch nun die früheren Feinde ihre Wächter, da der Kaiser sie durch Waffengewalt und kluge Diplomatie bändigt3

• Daß es aber jemals unter den Menschen kriegerische Unruhen gab, fällt nicht einmal denen leicht zu glau­ben, die selbst darunter gelitten haben4

• Die Gesetze stehen in Blüte, und die 15 Weisheit führt eine freie Spraches. Kriegswaffen sieht man überall und ein

Heer, das sich mit jeder beliebigen Streitmacht messen kann. Aber das Wich­tigste: ein Kaiser ist vor Augen, der mit aller Weisheit und Tugend und den hervorragendsten Eigenschaften geschmückt ist.

So steht es bei ihnen. Bel uns aber: «Mühe und Plage und andere Leiden zuha ufo » 6 Von Städten sind hier ja die einen in Barbarenhand, in den anderen herrscht, wenn schon nicht Pest und böse Intrigen, die Revolution. Gesetze

20 sind Geschwätz, und das Morden ist schon gesetzlich sanktioniert. Jeder po­litische Führer ist ein Schurke; wer aber Verstand hat und das Recht ehrt, lebt wie einst die Kimmerier1. Die einzige Hoffnung aber bist du, und für den Staat ist nur aus dieser Richtung Heil zu erhoffen; er muß, wenn du nicht um seine Freiheit besorgt bist, mit Sicherheit untergehen, da sich sonst niemand solch gewaltigen Wogen entgegenstellen kann.

25 Wir aber haben in vielfacher Hinsicht das Recht, nicht vernachlässigt zu werden. Es gibt hier ja große Städte und ein starkes Heer, gewohnt, die Bar­baren zu besiegen, aber auch Gesetze und Prunkreden zur Verherrlichung kaiserlicher Taten8 und Heiligtümer, allesamt ehrwürdig und wert, erhalten zu bleiben9

• Aber allein schon der Name «Makedonien» flößt den Barbaren Schrecken ein; sie fühlen sich an Alexander erinnert und die wenigen Make-

30 donen, die an seiner Seite Asien entgegentraten lO•

Zeige ihnen also, Kaiser, daß es noch Makedonen gibt und einen Kaiser, der sich von Alexander nur durch die Zeit unterscheidetll . Erscheine und rette unsere Städte im Ver~rauen auf dein Glück! Mir aber sei es vergönnt,

132

BRIEF TlO

den Worten auf dich neue hinzuiufügen und deine Siege zu besingen und dem­Kaiser nahe zu sein, dessen Umgebung ich glücklich preise. Wenn du aber be­fiehlst, auch ich solle eilends zu dir kommen, gib mir nur einen Wink, und du 35

wirst sehen: ich werde schneller laufen als die, die beim sportlichen Wettlauf den Kranz erhalten12

K I. OKyd: Nach Z.25 ff. hält sich Kyd. in Makedonien auf, genauer an einem Ort, wo man

Kantakuzenosverehrt (26 f.) und über ein ihm ergebenes Heer verfügt (25). Das verweist ebenso auf Berroia (vgl. T7-9) wie der am Schluß geäußerte Wunsch, zu Kantakuzenos zu kommen, von dessen Verwirklichung er später in T12/LI9 an Manuel Kantakuzenos in Ber70ia, den er soeben verlassen hat, berichtet. D: Inhaltlich berührt sich TI0 mit T8 und setzt wie dieser Brief die Kämpfe des Kantakuzenos in Thrakien (4 ff.) voraus. Doch sprechen zwei Gründe dafür, die­sen Brief einige Zeit später als T8 zu datieren: Kyd. spricht nun deutlich den erwähnten und ei­nige Zeit später verwirklichten Wunsch aus, zu Kantakuzenos zu kommen, und offenbar hat sich nun die Lage in Makedonien verschlechtert; einige Städte sind in der Hand der Barbaren, zweifellos der Serben unter Stefan Dusan, der am 25. 9. 1345 die wichtige Festung Serres erobert hatte, so daß ein Erscheinen des Kantakuzenos in Makedonien nicht mehr aufgeschoben werden darf (18f. 24-33). Terminus an te quem des Briefes ist die Abreise des Kyd. von Berroia (s. zu T12). OE: s. D.

11. BKyd: Kyd. bietet sich dem Kaiser als Redner (32 f.) oder zu anderen Diensten in seiner Umgebung an (33 -35). BE: Erfolge des Kantakuzenos in Thrakien; deutliche Anspielung auf sein Paktieren mit den Türken (11.; s.LOCP 36,50 und unten, A.3). Vgl. Exkurs, S. 95, undZG. ZG: 1. Kantakuzenos in Thrakien, s. BE; 2. Seine Zusammenarbeit mit den Türken, s. BE; nä­here Einzelheiten bei NicKant 60 f. mit A. 71. 3. Die makedonischen Städte von Feinden bedroht, s. D.

III. Hss: B 19P-192r, Nr. 19; 0 279r

, Nr. 22; P 392r -39Y, Nr. 4. IV. 1 Mit einer geschickten Verbindung von Lob und Klage schlägt Kyd. bereits im ersten

Satz die zwei Hauptthemen des Briefes an und zeigt, wie sie miteinander verknüpft sind. Zum Gedanken, daß Kantakuzenos dem Kaisertum «'toL<; 'tQ6:7toL<;» Ehre macht, s.o., Exkurs, S. 98, A.23. Die geschlossenen Tore auch T8/L7,49.

2 Erwähnung der ägyptischen Praxis des Einbalsamierens, aber nicht in einern Bild: PIPhd 80c. Ähnlich der Tod als Bild untätiger Erstarrung: T54/L73,32. Der Vergleich erscheint Plut­Mor 1095b.

3 «Zähmen» in metaphorischer Verwendung weist auf den barbarischen Charakter der «Wächter» hin, vgl. 0., BE.

4 Hyperbolische Beschreibung der friedlichen Gegenwart durch zweifaches ouöt: man er­innert sich «nicht einmal» der Unruhen, es erinnern sich «nicht einmal» die direkt Betroffenen. Vgl. KydThess 649B, eine ähnliche Form der Hyperbel. Ferner T30/L42,11; T31/L41,12; T43/L3,9; T44/L46,20.

5 Zu den platonischen Tugenden Weisheit und Gerechtigkeit s.o., S. 96. Die Prosopopoiie der Weisheit verstärkt den Nachdruck der Aussage. Im folgenden wieder Kantakuzenos als der weise Kaiser.

133

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

6 Ein in der Literatur häufig verwendetes Empedokleszitat (H. Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker6

, I, 360,18; vgl. T49/L31,23; SynAig 65). 7 Drastische, hyperbolische Beschreibung der schlimmen Lage in Makedonien, natürlich als

Kontrastbild zu Thrakien unter Kantakuzenos. nOAL'tEu6I1EVOC; wie Kant 11 146,2; 148,8. Vgl. T. Teoteoi, La conception de Jean VI Cantacuzene sur l'-e.tat byzantin ... , RESEE 13 (1975) 167ff. Ober die Verwendung desselben Wortes im Sinne von «zivilisiert» s. NicChurch 56 mit A.78. Die Kimmerier, ein Volk, das nach Horn Od 11,14 -19 in ständigem, sonnenlosem Dunkel lebt, bei Kyd. nur hier.

8 Zum Begriff 6.y6Jv im Sinn von Hofrede: LSc, s. v., 111, 4. 9 Das Argument, es gelte, die Kultstätten zu schützen, muß auf den christlichen Kaiser be­

sonderen Eindruck machen. Konkretes Beispiel einer im Krieg zerstörten Kirche: T15 /L5, 15 8 ff. 10 Der Gedanke von der Furcht der Barbaren vor den Makedonen wegen Alexander dem

Großen findet sich schon bei Skyl 479,11. 11 Zum Vergleich mit Alexander s. T4,A.10. 12 Oberbietung (T3,A.5) des Siegers im Wettlauf auch L279,50f., ebenfalls in wirkungsvol­

ler Stellung am Briefschluß, zum Ausdruck größter Bereitwilligkeit.

11 - AN DEN PROTOSEBASTOS

L: 26; OKyd: Berroia; E: Leon Kalothetos; OE: Thrakien; D: Ca. Oktober/November 1345; wI: Vorwürfe wegen eines nicht eingehaltenen Hilfsversprechens; erneute Mahnung des säumi­gen Briefschreibers und Bitte um Rat und Hilfe in dem Anliegen, eine Stellung bei Ioannes Kan­takuzenos zu erhalten.

Es ist nicht deine Art, solche Freundschaft zu empfinden, wie du es gesagt 5 hast, und dann den Anschein zu erwecken, als hättest du es vergessen. Sollen

meinetwegen andere solche Schwächen haben! Dein Charakter war jeden­falls in hohem Grade zuverlässig und denen, die du kennst, zugetan. Also ist es nicht dein Versagen, wenn du nicht schreibst, sondern ich sollte anschei­nend auch noch hierin unglücklich sein1

: ich sollte nicht nur meines Besitzes beraubt, sondern auch in meinen Hoffnungen getäuscht werden2

• Mit den Hoffnungen meine ich: daß du an mich denkst und deine Versprechen nicht

10 vergißt, mit denen du uns bei deiner Abreise ermutigt hast, nämlich, wir soll­ten dein Schicksal teilen und du würdest, beim Kaiser angekommen, auch mir eine Stellung bei ihm verschaffen.

Davon hat das böse Schicksal nichts bestehen lassen, sondern wollte mir, obwohl die Hoffnungen nur ganz allgemeiner Art waren, unbedingt auch diese noch wegnehmen. Deshalb hast du mir als einem aus der Heimat Ver­bannten nicht dein Mitempfinden ausgesprochen3

, hast mir nicht für die 15 Plünderung meines Besitzes brieflichen Trost4 zukommen lassen (womit du

134

BRIEFE TlO-=-Tll

mir gezeigt hättest, daß deine Gefühle mir gegenüber unverändert sind), hast dich auch nicht wie ein Freund dem Freund gegenüber verhalten, sondern, obwohl d\! oft Briefe von mir erhieltestS , geschwiegen, als hättest du es mit Indern und Paionen zu tun6

• Zwar könnte man einwenden, hier achte j~ mand, der bei einem so bedeutenden Kaiser weilt, nicht darauf, wenn einer im fernsten Winkel Lärm schläge. Aber das möchte ich niemals behaupten! Denn du bist ~ahrhaftig nicht der Mann, jemanden wegen seines Schicksals 20

schmählich zu behandeln; auch schienst du mich nächst deinem Bruder zu lieben, was du oft auch eidlich bekräftigen wolltest8

• So ist denn all das dem Schicksal zuzuschreiben, das mir gegenwärtig jedes Unglück bringt.

Wie also? Soll es dem Menschen in allem schlecht gehen, der so von deiner Gunst abhängt, der aber auch so von dir geliebt wird und dem du solche Zu­versicht gegeben hast9 ? Wirst du nicht vielmehr suchen, wie du ihn über sein hartes Schicksal trösten, ihm die Zukunft mit schönen Hoffnungen erträgli- 25

cher machen und ihn überzeugen kannst, er werde keineswegs zugrunde ge-. hen? Jedenfalls wäre es ungerecht, einen solchen Freund verkommen zu las­

sen! Schreibe also, zeige mir, daß du mich noch liebst und daß nichts auf der

Welt deine frühere GesinnunglO ändern könnte! Es sollte in deinem Brief aber auch ein Rat stehen, was wir, die wir hier sitzen, tun sollen. Ich wollte ja schon oft dieser unleidlichen Stadt und ihren unfreundlichen Bewohnern ent- 30

fliehen und eilends zu euch kommen; aber die Unsicherheit, was mir größe­ren Nutzen bringe, veranlaßte mich zu bleiben und den Abgrundll zu ertra­gen. Wir brauchen also einen uns befreundeten Mann, der uns durch seine briefliche Gegenwart12 einen wohl erwogenen Rat geben kann, was uns am meisten förderlich ist. Zeige dich also selbst und gib uns einen Wink, was wir tun sollen! Ich werde, wenn Pythia ein Orakel gibt l 3, gewiß nicht widerspre- 35

chen! Bin ich doch ein für allemal überzeugt, daß dir sicher nichts entgeht, was zu tun ist, und daß du mir wegen deiner tiefen Zuneigung das Zuträgli­che raten wirst. Daher halte ich alles Unglück nur für böse Träume und schaue aus nach deiner Hilfe 14 •

K I. E: Der Adressat des Briefes ist, wie sich aus der handschriftlichen Angabe seines Titels und

der Situation des Kyd. ergibt, zweifellos derselbe wie der von T9, s. dort und Exkurs, S.128-131. OKyd: Kyd. hält sich in einer Stadt (29) auf, in der er sich zwar nicht wohlfühlt (29-31; siehe dazu oben, S. 9, A.41), wo ihm aber doch einiges von Nutzen ist (31). Die Erwähnung, er sei aus der Heimat vertrieben und habe seinen Besi tz verloren (14 f.), ist kennzeichnend für seine Si tua-

135

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

tion in Bertoia nach dem erneuten Sieg der Zeloten in Thessalonike (s.o., S. 9, A.35). D: Der' eindringlichere Ton dieses Briefes und der rhetorisch übertreibende Verweis darauf, er habe be­reits viele Briefe an Kalothetos geschrieben (s. u., A.5), zeigen deutlich, daß dieser Brief von den beiden an Kalothetos geschriebenen der zweite ist, also später als T9. Da er ebenso wie T10/L8,33-35 den Wunsch, zu Kantakuzenos zu kommen, offen ausspricht, ist mit LOCP 36,50 anzunehmen, T10 und Tll seien mit demselben Kurier abgegangen. OE: Bei Kantakuze­nos gemäß Z.18, also in Thrakien.

11. BKyd: Seine Flucht aus Thessalonike (13 f.; s.o., S. 9 mit A.31-34); Verlust seines Besit­zes dort (7.14; s.o., S. 9 mit A.35); zum Aufenthalt in Berroia s. OKyd; Hoffnung auf Kalothe­tos' Vermittlung bei Kantakuzenos in dem Anliegen, zu ihm gerufen zu werden (22-37). BE: Als Kalothetos noch (in Thessalonike, vgl. A.3) bei Kyd. weilte, hatte er ihm versprochen, ihm eine Stellung bei Kantakuzenos zu beschaffen (10f.; vgl. Exkurs, oben, S. 129 mit A.16), aber seit­dem nichts mehr von sich hören lassen. In angesehener Stellung beim Kaiser: 10.18; vgl. T9/L27,20-24. Ep: Mehrere Briefe von Kyd. an Kalothetos erwähnt (16f.); es ist aber durch­aus möglich, daß tatsächlich nur T9 wirklich geschrieben wurde(vgl. A.5).

III. Hss: B 205v -206" Nr. 38; P 396rv, Nr. 10.

IV. 1 Aus dem Charakter des Adressaten deduziert Kyd. ironisch die «Entschuldigung» für dessen briefliches Schweigen: nicht er, sondern nur das böse Schicksal kann verantwortlich sein. Auf die Schuld des Schicksals kommt er 11 f., 21 f. erneut zurück, nachdem er jeweils zuvor den Freund an seine Verpflichtungen (8-11) und Versäumnisse (13 -21) erinnert hat. Die Ironie bleibt so subtil, daß sie dem Freund durchaus noch die Chance läßt, die Vorwürfe nicht auf sich zu beziehen, sondern dem «bösen Schicksal» zum Trotz sein Versprechen noch einzulösen. über Schicksal (Tyche) im Brief: Hunger I 227f.

2 Durch den Hinweis auf sein doppeltes Unglück will Kyd. das Mitleid des Freundes wek­ken .

. 3 Diese Stelle läßt darauf schließen, daß K yd. den Kalothetos nach seiner Flucht aus Thessa­lonike nicht mehr gesehen und sich von ihm brieflichen Trost für den Verlust der Heimat erwar­tet hat. Diese Stelle ist also wichtig für die Beantwortung der Frage, ob sich Kyd. und Kalothetos zuletzt in Thessalonike oder in Berroia gesehen haben, was aus T9/L27,4ff. und Tll/L26,10 nicht zu entnehmen ist (zur Biographie s.o., Exkurs, S. 128 ff.).

4 Trost im Brief: T9,A.9. 5 Die Hyperbel, dem Adressaten schon «oft» oder «viele Briefe» geschrieben zu haben, ist

im Zusammenhang mit der «Mahnung des säumigen Briefschreibers» beliebt. Vgl. T36/L58,37-39; T59/L93,4 (erhaltene Briefe!); T63/L97,48f.; T94a/L63,7f.; T 0131/L95,8.

6 Diese Völker als Inbegriff des Entfernten und Abgelegenen. Paionen (<<Pannonier», Un-garn) in diesem Sinne: ManEp(Den) Nr. 6, 26, sonst nicht bei Kyd.; öfter aber die Inder: T88/L68,33; T117/L138,22; L358,35 (im Zusammenhang mit einer Briefmahnung).

7 Anwendung des Bescheidenheitstopos wie T9,A.6. 8 Erneute Deduktion aus dem Charakter des Freundes wie A.1. 9 Vgl. T2,A.4; T3,A.8. Die postulierte Güte des Adressaten weckt Zuversicht: typische

Wendung in Briefen an höhergestellte Empfänger. 10 «Gesinnung»: T9,A.1. 11 Diese Bezeichnung für einen anderen Provinzort: T15/L5,3 7. Weitere Belege für den Be­

griff: LC 11 472, s. v. Barathrum. Loenertz wählt ohne erkennbares System bald die Klein-, bald

136

BRIEFE Tll- T12

die Großschreibung (in diesem Fall das Barathron in Athen als Vorbild). Zum Topos von der Verbannung in die Provinz: oben, S. 9, A.4l.

12 Zum Topos von der brieflichen Gegenwart: Thraede 146ff.; Hunger I 224. 13 Die auch dem geistig weniger anspruchsvollen Kalothetos zugängliche antike Anspie­

lung gibt dem Anliegen des Kyd. die nötige YAuX,rtTJI!; (über die gefällige Wirkung der «Mythen» Herrn 330).

14 Genau s~ schließt Kyd. den ratsuchenden BriefT69/L103; derselbe Gedanke mit Bezug auf Kantakuzenos KydKant I 4,28.

12 - AN DEN DESPOTEN

L: 19; OKyd: Bei Ioannes Kantakuzenos in Thrakien (Selymbria); E: Manuel Kantakuzenos; OE: Berroia; D: Winter 1345/46; wI: Gefahrvolle Erlebnisse auf der Reise von Berroia zu Ioan­nes Kantakuzenos nach Thrakien; Freude, in dessen Nähe zu sein; Sehnsucht nach dem Adressa­ten.

Dafür, daß wir dich verlassen haben und hierhergeeilt sind, haben wir dir­wisse das - reichlich gebüßt. Denn die Meereswogen haben sich, bitterer als 5

jeder Ankläger\ gegen uns erhoben und drohten uns zu verschlingen wie je­nen vor Gott fliehenden Propheten2

• Als wir ihnen aber entronnen waren, ließ das Schicksal als neues Übel die Hände der Menschenräuber über uns kommen. Wenn du aber von den Klippen hörst, auf die uns die Woge schleu­derte, von dem Hunger, mit dem wir zu kämpfen hatten, weil die Stürme un­sere Landung behinderten, und weiter von den Piraten im Hellespont und 10

den Barbaren auf dem Festland, wirst du wohl, glaube ich, in Tränen ausbre­chen: so sehr wird mein gegenwärtiges Leben geradezu von einem tragischen Dämon3 bestimmt. Jedenfalls ist für uns alle die Seefahrt schlimmer gewesen, als ob wir an der vielbesungenen Skylla vorbeigesegelt wären. Jetzt, da wir das Festland erreicht haben, glauben wir neu aufzuleben, und wir verfluchen die, die zuerst ein Schiff gebaut haben4

• Allerdings halten wir die Not auf dem Land für größer als die im Reich Poseidons. 15

Aber «nicht zu verargen ist es den Troern und den gutgeschienten Achai­ern ... »5, und uns ist jede Mühe und Gefahr leicht, wenn denen, die Mühen erduldeten, solche Belohnungen winken6

• Der Kaiser ist um so viel gütiger7

als sogar die eigenen Väter zu seinen Untertanen, bessert um so viel mehr als jeder Lehrer die Seelen derer, die mit ihm Umgang haben, daß einer, der ihn die Idee der besonnenen Herrschaft nennen würde8

, genau die Sache treffen 20

dürfte. Ihn also sehe ich täglich, und wenn ich an ihm die Eigenschaften sehe,

137

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

die Platon von einem Kriegsmann verlangte9, klage ich nicht mehr über die'

Gefahren, die mir einen so erhabenen und schönen Ausgang beschert haben, vor allem auch, weil deine Gesichtszüge ganz deutlich bei ihm zu erkennen sind: ähnlich ist der Körper, ähnlicher aber noch die Seele10

; ein hervorra­gender Vater eines hervorragenden Sohnes, würde Platon sagen l1

• Das trö-25 stet mich in meiner Sehnsucht nach dir, da mir das Abbild getreu im Urbild

gezeigt wird12, und es geht mir wie denen, die bei Abwesenheit ihrer Gelieb­

ten ihr Gemüt mit Bildern oder Leiern beruhigen13• Denn ich bin ein Rasen­

der in meinem Gefühl für dich, und die Abreise hat erst meine Leidenschaft erwiesen14

• Von dem, was ich jetzt sehe, ist nichts so bedeutend, daß es meine Seele von deinen Vorzügen ablenken könnte, sondern wenn Versammlungen

30 stattfinden, tadle ich die, die etwas anderes vor dir bewundern wollen. Das hört auch der Kaiser, das hört dein Bruder, alle auch hören es, die Ohren ha­ben15

• Ihnen erscheine ich wahrhaftig, denn was ich sage, entspricht den Tat­sachen. Dein Genie übertrifft aber nach ihrer Meinung das Menschenmögli­che. Ihnen zu glauben oder nicht zu glauben steht dir freP6. Allerdings bist du, wenn du das letztere tust, im Unrecht.

K I. E: Daß Manuel Kantakuzenos der Empfänger des Briefes ist, ergibt sich aus der Erwäh­

nungdes Kaisers (seines Vaters) und seines Bruders (30). Nach NicKant 123; 128,A.18, wo statt «nos. 17 and 18» zu verbessern ist: nos. 18 and 19, erhielt Manuel allerdings erst 1347 den Des­potentitel, den ihm der handschriftliche Titel hier bereits zubilligt, im Gegensatz zur Überschrift von T6/L17. Doch können solche Titelangaben wohl auch gelegentlich chronologisch ungenau sein. OE: Kyd. hat Manuel dort zurückgelassen, wo er sich zuletzt bei ihm aufhielt (4), also ge­mäß den vorausgehenden Briefen und der Datierung (s. u.) in Berroia. OKyd: Er hat Manuel ver­lassen und hält sich bei Ioannes Kantakuzenos und dessen anderem Sohn (Matthaios) auf (4.20.30), wohl in des ersteren damaliger Residenz, also Selymbria (SchreinChron 11 262), viel­leicht auch in Adrianopel (s. BKyd). D: Als sichere Datierungsgrenzen ergeben sich die Zeit des letzten Aufenthaltes in Berroia (Herbst 1345) und die Abfassung des folgenden Briefes TB, der geraume Zeit später geschrieben sein muß (April/Mai 1346, vor 21. 5.); so ist für T12 spätestens März 1346 anzusetzen.

11. BKyd.: Kyd. reiste zur See von Berroia nach Thrakien. Das Meer zeigte sich offenbar nicht von seiner besten Seite (4 ff.). Hinzu kam die Bedrohung durch Seeräuber, denen K yd. aber mit knapper Not entrinnen konnte (7.9f.). Jetzt ist er in Sicherheit (13), beklagt aber die kriegs­bedingten Unruhen in Thrakien (14f.), das er nach seiner Fahrt durch den Hellespont (9) offen­bar (von der Propontis aus) durchqueren mußte, um zu Ioannes Kantakuzenos zu gelangen (was mehr für Adrianopel als für Selymbria spricht, das direkt an der Propontis liegt). Er genießt sei­nen Aufenthalt beim Kaiser (15 ff.), beteuert aber auch Manuel seinen Trennungsschmerz (4f.24ff.). Xl: Kaiser Ioannes Kantakuzenos: seine Sanftmut gegen die Untertanen (17), seine

138

BRIEF T12/EXKURS MATTHAIOS KANTAKUZENOS

Fähigkeiten als Lehrer (18), seine königlichen Eigenschaften im Sinne Platons (18 ff.), seine Ähn­lichkeit mit dem Sohn Manuel (24 ff.). S.o., Exkurs, S. 98 f., A.30; AA5; A.24. X 2: Manuels Bru­der, also Matthaios Kantakuzenos (NicKant 108 ff.), anwesend, wo sich Kyd. und der Kaiser aufhalten (30). ZG: Die Lage in Thrakien ist keineswegs so rosig, wie sie Kyd. in rhetorischem überschwang in T8 (ZG) und Tl 0,9 ff. geschildert hatte (14 f.). Anteile an der Seeräuberei (7.10) teilen sich Türken der kleinasiatischen Emirate mit italienischen Freibeutern; vgl. unten, Exkurs Isidoros, S. 161, A.15.

III. Hss: B 200r-201', Nr. 30; M 7rv, Nr. 3; 0 286rv, Nr. 38. IV. 1 Wenn die Meereswogen jeden anderen Ankläger überbieten, werden sie - Prosopo­

poiie - selbst zum Ankläger: eindringlicher Ausdruck seiner Schuldgefühle gegenüber Manuel. 2 Mit Jonas verbindet Kydones die «Flucht» (sc. aus Berroia, wo es ihm nach TU/

L26,29-31 nicht mehr gefiel) und die «Strafe» auf dem Meer. 3 Beleg für den «tragischen Dämon»: LukCal cap. 1; wahrscheinlich noch häufiger verwen­

det. 4 Die Seefahrt als etwas Negatives wie T43/L3,4 ff., A.1. 5 HomIl3,156f., zu ergänzen ist: ... um eine solche Frau (sc. Helena) lange Zeit Schmerzen

zu leiden (Schadewald). Die «Helena» dieses Zitats ist natürlich Ioannes Kantakuzenos. Vgl. T13,A.9.

6 Zum Bild vom Kampfpreis der Mühe bzw. der Tugend: T6,A.3. 7 Güte: S. 99, A.31 hier gesteigert durch den Oberbietungstopos. 8 Mit der Aussage, Kantakuzenos sei selbst die platonische Idee der Herrschaft, wird der

Gedanke vom Philosophenkönig (S. 98, A.21) aufs höchste gesteigert. 9 «Kriegsmann» im Sinne des platonischen Wächters PIPI ta 374eff. Er verbindet Sanftmut

gegenüber seinen Volksgenossen mit Härte gegen die Feinde (PIPlta 375c). 10 Zum Gedanken von der Ähnlichkeit der Seelen bei nahen Verwandten TinnFr 156-158. U Vgl. PIMx 237a; Grg 512d. 12 Derselbe Gedanke wie T7/L6,A.19. Dort wird Kyd. durch den Sohn an den Vater erin­

nert, hier umgekehrt. 13 Die Leier des Simmias: T4/L16,A.8. 14 Zur «Raserei» der Liebe: PIPhdr 244a. Erotischer Ausdruck der Zuneigung im Brief:

T3/Lll,A.1. 15 Nachdrückliche Anaphora: axouEL, axouEL, axouo'UOLV. Kyd. als Herold der guten Ei­

genschaften des Adressaten auch T22/L20,40-42 (angekündigt); TI09/L117,65; TU1/ L132,26-29, zum Erweis der «Gesinnung» (T9,A.l). «Alle, die Ohren haben»: bewußte An­spielung auf NTMt 11,15; 13,8; Apk 2,7 und ähnliche Stellen?

16 Berufung auf das Lob der anderen zur Verstärkung des eigenen Lobes wie T5,A.7.

Exkurs

MATIHAIOS KANTAKUZENOS IN DEN KYDONESBRIEFEN

Matthaios Kantakuzenos wird in den Kydonesbriefen viel seltener und in knapperer Form erwähnt als sein Vater und sein Bruder Manuel. Nur ein

139

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Brief (L241) des Kydones an ihn aus dem Jahr 1382 ist erhalten. Der oben behandelte Brief T12/L19 (Z.20) setzt die Anwesenheit des Matthaios bei seinem Vater in Thrakien (Selymbria?) voraus. In T26/L64 vom Frühjahr 1352 lobt Kydones die hervorragende Qualifikation der beiden Söhne des Kantakuzenos, aus der sich ein Anspruch auf den Thron ableiten lasse (46-48). Trotzdem zeige sich Ioannes Kantakuzenos gegenüber Ioannes V. loyal (vgl. NicKant 79f.; 112). Doch vermied es Kydones, im weiteren Ver­lauf der Auseinandersetzungen zwischen Matthaios Kantakuzenos und.Jo­annes V. (NicKant 113 f.) Matthaios mit einem Wort zu erwähnen (T27ff.). Er erscheint dann et'st wieder im Herbst 1361 als einer der beiden neuen Herrscher der Peloponnes (der andere ist sein Vater), mit denen sich Manuel, der jüngere Bruder, auseinanderzusetzen hat (T48/L275,4-20; Erwähnung der «Herrscher» auch T50/L110,47; T56/L30,37). Die selbstverständliche Nennung im Plural läßt bis zur Zeit dieser beiden Briefe (1363) ein Arrange­ment der beiden Brüder zu gemeinsamer Herrschaft vermuten (nach Nic­Kant 118 ist darüber sonst nichts Sicheres auszumachen). Der in T73/ L71,29.35 ff. erwähnte palamitisch gesinnte Kaiser auf der Peloponnes ist nicht Matthaios, sondern sein Vater (s. die Ausführungen zum genannten Brief). Aus dem späten Brief des Kydones an Matthaios vom Herbst 1382 (L241), nach dem Tode seines Bruders Manuel (7. 4. 1380) zusammen mit Theodoros Palaiologos Beherrscher der Peloponnes (L241, 12.43; L200, 4.20ff.), läßt sich entnehmen, daß offenbar längere Zeit ein gewisses Miß­trauensverhältnis zwischen diesem und dem Absender bestand, an dem Ky­dones Verleumdern die Schuld gibt (24-26); er verspricht aber, in Zukunft seine Einstellung zu ändern (27ff.) und erinnert ihn an die frühere Freund­schaft (29), die auch jener bereits in einem vorausgehenden Brief beschworen hatte (ebd.). Aus einer Anspielung (34ff.) scheint hervorzugehen, daß Kydo­nes, was wegen seines damaligen gespannten Verhältnisses zu Ioannes V. nicht unwahrscheinlich ist (s.o., S. 34 f.), mit dem Gedanken spielte, in die Dienste des Matthaios zu treten; dies würde auch die freundlichen Töne er­klären, die er gegenüber seinem noch lebenden Vater anschlägt (42f.), den er ja seit der Prochorosaffäre nicht mehr so wie früher schätzte (s.o., S. 97). Aus dem Vorhaben wurde nichts, und Matthaios ist bereits im folgenden Jahr vor seinem Vater gestorben (NicKant 120,A.31; insb. SchreinChron II 325 f.).

140

EXKURS MATTHAIOS KANTAKUZENOS/BRIEF Tl3

13 - AN KAISER KANTAKUZENOS

L: 9; OKyd: Selymbria (?); E: Ioannes Kantakuzenos; OE: Vor den Mauern Konstantino­pels; D: April/Mai 1346; wI: Enkomion auf den Kaiser, der seine Residenz (Selymbria) zur Be­lagerung Konstantinopels verlassen hat; Betonung seiner vielseitigen Fähigkeiten; Erfolgswün­sehe.

Was soll man davon denken? Hat sich gar etwas Größeres als du gefunden, Kaiser, und will die Herrschaft über alle nicht mehr bei dir bleiben, sondern 5

«wechselt der Sieg zwischen den Männern» 1? Willst du hören, wer der Sieger ist? Der jetzt für die Untertanen zu Felde ziehende und sich mühende Kaiser hat den zuvor hier anwesenden Kaiser besiegt, und er, der schon früher alle zu seinen Anhängern zählen konnte, gewinnt sich jetzt nach seinem Auszug noch mehr die Herzen derer, die ihn lieben. Wenn du dich selbst aber so über­troffen hast, wundere dich nicht! Denn du bist dennoch ein Unterlegener2

, 10

und was von alters her für ganz unmöglich gehalten wurde3, sieht man nun

-durch die Tat verwirklicht. Jedenfalls ist es dir so ergangen, weil du den so glücklichen Lauf der Bewährung nicht aufhalten willst und auch nicht glaubst, die augenblicklichen Erfolge könnten dir beliebig lange genügen.

Das Verborgene freilich kennt nur Gott, dem auch du seinen Platz als Zu­schauer gibst\ ohne dich um die Menschen zu kümmern. Was aber jetzt bei uns den Markt, die Theater und alles, wohin man kommt, in froher Stim- 15

mung hält, ist der Gedanke: der Kaiser allein ist ein Mann; er hat seine Resi­denz verlassen und schließt die Feinde in ihren Mauern wie wilde Tiere ein. Schon erzählt eine Menge von Überläufern von der Feigheit auf seiten der Feinde und von deinem mutigen Einsatz, Kaiser, für das Rechts. Sie fügen auch hinzu, daß der Kaiser gut ist, wenn er den Untertanen Wohltaten er­weist und in Ruhe lebt, besser aber noch, wenn er in Waffen glänzt und die 20

Übeltäter für das Unrecht straft, das sie allen zufügen6• So prophezeien denn

alle den Sieg und feiern ihn beinahe schon als gewonnen. Ich aber wußte auch früher schon recht wohl, was ich liebte; kannte ich

doch deinen Scharfsinn, deine Tapferkeit, Sanftmut, Großmut und deine Vorliebe für die literarischen Studien 7 und beschwor mich selbst8 ständig mit den Worten des homerischen Gesanges: «Nicht zu verargen ist es den Troern 25

und gutgeschienten Achaiern ... »9. Wenn aber dort die vergängliche Schön­heit Helenas der Gefahren nicht achten ließ, wie sollten uns dann nicht mit Recht die Plagen leichter sein, da wir einen Kaiser haben, dessen Seele wir zumeist am Schönen teilhaben sehen10?

141

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Da ich aber jetzt auch von anderen dasselbe Urteil über dich höre, kannst du dir vorstellen, wie ich mich über die Bestätigung meines Urteils freue. In-

30 dem ich aber dasselbe wie die anderen erlebe, ändere auch ich mich bereits wieder und gebe zwar die frühere Meinung nicht auf, schätze sie aber gering, weil sie deine Vorzüge überhaupt nicht erreichen kann. Das vor allem, wenn ich die Musik deiner Charaktereigenschaften 11 erwäge, die nicht einmal der Lesbier Terpandros, glaube ich, hätte besingen können 12; mit ihr könntest du sogar Tiere, ja Steine in Bewegung setzen. Indem ich dies bedenke, wächst meine Zuneigung zu dir noch, und ich rufe wie die unglücklich Verliebten13

:

35 «Der alleredelste Kaiser, wo mag er jetzt sein?» Da ich aber deine Zeiteintei­lung gut kenne, kann ich antworten: «Jetzt hat sich der Kaiser von den Sor­gen um die Staatsgeschäfte ausgeruht. Jetzt ist er mit den literarischen Stu­dien beschäftigt. Jetzt singt er im Chore Platons14

• Hat er aber an die Anwe­senden einige 'Fragen über dessen Verzückung15 gerichtet, enthüllt er den Anwesenden wiederum selbst dessen Mysterien. Sie aber hören wie Mysten

40 schweigend zu - glücklich ihre Ohren -, und wenn jemand auch wiederholt Fragen zu stellen hat, gibt es doch keinen Anlaß zu Mißgunst oder Furcht. Denn es gibt nichts, was der Kaiser ohne Sanftmut16 sagen würde17.» So er­scheinst du, ohnehin schon groß, mir jetzt noch größer, so wie den Schrei­bern, die ferner stehen, der diktierte Brief deutlicher ins Ohr geht18

Wohlan, Kaiser! Sei es der Großen STADT beschieden, die vom Anfang bis zuletzt keine niedrige Gesinnung zeigte19

, den Retter20 zu empfangen, zu empfangen aber auch den, der noch weit mehr ihr Bürger als ihr Herr sein

45 wird21• Uns aber sei es vergönnt, dorthinzueilen und dem Allgemeinen

Glück22 unsere Verehrung zu erweisen. Was uns gezwungen hat hierzublei­ben, weißt du ja vielleicht recht wohl!

K I. OKyd: Kyd. befindet sich in einer Stadt mit «Theatern» (14), wobei keineswegs an Thea~

ter im antiken Sinne zu denken ist; sondern entweder an die damals verbreiteten literarischen Zirkel (vgl. MedGum 14-17; Hunger I 21Of.) oder, wegen der Erwähnung des Marktes im Kontext viel wahrscheinlicher, «Hippodrome» nach dem Muster Konstantinopels, wobei der Plural wahrscheinlich enkomiastische übertreibung ist. Ferner spricht Kyd. von dem Ort als der xu'frtÖQu = Residenz des Kaisers (16), wo sich dieser kurz zuvor noch aufgehalten (7), die er aber nun verlassen habe (6.8). Da Kantakuzenos den unter OE angeführten Feldzug gegen Kon­stantinopel von Selymbria, seiner damaligen Residenz (SchreinChron II 262) aus führte (nach Kant 11 563,8 kehrte er anschließend dorthin zurück), kann nur Selymbria der Aufenthaltsort des Kyd. sein (wie auch im vorausgehenden Brief). OE: Kantakuzenos befindet sich vor den Mauern Konstantinopels und belagert die Stadt (16.43). Nach dem übereinstimmenden Urteil aller For-

142

BRIEF Tl3

scher (ChronBrev III 365,A.2; NicKant 61,A.72; Loenertz, Ausgabe, zu Z.6 und LC I 198 zu L9,16; LOCP 36,51) handelt es sich um das Unternehmen des Kantakuzenos, das in Kant 11 556-558 beschrieben ist: der Kaiser lagerte bei der «Kamelbrücke» (dazujaninCpI242f.) und suchte von da aus mit Hilfe von Freunden durch das baufällige Xylokerkostor in die Stadt einzu­dringen; das Unternehmen scheiterte aber wegen des Verrats des Hierax und des Paraspondylos, der Gouverneure von ternomen und Adrianopel. D: Schreiner hatte das Unternehmen in ChronBrev III 364 mit der Einschränkung «probablement» auf Herbst 1345 datiert; in Schrein­Chron 11 262 sieht es bereits so aus, als sei dies Datum gesichert. NicKant 61 reiht das Unter­nehmen ohne nähere Angabe vor der Kaiserkrönung in Adrianopel (21. 5. 1346) ein. Merkwür­digerweise nimmt LOCP 36,51 ohne Begründung und im Gegensatz zu Schreiner und den Quel­len (s. u.) an, das Unternehmen habe «vers la fin de l'annee 1346» stattgefunden, wahrscheinlich ein Versehen. Von Schreiner offenbar nicht berücksichtigt wurde das Zeugnis des Kantakuzenos selbst (Kant 11 563 f.), er habe sich nach dem Scheitern des Unternehmens zunächst nach Selym­bria, unmittelbar darauf nach Hieron (an der Mündung des Bosporos in das Schwarze Meer) und schließlich direkt nach Adrianopel begeben, wo bald darauf die Kaiserkrönung stattfand. Nach dieser Darstellung ist das Unternehmen Kamelbrücke also zeitlich ziemlich nah an das Da­tum 21. 5. 1346 z;irücken. Dies würde auch mit dem Zeugnis der von Schreiner benutzten Mos­kauer Chronik übereinstimmen, deren Datierung dieser sowohl für einen ersten wie auch den hier gemeinten zweiten Feldzug des Kantakuzenos gegen Konstantinopel verwirft, im zweiten Fall aber aus dem genannten Grund ohne ausreichende Begründung. Das Unternehmen ist also gegen SchreinChron 11 262 und ChronBrev III 364 (zu früher Ansatz) und LOCP 36,51 (zu späte Datierung) in die Zeit April/Mai 1346 zu .datieren, womit auch das Datum des vorliegenden Briefes gegeben ist.

11. BKyd: Kyd. hält sich wie in T12/L19 noch in Selymbria auf (s. OKyd) und hat den Kaiser aus einem Grund, auf den er nur anspielt, ohne ihn zu nennen (45 f.), auf seinem Feldzug nicht begleitet. Die Annahme von LOCP 36,51, Kyd. sei nach dem Aufenthalt an einem unbekannten Ort Thrakiens (s. die folgenden Briefe) wieder nach Selymbria zurückgekehrt und schreibe die­sen Brief erst im Winter 1346/47, ist aus dem unter D angegebenen Grund hinfällig. BE: Vgl. OE, D. Der Kaiser pflegte, wie schon in T5/L12, 1 0 ff. bezeugt, auch im Lager seine literarischen Interessen weiter (36-38). ZG: S. OE; D.

III. Hss: B 192v -19Y, Nr. 20; P 393rv, Nr. 5. IV. 1 Die scheinbare Überbietung des Kantakuzenos durch einen anderen, unterstrichen

durch das Zitat aus HomIl 6,339 (dasselbe auch T86/L37,24), verstärkt um so mehr den folgen­den Gedanken, daß er sich selbst überboten hat. Ein eindrucksvoller Briefbeginn, der dem Kaiser sehr geschmeichelt haben dürfte. Die zwei anklagenden Fragen zu Beginn bewirken scheinbare "tQuXiJ'tTj<; (Vorwurf gegen eine höhergestellte Person, Herrn 255,25); dazu Herrn 258,21.

2 W.: lJ'tLTjom OUÖEV ~'tLOV, Wortspiel, im Deutschen nicht nachzuahmen. Kyd. betont noch einmal die «Niederlage» des «alten» Kantakuzenos. Zu JtUQUq>EQW im Sinne von «über­treffen» s.LSc, s. v., VI (Beleg bei Lukian).

3 Gemeint ist wohl das Oxymoron vom unterlegenen Sieger. Im folgenden Text (Z.10) liest Loenertz «ö' rn(»; eine Prüfung des Films von Hs B ergab die Lesung «ö' Jt(», was Verschreibung für «me» sein könnte, jedenfalls ein zusätzlicher Grund, das hier störende «öE» zu tilgen.

4 Theologisch gewagte Formulierung, die so klingt, als hänge es von Kantakuzenos ab, Gott bei seinen Taten zuschauen zu lassen; doch liegt hier der Akzent auf dem Gedanken, daß es ihm

143

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

nur darauf ankommt, Gott zum Zuschauer zu haben, ohne auf das Lob der Menschen zu achten: Betonung der Tugenden Frömmigkeit und Bescheidenheit.

5 Negative Menschen als «Tiere» auch T52/L124,6; T58/L125,18; T69/L103,19; T72/L36, 16; T73/L71,36. Zur Gerechtigkeit des Kantakuzenos s.o., S. 96 mit A.26. überläu­fer, vgl. Kant 11 563,5 f.

6 Der Kaiser als Wohltäter seiner Untertanen auch Z.6; zum Gedanken Treitinger, 229 f. 7 Über die guten Eigenschaften des Kantakuzenos zusammenfassend Exkurs, S. 96. Beto-

nung altvertrauter Anhängerschaft wie T7/L6,24 f. (A.15). 8 Sich selbst beschwören: PIPhd 114d; w.: bt~ÖELv eau't<p. 9 HomIl 3,156: sc., um eine Frau wie Helena zu kämpfen. Vgl. T12,A.5. 10 Zum Gedanken, geistige Schönheit überbiete die körperliche der Helena, vgl.

T24/L389,18. 11 Kantakuzenos überbietet alle positiven Interpretationen seines Charakters. Zur iJßWv

1l0UOL'X.Tj vgl. T7,A.23. 12 Der Charakter des Kaisers überfordert die Fähigkeiten Terpanders, ihn adäquat zu be­

singen (s. T3,A.5, dort überbietung Terpanders als des größten Sängers). Auf die Kraft der Mu­sik Terpanders, Steine zu bewegen, spielen auch T74/L28,23 f. und T90/L24,35 an. Die Anspie­lung auf die Macht der Musik über die Tiere und Steine entstammt der Orpheussage; vgl. EurBa 562ff.; EurIA 1211f.; DietGreg 11 1,A.94.

13 Zum Vergleich T15/L5,A.6. 14 Zum Bild (im Sinne von: platonische Philosophie betreiben) s. T8,A.6. Der Begriff XOQ6~

versteht sich als Gruppe von Tänzern und Sängern, LSc, s. v., 11. 15 S. T5/L 12,A.25 (ßa'X.XELa). Das -frta'tQov des Kantakuzenos (zum Begriff s.o., OKyd) mit

einer Kultgemeinde der Mysterien verglichen wie T7,A.26. 16 Zur Sanftmut s.o., S. 99, A.30. 17 Kyd. nimmt die vorgestellte augenblickliche Tätigkeit seines kaiserlichen Briefpartners

zum Anlaß, dessen philosophische und literarische Fähigkeiten zu loben (vgl. dazu auch Exkurs, S.96).

18 Mit einem dem Bereich der kaiserlichen Kanzlei entnommenen Vergleich drückt Kyd. den auch sonst in Briefen belegten Gedanken aus, die Trennung vom Briefpartner könne die Freundschaft bzw. die Verehrung für ihn sogar erhöhen (vg. TinnFr 163).

19 Zur Bedeutung von ÖUl 'ttA.OU~ s. LSc, s. v. ÖUl, A, 11, 1. über die Kontakte des Kantaku­zenos mit seinen Anhängern in der Hauptstadt s.o., OE; NicKant 61 f.

20 Zum Kaiser als Retter (ow'tTjQ) s. Exkurs, S. 96, A.35. An dieser Stelle gewinnt die allge-meine Idee natürlich realen politischen Gehalt: Eroberer kommen gern als Retter. .

21 Kantakuzenos als der leutselige und menschenfreundliche «Volkskaiser»: s.o., Z.6.8f. und S. 96, A.29; A.34; A.37 und 38. .

22 Kantakuzenos als «'X.OLVTJ E'll'tUXLa», ähnlich T7/L6,4; T18/L87,8f.

14 - AN KAISER KANTAKUZENOS

L: 10; OK yd: Ein kleinerer Ort in Thrakien; E: Ioannes Kantakuzenos; OE: Selymbria (?); D: Ca. August/September 1346; wI: Rückblick auf seinen kürzeren Aufenthalt an der Seite des Kai-

144

BRIEFE Tl3 - T14

sers; Klage über seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort, über seine Krankheit und über die «Not­wendigkeit», die ihn vom Kaiser trennt.

Gewiß war der Lohn für den Aufenthalt bei dir nicht gering, Kaiser, son­dern für die bei dir Weilenden in allem eine Wohltat. So geschah es also auch 5

mir. Denn wenn man dich sieht und den Sirenen lauscht, erscheint dem, der so Schönes genießen darf, alles Glück wie selbstverständlich. Die jetzige Ferne aber hat mein damaliges Glück erst erwiesen 1, und wenn ich damals in zuversichtlicher Stimmung war, wie, glaubst du, bin ich jetzt niedergeschla­gen! An die anderen unangenehmen Dinge hier fällt mir freilich schwer auch nur zu denken. Was aber die Gesundheit angeht: sie will nicht mehr bei mir 10

bleiben. Jener Tag nämlich, an dem ich mit der Proskynese2 von dir Abschied nahm und mich auf den Weg machte, hat zwar den Körper in Bewegung ge­setzt, meinen Kopf aber mit einer Menge von Schwindelanfällen geschlagen. Er3 hat auch hohes Fieber entzündet und die Harmonie des Körpers so durcheinandergebracht, daß ich, wohin ich auch die Hand legen mag, dies nur aufschreiend tun kann. Gegenwärtig bin ich weniger geneigt, Nahrung anzurühren als einen Schierlingsbecher4

; ich bin zum Nachtwachen gezwun-gen, weil der Kopfschmerz den Schlaf vertreibt. 15

Was aber in solcher Lage den Schrecken erhöht, ist die Erbärmlichkeit des Ortes und seines Klimas. Könnten doch hier alle Krankheiten entstehen und sich alle bereits bestehenden verschlimmern! Zudem haben die hier Ansässi­gen noch nicht einmal gehört, daß es so etwas wie einen Arzt gibt, und sie selbst verabreichen den Kranken Gift statt Arzneiens.

Von solchen Leiden bedrängt, verlangte ich zu dir zu eilen, wie man von den hoffnungslos Erkrankten sagt, sie seien zum Haus des Asklepios geeilt6

• 20

Aber alle rieten mir, die Strapaze körperlicher Bewegung zu meiden, weil sie vielleicht noch ein anderes, größeres Übel bringen könne. Als aber einige ka­men und sagten, du kämest hierher, ging es mir in der Hoffnung auf den Erlö­ser besser. Komm also, der du alles Unglück der Menschen heilen kannst! Alle Plagen verschwinden ja gewiß, wenn du erscheinse! Mir aber, Kaiser, zürne nicht! Denn nicht mein freier Entschluß, sondern ein Gebot der Not- 25

wendigkeit war meine Reise. Was aber der Zwang überhaupt vermag, hast du von Aristoteles gehört, der ihn unüberwindlich nannte8

K I. OKyd: Eine kleinere Stadt in der Provinz (15 -18), zweifellos dieselbe, die Kyd. in T15/L5

näher beschreibt; dort, Z.37, ist auch ihre Lage in Thrakien angegeben. OE: Nach NicKant 62

145

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

hielt sich Kantakuzenos zur mutmaßlichen Zeit der Abfassung meist in Selymbria auf. D: We­nige Zeit vor oder nach dem 1. 9. 1346, gemäß der Datierung von T15, da Aufenthaltsort (vgl. T14,15-18 mit T15,36-38) und beschriebene Krankheit (vgl. T14,9-15 mit T15,15-17. 39 f.97) identisch sind. Auch die Erwähnung seines vorherigen Aufenthaltes bei Kantakuzenos (vgl. T12) paßt in den chronologischen Rahmen. Ob er ihn nach dem in TB vorausgesetzten Feldzug und anläßlich der Kaiserkrönung in Adrianopel oder später in Selymbria noch einmal wiedergesehen hat, bevor er an den hier genannten Ort reiste, wissen wir nicht, aber es ist wahr­scheinlich.

11. BKyd: Nach relativ kurzem Aufenthalt bei Kantakuzenos (4-7) mußte Kyd. wieder Ab­schied von ihm nehmen (10), nicht im Auftrag des Kaisers (24f.), sondern offenbar in einer ihn selbst betreffenden Angelegenheit, die er als unausweichlich notwendig beschreibt (25 f.). Leider bringen auch die anderen Briefe, die aus jenem Ort geschrieben sind (T15 -17), keinen Anhalts­punkt über den Anlaß der Reise. Jedenfalls war es eine Sache, die relativ schnell zu erledigen war, denn sein längeres Verweilen dort begründet Kyd. nur mit seiner Krankheit (19f.). Der Ort ist klimatisch unerquicklich (16; Sumpfgegend?) und seine Bewohner sind barbarisch (l7f.). Zu seiner Krankheit s.o., D. Kyd. schwelgt in der glücklichen Erinnerung an den Aufenthalt bei Kantakuzenos (4-8) und hofft auf seinen baldigen Besuch (22-24).

III. Hss: B 193rv, Nr. 21; 0 283" Nr. 32; P 393 v -394r, Nr. 6.

IV. 1 Gleicher Gedanke Tl2/L19,27. 2 Zur Proskynese: Treitinger 84 ff. 3 Eindrucksvolle Prosopopoiie des Tages der Trennung: er hat Kyd. seine Krankheit einge­

bracht. 4 Überbietende (T3,A.5) Hyperbel zur Beschreibung seines Zustandes. 5 Zur Hyperbel mit «nicht einmal» und «auch nur» vgl. T7,A.4. Die übertreibende Be­

schreibung der medizinischen Notlage ist nicht ohne Komik. Daß es doch «Ärzte» gab, zeigt T15/L5,6.

6 Das beliebte Bild vom helfenden Arzt (T8,A.25) tritt hier aus dem rein metaphorischen Gebrauch heraus, da Kyd. ja wirklich krank ist.

7 Zum Kaiser, insb. Kantakuzenos, als Erlöser: T8,A.25, auch dort mit dem Bild des Arztes verbunden.

8 AristotMu 7: 401b8-9. Vgl. schonSimonides bei PIPrt345d; bei Kyd. auch L279,43; vgl. T41,A.1. Mit einem Zitat unterstreicht Kyd. am Briefschluß den ihm wichtigen Gedanken der Entschuldigung für seine Reise.

15 - BRIEF OHNE ANSCHRIFTl

L: 5; OKyd: Ein kleinerer Ort in Thrakien (wie T14); E: Tagebuchartige Aufzeichnung ohne Adressaten; D: 2. 9. 1346; wI: Schilderung der Ereignisse, Erlebnisse, Reminiszenzen und Re­flexionen eines Tages.

1. Gestern erhob ich mich vor Sonnenaufgang von meinem Bett2 und be-5 gann mit einem Spaziergang. Ich bin nämlich daran gewöhnt, stets um diese

146

BRIEFE T14 - T15

Zeit aufzustehen und dem Körper Bewegung zu verschaffen, zumal mir die Ärzte gesagt haben, ich solle mir den um die Zeit zu erwartenden Fieberan­falP durch Spaziergänge erleichtern. Beim Spazierengehen also empfand ich Trauer und Seelenqual bei dem Gedanken, wie lange ich schon von der Mut­ter getrennt, wie lange fern von den Geschwistern war, wie lange ich die Freunde nicht mehr gesehen hatte, denen ich mehr bedeutete als ihre eigenen Angehörigen4, als ich noch bei ihnen war. An meine Vaterstadt aber konnte 10

ich vor Schmerz nicht einmal mehr klar denken5, sondern wie ein leiden­

schaftlich Verliebter6 schrie ich laut nach ihr und verlachte jeden, der seine Heimat genießen konnte und dabei dennoch traurig war, weil er angeblich etwas entbehre, aber nicht glaubte, die heimatliche Erde allein genüge ihm zum GlÜck7

• Unglücklicherweise aber war mir damals etwas zugestoßen, was mein Leiden noch heftig verschlimmerte und die Flamme, die in meinem 15

Inneren schwelte, hoch emporlodern ließ8• Ich meine damit die erwähnte

Krankheit, den ständigen Schwindel im Kopf, die plötzlich auftretende Schwäche meines Körpers.

2. Der Tag aber, an dem ich dies bedachte, trug noch aufs höchste zu mei­nem Leiden bei. Es war nämlich der, den wir als ersten des Jahres begehen9

,

an dem alle Gotteshäuser geöffnet sind und viele Gebete und Opfer darge- 20

bracht werden, von einigen Leuten, damit ihnen ihr gegenwärtiges Glück er­halten bleibe, von den anderen, damit sie befreit werden von dem, was sie be­drückt. Es wird aber auch um Gesundheit gebetet, in Kriegs- und Friedens­angelegenheiten, um gutes Wetter und für die Saaten. Überhaupt verstehen alle diesen Tag als Omen für die Zukunft. Da ich ihn aber als recht unglück­selig erlebte, konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten und sagte: «Jetzt steht die Stadt10 im Zeichen von Feiern und Opfergottesdiensten; jetzt 25

sind die Gotteshäuser voll von Betenden, voll die Häuser von Menschen, die sich gegenseitig Glück und Segen wünschen. In den Kurien kommen die Se­natoren zusammen, an den Stätten der Musenll die Erzieher. Unsere eigenen Kommilitonen aber versammeln sich um die Lehrer und freuen sich, einander zu sehen. Von Pythagoras ist die Rede, von Platon und seinem Schüler12

; man redet ohne Neid, und man hört mit noch größerer Lauterkeit zu. Zu ihnen 30

gehörten auch wir einmal. Allerdings darf man daran, welches Ansehen wir unter ihnen hatten, nicht einmal denken, da das Schicksal solches mit uns be­schlossen hat.»

3. Und wieder sagte ich: «Um welchen Preis würde ich die gegenwärtige Umgebung für sie eintauschen! Wann hätte ich mir aber auch träumen las-

147

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

sen, mich von der Mutter zu trennen, meine Geschwister im Stich zu lassen, 35 etwas anderes meinen Freunden vorzuziehen, die das Zusammensein mit mir

über alles schätzten, die literarischen Studien und die Freude am Schönen zu vernachlässigen, aus der Heimat auszuwandern und ihre Kostbarkeiten zu vergessen und jetzt im tiefsten Thrakien in einem Abgrund zu wohnen, in ei­ner Stadt, deren Schattenbild, glaube ich, nach dem Wort der Dichter im Ha­des vorgezeichnet ist, wie das Bild anderer im Himmel13, und zudem noch nicht körperlich gesund zu sein, sondern auf alle Weise Qualen zu erleiden:

40 das läßt mein Unglück noch viel schlimmer werden.» 4. So sprach ich, und als ich mich von der Trauer ein wenig erholte, fuhr ich

fort: «Es ist aber doch niemandem bestimmt, dauernd in Freude zu leben14, sondern alle wünschen sich zwar ständig Angenehmes, aber es ist schwierig, daß sich zu ihren Wünschen das entsprechende Glück einstellt. Oder das Er­wünschte wird ihnen zuteil, aber sie dürfen das, was ihnen angenehm er-

45 scheint, nur so lange Zeit genießen, damit sie es, wenn sie es einmal verloren haben, um so schmerzlicher entbehren müssen. Denn oft schon ist der Ver­lust dem Besitz zuvorgekommen, und man fand den späteren Schmerz größer als die frühere Freude. Wenn aber auch etwas davon übrigblieb, so war es ein Schatten und nicht wirklicher als Traumbilder. Die Trauer über den Verlust aber verzehrt die Seele über lange Zeit. Wenn es aber auch nicht so kommt, so gilt doch: welches wäre das Lebensalter, in dem man ohne Trauer und Trä-

50 nen lebt? In unserem ersten jedenfalls sind wir offenbar nicht einmal richtige Menschen, sondern in der Zeit behandelt die Natur uns, obwohl wir Men­schen sind, wie Weidevieh 15.

5. Pädagogen aber bedrängen das folgende Alter und der Vater, der mit dem Stock den Sohn zum Lehrer schickt und mit strengem Blick und noch strengeren Worten die Freude verbannti6. Kommt aber einmal das weiße

55 Haar, dann ist es vorbei mit der Freude und dem Leben in Freiheit: von da an darf man nicht einmal mehr hoffen; die Haut hat sich verändert, verändert der Körper, Zittern und geistiger Verfall haben sich eingestellt; für das so notwendige Gehen ist kein Verlaß mehr auf die Knie. Schweigt der Greis, so hält man ihn für bereits gestorben, erlaubt er sich aber, etwas zu sagen, so heißt es: <Der Schwätzer> und <Sokrates, hast du keine Amme?>17 Bisweilen wiederum erscheint er als lästiger Störenfried, wenn er sein Publikum mit

60 dem Erzählen von eingebildeten Dingen zur Verzweiflung bringt. 6. Es bleibt also noch, das Alter der Jünglinge und das mittlere mehr als die

anderen zu loben. Da ich aber das Leid dieser Lebenszeit nicht aus der Erzäh-

148

BRIEF T15

lung anderer, sondern aus Erfahrung kenne, weiß ich auch um die Schwierig­keiten. Vor allem jetzt, da ich in einer schlimmen Lage bin, dürfte ich wohl glaubwürdig sein, wenn ich von meinen Leiden erzähle. Die Kinder haben ja weder vernünftige Einsicht noch kennen sie die Sorge um Macht oder Geld 65

und um das, was alle schmerzlich vermissen, sondern sie haben Freude an kleinen Dingen, und noch sind ihre Schmerzen unbedeutender: für sie gibt es mehr Erfreuliches und Anlässe zur Freude. Wenn aber «die Alten zweimal Kinder» sind18

, werden auch sie, wenn ihnen dasselbe fehlt, nicht jammern, noch wird die Trauer darum ihre Freuden verdüstern. Denn was sollte Eros dem Schattendasein der Greise anhaben? Oder die Freude, sich satt zu essen, 70

einem, der nicht einmal Atem holen kann? Kostbare Wohlgerüche, prächtige Kleider, rasende Machtgier: das alles ist schließlich nur noch zum Mythos geworden für die, die schon zum Grabe und zum Staub des Grabes blicken. So ist ihnen auch, wenn der Körper verfallen und der Ehrgeiz des Herzens ge­dämpft ist, in keiner Weise mehr an dem gelegen, worum alle eifrig bemüht sind, und es macht ihnen folglich auch keinen Kummer mehr, wenn sie nicht einmal das bekommen, wonach sie noch verlangen können. 75

7. Wir aber haben vollen Verstand, und die Entwicklung des Körpers hat ihren Höhepunkt erreicht: darum ist das Unglück, das uns von allen Seiten bedrängt, um so schmerzlicher. In dieser Zeit gibt es natürlicherweise auch viele Ansprüche und viele Begierden. Den Bauch sättigen, den sinnlichen Freuden zugetan sein, in der Kleidung nicht der Menge gleichen, den Men- 80

schen der Umgebung recht aufwendig erscheinen, dazu noch mit fester Hal­tung, wenn es notwendig ist, den Feinden gegenübertreten, in häufigem Re­destreit die Gegenredner besiegen19

, und überhaupt auf Erwerb ausgehen, wenn man sich diese Dinge leisten will: all das erwartet dieses Lebensalter wie die Früchte, die zu ihrer Zeit geerntet werden wollen20

• Davon alles zu er­langen, ist unmöglich; da es sich aber um viele Dinge handelt, ist notwendig 85

auch die Zahl der Mißerfolge groß. Doch ist jeder von ihnen auch ein An­sporn für die Hoffenden. Wohin aber mit den törichten erotischen Gelüsten, wohin mit dem Sklavischen, das sich dann mutwillig in unserer Seele erhebt? Für dieses Verlangen Auswege zu suchen, ist frevelhaft und verursacht zu­gleich Trauer, da sich nach der unbesonnenen21 Aufwallung die Vernunft als Widersacherin dagegen erhebt. Wenn aber durch eine günstige Fügung das böse Verlangen vor der Aufwallung innehält, kann man von Glück sagen. Vernünftigen Erwägungen aber gibt die Leidenschaft auf keinen Fall nach, 90

sondern sie wütet wie ein wildes Tier, das vom Hunger getrieben wird, und

149

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

wieder bleibt keinerlei Freude, sondern nur sinnlose Trauer, wo man sich ei­gentlich freuen müßte22.»

8. «Aber wenn auch kein anderes Ereignis», sagte ich zu mir, «mich zwin­gen würde, schlechter Stimmung zu sein, ist dann nicht doch meine Lage schlimmer als jede Tragödie? Bin ich doch den Händen der Mutter, dem An-

~51 blick der Freunde, den literarischen Studien, den Büchern und der Beschäfti­gung mit ihnen entrissen und habe täglich die Feinde vor Augen, sehe, wie meine Verwandten teils verschleppt, teils umgebracht werden, fürchte aber auch selbst jeden Tag das gleiche. Zudem ist auch noch meine Gesundheit ruiniert, und ich verbringe mein Leben damit, um das Ende zu bitten. Meine Mutter kann weder wissen, wie es mir geht, noch, was ich in Zukunft tun werde, sie, die mein Wohlergehen über alles zu stellen pflegte.» Mit diesen

100 Worten brachte ich vielfach das Üble und Traurige im Leben zum Ausdruck, das Angenehme und Gute aber nur als eine Angelegenheit des Glaubens und, wie Platon sagt, als ein Entgegengesetztes zum Bösen23

9. Meinen Überlegungen stimmten aber auch die Ratschlüsse Gottes bei. An diesem Tag nämlich ließ mich Gott nichts Angenehmes erleben, sondern

105 nur Dinge, die mich dieser Meinung voll und ganz zustimmen ließen. Denn schon bewegte das Licht unser Auge, da sah ich, wie ein Mensch sich fortbe­wegte, keineswegs mit den Füßen, sondern mit zwei Hölzern, die er unter seine Schultern geklemmt hatte. Mit ihnen hielt er den Körper aufrecht; beide Schenkel aber bewegte er und kam so vorwärts. Skurril war diese Art der Fortbewegung, skurriler aber noch seine Kleidung. Vom Kopf bis zur

110 Schamgegend nämlich war seine Blöße zu sehen, ebenso auch an den Beinen, denn an diesen konnte er wegen seines Gebrechens keine Schuhe tragen. Da­her hatte ~r nur dort, wo es der Anstand unbedingt erforderte, eine Bedek­kung, ulld die bestand aus Lumpen, wie man sie auf die Straße wirft. Seuf­zend aber sah sich der Unglückliche gezwungen, seine hölzernen Glieder oftmals in ~ewegung zusetzen. Ich fragte ihn, woher er sei und wohin er gehe

115 und nach der Ursache seines Mißgeschicks. Zuerst verfluchte er seine Geburt und seine Ernährerin und den Dämon, der ihn erlost hatte24

• Er gab aber auch an, er komme aus der Fremde, gab einer Gichterkrankung die Schuld für den Verfall seiner Gliedmaßen und berichtete, er sei bereits viele Jahre von diesem Leiden gequält.

10. Obwohl die Krankheit schlimm für ihn sei, so sei ihm doch die Armut noch schlimmer, sagte er, in die ihn die Versprechungen der Ärzte hineinge-

120 trieben hätten. Sie hätten mit der Behandlung der Krankheit sein Geld ver-

150

BRIEF T15

braucht, so daß er nun gezwungen sei, die Krankheit zu vergessen und viel­mehr darauf zu sehen, wie er den Lebensunterhalt finden könne, Frau und Kinder durchzubringen25

• Indem er dies sagte, deutete er hinter sich auf die, die ihm nachfolgten; sie trugen, abgesehen davon, daß sie ihre Füße gebrau­chen konnten, nicht mehr am Körper als er selbst. Wo aber ein Grasplatz sei, fuhr er fort, dort werde auch er sich von seinem Wege ausruhen. «Denn von 125

hier», sagte er, «vertreibt uns der Hunger.» Er fragte aber auch wegen der Barbaren, ob er mit ihnen ein böses Zusammentreffen erleben könne. Ich sah ihn und staunte, wie ein Mensch, der schon vor seinem Tode weitgehend ge­storben war, nicht nur um sein eigenes Schicksal besorgt sein konnte, son­dern auch darum, was für seine Frau und seine Kinder das Beste sei; wie er aber auch in dieser Sorge keinen Erfolg hatte, sondern gezwungen war, von Ort zu Ort zu wandern und den Hunger - ohne Füße - zu fliehen26 und die 130

Barbaren, er, der mit seinem Leiden nicht einmal den Reichtum eines Kroisos hätte genießen können. Dieses Erlebnis war für mich gleichsam die Ouver-. türe des Tages.

11. Danach zogen Ochsen einen Wagen mit ziemlicher Wucht, und man mußte durch den Schlamm waten. Jemand, der gerade nicht hinschaute, wurde von den Ochsen angefahren, stürzte rücklings in den Schmutz, und das Rad fuhr über seinen Bauch. Geschrei von allen Seiten! Seine Frau schlug 135

sich an die Brust27 und übertönte noch das Geschrei der Menge. Die herbei­liefen und in dem Schlamm einen Toten suchten, wollten es nicht glauben, als sie sahen, daß er lebendig war und sogar sprechen konnte. Er war zwar durch das Gewicht niedergedrückt worden, aber die weiche Beschaffenheit des Lehmbodens war ihm zustattengekommen; es hatte sich eine Mulde gebildet und den heftig Hineingedrückten aufgenommen. Ich glaubte damit an jenem Tag das zweite Unglück zu erleben.

12. Am späteren Vormittag sah ich einige mit Geschrei in ein Haus ein- 140

dringen. Sie suchten offenbar jemanden, der sich dort versteckt hielt, und fanden ihn unter dem Bett. Sein Bart war nun die erste Handhabe. Damit hätte sich wahrhaftig ein Mönch schmücken können, so schön und lang war er. So würgte ihn der eine, während er ihn daran festhielt, wie man ungebär­digen Pferden ins Maul greift28

• Ein anderer schlug mit einer Herkuleskeule auf ihn ein, und es war keine Kunst, von allen Seiten gleichzeitig Schläge zu 145

empfangen29• Nach seinem Geld aber schrie der, der ihn verprügelte, rech­

nete irgendwelche Zinsen vor und zählte die Monate. Der Unglückliche in­dessen bat weinend um Aufschub. Seine Frau verfluchte die, die ihn so trak-

151

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

tierten, bis jemand auch sie, weil sie ihm lästig fiel, mit dem Stock zum Schweigen brachte. Dann führten sie ihn zum Richter. Was jener für ein Ur-

150 teil gefällt hat, mag er selbst wissen. Fest steht jedenfalls, daß der Unglückli­che nun an einen anderen Räuber geraten war30

13. Danach ging ich zum Markt hinunter und sah eine Frau, die ihre Wan­gen blutig kratzte, ihre Brüste schlug und, wo sie eine Wand sah, ihren Kopf anschmetterte. Dabei rief sie nach ihrem Mann. Den aber hatten irgendwel­che Barbaren in die Sklaverei verschleppt.

Darauf begegnete ich einem anderen, der zu Grabe getragen wurde. Es war 155 ein Mann in den besten Jahren. Dem Trauerzug folgte der greise Vater und

diesem die ebenso alte Mutter. überall gab es Tränen, und alle verfluchten das menschliche Leben. Jeder, der den Leichenzug gesehen hatte, schien nun geneigt, Mönch zu werden31

• Die Angehörigen aber verharrten wie zuvor in andächtigem Schweigen bis zum Grab.

Und eine Kirche sah ich am gleichen Tage, die zuvor mit ihren hohen Mau­ern, ihrer vielfältigen Ausmalung, ihren funkelnden Steinen und der Anmut

160 ihrer Säulen prangte. Man sah noch die Spuren des Feuers, das sie vernichtet hatte; ihr zerstörtes Dach ließ ungehindert die Sonnenstrahlen eindringen. So sah ich, daß das Leid sogar bis zu den unbelebten Dingen reichte: nicht nur Menschen, sogar Steine sind dem Wandel des Schicksals unterworfen32

."

14. Als ich mit solchen Erlebnissen den Tag verbracht hatte, war ich noch mehr als zuvor in meiner Ansicht bestärkt, daß das Übel und das Leiden bei

165 den Menschen groß, das Gegenteil jedoch nur in Wünschen und Vorstellun­gen vorhanden ist. Denn das Übel kann weder ausgemerzt werden, sagt Pla­ton, noch kann es bei den Göttern sein; die sterbliche Welt aber muß es zwangsläufig heimsuchen33

• Wenn also alle Notwendigkeit besteht, Schmer­zen zu erleiden, dann, sagte ich, muß wenigstens der, der Vernunft hat, das Böse möglichst verringern und folglich seine Begierden zügeln, die Unglück und Kummer im Gefolge haben34

170 Doch als ich das bedachte, war es bereits Abend, und es kam der gewohnte Fieberanfall. Ich wärmte mich noch einmal kurz am Feuer und ging zu Bett; denn es war mir nicht mehr möglich zu schreiben, da meine Hand versagte.

K I. OKyd: Eine Provinzstadt (37) mitten in Thrakien (37) von sehr ländlichem Charakter (ein

«Abgrund», 37, schlammige Straßen, 132ff., aber immerhin gibt es dort einen Richter, 148, von dessen Rechtsprechung allerdings nicht viel zu halten ist, 150, andererseits auch Ärzte, 7). D:

152

BRIEF T15

Das ausführliche Tagebuchblatt ist geschrieben am Tag nach einem Neujahrstag (4.18 - 23). Die erwähnten städtischen und kirchlichen Feiern können nur die des 1. September sein, vgl. Pseu­doKod 242, aber auch Kuk 11 1,20 mit A. 7. Zur Bestimmung des Jahres: s. T14, D.

11. BKyd: Er beklagt seine Trennung von Mutter, Geschwistern und Freunden (7 -10.93 f.98 f.), den unleidlichen Aufenthalt in der kleinen thrakischen Stadt (s. OKyd), seine Erkrankung mit den Symptomen Fieber (6.169f.), Schwindel und Schwächegefühl (15-17.3 9 f. 97). Zur Förderung der Genesung unternimm t er morgens regelmäßig einen Spaziergang (4 f.). Rückblickend auf die Zeit in Thessalonike berichtet er von der liebenden Sorge seiner Mut­ter (98 f.), von seinen Freunden, denen er mehr bedeutete als deren eigene Angehörigen (9 f.), von seinen Lehrern, die ihn in die Werke des Pythagoras (s. A.12), Platon und Aristoteles einführten (27) und von seinen Kommilitonen (35.94). Sein Gefühl der Einsamkeit und seine Beobachtun­gen in der ihn umgebenden Alltagswelt steigern eine depressive Krise, die sich in pessimistischen Reflexionen über die Herrschaft des übels in der Welt (41ff. 99-102.161-166), aber wohl auch in den genannten Krankheitssymptomen äußert. Einen gewissen Erfolg in der Abwehr des Leidens verspricht seiner Ansicht nach nur eines: der Kampf gegen die körperlichen Begierden (168), die ihm allerdings in seinem Alter der vollen körperlichen Reife nichtfremd sind (76-91). X: Außer seiner Mutter und seinen Geschwistern erwähnt Kyd. ohne Namensnennung Ver­wandte, Freunde und Lehrer in Thessalonike und einige Menschen, denen er am Tag seiner Auf­. zeichnung dieser Notizen an seinem Aufenthaltsort begegnet ist: einen verkrüppelten Bettler und seine Familie (105 -131), einen Volksauflauf wegen eines «Verkehrsunfalls» (132-139), einen Streit zwischen Gläubiger und Schuldner, der vor einem wenig vertrauenswürdigen Rich­ter ein ungewisses Ende finden soll (140-150), eine Frau, die um ihren von Barbaren ver­schleppten Mann klagt (151-153), und die Beerdigung eines jungen Mannes (154-158). ZC: Anspielungen auf die Herrschaft der Zeloten in Thessalonike (95-97), auf den kriegerischen Terror der «Barbaren» (marodierende türkische Truppen, vgl. NicKant 58; 62?) in Thrakien (125.153.158-161); Momentaufnahmen von der sozialen Not der Bevölkerung (s.o., X).

III. Hss: B 186r-189r, Nr. 16; L 115v-119r, Nr. 1; M 3r-5V, Nr. 1; P 377r-390v, Nr. 1. Ed: BoissAnNov 251-258 (Nr. 1).

IV. 1 Die Angabe «'Ent<TtoÄ.TJ avwvullo~» findet sich in den Hss Bund P. 2 Die Verwendung des Wortes «O'tQWIlVT»> könnte auf ein einfacheres Lager deuten, doch

spricht Kyd. Z.170 in gleichem Bezug von «XÄ.LVll»; also ist «O'tQWIlVT»> nur Synekdoche.

3 Zur übersetzung von 3tEQLOÖO~ als «fit of intermittent fever» s. LSc, s. v., 4,c; so auch BoissAnNov 251,A.2. Vgl. a. Z.170.

4 Der überbietende Vergleich «mehr als die eigenen Angehörigen» ist bei Kyd. beliebt: T25/L60,9.11; T29/L59,6; T34/L51,21; T39/L62,17f.; T78/L34,6; T64/L98,21.51; T112/ L133,16; Tl13/L134,18; T114/L135,28; T 0126/L74,18. Stärkere Variante: T39/L62,36. Ferner KydThess 644C; 652C.

5 «Nicht einmal denken», hier und Z.31, ähnlich wie TI0,A.4. 6 Zur erotischen Metapher T12,A.14; mit Bezug auf auf eine Stadt NikChumThess 138,15;

139,3; zur Wendung <dbo3tEQ OL ÖUOEQW'tE~»: T13/L9,34; KydApol I 390,83; KalekEp Nr. 65,5.

7 Liebe zur Heimat in den Kydonesbriefen mit Bezug auf die Vaterstadt: T21/L88,38-40; T23/L40,21; T42/L50,13; in späteren Briefen, vor allem im Gegensatz zum Abendland, erwei­tert sich der Begriff der Heimatliebe bei Kyd. auf den byzantinischen Raum: T71/L39,4f.;

153

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

5 Jetzt kämen mir deine Worte und dein Anblick gelegen und die kräftigen Arzneien deiner Gebete, mit denen du die, die sich in solchem Elend abhär­men, selbst oft zu behandeln pflegst1

• Denn kein anderer besitzt ein größeres Wissen als du, mein Unglück aber könnte man sogar für bitterer als das in den Tragödien halten 1a. Jenes glückliche Haus, das vielen so oft Gastfreund­schaft gewährt hat, ist wie ein Schiff in hohen Wogen und im Sturm2 unterge­gangen. Wir aber waren zufrieden, wenn man uns nur mit dem nackten Le-

10 ben davonkommen ließ. Weil ein anderer sich verfehlt hat\ bin ich der Hei­mat beraubt. Und dies ist nun das zweite Jahr, seit ich mich weinend nach der Mutter sehne und sie, in Tränen über das Geschehene, noch mehr meine Ab­wesenheit beklagt, und noch lebend scheinen wir das Schicksal der Toten/zu erleiden4

• Auch können unsere Geschwister nicht erfahren, wie es uns geht, 15 noch weiß ich selbst, was aus ihnen geworden ist, außer dem, was man ge­

rüchtweise hört: daß die Feinde die Vaterstadt belagern, daß die Taten der Bürger keineswegs vernünftiger sind als die der Barbaren und daß denen, welche die Herrschaft der Fremden nicht wünschen, nur noch der Tod bleibt.

Mir aber stieß, weil ich in der Fremde weilen muß, kein geringeres Unglück zu als denen, die im Hades bestraft werdens. Gar nicht zu reden von dem Schiffbruch, dem Grab, das mir häufig vor Augen stand, von den Felsriffen,

20 den häufig begegnenden Piraten, die wir in größerer Zahl als selbst die Wo­gen während der ganzen Überfahrt antrafen6

• Aber auch nach der Ankunft im Hafen die Stürme, die Irrwege, die Überfälle, die Gefahren, die Not, die Krankheiten, das Gefühl, im Unglück nicht einmal jemanden zu haben, der Mitleid empfände! Die Erinnerung an Mutter und Geschwister trage ich wie schwelendes Feuer7 in meinem Inneren: sie beschäftigt mein Denken, ver-

25 schlimmert meine Krankheiten und läßt mich im Tod die einzige Befreiung von meinen Leiden sehen.

Du kannst dir also· vorstellen, wie ich, so schwer getroffen, nach allen Richtungen um Hilfe rufe und mich auch deiner Waffen8 erinnere, mit denen du selbst uns in solcher Lage zu kämpfen rietest. Oft wollte ich dich brieflich um Beistand bitten, hatte aber vor denen Angst, die gern alles, was sich ihnen bietet, zum Anlaß für eine Anklage nehmen. Jetzt aber fand ich einen, dem

30 man in solchen Angelegenheiten vertrauen kann, und so erbitte ich von dir Trost. Belehre mich denn, woher den Menschen diese Sintflut kommt, die al­les überschwemmt hat, und was sie ersinnen sollen, um sich daraus zu erhe­ben9

• Füge aber deinen Worten auch Gebete hinzu: nichts könnte uns gegen das Unheil förderlicher sein.

156

BRIEF Tl6

K I. OKyd: Kyd. befindet sich, fern von seinen Angehörigen (11-14; 22-25), an einem ein­

samen Ort, den er wie in T15/L5,38 mit dem Hades vergleicht. Die Situation und der Anhalts­punkt für die Datierung (s. D) lassen auf dieselbe Kleinstadt wie die in T14 und T15 schließen. D: Z.ll, «es ist nun das zweite Jahr», muß nicht bedeuten, daß dieses bereits abgelaufen ist. Nimmt man an, daß Kyd. Thessalonike im Frühjahr 1345, etwa im Mai, verlassen hat (s.o., S. 9 mit A.34), daru:t befindet er sich seit ca. Mai 1346 im zweiten Jahr nach seiner Abreise, und eine Datierung dieses Briefes etwa um dieselbe Zeit wie T15 (wegen der ähnlichen Situation und der wieder deutlich erk~nnbaren depressiven Stimmung) ist durchaus möglich und sogar wahr­scheinlich. E: Das Lob auf das Wissen des Empfängers (6) und die Bitte um Belehrung (30) er­weist den genannten Isidoros als den Lehrer des Kyd., der später Patriarch von Byzanz wurde (s.o., S. 6 mit A.14 und folgenden Exkurs). Mit der Anspielung auf bereitwillige Ankläger (28 f.) kann nur die Situation Isidors nach dem 4. 11. 1344 gemeint sein (Exkurs, S. 159 mit A.25 und 26). OE: S. u., Exkurs, S. 159 mit A.27.

11. BKyd: Er ist der Heimat beraubt, weil ein anderer (sein Onkel? KydKant I 5,12-14) sich verfehlt hat. Wieder (wie T15, BKyd) beklagt er die Trennung von Mutter (11.23) und Geschwi­stern (13 f.), schildert die Schwierigkeiten einer Seefahrt (18-23), offenbar von Berroia nach Thrakien (T12, BKyd), nennt auch wie in T12 die gefahrvollen Erlebnisse in Thrakien (21 f.), erwähnt aber mit keinem Wort seinen Aufenthalt bei Kantakuzenos. Erneut berichtet er vom Verlust bzw. der Zerstörung des Elternhauses (s.o., S. 9 mit A.35). Vgl. auch OKyd und D. An­scheinend wendet er sich hier zum ersten Mal brieflich an seinen ehemaligen Lehrer, den er seit Juni 1341 nicht mehr gesehen hat (s. u., Exkurs, S.159 mit A.23). Er bittet ihn um Trost, Beleh­rung und Gebet (29-33), unter Berufung auf das frühere Vertrauensverhältnis (4-6.26f.).Xl: Die Person, deren Verfehlung ihn die Heimat gekostet hat (10, s. BKyd). X2: Die Gastfreund­schaft seiner Eitern (8); das unbekannte Schicksal seiner Mutter und Geschwister (11-14). X3: Leute, die er bei der Briefzustellung zu fürchten hat. Gegner des Isidoros? (28f.). X4: Ein ver­trauenswürdiger Briefbote (29). ZG: Das Wüten der Zeloten in Thessalonike (8f.16f.); die Stadt zudem von Barbaren belagert, zweifellos Serben, deren Macht seit der Kaiserproklamation ihres Herrschers Stefan Dusan (Dezember 1345) ständig zunahm (Anspielung auf Tendenzen in Thessalonike, mit Dusan zu paktieren und Lebensgefahr für die Gegner dieser Politik, 16f.?). Doch wäre dieser Brief das einzige positive Zeugnis für eine serbische Belagerung Thessalonikes imSommer/Herbst 1346. Nach KantIlI 31,10-15 und Gregll 795,4-9, wonachStefanDusan alle übrigen Städte Makedoniens 1347 in seiner Hand hatte, ist sie aber durchaus wahrschein­lich. Ober die Z.19-21 erwähnten Seeräuber s. u., S. 161, A.15.

III. Hss: B218rv, Nr. 54; M9v_10r, Nr. 6; P401v-402r

, Nr.16.Ed: BoissAnNov 276f. (Nr.7).

IV. 1 Zum Arzneivergleich s.T5,A.22. 1a Oberbietung der Tragödie wie T15/L5,93. 2 Zum Vergleich s. T8,A.23. 3 Zur Person s.BKyd und Xl. 4 Zu dieser Wendung s.T15,A.26. 5 Der Hadesvergleich auch T7,A.5 (Stellen). In bezug auf diesen Aufenthaltsort die ähnliche

Wendung T15,A.13.

6 Variante der Oberbietung (T3,A.5): bedrohliche Natur (Meer) durch Menschen überbo­ten, hier negativ.

157

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

7 Das Feuer der Erinnerung bzw. Sehnsucht wie T15,A.8. 8 Der Waffenvergleich positiv auch von der Philosophie: T52/L124,17. Da es sich um geist­

liche "Waffen» handelt, ist auch an NTRm 13,12; 2K 6,7; 10,4 zu denken. 9 Kyd. erbittet weniger den "Trost im Brief» (Topos) als überhaupt geistlichen Trost. Meer

bedrohlich wie 0., A.2. Ähnlich schrieb Kyd. später in einer noch tieferen Krise an seinen a~de­ren bedeutenden Lehrer aus Thessalonike, Neilos Kabasilas (T40/L378).

Exkurs

ISIDOROS, PATRIARCH VON KONSTANTINOPEL

(BIOGRAPHISCHER ABRISS)

Isidoros Bucheir(as) 1 ist wahrscheinlich im ersten Jahrzehnt des 14. Jhs. 2

in Thessalonike3 geboren. Seine Eltern waren aus Chios zugewandert4; sie

hatten fünf Söhne und fünf Töchter; von diesen Kindern war Isidoros das äl­testes. Wenn man seinem Biographen Philotheos, dem späteren Patriarchen von Byzanz, glauben darf, begann sein Elementarunterricht mit dem Stu­dium der heiligen Schriften (Bibel und Väter)6; schon früh zeigte er auch In­teresse am kirchlichen Hymnengesang7

• Er vernachlässigte aber auch nicht die Lektüre der antiken Autoren8

• Nach dem Elementarunterricht absol­vierte er das ganze «enzyklopädische» Studium (Dichter, Rhetoren und Grammatiker) in drei Jahren9

• In dieser Zeit soll er bereits ein streng asketi­sches Leben geführt haben1o. Der erfolgreiche Abschluß des «Zyklus» befä­higte ihn dazu, mit ca. 16 Jahren im Haus der Eltern eine Art Privatschule zu eröffnen. Er unterrichtete Grammatik und Literatur, wobei er statt antiker Texte die Lektüre der Kirchenväter, vor allem der großen «Drei» bevorzug­tell.

Als geistlichen Führer fand er bald Gerasimos, einen Schüler des Grego­rios Sinaites, der sich damals in Thessalonike aufhielt12

• Nach dem Tod des Gerasimos sahen die Mönche seiner Klostergemeinschaft in Isidoros einen geeigneten Nachfolger, und er verließ sein Elternhaus, um mit ihnen zu woh­nen13

• Doch zog ihn bald das Verlangen nach vollkommenerer Askese auf den Athos, wo er sich zunächst Gregorios Sinaites anschloß. Dieser kam je­doch zu· der Ansicht, ein Mann seines Charakters könne durch eiri Leben «mitten in der Welt» als «Vorbild der Tugend» für viele andere angemesse­ner leben14

• Doch mußte erst ein äußeres Ereignis eintreten, bis sich Isidoros

158

BRIEF T16/EXKURS ISIDOROS

entschloß, den Athos zu verlassen: Überfälle der Türken (Seeräuber1S) zwan­gen viele Mönche um das Jahr 1325, den Athos zu verlassen, unter ihnen auch Isidoros16, Gregorios Sinaites17 und Gregorios Palamas18. In Thessalo­nike wirkte Isidoros nun längere Zeit als geistlicher Führer19, kehrte aber schließlich zum Athos zurück und schloß sich einer von dem inzwischen ebenfalls zur:iickgekehrten Palamas geleiteten Mönchsgemeinschaft an, wo er nun auch endgültig in den Mönchsstand aufgenommen wurde20. Doch wieder waren es türkische Seeräuber, die ihn veranlaßten, nach Thessalonike zurückzukehren21. Inzwischen hatte der kalabresische Mönch Barlaam mit seiner Kritik an den Praktiken der Hesychastenmönche, zu denen auch Isido­ros und seine geistlichen Führer zählten, viel Aufsehen in Thessalonike und auf dem Athos erregt22. Auch Isidoros schaltete sich in die Auseinanderset­zung mit ihm ein und reiste mit Palamas zu der Synode nach Konstantinopel, auf der Baflaams Lehren verurteilt wurden23.

Vermutlich noch auf der gleichen Synode wurde Isidoros, zweifellos nicht ohne Zutun seiner palamitischen Freunde einschließlich Ioannes Kantaku­zenos, zum Bischof des vakanten Metropolitansitzes von Monembasia desi­gniere4

• Offenbar wegen des baldigen Umschwunges in der Hauptstadt kam es aber nicht mehr zu seiner Weihe. So begab er sich ohne diese in sein Bistum auf der Peloponnes und nahm dort die Rechte eines geweihten Bischofs wahr. Das verübelten ihm seine antipalamitischen Gegner in der Haupstadt; er wurde vor ein Synodalgericht zitiert, und Patriarch Ioannes XIV. Kalekas sprach am 4. 11. 1344 seinen Ausschluß von der Bischofswürde aus2S. Na­türlich durfte er nicht in seine Diözese zurückkehren26. Daß er anschließend in Konstantinopel blieb, ist zwar nirgends klar gesagt, läßt sich aber aus der von Philotheos verfaßten Vita eindeutig erschließen: sie berichtet, Nikolaos, der anges~henste der monembasiotischen Anhänger, die sich in Konstanti­nopel um ihn scharten, sei noch in der Zeit des Bürgerkrieges einmal heimlich ausgereist, um den «Kaiser», also Ioannes Kantakuzenos, zu treffen. Als er wieder zurückkehrte, hätten die Machthaber in der Hauptstadt das Volk ge­gen ihn aufgehetzt, und nur dank dem inständigen Gebet des Isidoros habe der Pöbel sein Haus verschone7. Wenn man der Darstellung der Vita glaubt, kann von einer Kerkerhaft in dieser Zeit, die man gelegentlich vermutete28, keine Rede sein. Nach dem Einzug des Kantakuzenos in die Hauptstadt wurde Palamas rehabilitiert und Patriarch Ioannes Kalekas abgesetzt29. Da­mit war die Stunde des Isidoros gekommen: im Mai 1347 wurde er auf den Patriarchen thron erhoben, krönte Ioannes Kantakuzenos zum Kaiser und

159

EXKURS ISIDOROS

traute dessen Tochter Helene mit Ioannes V. Palaiologos30• Ferner beeilte er

sich, die von seinem Vorgänger ausgesprochenen Exkommunikationen ge­gen palamitische Kleriker aufzuheben31

• Aber noch gab es eine starke Gruppe antipalamitischer Opponenten in der Hauptstadt, die im Juli 1347 einen Tomos mit Anklagen gegen Isidoros verabschiedete32

, worauf er diese seinerseits ihres Amtes enthob und neue Metropoliten von ihm entsprechen­der Gesinnung einsetzte33

• Sein besonderes Interesse an der Hymnendich­tung zeigte er erneut mit der Einführung palamitischer Kanones in die Litur­gie34

• Ob Kantakuzenos durch seine Prophezeiungen gelegentlich zu politi­schen Entscheidungen veranlaßt wurde, wie Gregoras behauptet, sei dahin­gestelltJ5. Jedenfalls waren Isidors Tage gezählt: etwa im Januar 1350 befiel ihn eine ruhrartige Durchfallerkrankung, vor der die Ärzte kapitulierten36

,

und er verfaßte sein Testamen~7. Bald darauf, spätestens im März, ist er ge­storben, ohne vorher, wie manchmal angenommen wurde, abgedankt zu ha­ben38

• Seinem Andenken setzte der spätere Patriarch Philotheos mit seiner Vita ein überschwengliches DenkmaP9. Nikolaos Kabasilas widmete ihm eine Grabschrift40

1 Zu der von ihm selbst bevorzugten Form «Hesidoros» (zur Vermeidung des Anklanges an die ägyptische Göttin Isis) vgl. P. Wirth, BZ 56 (1963) 21-23. Für den Zunamen kenne ich nur einen einzigen Quellenbeleg (so auch briefliche Auskunft von E. Trapp), den antipalamitischen TomosvonJuli 1347 (DarPatr2281): PG 150,883D (= Ed. des Allatius nach Barberin. gr. 291f. 259-270) ('Io(öooQov'tov EX YEVO\J~ btovo!J.at6!J.EvoV BouXELQa). Der hier im Akkusativ be­legte Name könnte sowohl von einem Nominativ BOUXELQ als auch von BouXELQa~ abgeleitet werden. Die übliche Schreibung BO\JXELQä.~ (so PLP) scheint ebensowenig quellenmäßig gesi­chert zu sein wie die Variante BO\JXTlQä.~ oder gar Boukharis (Meyendlntr 64 u. ö.).

2 Wenn es richtig ist, daß Isidoros den Athos um das Jahr 1326 zum ersten Mal verließ (s. u., A.16), kann man von da aus annäherungsweise zurückrechnen. Wohl kaum wird er viel älter als 20 Jahre gewesen sein, als er das Elternhaus endgültig verließ (A.13). Dazwischen und dem Da­tum seiner ersten Abreise vom Athos liegen nach A.14 und A.16 zwei relativ kurze Zeitspannen, wohl höchstens 3 Jahre. Folglich war er um das Jahr 1326 höchstens 23 Jahre alt, aber wohl kei-' nesfalls jünger als 19, da ja Zeit für seine erste Privatschultätigkeit bleiben muß (s. A.11). Da­nach wäre er zwischen 13 03 und 13 07 geboren, doch ist wegen der Unsicherheit des Jahres 13 26 der Spielraum für das Geburtsdatum noch etwas weiter anzusetzen; jedenfalls bleibt der Ansatz des Geburtsdatums auf jeden Fall im ersten Jahrzehnt des 14. Jh.

3 So eindeutig MM I 287, Nr. 130 (Isidors Testament, s. u., A.37); PapZit 54,30. 4 PapZit 56,18. 5 PapZit 56,18-20. 6 PapZit 58,30 ff. 7 Als kleines Kind (57,14ff.) und im Elementarunterricht (59,3).

160

EXKURS ISIDOROS

8 PapZit 59,7 ff. Dabei blieb er sich ihrer di~nenden Funktion gegenüber den heiligen Schrif-ten bewußt (59,9-16).

9 PapZit 60,6-21. 10 PapZit 60,22-62,13. 11 PapZit 62-64. Die drei großen Kirchenväter, also loannes Chrysostomos, Basileios und

Gregor von Nazianz, seien ihm bereits im Grundschulalter nachts im Traum erschienen und hät­ten ihn so gut unterrichtet, daß er seine Lehrer zu deren Mißvergnügen habe korrigieren können (PapZit 65 f.). Vgl. jetzt auch NicChurch 49 über die Bedeutung der Schriften dieser Väter in sei­nem Unterricht.

12 PapZit 70,28ff.; zur Person des Gerasimos PLP 3756. 13 PapZit 76,4 ff. Wie Elias den Elisaios, so ließ Gerasimos den Isidoros als seinen Nachfol­

ger zurück. In diesem Vergleich ist vielleicht auch eine Anspielung auf ein noch jugendliches Al­ter des Isidoros zu sehen; jedenfalls ist kaum anzunehmen, daß er sein Elternhaus viel später als mit 20 Jahren verlassen hat.

14 PapZit 76f. Zu Gregorios Sinaites PLP 4601. Isidoros lebte mit Gregorios Sinaites und dem späteren Patriarchen Kallistos in der Magula-Skiti auf dem Nordosthang des Athos (Mey­endlntr 53).

15 Das angreifende Volk bezeichnet die Vita als Achaimeniden bzw. Hunnen (PapZit 77). «Achaimeniden» ist zweifellos eine antikisierende Umschreibung der geläufigeren antikisieren­den Bezeichnung «Perser» für die Türken. über die Seeräuberei der kleinasiatischen Küstenemi­rate vgl. P. Wittek, Das Fürstentum Mentesche, IstanbuI1934,46; Greg I 214; vgl. auch T12, ZG; T16/L43,19-21; T34, ZG. Die Vermutung von WeiKant 154, es habe sich um Katalanen gehandelt, läßt sich jedenfalls von der Volks bezeichnung her nicht begründen. Auch Meyend­Intr 53 denkt an Türken.

16 PapZit 77,32: nur kurzer Athosaufenthalt; Meyendlntr 53. 17 So die Vita des Gregorios Sinaites, verf. von Patriarch Kallistos, ed. I. Pomjalovskij, Za­

piski ist.-fil. fakul'teta imp. s.-peterburgskago Universiteta 35 (1896) 1-64, hier 33. 18 Meyendlntr 53.

19 über den geistlichen Kreis von Mönchen und Laien, den er dort um sich scharte (vor al­lem auch Damen der höheren Gesellschaft):' Meyendlntr 53; WeiKant 154 (<<Genie der Grup­penbildung»). über die Bedeutung einer gewissen Porine in diesem Kreis s. AkindEp I Nr. 1. Dazu WeiKant 154,A.1004: Entstellung des Namens Eirene im Anklang an «JtoQVELU». Vgl. über diese Zeit auch sein Testament: MM I 287f. Der antipalamitische Tomos von Juli 1347 (PG 150,881D-882A) wirft ihm eigenmächtigen Führungsstil und asketische übertreibung vor. Unter anderem soll er «die Tochter des Kydones» von ihrem Mann getrennt haben. Die An­nahme von Meyendlntr 54, es habe sich um eine Schwester des Demetrios Kydones gehandelt, wird wahrscheinlich, wenn man bedenkt, daß Kyd. nach KydApol I 360,23 wohl nicht nur jün­gere Geschwister hatte (<<mL<; VEW'tEQOL<; 'tWV aÖEAqJwv»), daß er also eine erheblich ältere Schwester haben konnte, die um das Jahr 1330 oder wenigstens gegen Ende der 30er Jahre, s. weiter unten, schon verheiratet war und deren Trennung von ihrem Gatten aus asketischen Er­wägungenlsidoros bewirkt hätte. Vgl. die von Kyd. in T50/Lll0,14f. erwähnte ((erste» Schwe­ster, die in Konstantinopel lebte und dort wegen ihrer Tugend hochgeachtet war. Kontakte zwi­schen Isidoros und dem Elternhaus des Kyd. müssen bestanden haben; andernfalls wäre es schwer erklärlich, daß Isidoros (T16/L43; T19/L,86,67-69; wohl auch KydloPalll,4-8) zu

161

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

seinen ersten Lehrern gehörte. Da er auch nach seinem zweiten Athosaufenthalt bald wieder nach Thessalonike zurückkehrte, kann die Episode mit der Kydonestochter evtl. auch in die spä­ten 30er Jahre datiert werden.

20 PapZit 8lf.;dazu Meyendlntr 64 (Tonsur und Diakonatsweihe durch Palamas). 21 PapZit 83,14f. 22 PapZit 83 f. Über Barlaam zusammenfassend mit neuerer Literatur vgl. jetzt Theologi­

sche Realenzyklopädie (TRE) Bd. 5 (1980), s. v. Barlaam von Calabrien (eig. Artikel); ferner GregAntirrh (Einl.).

23 PapZit 84-86; MM I 288; DarPatr 2210 und 2213. 24 Nach MM I 289,2-4 sieht es so aus, als habe die Designierung Isidors noch vor dem Tod

des Kaisers (= Andronikos II1.) stattgefunden (14. 6. 1341 nach SchreinChron 11 25Of.; dazu oben, S. 7 mit A.23.) Da es nie zur Weihe für die Diözese Monembasia kam, wird Isidoros stets nur deren 'ÖJto'\jJTJq:no~ genannt (zu dieser Bezeichnung ausführlich V. Laurent, REB 30, 1972, 5-166). PapZit 88; MM I 289.

25 PapZit 94-96; DarPatr 2250. Über die Aktivitäten Isidors in Monembasia vgl. WeiKant 114.

26 Nach PapZit 96,19f. wurde er seiner Kirche, seines Thrones und «sogar seines Hauses» beraubt und gemäß 96,4 «verbannt».

27 PapZit 103 f. Diese Episode wurde erstmals gebührend berücksichtigt durch WeiKant 114 (vgl. auch ebd. 82,A.543; 105). Zweifellos fußt auch Loenertz auf der Vita, wenn er in der Ausgabe von L43 Konstantinopel als Aufenthaltsort Isidors angibt.

28 So W. Helfer, Das Testament des Patriarchen Isidoros (1347-1349/50), JÖBG 17 (1968) 73-84, hier 74: «Ob er wie sein Freund Gregorios Palamas eine Kerkerstrafe verbüßte, ist nicht bekannt». Auf die Situation Isidors nach seiner Verurteilung bezieht sich die Bemerkung in T16/L43,28 f., s. dort, E.

29 DarPatr 2270: am 8. 2.-1347 oder unmittelbar danach. 30 PapZit berichtet vom Traum eines Mönches (107) und von einem eigenen Traum

(110ff.), in dem die Wahl zum Patriarchen vorausgesehen wird. Nach DarPatr 2273 wurde Isi­doros um den 17. 5. 1347 (aber doch wohl vor 13.5., s. u.) zum Patriarchen gewählt und bald darauf, spätestens am 20., geweiht. Seine Tätigkeit als Patriarch ist in den Regesten von DarPatr eindrucksvoll dokumentiert. Frühere Lebensabrisse des Patriarchen wie der von R. Guilland in EEBS 32 (1963) 50-59, der von Helfer (s.o., A.28) und der in ThEE von T. A. Gritsopulos (u. a. m.) sind durch DarPatr für die Jahre seines Patriarchats überholt. Ich beschränke mich für diesen Lebensabschnitt Isidors nur auf ein paar wichtige Daten und verweise im übrigen auf DarPatr. Zur Krönung des Kantakuzenos am 13. 5. in der Blachernenkirche: Kant III 29,1; Greg , 11 788,10. Trauung loannes' V.: Kant II130,17.

31 DarPatr 2274. 32 DarPatr 2281.

33 Absetzung: DarPatr 2289; unter den neuen Metropoliten (DarPatr 2279) war auch Gre­gorios Palamas, der den Sitz von Thessalonike erhielt. In diese Zeit fällt wohl auch T19/L86, der Fürbittbrief des Kyd. bei Isidoros für Pepagomenos.

34 DarPatr 2293. Vgl. oben, A. 7. Über seine Hymnen immer noch grundlegend G. Papado­pulos, l:UJ.l.ßOAUt. d~ 'tT)v {o'tOQCuv 'tii~ JtuQ' i1J.1.LV t')(.')(.ATJOLUO'tL')(.ii~ J.l.oUOL')(.ii~, Athen 1890, 27Of.

35 Nach der gehässigen Darstellung seines theologischen Gegners Gregoras (Greg 11

162

EXKURS ISIDOROS/BRIEF Tl?

870,16-871,6) war des Patriarchen wenig fundierte Prophezeiung schuld daran, daß sich Kan­takuzenos auf das Abenteuer des Galatakrieges einließ, der für Byzanz mit einer Niederlage en­dete (NicKant 69 mit A.90: neuere Lit.).

36 GregIl870f. (einzige Darstellung seiner Todeskrankheit). Nach 870,9f. und 871,6 dau­erte die Krankheit längere Zeit an. Wegen der Schwere der geschilderten Symptome nehme ich aber an, daß sie kaum länger als drei Monate (wahrscheinlich kürzer) dauerte. Wenn Isidoros spätestens im März 1350 starb (V. Laurent, REB 7, 1949/50, 155 und DarPatr), wird seine Krankheit frühestens im Dezember 1349 begonnen haben.

37 MM I 287 -294, Nr. 130, von Februar 1350; DarPatr 2309; deutsche Übersetzung von Helfer (wie A.28), 76-83, mit einigen Textkorrekturen.

38 Gegen die früher angenommene Abdankung am 2. 12. 1349 wendet sich Laurent (wie 0.,

A.36) mit dem Hinweis auf spätere Dokumente seines Patriarchats und setzt seinen Tod auf spä­testens März 1350 an.

39 PapZit, wo Isidoros als begnadeter Heiliger von Kindesbeinen an dargestellt ist. Der Pa­lamit Philotheos hatte von Isidoros 1347 den Metropolitensitz von Herakleia in Thrakien erhal­ten.

40 Editionen der Grabschrift (s. AngKabas I 100 mit A.1): Nach Paris. gr. 1213 von B. Laurdas, EEBS 22 (1952) 100f.; nach Lond. Burn. 75 und Vind. theol. gr. 262 (Nessel) von A. Garzya, Boll Grott 10 (1956) 54 f. Übersicht über die neuere Literatur (einschließlich der älteren) über Isidoros: s. PLP 3140.

17 - AN DEN DESPOTEN

L: 18; OKyd: Dieselbe Kleinstadt in Thrakien wie T14-16 (?); E: Manuel Kantakuzenos; OE: Berroia; D: Ca. September 1346; wI: Klage über die Trennung von Manuel und die augen­blickliche Lage nach gefahrvollen Abenteuern; Mahnung des säumigen Briefschreibers.

Wahrhaftig, du warst ein Kalchas und wußtest, was mir hier zustoßen würde, genauer als jeder Wahrsager. Ich erinnere mich ja noch jener Nacht 5

und der Ermahnungen, mit denen du mich damals zurückzuhalten suchtest, als ich so sehr nach dem verlangte, was nicht recht war. Aber anscheinend war es nicht möglich, dem Zwang zu entfliehen, der mich dazu treibt, so schwere Mühen auf mich zu nehmeni. Denn der Geschichtsschreiber sagt, es habe Kandaules so schlimm ergehen müssen2

, und so sehe ich jetzt im Kampf mit der Skylla nicht den Hafen. Aber von diesen anderen Dingen will ich ja gar nicht so sehr reden! Doch wohin müßte einer wohl kommen, daß er an 10

den Sirenen vorbeifahren könnte3 ? So bedeutet für uns auch mehr als der Trank der Götter deine Stimme, mehr auch als der Lotos Homers4

• Wenn sie mir fern ist, ist mir nichts Süßes süß, das Unangenehme aber nur um so trau­riger.

163

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Warum also sendest du, der du alle, die mit dir Gespräche führten, be­zwungen hast, uns nicht die süße Harmonie deiner Sprache im Brief und

15 willst auch nicht denen Trost spenden, die allein damit die Flamme löschen könnens, sondern erträgst es, die noch unglücklicher zu machen, die dir jedes Glück wünschen? Hast du doch feierlich versprochen, nichts zu versäumen, was mir förderlich sein könnte! Jetzt aber sendest du mir nicht einmal den Trost, der für dich die leichteste Sache von der Welt, für mich aber die süßeste Freude ist, sondern, wie es scheint, zürnst du, daß wir deine Prophezeiung mißachtet haben und hierhergereist sind. Aber wir haben doch auch dafür

20 gebüßt: genug der Strafe war für uns der Schiffbruch, genug auch Hitze und Kälte, Entbehrung und Irrfahrt, ja auch das Weilen fern von deinem Anblick, das mich elender zu leben zwingt als selbst die, die vom Arzt geschnitten wer­den6 ! Wie läßt es sich also rechtfertigen, daß man denen, die so viel gelitten haben, auch noch zürnt?

K I. E: Der angesprochene Despot ist jedenfalls Manuel Kantakuzenos, wie sich aus den An­

klängen an Tl2/L19 ergibt. Wieder ist von der gefahrvollen Seereise und dem Schiffbruch die Rede, aber auch davon, daß Kyd. für den Leichtsinn, sich von Manuel zu entfernen, gebüßt hat (vgl. T12,4f. mitT17,19 und T12,8 mitT17,19f.). OE: Manuel ist nach wie vor in Berroia, von wo sich Kyd. entfernt hat. D: Zweifellos ist L18, der vorliegende Brief, der zweite von den beiden Briefen dieser Zeit an Manuel (in der Sammlung steht er vor Tl2/L19), denn Kyd. hat offenbar auf seinen ersten Brief keine Antwort erhalten und macht nun Manuel entsprechende Vorwürfe (12 ff.). Da seine Stimmung im ganzen der von T14-16 entspricht, wird der Brief zeitlich in diese Reihe hineingehören, aber nach überstandener Krankheit, die hier nicht mehr erwähnt ist. OKyd: Wegen der fehlenden Anspielung auf seinen Aufenthaltsort spricht nur der zeitliche An­satz und die besagte Stimmung für die Abfassung am gleichen Ort wie T14-16 (vorsichtig auch LOCP 36,51: « ... a pu etre ecrite dans la meme localite»).

11. BKyd: Trotz der Versuche Manuels, ihn zurückzuhalten, hat Kyd., von einem «Zwang» getrieben (Hoffnung auf eine Stellung bei Kantakuzenos? Vgl. Tl0 und Tll), Berroia verlassen (5 - 7), hat seitdem Gefährliches erlebt (19 f.) und sieht sich gegenwärtig in einer unangenehmen Situation (8 f.). Um so mehr bedarf er des Trostes von Manuel (10-18), aber der zürnt anschei­nend wegen seiner Abreise (18f.). BE: Manuel wollte Kyd. bei sich behalten (4-6.18f.).

111. Hss: B 200T, Nr. 29; 0286\ Nr. 43 bzw. 378 (vgl. LC I, V).

IV. 1 Den «Zwang» gibt Kyd. auch als Grund seiner Trennung von loannes Kantakuzenos an (T13/L9,45; T14/Ll 0,25); vgl. ferner T41,A.1. Tendenz zum Determinismus wie T15,A.24.

2 Hdt I 8 sieht hinter dem frevelhaften Tun des Tyrannen von Sardeis ein schicksalhaftes Verhängnis. Vgl. auch A.l, zum Gedanken.

3 Eine subtile Überbietungsvorstellung: die gefährliche Skylla setzt ihm zu, aber noch mehr ist er den «Sirenen» Manuels ausgeliefert (zum Bild vgl. T6/L17,A.13). Zum Bild vom gefährli­chen Meer T8,A.23. Das Bild vom Hafen positiv (= Rettung): T67/L325,19; T77/L22,4;

164

BRIEFE T17-T18

T79/L107,12; Tl13/L134,7. «Nicht den Hafen sehen» drückt die depressive Orientierungslo­sigkeit aus, von der T15 und T16 beredt Zeugnis ablegen.

4 Manuels Stimme bedeutet ihm also mehr als ewige Jugend und mehr als eine Frucht (Hom­Od 9,94-97), die sogar die Heimat vergessen läßt (überbietung wie A.3; vgl. T3,A.5). Der Ge­danke wird noch mehr betont durch die folgende Hyperbel.

5 Kyd. geht vom Lob der gesprochenen Rede Manuels zum Briefstil über. Zur llQl1ov(a vgl. T23,A.3. Dann folgt der epistolographische Trosttopos (T9,A.9) und das Bild von der Flamm'e der Sehnsucht (T15,A.7 bzw. T14,A.8), nicht zufällig zum dritten Mal in einem Brief aus dieser Epoche.

6 Kyd. erhebt aus zwei Gründen Anspruch auf Trost: seine freundschaftliche Gesinnung ge­genüber Manuel ist unverändert (er wünscht ihm jedes Glück; zur «Gesinnung» T9,A.1), und er hat genug gebüßt (T12,4 f.); seine Leiden überbieten die der 1:EI1VOI1EVOL, also derer, die sich einer schmerzhaften medizinischen Operation unterziehen müssen. Oberbietungsvergleiche auch 4 f. und A.3,AA. Das Bild vom Schneiden auch T39/L62,23 zum Ausdruck des Schmerzes. Bei Pla­ton meist im heilsamen Sinne (PIGrg 456b, 480c, 521e).

18 - AN KABASILAS

L: 87; OKyd: Konstantinopel; E: Nikolaos Kabasilas Chamaetos; OE: Thessalonike (?); D: Ca. März/ April 134 7; wl: Bedauern, daß Kabasilas, von Kantakuzenos in die Hauptstadt geru­fen, bisher nicht gekommen ist; Bitte, dem Kaiser und Kydones selbst durch sein Kommen einen Gefallen zu erweisen.

Als wir von so vielen schweren Schicksalsschlägen1 ermattet waren und uns den Tod als etwas unsäglich Angenehmes wünschten2

, schöpften wir fri- 5

schen Mut aus der Hoffnung, du werdest kommen, und wir glaubten, deine Anwesenheit werde uns, deren Leben schon dahinschwand, neue Lebens­kraft bringen3

• Jedenfalls glaubten wir, du werdest dem Kaiser, der dich rief, bereitwillig gehorchen und den Freunden, die dich darum baten, willfahren und danach verlangen, das Allgemeine Glück (ich meine damit den Großen Kaiser)4 zu sehen, der dies Unglaubliche geleistet hat. Du hast dich doch, um 10

ihn von allen verehrt zu sehen, so zahlreichen Kyklopen und Laistrygonen kämpfend entgegengestelltS . Du kennst jene unglückselige Gesandtschaft, das Bluthad auf der Akropolis, den unheilvollen Tag, und wie Gott gleichsam ex machina6 seine Hand über dich hielt und dir gewährte, unversehrt dein Leben neu zu beginnen.

Ich hoffte aber, auch mein Brief werde hierzu etwas beitragen und dich bewegen, dem bittenden Freunde beizustehen, zumal du es ja schon gewohnt 15

warst, mir oft in meinen Angelegenheiten Hilfe zu leisten. Ich saß also da und

165

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

zählte die Tage, achtete eifrig auf den Gang der Winde und wünschte dem Meer die Tage des Eisvogels7

• Als aber die Triere anlegte - nicht zu beschrei­ben, wie geschwind ich zum Hafen der Großen STADT hinuntereilte! Ich

20 huschte dahin wie ein Vogel, fand aber meine Hoffnung davongeflogen8• Ich

hatte gehofft, von einem Schmerz befreit zu werden, und mußte nun unver­sehens noch neu es Leid erfahren! So sitze ich also wieder da und empfinde den vergangenen Schmerz um so schlimmer, weil ich die Hoffnung auf dein Kommen gänzlich aufgegeben habe. Zwar höre ich das Wort vom «heilsa­men Rat» 9, habe aber niemanden, von dem ich ihn bekommen könnte. So geht es mir nun wie bei einem Schiffbruch: ich überlasse mich den Wogen,

25 wohin sie mich tragen wollenlO• Die Dioskuren aberll, das «Sich-an-Fel­

sen-Klammern» 12 und «das Schicksal wird schon alles fügen» 13 - wegen der Größe der Leiden erweist sich all das als vergebliche Hoffnung!

Wenn wir aber Platon loben, der nicht zögerte, Dion zuliebe durch die Skylla zu fahren, sondern es auf sich nahm, sie unter Lebensgefahr zu passie­ren14, damit sein Freund seinen Staat besser einrichten könne, warum soll nicht aus denselben Gründen einer auch dich loben, wenn du dieselbe Gesin­nung gegenüber einem Studiengefährten zeigst? Außerdem versäumst du ja

30 nichts dabei und brauchst nicht mit eigenen Gefahren den Nutzen der Freunde zu erkaufen. Ich sage das, nicht weil ich meinen eigenen Trost zum Sinn und Zweck deines Kommens machen will, sondern meine nur, daß du gleichzeitig dem Kaiser gehorchen, den Freunden eine Freude machen und schließlich deine eigenen Sorgen verringern kannst, da du das Nötigste vom Kaiser erhalten wirst. Nebenbei aber wirst du mit der Reise auch noch dem Freund einen Nutzen erwiesen haben15

K 1. OKyd: Z.18. E: Genannt in der Überschrift der Hs P: Too ui,,:oo. Der vorausgehende Brief

(= L124) ist dort überschrieben: «Too xußamAu EV {h:aauAov(XTj. Vgl. Loenertz im Apparat und LC I, VI. OE: Aus der Überschrift 1:00 aU1:oo in Hs P kann natürlich nicht erschlossen wer­den, daß auch die Orts angabe des vorausgehenden Briefes (s. E) für diesen zutrifft. So versieht denn Loenertz auch das angenommene Thessalonike mit Fragezeichen. Überzeugter ist AngKa­bas I 46, aber ohne weiteren Beleg. Da aber Kyd. auf die wunderbare Rettung des Freundes an­spielt (12f.), die sich auf Ereignisse in Thessalonike bezieht, und da es keinerlei Anspielung auf einen anderen Aufenthaltsort gibt, gewinnt Thessalonike große Wahrscheinlichkeit. D: Termi­nus post quem ist der 2. 2. 1347, der Tag, da Kantakuzenos in die Hauptstadt eindrang (NicKant 64), da seitdem auch erst ein Aufenthalt des Kyd. dort anzunehmen ist (vgl. OKyd). Da Kyd. auf dies Ereignis anzuspielen scheint (9), kann es wohl noch nicht lange zurückliegen. Vgl. aber un­ten, Ep.

166

BRIEF T18

11. BKyd: Nach den in T12-T16 beschriebenen Unannehmlichkeiten (4 f.) hätte die persön­liche Anwesenheit des Freundes aus den Tagen in Thessalonike ihn trösten können (5-7); seine Enttäuschung ist groß, daß er bis jetzt nicht erschienen ist (16-26), und er wendet noch einmal alle Überredungskünste an, um ihn doch noch zum Kommen zu bewegen (26-34; A.15). BE:

Wahrscheinlich gehört Kabasilas mit seiner Familie wie die des Kyd. bereits seit früherer Zeit zum Freundeskreis des Kantakuzenos in Thessalonike (lange Freundschaft mit Kyd. Z.15 ange­deutet). Anspielung (10-13) auf die Gesandtschaft des Kabasilas zusammen mit Pharmakes im Auftrag des damaligen Gouverneurs von Thessalonike Ioannes Apokaukos nach Berroia an Manuel Kantakuzenos mit dem Angebot der Stadt, sich Ioannes Kantakuzenos anzuschließen (Kant 11 574,4-7; KydThess 644f.; T7/L6,D), ca. Juli 1345. Mit dem Blutbad (12) sind die Er­eignisse von August 1345 gemeint (s.o., S. 8 mit A.30). Kantakuzenos hat nun anscheinend bald nach seinem Triumph von 1347 Kabasilas zu sich gerufen (7f. 32), aber dieser hat auf die Einladung noch nicht reagiert (19). Daß er tatsächlich diesem Ruf folgte, wissen wir aus Nik­KabEp Nr. 6, S. 33 f., von Enepekides auf 1347/8 datiert, wo er in angesehener Stellung am Kai­serhof bezeugt ist. Entgegen der Annahme von AngKabas I 25 f. möchte ich auch NikKabEp Nr. 1 (von Enepekides noch viel zu früh, auf ca. 1320, datiert), wo Nikolaos als Grund seines Auf­enthaltes in Konstantinopel die Liebe zu seinem Oheim (sc. Neilos) und den literarischen Studien bzw. Wissenschaften angibt, in diese Zeit datieren. Die Annahme, daß Neilos um 1341 (so Ang­Kabas I) bereits einmal als Lehrer in der Hauptstadt tätig war, entbehrt des positiven Beweises (die dafür angeführte Datierung des unedierten Briefes von Neilos an Nikolaos Kabasilas wird weder in AngKabas I noch anderwärts belegt) und ist wenig wahrscheinlich, wenn man bedenkt, daß Kyd. vor 1345 in Thessalonike Schüler des Neilos war. Zur Biographie des Neilos s. auch unten, T40, E. über Nikolaos Kabasilas vgl. jetzt auch C. N. Tsirpanlis, The career and writings of Nicolas Cabasilas, Byz 49 (1979) 414-427. Xl: Ioannes Kantakuzenos, der Kabasilas an seine Seite ruft (7f. 32); Lob auf seine Leistungen (9f.); vgl. D. Ep: 1. Ein bereits vorausgegange­ner, nicht erhaltener Brief des Kyd. an Kabasilas, geschrieben nach dem 3.2.1347 (Z.8.14); 2. Ein Brief des Kantakuzenos mit einer Einladung des Kabasilas nach Konstantinopel (7f.).

111. Hss: B 263 v-264r, Nr. 126; P 413rv, Nr. 33. Ed: BoissAnNov 313-315 (Nr. 30). Ob: LBF I 305f. (freie frz. Übers.). Lit: LBF I 304f.; 306.

IV. 1 Zum Schicksalsdenken im Brief: Hunger I 227f.; im 14. Jh.: BeckMet 86f.; bei Kyd.: T17/L18,A.1, A,2; unten, A,13; T28/L59,16; T39/L62,4; T41/L38,4.15 u.ö. Vgl. auch Kaz­danKor 8 -11 und KashdanCant 312 f.

2 LBF I 305 übersetzt: « ... plus instamment que toute volupte.» Todessehnsucht auch T16/L43,25.

3 Versuch, in der Übersetzung das Wortspiel «'ta 'tijc; ..puxijc; AELJ'to..puxiJauv'tuc;» nachzu­ahmen. LBF 1305 übersetzte: «sur nos existences defaillantes ... ta presence ici produirait les memes effets que celle de I'ame dans un corps».

4 Allgemeines Glück: T13,A.22. Über «J.lEyUC; ßUOLAEUC;» im Kaiserenkomion vgl. P. Schreiner, Zur Bezeichnung «megas» und (,megas basileus» in der byzantinischen Kaisertitula­tur, Bzna 3 (1971) 186f.

5 Kyklopen und Laistrygonen (HomOd 10,80-134) zum Ausdruck des Rohen und Barba­rischen, hier mit Bezug auf die Zeloten von Thessalonike. Kyklopen auch T57/L272, 10; ähnlich L332,88; L387,8.

6 Zur Wendung «{}EOC; WmtEQ EX J.lTJXuv'ijC;» vgl. vor allem DemOr 40,59 (= Ps.-Dem., Boe-

167

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

ot. dot. 1025): Vorstellung von der Theatermaschine, die Götter etc. in der Luft erscheinen ließ. Zur Geschichte des Bildes: Werner, wie T19,A.1, 25-28.

7 Zu der Vorstellung, während der Brutzeit des Eisvogels zur Zeit der Wintersonnenwende herrsche eine Reihe von Tagen hindurch auf dem Meer Windstille: AristotHA 542b; Suda A 1298. Bei Kyd. auch T43/L3,7. Vgl. ferner NikChon 280,37f. Kyd. denkt hier natürlich nur an eine Beruhigung des Meeres.

8 Vergleich und folgende Metapher mit dem Bild des Vogels. Hier nicht als epistolographi­scher Topos.

9 Loenertz (in der Ausgabe) denkt an selbständige Abwandlung des öfter belegten «ßOUATJV LEQ6v». Anhaltspunkte dafür konnte Kyd. etwa bei PIGrg 47 5d (A6yo~ WOJtEQ LatQ6~) oder auch bei Thuk 6,14 (tii~ ... Jt6AEW~ xaxoo~ ßouAEUaaIlEVI'J~ LatQ6~) finden. Zum geläufigen Bild des Arztes s. T8,A.25.

10 Variante des Bildes T9,A.23: Treiben auf dem Meer als Ausdruck der Orientierungslo­sigkeit.

11 Zu den Dioskuren als den «Nothelfern» der Antike, vor allem im Kampf und im Sturm vgl. die «klassische» Stelle Theok 22,6-22.

12 HomOd 5,428. Mit dieser Anspielung nimmt Kyd. das in A.10 angedeutete Bild wieder auf.

13 LBF I 306,A.1 zum vermutlichen Zitat, das er so wenig wie ich verifizieren konnte: «La pensee sur la Fortune est trop banale pour permettre une recherche systematique, et ma memoire ne me suggere rien de precis.». Die Reihe von antik gefärbten Hoffnungsankern, die Kyd. hier aufzählt, sind natürlich eher ironisch zu verstehen und nicht ganz ernst zu nehmen.

14 «Unter Lebensgefahr», w.: ü<paAov. Loenertz übersetzt (LBF 1306): « ... pret a faire le plongeon». Platons Reise zu Dion von Sizilien: PlutDion 4,2; DL 3,18-20. Im Altertum lokali­sierte man die Skylla häufig an der Straße von Messina. Natürlich wird das sagenhafte Unge­heuer in den Berichten über Platons Leben nicht erwähnt. Kyd. verwebt hier geschickt Biogra­phie und Mythos, um Platons Einsatzbereitschaft für den Freund hervorzuheben.

15 Mit einer Reihe von logischen Argumenten, die wirkungsvoll am Briefschluß plaziert sind, sucht Kyd. den Freund für den Dienst bei Kantakuzenos zu gewinnen, und der Erfolg blieb nicht aus (s. BE).

19

L: 86; OKyd: Konstantinopel; E: Isidoros Bucheiras, Patriarch von Konstantinopel; OE: Konstantinopel; D: Mai/Juni 1347; wI: Fürbitte für den gelehrten, aber durch Gegnerschaft des Patriarchen loannes Kalekas ausgeschalteten und verarmten Kleriker Pepagomenos; Entwurf seines Lebenslaufes und Charakterbildes zum Erweis seiner Qualifikation für ein höheres kirch­liches Amt.

Es ist töricht, für einen kriegstüchtigen Soldaten beim Feldherrn Fürbitte 5 einzulegen, unsinnig aber auch, einen Chorführer zur Sorge für einen seiner

Sänger zu ermahnen!. Beiden wird ja ihre Sache verdorben, wenn sie die, mit

168

BRIEFE T18 - T19

denen sie ganz notwendig zusammenarbeiten müssen, mißachten, als könn­ten sie ihnen gar nichts nützen. Noch lächerlicher aber ist es, wenn man dar­angeht, deinem HAUPT2 einen hochgelehrten Mann zu empfehlen und dich darauf hinzuweisen, daß er wohl gute Behandlung verdient hat und daß sol­che Leute nicht völlig verrückt sind, sondern in jeder Aufgabe nützlich sein können, zu der man sie anstellt. Denn mit solchen Worten muß man die Sub- 10

jekte überzeugen, die ohne jeden Verstand aufs Geratewohl alles Fremde verbellen und am liebsten von keiner Seite ein offenes Wort hören möchten, so wie Leute, die ein schlechtes Gewissen haben, die unbestechlichen Richter recht gern schwach sähen. Dir gegenüber, der du durch Taten überzeugend erwiesen hast, welchen Wert die literarische Bildung hat, und der du dieses hohe Amt als Lohn deiner Tugend erhalten hast, wäre aber doch jeder Ver- 15

such, dir solche Ratschläge zu erteilen, überflüssig3 ! Wenn ich also in dieser Hinsicht dein Wesen richtig interpretiere, dann

muß auch das Los des verdienten Pepagomenos geändert werden; er ist von ungerechter Armut zu erlösen und in eine bessere Stellung zu' versetzen. Er hat ja so seine Seele mit Tugend geschmückt, daß er, wäre er auch Bauer oder 20

Seemann, die Ehrungen eines Platon oder Pythagoras4 bei allen mit Recht ernten würde; so tief ist er aber auch in jede Art von Geisteskultur eingedrun­gen, daß seine Weisheit jeden etwaigen moralischen Fehler ausgeglichen hät-te. Nun aber hat er sich in beiderlei Hinsicht bewährt und sich auch bemüht, die noch nicht so Vollendeten sich ähnlich zu machen. Da er weiß, daß die li­terarische Bildung wie nichts anderes ihren Anhängern nützlich sein kann, widmete er sich denen, die sich darum bemühen wollen, und als sich binnen 25

kurzer Zeit die Früchte zeigten, begab sich jeder zu ihm, der Liebe zur Litera­tur verspürte. So schickten die, die ihre Kinder nicht gänzlich vernachlässigen wollten, ihre Söhne zu ihm und erlebten die Freude, bald ihr väterliches Ge­bet erfüllt zu sehen, nämlich zu erleben, wie ihre Nachkommen sie überflü­gelten. Ich weiß aber, daß dieser oft auch durch Äußerungen von dir geehrt wurde (wem solche Äußerungen zuteil werden, der kann mit Recht wohl nicht geringer als Sokrates von sich denken, den Pythia im .orakel als Weise- 30

sten von allen bezeichnet hat!)5. Weil er aber denen, die sich bittend an ihn wandten, auf vielfältige Weise

helfen wollte, begehrte er die Priesterwürde und schien damit etwas gewählt zu haben, was seiner Lebensführung entsprach; versah er doch sein Amt un­eigennütziger, als man es beschreiben könnte. Er hatte es also nicht auf Berei­cherung oder auf Gewinn abgesehen, der mit seiner Berufswahl nicht verein-

169

üBERSETZUNG UND KOMMENT AR

bar wäre, sondern er glaubte, es sei schon genug für ihn, wenn er durch sein 35 Priesteramt Gott allein näherkommen könne. So verhielt er sich also seinen

Schülern gegenüber und war nur in einem Bezug unglücklich: nicht mit Men­schen zu verkehren, die ihn sehen konnten6

• Aber obwohl er von allen über­sehen wurde, ließ er sich doch niemals die Mühen um die Geisteskultur 7 leid werden und wurde ihr auch nicht untreu, um statt des Schönen das Ange­nehme zu suchen, sondern er wußte, was für einen Menschen der bessere Be-

40 sitz ist, und ertrug die Widerwärtigkeiten des Schicksals wie ein Bauer die Unbilden der Jahreszeiten. Allerdings wünschte er, die angesehenen Amtsin­haber sollten ihre Würde wegen Verfehlungen in ihrem Amt zur Verfügung stellen, und ihre Throne sollten Gerechte erhalten8

; das wirklich Gute solle auch als solches anerkannt werden, und die Menschen sollten nicht wie in dunkler Nacht über die Tatsachen im ungewissen bleiben. Indem er so sprach, ersehnte er zweifellos den gegenwärtigen Zustand, daß also du diese

45 bedeutende Stellung erhalten solltest, der du, geistige Interessen mit Tugend verbindend, die Angelegenheiten der Menschen lenkst und so das wer weiß woher ins Dasein getorkelte Gerücht, unfähig zum Handeln sei ein geistig Gebildeter, der ein Amt erlange, als Geschwätz von Verrückten und solchen entlarvt hast, welche die Würde der geistigen Bildung ebenso scheuen wie Augenkranke die Lichtstrahlen9

50 Wenn er aber so von deinem Erfolg träumte, wie soll es dann gerecht sein, da es nun so gekommen ist, den Mann noch in dem früheren Dunkel zu lassen und einen Wohltäter für ihn zu suchen, obwohl es dich gibt und Gott dir die Macht gegeben hat, ihm größere Dienste zu erweisen, als er erbittet? Bedenke aber auch, wie viele berechtigte Gründe dich veranlassen, sein Wohltäter zu sein: Erstens seine Notlage und sein Glaube, nur du könnest ihn von seinen

55 Leiden befreien. Entspräche es wohl deinem Wesen, solche Rufe zu mißach­ten? Ferner sollte sein Charakter vor allem Gleichgesinnte beeindrucken und für ihn gewinnen. Denn mag auch ein großer Unterschied bestehen und es schwer sein, diesen herauszufinden, so gibt es doch auch an ihm etwas, was mit dem Deinigen verwandt ist10

; glauben wir doch nicht einmal mit der Ge­wohnheit, den gewaltigen Gottll anzurufen, eine Sünde zu begehen! Wenn aber auch du ein Liebhaber der literarischen Studien bist und vielen dieses Gut vermittelt hast und deshalb auch für die Stimme der Hellenen eintreten

60 mußt12, so verdient der Mann auch von daher deine Hilfe. Schon oft hat ei­

ner, wenn er in der Fremde einen Landsmann sah, ihn nicht weniger als seine eigenen Eltern liebgewonnen, obwohl er ihn in der Heimat nicht einmal an-

170

BRIEF T19

geredet hätte, nur weil er ihn in der gleichen Sprache und in gewohnter Weise anredete13

• Wenn aber ferner der Feldherr doch geziemend handelt, wenn er für den Soldaten, der Chorführer, wenn er für den Sänger, ja auch der Steu­ermann, wenn er für den Matrosen, der Architekt, wenn er für seine Bauleute 65

sorge4, sollte dann nicht auch der Große Hohepriester für seinen Priester

eintreten und auf sein Wohlergehen bedacht sein? Wenn ich aber auch noch einen weiteren zwingenden Grund hinzufügen soll: er liebt mich und bewun­dert meine gelehrten Kenntnisse, die er zu den bedeutendsten in unserer Heimat15 zählt. Bewundert er damit nicht um so mehr, was von dir kommt? Denn wer den Strom lobt, hebt doch offenbar der Quelle16 den größeren An- 70

teil des Lobes auf. So viele wichtige Gründe lassen sich anführen, warum es ihm notwendig wohl ergehen sollte.

Was er aber braucht, ist geringfügig und gegenüber deiner Würde unbe­deutend. Er sucht nur irgendeine Stellung in deiner Nähe. Für ihn wird das die Voraussetzung sein, in Zukunft angemessener leben zu können, aber auch Anlaß, dich für deine Gunst zu preisen. Zwar weiß ich, daß viele sich kritisch äußern werden, aus dem Mundwinkel, wie man sagt17

• Sie werden erklären, das altbewährte Ansehen der Kirche stehe auf dem Spiel, und verlangen, auch 75

diese Ämter müßten an Leute von entsprechendem Stand vergeben werden wie in den Oligarchien18

• Aber sollen sie doch sagen, was sie wollen: ein Mann in verantwortlicher Stellung soll dennoch, wenn er Charakter hat, sich selbst treu bleiben und zeigen, daß es sich hier nicht wie bei den öffentlichen Ämtern gehört, über Unnötiges lang und breit zu reden, das Notwendige aber zu übergehen19

• Auch wird nicht die Anklage derer, die untätig in einem Winkel hocken, notwendige Entscheidungen außer Kraft setzen, sondern 80

überall wird das Wort Geltung haben, das besagt, wer die Zeit aufs Gerate­wohl vergeude, habe keinen Nutzen von ihr. Bist du doch selbst schon über viele hinweggegangen, die zu Unrecht viel Gerechtes tadelten, und hast das beschlossen, was zu Recht Geltung haben sollte20

• Dein jetziges Handeln sei also Nachahmer des früheren, und so bringe aus deiner Umgebung jemanden zu Ansehen, der dein Lied gut zu singen versteht21

K I. OKyd, E, OE: Kyd. schreibt an einen Patriarchen (65), der sein Lehrer war (67-69); dies

kann nur Patriarch Isidoros (1347-49) sein (vgl. S. 161, A.19). Während dieser Jahre hielt sich Kyd. in Konstantinopel auf (s.o., S. 10). Auch läßt im Brief nichts auf verschiedene Aufenthalts­orte des Kyd., des Patriarchen und des Betroffenen (s. Xl) schließen. D: Da zweimal aufIsidors

171

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Amtsantritt angespielt wird (14.45) und neue Ämter vor allem in den ersten Monaten seines Pa­triarchats verteilt wurden (s. Exkurs, S. 160 mit A.33), ist eine Datierung des Briefes auf Mai/ Juni, spätestens Juli 1347 am wahrscheinlichsten.

11. BKyd: Der ganze Brief beweist, daß Kyd. sein diplomatisches Geschick nicht nur in eige­ner Sache (Briefe an Kantakuzenos!), sondern auch für andere einsetzte. Bemerkenswert der Hinweis auf die eigene Gelehrsamkeit, die anscheinend schon öffentliche Aufmerksamkeit er­regt hat (67). Wenn er mit Bezug auf seinen Adressaten die Verbindung politischer Tätigkeit mit dem musisch-beschaulichen Dasein als akzeptable Möglichkeiten betont (46-49; ähnlich T5/L12,10ff.), scheint damit zugleich etwas von seinem eigenen damaligen Lebensideal durch. Die schmerzliche Spannung zwischen beiden Lebensformen scheint ihm noch fremd zu sein. BE: Isidor als Lehrer des Kyd. (67-69). S. auch 1., OKyd etc. Xl: Ober die Person des Pepagomenos, für den Kyd. hier Fürbitte einlegt, gibt er wie in einem «Gutachten» ziemlich genau Auskunft: Er ist in der Wissenschaft und Literatur bestens bewandert (7.21.38.59f.), verdient aber auch in charakterlicher Hinsicht hohes Lob (19-22). Um seinen Mitmenschen zu dienen, wurde er Prie­ster (31-35) und betrieb zur Zeit des Patriarchen Ioannes Kalekas eine Privatschule (26-28), wahrscheinlich in Thessalonike, woher er (s. A.15) auch stammen dürfte (ähnlich wie Isidoros, s.o., S. 158). Wegen Differenzen mit dem vorigen Patriarchen (41) ist ihm bisher kein geistliches Amt zuteilgeworden, das seinen Fähigkeiten entspricht, und seine materiellen Verhältnisse sind bescheiden (18.37.51.53.75). Isidoros ist nun prädestiniert, ihn zu fördern, da er sich selbst be­reits lobend über ihn geäußert hat (28 f.), da Pepagomenos auf dessen Patriarchat geradezu ge­wartet hat (44 f.) und beide durch gleichen Bildungsstand und charakterliche Eigenschaften ein­ander sehr ähnlich sind (55 -57). Schließlich erfahren wir auch den Grund, warum gerade Kyd. ihn empfehlen kann: Pepagomenos ist sein Freund und Bewunderer seit den Tagen von Thessa­lonike (66-68). Zu seiner sozialen Herkunft s. u., A.18. Loenertz vermutet zu Z.17 (Ausgabe) Identität dieses Pepagomenos mit dem mehrfach in den Patriarchalurkunden (DarPatr 2463; 2466; 2484; 2488; 2491) erwähnten Protonotar (zum Amt DarRech 355-359) der Kirche von Konstantinopel. P. Schreiner, Eine griechische Grabschrift in Corridonia, JÖB 20 (1971) 159, Nr. 18,A.48 möchte keine Identifikation des Pepagomenos der Kydonesbriefe mit einem ande­ren seiner Liste wagen. Wichtig ist aber seine Bemerkung zu dem ebd. Nr. 22 angeführten Pepa­gomenos aus GregEp 11 Nr. 48,174-187, das von Guilland vorgeschlagene frühe Datum «ca. 1335» für den Brief sei abzulehnen, womit auch dieser Pepagomenos für eine Identifikation in Frage kommt, wie sie Loenertz, ebd., ebenfalls für möglich l),ält. Schreiner auch A.49 über die ir­rige Zuweisung aller Briefe, die Gregoras an einen Pepagomenos schrieb, an denselben, wie sie Guilland vorgenommen hatte. Da die Zeugnisse über das kirchliche Amt des Pepagomenos erst aus den sechziger Jahren des 14. Jhs. stammen, wissen wir nicht, ob die Intervention des Kyd. so­fortigen Erfolg brachte. In LOCP 36,51 wird aus Pepagomenos, wohl durch ein Versehen, ein «Pergarnenos» ! X2: Mit der Bezeichnung «angesehene Amtsinhaber» ('tüUC; J'taQaoTi!Wuc; aQ­xov'tac;), von denen Pepagomenos wegen ihrer Amtsverfehlungen den Rücktritt erwartet habe (41 f.), kann trotz des Plurals (zum «Tabu» charakter solcher Pluralverwendungen s. u., A.8) nur der Vorgänger Isidors, Patriarch Ioannes XIV. Kalekas (1334-1347), gemeint sein (so auch Loenertz zur Stelle). Zu seiner Absetzung: DarPatr 2270. Der schwer übersetzbare, weil vieldeu­tige Begriff aQXwv für «Patriarch» auch unten, Z.77 (dort mit «Mann in verantwortlicher Stel­lung» übersetzt); vgl. die andere Umschreibung «IlEyac; UQXLEQEUC;» (66), wiedergegeben mit «Großer Hohepriester». X3: Eine Gruppe mutmaßlicher Gegner des Pepagomenos

172

BRIEF T19

(73-75.79f.). Da es um eine Stellung «in der Nähe» des Patriarchen geht (71f.), also im Patriar­chalklerus, werden die Neider in diesem Kreis zu suchen sein, vor allem unter denen, deren Stel­lung durch den Wechsel des Patriarchen gefährdet war (s.o., S. 160).

III. Hs: B 26r-263 r, Nr. 145. Der Brief ist in der Hs ohne Titel; Loenertz erschließt «An

den Patriarchen» aus Z.65. IV. 1 Kyd. beginnt, um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen, mit einem Vergleich a

minore ad maius (wenn schon ... dann erst recht). Nicht zufällig vergleicht er den streitbaren Pa­triarchen (s.o., S. 159 f.) mit einem Feldherm. Das Bild vom Chor- bzw. Reigenführer gehört in die Reihe der mit XOQ6~ gestalteten Bilder (T8,A.6); es wird auch Z.63 und am Schluß des Briefes wiederaufgenommen (s. A.21) und ist auch sonst bei Kyd. beliebt, z.B. T29/L14,12 (Ioannes Kantakuzenos); T64/L98,40f. (Astras); T81/MercNot 349,91. Vgl. H. Werner, Metaphern und Gleichnisse aus dem griechischen Theaterwesen, Diss., Aarau 1915, 65-79, insb. 73 ff., über die auch hier (vgl. A.14) belegte Verbindung dieses Bildes mit anderen.

2 Zur Anrede «XEIPaÄT)) für höhergestellte Personen und Freunde vgl. ZillAnr 22 (Homer, Tragiker); 80 (in den Briefen des Julian, Libanios, Basileios und Ioannes Chrysostomos, aber dort stets mit Epitheta wie'Ö'ELa, IPLATJ). Belege auch bei DarEp 411 (Index), s. v. XEIPaAT), mit der treffenden Definition: «terme d'amitie avec une nuance de respect».

3 Kyd. argumentiert mit der Intelligenz und dem Ethos des Adressaten. Mag ein Gebildeter der Menge auch wie ein Verrückter (<<IWQYL'tTJ~», LSc, s. v., zur literarischen Figur) erscheinen, mögen andere einen so klugen Mitarbeiter fürchten, Isidoros ist gegen beides gefeit. Zur Wen­dung «6.'Ö'wv aQE'tii~» vgl. T6,A.3.

4 Zur Verbindung «Platon und Pythagoras» s. T15,A.12. «Wäre er auch Bauer ... » ist eine Form der enkomiastischen Hyperbel, die den Geehrten in niedrigerer Position denkt (eingeleitet mit «xliv d» ), um ihm sogar in dieser das gleiche Lob zuzubilligen.

5 PIAp 21 a. Geschickt setzt hier Kyd. den Adressaten mit dem Orakel von Delphi gleich, um seiner positiven Äußerung über Pepagomenos größeres Gewicht zu geben. Zur Konstruktion: « ... ä~ OL ÖE;clI.l.EVOL ... » steht für eine Parenthese der Form «OL 'tau'ta~ Öe;clI.l.EVOL ... ». In der Korrespondenz des Kyd. werden außer Pepagomenos durch die Äußerung eines anderen auch der Adressat von T23 (s. dort, A.6) und Kyd. selbst zum zweiten Sokrates: L166,30, wo Kyd., von Kaiser Manuel vernachlässigt, ironisch erklärt, mit (leeren) Lobesworten werde er aller­dings mehr von ihm geehrt als Sokrates durch Pythia.

6 W.: «". Ö'tL I.I.TJ ouvfiv aV'Ö'Q6l3tOL~ 6QclV au'tov ÖUVaI.l.EVOL~». Gemeint ist: seine Umge­bung war nicht fähig, seine hervorragenden Eigenschaften gebührend zu erkennen. Wann er sich von Thessalonike nach Konstantinopel und damit aus dem Regen (Zeloten!) in die Traufe (Pa­triarch Kalekas!) begab, ist nicht bekannt.

7 Das unübersetzbare Wort «A6yOL» wird je n~ch dem Textzusammenhang versthieaen wiedergegeben, hier mit «Geisteskultur», Z,45 mit «geistige Interessen», ZA8 mit «geistige Bil­dung», Z.58 mit «literarische Studien», Z.67 mit «gelehrte Kenntnisse» (und ähnliche Überset­zungsvarianten in anderen Briefen). Doch haben alle diese Übertragungen natürlich nur Annä­herungscharakter und sind kein Ersatz für diesen inhaltsreichen und zugleich recht unpräzisen Begriff der griechischen Sprache.

8 Trotz der Verwendung des Plurals ist mit «aQxov'tE~»zweifellos der Patriarch Ioannes Ka­lekas gemeint (s.o., X2). Bereits ZillNum 12 hat.darauf hingewiesen, daß eine solche Verwen­dung des Plurals sich nicht als pluralis maiestaticus erklärt, sondern charakteristisch für den Un-

173

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

tergebenen ist, der den bedrohlichen «Chef» mit einem verschwommenen Plural in einen Ab­stand rückt, der seinem Tabu gemäß ist. So ist der Plural mehr ein Ausdruck der Distanzierung als der Ehrfurcht. Doch können an dieser Stelle auch einige bischöfliche Gesinnungsgenossen des Kalekas mitgemeint sein, die von Isidoros abgesetzt wurden.

9 Der Gedanke von Z. 7-10, ein Gelehrter könne durchaus zu einem öffentlichen Amt fähig sein, wird hier wiederaufgenommen. Offenbar war der Einwand wirklich vorgebracht worden. Auch Kantakuzenos vereinigte nach T5/L12, 1 0 ff. beide Fähigkeiten. Das Bild von der Angst der Augenkranken vor dem Licht erinnert an PIPI ta 515de.

10 Aus diplomatischen Erwägungen drückt sich Kyd. hier gewunden aus, um die rechte Ba­lance von Abstand und Ähnlichkeit zwischen seinem Klienten und dem Patriarchen einzuhalten.

11 Argumentation a maiore ad minus: wenn man sich sogar vertrauensvoll an Gott wendet, um wieviel mehr an den (charakterlich so ähnlichen) Patriarchen. Ähnlich L449,15.

12 Mit dem seit 1204 besonders gern gehörten Argument, es gelte, das Erbe der Hellenen zu vertreten (vgl. TinnNiv 253,A.28; auch T15,A. 7) hebt Kyd. das private Anliegen seines Klienten auf eine gesellschaftliche Ebene. Ober Isidors Tätigkeit als Privatlehrer s.o., S. 158 mit A.11.

13 Zum hier vertretenen Heimatbewußtsein vgl. T15,A.7. 14 Zwei der bereits eingangs verwendeten Bilder (Feldherr und Chorführer) werden wie­

deraufgenommen und mit zwei parallelen Bildern verbunden, um den anscheinend wichtigsten Gedanken, Isidoros sei der verantwortliche Vorgesetzte des Pepagomenos, hervorzuheben. .

15 Es besteht m. E. kein Zweifel, daß mit «Heimat» (rtU'tQL~) hier, wie in den früheren Brie­fen häufiger, Thessalonike gemeint ist (in LC 11 475, s. v. patria, fehlt diese Stelle und damit ein Votum von Loenertz); man wird daraus schließen dürfen, daß Pepagomenos wie Kydones und Isidoros aus Thessalonike stammt, wo sie wohl bis zur Zeit des Zelotenterrors bzw. bis 1341 gemeinsame Jahre verbrachten.

16 Geschickt leitet Kyd. das Lob des Klienten mit einem Bild von der eigenen Person auf die des Lehrers weiter: auf die Quelle fällt der größere Teil des Lobes.

17 W.: 'Yrt' 6ö6v'tu. Lampe, s. v. 6öou~: «secretly», mit Belegen aus Basileios. 18 Diese Bemerkung setzt ein «aristokratisches Establishment» im Patriarchalklerus voraus

und läßt vermuten, daß Pepagomenos nicht aus diesen sozialen Kreisen stammte. LC I 198 zi­tiert zur Stelle AristotPol 1292 a 39 etc.

19 Unter «A.EL1:OuQy(m» versteht Kyd. gemäß dem vorausgehenden Kontext die weltlichen im Gegensatz zu den kirchlichen Ämtern. LC I 198 zitiert AristotPol 1320 b 2~4 zur Stelle.

20 Seine Aufforderung zu schnellem Handeln unterstreicht Kyd. durch den Hinweis auf eine sprichwörtliche Redensart (vgl. PIPlta 370b); die Rechtmäßigkeit der erwarteten Intervention mit einem Polyptoton: ÖL')(.ULOOV - aö(xoo~ - ö(xmov.

21 Zum musikalischen Bild s.o., A.1. In wirkungsvoller Schlußposition der Gedanke, der Patriarch werde in Pepagomenos einen Mitarbeiter seiIier Gesinnung haben.

20 - AN KALOPHEROS

L: 72; OKyd: Konstantinopel; E: Maximos Kalopheros, Mönch; OE: Athoshalbinsel, Lau­rakloster; D: Herbst 1347; wI: Ironische Mahnung des säumigen Briefschreibers, der aus der

174

BRIEFE T19- TlO

hauptstädtischen Beamtenlaufbahn ausgeschieden und Mönch auf dem Athos geworden ist, Kydones aber noch nicht von seinen neuen Erfahrungen berichtet hat.

Wenn die Philosophen sich insgesamt einig sind, Ähnlichkeit sei die Ursa­che der Freundschaftl, müßten wir entweder aufhören, uns Freunde zu nen- 5

nen, oder auch ich müßte an den guten Erfahrungen, die du jetzt machst, teil­nehmen, oder, drittens: auch du müßtest Dinge erleben, von denen man nicht einmal ohne Schaudern berichten hören kann, und gemeinsam mit mir wei­nen2

• Nun sind wir uns aber über das erste einig, und alle benennen uns eher danach als mit unseren Namen. Zum zweiten ferner: hast du nicht anderen3

von deinen guten Erfahrungen zu kosten gegeben, nach denen du verlangtest, 10

als du von uns weggelaufen bist? Das letzte aber möge über die Feinde kom­men und Gott ihnen ein entsprechendes Schicksal bereiten für das Böse, das sie uns angetan haben4

• Jedenfalls siehst du uns, scheint es, als Freunde an und wünschst uns all diese guten Dinge, doch willst du auf keinen Fall mit ei­ner Gefälligkeit für uns dir selbst widerstreiten; weil wir dir unempfänglich scheinen, willst du uns nicht an deiner Begeisterung teilnehmen lassens . Darum hast du der Großen STADT den Athos vorgezogen, dem Kaiserpalast die Einsamkeit, dem Luxus hier die Quellen und Bohnen dort6

, und du 15

glaubst, ein Leben fern von unseren Plagen könne dir alles andere zur Genüge ersetzen. Wir tun dir leid, weil wir mit unseren täglichen Sorgen verächtlicher als jeder Sklave leben, aus Unempfindlichkeit aber, als wären wir frei, ehrgei-zig um die ersten Stellen kämpfen7

Nun gut, du Seliger! Soll dir der Athos einen Olymp bescheren, weile bei seinen Göttern, berausche dich am NektarS, lausche denen, die nachsinnen 20

über diese erhabenen Dinge, geeignet, die Seelen der Eingeweihten zu bes­sern9 ! Denke aber auch an uns, und das Verweilen beim Größeren soll dich nicht verleiten, das Geringere zu mißachten, sondern wenn du jetzt außer­halb der Wogen stehst und siehst, wie ich von ihnen überspült werde, denke daran, daß wir uns von dir überreden ließen, es mit der hohen See aufzuneh­menlO!

K 1. OKyd: Im Palastdienst in Konstantinopel (14ff.; 24, vgl. A.10). E: Daß der im Titel ge­

nannte Kalopheros nicht loannes Laskaris (s. EszKal), sondern sein Bruder Maximos ist, ergibt sich aus einem Brief des Gregorios Akindynos an diesen (LBF I 106f., Nr. 16: Kommentar und Analyse; Ed.: AkindEp 1102-104, Nr. 6), der seinen Aufenthalt auf dem Athos für Ende 1347 bezeugt. OE: Athos (Z.14.19), Laurakloster nach dem zitierten Akindynosbrief. D: Der Brief des Kyd. an Maximos wurde nicht lange nach dessen Abreise zum Athos geschrieben, aber we-

175

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

gen der Briefmahnung doch wohl nicht vor Ablauf von zwei Monaten. Nun ist es nach dem zi­tierten Akindynosbrief sehr wahrscheinlich, daß Gregorios Palamas, als er im September 1347 auf dem Athos eintraf, Maximos dort schon vorfand; jedenfalls kam es zu einer Begegnung zwi­schen beiden um diese Zeit. Das wahrscheinlichste Datum für T20 ist daher Herbst 1347 oder gar noch Sommer (vgl. LBF I 107,A.2).

11. BKyd: Kyd. ist, nicht zuletzt auf Anraten des Maximos (s.A.10), in den kaiserlichen Dienst eingetreten (wohl von vorneherein als I1Eo6:trov; vgl. oben, S. 11 mit A.55) und hat auch bereits dessen Schattenseiten kennengelernt (16f.). Vgl. auch ZG. BE: Maximos, der unter der Herrschaft der Kaiserin Anna ein angesehenes Amt am Kaiserhof bekleidete, hatte wegen seiner lateinerfreundlichen und dem Akindynos zuneigenden Einstellung unter Kantakuzenos keine Chance, seine Stellung zu halten. Er verließ bald nach dessen Regierungsantritt die Hauptstadt, begab sich zunächst auf lateinisches Gebiet und bald darauf ins Lauraldoster auf dem Athos, der damals zum serbischen Herrschaftsbereich gehörte (EszKal 9; LBF I 106 f. zu AkindEp I

-102-104, Nr. 6; DarPatr 2315). Wegen der erschöpfenden Angaben bei EszKal (Index, s. v. Ka­lopheros Maximos) wird hier auf einen biographischen Exkurs verzichtet. Xl: Vermutlich An­spielung auf Gregorios Palamas und seine Anhänger, deren Einfluß auf Maximos man in der Hauptstadtvorübergehend annahm (Z.20; vgl. LBF 1107). ZG: Anspielung auf eine betrübliche Entwicklung in der Gegenwart, falls 5 f. konkret zu verstehen ist (vgl. A.2); Loenertz, zur Stelle, vermutet einen Hinweis auf den Sieg des Palamismus in der Hauptstadt wie im folgenden Brief T21/L88,40-42. Ep: «Hast du nicht anderen von deinen guten Erfahrungen zu kosten gege­ben?» Anspielung auf Briefe an andere Freunde in Konstantinopel? (Z.9).

111. Hss: B 234rv, Nr. 83; P 407rv, Nr. 26. Ed: BoissAnNov 264 f. (Nr. 4). Ob: EszKaI202f., Nr. 1 (dtsch.).

IV. 1 PILy 221 e; PIPhdr 240c; Aristot EN 82: 1155 a 32-35; vgl. auch TinnFr 156-159.

2 Kyd.liebt in seinen Briefen das aufzählende Argumentieren, das Herm 238 zur EUXQLVELU' zählt. Aus dem eingangs zitierten allgemeinen Satz über die Ähnlichkeit der Freunde ergeben sich im gegenwärtigen konkreten Fall des brieflichen Schweigens drei mögliche Folgerungen, von denen die erste eine gewisse Drohung enthält, die zweite eine noch nicht erfüllte Erwartung ausdrückt und die dritte auszuschließen ist. Doch deutet Kyd. gleichzeitig mit dieser dritten Fol­gerung an, daß er selbst unangenehme Erfahrungen gemacht hat (s.o., ZG). Zur Hyperbel mit «nicht einmal»: T10,AA. Ähnlich T7,AA.

3 Zu den Topoi der Briefmahnung gehört die vorwurfsvolle Behauptung, andere hätten Post oder Nachrichten anderer Art erhalten: T22/L20,25f.; T30/L42,29; T36/L58,4; T46/L54,4. Doch widerspricht die Feststellung des Topos nicht der Möglichkeit, daß andere wirklich Briefe -erhalten haben.

4 Sinn: Gott möge die unangenehmen Erfahrungen den Feinden vorbehalten; allgemeiner Wunsch, der allerdings wenig mit christlicher Feindesliebe zu tun hat.

5 Kyd. bringt, nicht ohne Ironie, noch eine vierte Begründung für das briefliche Schweigen des Freundes, die nun die «Lösung des Rätsels» bringen soll: er ist- bei aller Freundschaft- ei­nes Berichtes über die Erlebnisse eines Athosbegeisterten unwürdig. In diesem Zusammenhang fällt das Stichwort «l1uv(u», das EszKal202f. mißverstanden und auf Kyd. bezogen hat. Es ist aber die I1uv(u des Maximos im Sinne religiöser Verzückung gemeint, nach PISmp 218 b syno­nym zu dem auch bei Kyd. bezeugten «ßUXXE(U», T5,A.25.

176

BRIEFE T20 - Tl1

6 Zur nachdrücklichen Hervorhebung der Vorteile des Athoslebens wählt Kyd. das sog. btEl;,EUYIlEVOV (adiunctio), Verbindung mehrerer Kola durch ein Prädikat (Martin 301), eine Form des rhetorischen ornatus (:n;EQLßOA:t'). Bohnen als Mönchsspeise z. B. auch DaeEp I 1,50. Sie gehören bis heute zu den Grundnahrungsmitteln auf dem Athos.

7 Bereits in diesem frühesten Brief, der Kyd. in nunmehr angesehener Stellung beim Kaiser voraussetzt, ist er sich völlig klar über die negativen Seiten seines Lebens im Palast, das er den­noch der Klostereinsamkeit vorzieht. (Anders noch T19, BKyd). Stellensammlung zum Thema «Palastdienst als Plage» s.o., S. 15, A.76.

8 Ähnlich der Athos als {}ELOV öQOt;: AkindEp I 103,21. Dem engagierten Mönch werden die Wasserquellen (vgl. dazu die Ekphrasis Greg 11 714,20-718,7 = GregAntirrh I 123,5-129,17) des Athos (15) zum Nektar; der Nektar ist aber auch die geistige Nahrung der Mönche. Das Bild in anderem Bezug T31/L41,20. HungChort Ne. 2,lH.: Wein = Nektar. Vgl. auch T44,A,6.

9 Zur Bezeichnung der Mönche als «Philosophen» vgl. jetzt PodTheol21 f. und Hunger I 7 f. Sind die «Eingeweihten» die Palamiten, denen zuzuneigen man Maximos neuerdings in der Hauptstadt verdächtigte (s.o., Xl)?

10 T8/L7,A.23 (zum Bild). Maximos hat Kyd. also geraten, in den Palastdienst einzutreten. Zu seiner damaligen Stellung s.o., BKyd.

21

L: 88; OKyd: Konstantinopel; E: Ein unbekannter gebildeter Kleriker (Mönch?); OE: Weder Konstantinopel noch Thessalonike. Athoshalbinsel? D: Herbst 1347-Sommer 1348; wI: Dank für unverhofften Brief; Bericht über die eigene Stellung beim Kaiser, die Trennung von der Fami­lie, die Pest in Konstantinopel; Bitte um Zuspruch und Gebet.

In vielfacher Hinsicht hast du uns mit deinem Brief erfreut. Denn wenn uns nach langer Zeit dieses Glück zuteil wird, könnte es einen Anlaß für uns ge- 5

ben, ein solches Fest einem anderen vorzuziehen? Deine Art zu reden, die nicht das geringste Gefühl von Überdruß aufkommen läßt, auch nicht, wenn man dir Tag für Tag zuhörte, erinnerte mich an die Zunge Nestors und an die Worte, mit denen der Dichter ihren Redestrom schmückte. Was uns aber am meisten bedeutet: daß wir jetzt auch von der Unsicherheit ganz befreit sind und Anlaß erhielten, über deine Gesundheit beruhigt zu sein. Möge der ER­LÖSER sie dir dein Leben lang unversehrt erhalten, da du von ihr auch ge- 10

ziemenden Gebrauch machst und machen wirst. Also, das war es, worüber wir uns freuen.

Was du aber über meine Lage gehört haben willst, das hast du, glaube ich, nächtens in Träumen gesehen, weil du es am Tage sehnlich für uns gewünscht hast1

• Denn weder kann ich deinen Glückwunsch auf mich beziehen, womit du behauptest, ich hätte über meine Rivalen gesiegt, noch gibt es jemanden,

177

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

den ich durch geschickte Machenschaften2 zu betrüben entschlossen bin. 15 Auch habe ich wahrhaftig nicht den Ehrgeiz, mein Konkurrieren mit anderen

zum Merkmal meiner Weisheit zu machen, als ob ich wie ein Wettläufer3

meinen eigenen Erfolg nur auf Kosten anderer finden könnte, sondern es re­den zwar alle, welche Lust dazu verspürten, ich aber freue mich über die Re­den derer, die das, was sie sagen, auch sind. Wenn aber jemand sich nur um den Schein bemüht hat, den betrübe ich nicht mit meinen Vorwürfen noch beeinträchtige ich den Schein, den er erweckt, indem ich das Publikum über seinen wahren Charakter aufzuklären versuche, sondern ich wünsche mir

20 schweigend, er möge aufhören, nur etwas zu scheinen, und eines Tages auch sein wahres Wesen finden. Das heißt also: obwohl ich die Tatsachen kenne, will ich niemandem Ungelegenheiten bereiten4

Auf dem Feld der Redekunst aber wird wohl keiner den Kaiser übertreffen. Denn von Natur ist er ein Meister der Rede vor allen, und von seiner Sprache könnte sogar ein Barbar oder ein Tier begeistert werdens. Er ist also wirklich. ein Redner; die aber, die hier ihre Bärte gepflegt haben und sich auf den Phi-

25 losophenmantel und auf Bildungsdünkel beschränken (viel Vieh solcher Art weidet in der Wunderbaren ST ADT6

), «in ihrer unerschöpflichen Geschwät­zigkeit wie Raben ... », und den Rest kennst du, weil du mit Pindar vertraut bise. So könnte man sagen, daß sich hier nichts mit den Fähigkeiten des Kai­sers messen kann, sondern wenn alle nur schweigend das Gesagte annehmen, scheinen sie ihre Pflicht getan zu haben. Wo soll also ich da noch bleiben,

30 wenn sogar die, die Feuer atmen, so plötzlich erlöschen8 ? Wenn du aber er­fahren willst, woher ich einer der Nahestehenden zu sein scheine, wisse, daß auch die Ursache dafür in dieser Richtung zu suchen ist, so wie, wenn einer sich wärmt, dem Feuer die Empfindung zuzuschreiben ist9

• So kannst du auch für unsere Erfolge ihn mit Recht statt unser loben. Denn wenn er kei­nem seiner Feinde einen Schmerz zugefügt hat, sondern eifrig darum bemüht war, denen, die für seine Ermordung phantastische Preise ausgesetzt hat-·

35 ten10, es so zu entgelten, als hätten sie für ihn alles erkämpfet, was ist dann

noch verwunderlich daran, wenn er den Wohlgesinnten gnädig ist und denen eine Stellung verleiht, die seine Herrschaft für ihr persönliches Glück halten?

Da du also nicht von dir aus weißt, in welcher Lage wir uns befinden, will ich dir von meinem Unglück berichten. Ich bin fern von der Mutter, fern von den Geschwistern und der Heimat12

• Da ich aber Freundschaft dort zum er-40 sten Mal gekostet habe, bin ich überzeugt, daß diese Frucht allein in jenem

Land zu finden ise3, und so könnte man die, die sonst überall leben, eher das

178

BRIEF T21

Gegenteil nennen. Die « Worte» aber sind wahrhaftig beflügelt14, und alles dies ist bei uns vergessen. Daß aber die Verirrung ein Ende nimmt und der frühere Zustand wiederkehrt, sind Hoffnungen, die sich nur noch Wahnsin­nige machen. Das Schlimmste aber: täglich leert sich die Große STADT, und daß die GRÖSSTE15 zur Kleinstadt wird, beweist die Menge der Gräber. Täglich sind wir beschäftigt, die Freunde zu Grabe zu tragen, und, was am 45

meisten schmerzt, die Menschen meiden einander, da sie den Kontakt mit der Krankheit fürchten. So begräbt weder der Vater seine Kinder, noch gewäh­ren diese ihm die letzten Ehren. Die aber von den Ärzten, die noch geblieben sind, wissen auch nicht mehr, was sie nach dem Tod noch schwätzen sollen, sondern verhüllen sich und schreiben ihr eigenes Testamene6

• Der gute Ge­orgios aber ist sogar, ohne uns überhaupt Bescheid zu sagen, abgereist; an- 50

scheinend hielt er seine ärztliche Kunst für eine schwache Medizin. Ich aber, der ich inmitten der Schrecken lebe und zusehen muß, wie die

STADT in Gefahr ist, diesen Namen zu verlieren 17, empfinde tiefe Seelen­angst; mein Körper unterscheidet sich nicht mehr viel von einem Schatten, und ich glaube schon vor dem Sterben das Los der Toten zu erleiden 18. In die­ser Lage brauchen wir Zuspruch, Gebete und unter anderem auch Men­schen, die zugleich Gott nahestehen und darum besorgt sind, daß es uns bes- 55

ser ergehe. Daher wärest du wohl selbst der Geeignete, diesen Dienst für uns zu übernehmen19

K I. OKyd: Konstantinopel gemäß Z.25.43.51. E: Nur einen Mann von geistlichem (sehr

wahrscheinlich mönchischem) Stand (BoissAnNov 318 denkt eher an einen Weltkleriker; Loe­nertz suggeriert mit «viro religioso» in der Überschrift einen Mann geistlichen Standes ohne nä­here Bestimmung) wird Kyd. als einen Gott Nahestehenden um sein Gebet bitten (54 f.). Kyd. ist mit ihm wohl seit den Tagen von Thessalonike (38-40?) bekannt und befreundet und hat län­gere Zeit nichts von ihm gehört (4). Der Empfänger verfügt über eine gute rhetorisch-literarische Bildung (5 ff. 26f.) und ist wohl einiges älter als Kyd., wenn dieser seinen Rat erhofft (54). Seine negative Einstellung über die Z.24 ff. kritisierten Hesychasten wird als selbstverständlich vor­ausgesetzt. Der erwähnte Georgios (Z.49) scheint ein gemeinsamer Bekannter aus Thessalonike zu sein (s. u., X2). Eine Identität mit Akakios (T45/L47,X3) kann nur vermutet, aber nicht be­wiesen werden. OE: Er lebt weder in Konstantinopel, da er über die Vorgänge dort nur unzurei­chend informiert ist (11 ff. 37), noch in Thessalonike, da Kyd. ihm die Trennung von seiner Fa­milie wie etwas Neues mitteilt (38). An den Athos als Aufenthaltsort des Adressaten könnte man denken, wenn man annimmt, daß dieser durch Maximos Kalopheros (s. T20) von der Karriere des Kyd. gehört hat (11 ff.); doch läßt sich dies nicht beweisen. D: Von den durch die Kleinchro­niken datierbaren Pest jahren (43 ff.) kommt nur 1347/48 in Frage (SchreinChron 11 271 f.; Kant

179

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

I1I, 49-53; vgl. zu dieser Pestbeschreibung H. Hunger,JÖB 25 (1976) 185-188 und T. S. Mil­ler, GRBS 17 [1976] 385-395), da die 1347 angetretene Karriere des Kyd. noch als etwas Neues aufgefaßt wird (11 ff.) und der erwähnte Kaiser zweifellos Kantakuzenos ist (s. u., Xl). Doch ist nur an die Zeit bis Frühjahr 1348 zu denken, weil Kantakuzenos dann bis 1. 10. 1348 die Stadt verließ (SchreinChron 11 274).

11. BKyd: Kyd. hat bei Kantakuzenos eine hohe Stellung erlangt (30; s.o., S. 10 mit A.53), die er aber, wie er jedenfalls beteuert (13 ff.), nicht persönlichem ehrgeizigem Konkurrenzkampf, sondern der Huld des Kaisers verdankt (30ff.; doch hat er natürlich nichts versäumt, sich diese Huld zu sichern: s.o., S. 53 mit A.4 und 5; andererseits findet sich keine Spur von Intrigen gegen Rivalen). Wieder beklagt er die Trennung von seinen Angehörigen (38; Parallelstellen S.58 A.40) und von den Freunden in Thessalonike (38-40, vgl. T15/L5,34f.), aber auch von der dor­tigen Geisteskultur (40f., vgl. T15,35). Fast will es scheinen, als könne ihm Konstantinopel der­zeit geistig kaum mehr bieten als der verlassene Ort in Thrakien (40f.; vgl. T14-17). Erstmals kritisiert er ausdrücklich den allzu starken Einfluß der bildungsfeindlichen Hesychastenmönche (24-27); dieser ist nun freilich dem Sieg des Kantakuzenos zu verdanken, an dessen Bildungsbe­flissenheit er allerdings weiterhin nichts aussetzen kann (21 ff.). Das Dilemma wird nur «zwi­schen den Zeilen» erkennbar: ausgerechnet der, den er immer als Hort der Geisteskultur geprie­sen hat, protegiert deren erbittertste Feinde! Seine Gesundheit erscheint angegriffen, mag ihn auch wohl die Pest nicht befallen haben (52 f.). Xl: Zum zwiespältigen Bild des Kaisers Ioannes Kantakuzenos (21 ff.) vgl. BKyd (am Schluß) und Exkurs, oben, S. 95 ff. X 2: Über die Gleichset­zung des Z.49 erwähnten Arztes Georgios mit Georgios «Philosophos» vgl. TinnGeorg 148,A.6. ZC: Erwähnung der Pest (s. D) und ihrer zahlreichen Opfer (46ff.); erster ausdrückli­cher Bezug auf die Hesychastenmönche in den Kyd.briefen (24 ff.). Ep: Ein unverhoffter Brief des Adressaten an Kyd., den dieser kurz zuvor erhalten hat (4f.).

III. Hss: B 264r -265r, Nr. 127; P413 v-414v, Nr. 34.Ed: BoissAnNov 315-318 (Nr. 31).

IV. 1 Hier ist der Zusammenhang zwischen Wunsch und Traum vorausgesetzt. Dabei ist an die sog. unterste Stufe der Träume zu denken, die bei Gregoras, Scholia in Synesium de insomni­is, «EVUJ'tVLOV» genannt wird (PG 149,608); dazu RE, s. v. Traumdeutung, 2243 (T. Hopfner):

« IlE'Ö'TlIlEe L vwv <peOV'tLÖWV futiJXTJ Ilu. » 2 W.: ÖUl 'tTJv 'tEXVTJV. Zum Inhaldichen der Stelle s. BKyd. 3 Das Bild vom Wettläufer in negativem Bezug bei Kyd. nur hier. Positiv TI0,A.12. 4 In etwas umständlicher Form legt Kyd. hier sein Ethos dar, anscheinend, um einen ange­

deuteten Vorwurf des Adressaten, er sei ein Ehrgeizling, zu entkräften. Zum Gegensatz zwischen Scheinen und Sein im ethischen Bereich PIGrg 527b u.ö., aber auch schon AischTh 592.

5 Das Stichwort AOYOL (Z.17) führt das Thema auf den Kaiser, der natürlich auf diesem wie auf allen Gebieten alle in den Schatten stellt. Zur Hyperbel mit xav (sogar) vgl. T19,A.4, doch hier nicht mit vorgestellter Verwandlung des Subjekts, sondern durch die Relation zu einem Ge­genüber bewirkt.

6 Mit beißender Ironie beschreibt Kyd. die Hesychastenmönche nach zwei äußeren Merk­malen (Bart, vgl. T15/L5,141 f., und Kutte) und innerer Einstellung, so wie er sie sieht; es folgt eine wenig schmeichelhafte Metapher. Zur Bezeichnung « Wunderbare STADT» für Konstanti­nopel FenstLaud 221 mit A.l (einer unter vielen Ehrentiteln, die der Stadt im Lauf der Ge­schichte zuteil wurden): bei Kyd. neben der Bezeichnung « Große STADT» verwendet, z. B. auch T31/L41,15; T44/L46,4.

180

BRIEFE T21 - T22

7 PindOI 2,156-159 (Anspielung auf dieselbe Stelle in anderem Kontext: T5/L12,A.8). Was der Adressat hier hinzudenken soll, ist: « ••• axeavta yaeUE-tWV ~LO~ 3teO~ öevL'fra 'frELOV», mit Bezug auf das leere Geschwätz der Hesychastenmönche.

8 Nach dem etwas unvermittelten Seitenhieb auf die Hesychastenmönche (vgl. auch oben, BKyd) nimmt Kyd. den Faden des Kaiserlobes wieder auf. «Die, die Feuer atmen ... », w.: «'twv 3tÜe 3tVEOv'tWV 'tou'twv», wohl Anspielung auf die Gegner des Kantakuzenos, deren Redefluß in seiner Gegenwart verstummt ist. Auch XenHell 7,5,12 werden die feuerschnaubenden und bis­her siegreichen Thebaner unter Epameinondas von den Lakedaimoniern überraschend geschla­gen.

9 Kyd. nimmt das Bild vom Feuer noch einmal auf, wendet aber seine Qualität von aggressi­ver Streitlust zur wärmenden Güte des Kaisers. Beispiele für positive Verwendung des Bildes vom Feuer bei Gregoras: KazdanKor 7. Bescheidenheitsgeste wie T4,A.6.

10 Mordanschläge auf Kantakuzenos im letzten Jahr vor der Einnahme der Hauptstadt: Kant II 558,10-559,16; 589-591; 597,1-14.

11 Wohl Anspielung auf das gütliche Arrangement mit Ioannes V. Dazu NicKant 63-65 (dort auch über weitere friedliche Gesten des Kantakuzenos). Zur Feindesliebe s. o. T3,A.11.

12 Auch seine hohe Stellung hat des Kyd. Trauer wegen seiner Trennung von den Angehöri­gen nicht gemindert; s.o., S. 56 mit A.29.

13 Zur Heimatliebe s. T15,A.7. 14 Kritik am geistigen Leben in Konstantinopel, das nun von der Bildungsfeindlichkeit der

Hesychasten eingeschränkt erscheint, trotz der kulturellen Aufgeschlossenheit des Kantakuze­nos. Die Wendung «ot Ä.6yOL 3t'tEe6EV'tE~ aV'tLXeU~» ist als literarischer (sarkastischer) Witz auf­zufassen: die homerische Wendung von den geflügelten Worten wird hier «beim Wort genom­men»: die Worte, also die literarische Bildung, sind davongeflogen. Man wird hier von ÖeLIlU'tT]~ im Sinn von Herrn 340,14 ff. sprechen dürfen, weil ein Wort nicht im üblichen Sinne verwendet wird. Das Bild vom Fliegen auch T18,A.8.

15 Die Bezeichnung Konstantinopels als IlEYCO'tT] sc. 3t6Ä.L~ belegt FenstLaud für Theodoret (74,A.1) und Leon VI. (110); vgl. oben, A.6.

16 Sich verhüllen als Zeichen stiller Trauer: PIPhd 117 c (aber auch aus Scham, um die Trä­nen zu verbergen); hier eher Scham (vgl. Kuk I 2,92) wegen der eigenen Hilflosigkeit, Scham auch T30/L42,69. ~La{}fjXaL im Plural wegen der Mehrzahl der Ärzte.

17 Konstantinopel als Il6Ä.L~ schlechthin: FenstLaud 99 f. u. ö. 18 Das Oxymoron «vor dem Tod sterben» auch T15/L5,127,A.26. 19 Die konkrete Bitte am Briefschluß wie T5,A.27; T6,A.15 u.ö.

22 - AN DEN DESPOTEN MANUEU

L: 20; OKyd: Konstantinopel; E: Manuel Kantakuzenos; OE: Mistra, Peloponnes; D: Einige Zeit nach 25. 10. 1349; wI: Mahnung des säumigen Briefschreibers.

Ich würde, selbst wenn du es wünschtest und mich brieflich zum Schreiben auffordertest, mich aus gutem Grunde nur zögernd dazu bequemen, weil ich 5

181

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Briefe an Freunde zu schreiben für förderlich, die Würde der Despoten aber mit Schweigen zu ehren für angebracht halte2

• Da du jedoch mit deinem eige­nen Schweigen beinahe schon warnend andeutest, reden werde für mich nicht ungefährlich sein, so wisse wohl: ich hätte für meine Zunge eine Fessel gesucht, stärker noch als aus Stahl\ und hätte in diesem Schweigen bis zum

10 Ende verharrt, wenn ich nicht wüßte, einige könnten daraufhin eine schlechte Meinung von uns haben. Nun hielt ich es aber für unerträglich, daß zu diesem Unglück auch noch die ungerechte Anklage hinzukommen sollte\ und breche das Gesetz, das mich zum Schweigen verpflichtet, da meine Un­verschämtheitS nun eine günstige Gelegenheit gefunden hat. Ich erkläre also: wenn du einem Verleumder dein Ohr geliehen und dich seinem verderblichen Einfluß geöffnet hast, wenn du von uns geglaubt hast, was fern von unserem Charakter ist, wenn das also wahr ist und du uns ungerecht verurteilt hast,

15 warum verzichtest du dann darauf, uns für unser schlechtes Tun angemessen zu bestrafen, beschränkst dein Urteil nur auf Schweigen und setzt für schwere Verfehlungen eine leichte Strafe aus? Wenn sich aber überhaupt niemand zu solcher Frechheit hinreißen ließ, unsere gute Gesinnung für dich aber der deiner Angehörigen nicht nachsteht und wir täglich für dich beten, du mögest deinen kaiserlichen Vater übertreffen, warum6 machst du dann denen Angst,

20 denen du gerechterweise Dank schuldest, und gibst dir den Anschein, die zu mißachten, die deine Anliegen allen anderen vorziehen? Fordern wir viel­leicht etwas, was deine Kraft übersteigt? Du brauchst dich ja wirklich nur zu erinnern, die Arbeit hat dann der Sekretär. Aber vielleicht ist es unter deiner Würde, Leuten wie uns Briefe zu schreiben? Doch erstens: nimmst du dir damit nicht geflissentlich eine Möglichkeit, dein eigenes Lob zu hören? Denn dein maßvoller Sinn und deine Rücksicht darauf, niemanden geringzuschät-

25 zen, ist doch sozusagen zu einem Merkmal deines Charakters geworde~. Zweitens aber werden auch nicht wenige, die uns die Proskynese erweisen, mit deinen Briefen geehre.

Wenn du aber an Berroia denkst und dazu an alle schwierigen Umstände dort, und wie ich mit Freude das Unerfreuliche dort mit dir teilte und mit welchen Versprechungen du uns, die wir um deinetwillen von der Flut über­spült wurden8

, zurückzuhalten versuchtest, dann, glaube ich, mußt du dich mit Recht beschämt fühlen, nicht, weil du nicht schreibst, sondern weil du

30 uns für all das noch keinen Dank erwiesen hast. Glaubtest du doch vielen, die sich weniger als ich für dich abgemüht haben, so viel für ihre geringen An­strengungen zu schulden, daß man schon schreit, an sie sei die ganze Pelo-

182

BRIEF T22

ponnes verschleudert worden. Von ihnen schmieden die einen Gold wie Ei­sen, die anderen füttern mehr Hetären als ein ganzes Heer9

• Ich aber möchte nicht solchen Entgelt von dir haben - denn nicht des Geldes wegen gewann 35

ich dein HAUPTIO lieb -, sondern was dir zu geben leichter fällt, eines freien Mannes aber würdig ist, das bitte ich dich und möchte nicht glauben, damit etwas Maßloses zu fordern, nämlich nur: dich gern meiner zu erinnern, dich meiner Gegenwart zu freuen, mich zu rufen, wenn ich nicht bei dir bin, mir in Briefen deine Gesinnung zu beweisen 11. Wenn dir aber sogar ein Brief zuviel ist, wie willst du dann deinen Freunden noch Hoffnung auf Größeres ma­chen? Wenn du also das Schweigen brichst und in einem Brief die Entschuldi- 40

gung für dein bisheriges Verhalten vorbringst, sollen alle von mir etwas über den herrlichen Despoten hören, und es wird niemanden geben, dem nicht dein Lob in den Ohren klingt12

• Wenn du aber das Weitersündigen als ange-, brachte Sühne für deine Sünden ansiehst, wenn du das Verharren in einer von Anfang an falschen Entscheidung für männliche Festigkeit hältst, dann ist der Kaiser nahe! Und er wird ein Urteil sprechen, das dir nicht gefallen wird. Jedenfalls kennst du diesen Mann und weißt, daß er sogar den wegen seiner 45

gerechten Urteile bewunderten Aiakos übertrumpft hat13• So hast du wohl

kaum Veranlassung, auf deine Verwandtschaft zu vertrauen, als hättest du durch sie mir etwas voraus14

K I. 0 K yd: K yd. befindet sich in der Nähe von Manuels Vater Ioannes Kantakuzenos (44), der

sich zur Zeit der Abfassung (s. D) in Konstantinopel aufhielt (NicKant 70f.). E: Die Erinnerung an Berroia (26, vgl. S. 9) ist Beweis genug, daß der angeredete Despot Manuel den Zunamen Kantakuzenos trägt. OE: Peloponnes (32), zweifellos in der Residenz Mistra. D: Manuel traf am 25. 10. 1349 auf der Peloponnes ein, um dort die Verwaltung zu übernehmen (NicKant 123; 124,A.6). Da Kyd. bereits einige Zeit auf Post gewartet hat, sind doch wohl einige Monate nach diesem Datum für seinen Brief anzusetzen, zumal auch die «Wohltaten» Manuels für die Mäch­tigen der Peloponnes (Z. 30-34; vgl. dazu S. 116) ihre Zeit dauerten; er ist also nicht «peu apres» (LOCP 36,53), sondern nicht vor Anfang 1350, wahrscheinlich sogar noch später, geschrieben.

11. BKyd: Rückblick auf seinen gefahrvollen Einsatz für Manuel während der Zeit von Ber­roia (Z. 26-29), der sonst nicht erwähnt ist (vgl. 0., S. 9 mit AAl). Anspielungen auf seine eh­renvolle Stellung beim Kaiser (vgl. T21, BKyd): Viele erweisen ihm die Proskynese (25 f.). Ober die Proskynese der Beamten untereinander vgl. R. Guilland, La ceremonie de la JtQoa'XuVTJat~, Rev. Etudes Grecques 59/60 (1946/7) 251ff. = Guill 1144-150, insb. 147f. Der Kaiser tritt für Kyd. ein wie für seinen eigenen Sohn (44-46). BE: Manuel wird im Brief titel und Z.6 als Despot bezeichnet. Er trug den Titel seit Mai 1347 (NicKant 123). Einst versuchte er Kyd. in Berroia vergebens zurückzuhalten (28; dazu 0., S. 9 mit A.43). Seine Freigebigkeit für seine Helfer auf der Peloponnes (30-34); S.q., D. Xl: Ioannes Kantakuzenos als gerechter Richter (44-46);

183

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

dazu Exkurs, S. 96 mit A.26. ZG: Fragwürdige Wirtschaft der Mitarbeiter Manuels auf der Pe­loponnes (30-34). S.o., D. Ep: Briefe Manuels an andere Personen in Konstantinopel (25f.).

III. Hss: 201 rY, Nr. 31; 0 271 rY

, Nr. 1 und 286v-287r, Nr. 39; i 165r -166v, Nr. 5 (daraus die Version des Titels bei Loenertz).

IV. 1 Das von Loenertz aus der Hs Vallic. (i) übernommene «Kyr» vor dem Namen Manu­el, das sich in den früheren Hss nicht findet, ist wohl spätere Zutat. Die ehrenvolle Anrede, die wie das englische Sir vor dem Namen steht, ist allerdings nicht auf die Spätzeit beschränkt. Vgl. dazu bereits DarEp 412, Index, s. v. x'ÜQ, XUQLC;: Ausdruck der Ehrerbietung gegenüber höheren Beamten und «banale» Höflichkeitswendung vor dem Namen einer Person.

2 Schärfste Ironie gegenüber Manuel, der zwar seit einiger Zeit Despot ist, sich aber nicht wie ein Freund verhalten hat. Eigentlich hätte er nur noch «ehrfürchtiges» Schweigen verdient, wenn ihm die Würde so zu Kopf gestiegen ist. Ironie ist auch das Folgende: Wer so schweigt, macht schon dem anderen Angst, das Schweigen zu durchbrechen. Zum Stichwort «Schweigen» TomadEp 109ff. und öfters bei Kyd., z.B. T26,A.l; T36/L58,11.

3 W.: 'tOV Es aÖUIlUV1:0C; LOXlJQ6uQov, AischPr 6. Das Bild auch L229,12; L276,34; vgl. L279,44; Greg 11 985,23. Schwierigkeit macht hier die Beziehung des Es, da es zur Umschrei­bung des genetivus materiae zwar gut belegt ist (StepskiPhrantzes 171 f.), aber in seiner Stellung hier vor einern Komparativ den genetivus comparationis umschreibt, wofür mir kein Beleg be­kannt ist. Vielleicht ist 'tOv vor ES aus m'Ü verschrieben.

4 Zur «Anklage» als Topos des Mahnbriefes: T9,A.7. 5 Zur« Unverschämtheit» als Topos der Bescheidenheit bei der Eröffnung bzw. Wiederauf­

nahme der Korrespondenz: T2,A.2; T3,A.2. Die «günstige Gelegenheit» ist wahrscheinlich ein geeigneter Briefbote.

6 Warum: w.: 't( Ilu{)-wv. Die von Loenertz gegen die Oberlieferungvorgeschlagene Konjek­tur 3W{)-WV ist unnötig; vgl. P. Wirth, BZ 56 (1963) 344 und schon Thes s. v. Jtuoxeo 589B und Iluv{)-uvw 564D-565A. Wirth: «Was fällt dir ein ... ».

7 Mit Z.12 (ich erkläre also ... ) beginnt eine Kette von Argumenten gegen das Schweigen Manuels, typisch für die etwas pedantische Rhetorik des Kyd.: 1. Wenn Manuel etwas Ernsthaf­tes gegen Kyd. hat, ist Schweigen eine zu schwache Reaktion. 2. Noch weniger hat die treue Freundesgesinnung des Kyd., die tatsächlich andauert, ein solches Verhalten verdient (zur Ge­sinnung: T9,A.l; Tll, A.I0; T17,A.6). 3. Ein Brief macht Manuel wegen seiner Sekretäre nicht viel Arbeit. 4. Ein Schweigen aus Mißachtung seiner (des Kyd.) Person hätte eine negative Ein­schätzung von Manuels Charakter zur Folge; ferner wäre es ganz unangebracht, weil er ja sogar an niedriger Gestellte geschrieben hat. Zusammenfassung der weiteren Argumente: s. A.14.

8 KU'tUXAlJ~6IlEVOC;, etwa im Sinne von LibEp 5,1.: XU'tUXAlJO{)-EV1:U JtAi){)-EL XUXWV. Ähn­lich T42,A.13.

9 Bestätigung durch Kant III 86. Durch hyperbolische Formulierung gibt Kyd. seiner Ver­stimmung über die ungerechte Zurücksetzung Ausdruck. Abfälliges Urteil über die Bewohner der Peloponnes auch T57/L32.

10 Zur Anredeform s. T19/L86,A.2. 11 Gesinnung: A.7. Gedenken im Brief: TomadEp 108f. 12 Zum Topos «Herold der guten Eigenschaften des Adressaten»: Tl2/L19,A.15. 13 Zu Kantakuzenos als Richter: oben, S. 96 mit A.26, hier mit Oberbietung (T3,A.5) einer

mythischen Figur. Vgl. PIAp 41a, Grg 523e-526c.

184

BRIEFE T22 - T23

14 Fortsetzung von A.7 (die weiteren Argumente des Briefes): 5. Kyd. verdient Dank für seine Verdienste in Berroia. 6. Manuel hat andere, die es viel weniger verdient haben, mit Ge­schenken überhäuft. 7. Gerade weil Kyd. nicht mehr als Manuels Freund sein will, ohne sich Vorteile zu erhoffen, hat er Anspruch auf einen Brief. 8. Er wird zum Dank für einen Brief überall Manuels Lob singen. 9. Kyd. steht Ioannes Kantakuzenos so nahe, daß die Vater-Sohn-Bezie­hung zu Manuel davor keinen Vorrang hat (dieser Gedanke in Form der überbietung: T15,AA); mithin wird sein weiteres Schweigen den Tadel des Vaters zur Folge haben, eine Drohung am Schluß des Briefes, halb ironisch, halb naiv-ernst gemeint.

23 - AN EINEN FREUND

L: 40; OKyd: Konstantinopel; E: Ein Freund, der stilistisch vollendete Briefe schreibt. Tarchaneiotes? OE: Thessalonike; D: 1347-1354, wahrscheinlich vor Herbst 1350; wI: Aner­kennung für einen schön formulierten Brief, den Kydones dem Kaiser und anderen Zuhörern vorgelesen hat.

Für dich selbst sandtest du den Brief nicht weniger als für die, denen du ihn geschrieben hast!. Zunächst zwar hielten wir ihn entsprechend unserem ei- 5

genen Können für kraftlos, als wir ihn vorwiesen, und keiner wollte dem Ge­schriebenen vor dem Erweis der Tatsachen Vertrauen schenken. Du aber hast nun von allen den Siegeskranz für deine rhetorischen Fähigkeiten erhal­ten, nicht weniger als die Triumphanten bei den Panathenäen2

• Denn die Anmut deines Ausdrucks, die wohlabgerundete Ausgewogenheit der Figuren und deine Redegewalt, die jeden Odysseus besiegt, dein knapper Stil, der zu­tiefst den Gegenständen und den Personen angemessen ist, und die alles 10

durchziehende Harmonie, die an die Werke der antiken Schriftsteller erin­nert3

, ließ alle ausrufen: «Protagoras ist bei uns zu Gast!» und: «Er redet wie Demosthenes!» 4 und: «Man kann ihm nicht widerstehen, so schön hat er ge­schrieben'!» So hast du unseren Kreis erschüttert, angefangen bei dem aller­edelsten KaiserS. Wahrhaftig, es ging ihm wie Chairephon mit Sokrates6

, und . er konnte nicht an sich halten, so gefesselt war er ganz und gar von dem, was 15

vorgelesen wurde. Du weißt ja, wie ein Freund schöner Rede empfindet, wenn ihm ein so schöner Liebhaber begegnet7

• Und er, der mich mit dem Vorlesen betraut hatte, fiel mir sogar schon lästig, weil er von mir mehrfache Wiederholung verlangte. So wurde ich bereits müde weiterzusprechen, er aber glich einem, der eben erst angefangen hat. Dann wollte er mein Urteil über das Vorgetragene erfahren und erhielt die Antwort, alle müßten De­mosthenes den Platz räumen8

• Freilich fiel es mir nicht schwer, ihn zu über- 20

185

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

zeugen, weil er auch schon, bevor er dies gehört hatte, über deine Fähigkeiten so dachte, wie es sich tatsächlich verhält. Ich aber freute mich zu sehen, daß alle über meine Vaterstadt und ihre Bürger mit solcher Hochachtung urteil­ten! Erweise uns also noch mehr solche Freude, freilich ohne uns zu loben (alle Lobreden kann ja unser bloßes Auftreten widerlegen9

); vielmehr solltest 25 du in deinem Lob das Gemeinsame der Freunde mit mehr Gewicht erkennen

lassen10!

K I. OKyd: In der Nähe des Kaisers (13 f.), mit dem Vorlesen des Briefes von E betraut (16f.).

Literarische Interessen und ein entsprechendes Auditorium (13) sind nur für Kantakuzenos (nicht für Ioannes V.) anzunehmen. Ein anderer Kaiser (Manuel 11.) kommt wegen der Datie­rung der Briefe in der Hs B (s.o., S. 76) nicht in Frage. Für einen anderen Ort als Konstantinopel gibt es keinen Anhaltspunkt, zumal Kyd. die Stadt seit 1347 unter der Regierung des Kantaku­zenos nicht verlassen hat, soweit wir wissen. E: Der unbekannte Freund erhält hohes Lob für seinen Briefstil. Er scheint Kyd. auch besonders zugetan zu sein (22f.). Da Kyd. seine Leistung, für die Vaterstadt (Jta't(l(~, 21, hier sicher so zu übersetzen) erwähnt, scheint er Thessalonizenser zu sein und aus dieser Stadt zu schreiben. Von den namentlich bekannten Freunden des Kyd. in Thessalonike ist nicht an Kabasilas zu denken, der nach T18, BE wohl noch 1347 nach Konstan­tinopel kam, wohl aber an Tarchaneiotes. Der erste sicher an ihn adressierte Brief (nach Thessa­lonike) stammt zwar erst aus dem Jahr 1365 (T64/L98), aber er setzt bereits eine langdauernde Korrespondenz (dort, ZA) voraus, und wir wissen aus L174,8 daß beide in «alter Freundschaft» verbunden waren. Vgl. auch den Exkurs, S.218ff. Ferner beklagt sich Kyd. bereits in T30/L42,46f. über ausbleibende Post von dem «Rhetor» Tarchaneiotes, und als solcher er­scheint dieser auch im erwähnten Brief T64,5 6. Auf ein solches besonderes rhetorisches Talent weist das Lob im vorliegenden Brief, so daß mit Vorsicht an eine Identität zu denken wäre. OE: S. E. D: Unter der Regierung des Kantakuzenos in Konstantinopel, also zwischen 1347 und 1354. Nun lassen einige Formulierungen des Briefes vermuten, der erwähnte Brief des Adressa­ten sei der erste aus Thessalonike an Kyd. in Konstantinopel: sein Briefstil wird von den Zuhö­rern wie etwas Neues aufgenommen (20-22), und er wird zu weiterem Schreiben aufgefordert (22f.). Dies spricht allgemein für eine frühere Datierung in der genannten Zeit, wahrscheinlich noch, bevor Kantakuzenos selbst im Herbst 1350 nach Thessalonike kam (NicKant 72f.).

11. BK yd.: S. OKyd. Xl: Ioannes Kantakuzenos pflegt seine literarischen Interessen in einem entsprechenden Kreis (-6ta't(lov, Z.13); vgl. oben, Exkurs, S. 96 mit A.44. Ep: Ein kürzlich ein­getroffener Brief von E (4ff.).

III. Hs: B 216rv, Nr. 51. IV. 1 «Für sich selbst» einen Brief schreiben, d. h., sich durch seinen glänzenden Stil ent­

sprechendes Lob verdienen. Einen ähnlichen Erfolg brachte das Vorlesen von T5/L12. Vgl. auch T21/L88,4ff.

2 Ebenfalls an T5 erinnert diese Wendung. Zur richtigen Interpretation, s. dort, A. 15. «Ilo/A3tEuELv» kann auch hier nur heißen «sich des Sieges rühmen» oder ähnliches, gemäß Suda Nr.2021.

186

BRIEFE T23 - T24

3 Odysseus: T5/L12,A.3. Anmut (wQa) als Stilbegriff: LSc, s. V., 11, 2, b; nach Herrn 329,20f. etwa synonym zur yAUX(,.tTJ~. Zum wohlabgerundeten Stil ('to 'tWV 0XTJl1u'toov o'tQOY­YUAOV) vgl. Herrn 171. Redegewalt (ÖELv6'tTJ~); zur unterschiedlichen Verwendung des Begriffs: Martin 337f., hier weniger präzise etwa im Sinne der Anspielung aufHomIl3,216ff. zu verste­hen. Knappen (lakonischen) Stil lobt Kyd. auch in L82,3 7 f., wo er gut beschreibt, was er darun­ter versteht, ebenso L322, 1 0 ( «viel Bedeutung in wenige Worte einschließen» ). So auch Thraede 155 mit Verweis auf GregNazEp Nr. 54. Meist aber bezieht sich «lakonisch» tadelnd auf zu große Kürze des Briefes: T47,A.5; T53/L78,6; L140,9; L209,32; L432,5.17. Die «Harmonie» (I1OUOLxTJ) wie T17,A.5 (aQIJ.OVLa) und L176,7. Die Nachahmung der antiken Vorbilder, die Mimesis (dazu HungMim) ist also vollendet gelungen.

4 Protagoras als Vorbild des guten Redners bei Kyd. nur hier. Demosthenes: T5,A.2; Tarchaneiotes mit Demosthenes verglichen: L174,34 (was natürlich noch kein Beweis ist, daß der Adressat Tarchaneiotes ist, da auch andere Adressaten dieses Vergleichs gewürdigt werden: LC 11, 467, Index, s. v. Demosthenes).

5 Kreis: w. 'Ö'Ea'tQov, also «literarischer Zirkel». Zum Begriff T13, OKyd; ferner Man­Ep(Den) Nr. 9; 27; 34; HungChort Nr. 10,3f.

6 Chairephon: enthusiastischer Anhänger des Sokrates, der nach PIAp 20 e-21 a das Ora­kel in Delphi entgegennahm, Sokrates sei der weiseste aller Menschen. Vgl. T19,A.5 und Hung­Chort Nr. 1,27.

7 Geliebte: w. JtmöLxu, bei Platon häufig für den männlichen Liebhaber (PIPrt 315 e u. ö.). Der Vergleich entspricht Wendungen wie ~Qoo~ 'twv A6yoov (T64/L98,25) und A6yoov EQaO'tTJ~ (PIPhdr 228 c).

8 Demosthenes hier metaphorisch für den Adressaten, entsprechend dem vorausgehenden Vergleich.

9 Bescheidenheitswendung, die ein vorausgehendes Lob des Briefpartners zurückweist. Als Thema eines Briefes T 0122/L52.

10 Zu diesem Thema (Gemeinsames der Freunde) T9,A.4. Hier mit dem besonderen Bezug, den Gelobten nicht zu sehr der eigenen Person gegenüberzustellen.

24

L: 389; OKyd: Konstantinopel; E: Helene, Tochter des Ioannes Kantakuzenos, seit 1347 Gattin Ioannes' V. Palaiologos; OE: Konstantinopel;D: 1347-1352, wahrscheinlich 1350/51; wI: Anerkennung für eine gelungene Lobrede der Tochter auf ihren Vater.

Herrliche Worte sind einem herrlichen Vater von einer herrlichen Tochter1

gewidmet worden, angemessen den Zeiten, angemessen aber auch den Ta- 5

ten, von denen sie gesagt sind, und alle erfreuend, die anmutige Worte zu be­urteilen wissen; den Kaiser freilich fesseln sie noch weit mehr. Denn den Vä­tern klingen ja sogar die Stimmen ihrer noch lallenden Kinder angenehm2

Wenn sich aber mit dem Gesprochenen auch Schönheit verbindet und die

187

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Worte die von Athen kommende Anmut bewahren3, übertrifft dies nach all-

10 gemeiner Überzeugung noch das Wünschen der Väter. Was aber am erstaun­lichsten ist: eS sind die Laute eines Mädchens; einer Frau müssen redege­wandte Männer den Platz räumen, und was die Natur versagt hat, haben Ei­fer und Mühe erreicht4

• Man kann also nicht mehr ohne weiteres Sophokles vertrauen, der die Frauen das Schweigen als einzigen Schmuck tragen hieß5

,

sondern muß gerechterweise auch ihnen die gebührende Ehre für ihre Rede­kunst erweisen, wenn sie sich nicht im Geschwätz, sondern in der Muse der

15 Dichter und Wortkünstler üben. Denn alle hören dann auf zu kritteln, sie ju­beln und sind außer sich6

, weil sie den Klang der Worte jedem wohlerzoge­nen Schweigen vorziehen. So erging es auch uns, als wir hörten, wie in weibli­chem Mund ein Laut erblühte7

, der, so schien es uns, seit langem sogar unter Männern entschwunden ist. Wir wünschen dir nun diese Schönheit mehr als' der Helena die ihre8

• Denn jene nützte nicht einmal der etwas, die sie besaß, 20 und sie brachte noch dazu den Helden Verderben, die den langen Krieg um

ihretwillen geführt hatten. Die Schönheit der Worte aber ist unsterblich, und jeder, der sie anschaut, empfängt von ihr etwas Gutes und geht, besser ge­worden, hinweg. Möge aber auch der Kaiser deinen Reden Anlässe geben und von lieber Stimme die Siegesgesänge hören und so doppelt die Freude auskosten: weil er so große Taten vollbracht und weil seine so schöne Toch-

25 ter ihm den Kranz der Worte geflochten hat9•

K I. E: Der Brief ist an eine Kaisertochter gerichtet, welche die Siege ihres Vaters in einem rhe­

torischen Werk besungen hat (4ff. 22ff.). Kyd. ver~leicht sie mit Helena von Sparta (18). Wenn darin eine Anspielung auf ihren Namen liegt, kommt in der Zeit des Kyd. nur die Tochter des Kantakuzenos und Gattin loannes V. in Frage. Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man aus anderen Briefen des Kyd. an die Kaiserin Helene, deren Zuordnung aus dem Titel eindeutig ist (L222 und L256), ebenfalls von ihren literarischen Interessen erfährt (L222,190-192; L256,7-13). Vgl. auch DietGreg 153, Nr. 44. In diese Reihe fügen sich dann auch noch einige andere Briefe ohne Titel (T92/L25; T113/L134; L143). Ihre Zuweisung durch Loenertz an He­lene als Adressatin wird von NicKant 136,AA übernommen. D: Helene Kantakuzene, geboren 1333, wird das Epinikion auf ihren Vater kaum vor ihrem 14. Lebensjahr, also nicht vor 1347, wahrscheinlich sogar erst einige Jahre später, verfaßt haben, aber wohl noch vor 1352, als sie sich mit ihrem Gatten loannes V. nach Thrakien begab (NicKant 136). Als Gegenstand ihres Lobes kommen am ehesten die Erfolge des Kantakuzenos in Makedonien einschließlich der Be­freiung Thessalonikes von der Zelotenherrschaft in Frage (1350/51 nach NicKant nf.). Der Brief wäre dann entsprechend zu datieren. OE: Aufgrund der Datierung nur Konstantinopel (NicKant 135 f.). OKyd.: In der angenommenen Zeit ist von einem Aufenthalt außerhalb Kon­stantinopels nichts bekannt.

188

j ~

l

BRIEFE T24 - T25

11. BKyd: Der Brief ist das früheste Zeugnis für die Freundschaft des Kyd. zu Helene. Vgl. dazu oben, S. 42 mit A.237 und S. 46 mit A.261; NicKant 136. Xl: loannes Kantakuzenos als Liebhaber schöner Rede (6ff.) und als Sieger (5.25; S.OI, 0). Offenbar hat er das Werk seiner Tochter noch nicht kennengelernt (22ff.), befindet sich also noch außerhalb von Konstantino­pel.

III. Hss: A 41rv, Nr. 8; U 60rv, Nr. 77.

IV. 1 W.: KUAoL - xUA<!> - xUAij~ (Polyptoton). Der enkomiastische Brief wird so wir­kungsvoll eingeleitet. Im Deutschen ist die Übersetzung mit «schön» zu schwach.

2 Es geht hier Kyd. weniger um die zärtliche Liebe des Vaters für sein Kind als um die fol­gende Überbietung des Normalen durch seine Briefpartnerin (Überbietung: T3,A.5).

3 Anspielung auf das attizistische Stilideal der Byzantiner (vgl. Hunger 167; 214; HungMim 30-32).

4 Beleg für das traditionell-patriarchalische Bild von der Frau in Byzanz, wonach ihr der Zugang zur Geisteskultur nur in Ausnahmefällen zugestanden wird. Vgl. dazu J. Grosdidier de Matons in: Histoire Mondiale de la fernrne; ed. P. Grimal, Bd. III, Paris 1967,29.

5 SophAi 293. 6 W.: 1tTJöoom, als Ausdruck extremer Begeisterung über eine rhetorisch-literarische Lei­

stung auch T5/L12,19; ManEpDen Nr. 27,9. 7 Die Metapher vom Blühen scheint der weiblichen Adressatin besonders angemessen, ist

aber auch sonst nicht unbekannt. Vgl. z. B. U. Criscuolo, Micheie Psello: Epistola a Giovanni Xi­filino, Napoli 1973, Z.210-213.

8 Helene Kantakuzene überbietet (T3,A.5) die homerische Helena, weil die Schönheit des Wortes weibliche Schönheit übertrifft; ja, sie steht im Gegensatz zu ihr: Helenas Schönheit war nutzlos und verderbenbringend (zum Mißtrauen des Kyd. gegenüber der Frau als Geschlechts­wesen s.o., S. 57), die Schönheit der Worte ist unsterblich und bessert den Zuhörer. Vgl. T13,A.10.

9 Geschickte Verbindung des Kaiserlobes mit dem Lob der Adressatin am Briefschluß.

25

L: 60; OKyd: Konstantinopel; E: Ein Freund. OE: Thrakien; D: 1352 (?); wI: Bitte um Ver­mittlung eines Schreibens von Kaiser loannes Kantakuzenos zugunsten eines gewissen Archos, Freund des Kydones, an einen unbekannten Machthaber (Gouverneur einer Stadt?) in Thrakien.

Ich weiß, daß du Archos schon wegen deiner Wesensart liebst; du bist ja gewohnt, mit allen sanftmütig umzugehen. Er sollte aber auch von sich aus 5

dein Wohlwollen wegen seines Charakters finden, der ihn sogar mit einer Skythennatur fertig werden ließe. Ich weiß aber: wenn auch keines von bei­den dich veranlassen würde, den Mann zu lieben, du hättest doch, nur weil er mein Freund ist, deinen ganzen Besitz aufgewandt, um ihm zu helfen. Denn der Mensch hat geradezu den Ehrgeiz gezeigt, selbst brüderliche Zuneigung

189

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

10· bei mir zu übertreffen;wenn jemand mich verleumdet, tritt er sofort in den Kriegszustand, und er würde lieber fallen, als von mir etwas zuzugeben, was kein Lob verdient hätte, so weit vor den Eltern und vor dem eigenen Leben steht ihm alles, was mich betrifft!. Da er mir nun so gesonnen ist, wird er sich doch wirklich dir gegenüber, den ich gleich dem eigenen HAUPT liebe, aber auch wegen der gepriesenen Schaustücke2 nicht weniger bewundere, ent-

15 sprechend verhalten! Ich weiß aber, daß er auch häufig Lobeshymnen auf dein Talent anstimmte, wobei er dir in seiner Gesinnung noch mehr als mit Worten das gebührende Lob erteilte3

Da er also in so guten Beziehungen zu uns steht, wäre es doch ganz unge­recht, wenn wir beide ihm nicht helfen würden! Ich rief ihn also sofort, so nachdrücklich es ging, dem Kaiser ins Gedächtnis und bat ihn mit beredten Worten, dem Mann ein festgesetztes Salär4 zu bewilligen. Ich konnte ihn

20 auch dazu überreden; das göttliche HAUPTs ließ Gerechtigkeit walten. Die Summe von 100 Stateren6 soll aber nicht nur auf dem Papier stehen, sondern seine Hände sollen auch die Wohltat spüren. So schicken wir dir für ihn auch ein Schreiben des Kaisers an die PEST Europas 7, das dir die Berechtigung er­teilt, dem Freund zu helfen. Zeige es ihm also, erinnere ihn an mich und dar­an, daß man den engen Vertrauten des Kaisers gefällig sein muß! Erinnere ihn

25 aber auch an den, der das Geld erhalten soll, und daß auch jener zu den von ihm oft Enttäuschten gehört, der viele Versprechungen erhielt, aber nichts verwirklicht sah, da seine Freigebigkeit sich nur auf Zusagen beschränkte. Füge aber hinzu, wenn er etwas gebe, wollest du ihm dankbar sein, als hättest du es selbst erhalten. Denn vermutlich wird er sich schämen, solch gewichti­gen Argumenten zu widersprechen, seine unleidliche Entscheidung aufheben

30 und, wenn er schon die anderen betrogen hat, wenigstens uns gegenüber dar­auf bedacht sein, gerecht zu handeln.

K I. D: Entscheidender, wenn auch keineswegs sicherer Anhaltspunkt für die Datierung dieses

Briefes ist die Erwähnung einer unbekannten Person, die als «Pest Europas» (22) bezeichnet wird. Ist sie, wie Loenertz (zur Stelle) anzunehmen scheint, identisch mit dem «thrakischen Ty­phon» von T26/L64,26f., dann wäre die hier angenommene Datierung in etwa gerechtfertigt. Verlockend, aber keineswegs sehr wahrscheinlich, wäre dann auch die Identifizierung des hier erwähnten «Archos» (4), der 1 00 «Stateren» (s. A.6) erhalten soll, mit dem Empfänger von T26, der, ebenfalls auf Anordnung des Kaisers, «die» Stateren bekommen soll (dort, Z.27). S. zu die­ser Frage unten, Xl. Die Inhaltsangaben von L60 und L64 in LS I bringen keinen weiteren Auf­schluß darüber, wie Loenertz sich die Beziehungen dachte, abgesehen von dem nachträglich mit

190

BRIEF T25

Bleistift eingetragenen Datum «1352, ete» bei L60, der in LC I undatiert ist. Nur DöReg 2990 scheint die Gleichheit des «Archos» mit dem Empfänger von L64 (ohne nähere Begründung) vora uszusetzen. 0 K yd: Beim Kaiser (17 ff.) in besonderer Vertrauensstellung (24) . Trifft die Da­tierung zu, muß es sich bei dem Kaiser um Kantakuzenos handeln. Doch gibt es, unabhängig da­von, ob von diesem oder von Ioannes V. die Rede ist, keinen Anhaltspunkt dafür, daß sich der genannte Kaiser und damit Kyd. außerhalb von Konstantinopel aufhalten. E: Gehört offenbar zu den engeren Freunden des Kyd. (13), ein Mann von freundlichem Charakter (4 f.), vermutlich Rhetor (s. A.2), auch dem Archos, für den Kyd. bittet, bekannt und von ihm geschätzt (14-16). Ihm ist ein erfolgreiches Einwirken auf die «Pest Europas» (s. X3) zugunsten von Archos zuzu­trauen (21-30). OE: Falls die «Pest Europas» sich irgendwo in Thrakien aufhält (s. X3), ist Aufenthalt des Adressaten in seiner Nähe anzunehmen.

11. BKyd: S. OKyd. Der Brief gehört zu den Zeugnissen für die Einsatzbereitschaft des Kyd. gegenüber Freunden (s.S. 56 mit A.22).Xl: «Archos» (PLP 1460), ein für diese Zeit und m. W~ auch sonst nicht belegter Name (4). Die Vermutung, daß es sich um einen Deck- oder Spitzna­men oder um eine Verschreibung der Hs B «äeXOVTO» (?) handelt, ist daher nicht ganz von der Hand zu weisen. Wenn LS I dem BriefL59 (= T28) die überschrift gibt: «Un ami lettre (Archos­Astras?) », denkt also auch Loenertz an diese Möglichkeit. Für die Gleichsetzung des Archos mit

Astras (s. Exkurs nach T38, S. 250ff.) könnte sprechen: 1. Die Stellung von T25/L60 in der Hs B unmittelbar vor einem Brief an Astras (L61), 2. Die Betonung der engen Freundschaft des Kyd. zu Archos (s. A.l), die dessen Gleichsetzung mit einem bekannten Freund des Kyd. geradezu herausfordert. Wenn es sich um Astras handelte, würde dies voraussetzen, daß dieser während der Regierungszeit des Kantakuzenos nicht immer (u. a. als Architekt für den Wiederaufbau der Hagia Sophia) im Palastdienst tätig war, sondern sich zeitweilig in der Provinz aufhielt, worüber nichts bekannt ist (s. u., Exkurs, S. 250). Zum Adressaten von L 59 s. u., T28, E. Erwägenswert ist auch Identität des Archos mit dem Adressaten von T26; s. dort, E. X2: Zur Identität des erwähn­ten Kaisers (18.24) s.o., OKyd. X3: «Pest Europas» (22) ist eine wenig schmeichelhafte Be­zeichnung (A.7) für einen Mann in führender, aber vom Kaiser abhängiger Stellung, der von die­sem bzw. seinen Vertrauten wie Kyd. Weisungen entgegennimmt (21 ff.). Er hat seinen Sitz in «Europa», d. h., im westlichen Reichsteil (in dieser Bedeutung auch Greg I 205; 207; 274), ge­nauer in Thrakien, wenn er mit dem Typhon von T26 (s.o., D) identisch ist. Vermutlich ist er Gouverneur einer thrakischen Stadt, ein Mann, der sich in seiner Umgebung keineswegs beliebt gemacht hat (29f.), vor allem, was Einhaltung von Versprechungen angeht (24-27). Eine nä­here Identifizierung scheint nicht möglich zu sein. Ep: Ein Schreiben des Kaisers, bestimmt für die «Pest Europas», ist dem vorliegenden BriefT25 beigefügt. Der Adressat soll es bei jener Per­son vorweisen und damit die Berechtigung seines Eintretens für Archos erhärten (21 ff.; DöReg 2990).

III. Hs: B 226v -227" Nr. 71.

IV. 1 Sogar mit einer Skythennatur: Hyperbel wie T21,A.5, mit a maiore ad minus des Ge­genübers. Mit einer Kette von Argumenten (wie zu anderem Zweck T22,A. 7 und A.14) begrün­det Kyd., warum der Adressat seiner Bitte, Archos zu helfen, entsprechen muß. Sogar brüderli­che Zuneigung übertreffen: wie T15,A.4; T30/L59,6. Diese Formulierung mit Bezug auf Geor­gios Synadenos Astras: L422,9 f. Vgl. dazu oben, X 1. Die Zuneigung überbietet schließlich so­gar die Liebe zu den Eltern und zum eigenen Leben. Die Hyperbeln sind gehäuft, dem Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen.

191

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

2 W.: ß-e6.lJ.<l'ta: gemeint ist wohl rhetorische Vortragskunst im ß-ta'tQov, s. T23,A.5. 3 Variante der Selbstüberbietung: die Gesinnung übertrifft das mit Worten gespendete Lob;

hier geschickt angewendet, um den Adressaten günstig zu stimmen (vgl. A.1). 4 W.: 'tax'tTJv 'tLva 3tQ6ooöov. LS 1 zu L60: «pension». Es ist kaum an eine regelmäßige (all­

jährliche), sondern an eine einmalige Zuwendung zu denken. 5 «Haupt» in der dritten Person neben der häufigeren Verwendung in der Anrede

(T19,A.2). Als Selbstbezeichnung oben, Z.13; T40,A.2. 6 Stater, eine antike Goldmünze; hier Umschreibung des rhetorischen Briefstils für Hyper­

pern. Vgl. P. Wirth, Das Ende der römisch-byzantinischen Goldwährung, Jahrbuch für Numis­matik und Geldgeschichte 25 (1975) 117. Die dortige Aufstellung über Geldgeschäfte der by­zantinischen Spätzeit nach den Kaiserurkunden (114-121) gibt auch einen relativen Anhalts­punkt für eine Wertschätzung des Betrages.

7 Pest (Ä.OLJ.l.6C;), nach LSc, s. v., seit Demosthenes zur Bezeichnung unliebsamer Personen verwendet, z.B. ThomMagHom 762,16f.

26

L: 64; OKyd: Konstantinopel; E: Ein Freund des Kydones, Gesandter in Thrakien; OE: Di­dymoteichon (?); D: Frühjahr 1352; wI: Spott über den säumigen Briefschreiber, der erst ein ei­genes Anliegen als Anlaß zum Schreiben nimmt; Lob seines Briefstils; Mitteilung, der Kaiser (10-

annes Kantakuzenos) habe auf Vermittlung des Kydones seiner Bitte entsprochen; Ratschläge für die Mission des Adressaten im Auftrag des Kantakuzenos zu loannes V. in Thrakien.

Früher hätten wir auf keinen Fall erwartet, du werdest schweigen\ jetzt 5 besuchen wir die Wahrsager und befragen sie, was dein Brief bedeuten soll.

Wir haben aber noch keinen Kalchas gefunden, der uns das Problem lösen kann. Doch könnte man, glaube ich, in dem, was du geschrieben hast, auch die Deutung finden2

• Denn es war nicht Zuneigung, was dich veranlaßte, ans Schreiben zu denken, sondern der Wunsch, durch mich Einfluß auf den Kai­ser zu nehmen. Das sollte also dein Ausdruck des Dankes für mich sein! Ei­gentlich müßten nun auch wir dir mit gleicher Anmaßung heimzahlen, also

10 nicht eher schreiben, bis wir in eine Notlage geraten, in der man Diener braucht, kurz, wir wären solche eingebildeten Egoisten, die offensichtlich ihre Freunde um anderer Dinge und nicht um ihrer selbst willen ehren! Aber obwohl wir selbst solches Unrecht von dir erfahren haben, hielten wir den Grund deines Schreibens für so der Mühe wert, daß wir, hätten wir uns in ei­gener Sache so eingesetzt, von allen heftig angeklagt werden müßten, wir

15 liebten uns selbst3• Denn der Kaiser las den Brief, als er Zeit dazu fand4

; als aber darauf für dich ein Wort einzulegen war, taten wir dies in Anwesenheit

192

BRIEFE T25 - T26

der Freunde, für die es mit Recht eine Schande gewesen wäre, wenn sie nicht zusammen mit mir Fürsprache eingelegt hätten.

Dein von allen bewunderter Brief also, wie nur entschlossene Leute ihn schreiben könnens (den anderen aber schwindelt es, wenn sie ihn nur sehen), stellte dich bei allen als einen Melampus vor6

, als hättest du dem verfaßten Text selbst etwas von der Sorge in dieser Angelegenheie mitgeteilt. So sehr 20

verfügtest du nach Meinung aller über eine Art prophetische Fähigkeit in die-ser Sache. Der Kaiser bekräftigte noch den Beifall und erklärte, er habe vor vielen Zeugen die Bestätigung für deine Vorzüglichkeit8 erhalten. Er wollte aber auch etwas tun, würdig seiner selbst, würdig auch der Gefahren bei der lobenswerten Gesandtschaft. Aber «zum Teufel mit dir, Krieg»9, unter ande­rem auch, weil es jetzt nicht einmal für den Kaiser leicht ist, seinen Dienern Wohltaten zu erweisen. Wenn du jedoch nach Maßgabe der Zeitumstände10 25

den Gunsterweis abwägst, wirst du feststellen, daß wir auch hierin das uns Mögliche nicht versäumt haben. Nimm daher das Schreiben des Kaisers und suche den Typhon Thrakiensll auf, dessen Neffen12 der Kaiser aufträgt, dir die Stateren auszuhändigen. Ich glaube aber, daß er, der gewöhnlich in sol­chen Fällen protestiert, dir wohl noch dankbar sein wird, sie dir geben zu dürfen. Denn er, der vorher ein Schreiben des Kaisers nicht einmal im Traum 30

gesehen hätte12a, hätte ich nicht heftig darauf bestanden, dir die Gunst zu er­

weisen, und ihn so überredet, sie dir zu gewähren, wird dir jedenfalls nicht nur mit Freude das Angewiesene auszahlen, sondern sogar suchen, was er dir für dieses Glück als Gegenleistung geben kann.

In dieser Angelegenheit also solltest du zuversichtlich sein wie einer, der sein Ziel nicht verfehlt hat, und zugleich auch das Gefühl haben, dem Kaiser und uns auch etwas dafür zu schulden. Ich meine damit, du solltest den Kai­ser13 zu der Überzeugung bringen, niemand anders sei mehr um sein Heil be- 35

sorgt als sein Vater und Kaiser; er solle auch nicht die, die alles auf den Kopf gestellt haben, für bessere Freunde als die eigenen Eltern14 halten, sondern ihm füglich gehorsam sein: erstens als seinem Vater, zweitens weil er bewun­dernswert um ihn besorgt ist, drittens weil er starke Beweise seiner tiefen' Liebe zu ihm erbracht hat, und er solle nicht versuchen, die zuvor ihm von je- 40

nem erwiesenen Wohltaten auf so ungleiche Weise zu vergelten. Denn als er1S

ihn nach jener langen Unglücksperiode im Krieg gefangennahm und alles der Reihe nach ihn mahnte, ihn zu töten: die entsprechenden Gesetze16 und die durch sie gewährte Freiheit, sich für das zu rächen, was er zuvor von ihm er­litten hatte, hielt er doch nichts für stärker als seine Großmut und wünschte

193

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

sogar noch den Sohn zu nennen, der ihm oft Anlaß gab, sich den Tod zu wün-45 schen, ja, was alle in Erstaunen versetzt: er ließ ihn sogar seine Würde behal­

ten und mit entsprechend großer Machtbefugnis wie er selbst Kaiser sein17. Und das - wer könnte es glauben? - obwohl er Söhne hat, die, hätten sie auch keinen anderweitigen Anspruch auf die Herrschaft, allein wegen ihrer Veran­lagung mit Recht den Thron verdient hätten18. Er aber zog ihn sogar so den Kindern vor, daß er ihm alles, was er ihnen nicht gab, rechtskräftig zukom-

50 men ließ19. Indem er aber danach trachtete, gleichsam mit ihm zu verwach­sen, wünschte er sogar, wenn es möglich gewesen wäre, ihn gezeugt zu ha­ben. Da die Natur dies aber nicht zuläßt, tritt er für ihn durch seine Tochter an Vaters Stelle. So wird er jetzt mit Recht ihretwegen Vater des Kaisers20 ge­nannt; alle aber schauen auf ihn und wünschen ihm hohes Alter. Sollte er da­her nicht die, die ihn verdächtigen wollen, mit Recht hassen?

Wenn du ihm diesen Rat gibst21, wirst du eine nicht weniger nützliche Tat 55 vorweisen können als die, die in Rom das Volk zurückführten22. Denen aber

von den jungen Leuten in führender Stellung23, die heftig aufbegehren und als Vergeltung für den ihnen nützlichen Frieden diese wunderbarenVollrech­te24 fordernJ sage ich nur das: wenn die Rhomäer nicht aufhören, ihre eigene Sache zu verraten und aus dem Wunsch, lieber gut beherrscht zu werden als schlecht zu herrschen25, einem einzigen, der zugleich der Vernünftigste ist, in

60 allem vertrauen, wie Kranke bedenkenlos dem Arzt gehorchen26, werden sie nicht nur ihre Machtstellung, sondern auch Leib und Leben verlieren27. Und nun werden viele unserer Städte wie Peirinthos28 dastehen, unsterbliche Denkmäler unserer Unvernunft29, morgen aber hören müssen, wie eine fremde Sprache von ihrer öffentlichen Rednertribüne herunterschallt. Dann

65 werden alle wehklagen, die für unvernünftigen Wahn ihre Freiheit verkauft haben. Wenn sie aber behaupten, den Kaiser30 über alles zu lieben und ihm mehr als seinem Vater verbunden zu sein, dann wären sie zu fragen, mit wem sie denn vor Jahresfrist gemeinsame Sache gemacht haben, daß sie sich jetzt zu solcher Anmaßung versteigen. Denn die, die gestern die Türen der Feinde umschmeichelten und an sie unsere Städte verschleuderten, sind jetzt mit Staatsgeschäften betraute Geheimnisträger und werden «Ohren des Kai-

70 sers»31 genannt. Laß also - 0 ERLÖSER! nicht zu, daß es so weitergeht, son­dern hasse sie wegen ihres Hochmutes und laß sie mit ihren gewohnten For­derungen leer ausgehen32, den Kaisern aber hilf, sich gegenseitig kennenzu­lernen33, den Städten, zu finden, was dem Gemeinwohl nützt, und erleichtere uns so das gegenwärtige Los34.

194

BRIEF T26

K I. D: Ein terminus post quem für die Datierung ergibt sich aus der Anspielung auf das

Schicksal von Peirinthos (Herakleia an der Propontis) (61): die Stadt fiel etwa im Herbst 1351 den Genuesen in die Hände (NicKant 77 f.; Erwähnung des vorliegenden Briefes ebd., A.111). Einen noch genaueren Anhaltspunkt für die Datierung ergibt Z.34ff.: loannes V. Palaiologos hat sich nach Thrakien begeben, um die ihm von Kantakuzenos zugeteilten Städte in Besitz zu nehmen. Seine,Spannungen zu Matthaios Kantakuzenos stehen noch in der Anfangsphase, als man noch auf eine friedliche Lösung hoffte (vgl. A.33) und zu diesem Zweck Unterhändler unter Führung der Kaiserin Eirene (Gattin des loannes Kantakuzenos) zu ihm sandte (NicKant 79). Der Brief, zur Zeit dieser Vorgänge geschrieben, kann daher nur im Frühjahr 1352 abgefaßt sein. OKyd: Er befindet sich bei Kantakuzenos (14 f.), also nach NicKant 79 in Konstantinopel.

E: Er ist Teilnehmer an einer wichtigen Gesandtschaft und verdient dafür eine Belohnung (22 f.). Es kann sich nur um die erwähnte Gesandtschaft der Kaiserin nach Didymoteichon handeln (so bereits Loenertz zur Stelle; NicKant 80,A.113; Datierung Ende März/Anfang April nach Dar­Patr 2377): die Hoffnung auf Versöhnung Ioannes' V. mit Matthaios ist, wenn auch ohne Na­mensnennung, ausgesprochen (71). Nun sind zwei weltliche Begleiter (neben zwei geistlichen, die hier nicht in Frage kommen) der Kaiserin bekannt: Ioannes Philes und Manuel Angelos. Von diesen wird der erstere, ein Privatgelehrter, nur bei Kant III 239, der zweite, ohne Vornamen (dieser jedoch wegen des gleichen Titels xa{}oALxo<; XQL'tTJ<; aus MM I 345 zu erschließen), nur bei Greg 111 152 genannt. Die Angaben über E sind in unserem Brief zu allgemein, um eine Identi­fizierung von E mit einem dieser beiden Begleiter wahrscheinlich oder gar sicher zu machen. Loenertz denkt.in LS I (Resümee von L64) ohne Begründung und mit Fragezeichen an Philes. Doch käme auch Manuel Angelos in Frage. Gregoras (111 152f.) stellt seiner Bildung ein glän­

zendes Zeugnis aus. BeyGreg 145 möchte ihn mit Agathangelos, dem geheimnisvollen Besucher des Gregoras, gleichsetzen, und seine Argumente sind überzeugend. Weitere Identifizierungen dieses Manuel Angelos, die PLP 214 als gesichert voraussetzt, wurden bislang nicht endgültig bewiesen. Ist er derselbe wie der bd 'tou xavLxAE(OU, der 1354 als Gesandter loannes' V. zu Kan­takuzenos fungierte (Kant III 291)? Ist er identisch mit dem Manuel Angelos, der in einem Schreiben des Papstes Urban V. vom 18.4. 1365 als civis Thessalonicensis und als katholisch (wie Kyd.) bezeugt ist (HalEmp 364, Doc. Nr. 5; dazu LOCP 36,64; zurückhaltend über die

Identität HalEmp 95)? Schließlich ist noch ein Mann gleichen Namens bezeugt, der loannes V. und Kyd. auf der Italienreise 1369/71 begleitete (DöReg 3122; 3127). Falls es sich in all diesen Fällen um dieselbe Person handelt, gäbe es mehrere Berührungspunkte zu Kyd., die den vertrau­ten Ton des vorliegenden Briefes erklären würden. Doch ist auch noch die Frage zu erwägen, ob E mit dem «Archos» von T25/L60 identisch sein könnte (s. dort, Xl). Für eine Identität könnte sprechen: Beide sollen von einem unbekannten Machthaber, hier «Typhon Thrakiens» (26 f.), in T25 «Pest Europas» genannt, auf kaiserliche Anweisung eine bestimmte Geldsumme (<<State­

ren»; der Betrag ist nur in T25,20 genannt) erhalten. In beiden Fällen hat der Kaiser mit einem persönlichen Schreiben einen entsprechenden Auftrag erteilt, doch ist es in T26 der Geldemp­fänger selbst, der das entsprechende Schreiben vorweisen soll, in T25 hingegen ein anderer, den Kyd. um Vermittlung in der Angelegenheit bittet (s. dort, E). Handelt es sich also um dieselbe Angelegenheit, dann hätte der Kaiser zwei Schreiben zur Vorlage bei dem unbekannten Macht­haber abgefaßt. Gegen eine Identität spricht: In T25 ist nicht mit einem Wort von der Gesandt­schaftsreise des mit E/T26 zu identifizierenden Archos die Rede. Ferner ist Kyd. in T26,29-32

195

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

wesentlich sicherer über eine positive Reaktion des Machthabers als in T25,29 f. Problematisch ist schließlich noch der nur in T26,27 erwähnte Neffe des Machthabers, der in T25 keine Rolle spielt. So muß die in DöReg 2990 vorausgesetzte Identität des «Archos» mit E/T26 doch letzt­lich eine offene Frage bleiben. OE: Thrakien gemäß Z.26; als Teilnehmer der Gesandtschah hält sich E wohl in Didymoteichon auf (s.o., Anfang von E).

11. BKyd: Der zweite Teil des Briefes (34 ff.) drückt des Kyd. entschiedenes Engagement für die Sache seines kaiserlichen Herrn Ioannes Kantakuzenos aus. Verrat an diesem setzt er gleich mit Verrat an der Sache der Rhomäer (58ff.). In der finanziellen Angelegenheit des Adressaten hat er sich beim Kaiser eingesetzt (15 f.). Seine Enttäuschung, daß der Freund ihm erst schreibt, wenn er ein Anliegen hat, ist nicht gespielt (4 ff.). Xl: Ioannes Kantakuzenos verfügt die Auszah­lung einer Geldsumme an den Adressaten, als Entgelt für seine Tätigkeit als Gesandter (21 ff.). Kyd. betont seine Loyalität gegenüber Ioannes V. (34ff.), aber auch seine Fähigkeiten als Herr­scher und Staatsmann (58 ff.).X2: Der «Typhon Thrakiens»: Vermutungen über seine Identität, s. T25, D; X3. Im vorliegenden Brief soll E diesen zwar aufsuchen, aber dann die Auszahlung von seinem Neffen erhalten (27f. Ob sich die folgenden Zeilen [28-32] über sein zu erwarten­des Verhalten auf den Typhon oder auf seinen Neffen beziehen, bleibt unklar). X3: Der Neffe des Typhon, s. X2. Zur Verwandtschaftsbezeichnung s. A.12. X4: Kaiser Ioannes V. Palaiolo­gos, hier in den Kyd.briefen erstmals erwähnt, ist in Gefahr, auf falsche Ratgeber zu hören und gegen seinen Schwager Matthaios Kantakuzenos den Bürgerkrieg zu. entfesseln (34 ff.; zur Situa­tion NicKant 79 f.). Zu seiner Person s. den Exkurs, unten, S. 198 ff. X5: Die unruhestihenden Ratgeber Ioannes' V. (35 ff.), nach Kant III 242,2 ff. vor allem epemalige Anhänger des Kanta­kuzenos im thrakischen Raum und nach Kant IlI252,24-253,1 Leute von angesehenem Stand (ErtUpaVE01:EQoL), hier a.QXOV'tE~ genannt (56), die sich von der Konspiration mit dem jungen Kaiser Privilegien und Freiheitsrechte erhoffen (56ff.; vgl. A.24 und 25). Sie sind politisch unzu­verlässig und bereit, mit jedem zusammenzuarbeiten, wenn sie sich daraus einen Nutzen erhof­fen (65 ff.; Kant IlI253,11 werden sie o'taoLa01:a( genannt). X6: Die Söhne des Kantakuzenos (Matthaios und Manuel) haben eigentlich wegen ihrer Abkunft und Qualifikation vor Ioannes V. Anspruch auf den Thron (46-48); mit diesem Gedanken unterstützt Kyd. Tendenzen, die zur Krönung des Matthaios Kantakuzenos führten (sie fand im November 1353, also in dem Jahr nach der Abfassung dieses Briefes, statt: NicKant 114). Versöhnung zwischen Matthaios und Ioannes V. wäre wünschenswert (71). X7: Helene Kantakuzene als Gattin Ioannes' V. (51). ZC: Vgl. X4undX5. Zum Fall vonPeirinthos (61) s. D.Ep: 1. BriefvonEanKyd. (5) mit der Bitte, in seiner Angelegenheit (Bitte um Gewährung einer bestimmten Geldsumme, 27) beim Kaiser ein­zutreten (8). Kantakuzenos las den Brief persönlich (14f.). 2. Ein Schreiben des Kaisers an den Neffen des Typhon Thrakiens mit der Anordnung, das gewünschte Geld an E auszuzahlen (26-28). E selbst soll das Schreiben überbringen.

IlI. Hs: B 229v -231 r, Nr. 75.

IV. 1 Der Brief beginnt mit einem Vorwurf für das frühere «Schweigen» (T22,A.2) des Freundes.

2 Mit ironischer Umständlichkeit sucht Kyd. nach dem Grund für den jetzigen Brief, dessen «eigensüchtiges» Anliegen der Absender vielleicht in verhüllter Form vorgebracht hatte. Zum Bild vom "Wahrsager s. u., A.6.

3 Kyd. stellt der angeprangerten Undankbarkeit des Freundes (dem er offenbar zuvor schon in anderer Weise gefällig gewesen war) die eigene Hilfsbereitschaft entgegen und teilt ihm in ver-

196 I

BRIEF T26

klausulierter Form mit, er sei für ihn so eingetreten, als ob die eigene Sache auf dem Spiel gestan­den habe.

4 W.: !J.E'tcl 't0'Ü xmQo'Ü, nach Maßgabe der Zeitumstände, wie Z.25 und sinngemäß auch T30/L42,62.

5 W.: CL ••• fvEO'tL AEyELV. AtYELV mit Bezug auf die stilistische Formulierung (A.tl;L~). 6 Melampus: berühmter Seher nach HomOd 11,291; 15,224ff. Die erwähnte mythische

Gestalt ist auf die folgende !J.aV'tE(a zu beziehen. Vielleicht hatte der Angesprochene schon in ei­ner Art captatio benevolentiae «geweissagt», der Kaiser werde seinem Anliegen gnädig geson­nen sein. Es war ja üblich, wohlwollendes Verhalten aus dem Wesen der angeredeten Person ab­zuleiten, vgl. T19/L86;16 (hier das entsprechende !J.aV'tEuo!J.m); «Weissagung» in verschiede­nen Bezügen: oben, A.2; T17/L18,4; T29/L14,7; T32,A.1.

7 D. h., Anliegen des Verfassers und rhetorische Form sind zu einer gelungenen Einheit ver­schmolzen.

8 W.: clQE'tTJ, hier nicht moralisch, sondern auf die literarische Leistung bezogen. 9 AristophNu 6, zitiert auch L155,55; hier mit Bezug auf die kriegerischen Auseinanderset­

zungen mit Genua, die natürlich viel Geld kosteten. 10 D. h., in Anbetracht der Ausgaben für den Krieg. 11 Typhon, Ungeheuer der Vorzeit, Sohn des Tartaros und der Gaia. Vielleicht ist aber auch

der Bruder des Osiris gemeint (SynAig); so NikChon 457,12 über Alexios III., der seinen Bruder Isaak 11. stürzte; dann läge eine Umschreibung für «Tyrann» vor. Ober die gemeinte Person s. X2.

12 W.: clvE'\jn6~, in Texten dieser Zeit mit «Neffe» zu übersetzen. Vgl. z. B. PseudoKod; dort gibt Verpeaux das Wort regelmäßig mit «neveu» wieder. DietGreg 11 1,120 weist auf schwan­kende Bedeutung hin (Vetter oder Neffe), aber die drei Stellen aus Quellen des 14. Jhs., die er an­führt, sprechen für «Neffe».

12a Eigentlich meint Kyd: ... gesehen hat, hätte auch jetzt keinen zu Gesicht bekommen, hätte ich nicht ...

13 Sc. Ioannes V. Palaiologos. 14 Ober Kantakuzenos als «Vater» Ioannes' V. vgl. DöParasp 197; 202; NicKant 63. Im

folgenden wird die Vaterschaft des Kantakuzenos über Ioannes V. allein aus dessen Heirat mit seiner Tochter Helene abgeleitet (Z.52).

15 Subjekt ist Kantakuzenos, Objekt Ioannes V. 16 Hier ist wohl an das Kriegsrecht zu denken, das den Besiegten der Willkür des Siegers

ausliefert. Zur großmütigen Feindesliebe des Kantakuzenos: T3,A.11.

17 NicKant 63. Von einem dynastischen Legitimitätsanspruch Ioannes' V. ist hier keine Rede mehr. Die «Erwählung durch Gott» begründet einen nicht weiter abgeleiteten Herr­schaftsanspruch des Kantakuzenos.

18 Ableitung von Herrschaftsansprüchen aus dem Charakter wie T6,A.3.

i9 Im Herbst 1347 wurde Manuel Kantakuzenos zum Despoten ernannt; Matthaios erhielt (ohne Titel) einen höheren Rang: NicKant 67f. Die Söhne des Kantakuzenos blieben also an­fangs von der Kaiserwürde ausgeschlossen.

20 Man fühlt sich erinnert an den Titel ßaoLAE03tu'tWQ der mittelbyzantinischen Zeit, den ebenfalls Schwiegerväter des Kaisers trugen. Loenertz, Ausgabe, zu Z.52 und LC 11 462, Index, s. v. Andronicus IV Palaeologus, führt diese Stelle als Beleg für diesen Kaiser an, d. h., Kantaku-

197

· ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

zenos nenne sich so wegen des kaiserlichen Kindes seiner Tochter (nach SchreinChron 11 276f. ist Andronikos am 6.3. 1351 erstmals als Mitkaiser bezeugt); doch erscheint mir diese Vermu­tung schon wegen des Kontextes nicht akzeptabel, da auf die Vaterschah des Kantakuzenos über Ioannes V. bereits vorher (Z.35-37.43) angespielt wurde. Vgl. auch DöParasp 197 und 202 (Kantakuzenos nennt sich selbst «Vater des Kaisers»).

21 Hiermit wird der Gedanke von Z.34-40 wiederaufgenommen. 22 Anspielung auf den fiktiven Menenius Agrippa, der 494 v. Chr. die Plebejer nach ihrem

Auszug zur Rückkehr nach Rom veranlaßt haben soll. Kyd. kannte die Geschichte wohl aus PlutCor 6. .

23 Zu den hier genandten 6:QXOV'tE<; s.o., X5. 24 Kyd. verwendet hier den Begriff bm:LI.A.Lm, wohl klassizistischer Anklang an das Voka­

bular der antiken Polis. Nach LSc, s. v., I ist btL'tLIlLa «enjoymentof a11 dvil rights and privile­ges». Gemeint sind Unabhängigkeitsrechte, wahrscheinlich für den Machtbereich, der Ioannes V. zugeteilt wurde, im weiteren Sinne aber wohl auch für einzelne Städte.

25 Ein Wortspiel, das treffend das Erfordernis der Stunde wiedergibt. 26 Ioannes Kantakuzenos als Arzt auch T8,A.25. 27 Kyd. sieht die Rettung für das Reich im Gehorsam gegenüber einem «vernünftigen»

Herrscher (also im Sinne des platonischen Philosophenkönigs). S. Exkurs, S. 96 mit A.21. 28 Antiker Name für Herakleia an der Propontis, auch von Kant und Greg antikisierend

verwendet. Zum historischen Hintergrund der Anspielung s.o., D. 29 Denkmal (O'tTJATJ) hingegen positiv: T7/L6,23. 30 Sc. Ioannes V. 31 Vgl. zu dieser Verbindung T66/L33,21; KarSpr 89, Nr. 172; PsellChron 11 182,15 und

Anm. von Renauld, S. 183,A.1. 32 Vgl. die oben erwähnten Unabhängigkeitsrechte, A.24. 33 Sc. Ioannes V. und Matthaios Kantakuzenos; s.o., D; E. 34 Der Brief schließt also mit einem Gebet.

Exkurs

IOANNES V. PALAIOLOGOS IN DEN KYDONESBRIEFEN

Trotz zahlreicher Erwähnungen dieses Kaisers in den Kydonesbriefen bleibt das Bild seiner Persönlichkeit blaß und verschwommen. Das ist um so bedauerlicher, wenn man bedenkt, daß dieses Briefcorpus eine der wichtig­sten Quellen für das Bild von diesem Kaiser überhaupt ist. Ioannes V. Palaio­logos, geboren am 18. 6.13321 als ältesterüberlebenderla Sohn Andronikos' III., am 19. 11. 1341 im Knabenalter (nach dem vorzeitigen Tod seines Va­ters) in Konstantinopel zum Kaiser gekrönt2

, seit Februar 1347 Mitkaiser des

198

BRIEF T26/EXKURS IOANNES V.

Kantakuzenos, dessen Tochter Helene er Ende Mai 1347 heiratete3, war si­

cher keine besonders herausragende Kaiserpersönlichkeit, und zum Teil mag diese Tatsache (neben der, daß ein zeitgenössischer byzantinischer Ge­schichtsschreiber seiner Epoche fehlt) der Grund für unsere relativ blasse Vorstellung von ihm sein. Was Kydones zweifellos bei ihm verrnißte, waren die geistig-literarischen Interessen, die er selbst pflegte und die Ioannes Kan­takuzenos, aber auch Helene, die Gattin des jungen Kaisers, unbestritten aufzuweisen hatten. Es ist bezeichnend, daß bereits ein Brief des Kydones an Helene in einer Zeit überliefert ist\ als der Name ihres Gatten in dessen Kor­respondenz noch gar nicht aufgetaucht war. Zum erstenmal erwähnt Kydo­nes den Palaiologen ja erst im Brief T26/L64, der diesem Exkurs vorausgeht. Ioannes V. steht hier, im Frühjahr 1352, vor einer bewaffneten Auseinander­setzung mit seinem Rivalen Matthaios Kantakuzenos und ist damit auch im Begriff, sich von seinem Schwiegervater loszusagen. Kydones bittet einen Ge­sandten, der mit ihm in dieser Sache verhandeln soll, brieflich, er solle ihn vor seinen falschen allzu jungen Ratgebern warnen und ihn dazu bringen, seinem « Vater» Kantakuzenos die Treue zu haltens. Hatte Kydones hier nur um sei­nes kaiserlichen Herrn, Kantakuzenos, willen Interesse an ihm gezeigt, so schlug dieses Interesse in Ablehnung um, als die kriegerischen Auseinander­setzungen zwischen Ioannes V. und Kantakuzenos begonnen hatten. Ohne Namensnennung wirft Kydones ihm im Sommer 1352 vor, dem Schwieger'­vater Undank erwiesen undden Bürgerkrieg entfesselt zu haben6

• Ein bis zwei Jahre später erscheint er in einem Kydonesbrief als der Tyrann von Te­nedos, der die Weiterleitung eines Briefes an seinen Freund verhindert hae. Bereits kurze Zeit nach der Abdankung des Kantakuzenos und dem Beginn

. seiner Alleinherrschaft (Dezember 1354) wirft Kydones·ihm Schwäche im Eintreten für einen loyalen Anhänger vors, womit er zweifellos einen wesent­lichen Charakterzug des Kaisers anprangert. Schwäche war es wohl auch, die Ioannes V. zwang, Kydones als den leitenden Staatsmann seines Rivalen und Vorgängers Kantakuzenos wieder an den Kaiserhofzu berufen, und Kydo­nes, der Muße froh, ließ sich nach eigenem Zeugnis nur zögernd herbei, dem Ruf zufolgen9

• Die glänzenden Versprechungen, die der Kaiser ihm damals machte, wurden später nur zum geringsten Teil erfüllt lO

• Zudem empfand. Kydones von Anfang an die Tätigkeit im DienstIoannes' V. als bedrückende Lastll. Verständnis schien. er~llerdings . zunächst fUr· des Kaisers türken­freundliche Politik zu zeigen, durch die er sich kaum von Kantakuzenos un­terschied12

• Ein störender FaktOr ·in den Beziehungen zwischen Ioannes V.

199

EXKURS IOANNES V.

und Kydones war aber die deutlich erkennbare Gleichgültigkeit des Kaisers gegenüber der antiken rhetorisch-literarischen Geisteskultur und seine of­fensichtliche Schwäche gegenüber den kulturfeindlichen Aktivitäten der He­sychasten13

• Ein «Fall» wie der des Philosophen Georgios, der Konstantino­pel auf der Suche nach einem freieren geistigen Klima zu Beginn der sechziger Jahre verließ, ist indessen nicht allein für diesen Kaiser kennzeichnend, son­dern für die Problematik eines eigenständigen Geisteslebens in Byzanz über­haupt14

Doch entwickelten sich die Beziehungen zwischen Kydones und seinem Kaiser in den sechziger Jahren positiver. Der Feldzug Ioannes' V. gegen die Bulgaren (1363) fand als ein «gerechter Krieg» die volle Anerkennung seines Ministers, und in einem Zuge lobte Kydones auch die Freigebigkeit und so­gar, allerdings zum ersten und zum letzten Mal, das rhetorische Talent seines Herrn15

• In der Kalopherosaffäre zeigte Kydones viel Verständnis für den Standpunkt des Kaisers, und für seinen damaligen Einfluß spricht die ausge­sprochene Hoffnung, ihn noch zugunsten seines Freundes umzustimmen16

Es war auch die Zeit, in der Ioannes V. Männer, die Kydones nahestanden wie Georgios Synadenos Astras, mit ehrenvollen Aufgaben und Ämtern be­traute17

• Ein weiteres militärisches Unternehmen zur See im Jahr 1365 mit unbekannter Stoßrichtung (Türken oder Bulgaren?) zeigt den Kaiser erneut im Einsatz für sein bedrängtes Reich18

• Um diese Zeit erreichte der Anteil des Kydones an der kaiserlichen Politik mit dem vollen Einschwenken Ioannes' V. auf den Gedanken einer Zusammenarbeit mit dem Abendland gegen die Türken seinen Höhepunkt19

• Kydones konnte sich damals hinsichtlich seines Einflusses auf den Kaiser sicher sein20

• Doch kam es im Jahr vor der Abreise nach Rom noch einmal zu einer Krise, als dem Kaiser durch Simon Atumanos die hohen Kosten des Unternehmens klar dargelegt wurden21

• Bekanntlich fand die Reise dann doch statt, wurde aber in politischer Hinsicht zu einer großen Enttäuschung22

, und das finanzielle Desaster fiel noch schlimmer aus, als man je befürchtet hatte23

• Hier liegt wohl der Hauptgrund für eine schwere Verstimmung des Kaisers über seinen Minister, die Kydones selbst bezeugt23a

• Doch hatte auch Kydones Veranlassung, von seinem kaiserlichen Herrn enttäuscht zu sein: in der Affäre gegen Prochoros hatte sich der Kaiser trotz wohlwollender Haltung für den Angeklagten nicht durchsetzen kön­nen24

Ioannes V. kehrte von der Italienreise nicht sofort in die Hauptstadt zu­rück, sondern weilte zuvor längere Zeit auf der Insel Lemnos, vielleicht in

200

EXKURS IOANNES V.

Geldangelegenheiten25, und traf erst am 28. 10. 1371, inzwischen von Ky­

dones wegen der bedrohlichen außenpolitischen Situation eindringlich ge­mahnt, in Konstantinopel ein26

• Kydones durfte zwar noch das Prooimion zu der Urkunde abfassen, die dem Despoten Manuel, der seinen Vater aus Fi­nanznöten in Venedig befreit hatte, seine Herrschaftsrechte über Thessalo­nike und Umgebung bestätigte27

, aber im übrigen hatte er vorläufig seine po­litische Rolle ausgespielt. Vor allem die Partei der Palamiten, angeführt vom Patriarchen Philotheos und dem Exkaiser Kantakuzenos, gewann nach dem Fehlschlag der prowestlichen Politik noch mehr an Einfluß über Ioannes V.28

, und so erbat und erhielt Kydones seine Entlassung aus den Staatsge­schäften29

• Der Kaiser rächte sich an seinem Exminister durch Vorenthal­tung ihm zustehender Salärzahlungen30

, aber zur Anmahnung des Geschul­deten erlaubte sich Kydones ihm gegenüber einen Ton, der die Schwäche die­ser Kaiserpersönlichkeit eindrucksvoll demonstriert31

• Im Palast herrschten nun andere Favoriten32

, was Kydones nicht hinderte, auch aus dem Ruhe­stand die Politik des Kaisers zu kritisieren33

• Andeutungsweise spiegelt sich in Briefen des Kydones des Kaisers erste Affäre mit seinem Sohn Andronikos und seine gemeinsame Aktion mit dem Osmanensultan Murad gegen die auf­sässigen Prinzen34

• Auf Versuche des Kydones, seine Gunst zurückzugewin­nen, reagierte Ioannes V. mit Schikanen, vor allem, als Kydones den Wunsch äußerte, nach Lesbos zum Schwager des Kaisers, Francesco Gattilusio, zu reisen35

• Obwohl er schließlich zögernd die Erlaubnis gegeben hatte, nahm er ihm die Reise bis nach seiner Rückkehr in die Hauptstadt übel36

• Man ge­winnt den Eindruck, als habe der Kaiser ihn aus Mißtrauen an die Haupt­stadt binden wollen und versucht, ihn durch ständige Verzögerung der Salär­zahlung in seiner Abhängigkeit zu halten37

Ein Umschwung der kaiserlichen Politik im Herbst 1374 führte auch zu erneuter Aufwertung des Kydones am Kaiserhof. Als es in dieser Zeit zu Ver­handlungen mit päpstlichen Gesandten kam, erwies sich die Hilfe des Kydo­nes als unentbehrlich38

• Er gewann nun wieder an Einfluß auf die kaiserliche Politik bis zur Einkerkerung Ioannes' V. durch seinen Sohn Andronikos im Oktober 137639

• Bekanntlich gelang dem Kaiser erst im Juni 1379, sich aus der Haft zu befreien40

• Es folgten die Kämpfe zwischen Ioannes V. und sei­nem Sohn, die im Mai 1381 mit einer Aussöhnung endeten41

• In dieser Zeit, vielleicht nach dem Abschluß des Vertrages mit Andronikos, scheint sich der Kaiser wie imJahr 1371 noch einmal auf einige Zeit zur Erholung (?) aus der Hauptstadt entfernt zu haben; doch bezeugt dies nur ein einziger Brief des

201

EXKURS IOANNES V.

K ydones, in dem er einen seiner Beamten bittet, ihn zur Rückkehr zu ermah­nen42

Durch den für Andronikos IV. sehr günstigen Vertrag von Mai 1381 wurde Manuel bekanntlich sehr zurückgesetzt und so für seihe Loyalität ge­genüber dem Vater schlecht belohnt43

• Damit nicht genug, versuchte Ioannes V. den Sohn Manuel ähnlich wie Kydones in Konstantinopel an seiner Seite zu halten, und von einer Rückkehr Manuels nach Thessalonike schien keine Rede mehr zu sein44

• Manuel blieb daher nichts anderes übrig, als die Haupt­stadt (im Herbst 1382) heimlich zU verlassen und die Herrschaft über Thes­salonike und Umgebung erneut aufzunehmen45

• Sein Eingreifen in Makedo­nien erwies sich als um so notwendiger, als Ioannes V. offenbar keine Bereit.,. schaft zeigte, der von den Türken bedrohten .Festung Serres zu Hilfe zu kommen. Indessen zeigte er für den Schritt seines Sohnes keinerlei Verständ­nis und verübelte es jedem, der Tendenzen zeigte, sich ihm anzuschließen46

Im Frühjahr 1385 brach der Krieg zwischen Ioannes und seinem Sohn Andronikos erneut aus47• In einer Schlacht geriet der Kaiser in Lebensgefahr, kam aber unversehrt davon48

, während der Rebell am 28. 6. 1385 einer . Krankheit erlag49.Die Erwähnung einer Gesandtschaft Ioannes' V. zu dem osmanischen General Haireddin Pascha in einem Brief des Kydones gibt ein Rätsel auf: da sie ausdrücklich auch Thessalonikeals Verhandlurigsgegen­stand nennt, könnte sie das Zeugnis für eine vorübergehende Annäherung zwischen Ioannes und Manuel sein, über die aber sonst nichts bekannt ist50

Indessen bahnte sich im Winter 1386/87 tatsächlich eine Entwicklung an, die zur Aussöhnung zwischen Vater und Sohn führte: Manuel äußerte Pläne, nach Konstantinopel zu kommen, und Kydones sah für ihn positive Anzei­chen in der Einstellung des Kaisers51

• Im Übrigen zeigen mehrere Briefe auS den Jahren 1386/7, daß der Umgang mit dem durch bittere Erfahrungen in der eigenen Familie und durch die heillose außenpolitische Lage vergrämten Kaiser ziemlich schwierig geworden war52

• So sollte es auch bis zur endgiilti- "ll

ge~ Aussöhnung zwischen Vater und Sohn noch bis Herbst 1387 dauern5l, . und als· sie ~ndlichzustandegekommen war, war Kydones vollends in Uri-l gnade gefallen und wurde fast wie ein Aussätziger behandelt54

• An dem ·Zer- 1 wütfnis zwischen dem Kaiser und seinem langjährigen Minister bleibt man- . .J

ches unklar, aber es steht fest, daß sich in diesen Jahren am Kaiserhof neue .j Kräfte in denVordergtund schieben konnten55

• Vielleicht ist es bezeichnend, daß Ioannes V. in einem Traum, den geträumt zu haben Kydones berichtet, ein exotisches Aussehen angenommen hat und in einer unverständlichen

202

EXKURS IOANNES V.

Sprache spricht56• Sein Tod am 16. 2. 1391 wird von Kydones, der zu der

Zeit in Venedig weilte, nur beiläufig in einem anderen Zusammenhang mit­geteilt57

1 SchreinChron 11 242; DietGreg li 2,235,A.366. 1a Nach DietGreg 11 1,158f. hatte Andronikos zuvor noch einen Sohn aus erster Ehe, der

aber nur 8 Monate lebte. 2 NicKant 49. 3 Mitkaiser: NicKant 64; Hochzeit: ebd. 65. Man kann sagen, daß die Heirat von Kantaku­

zenos angeordnet war. Kantakuzenos selbst äußert sich sehr positiv über die Person des jungen Kaisers und lobt seine Tapferkeit, seine Einsicht und seine Befähigung zum Herrscher (Kant III 9,14ff.).

4 T24/L389, verfaßt wahrscheinlich 1350/51. 5 T26/L64,34 ff. 6 T27/L15,22-31; vgl. T32/L13,15ff. (vgl. die dort, Xl, aufgezählte indirekte Kritik an

ihm). 7 T36/L58,39f.; zum Aufenthaltloannes' V. auf der Insel s. NicKant 81-83. Zur Frage ei­

nes Briefwechsels zwischen Kyd. und dem Palaiologen s. T36, Ep. Ober das Votum des Kyd. ge­gen die Verbannungloannes' V. s.o., S. 14 mit A.69.

8 T39/L62,32f. 9 KydloPal 11,29-13,8. 10 Versprechungen: KydloPal 11,31-33. Zur Erfüllung vgl. die folgende Anm. und die

weitere Darstellung. 11 S. vor allem. T41/L38. 12 T43/L3,28f. (1358). Der ironische Ton der Stelle richtet sich im wesentlichen gegen den

Adressaten und weniger wahrscheinlich gegen die Politik des Kaisers. Zur Türkenpolitik des Kantakuzenos s.o., S. 98, A.27.

13 Das eindeutigste Zeugnis dafür ist ein Brief aus den frühen achtziger Jahren (L23 6, 12 ff.), in dem Kyd. Kaiser Manuel bittet, auf seinen Vater einzuwirken, daß er den Literaten und Rhe­toren mehr Verständnis und Schutz angedeihen lasse. Vgl. auch unten, A.25. Einfluß der Hesy­chasten bzw. Palamiten unter loannes V.: vgl. T42,X3. Vgl. auch miten, A.28. Im Unterschied zu Kantakuzenos war loannes V. kein Anhänger dieser Richtung, konnte sich aber nicht gegen sie durchsetzen.

14 Vgl. TinnGeorg 150f.; 164,A.1. Zu dieser Problematik allgemein L. Clucas, TheTrialof John Italos, München 1981.

15 T51/L89; loannes V. als «gewaltiger Redner» ebd. Z. 27; Anspielung auf den Feldzug auch T58/L125,llff.

16 T54/L73. Zur Problematik der Ehe des Kalopheros für loannes V. s. ebd. ZAOff. Hoff­nung auf Einlenken des Kaisers ebd. Z. 8 8 ff. V gl. EszKal 17 -19.

17 T64/L98 (1365), 10.14ff. 18 T61/L94,llff.; dazu LBF I 315,A.3. Vielleicht läßt sich dies Unternehmen mit einem

überfall «räuberischer Horden» auf Mesembria (1365 Sept.-:-1366 Aug. nach SchreinChron 11

203

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

294) in Verbindung bringen. Entweder darauf oder auf die etwa Ende 13 65 angetretene Ungarn­reise (dazu oben, S. 19, A.99) spielt T68/L129,24 (IJ.LXQOV CmEO'tT]) an.

19 Gesandte des Kaisers in Avignon im Herbst 1364: s.o., S. 18 mit A.95. Zur Problematik der vorausgehenden Beziehungen vgl. T59/L93 an Simon Atumanos. Kontakte zunächst mit dem Papst; 1365/66 die Ungarnreise.

20 T63/L97 (Sommer 1365), 31ff. Nach T65/L100,9-11 war Ioannes V. im Jahr 1365 zeitweilig (an der Pest?) erkrankt, genas aber bald wieder dank der Kunst eines Hofarztes.

21 T69/Ll03 (Winter 1367/68), 8.20.50f. 22 T71/L39,35; s. dazu oben, S. 24f. 23 T73/L71,12-25; BarkMan 11-13; Hilfe Manuels: T76/L21,11-13. 23a T78/L34,17; KydIoPaI14,19f. 24 T81/MercNot 353,233.243 ff. 25 Lemnosaufenthalt: T71/L28,9; zum Anlaß s.o., S. 26 mit A.136. 26 T86/L37,40. Es ist unbekannt, ob ihn die Mahnung (T71/L28, 7 ff.) zur Rückkehr veran­

laßte oder etwas anderes. 27 S.o., S. 65, 1.4.3 und T85/L79. 28 Zu Beginn seines Patriarchats hatte Philotheos dem Kaiser schwören müssen, die Antipa­

lamiten nicht zu behelligen (T68/L129,17ff.). Bereits während einer Abwesenheit Ioannes' V. (in Ungarn?) hatte Philotheos mit ersten Aktionen gegen die Antipalamiten begonnen (ebd. 23-25). Im Jahr 1368 konnte ihm Kyd. noch mit dem Eingreifen des Kaisers drohen (ebd. 65 f.), mochte auch sein Optimismus in dieser Hinsicht unbegründet sein (s.o., A.25). Nun, nach dem Scheitern der Hoffnung auf abendländische Hilfe, gab es nichts mehr, was Kyd. vor den Angrif­fen der Palamiten schützte: KydIoPaI18,36ff., und auch Ioannes V. ließ sich von ihnen gegen Kyd. einnehmen: KydIoPa119,29 ff. Auch andere Antipalamiten fanden bei Ioannes V. keinen Schutz mehr: T 0132/L99,30ff.

29 KydIoPaI18,16ff.; 19,38ff.; 20,26ff.; 23,25ff.; T96/L115; T97/L181. 30 T98/L70; T96/L115. 31 T98/L70. S.o., S. 27f. mit A.148. 32 T100/L114,4ff. 33 T96/L115,6ff.; T104/L156,4ff. 34 T105/L147; T106/L193; BarkMan 19-22. 35 T109/L117,8f.11f.30ff. 36 T111/L132,5ff.; Tl12/L133,20.28; Tl13/L134; T117/L138,20ff. 37 Weitere Geldmahnungen: L139; L186,12ff.; vgl. L143 (an die Kaiserin Helene); bei der

Verteilung der Jagdbeute übergangen: L153. Schmunzeln könnte man über die Klage des Kyd., der Kaiser fordere und esse sogar die Äpfel aus seinem Garten (L186,12 ff.).1n dieser Zeit ist ein Aufenthalt Ioannes' V. in Thessalonike bezeugt (L168). Die Information darüber hat, soweit ich sehe, außer in LS 11 in der Literatur keine Beachtung gefunden.

38 S.o., S. 30 mit A.158 -162. Vielleicht fällt in diese Zeit der überschwengliche Dank des Kyd. für eine erhaltene Geldsumme: L83.

39 L176,33; dazu BarkMan 28. 40 BarkMan 32f.; Enttäuschung über mangelnde Hilfe aus Thessalonike: L206,18. 41 L198,21f.; L201,4ff.; L219,15; L220,4; BarkMan 35f. 42 L208,4 ff.

204

EXKURS IOANNES V.lBRIEF T2?

43 BarkMan 42. 44 Anspielung auf «stählerne Fesseln», die sowohl für Kyd. wie für Manuel bestehen:

L276,34f. 45 BarkMan 45. 46 Eine von den Türken bedrohte Stadt, aber ohne Namensnennung (Loenertz vermutet

Serres): L281,4ff. Kyd. gehindert, nach Thessalonike zu gehen: L279,46H. Anderen werden solche Tendenzen verübelt: L264, 79 H.

47 BarkMan 51; L305,13; L306,62; L308,24f.; L313,50. 48 L309,88. 49 BarkMan 52. 50 L318,2lf.; dazu BarkMan 57,A.156. 51 L332,61 f.; L342,63 H. 52 Das bezeugt vor allem die Weigerung des Kaisers, Manuel zu empfangen, worüber Kyd.

in L33 8,4 ff. berichtet. Im Vergleich dazu war die Debatte mit dem Kaiser über die Heimkehr des Philosophen Georgios im]. 1383 noch recht positiv ausgegangen (L344, ].1383,2lff.).

53 L346; L350,65ff.; L354,12; L365,12. 54 Versöhnung bezeugt: L368,6 (Herbst 1387). Kydones ausgeschaltet: L361; L370,9;

L371,23; L377; L405. 55 L3 74,8 f.: Der Kaiser unter dem Einfluß von Intriganten. 56 L411,17ff. 57 L440,58. Vgl. BarkMan 80. S.o., S. 44 mit A.245.

27 - AN KAISER KANT AKUZENOS

L: 15; OKyd: Konstantinopel; E: Ioannes Kantakuzenos; OE: Adrianopel; D: Sommer 1352; wI: Gratulation zur Einnahme von Adrianopel; Enkomion auf die Tugenden des Kaisers.

Von Gott geschah dir, von dir aber uns das Gewohnte 1. Warst du doch wieder2 allenthalben von Schrecken umgeben, deine Freunde waren fern, 5

und die Daheimgebliebenen kannten nur eine Beschäftigung: Angst um ihr Schicksal! Mitten in dieser Angst aber lauschten wir, ob jemand etwas aus dem Lager zu berichten habe. Wohlan nun! Der, dem an Tugend und Gerech­tigkeit gelegen ist, ist dir an Stelle aller anderen als Bundesgenosse verblie­ben3

, Kaiser. Und so stürzen die, die sich zu ungerechter Bundesgenossen­schaft erbieten; es stürzt der Hochmut des Barbaren, der da glaubt, er könne 10

durch seine Teilnahme am Kampf Feigheit in Stärke verwandeln4 ! Es fliehen aber auch die lächerlichen Thraker; den Marathonkämpferns ferner erschien es schändlich, fortan in Reih und Glied standzuhalten. So haben sie jetzt er­kannt, daß ihre früheren Siege nicht ihrer Tapferkeit zu verdanken sind, son­dern daß sie mit Herakles6 damals gegen alles zu Felde zogen und von deinen

205

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Befehlen abhängig waren. Der Hebros aber bedarf jetzt wie der Skarnander 15 der Musenkunst Homers wie damals, als Asteropaios floh, Achilleus aber

kämpfte und zahlreiche Erschlagene in der Strömung dahintrieben 7 • Mit sol­chen, verkündeten sie, sei auch unser Fluß besser geschmückt als mit den Bäumen am Ufer und den dahinterliegenden Weinbergen. Für uns aber, die wir schon halbtot waren, bedeutete es soviel wie das Leben: nun wußten wir,

20 daß das Recht die Rechtsbrecher finden wird, empfanden aber Schmerz, daß dies nicht schneller erfolgte.

Das nenne ich wahrhaft einen echten Sieg, wunderbar wegen seines Aus­ganges, wunderbarer aber noch wegen seines Anlasses. Denn du bist nicht in diesen Krieg verwickelt worden, weil du etwa zuvor Unrecht getan hättest, sondern hast dich, ohne dich in die Rechte anderer einzumischen, wegen der Gewalttätigkeit der anderen unter Waffen begeben8

• Und, was alle in Er­staunen setzt9

: du bist nicht müde geworden, denen, die bei dir mit Recht ihr Leben verwirkt haben (wegen der Wohltaten, die sie zuvor von dir empfan-

25 gen hatten), Gutes zu tun, und das, obwohl du sie oft in deine Gewalt ge­bracht hast und obwohl alle riefen, es sei unmöglich, dein Leben anders zu si­chern als mit ihrer Hinrichtung, und sie zu derselben Strafe verurteilten, die sie zuvor deinem HAUPT zuerkannt hatten 10. So hast du schließlich die äußer­ste Grenze des Wohltuns überschritten, sie aber verlangten nach deinem Le­ben. Erst dann hast du an Krieg gedacht, ganz unfreiwillig, denn du hattest Ehrfurcht vor den Verwandtschaftsbindungenll

. Erst diese ließest du sie zu-30 vor angreifen, um dadurch einen gerechteren Anlaß zum Krieg zu haben12

Da aber Gott dir die wunderbare Fähigkeit verlieh, hast du alle besiegt, mit Gerechtigkeit, Einsicht und Großmut und mit allem, womit man sich die Vorstellung vom besten Leben ausmalen will.

Was bleibt also noch, als nach diesen Ereignissen beinahe schon zu glau­ben, man höre auch von einem größeren Erfolg 13, da alle mit Platon von dem

35 Kaiser künden, der durch die Tugend Sieger ist? Denn ich glaube, alle folgen­den Ereignisse werden diesem Vorspiel entsprechend ablaufen, da die Fähig-I keit des Kaisers für alles bürgt.

K 1. OKyd: Kyd. spielt auf sein Zurückbleiben (5) an, während der Kaiser zu Felde zieht (6f.);

in Konstantinopel gemäß dem etwas später aus derselben Situation geschriebenen Brief T31!L41,15. OE; D: Kantakuzenos hat am Hebros (14, = Marica in Thrakien) einen Sieg er­rungen (4 f., 7 ff.). Kyd. beschreibt die Sorgen um den Ausgang seines Unternehmens, als er noch im Kriegslager weilte (6f.). Am Schluß prophezeit er ihm weitere Erfolge (33-36). Der Brief be-

206

1

j l

BRIEF T2?

zieht sich also auf den ersten Erfolg eines thrakischen Unternehmens des Kantakuzenos, dessen Schauplatz die Marica war. Es geht um einen Krieg, in den ihn andere hineingezogen haben (22), und die Situation des Schreckens dieser Art ist für Kyd. nicht die erste (4). Nach all dem kann es sich nur um das thrakische Unternehmen des Kantakuzenos gegen loannes V. 1352 handeln (NicKant 79 f.). Der erste Erfolg dieses Unternehmens war die Einnahme Adrianopels im Som­mer des Jahres; der Glückwunsch des Kyd. muß kurz danach geschrieben sein. Die frühere Da­tierung des Briefes (s. LBF I 278,A.5) auf 1344/45 wurde von Loenertz bereits in der Ausgabe widerrufen. Auch LS I datiert auf Sommer 1352. NicKant 80,A. 114 bezieht den Brief irrig auf den Sieg der türkischen Bundesgenossen an der Marica, Oktober 1352.

11. BE: Seine Scheu vor einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Schwiegersohn (29) und seine Großmut ihm gegenüber (23 ff.; vgl. A.10; Z.32) werden besonders betont. Xl:

Der «Barbar» (9f.): Süleyman, Sohn Orchans, Anführer der türkischen Verbündeten, die loan­nes V. Palaiologos aus der Festung Tzympe (Halbinsel von Kallipolis) nach Thrakien kommen ließ (Kant III 242,15). Als sich loannes V. auf die Kunde vom Herannahen des Kantakuzenos nach ternomen und Didymoteichon begab, blieben diese Türken zur Verteidigung Adrianopels in der Stadt zurück, ergaben sich aber, als Kantakuzenos die einheimische Besatzung besiegt hatte, und gingen zu ihm über (Kant III 244). Zur Eroberung Tzympes durch Süleyman 13 52 vgl. WernOs 134. X2: Thraker und Marathonkämpfer (11): die in Thrakien ausgehobenen Trup­pen, die loannes V. unterstützten (NicKant 80; Kant III 242,1lf.; Greg III 151,11); Marathon­kämpfer (vgl. L329,24) wohl wegen ihres griechischen Ursprungs genannt, zugleich auch wegen des hohen Anspruchs, den sie erhoben, sc. gegen Kantakuzenos zu siegen. X3: loannes V. und seine Anhänger, die Kantakuzenos zum Krieg zwingen (23 ff. 30); Kyd. sieht ihren Kampf als ungerecht an (19.22). ZC: S. D.

III. Hs: B 197v-198r, Nr. 26.

IV. 1 Sinn: Gott verlieh Kantakuzenos in gewohnter Weise den Sieg. Damit ist das Haupt­thema des Briefes in einer Weise angeschlagen, wie Kantakuzenos es gern hörte; so auch Z.31 (von Gott in besonderer Weise begünstigt: vgl. Exkurs, S. 96 mit A.14).

2 Sc. wie in den vorausgehenden Kriegen des Kantakuzenos. 3 Auch hier ist wieder Gott gemeint. 4 Dramatisches Paregmenon (Lausberg § 648): :7tL:7ttOUOL - :7tL:7ttEL. Barbar: Süleyman, der

Sohn Orchans, s. Xl. Anspielung auf die xaXLa (Feigheit) der Anhänger loannes' V. 5 Zur Interpretation s.o., X2.

6 Kantakuzenos als Herakles: T5,A.2l.

7 HomIl21,136-208: Achilleus kämpfte am Skaniander mit Asteropaios, dem Anführer der Paioner, und warf ihn in den Fluß. Nach HomIl21,6-26 drängte Achilleus zahlreiche Troer kämpfend in den fluß, und das Wasser rötete sich vom Blut der Erschlagenen. Für die makabre Vorstellung, Leichen der Feinde seien ein schönerer Schmuck des Flusses als Bäume und Wein­berge, findet sich bei Homer kein Vorbild.

8 Das sprachlich etwas unbeholfen klingende ö'QXoov nÖLXOOV mit Verwendung des im Atti­schen selteneren Aktivs statt des Mediums Ö,QXOJ.lUL hat in Stellen wie Thuk 1,53 (ö'QXELV:7tOA.E­J.lOU = der Angreifer sein) sein Vorbild. Ähnlich unschön klingen die zwei Genetive hintereinan­der in tii ßL~ tWV ö'AAOOV twv O:7tAOOV tytvou. Die Verwendung von y(YVW'frUL entspricht hier ei­nem nur bei Pape, s. v., 2 a (nicht bei LSc) belegten spätgriechischen Gebrauch wie y(yvwßm eA­:7t(öo~. Wörtlich hier also: «du hast dich den Waffen überlassen». Vgl. dazu auch KG I § 418,

207

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

S.371-373; Schwyzer 11 123; beide ohne die hier gebrauchte Wendung. Bei Kyd. auch T30/L42, 54. Kyd. betont also hier, daß Kantakuzenos einen «gerechten» Verteidigungskrieg führt. S.o., BE; X2.

9 Zur Hyperbelmit «all(e)>> in den Briefen an Kantakuzenos s. T7,A.2. Im folgenden auch Z.25.32 (zweimal).34.36.

10 Anspielung auf Vorgänge im Februar 1347. Einige seiner Anhänger rieten Kantakuzenos zu konsequentem Vorgehen gegen die besiegten Gegner in der Hauptstadt, Kantakuzenos neig­te, wie er jedenfalls selbst bekundet, aus Respekt gegenüber dem «legitimen» Herrscherhaus der Palaiologen zur Versöhnung. S. Kant III 10,7ff. Sympathie für loannes V. betont: Kant III 9,14ff.

11 Wohl Anspielung auf die Ehe seiner Tochter mit loannes V., doch ist evtl. auch an die bei DöParasp 197 ff. behandelte geistliche Verwandschaft zu denken, die eine XOLvwvLa "W'Ü ytvouc; konstituiert.

12 loannes V. warf seinerseits dem Schwiegervater vor, er habe zuerst zu den Waffen gegrif­fen: Greg III 156,20; dazu DöParasp 202,A.20.

13 Kyd. nimmt diese «Prophezeiung» in T32/L13,4f. auf.

28

L: 59; OKyd: Konstantinopel; E: Ein rhetorisch gebildeter Freund in der Umgebung des 10-annes Kantakuzenos, Tarchaneiotes? OE: Adrianopel; D: Sommer 1352 (?); wI: Mahnung des säumigen Briefschreibers; Anspielung auf einen militärischen Erfolg des Ioannes Kantakuzenos und Bitte um genauere Information darüber.

Wenn ich nicht wüßte, daß du um mein Wohlergehen besorgt bist und au­ßerdem dich auszudrücken verstehst, würde ich dich weniger wegen deines

5 Schweigens tadeln. Nun aber braucht einer, der deine Zuneigung beweisen will, sich keine Mühe zu geben. Du würdest ja sogar in Harnisch geraten, wenn einer behaupten wollte, dein Bruder stehe dir höher als wir!. Das ande­re2 aber kann ich dir bezeugen und alle anderen, selbst wenn du mit ihnen nur kurz zusammen warst. Ja sogar die, die du persönlich kennengelernt hast,. auch sie müssen von denen, die mit dir zusammen waren, über deine Zungen- I

10 fertigkeit wohl unterrichtet sein3• Wie willst du also für dein unbegründetes

Schweigen uns gegenüber noch Ausflüchte suchen? Denn wo man keinen dieser beiden Gründe vorbringen kann, da wäre es doch lächerlich, noch nach einem anderen zu suchen! Du wirst ja wohl nicht den Krieg anführen, das Essen auf dem Schild und das Schlafen in voller Rüstung4 ! Wir kennen nämlich viele, die sogar mitten im Hagel der Geschosse ans Schreiben ge­dacht haben und das Gedenken an die Freunde auch nicht unter dem Feldge-

208

BRIEFE Tl7 - T28

schrei der Feinde aufgeben wolltens. Im übrigen aber hat nunmehr das Glück des Kaisers dir die Möglichkeit gegeben, nicht nur zu schreiben, sondern 15

auch zu schlafen, zu spielen und zu tun, wonach sonst der Sinn steht. Hat es doch die Giganten durch Taten belehrt, es sei nutzlos für sie, Zeus anzugrei­fen6

• Schreibe uns also und berichte uns unter anderem auch von der unge­wöhnlichen' Sintflut, die jene Unglücklichen bedeckte7

• Denn für dieses traumhafte Geschehens gibt es keine Worte!

K I. D: Für die Datierung gibt es zwei Anhaltspunkte: die Erwähnung der «Sintflut» (18) und

das «Glück des Kaisers» (16), der mit Zeus verglichen (17) und von Giganten angegriffen wird (16). Der Vergleich mit Zeus spricht dafür, daß der Kaiser Kantakuzenos ist (vgl. A.6); ein «Gi­gant» muß ein anderer sehr mächtiger und aufsässiger Rivale (vgl. dem Kampf des Zeus mit den Giganten), folglich Ioannes V. sein. Der Kaiser, sc. Kantakuzenos, hat Glück gehabt, d. h., über seinen Rivalen gesiegt, und zwar an einem Gewässer. Vergleicht man nun T2 7/L 15,14 ff., dann wird der Bezug des vorliegenden Briefes auf dasselbe Geschehen sehr wahrscheinlich (s. T27,OE,D), zum al die Schilderung der Unannehmlichkeiten des Lagerlebens (11 ff.) auf die Zeit vor der Eroberung Adrianopels, die Erwähnung der geruhsamen Gegenwart (14f.) auf den fol­genden Aufenthalt in der Stadt hinweisen dürfte (vgl. T29/L14!). E: Der Adressat verfügt über besondere rhetorisch-literarische Bildung (4.7-10), ist ein enger Freund des Kyd. (6) und ein Mann in der Umgebung des Kantakuzenos (14ff.). Diese Beschreibung paßt gut auf den in T30/L42,46~49 erwähnten Tarchaneiotes (s. Exkurs, S. 218 ff.), doch ist sie zu wenig charakteri­stisch, um endgültige Sicherheit zu gewähren. Die Gleichsetzung mit Astras wird von Loenertz erwogen, s.o., T25,Xl; vgl. dazu unten, Exkurs Astras, S. 250ff. OE: Adrianopel (s.die überle­gungen unter 0). OKyd: Die Bitte um bessere Information (17ff.) zeigt Kyd. in derselben Situa­tion wie in T27; s. dort, OKyd.

11. Xl: Ioannes Kantakuzenos (16). X2: Giganten (16) = Ioannes V. und seine Anhänger (zu beiden s.o., 0). ZG: S.o., D.

III. Hs: B 226rv, Nr. 70. IV. 1 Wie in T22 (A.7; A.14) beweist Kyd., daß E für sein Schweigen keinen plausiblen

Grund hat. Oberbietung des Bruders: s. T15,AA. 2 Sc. die Fähigkeit, sich literarisch auszudrücken. 3 Mit einer dreigliedrigen Klimax (ich selbst - flüchtige Bekannte - nicht persönlich Be­

kannte) hebt Kyd. den Ruhm des Adressaten als Rhetor hervor. 4 Weitere angebliche Gründe des Schweigens, die Kyd. nur noch mit Ironie vorbringen

kann. Man muß aus der Stelle nicht entnehmen, daß Kyd. den Empfänger zum gegenwärtigen Zeitpunkt tatsächlich im Heerlager vermutet (s.o., OE).

5 Doppelte Hyperbel: 1. viele, 2. Schilderung der extremsten Kriegssituation. Der Kontrast zum tatsächlichen geruhsamen Leben des Adressaten, das im folgenden geschildert wird, wird damit um so größer.

6 Kantakuzenos = Zeus: vgl. T3,A.3. Zur 'tUXTJ (<<Glück») s. T18,A.1. 7 Diese Anspielung ist in T27/L15,15f. genauer ausgemalt.

209

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

8 W.: 'tel OVELQa'ta 'taiha. Sinn: unwirklich, kaum zu glauben, wie T3 7,A. 7. Das vorausge­hende «denn» bezieht sich auf das Epitheton «ungewöhnlichen» vor «Sintflut».

29 - AN KAISER KANTAKUZENOS

L: 14; OKyd: Konstantinopel; E: Ioannes Kantakuzenos; OE: Adrianopel; D: Sommer 1352; wI: Humorvolle Reaktion auf einen Bericht des Kaisers über das Treiben seiner Hofbeam­ten in Abwesenheit des Kydones.

Was du dabei im Sinn hast, wenn du erlaubst, mit den ernsthaften Aufga-5 ben im Palast auch Spiele zu verbinden 1, weiß ich wirklich nicht. Nur so viel

möchte ich sagen: von deiner Seite mag wohl nichts geschehen, was nicht auch Gott gutheißen könnte. Wäre aber dazu auch ein Orakelspruch zu zitie­ren, so möchte ich den des Galaters2 auf keinen Fall anführen. Denn du ver­fügst über andere, wesentlichere gewinnende Eigenschaften, denen sich nie-

10 mand entziehen kann und vor denen jeder kapituliert in dem Glauben, eine solche Niederlage sei ihm förderlicher als jeder Sieg3

• Ich möchte aber auch noch das Wort des italischen Philosophen4 anführen, der Kaiser lasse dies gewissen Leuten zuliebe zu. Er verfügt ja über einen recht vielfältigen Chor, und nur wenige darin können harmonisch richtig singen; so muß der Chor­führer mit den Sängern, die ihm weniger zu folgen vermögen, Nachsicht üben, damit jeder gleichsam in jeder Hinsicht nach Kräften das eine Chor­stück gestaltets. Diesen Zweck erfüllen bei dir, glaube ich, diese Brettspieler

15 und die, die fast alles mit Gelächter erzählen können6, ferner die Philoso­

phen, die Kriegsleute, die Ratgeber, die Juristen und überhaupt alle, die sich auf viele verschiedene Dinge verstehen7

• Denn der Kaiser muß viele Charak­tere und Begabungen mischen, um aus allem, wie Platon sagt, das feine Ge­webe zu knüpfen8 und die eigene Herrschaft so als ein dem Gesamten wohl- \ angepaßtes System zu erweisen.

20 Warum also verfährst du ohne Grund nach Art des Simmias und beschul-digst mich für dieses Spiel9 ? Denn ihr hättet mich besser persönlich bei euch, anstatt mich zurückzulassen, ich weiß nicht warum, und euch etwas aus zu­sinnen, was euch an mich erinnert, anstatt die Leier anzuschauen und die Per­son im Stich zu lassen wie einer, der auf die Dinge selbst freiwillig verzichtet und nach Abbildern verlangt, um sich mit ihrer Hilfe das Verweilen bei den wahren Dingen auszumalen lO

• Das könnte also nicht einmal der Ring des 25 Lyders Gyges, der alle in Nacht hüllt, verbergen l1

• Da sollte ich die Wahrheit

210

BRIEFE T28 - T29

verkennen und mich, obwohl ich mißachtet werde, zu denen zählen, an die der Kaiser denkt? Wen könnte dann Tzykandeles mit größerem Recht als mich fragen: « Wo ist dein Verstand geblieben?) 12 Könnte er mir dann nicht sogar verdientermaßen etwas von seinem geliebten Linsengericht anbieten, wenn ich so handgreifliCh vom rechten Gefühl verlassen wäre?

Was mich betrifft, so finde also eine andere, menschlichere Entscheidung, 30

Kaiser. Denen aber, die sich unterfangen, in aller Öffentlichkeit das Brett­spiel zu spielen 13 und sich nicht scheuen, vor deinen Augen so gegen die Ge­setze zu verstoßen, sage ich, sie sollen entweder lernen, mit der entsprechen­den Wissenschaft zu spielen, oder aufhören, so gegen die heilige Wissen- I

schaft zu freveln14, damit ich nicht komme und sie für ihr gesetzloses Treiben

bestrafe.

K I. OKyd, D, OE: An die beiden vorausgehenden Briefe (T27/T28) erinnert die Bemerkung,

Kyd. sei zurückgelassen worden (sc. in Konstantinopel) (hier Z.21). An T28/L59,15 erinnert das hier erwähnte Spiel (Z.5.14.20.30.32), zu dem man nur an einem geruhsameren Ort wie in der eroberten Stadt Adrianopel Zeit hat. Für Adrianopel spricht auch die Erwähnung von ßaoLÄELa (4), also wohl einem Palastgebäude, wie es für diese Stadt bezeugt ist (A1!drRhod 11 142). Ferner verknüpft der Name Tzykandeles (27) diesen Brief mit zwei anderen: T31/L41 und T35/L57, von denen T31 zeitlich zu T30/L42 zu stellen ist(s. dort, D). T30 aber enthält eine Anspielung auf die Milde des Kantakuzenos gegenüber seinen Feinden, die sich wie T27/L15, 23 ff. zweifel­los auf loannes V. bezieht. So spricht einiges dafiir, auch den vorliegenden Brief in die Zeit des Feldzuges von 13 52 und nicht in die Zeit' einer anderen Abwesenheit des Kantakuzenos von Konstantinopel zu datieren~ genauer in die Zeit nach dem Eindringen in die Stadt Adrianopel 'und vor dem Sieg der türkischen Bundesgenossen an der Marica (s. u., T32).

11. BKyd: Kyd. beklagt sich halb scherzhaft, allein in der Hauptstadt geblieben zu sein und nicht bei Kantakuzenos zu weilen (20f. 29f.). BE: K~ntakuzenos gestattet den Angehörigen sei-. nes Hofes während einer friedlichen Periode innerhalb der Auseinandersetzungen mit loannes V. Zerstreuungen wie Brettspiele (s. A.6) und Vorführungen von Spaßmachern (15). Kyd: deutet dies Treiben aus der klugen Rücksichtnahme des Kaisers auf die verschiedenen Interessen der

. Leute seiner Umgebung (10-14). Xl: Tzykandeles (27f.), von dem Kyd. in vertrautem Ton spricht und den er scherzhaft als Liebhaber von Linsengerichten hinstellt (Hülsenfrüchte als ein­fache Speise: T20,A.6; Kuk V 96ff.). Zur richtigereti Schreibungdes Namens als «Tzikandeles» s. E. Trapp,JÖB22 (1973) 233 undJÖB 27 (1978) 195. NachLBF 1308 handelt es sich um den

... Kopisten Manuel Tzykandeles, ursprünglich Freund der Familie Kabasilas und Anhänger des Kantakuzenos in Thessalonike, seit 1347 in der kaiserlichen Kanzlei tätig, nach dem Sturz des Kantakuzenos Kopist, zuer.st in Konstantinopel, seitca.1359 in Mistra (LBF I 309; MaksKant . 179;~it.: ebd. A.29; Aufenthalt in Epibatai: A.31; vgl; auch NE 4, 1907, 167-176, 493f.; als Kopist von Hss häufig erwähnt: eiruge Angaben dazu ebd; weitere St~llen in der Kartei des PLP)~ In T31/L41 drückt Kyd~die Hoffnung aus, er werde bald vom Linsengericht. befreit werden (13 f.); in T35/L57 deutetKyd. an, Tzykandel~s werde sich nun, nach Beendigung des Krieges,

211

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

goldenes Kochgeschirr beschaffen; er war also kein Verächter guten Essens. über weitere An­spielungen dort s. T35,A.3-A.5. Ep: Ein Brief des Kantakuzenos an Kyd. ist zwar nicht aus­drücklich erwähnt. Doch ist dieser Brief so abgefaßt, daß er nur eine Antwort auf einen solchen sein kann. Kantakrizenos hat über die Vorgänge im «Palast» berichtet und scherzhaft der Abwe­senheit des Kyd. die Schuld für die Spielwut seiner Höflinge gegeben. Dieser Ansicht ist auch Loenertz in LS I, Resümee von L14.

111. Hss: B 197rv, Nr. 25; 0 285rv, Nr. 36; P 394v -395', Nr. 8. IV. 1 Der Gegensatz oJ'tO'Uöaollum und J'taLÖLa~ ist als Anspielung auf eine platonische An­

tithese zu verstehen, vgl. PIPhdr234d, Grg481 a, Smp 197e, Plta 602b u. ö., die in der byzantini­schen Literatur wiederholt zitiert wurde, z. B. ManEp (Den) Nr. 2,2-4. Vgl. auch L423,22.

2 Kyd. bietet zwei mögliche Deutungen für die Nachsicht des Kaisers gegenüber den Spie­lern an, als erste die des «Galaters», was Loenertz in LS I (Resümee des Briefes) mit «Fran~ais» wiedergibt (in dieser Bedeutung erscheint das Wort bei Kyd. noch T44/L46,29; L269,49; unsi­cher T32,A.15). Die «französische» Deutung also wäre, Kantakuzenos sei nur nachsichtig, weil er geliebt werden wolle (LS I: « .. Je desir ... de se faire aimer»). Da der zitierte «Franzose» im Gegensatz zu dem folgenden itali(eni)schen Philosophen steht, ist auch er möglicherweise ein Philosoph, auf den Kyd. anspielt. Aber das Problem, wen Kyd. hier meinen könnte, wird um so schwieriger, wenn man bedenkt, daß nicht nur er, der damals durch Vermittlung der Dominika­ner mit westlichem Denken in Berührung kam, sondern auch der Kaiser die Anspielung verste­hen mußte. Auch in LS I kein Hinweis für eine mögliche Interpretation. Vielleicht handelt es sich einfach um Lateiner im Gefolge des Kantakuzenos, denen Kyd., weil er sie kannte, gewisse Äu­ßerungen zuschreiben konnte.

3 über c:pO"teov (hier im Plural c:pLÄ.teU = gewinnende Eigenschaften) im Freundschafts­brief, hier im ursprünglichen Sinn als «Charme» zu übersetzen: Hunger I 223. Das Bild von Sieg und Niederlage, hier nicht literarisch wie T5,A.16, sondern psychologisch, was allerdings auch dort schon mitklingt, hier noch mit einem Oxymoron (förderliche Niederlage) verbunden.

4 LS I übersetzt «toü 1tuÄ.oü c:pLÄ.oo6c:p0'U» mit «religieux italien», aber es ist mir zweifel­haft, ob hier «c:pLÄ.6ooc:po~» wirklich mit «Mönch» (Hunger I 7 f.) zu übersetzen ist oder doch mit \ «Philosoph», in ironischem Sinn, wenn der Schluß von A.2 zutrifft. Inhalt des Gedankens ist je­denfalls die zweite Alternative für eine Interpretation der kaiserlichen Nachsicht: sie werde aus Rücksicht für andere geübt, d. h., aus altruistischen Motiven.

5 Zum Bild vom Chor s. T19/L86,A.1.

6 «Brettspieler», w.: J'tEttEUOVtE~. LS I denkt an «jouer aux echecs», was wohl nicht zu be­weisen ist. über Brettspiele in Byzanz: Kuk 11,217 -219. Mit dem VerbumJ'tEttEuELv wird auch das aoteuYUÄ.LOIl6~-Spiel bezeichnet (ebd. 215-217). Mit der folgenden umschreibenden Wendung wird wohl auf Spaßmacher hingedeutet, die am Kaiserhof z. B. bei PsellChron 11 37 ff.; NikChon 441,19 bezeugt sind; vgl. auch eine Prodromos-Stelle: BZ 23 (1914/19) 399, V.40.

7 Sinn: neben den ernsthaften Angehörigen des Kaiserhofes muß es auch das unterhaltende Element geben.

8 PIPltk 310e: dort nicht nur das Bild, sondern auch der entsprechende Gedanke. 9 Simmias wie T4,A.8: Kantakuzenos hatte offenbar mit einer gewissen Wehmut auf etwas

angespielt, was ihn an Kyd. erinnere, und Kyd. spottet nun, es wäre doch einfacher gewesen, ihn persönlich mitzunehmen. Zu der Anspielung auf Simmias gehört auch die weiter unten er­wähnte Leier.

212

BRIEFE T29- no

10 Zum Gegensatz ELÖOOAU (Abbilder) und ta tlATJinj (wahre Dinge) vgl. PITht 150e, Smp 212a.

11 PIPlta 359 c-3 60 b; der Ring noch nicht bei Hdt 1,8 H. Das, was nicht verborgen bleiben kann, ist der Widersinn der soeben geschilderten Einstellung. Hyperbel durch Vergleich a maiore ad minus mit ouöt, vgl. T10,AA.

12 Wörtliche Rede im Brief, in der antiken Brief theorie verpönt (Ps.-Dem 226), bei Kyd. nicht selten, hier in einer Ethopoiie (Lausberg § 820).

13 Ironischer Tadel an der Spielwut der in Z.14 Genannten. 14 Wortspiel mit «ErtL<TtTJJ.l.TJ»: «1tUL~ELV J.l.Et' ErtL<rtTJJ.l.TJ~» ist wohl als Oxymoron gedacht,"

und sich an der «LEQa ErtL<rtTJJ.l.TJ» verfehlen, soll wohl heißen: die Pflichten gegenüber dem Herr­scher vernachlässigen, entsprechend einer ironischen Anspielung im anzunehmenden Brief des Kantakuzenos. Vgl. PIPltk 300e zur ßUQAXTJ ttxvTJ und zur 1tOALtLXTJ ErtLQ'tTJJ.l.TJ des Herrschers. Auch LS I zur Stelle spielt auf diese Platonstelle an. Die folgende Drohung ist natürlich scherz­haft gemeint.

30 - AN DIE SEKRETÄRE DES KAISERS

L: 42; OKyd: Konstantinopel; E. Sekretäre des loannes Kantakuzenos; OE: Thrakien; Adrianopel (?); D: Sommer 1352; wI: Mahnung der säumigen Briefschreiber; Zurückweisung möglicher Entschuldigungsgründe; Vorwurf des Gesinnungswandels im Gefolge einer Ver­stimmung des Kaisers gegen Kydones, die aber nicht sehr ernst zu nehmen ist.

Nicht das sind Freunde ihren Freunden schuldig: Zu schweigen und da­durch den Anschein zu erwecken, man verachte die, die man den anderen 5

vorziehen müßte. Aber auch ihr selbst habt mir bei eurem Aufbruch so etwas wahrhaftig nicht versprochen, sondern eure damaligen Zusagen waren weit davon entfernt, wie Demosthenes sagt, nämlich: ihr würdet mich auch nach der Abreise nicht weniger lieben, ihr würdet deshalb an mich denken, ihr würdet durch Schreiben euer Gedenken unter Beweis stellen 1. Ihr aber habt, als hättet ihr geschworen, eure Versprechungen zu vergessen, in eurem Ver- 10

halten zu uns sogar die Gesetze der Pythagoreer übertroffen2, und das, ob­

wohl ihr über solche Dinge berichten könnt, von deren Schrecken nicht ein­mal der Schlaf Befreiung bringe. Dabei sagt doch Hesiod, jeder, von dessen Redekunst er überzeugt würde, sei ein rechtschaffener Mann4

• Ihr aber habt auch unsere Mahnung mißachtet und ließt euch trotz unseres Briefes keines­wegs mehr in der Sache, die wir euch vorhielten, bewegen, sondern ihr habt euch in die letzte Seinsstufe verbannt, obwohl ihr doch auf die erste Anspruch 15

erheben solltet. Erklingen doch sogar die ehernen Gefäße denen, die sie an­schlagen, gleichsam als ob sie antworteten, und wenn man sie nicht berührt, tun sie es noch lange Zeit. Ihr aber habt auch sie noch übertroffen und an­scheinend das Schweigen von Standbildern mehr bewunderts.

213

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Aber ihr werdet doch auch nicht den seltsamen Vorwand anbringen und den Rückzug auf ein ungerechtes Argument erzwingen wollen, nämlich über

20 eure ständige Quälerei mit dem Schreiben jammern: eure Hände könnten dem Diktiertempo des Kaisers nicht genügen, ihr müßtet mitten in der Nacht euer Mahl einnehmen und kämt erst bei Sonnenaufgang zum Schlafen6

• Da­mit könntet ihr vielleicht andere überzeugen, mich aber werdet ihr nicht täu­schen, wahrhaftig nicht mehr als euch selbst! «Denn auch ich war einmal, aber jetzt bin ich nicht mehr», habt ihr in der Tragödie7 gehört, und da wir

25 lange Zeit euer Vorgesetzter waren, wissen wir, daß Leute in diesem Dienst die Möglichkeit haben, Freundschaften zu pflegen, sich körperlich von den Mühen zu erholen und sogar noch Zeit für Zerstreuung zu finden; Es ist also unangebracht, sich mit diesen Vorwänden entschuldigen zu wollen, zumal wenn die Worte sich an den richten, der alles gen au weiß.

Denn gerade das ist das Schlimme: ihr schreibt so viel und so vielen Leuten, 30 und dabei könnt ihr euch nicht ermannen, uns auch nur einen kurzen Brief zu

schreiben, sondern ihr glaubt mit dem Hinweis auf die anderen etwas auszu­richten, so wie wenn ein Arzt seiner eigenen Mutter seine Kunst verweigern würde mit der Ausrede, es gebe viele andere, die seiner bedürften8

• Da ihr euch· aber anscheinend schämt, den wirklichen Grund zu nennen, eure An­klage aber mit den Gründen, die ihr vorbringen könntet, bestehen bleibt, ist es mir, dem Betroffenen, überlassen, es auszusprechen, woher es euch in den

35 Sinn kam, die Freunde geringzuschätzen. Es ging auch euch, meine Besten, . wie den vielen: ihr lebt mitnichten aus eigenem Antrieb und eigenen Überle- \ gungen, sondern die Launen der Herrschenden sind die Richtschnur eures Handelns, und für euch ist der gilt, weise und anständig bzw.· das Gegenteil, . von dem auch die Leute in Amt und Würden diese Meinung haben. Auf wen aber sie nicht gut zu sprechen sind, den auch nur anzureden ist schön eine

40 Zumutung~ Solange uns also das Schicksal den Platz beim Kaiser bewahrte, wurden wir von euch vieler Worte geWürdigt, mochten wir nun anwesend oder auch gerade nicht sichtbar sein. Da aber jener sich fortbegeben hat und diese Veränderung auch hinsichtlich unserer Stellung ihre Folgen zu zeigen scheint9

, dürft ihr nun anscheinend nicht konstant bleiben, sondern eure eif­rige Zuneigung für uns muß in ihr Gegenteil umschlagen. Deshalb habt ihr· jetzt geschwiegen, morgen aber werdet ihr vielleicht sogar übel von mir re-:

45 den, ja, ihr werdet es bestimmt tun, wenn der Zorn des Kaisers andauertlO•

Nicht bei euch nur ist es aber so, sondern auch die. anderen sahen sich eben­. falls veranlaßt, mich zu beschimpfen. Es schweigt auch der Rhetor Tarcha-

214

BRIEF no

neiotesll, der viel zu schreiben, aber noch mehr zu täuschen vermag, wenn er einer gerechten Anklage entgehen will12

• Jedenfalls wollte unser Freund auch nicht aus seinem so redegewaltigen Mund einen Laut hervorbringen. So ha­ben alle, wie man es nennen könnte, sich gegenseitig nachgeahmt. Wenn ich 50

aber den Gesinnungswandel des Potamiates13 bedenke, rufe ich beständig: «Die Tugend ist dahin!» 14. Er, der in allem so die Gerechtigkeit ehrte, der uns so liebt und von uns geliebt und geehrt wird, zeigte allein in meinem Fall kei­nen Respekt vor der Gerechtigkeit, sondern verfiel auch selbst, obwohl er doch die anderen über ihre Verfehlung hätte aufklären sollen, derselben Un­gerech tigkei t.

Wenn ich also solches ansehen muß, bedaure ich ein wenig mein Schicksal, 55

am meisten aber euch wegen eurer Leichtfertigkeit, solltet ihr doch, wenn schon nichts anderes, so doch wenigstens eine Veränderung der Lage fürch­ten, damit nicht wiederum ein anderes Ereignis euch zwingt, für euer früheres Handeln mit Schande Abbitte zu leisten. Denn dafür gibt es an dieser ver­gänglichen Stätte viele Beispiele, und die Verse der Dichter sind voll von der hienieden herrschenden Unwägbarkeies. Morgen wird ja der Kaiser, in ge­wohnter Weise Sieger über die Feinde und wieder voll Erbarmen mit ihrem 60

Unglück, zurückkehren und wegen seiner Menschenfreundlichkeit nicht we­niger als wegen des Sieges bewundert werden16. Mit vielen anderen werden aber auch wir uns ihm nähern, werden ihn so freundlich wie nur möglich an­schauen und ihn, sowie er Zeit hat17, ansprechen. Er aber wird uns nicht ver­stoßen, wird nicht an uns auslassen, was einige für Zorn halten, sondern (wenn ich euch auch noch einige Geheimnisse verraten soll) er wird uns mit Freude wiedersehen und suchen, welchen Lohn er uns für unser Verweilen 65

zuwenden soll18. Dann ist es Nacht, und wir alle sitzen um die Lampe, und es gibt viele Erzählungen vom Sieg, Lobreden auf die Kämpfer und eine Liste der Auszeichnungen für Tapferkeit19. Dann will ich euch, ihr jetzt so Aufge­blasenen, euren Hochmut vorhalten und es euch sagen, es sei das Gemeinste von allem, sich so an seinen Freunden zu verfehlen, die kein Unrecht began­gen haben. Ihr aber werdet euch verhüllen20 und die Vorwürfe ertragen müs- 70

sen. Denn was wollt ihr dagegen erwidern? Wenn der Kaiser mich nicht ver­stößt, dann besteht ja auch für euch alle Veranlassung, mich zu lieben21

K I. E: Zum Titel der in der Hs angegebenen Adressaten s. T31,A.1. OKyd, D, OE: Wie in

T29 befindet sich Kyd. an einem Ort, wo der Kaiser, der mit seinen Sekretären abwesend ist, ihn

215

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

zurückgelassen hat (39-41), Konstantinopel nach T31/L41,15 (an dieselben Adressaten). Für die Datierung dieses Brief~s entsprechend den drei vorausgehenden in die Zeit des Bürgerkrieges von 1352 spricht vor allem ferner die Bemerkung Z.60, der Kaiser werde «wieder» mit dem Un­glück seiner Feinde Mitleid haben: Bezug auf den zweiten Bürgerkrieg zwischen Kantakuzenos und loannes V. bzw. seinen Anhängern (vgl. auch T29,1.). Kyd. erwartet noch eine neue große Siegesmeldung (59; ähnlich T27,33-35): die Schlacht an der Marica (s. T32) hat somit noch nicht stattgefunden. Der Brief gehört also in die Zeit des Aufenthaltes von Kantakuzenos in Adrianopel im Sommer 1352, wohl spätestens August, denn der folgende Brief (T31) an diesel­ben Adressaten ist auch noch vor der Maricaschlacht im Oktober unterzubringen.

11. BK yd: Er beschreibt seine Stellung in Konstantinopel, bevor Kantakuzenos die Stadt ver­ließ, als Vorgesetzter der kaiserlichen Sekretäre, was er angeblich schon «lange Zeit» war (24-26), in Wirklichkeit höchstens fünfJahre; zu dieser Hyperbel LBF I 454. Zu seiner Stellung als Vorgesetzter der Sekretäre bzw. Notare s. T31,A.1; ferner LBF 1454 und oben, S. 11 mit A.54. Die Anspielung auf eine Verschlechterung seiner Stellung beim Kaiser (41-45) ist wahr­scheinlich Ironie; sonst könnte Kyd. nicht so sicher sein, bei der Rückkehr des Kaisers in Gnaden aufgenommen zu werden (61 ff.). Doch spricht auch einiges für eine wirkliche Verstimmung; in diesem Fall würde Kyd. am Briefschluß ausmalen, wie er den Kaiser nach seiner Heimkehr wie­der für sich gewinnt. BE: Die wegen ihrer Schreibfaulheit getadelten Sekretäre des Kantakuze­nos (s. Brief titel) mögen z. T. mit den Spielern von T29 identisch sein (s. dort, BE). Xl: loannes Kantakuzenos (s.o., OKyd etc.). Er wird als milder Dienstherr beschrieben (18-26). X2: Der Rhetor Tarchaneiotes, vgl. A.11, wegen seiner Schreibfaulheit getadelt und verspottet. Zu seiner Person s. den Exkurs, S. 218 ff. X3: Potamiates (50-54), einer der Sekretäre des Kaisers (so auch LBF I 454), ist auch aus Kant 11 597,17.23 im Dienst des Kantakuzenos bezeugt: bei der Beseiti­gung des Giftes, mit dem die Gegner in der Hauptstadt Kantakuzenos umbringen wollten, holte er sich eine schwere Erkrankung (ebd. 597,23-598,9). Kyd. wirft ihm ironisch vor, er sei, eben­falls schreibfaul, seinen sittlichen Grundsätzen untreu geworden. ZG: S. D. Ep: 1. Kyd. hat be­reits zuvor an die Sekretäre geschrieben, aber keine Antwort erhalten (13 f.), vgl. LBF I 454. 2. Die Sekretäre haben an andere Adressaten in Konstantinopel geschrieben (29; zum Topos T20,A.3).

111. Hss: B 217r-218', Nr. 53; P 400v -40P, Nr. 15. Ed: BoissAnNov 309-312 (Nr. 28). Lit: LBF I 454f.

IV. 1 Schweigen (ZA): s. T22,A.2. Briefversprechen: T9,A.1. Zitat: DemOr 6,72 (= Phil 2,29). Gedenken (IlVTJIlTJ) im Brief: Kosk 125f.; 145-148; TomadEp 108f. Zu beachten die Klimax: Lieben - gedenken - Gedenken durch Schreiben beweisen.

2 Vergessen schwören: ironisches Oxymoron. Ober die Schweigegesetze der Pythago~eer: Suda l:469; RE, s. v. Pythagoras (K. von Fritz), 192; s. v. Pythagoreer (ders.), 220. Zur Oberbie­tung T3,A.5.

3 Form der Hyperbel wie T10,AA. Zum Gedanken vgl. bereits ATJb 7,13 f. (Schlaf, der keine Ruhe vor den Schrecken des Tages bringt). .

4 HesOp 293-295. Gedanke: seine Rhetorik im vorausgehenden Brief hätte die Empfänger doch eigentlich zum Schreiben veranlassen müssen.

5 Oberbietung (vgl. A.2): ihr Schweigen übertrifft noch die leblose Natur (eherne Gefäße, die auf Anschlag erklingen) I Schweigen wie Sfandbilder: vgl. T36/L58,27; T39,A.5; T66/L33,10; T74/L28,29; L237,19. Antik: XenLak 3,4; Luklm 1; Horaz, Epist. 11 2,83.

216

BRIEF T30

6 Wie in einer gerichtlichen Anklagerede (vgl. Hunger I 222) werden im Mahnbrief die Ar­gumente, die für den Angeklagten sprechen könnten, entkräftet: a.vaoxEuij (Herrn 11; vgl. Mar­tin 95). Mit a.QL<TtUW, äQL<TtOV wird seit der Väterzeit nicht mehr das Frühstück, sondern die Hauptmahlzeit bezeichnet: Kuk V 139. Aus der übertreibenden Darstellung läßt sich gleichzei­tig entnehmen, daß das Arbeitstempo in der Kanzlei des Kantakuzenos nicht mörderisch war; vgl. Z.25f.

7 EurHek 284. 8 Kyd. entkräftet ein weiteres Argument, als hätten es die Adressaten schon vorgebracht.

Die Entschuldigung «wir sind mit dem Schreiben an andere genug beschäftigt» wäre Kyd. ge­genüber wirklich unverschämt und wird daher von Kyd. mit sarkastischem Unterton angeführt. Kyd. ist für die Sekretäre die nächststehende Person wie für den Arzt die eigene Mutter. Zum Mutterbild des Kyd.: oben, S. 58 mit A.40. Das Bild vom Arzt hier untypisch verwendet, vgl. T8,A.25.

9 W.: "Co "Cij~ I!E"CaßoAij~ "Ca. au"Cij~ ÖOXEL xaL 3tEQL TJl!ä~ ErtLÖELxvuo'frm. Loenertz athetiert "Ca. au"Cij~, m. E. unnötig, wenn man übersetzt: «Die Tatsache des Wandels scheint dessen (sc. des Wandels) Folgen .. zu zeigen.» 'E3tLÖELxvuo'frm medial wie LSc, s. v., 11 2.

10 Der Abschnitt wäre ein Beitrag zum Thema «Byzantinismus in Byzanz». Kyd. nennt hier wie in T36,A.I0 erst nach einer Reihe von Scheingründen den wirklichen Grund des Schwei­gens.

11 Tarchaneiotes wird hier deutlich von den anderen abgesetzt, gehört also nicht, wie LBF I 454 irrig angenommen, zu den adressierten Sekretären (<<nicht bei euch ... , sondern auch die an­deren» ).

12 Erneut die Terminologie der Anklagerede wie A.6; offenbar ist der Rhetor auch in der Selbstverteidigung sehr geschickt.

13 Es bleibt unklar, ob Potamiates zu den angeredeten Sekretären oder zu den «anderen» gehört.

14 EurPh 922. 15 Nicht ohne Ironie malt Kyd. den Sekretären mit leicht drohendem Unterton genießerisch

aus, wie es ihnen ergehen wird, wenn das Blatt sich wieder zu seinen Gunsten wendet. 16 Kyd. argumentiert geschickt und sicher mit dem Blick darauf, daß Kantakuzenos es er­

fahren werde, mit der Eigenschaft, die der Kaiser besonders gern bei sich gelobt sehen wollte: der Leutseligkeit, Güte und Menschenfreundlichkeit; vgl. oben, S. 96. Dazu prophezeit er ihm auch noch ganz nebenbei den Sieg: vgl. ebd.

17 Zu dieser Einschränkung vgl. T26,A.4.

18 Nun läßt Kyd. «die Katze aus dem Sack»: der Kaiser zürnt ihm überhaupt nicht, sondern hat ihm mit der Zurücklassung einen Auftrag gegeben, für den er Lob verdient. Mag Kyd. hier die Lage realistisch oder auch etwas zu optimistisch schildern, in jedem Fall liegt ihm daran, den Kollegen im Amt in halb scherzhaftem Ton, aber doch ernst, anzudeuten, daß seine Position sich nicht verschlechtert hat.

19 Eine hübsche Momentaufnahme vom privaten Umgang des Kaisers mit seiner Umge­bung.

20 S. T21,A.16, zur Geste.

21 Noch einmal läßt Kyd. es die Sekretäre voll Ironie spüren, wie abhängig sie vom Kaiser sind (vgl. oben, A.l 0). Man wird annehmen dürfen, daß dieser Ton seine Wirkung nicht verfehlte.

217

EXKURS TARCHANEIOTES

Exkurs

MANUEL (?) T ARCHANEIOTES, FREUND DES KYDONES

(BIOGRAPHISCHER ABRISS)

Der Name Tarchaneiotes1 ist in früherer Zeit und insbesondere im 14. Jh. häufig belegt2

• Den Vornamen seines langjährigen Freundes und Briefpart­ners mit diesem Namen teilt Kydones selbst nicht mit. Doch erlaubt ein Chrysobull des Lauraklosters (Athos) eine Identifizierung, die uns mit Wahr­scheinlichkeit berechtigt, seinen Vornamen mit Manuel anzugeben3

• Daß er aus Thessalonike stammte, wird angedeutet, und er war dort vermutlich seit jungen Jahren mit dem etwa gleichaltrigen Kydones befreundet4

• Mit Aus­nahme zweier Briefe ist er von ihm dort auch als ständig wohnhaft (mit eige­nem Haus und Familie) bezeugt5• Zum erstenmal begegnet er in der Korre­spondenz des Kydones mit namentlicher Nennung im vorausgehenden Brief (T30) als «Rhetor» an der Seite des Kantakuzenos in Thrakien, ohne eine ge­nauer bestimmbare Funktion6

• Dann erscheint er erst wieder in einem Brief, den Kydones 1365 an ihn richtet. Hier spielt Kydones auf eine bereits längeJ; andauernde Korrespondenz an, von der vielleicht vier Briefe erhalten sind7

Hauptthema des Briefes ist die Trauer um den gemeinsamen Freund Geor­gios Synadenos Astras, dessen Tod Tarchaneiotes aus Thessalonike dem Ky-

'dones mitgeteilt hattes. Der größere Teil der erhaltenen Korrespondenz mit Tarchaneiotes entstammt den siebziger und achtziger Jahren; von diesen Briefen sind einige nicht genauer datierbar. Alle diese Briefe sind wenig er­giebig an Informationen über den Korrespondenten9

• Immer wieder geht es um Stilfragen, was ein besonderes rhetorisches Interesse des Tarchaneiotes beweist. Kydones bewundert seinen Stil und entschuldigt sich für seine eige­nen «kunstlosen» Briefe10

• Ein Brief an ihn, der im handschriftlichen Kontext mit zwei Briefen ~us den Jahren 1374/75 steht, spielt darauf an, daß Tarcha­neiotes sich im Kriegsdienst befindetli. Es spricht einiges dafür, daß die Ein­wohner Thessalonikes, vielleicht mit Hilfe Ioannes' V., damals in eine grö­ßere Auseinandersetzung mit den Türken verwickelt waren 12. Seit etwa der Mitte der siebziger Jahre ist er in einer bedeutenden Stellung in seiner Hei­matstadt bezeugt13

, und wenn er etwa 1377 in einer von Kydones nicht ge­nannten Angelegenheit ein kaiserliches Chrysobull erhält und sogar ziemlich anspruchsvoll auf dessen ausgefeilter Formulierung besteht (der betreffende Kydonesbrief gehört zu denen, die mit Sicherheit an ihn adressiert sind), läßt

218

EXKURS TARCHANEIOTES

auch dies auf eine angesehene Position schließen14• Rhadenos, der Freund

des Kydones seit den siebziger Jahren15, ist auch mit Tarchaneiotes gut be­

kannt und befreundet und in einigen Briefen an ihn erwähne6• In mehreren

Briefen zeigt Tarchaneiotes einen zu großen Optimismus hinsichtlich der Stellung und des Einflusses des Kydones, der bekanntlich seit den siebziger Jahren großen Schwankungen unterlegen war17

• In einem nicht genauer da­tierbaren Brief der achtziger Jahre tröstet Kydones ihn über den Tod seiner Gattin, wobei er ihm einiges an Frömmigkeit und philosophischer Gesin­nung zutraut18

• Im Gefolge der Eroberung Thessalonikes durch die Türken (1387) siedelte Tarchaneiotes nach Konstantinopel über. Dies wissen wir aus einem Brief, den Kydones 1389/90 an ihn richtete und in dem er ihn um Auf­nahme des für die griechische Kultur und Philosophie begeisterten Italieners Paulus in sein Haus bat19

• Man darf daraus wohl entnehmen, daß Tarcha­neiotes in Konstantinopel für den Verlust seines Besitzes entschädigt worden war und dort seiner ehemaligen Stellung gemäß wohnen konnte. Mit dieser Nachricht verliert sich für uns seine Spur.

1 Zur Etymologie des Namens K. Amantos, Hellenika 2 (1929) 435f. 2 Dies zeigte mir der Einblick in die Kartei des PLP. 3 S. u., A.14. 4 In L165,11 spricht Kyd. von den Einwohnern Thessalonikes als «TJJ.l.E"tEQOL JtOALtaL». In

L179,5 (falls an T. gerichtet) erscheint Thessalonike (?) als seine Heimatstadt. L183,18 bezeugt Thessalonike als gemeinsame Heimat des T. und des Kyd. Lange Freundschaft bezeugt T64/L98,6; L174,8.

5 L179,7ff. (falls an T.: Ausbau des Hauses bezeugt); eindeutiges Zeugnis für Haus und Familie: L413 (Trostbriefzum Tod der Gattin; dort Z.60 f. Haus und Kinder erwähnt); L 174,36 (Pest im Hause).

6 T30,X2. Vgl. ebd. A.l1. 7 T64/L98,4. Vgl. die Überlegungen zu T23(E); T28(E) und (im 2. Halbband) T53(E);

T62(E). 8 T64,7ff. 9 Reihenfolge der datierten Briefe: L182 (Herbst 1374); L189 (1375/76); L165 (ohne An­

schrift, Sommer 1376); L174 (Sommer 1376); L176 (ca. 1377); L216 (1380-82?); L362 (Win­ter 1386/87); L435 (1389/90). Bei Loenertz nicht datierte Briefe: L183 (wahrscheinlich 1374175, vgl. unten, A.11); L179 (ohne Anschrift); L413; L417; L419l vielleicht auch L180.

10 Tarchaneiotes bewundert: L183,Sff.; L189,14f.; L174,33-35; L176,6ff.; L179,10f.; Kyd. bescheiden über den eigenen Stil: L182,6ff.; L174,66f.; L435,451f. Hoffnung des Kyd., daß T archaneiotes die Freude an den literarischen Studien in 'Thessalonike förde~t: L183,17-20.

11 L183,4.17; zur mutmaßlichen Datierung vgl. den in der Hs A und in der Ausgabe vor­ausgehenden und folgenden Brief.

219

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

12 S.O., S. 204, A.3 7; vgl. auch L 184,26 f. Loenertz, zur Stelle, sieht einen Zusammenhang mit der Notiz einer Kurzchronik zum Jahr 1372. Zur Problematik der Notiz vgl. unten, T95,D.

13 L165,7f.;L179,4 (allerdings istin diesen Briefender Adressat nur erschlossen). Vgl. aber den wichtigen Hinweis L413, 72 ('tOL~ CLQX,OUOLV E1tL nlÖELOV 1tQo~ 'tel IJ.EyLo'ta), ferner L 182,36 f. und die folgende Anm.

14 L176,36ff.; vgl. auch das Interesse des Kaisers für Tarchaneiotes, das in L419,8f. be­zeugt ist. Das in L17 6 erwähnte Chrysobull wird in DöReg 3158 gleichgesetzt mit einem im Lau­rakloster des Athos aufbewahrten Stück, das erstmals in DöFac beschrieben, in Auszügen ediert (SpAO f., Nr. 32) und zum Teil abgebildet wurde (Taf. XIII, Nr. 32). Es wurde im Mai 13 78 von Andronikos IV. für einen von ihm als otX.ELO~ Tfi ßaOLAEL~ IJ.OU bezeichneten Manuel Tarcha­neiotes ausgestellt und enthält die Bestätigung für den Besitz eines Dorfes bei Thessalonike (X,WQLOV 'tOll AWQW'tOll, zur Lage ALaur I 290) als lebenslänglichen Lohn für seine Dienstlei­stungen (zum Begriffotx.ELo~ etc. vgl. WeiKant 143 ff.). Nach seinem Tod soll sein Sohn, der kai­serliche Beamte loannes Tarchaneiotes, das Dorf wegen der seinerseits geleisteten Dienste erben. Dieses Stück ist nun in ALaur 111 Nr. 149 vollständig ediert und kommentiert. Ferner ist in drei Urkunden des Kutlumusklosters (AKut 125, Nr. 32; 130, Nr. 33; 131, Nr. 34) für das Jahr 1375 ein (Manuel) Dukas Tarchaneiotes erwähnt (vgl. Polem 184, Nr. 207), dessen Vater nach AKut 125, Nr. 32 das Amt eines Megas Chartophylax (ein hohes kirchliches Amt seit 1328 nach Dar­Rech 111 mit A.3) in Thessalonike bekleidete. Nach ALaur III 114 soll dieser Manuel Tarcha­neiotes (daß auch sein Bruder diesen Vornamen trug, wie AKut 124 f. suggeriert, wird ebd. zu­rückgewiesen) identisch mit dem von ALaur 111, Nr. 149 sein. Doch ist dies weniger wahrschein­lich, weil sich die Kutlumus-Urkunden auf einen noch jüngeren Manuel beziehen, während ALaur 111 Nr. 149 von einem älteren, verdienten Beamten redet, der für. seine Dienste belohnt wird. Die in ALaur 111 114 vorgeschlagene Identifizierung verkompliziert also das Problem und sollte daher mit Vorsicht aufgenommen werden. Schließlich könnte noch der in AZog Nr. 44,Z.30 für März 1369 erwähnte Manuel Trachaneiotes (die beiden Namensformen mit Tra- und Tar- werden oft miteinander ausgetauscht), als hoher Beamter ohne Titelangabe gleich nach dem Kaiser genannt, mit dem Korrespondenten des Kyd. identisch sein. Der Manuel von DöReg 3158 wird auch bei WeiKant 52 erwähnt und seine Identifizierung mit einem Strategen Manuel T. vorgeschlagen, der in den vierziger Jahren für Kantakuzenos kämpfte (Belege bei WeiKant 39,A.257; dort auch Versuch einer Gleichsetzung mit einem Admiral T. ohne Vorna­men, erwähnt in Kant 111 196,17f., und einem Gouverneur von Didymoteichon, erwähnt in Kant 111237). Doch gibt es weder in der Korrespondenz des Kyd. (bei WeiKant nicht berücksich­tigt) noch in der Lauraurkunde einen Anhaltspunkt für diese Gleichsetzung. Der Hinweis bei Kyd., daß sich Tarchaneiotes in den siebziger Jahren einmal kriegerisch betätigte (s.o., S. 218 mit A.ll), reicht nicht aus. Vermutlich war der Korrespondent des Kyd. kaum älter als dieser und konnte daher 1341/43 noch kein verdienter General (wie ihn Greg 11 652 beschreibt) sein. Es bleibt also nur die Gleichsetzung des Korrespondenten von Kyd. mit dem Tarchaneiotes von ALaur III Nr. 149 (= DöReg 3158) und möglicherweise von AZog Nr. 44.

15 S.o., S. 31 mit A.164:

16 L182,30-34; L165,4ff.; L174,5.

17 L176,28ff.; L216,5f. 21f. 28f.; L417,30f.

18 L413. Frömmigkeit: Z.19.64-68.74-76. Philosophie: Z. 22ff. Dieser Trostbrief ent­hält auch einen Kurzlebenslauf des T archaneiotes, zum Erweis der gütigen Führung durch Gott

220

EXKURS TARCHANEIOTES/BRIEF T31

(70-73): Verlust der Eltern in frühen Kindesjahren, trotzdem so gute Bildung (J'taLÖELa), daß er dadurch Ruhm gewann, den Herrschern von großem Nutzen war und Macht und Reichtum er­langte.

19 L435. Ober Paulus vgl. TinnNiv 277-279.

31 - AN DIE SEKRETÄRE DES KAISERS

L: 41; OKyd: Konstantinopel; E: Sekretäre des Ioannes Kantakuzenos; OE: Adrianopel; D: Sommer/Herbst 13 52; wI: Dank für erhaltenen Brief; Bitte um weitere Nachrichten über den Ausgang ihres (kriegerischen) Unternehmens; schlechte Versorgung der Hauptstadt mit Nah­rungsmitteln; Klage über Trennung vom Kaiser.

So dankbar ich euch für einen Brief bin, so dankbar auch dafür, daß ihr ihn uns gemeinsam schreibt, gemeinsam aber auch sendet. Wie freute ich mich, 5

als ich die Aufschrift der Sekretäre1 sah, die euch alle gemeinsam nannte! Ja, macht nur weiter so auf diesem guten Weg! Denn so, scheint es, handelt ihr selbst geziemend, könnt von anderen verdientermaßen gelobt werden und euch dem Kaiser in den Aufgaben, in denen er euch braucht, nützlicher er­weisen. Denn stärker als Eintracht und Einheie ist nichts unter den Men­schen; ich glaube aber auch, daß die jenseitige Welt3 hierin ihr Heil findet. 10

Wenn ihr aber beteuert, an uns zu denken und uns zu lieben, drückt ihr damit etwas aus, worin wir selbst den anderen zum Lehrer werden. Es ist also über­flüssig, die noch davon zu überzeugen, die sich in ihrer Meinung über euch auch nicht, wenn ihr Eide schwören würdet, umstimmen ließen4

• Schreibt aber noch mehr, wie es euch geht, und ob Hoffnung für Tzykandeles besteht, von dem Linsengericht erlöst zu werden, mehr aber noch, für uns! Denn nicht ihm allein ist diese Speise vorbehalten, sondern auch uns droht die Wunder- 15

bare STADT5 auf gleiche Weise zu bewirten, und obendrein muß dieses Hun­geressen auch noch teuer erkauft werden. So gerate ich aus der Fassung, wenn ich von Speisen mit obenauf schwimmenden Linsen höre, wenn Man­nestugend sich mit Teigkuchen vertragen so1l6, die Eroten des Schönen aber nirgends zu finden sind7

• Dennoch könnt ihr euch wenigstens an der Stimme des Kaisers freuen und euch so über das miserable Essen hinwegtrösten. Wir aber, die wir ständig auf den Genuß des Nektars verzichten müssen, glauben 20

Ähnliches wie die Gepeinigten im Hades zu erleiden8: wir sitzen beinahe an

der Quelle, dürfen sie aber nicht genießen9•

221

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

K 1. OKyd: Z.15; OE: Nach Z.8 und Z.19 ff. weilen die Sekretäre außerhalb Konstantinopels

beim Kaiser; der genauere Ort ihres Aufenthalts ergibt sich aus D. D: Die Erwähnung des Tzy­kandeles (Z.14) rückt den Brief in zeitliche Nähe von T29 (s. dort, D), also in das Jahr 1352, die Zeit des Feldzuges gegen Ioannes V. in Thrakien. Der Sieg an der Marica (s. T32, D) hat noch nicht stattgefunden, weil Kyd. noch auf Erfolgsnachrichten wartet (13 ff.). Zweifellos sind die Empfänger dieselben wie die von T30; vermutlich haben sie auf die in diesem Brief erfolgte Mahnung hin Kyd. den ZA erwähnten Brief geschrieben. T31 ist dann also einige Zeit nach T30 zu datieren. Falls T30 im August 1352 geschrieben ist, wäre T31 frühestens auf September anzu­setzen. Nach NicKant 80 hält sich Kantakuzenos um die Zeit noch in Adrianopel auf, also auch seine Sekretäre.

II. BK yd: K yd. beklagt weiter die Trennung vom Kaiser (19 - 21), die ihm trotz seiner hohen Stellung zugemutet wird (21 f.). Xl: Der erwähnte Kaiser (Z.8 und 18) ist zweifellos Ioannes Kantakuzenos. Vgl. T30,X1; dies ergibt sich ohnehin aus D; vgl. aber auch die Anspielung auf hervorragende rhetorische Fähigkeiten (18f.). X2: Tzykandeles (Z.14), einer der adressierten Sekretäre, wie LBF I 454 angenommen, vgl. T20,X1. Auf seine Freude an gutem Essen spielt T35/L57,12ff. deutlicher an und interpretiert damit die Anspielung (13) auf das Linsengericht. ZG: Offenbar ist durch die kriegerischen Zustände in Thrakien, bei denen auch die Türken rege beteiligt sind (vgl. T27,X1; T32), auch die normale Versorgung der Hauptstadt mit Nahrungs­mitteln unterbrochen (15-18). Ep: Gemeinsamer Brief der Sekretäre an Kyd. (4-6), auf den T31 antwortet.

III. Hs: B 216v -217" Nr. 52.

IV. 1 Hier werden die Adressaten «YQUIlIlUt:LXOL» genannt, in der Anschrift «YQullllun:Ls». PseudoKod 185,23 f. setzt YQUllllut:LXOL mit VOt:UQLOL gleich, deren Vorgesetzter der 3tQCO'tOvo­t:uQLOs sei. Trug Kyd. diesen Titel?

2 W.: Ev6s. Lob der Eintracht wie im entsprechenden Traktat des Thomas Magistros (ThomMagHom).

3 W.: 'tOLS 'Ü3tEQ TJlläs. Zum Gedanken von der Eintracht der im Jenseits weilenden Seligen s. ThomMagHom 762,7 ff., wo der Gedanke negativ ausgedrückt ist: ot:UOLs hat sogar im Himmel Zerstörung angerichtet.

4 Hyperbel mit OUÖE wie T10,AA. Gedanke: Kyd. ist sich der treuen Anhänglichkeit seiner Sekretäre so sicher, daß er andere darüber belehren und daß ihn niemand von seiner Überzeu­gung abbringen kann. Mit der Hyperbel wird die Beteuerung unterstrichen.

5 Bezeichnung Konstantinopels wie T21,A.6.

6 W: avöQuyu{}Cu IlEt:u 3tAUXOUV'tcov. Über die einfache Backweise solcher Brotkuchen s. Kuk V 25.

7 Wendungen mit OUÖUIlOÜ in einer unerfreulichen Situation, z. B. T57/L32,6. "EQcot:Es t:oü XUAOÜ: Über die geflügelten Eroten der Antike vgl. A. Greifenhagen, Griechische Eroten, Berlin 1957.

8 Zum Vergleich s. T7,A.5, hier mit speziellem Bezug auf die Tantalosqualen.

9 Sinn: Kyd. lebt zwar im Kaiserpalast, aber er entbehrt die Gegenwart des Kaisers. Der Quellenvergleich auch T71/L39,20, auch vom unfreiwilligen Verzicht, aber mit anderem Bezug. Der Briefschluß zielt wohl darauf, auch vom Kaiser gelesen zu werden. Vgl. ähnlich T30,A.16.

222

BRIEFE T31- T32

32 - AN KAISER KANTAKUZENOS

L: 13; OKyd: Konstantinopel; E: Ioannes Kantakuzenos; OE: Adrianopel; D: Oktober 1352; wI: Enkomion auf den Kaiser wegen des Erfolges seiner Verbündeten an der Marica und wegen seiner Milde gegenüber seinem Gegner Ioannes Palaiologos.

Kein schlechter Wahrsager war ich wahrhaftig, als ich den früheren Sieg 5

ein Vorspiel noch folgender größerer Siege nannte!. Und doch war es auch schon schwer, jenen gebührend zu bewundern, und vielen schien es, nach solchen Taten seien keine weiteren mehr notwendig. Nun aber ist meine Weissagung ganz herrlich in Taten erfüllt, und geschehen ist das, was man auch, wenn es sich ereignet hat, als dichterische Erfindung ablehnt2 .lch aber kannte die Zukunft, ohne zum Himmel und zu seinen Sternenbahnen aufzu­blicken, auch ohne den Flug der Vögel zu erforschen und sie zu Lehrmeistern 10

dessen zu machen, was wir nicht wissen (das schlug ja oft denen, die andere solches glauben machen wollen, zur Schande, denen, die es glaubten, aber zum Unglück aus3

), sondern ich nahm meine Zuversicht über die gegenwär­tige Lage aus einer Quelle, wie sie wohl besser keiner finden könnte, um die Gegenwart zuverlässig zu beurteilen. Woher? Aus deinem Charakter, Kaiser, und aus dem, was Gott gewöhnlich wirkt, wenn jemand eine solche Gesin­nung zeigt4

• Denn ich sah dich entschlossen, großmütig zu handeln, sie aber 15

in dem Glauben, der Tod sei für dich eine leichte StrafeS; ich sah dich siegen, dich nach dem Sieg aber wenig geneigt, mit ihnen nach den Gesetzen zu ver­fahren; bist du doch bemüht, ihnen in allem zu Gefallen zu sein, als wenn sie immer für dich gekämpft hätten. Sie aber sehe ich dir noch für die Wohltat zürnen und danach trachten, wie sie sich dafür an dir rächen können. Dich 20

sehe ich vor das eigene Leben den gemeinsamen Nutzen stellen, sie aber er­kaufen um den Preis der Städte ihr eigenes Vergnügen6

• Wer von ihnen scheute aus Furcht vor der Strafe vor irgendeiner der gemeinsten Taten zu­rück? Wen hinderte vernünftige Überlegung daran, unziemlich zu handeln? Anmaßung aber und der Glaube, es gebe keinen Richter unserer Taten, und der Hang, alles dem Schicksal zuzuschreiben, wurde ihnen gleichsam zum zweiten Glaubensbekenntnis7

• Hätte ich also, da ich dies erleben mußte, noch Verstand gehabt, wenn ich hätte fragen wollen, welcher von beiden 25

Parteien die Krone gebühre, und nicht offen die Meinung vertreten hätte, den Guten müßten die anderen dienstbar sein8 ? Das versetzte mein Gemüt in ge­spannte Erwartung, und ich glaubte beinahe·schon das Gegenwärtige zu se-

223

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

hen. Und doch kamen von allenthalben die Schrecken über uns9, und eine

Ansammlung so vieler Übel hätte kein Mensch finden können, auch welm man ihm erlaubt hätte, sie sich auszudenkenlO

30 Jetzt aber ist jener Spuk wie im Traum zu nichts geworden, und die, die al-les zu verschlucken drohten wie auf der Gauklerbühnell und uns drohend ihre Waffen vorhielten, sind nun verschwunden, als habe sich plötzlich die Erde gespalten 12, und haben nicht einmal etwas hinterlassen, was man von ihnen erzählen könnte 13 • Denn wo ist der Ehrgeiz der Myser nach der Nieder­lage? Wo die Kühnheit der Triballer, die ihnen durch unsere Städte und unse-

35 ren Reichtum noch zuwuchs? Diese haben also gewisse Leute als Bollwerk ihrer eigenen Sicherheit bezeichnet! Und das wurde noch zur Schau gestellt durch die Menge ihres Gefolges, den Glanz ihrer Waffen, durch Überfluß an Geld und Üppigkeit in allem, die von medischem Gepränge14 nicht weit ent­fernt war, und durch die Hoffnungen, die sie erfüllten, als sie gegen unser Land zogen. Wer aber hat den Galatern 15 ihre Waffen abgenommen, die

40 doch der Sitte gemäß in ihren Rüstungen sterben? Wahrlich kein Mensch, sondern der, der es dir verlieh, in deinem Leben so unglaubliche Dinge zu lei­sten! Weiter: wer hat den Perser gegen sie ins Feld geführt? Wer ließ nicht zu, daß das nahe herangerückte Heer gesehen wurde? Woher erklärt sich die Ahnungslosigkeit, Feigheit und darauffolgende Flucht derer, die geschworen hatten, mit all ihren Streitkräften gegen uns zu kämpfen16? Daß aber nie­mand entkam, sondern alle wie in einem Netz 17 gefangen wurden, und daß es

45 niemandem von ihnen möglich war, sich durch die Flucht zu retten und da­heim das Widerfahrene zu erzählen, das hat sich jetzt erstmals ereignet und wird von uns an die Nachkommen überliefert werden18

• Man mag einwen­den, daß jene durch Unkenntnis des Geländes in ihren tollkühnen Unterneh­mungen zugrunde gingen. Warum reichte ihnen aber dann nicht die Erfah­rung unserer abtrünnigen Landsleute zur Flucht? Ja wahrhaftig, hier zeigt sich am meisten die Macht der Gerechtigkeit19

: von denen, die mit der ge­genwärtigen Partei der Bösen gemeinsame Sache gemacht haben, ist keiner

50 wohlbehalten, sondern alle teilten das Schicksal der Barbaren, auf deren Seite sie sich in freiem Entschluß stellen wollten. Und jetzt müssen sie in der Stadt, gegen die sie mit kriegerischer Absicht gezogen waren, ein Sklavenschicksal erleiden20

• Was dabei alle in Erstaunen setzt: du bist auch noch um ihr Wohl­ergehen besorgt und beklagst das Schicksal der Feinde und Mörder. Zwar kennst du ihre böse Gesinnung und weißt, wie schwer Menschen zur Ver-

55 nunft kommen, die einmal außer sich geraten sind. Dennoch handelst du in

224 '

BRIEF T32

gewohnter Weise; du hast Mitleid mit den Unglücklichen und vergibst dei­nen Schuldigern, damit auch du dasselbe erlangst21

Dies ist nun das Ehrengeschenk für deine edle Gesinnung22, der du alles

mit Gott tust. Dies ist der Erfolg deiner Langmut mit den Feinden. Gewisse Leute haben sie oft getadelt, als sei sie unangebracht und nütze nicht einmal denen sehr, ,denen sie erwiesen werde. Du aber dachtest an Moses und Da- 60

vid23 und an andere, die sich mit Sanftmut ihrer Gegner erwehrten und an de­ren Stelle, wie auch jetzt, Gott selbst als Rächer auftrat. Denn ich glaube, es hat noch nie jemand erlebt, daß die Dinge ein so wunderbares Gericht gefun­den haben, noch hat sich je Gottes ~tschluß so heftig gegen die Übeltäter gewandt. Und es ergreift mich mehr als 'Genugtuung Angst, wenn ich beden­ke, welche schlimmen Dinge die Schamlosen und Eidbrüchigen erwarten. 65

Wird einer also im Hinblick darauf es noch wagen, kleinmütig zu sein oder dich zu verlassen und andere zu suchen, bei denen es ihm wohl ergehen wird? Er soll vielmehr zuerst in die Ebene hinausblicken und auf die Toten, die sie bedecken; dann soll er entscheiden, worüber er unschlüssig ist.

K I. D: Der Sieg, den Kyd. in einem früheren Brief (T27/L15,33-36) «geweissagt» hatte (hier

ZA-14), ist nun eingetreten und wird (33 ff.) so genau beschrieben, daß es keinen Zweifel geben kann, auf welches Ereignis angespielt wird: es ist der Sieg der türkischen Bundesgenossen ( «Per­ser», ZA1) des Kantakuzenos über die bulgarischen (Myser: 32; nach Kant III 248,23 retteten sie sich durch Flucht nach Didymoteichon), serbischen (Triballer: 33; nach Kant III 249,2ff. hielten sie zunächst stand und wurden dann in der Ebene zerstreut) Verbündeten und offenbar auch «lateinischen» (vgl. A.15) Truppen loannes' V. an der Marica in der Ebene (67; vgl. Kant III 249,8 f.) nicht weit von Didymoteichon: Kant III 248 f.; Datierung um den 10. 10. 1352 mit DöReg 3005; NicKant 80 mit A.114 (dort irrige Beziehung auch von L15=T27 und L59=T28 auf dieses Ereignis). OE: Ergibt sich aus der Datierung (vgl. NicKant 80). OKyd: Dieser Brief enthält keine Anspielung auf den Aufenthaltsort des Kyd., doch kommt wie in den vorausge­henden Briefen nur Konstantinopel in Frage.

11. BE: S.D und oben, Exkurs, S. 95 ff. Xl: Die Gegner des Kantakuzenos; ihr Exponent 10-annes V. ist nicht ausdrücklich genannt, aber vorausgesetzt (15 f.: sie trachten ihm nach dem Le­ben; 18: beantworten seine Großmut mit Undankbarkeit; sind nur auf ihren eigenen Vorteil be­dacht, 20 f., und handeln auch sonst unziemlich, 21 f.; ihnen mangelt vernünftige überlegung (22) und Gottesfurcht (23); sie glauben nur an die Macht des Schicksals (23 f.); sie werden gera­dezu als die Bösen (49) den Guten (25) gegenübergestellt, also der Partei des Kantakuzenos; so konnte man ihr schreckliches Ende voraussehen und es wie Kyd. «weissagen» (4 ff. 26 f.); es wird nun im einzelnen ausgemalt (s. dazu oben, D), und die Niederlage wird als total hingestellt (nie­mand entkam, 43 f., keiner ist wohlbehalten, 49 f., sie erleiden ein Sklavenschicksal, 52, die Ebene ist von Toten bedeckt, 67). Diese ganzen Ausführungen enthalten natürlich viel indirekte Kritik auch an Ioannes V., ähnlich T27,X3. X2: Die Bulgaren, Serben und Franken als Bundes-

225

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

genossen Ioannes' V.: s.o., D. X3: Der siegreiche «Perser» (41) ist Süleyman, ein Sohn des Tür­kensultans Orchan (s. NicKant 80; über seinen Siegeszug im europäischen Reichsteil vgl. WernOs 134). Vgl. auch unten, A.18. ZG: S. D und Xl-3. Ep: Anspielung auf die eigenen «Weissagungen» in einem früheren Brief (sc. T27/L15; s.o.,D).

III. Hs: B 197V -198T, Nr. 26.

IV. 1 Zum Sinn der Stelle s.o., D und Ep. Gleichzeitig rückt sich Kyd. hier und im folgenden ins rechte Licht, wenn er zeigt, wie richtig er die Fähigkeiten des Kantakuzenos und seine Begün­stigung durch Gott eingeschätzt hat. «Wahrsager» ; s. T26,A.6.

2 Der Text der Ausgabe bereitet Schwierigkeiten. Ich konjiziere «Loa» vor «'tOL~ növ ltOL­TJ'twv».

3 Entschiedenes Votum gegen Astrologie und Mantik. Kyd. zählt die herkömmlichen Wahrsagemethoden auf, um der eigenen «Methode» (S. A. 4) um so mehr Nachdruck zu verlei­hen. Zu diesem Stilmittel der ava(QEOL~: Herrn 267,8 H., auch «xa'tu ö'QOLV xat. ß-EOL v» genannt: s. ebd. 293,16.

4 Sinn: Es gibt kein besseres Kriterium zur Beurteilung des gegenwärtigen Geschehens als das Wissen um die 'tQ6ltOL des Kantakuzenos, aus denen sich auf das Wirken Gottes in der Ge­schichte schließen läßt. Zum Gedanken vom «Lohn der Tugend» T6,A.3.

5 Hyperbel als Ausdruck für den Haß der Gegner. 6 In drei Antithesen stellt Kyd. die Tugend des Kantakuzenos dem Fehlverhalten seiner

Gegner gegenüber: Großmut-Rachsucht, Großmut-Rachsucht (Variante), Altruismus-Ei­gennutz. Der letzte Gedanke: Kantakuzenos erobere aus Sorge um den Staat (vgl. T8/L7,35), seine Gegner aus Machtbegierde (Argumentation mit der Gesinnung, yvwllTJ, vgl. TinnKais 32).

7 Die theologische Kritik am Schicksalsglauben hier verträgt sich durchaus mit der unbe­fangenen literarischen Verwendung des SchicksalsbegriHs in anderen Briefen (s. T18,A.1). «l:uIlßoi.,oV» hier wohl im religiösen Sinn.

8 Hier schwingt wieder der Gedanke vom Philosophenkönig mit, s.o., Exkurs, S. 96, A.21. 9 Vgl. T27/L15,5. 10 Hyperbel mit ouo'd. Variante der OUOE- und xö'v-Hyperbel; vgl. T10,AA; T19,AA;

T25,A.1. 11 Es ist wohl an Messerschlucker und dergleichen gedacht. Man darf aus der Stelle ent­

nehmen, daß es Schausteller solcher Art zur Zeit des Kyd. in Byzanz gab. Der Vergleich ist an­schaulich, macht aber zugleich die Bezugspersonen lächerlich.

12 Vgl. unsere Redensart «wie vom Erdboden verschluckt». 13 Hyperbel des totalen Vergessens; vgl. T10,AA.

14 Zu der Wendung «MTJoLxTJ ai.,a~ovE(a» vgl. NikChon 477,92: ai.,a~wv ÖQVL~ 6 MTJoi.­x6~, vgl. Suda Nr. 884: MTJOLXO~ ÖQVL~ = Pfau.

15 Galater: Über die Bedeutung «Franzose» vgl. T29,A.2. Greg II 722,23 bezeichnet einen Mann als avT]Q rai.,a'tTJ~, den er später (725,11) lta'tQLw'tTJ~ und 61l6yi.,o)'t'tO~ der Kaiserin Anna von Savoyen nennt. Nach DietGreg II 1, 186 zog Anna eine ganze Reihe Landsleute nach sich. Vielleicht handelt es sich hier um solche «Galater» im Gefolge ihres Sohnes.

16 Die emphatische Abfolge von Fragen (btEQW'tTJOL~, T43,A.1 0; auch Z.21 f. 32-34.3 8 f.) zeigt, wie nah der Brieftyp der Kantakuzenosbriefe der vorgetragenen Kaiserrede steht.

17 Das Bild vom Netz auch T94 a/L63,21 und KydLat 997 B zum Ausdruck des Gefangen­bzw. Eingeschlossenseins (vgl. dazu auch NikChon 513,10f.).

226

BRIEFE T32- T34

18 Von allen in Briefen gefeierten Erfolgen des Kantakuzenos befindet Kyd. nur diesen aus­drücklich für würdig, der Nachwelt überliefert zu werden. Das mutet seltsam an, wenn man be­denkt, daß Kantakuzenos selbst an dem Sieg ja nicht beteiligt war; allerdings bringt es Kyd. trotzdem fertig, den Erfolg als «Lohn der Tugend» (vgl. A.4) für Kantakuzenos zu buchen. Im übrigen hat Kyd. in tragischer Weise recht, denn das Jahr 1352 (vgl. WernOs 134) ist das Jahr, in dem die osmanischen Türken in Europa Fuß faßten, und ihr Sieg an der Marica ist in diesem Zu­sammenhang entscheidend gewesen.

19 Mit dieser überlegung will Kyd. nachweisen, daß der Sieg ein durch Gottes Gerechtigkeit gewirktes Wunder ist: nicht einmal die thrakischen Gefolgsleute Ioannes' V. konnten die Vor­teile ihrer Ortskenntnis nutzen. Die Unkenntnis des Geländes und deren Bedeutung für die Nie­derlage der Serben betonen auch Kant III 249,5 und Greg III 181,22f.

20 Die erwähnte Stadt ist Adrianopel, um diese Zeit das Hauptquartier des Ioannes Kanta­kuzenos. Zu den Kriegsgefangenen: nach Kant 111 249,16-18 fiel ein Teil der Serben und der thrakischen Truppen, ein anderer Teil geriet in Gefangenschaft; die angesehenen griechischen Truppenführer im Dienst Ioannes' V. wurden fast alle gefangen.

21 Zur Feindesliebe des Kantakuzenos s. T3,A.l1. 22 Zu diesem Gedanken vgl. AA. 23 Sanftmut des Moses: A1Nu 12,3; des David: AT1Kg 24 (gegenüber Saui), 2Kg 14,33;

i 8,5 (gegenüber Absalom). Moses und David als Vorbilder des byzantinischen Kaisers (Treitin­ger 130) hier in speziellem Bezug: wie sie hat Kantakuzenos Gott die Rache überlassen. Daß an­dere für ihn kämpften, deutet Kyd. mit rhetorisch genialem, fast pervers erscheinendem Ge­schick (es handelt sich ja um den größten Feind, die Türken!) gerade als seine größte Tugend! Und nach Z.61-63 überbietet er sogar seine Vorbilder!

33

Vacat. Der unsprünglich unter dieser Nummer eingeordnete Brief L63, den zuletzt LOCP 36,54 auf die Zeit nach der Maricaschlacht von Oktober 1352 datiert hatte, muß meiner jetzi­gen überzeugung nach doch mit DujCon 82 auf die Maricaschlacht von 13 71 bezogen werden und wird chronologisch nach T94 mit der Nummer T94a eingeordnet.

34 - AN IOANNES POTHOS

L: 51; OKyd: Konstantinopel; OE: Peloponnes; D: Oktober 1352; wI: Mahnung des säumi­gen Briefschreibers; Schilderung seiner Erlebnisse nach den Berichten anderer und Vermutungen über seine augenblicklichen Erfolge; Klage über den Bürgerkrieg.

Solche Furcht hast du vor dem Schiff, daß du nicht glaubst, dem .Ruderer auch nur einen Brief zu geben, sei für dich ein gefahrloses Unternehmen. 5

Deshalb haben die anderen aus dem Hafen Briefe von ihren Freunden erhal-

227

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

ten, uns aber kam dieser Gewinn von keiner Seite!. Und doch hättest du uns gewiß über vieles schreiben können: von den Erlebnissen auf dem Meer und auch in Boiotien nach dem Schiffbruch und welchen Eindruck du nach der Landung dank deiner Freunde von der Peloponnes gewinnen konntest. Du

10 aber hast über alles geschwiegen und so die Sorge umdich bei den Freunden lebendig erhalten. Sie hörten von dem unerwarteten Zusammentreffen mit den Seeräubern, von der wahnwitzigen Verfolgungsjagd und der noch wahnwitzigeren Flucht, bei der die Schiffe schließlich auf Felsenriffe auf­prallten, - und weil du uns von denen, die dabei waren, der liebste warst, zit­terten wir für dich nicht weniger als die, die selbst die Schrecken miterlebten,

15 - bis einer von dort zu uns kam und von dem thebanischen Gastfreund be­richtete, er habe nicht gezögert, dir für deine früheren Wohltaten in deiner Notlage Dank zu erweisen2

Dadurch wurden wir getröstet und konnten vertrauen, daß du wohlauf warst; jetzt aber möchten wir natürlich von dir auch etwas über deine weite­ren Erlebnisse hören. Wir nehmen an, dir ist alles nach Wunsch gegangen, da

20 der Despot in seiner Zuneigung zu dir den Ehrgeiz hat, sogar seinen kaiserli­chen Vater zu übertreffen, und sein oberster Minister3 mit allen befreundet ist, dich aber sogar seinen Geschwistern vorzieht4

• Daher glaube ich, die Steuerschätzung, die du vornimmst, wird noch bedeutender sein als die des KyrinosS

, da alle wie zu einem Heilmittel ihre Zuflucht zu deinen schriftli­chen Äußerungen6 und zu deiner Entscheidung nehmen. Denn deine Befähi­gung, unterstützt von der entsprechenden Machtbefugnis, wird wohl großen

25 und wunderbaren Nutzen bringen, wenn die Lakedämonier7 nicht etwa toll und die eigenen Einwohner dem Land. zum Unglück geworden sind.

Bei uns nämlich haben die politisch Verantwortlichen dieselbe Wirkung .wie Erdbeben und SeuchenB, und jeder wünscht sich, das Ende seines Nach­barn zu erleben. Verträge schließt man nur mit den Gegnern, beständig führt man Krieg gegen die eigenen Landsleute, und jeder Tapfere hier ist bereit,

30 auch gegen seine Verwandten zu den Waffen zu greifen. So sehr tanzen alle den Arestanz9

, daß jetzt sogar Diplobatatzes unter den Bewaffneten ist, und in der großen Schlacht, als eine Wolke von Persern die Triballer bedecktelO

,

kämpfte er selbst mit dem Helm innerhalb der Mauern, da es ihm zu unsicher war, in die Ebene hinabzusteigen 11.

K I. D: Deutlichster Anhaltspunkt für die Datierung ist die Erwähnung der großen Schlacht,

bei der eine Wolke von Persern (Türken) die Triballer (Serben) bedeckte (31 f.). Daß dies nur die

228

BRIEF T34

Maricaschlacht von Oktober 1352 (NicKant 80) und nicht die von 1371 sein kann, zeigt die deutliche Anspielung auf den Bürgerkrieg (28 f.), den es 13 71 nicht gab (vgl. T32,D). Die Be­merkung «Verträge schließt man nur mit den Gegnern» (28) spielt wohl auf das Paktieren Ioan­nes' V. mit den Serben und Bulgaren an (NicKant 80,A.113 mit Angabe der betr. Nummern von DöReg). OKyd: Konstantinopel (entsprechend seinem Aufenthaltsort in den zeitlich vorausge­henden Briefen). E: Ioannes Pothos, in der Korrespondenz des Kyd. nur hier erwähnt, stand in den Diensten des Ioannes Kantakuzenos (Z.19f., vermutlich identisch mit dem Gesandten des Ioannes Kantakuzenos an die Kaiserin Anna 1341 nach Kant 11 183; vgl. ManEpDen LI); er hat sich auf einer gefahrvollen Reise (11 H.) zur Peloponnes begeben (9.25), um dort im Dienst des Manuel Kantakuzenos (s.o., Exkurs, S. 115f.) als Finanzbeamter tätig zu werden (21-23). Kyd. lobt halb ironisch (?), halb freundschaftlich seine Fähigkeiten (23-26). Näheres über seine Tä­tigkeit als Steuerbeamter s. Xl. OE: S. E.

11. Xl: Der Despot Manuel Kantakuzenos (19; vgl. S. 115 f.). Xl: Sein oberster Minister (s.A.2) wird als sehr beliebt und als guter Freund des Pothos geschildert (20f.). Es ist nicht ganz auszu­schließen, daß er mit dem in Kant 111 86,8 ff. erwähnten Lampudios identisch ist. Dieser stand zunächst bei Manuel in großer Gunst und bot sich an, ihm beim Eintreiben einer Sondersteuer zum Bau einer Flotte gegen die türkischen Piraten behilflich zu sein. Wann diese Steuereintrei­bung angesetzt war, ist nicht genau zu bestimmen, jedenfalls zwischen der Ankunft Manuels auf der Peloponnes (Oktober 1349) und (nach Kant 11188) der Abdankung des Ioannes Kantakuze­nos (Dezember 1354). Chronologisch ist also ein Bezug der im Brief (21-23) erwähnten Steuer­eintreibung auf das von Lampudios geleitete Unternehmen durchaus möglich. Von dem für Ma­nuel Kantakuzenos unerfreulichen Ausgang (Lampudios wiegelte die Mächtigen der Peloponnes gegen ihn auf, Kant 111 85,8ff.; 87f.) und dem anschließenden Sieg Manuels über Lampudios (ebd. 88) konnte Kyd. natürlich noch nichts ahnen. Oder sollte die Bemerkung, der oberste Mi­nister sei mit allen befreundet, Ironie sein? X3: Der Bote, der Kyd. über E berichtet (14f.). X4: Der thebanische Gastfreund des Pothos (14f.). X5: Anspielung aufIoannes V. (27f.; s.o., D). X6: Ein gewisser Diplobatatzes (30ff.), auch in T37/L49,16 und T42/L50,27ff. erwähnt, vgl. PLP 5507, wo im Anschluß an H. Hunger, Anonymes Pamphlet gegen eine byzantinische «Ma­fia», RESEE 7 (1969) = Byzantin. Grundlagenforschung XXII, 95 -107 Identität mit dem Di­plobatatzes dieses Textes (PLP 5506) vermutet wird. Bei Kyd. und in diesem Text erscheint Di­plobatatzes als Typ des Schmarotzers, wird aber von Kyd. nur in verächtlich-ironischem Ton, in dem Pamphlet aggressiv-zersetzend dargestellt. Letzte Sicherheit über die Identität besteht nicht. Ein weiterer Diplobatatzes ist 1350 als Statthalter von Berroia bezeugt (PLP 5509). Seine Bezie­hung zu den Genannten muß offenbleiben. Nach der Darstellung des vorliegenden Briefes kämpfte er «innerhalb der Mauern», also in der Nähe des Schlachtereignisses, d. h., in Didymo­teich on (s. T32,D). Daraus wäre zu schließen, daß er sich im Dienst Ioannes' V. befand (Didy­moteichon war nach NicKant 80 damals dessen Residenz). Auch T42/L50 (ca. 1356) erwähnt ihn im Dienst dieses Kaisers, aber finanziell enttäuscht (dort, Z.26ff.).ZG: S. D undX2. KantIlI 87,4-6 läßt vermuten, daß die Z.ll erwähnten Seeräuber Türken sind. S. auch oben, Exkurs Isidoros, S. 161, A.15. Ep: Briefe von anderen Peloponnesiern an Bekannte des Kyd. (5 f.); vgl. aber zum Topos T20,A.3, womit nicht gesagt ist, daß es in Wirklichkeit keine solchen Briefe gab.

111. Hss: B 222v -223 r, Nr. 62; 0 279rv, Nr. 23.

IV. 1 Furcht vor dem Schiff: ironischer Stil der Briefmahnung. Andere haben Briefe erhal­ten: s.o., Ep. Von keiner Seite: Hyperbel.

229

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

2 Mit diesem aus Erzählungen von anderen zusammengestellten «Reisebericht», der nicht der spannenden Züge entbehrt, hält Kyd. dem Briefpartner sein Versäumnis um so deutlicher vor Augen.

3 W.: 1:0U mlvta 1:aXELvo'U a1:QEqJoV1:0~. Das Verbum O1:QEqJELV ist hier in einer prägnanten, übertragenen Weise verwendet wie L48/T 0120,37 und Ll12/T 0121,11 f. Den Schlüssel zum richtigen Verständnis dieser Wendung gibt L158,19 «Ö1tOL ßO'UA:rr6ELEV a1:QEqJoV1:U~ 1:U 1:WV 1t6-AEWV» «die das Schicksal der Städte nach Gutdünken wenden =lenken» und L176,30 f., wo von einem hohen Beamten gesagt ist: «Eirfro~ IlE1:U 1:Ov 1tCIV1:U O1:QEqJOV1:U1:E1:UX1:UL», d. h., er ran­giert unmittelbar nach dem, der alles wendet= lenkt, sc. dem Kaiser. Mit dem Zusatz «1:aXEL­VO'U» wie hier kann die Wendung nur bedeuten, daß jemand für einen anderen in leitender Stel­lung die Geschäfte führt (so auch an den beiden erstgenannten Stellen verwendet); daher die hier gewählte Übersetzung.

4 Zu diesem Überbietungstopos: T15,AA. 5 NTLk 2,2: die Steuerschätzung des Augustus unter dem tlYEIlOVEUWV 1:ij~ l:'UQLU~ KlJQTJ­

VLO~, nach anderen Hss, z. B. Alexandrinus, «K'UQLVO~». Die Bedeutung jener «Aufschreibung» ist durch ihren Zusammenhang mit der Geburt Christi gegeben. Erneuter Überbietungstopos (s. T3,A.5), hier mit einem bei Kyd. seltenen biblischen Bild.

6 W: YQallJ.tU1:u. Wohl zu beziehen auf die Steuerforderung, die sich aus der von Pothos vor­genommenen Schätzung ergibt. «Heilmittel» könnte sich auf das Ziel der Steuer, den Kampf ge­gen die Piraten, beziehen (s.o., X2). Zum Bild s. T5,A.22.

7 Archaisierende Bezeichnung der Einwohner der Peloponnes, vgl. LC 11 474, Index, s. v. Lacedaemon.

8 Die verheerende Wirkung des Bürgerkrieges ist hier mit starken Bildern ausgedrückt. AOL-1l6~ als Metapher: T25,A.7.

9 Den Arestanz tanzen (vgl. HomIl 7,2411:4> AQEL IlEA.3'tW'6UL; übertragen: NikChonOr 135,16) = Krieg führen, bei Kyd. nur hier. Eine ähnliche Formulierung aber T95/L77,23.

10 Perser = Türken, Triballer = Serben (s.o.,D). Wolke: HomIl 16,66. 11 Die ganze ironische Bemerkung, die dem Brief nach der Anspielung auf die traurigen po­

litischen Ereignisse am Schluß noch eine Wendung zum Gefälligen (YA'UXU1:TJ~, vgl. Herrn 330 ff.) gibt, wirkt auf den Leser abrupt und ist eigentlich überraschend wenig informativ, wenn man bedenkt, daß Kyd. doch in T30 und T31 die Schlacht an der Marica so wichtig nimmt. Offenbar rechnet Kyd. damit, daß Pothos durch den Überbringer des Briefes oder andere mündliche In­formanten Konkreteres über diese Schlacht erfahren würde. Über den vermutlichen Aufenthalt des Diplobatatzes in Didymoteichon s.o., X4.

35

L: 57; OKyd: Konstantinopel; E: Ein Sekretär des Ioannes Kantakuzenos; OE: Adrianopel? Thrakien? D: Oktober-Winter 1352; wI: Freude über das Ende des Krieges; Vermutung, daß sich Tzykandeles jetzt seine Wünsche erfüllen kann; er wird für sein briefliches Schweigen geta­delt, der Adressat für sein Schreiben gelobt.

230

BRIEFE T34- T35

Soviel ich früher mit euch Schmerz empfand wegen der täglichen kriegeri­schen Auseinandersetzungen, wegen der ständigen Notlage (euch blieb ja 5

nichts mehr als Mühsal) und wegen der anderen Dinge, über die du dich be­klagtest, so sehr freue ich mich jetzt mit euch über das gegenwärtige Glück. Denn nun ist euch ja nichts mehr geblieben von jenem Leid, und gewiß macht das Erzählen davon einige Freude, so wie Kranke, wenn sie von ihrer Diät be­freit sind, gern von ihrer Krankheit reden!. Zudem läßt euch die Gerechtig- 10

keit des Kaisers jetzt an Ehrungen denken; er bewahrt sie ja seinen Freunden, seine Feinde aber besiegt er durch Menschenfreundlichkeit2

• Da euch also ge­rechter Lohn von ihm zuteil wird, habt ihr da nicht Grund zu Feiern und Fest­lichkeiten? Jetzt wird ja wohl auch Tzykandeles in die Häuser der Gold­schmiede gehen und bei ihnen Mörserkeulen, Rührlöffel und Kochtöpfe be­stellen. Ich nehme aber auch an, er wird sich Prüfsteine3

, Decken4 und alles 15

andere, was man für die Nacht braucht, besorgen, damit er, so zur Genüge gerüstet, etwas hat, um des Nachts den Städten nachzuhelfen, die so von der Pest und vom Krieg entleert sind5

• Ich glaube auch, weil er damit beschäftigt ist, kann er niemals daran denken, an mich zu schreiben6

• Du aber, der du von allen das getreueste Gedenken bewahrse, richte ihm von mir aus: «Wel­che gerechte Entschuldigung wirst du haben, wenn ich dir bei deiner Rück­kehr dein Schweigen vorwerfe? Denn ich glaube, dein gefälliger Redefluß 20

wird dir darin ausgehen»8.

K I. E, OE, D: Der Name Tzykandeles (12) und das, was von ihm gesagt wird, verbindet die­

sen Brief mit T29 (s. dort Xl) und T31, also mit Briefen aus der Zeit des thrakischen Unterneh­mens des Kantakuzenos gegen Ioannes V. im Sommer/Herbst 1352. Doch ergibt die Freude des Kyd. über das Ende des Krieges keinen sicheren Anhaltspunkt für die Datierung, weil es unsicher bleibt, ob es sich um das vermeintliche oder das tatsächliche Ende handelt. Im ersteren Fall könnte man ihn wie die Briefe T32 und T34 bald nach der Maricaschlacht im Oktober 1352 an­setzen, im anderen Fall kämen noch die Auseinandersetzungen mit Ioannes V. im Winter hinzu (NicKant 80 f.), und der Brief wäre evtl. nach dem Abkommen in den ersten Monaten des Jahres 1353, das Ioannes V. nach Tenedos verbannte, geschrieben (doch unternahm bekanntlich Ioan­nes V. bald danach noch einen Angriff auf die Hauptstadt, um sie einzunehmen, NicKant 81; von einem in diesem Brief beschriebenen großen Frieden konnte also keine Rede sein). Eine noch spätere Datierung ist ebenfalls nicht möglich, weil Kantakuzenos auf die Kunde von dem Hand­streich sofort nach Konstantinopel eilte, wodurch ein Brief dieser Art überflüssig wurde. Außer­dem ist gegen die spätere Datierung zu bedenken, daß Kyd. gemäß KydloPal12,4f. gegen eine Verbannung Ioannes' V. votiert haben will; dazu würde die in diesem Brief ausgedrückte unein­geschränkte Freude nicht passen. So ist die Datierung auf Oktober 1352 wahrscheinlicher. Ent­sprechend der Entscheidung für das Datum ist OE anzusetzen: entweder noch Adrianopel

231

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

(wahrscheinlicher) oder schon ein anderer Ort in Thrakien. Jedenfalls ist E einer der kaiserlichen Sekretäre von T30 bzw. T31. OKyd: Kyd. ist nach wie vor auf schriftliche Nachrichten aus der Umgebung des Kaisers angewiesen (17-20), hält sich also wie zur Zeit der vorausgehenden Briefe in Konstantinopel auf.

11. Xl: S. 0.,A.2 (Lob aufIoannes Kantakuzenos). X2: Tzykandeles, s.o., A.3 -A.6; zur Per­son s. auch T29,X1. ZG: S. D. Ferner: Rückblick auf die Notzeit des Bürgerkrieges (4 f. 7), insbe­sondere die Lage der umkämpften thrakischen Städte (16 f.). Ep: Zweifellos hat E dem Kyd. kurz zuvor geschrieben und die frohe Nachricht vom Ende des Krieges mitgeteilt; jedenfalls wird er für sein treues Gedenken gelobt (18).

III. Hs: B 224v -225\ Nr. 68. IV. 1 Die Krankheit steht hier nur für ein beliebiges Leid, auf das man, wenn es überstanden

ist, gern zurückblickt. Ein ähnlicher Gedanke mit dem Bild von der Gebärenden ausgedrückt, findet sich z. B. NTJo 16,21, allerdings mit der Variante daß spätere Freude vergangenes Leid vt;,rgessen läßt.

2 Zur Gerechtigkeit des Kantakuzenos: Exkurs, S. 96, A.26; zur Menschenfreundlichkeit: ebd. A.29; Sieg durch Menschenfreundlichkeit: ebd. A.57. In Z.9 und 12 wird entsprechend der besser passenden Konjektur von Loenertz «euch» statt «uns» gelesen.

3 Tzykandeles, dem die karge Kriegskost nicht geschmeckt hatte, ist offenbar ein Liebhaber anspruchsvoller Lebensführung. Diese Schwäche wird ironisch mit dem Gedanken vom golde­nen Küchengerät ausgedrückt; vermutlich stehen auch die ßUOUVLO'tTJQLU (Prüfsteine) mit die­sem Gedanken im Zusammenhang; sie werden aber nicht im Zusammenhang mit dem Goldge­rät, sondern in einer Reihe mit den Einrichtungsgegenständen genannt, so daß möglicherweise das Wort hier auch einen anderen Sinn haben könnte; doch ist sonst nur die Bedeutung «Folter­werkzeuge» belegt.

4 übersetzung in Anlehnung an NikChon 11 117 f., s. v. rnL1tAU, dort «velamenta sacra», aber in einem Fall vielleicht auch «profana».

5 Gemeint ist wohl, daß die Städte nicht nur leer von Menschen sind, weil viele starben, son­dern auch, weil andere samt ihrer Habe wegzogen. Wer übernachten will, muß daher das Nötige selbst mitbringen, vor allem, wenn er auf einen gewissen Komfort Wert legt.

6 Der Hauptgrund, der ihn am Schreiben hindert, wäre der in A.5 erläuterte. 7 Der bei Kyd. seltene Fall der Anerkennung eines eifrigen Briefschreibers (meistens be­

kanntlich das Gegenteil). Leider gibt es keinen Anhaltspunkt, welcher der Sekretäre sich dieses Lob verdiente.

8 Scherzhafte Drohung wie T30/L42,67 -70, ebenso wie dort wirkungsvoll am Briefschluß plaziert.

36 - AN SEINEN BRUDER PROCHOROS

L: 58; OKyd: Konstantinopel; E: Prochoros Kydones; OE: Athoshalbinsel, LaurakIoster; D: Zwischen Frühjahr 1353 und Herbst 1354; wI: Mahnung des säumigen Briefschreibers; Erklä­rung, warum Prochoros keine Post von seinem Bruder erhalten hat; Ermahnung zur Sanftmut.

232

BRIEFE T35 - T36

Wir haben hier Briefe von dir an viele Leute gelesen! und wissen daraus, 5

wo du dich aufhältst und wie es dir dank der Gesundheit deiner Seele körper­lich ergehe; aber auch das andere, wovon du berichtest, verläuft alles so, wie du selbst und wir es wünschen möchten. Ich bin aber im unklaren, warum du nicht auch deinen Bruder derselben Aufmerksamkeit würdigst, ja, es nicht einmal für nötig hältst, ihm einen Gruß auszurichten; doch es gelang mir nicht, dieses Rätsel zu lösen3

• Denn mit der Erklärung, du habest nicht ge- 10

schrieben, weil wir weniger deiner Sorge bedürfen, könntest du ebensowenig eine glaubhafte Entschuldigung vorbringen, als wenn du mit dem Hinweis auf die Gesetze des Mönchsstandes dein Schweigen verteidigen würdest: Er­stens, weil du dann dieselbe Zurückhaltung auch den anderen gegenüber wahren müßtest und ihnen nicht schreiben dürftest, während du bei uns mehr als geboten das Gesetz scheust, obwohl hier sogar eine Pflicht zu schreiben besteht4

• Zweitens: Daß es legitim ist, den Freunden zu schreiben, und niemand deshalb gegen das Gesetz verstößt, bezeugen die an alle gerich­teten Briefe der Heiligen und ihre langen Schreiben an FreundeS. Wenn wir 15

uns auf ihre Nachfolge berufen, sind wir doch wohl von jedem Tadel frei. Soll ich aber, weil ich dein Bruder bin, weniger als die anderen bekommen, - die Briefe der Besagten an ihre Brüder sind jedenfalls nicht weniger zahlreich als die an ihre Freunde, und das um so mehr, als auch die Natur die Schreibenden dazu verpflichtete. Welche Gesetze sie mit diesem Tun übertreten haben, hat 20

bisher noch niemand gewagt zu verlautbaren. Ich möchte sogar sagen: Got-tes Gesetzgebung weiß nichts von solchen Verboten, sondern nur von ent­sprechenden Geboten. Denn er, der uns mahnte, sogar den Feinden Gutes zu erbitten, und denen, die nicht so handeln, ewige Strafen androhte6

, wie hätte er es verbieten wollen, den eigenen Brüdern zu schreiben? Wir werden uns doch wohl nicht nur mit Gott über sie unterhalten, uns aber scheuen, es mit 25

ihnen selbst zu tun und mit den Menschen über das zu sprechen, was wir ih­nen wünschen! Oder werden wir ihnen etwa, wenn sie uns freundlich anre­den, keine Antwort geben, sondern wie eine Art Standbilder dastehen und dafür ich-weiß-nicht-was für Gesetzen die Schuld geben7 ? So zu sprechen ist doch nicht gerecht, und auch du selbst würdest, wenn es sich so verhält, so etwas nicht sagen! Überzeugender ist aber wohl, was zu mir einer der Leute bei uns hier sagte, als ich mit dem Problem beschäftigt war. Er gab nämlich 30

an, du habest, darüber befragt, ihm erwidert, du schriebest mir allein von al­len nicht, weil auch ich dir nicht schriebe, sondern dies sei schon das dritte Jahr, seit ich beschlossen hätte zu schweigen. Dazu kann ich nur sagen: hier-

233

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

bei müßte man auch die Kriege bedenken, die sich ereignet haben, und wie die Schiffe, die überall Zerstörung gebracht haben, alles wie eine Nebelwolke behinderten8

, so daß es absolut unmöglich war, irgendwohin einen Brief zu 35 schicken, da alle ihre Steuerruder ruhen ließen9

• Die unglückliche Lage auf dem Festland aber stellte die auf dem Meer noch in den Schatten; man konnte sein Haus nicht verlassen, ohne zuvor an sein Testament gedacht zu haben lO

Aber trotz so vieler Schwierigkeiten, wie Demosthenes sagtll, gab ich vie­len Briefe mit auf ihre Schiffe, aber auch nicht weniger Leuten, die nachts durch das Gebirge ihren Weg nahmen12

• Wenn du aber diese nicht erhalten 40 hast, zum Henker dann mit dem Tyrannen von Tenedos, den ich brieflich er­

sucht habe13, die Briefe auf dem schnellsten Wege weiterzuleiten. Zum Hen­

ker auch mit denen, die ständig nach Thasos 14, Thessalonike und zum Athos selbst unterwegs sind. Ihnen habe ich jeden Gefallen getan, damit auch sie mir bei der Zustellung der Briefe an dich gefällig seien 15. Dennoch, wenn ich auch nicht geschrieben, sondern, wie du behauptest, geschwiegen hätte, hät­test du immer noch keinen Grund gehabt, dich zurückzuziehen. Du hättest

45 dir euer ruhiges Leben und dagegen die Plagen im Kaiserpalast vor Augen halten sollen, die mich oft zwangen, auf Nahrung und Schlaf zu verzichten. Ich muß ja offene Ohren haben für das Geschrei eines jeden, muß mit meiner Zunge die Schwalben nachahmen und bald den Kaiser überreden, bald ihn mitten in der Nacht anflehen, wenn sogar denen, für die ich bitte, das Abend­essen, das Bett und das Verweilen in Träumen von der Unerquicklichkeit des Tages Erleichterung bringt16

50 Du aber, obwohl du Geduld haben und uns sagen solltest, wie wir dieses Leben leichter ertragen können, bist noch dazu entschlossen, uns anzuklagen und zu bestrafen 17. Müßtest du aber nicht sogar dann, wenn ich verbittert wäre un.d es aus einem Gefühl des Zornes heraus nicht fertigbrächte, dir zu schreiben, mit Sanftmut die Erbitterung, das Schweigen mit Worten be sie­gen18 wie die, die sich neben Trauernde und deshalb Schweigende setzen und ihnen zurufen: «Sprich es aus! Verbirg es nicht im Sinn! Damit wir es beide

55 wissen!» 19 Hier hättest du eher an das Gesetz20 denken sollen, bald sanft zu­rechtweisend, bald unterweisend, bis du den so Aufgebrachten zur Besin­nung zurückführtest. Jetzt aber verhältst du dich kleinlich, sogar gegenüber einem Besonnenen, mit Verlaub zu sagen, und erklärst, du wollest lieber die Sünder nachahmen, als ob sie etwas Großes geleistet hätten21

• Du wirst aber nicht behaupten können, daß der Athos dies loben würde, wenn er menschli­che Stimme annähme22

234

BRIEF T36

K

I. OKyd: Kaiserpalast (in Konstantinopel): 44. OE: Athos (41.58); zum Aufenthalt des Prochoros im Laurakloster s. u., EXkurs, S. 241, A.9. D: Der wichtigste Anhaltspunkt ist die Er­wähnung des Tyrannen von Tenedos (39), an den sich Kyd. brieflich gewandt hat (40): es kann sich nur um Ioannes V. Palaiologos handeln, den Kantakuzenos in den ersten Monaten des Jah­res 1353 dazu zwang, auf dieser Insel seine Residenz zu nehmen (NicKant 81), und der dort bis etwa Spätsommer 1354 verblieb (NicKant 83 mit A.121). «Tyrann» (= Usurpator) wird Ioan­nes V. wegen seiner vorherigen Auflehnung gegen Kantakuzenos genannt. Während dieser Zeit muß der Brief geschrieben sein, aber, wie die entsprechende Bemerkung Z.33 zeigt, nicht vor Be­endigung der kriegerischen Unruhen (im März 1353 machte Ioannes V. den Versuch, Konstan­tinopel im Handstreich zu nehmen; nach seinem Rückzug trat bis Sommer 1354 Ruhe ein; Nik­Kant 81-83). Die Zeitangabe E'tO~ i'JÖT) "q~('t'ov (31) ist weniger hilfreich, weil 1. der ganze Zeit­raum des dritten Jahres gemeint sein kann und 2. nicht sicher ist, wann Kyd. den Beginn der krie­gerischen Vorgänge zu Wasser und zu Lande ansetzt, die den Postverkehr störten; vielleicht kann man an Mai 1351 denken, als Byzanz in die Auseinandersetzungen zwischen Genua und Venedig hineingezogen wurde (NicKant 76). Damit ergäbe sich für den Ansatz des Briefes die Zeit zwischen Mai 1353 und Mai 1354.

11. BKyd: Kyd. beklagt wie bereits früher einmal (T20, BKyd) seine Mühen im kaiserlichen . Dienst, die ihm oft zu wenig Zeit zum Essen und Schlafen lassen. Als seine Hauptaufgabe gibt er

die Vermittlung zwischen dem als anwesend vorausgesetzten Kaiser (s. X2) und der Schar der Bittsteller an (vgl. dazu oben, S. 11 mit A.54, hier ZA4-49). Zu seinem Brief an Ioannes V.s. u., Ep. BE: S. Exkurs, S. 237ff. Xl: Der «Tyrann von Tenedos» (39f.) = Ioannes V. (s.D). Die von BoissAnNov 282,AA erwogene Möglichkeit, der «Tyrann» könne der bei Kant III 277 er­wähnte Usurpator Pergamenos sein (zur Zeit der Krönung des Matthaios Kantakuzenos, also Apri11353 nach NicKant 82), ist sehr unwahrscheinlich, da dieser Aufstand nur eine kurze Epi­sode war und der Staatsmann Kydones kaum mit einem solchen Aufrührer brieflichen Kontakt aufgenommen hat. X2: Der Kaiser (ZA 7) kann gemäß D nur Ioannes Kantakuzenos sein, der sich seit Frühjahr 1353 wieder in Konstantinopel aufhielt (NicKant 81). ZG: S.D; BKyd. Ep: 1. Kyd. hat sich brieflich an Ioannes V. gewandt und ihn gebeten, einen Brief (2.) an Prochoros wei­terzuleiten, der aber offenbar nicht angekommen ist (39f.). Vgl. dazu LOCP 36,54: «Ses rela­tions avec lui (sc. Ioannes V.) n' empechent pas, cependant, que Cydones continue son service penible au palais imperial.» Er scheint also vorauszusetzen, daß dieser Briefkontakt Ioannes Kantakuzenos nicht bekannt war. Doch wäre etwa im Sommer 1354 auch ein Briefwechsel im Auftrag des Kantakuzenos mit Ioannes V. denkbar, als dieser sich bemühte, mit seinem Schwie­gersohn erneut ins Gespräch zu kommen (NicKant 83). Ein geheimer Briefwechsel ist allerdings wegen der späteren Beteuerung des Kyd., er habe eine Verbannung des Palaiologen auf die Insel Tenedos abgelehnt (s.o., S. 14 mit A.69), nicht ganz auszuschließen. Die Beziehung kann jedoch zur Zeit des vorliegenden Briefes nicht besonders herzlich gewesen sein, wenn man berücksich­tigt, mit welch unfreundlichem Ton Kyd. den «Tyrannen von Tenedos» beschuldigt (Z.39). 3. «Zahlreiche» Briefe des Prochoros an andere Personen in Konstantinopel (ZA; zur Hyperbel s. T11,A.5). 4. «Zahlreiche» Briefe des Kyd. an Prochoros (Z.37-39; vgl. A.12).

III. Hss: B 225r-226r, Nr. 69; P 403v-404v, Nr. 20. Ed: BoissAnNov 281-283 (Nr. 11).

IV. 1 Vgl. Ep,3. «Briefe an andere» als Topos der Briefmahnung: s. T20,A.3. Übertreibung der Menge wie T11 ,A.5.

235

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

2 Die Vorstellung von der «Gesundheit der Seele» ist bei Platon (Grg 524 e; Plta 444 de) be­legt. Der Gedanke, daß körperliches Wohlbefinden die Funktion einer gesunden Seele ist, wie es hier anklingt, ist hingegen nicht platonisch. Für Platon (Ti87 c-88 b) ist vielmehr die richtige Relation zwischen Seele und Körper entscheidend.

3 MOQCa im Brief wie T26/L64,6. 4 Schweigen im Brief: T22,A.2. Pflicht zu schreiben: die natürlichen geschwisterlichen

Bande verpflichten mehr als andere Beziehungen. Zum Gedanken: T15,A.4. 5 Mit den «Heiligen» sind wohl vor allem die Kirchenväter gemeint. Mit seinem Bruder Kai­

sarios korrespondierte z. B. Gregor von Nazianz: GregNazEp Nr. 7; 14; 20; 23. Vgl. P. Gallay, Introd. zur Ausgabe, IX.

6 NTMt 5,44; Lk 6,27 f. (Feindesliebe) ; was die Strafdrohung Christi betrifft, so ist am ehe­sten an NTMt 5,22 zu denken; das von Loenertz angegebene Bildwort Mt 7,19 ist wesentlich weiter gefaßt.

7 Standbilder: T30,A.5; Kyd. erörtert wie auch sonst in Mahnbriefen (s. vor allem T22,A. 7; A.14) die möglichen Gründe des Schweigens und führt zunächst eine Reihe von Scheingründen an (1. Der Bruder bedarf weniger der Zuwendung als andere Personen, 2. ein Mönch muß stren­ges Schweigen bewahren; vgl. Psellos anXiphilinos: PsellEpSath V 276,19), die er durch Gegen­argumente entkräftet: Gegen das zweite Argument wendet er sich zuerst mit dem Hinweis auf die zahlreichen Briefe (A.l) des Prochoros an andere Personen und auf die Korrespondenz der Kirchenväter, die ihm dann auch das erste Argument gegen den ersten Einwand liefert: auch sie haben ihren Brüdern geschrieben; das zweite Argument dagegen liefert ihm das Gesetz der Na­tur, das dritte der Wille Gottes, der ja sogar Feinde, um wieviel mehr Brüder zu lieben befiehlt (a minore). Schließlich führt er auch die Möglichkeit eines rein geistigen Kontaktes ad absurdum und zieht das «fromme» Schweigen sogar ins Lächerliche.

8 Schiffe: s.o., D. Wolke: der Vergleich in anderem Bezug T83/L23, 10. Hier ist eher an be­hindernden Nebel als an eine Wolke am Himmel zu denken.

9 Das Argument von der unruhigen politischen Lage gehört in die Reihe der Entschuldi­gungsgründe für briefliches Schweigen. Kyd. übertreibt hier, denn weiter unten (Z.3 7 H.) gibt er an, dennoch Briefe abgeschickt zu haben. Zur Formulierung UJtEQ xaJtvoü"tu JtTJÖUA.La 1:L'frEVaL

= die Steuerruder über den Rauch des Herdfeuers hängen = ruhen lassen: HesOp 45.629. 10 An sein Testament denken = sich auf den Tod gefaßt machen; bis heute beliebte Rede­

wendung. T79,A.l; ähnlich T21/L88,49. In diesem Absatz kommt Kyd. nun erst auf den nach seiner Meinung eigentlichen Grund zu sprechen, warum Prochoros schweigt: auch er hat seit über zwei Jahren nichts mehr von Demetrios gehört. In ähnlicher Weise nennt Kyd. auch in T30/L42,32ff. nach einigen Scheingründen den seiner Ansicht nach wirklichen Grund des Schweigens.

11 DemOr 18,306 (= DemCor 237). 12 «Viele Briefe», s. T11,A.5.

13 Zu der klassisch nicht belegbaren Bedeutung von avayxu~oo = bitten, ersuchen s. LC 11 478 (Index, s. v.). Diese Bedeutung ist auch NTMk 6,45; Mt 14,22; Lk 14,23 anzunehmen. Dazu, soweit ich sehe, nur Bauer, s. v., mit spärlichen weiteren Belegen. Er gibt dazu die Überset­zung: (nachdrücklich) auffordern, (dringend) einladen. Tyrann: s. Xl.

14 Thasos: Insel, ca. 50 km nordöstlich der Athoshalbinsel vor der thrakischen Küste. 15 Ein dramatisches Bild von den Problemen der Briefzustellung in dieser unruhigen Zeit!

236

BRIEF T36/EXKURS PROCHOROS KYDONES

16 Ein lebhaftes Miniaturbild von seiner Tätigkeit im Kaiserpalast! S.o., S. 11, A.54. Nega­tive Oberbietung (T3,A.5): sogar den Bittstellern geht es besser als dem Vermittler. Zum Bild von der geschwätzigen Schwalbe vgl. z. B. ThphrChar 7,9 (XEALÖ6vwv A.aÄ(m:q~o~); Aristoph Ra 93; Vergil, Georgica 4,307; Paroem II 183, Nr. 49. Bei Kyd. auch T81/MercNot 354,290.

17 Gerichtsterminologie im Mahnbrief: T9,A.7; T30,A.6. 18 Ausmalung der extremen Forderung, die das Christentum an den Mönch Prochoros stel­

len würde, die aber im gegebenen Fall gar nicht verlangt wird, vgl. Z.56. «Vergeltung» mit der entgegengesetzt positiven Reaktion wie NTMt 5,39-47; Lk 6,27-34.

19 Gleich neben dem christlich-ethischen das literarisch-antike «Argument»: HomIl1,363 (Thetis zu ihrem zürnenden Sohn Achilleus).

20 Nämlich an ein anderes Gesetz als das vermeintlich christliche Z.13, sc. das in A.18 an­gedeutete.

21 «Mit Verlaub zu sagen»: weil Kyd. von der eigenen Besonnenheit spricht. «Die Sünder nachahmen»: hier erreicht die epistolographische «Anklage» ihren Höhepunkt; Prochoros wird so völlig ins Unrecht gesetzt.

22 Wirkungsvoller Abschluß der Anklage und des ganzen Briefes mit einer Prosopopoiie des Athos. Der Brief ist seiner banalen Thematik (Briefmahnung) zum Trotz ein kleines literarisches Kunstwerk.

Exkurs

PROCHOROS KYDONES (BIOGRAPHISCHER ABRISS)1

Prochoros, der einzige2 und zwar jüngere3 Bruder des Demetrios Kydones, ist um 1335 in Thessalonike geboren4

, wurde in entsprechend früherem Alter als Demetrios Halbwaise durch Tod des VatersS und zur Zeit des Überfalles auf sein Elternhaus in den Wirren des Jahres 13456 von einem Unbekannten gegen eine beträchtliche Geldsumme aus der Hand der Zeloten gerettee . Noch im KindesalterS begab er sich zum Athos, um dort als Mönch zu leben, und trat sofort oder bald in das Große Laurakioster ein9

• Seine Beziehung zu dem älteren Bruder, den er ja kaum kannte 10, war in den frühen Jahren seines Athosaufenthaltes offenbar wenig herzlich 11. Anscheinend verübelte er ihm als tief und leidenschaftlich engagierter Mönch auch seine staatsmännische Karriere12

• Einige erhaltene Briefe des Demetrios bezeugen, daß ihm an einer Verbesserung der Beziehung sehr gelegen war13

• Doch brachte wohl erst eine nicht sehr lange dauernde Begegnung der beiden Brüder14 das tiefe Einver­ständnis im Persönlichen und im Geistigen, das für Prochoros in seinen letz­ten Lebensjahren zum entscheidenden Erlebnis wurde. Vielleicht fand sie erst im Sommer 1363 im Zusammenhang mit einer Reise des Prochoros nach

237

EXKURS PROCHOROS KYDONES

Lemnos statt, als er bei dem dortigen Gouverneur Georgios Synadenos Astras15 eine Zuwendung für das Laurakioster in Empfang nehmen sollte16

Um das Jahr 1364 wird Prochoros die Priesterweihe empfangen haben17•

Sein sittlich einwandfreies Leben stand damals außer Frage18; er war ein

Mensch von gewinnendem Charakter und stand an Gelehrsamkeit seinem Bruder nur wenig nach 19.

Sein Leben nahm eine entscheidende Wende, als Philotheos Kokkinos, der mit der Abdankung des Kantakuzenos 1354 abgesetzte palamitisch gesinnte Patriarch, am 8. Oktober 1364 erneut das höchste kirchliche Amt erhalten hatte, nicht zuletzt durch Vermittlung des Demetrios Kydones bei Kaiser 10-annes V.20

• Zuvor hatte Philotheos schwören müssen, alle Übergriffe gegen die Gegner des Palamismus zu vermeiden und zu verhindern21

• Doch zeigte sich bald, daß er eine Einhaltung seiner eidlichen Zusage nicht beabsichtigte; offenbar hielt ihn nur die Anwesenheit des Kaisers in der Hauptstadt davon ab, sofort gegen antipalamitische Tendenzen einzuschreiten22

• Prochoros, wohl der bedeutendste Geist unter den damals auf dem Athos lebenden Mönchen, war inzwischen zum natürlichen Führer aller Gegner des Pala­mismus und der hesychastischen Richtung auf dem Athos geworden. Seine Beziehungen zu Philotheos waren bereits seit längerem gespannt, da er dem Patriarchen während der Zeit seiner Vakanz (1355-1364) keineswegs be­sondere Verehrung erwiesen hatte23

• So wartete Philotheos nur auf eine Ge­legenheit, gegen Prochoros vorzugehen, und um eine solche zu finden, beauf­tragte er lakobos Trikanas, den palamitisch gesinnten Abt des Lauraklo­sters24

, Prochoros insgeheim zu überwachen25• Da an seinem Lebenswandel

nichts auszusetzen war, konzentrierte sich der Angriff auf die antipalami­tische Gesinnung des Mönches. Der Abt wies Prochoros zunächst in einem persönlichen Gespräch zurecht, das aber kein befriedigendes Ergebnis brach­te26

• Nun erhob eine Hesychastenversammlung in der Laura unter dem Hieromonachos (Priestermönch) loseph Anklage gegen Prochoros, und der Abt lakobos verfaßte eine von allen Priestern der Laura unterschriebene An­klageschrift, die von den Mönchen Malachias und lob dem Patriarchen überbracht wurde27

, etwa im Herbst des Jahres 1365, vielleicht auch erst 136628

• Um diese Zeit jedenfalls beklagte sich Demetrios Kydones in einem Brief an Georgios Synadenos Astras auf Lemnos, er habe es in dem Sturm, der sich gegen seinen Bruder erhoben habe, an persönlichem Einsatz für ihn feh­len lassen und nur einen unfähigen Beauftragten, einen gewissen Ivanko, zur Inspektion der Lage auf den Athos entsandt29

238

j

EXKURS PROCHOROS KYDONES

Philotheos reagierte auf die Anklage gegen Prochoros mit der Absendung der Anathematismen des Konzils von 1351 gegen Barlaam und Akindynos an den Abt der Laura. Prochoros sollte sie vor der Synaxis der Mönche vorle­sen und dann unterschreiben30

• Widerwillig ließ sich Prochoros zur Unter­schrift herbei, widerrief sie aber bald darauf31

• Zwischen Mai 1366 und Juni 1367 beauftragte Philotheos den Metropoliten Theophilos von Nikaia mit einer Untersuchung gegen Prochoros32

; gleichzeitig ergingen aber geheime Instruktionen an den Abt Trikanas, Prochoros den Prozeß zu machen33

Auch eine Verurteilung des Demetrios Kydones versuchte der Patriarch da­mals in Gang zu bringen34

• Der Metropolit von Nikaia zeigte wenig Interesse an der Angelegenheit und wählte ein anderes Reiseziel als den Athos35

; das entsprechende Schreiben aber schickte er an den Abt der Laura. Trikanas ging im Auftrag des Patriarchen gegen Prochoros vor, und dieser wurde aus der Laura ausgestoßen; Schriften der Antipalamiten Barlaam und Akindy­nos, die man in seiner Zelle gefunden hatte, sandten die Laurioten dem Pa­triarchen ZU36• Prochoros hatte die Zeit seit dem Beginn der Unruhen gebüh­rend genutzt, um noch einmal alle einschlägigen theologischen Fragen gründlich zu studieren37

, und das Ergebnis seiner Studien, vermutlich den in­zwischen wohl abgeschlossenen Traktat «De essentia et operatione», das er­ste stark von Thomas von Aquin beeinfIußte theologische Werk eines Byzan­tiners, wollte er dem Patriarchen nun zur Begutachtung vorlegen, noch im­mer hoffend, ihn mit Argumenten überzeugen zu können; in einem Brief teilte er ihm seine Absicht mies. Zur weiteren Erörterung der Streitfragen begab er sich bald darauf selbst nach Byzanz, wo er im Juni 1367 eintraf39

Dort suchte ihn der Patriarch zunächst hinzuhalten und veranlaßte ihn zur Lektüre diverser Schriften, in denen er den palamitischen Standpunkt vertre­ten sah40

, unter anderem der Akten des sechsten ökumenischen Konzils von Konstantinopel (680/81)41. Von der Lektüre dieser Schriften in seinem Standpunkt nicht erschüttert, schrieb Prochoros gegen Ende des Jahres 1367 einen offenbar ziemlich aggressivabgefaßten Brief an den Abt des Lauraklo­sters, in dem er alle Anklagen zurückwies. Im Januar/Februar 1368 über­reichte er dem Patriarchen noch zwei weitere selbstverfaßte Schriften, offen­bar seine beiden Werke zur theologischen Methode42

Damit konnte seine kirchliche Verurteilung nur noch eine Frage der Zeit sein. Nicht lange vor dem Osterfest 1368, das in dem Jahr auf den 5. April fiel, lud ihn der Patriarch zu einem Gespräch unter vier Augen ein43

• Procho­ros folgte der Einladung, aber statt der klärenden Aussprache erwartete ihn

239

EXKURSPROCHOROSKYDONES

die kirchliche Gerichtsverhandlung, bei der Philotheos den Vorsitz führte44, während Theodoret, der Metropolit von Ephesos45

, und ein gewisser Theo­leptos46 als Mitankläger fungierten. Bei der Anklage ging es im wesentlichen um drei Punkte: 1. Die Kritik des Prochoros an der palamitischen Lehre vom ungeschaffenen Taborlicht und den göttlichen Energien47

, 2. seine an die paulinische Theologie anknüpfenden Vorstellungen von der Erniedrigung des Logos Christus, der freiwillig das Fleisch des Sünders angenommen habe48,3. seine an die aristotelische Logik anknüpfende theologische Me­thode49

• In der Verhandlung wurden die Irrlehren des Prochoros festgestellt, aber das Urteil wurde einer Versammlung der Synode vorbehalten50

• Unmit­telbar nach dieser Vorverhandlung verfaßte Demetrios Kydones ein leiden­schaftliches Pamphlet in Sachen seines Bruders gegen den Patriarchen51, und Prochoros schrieb, wohl von seinem Bruder unterstützt, eine Apologie, in der er die Anklagen seiner Gegner zu entkräften suchte52

• Wenige Tage später wurde ihm auf einer Sitzung der Bischofssynode, zu der er nicht erschienen war, die Priesterwürde aberkannt und unter erneuter Einschärfung des To­mos von 1351 (des sog. Tomos Agapes53

) das Anathema über ihn ausgespro­chen54

• Gleichzeitig wurde jeder briefliche Verkehr mit ihm untersagt55•

Vermutlich verblieb Prochoros nach seiner Verurteilung in der Hauptstadt, zumal er ja auf dem Athos ausgestoßen war. Er lebte noch, als sein Bruder Demetrios im Frühjahr 1369 nach Italien abreiste. Ob ihn der Brief, den jener aus Rom an ihn schrieb, noch lebend antraf, wissen wir nicht56

• Jedenfalls starb er vor der Rückkehr des Demetrios nach Konstantinopel, d. h., vor Frühjahr/Sommer 1371. Dem Sterbenden wurde der Empfang der Kommu­nion, dem Toten die geweihte Erde verweigert57

• Nach der Rückkehr in die Hauptstadt beklagte Demetrios in mehreren Briefen das Schicksal seines Bruders und ehrte sein Andenken mit bewegenden Worten58

• Doch die Kam­pagne gegen ihn war noch nicht zu Ende. Zwar hatten sich zahlreiche Bi­schöfe von dem harten Urteil über den aufrechten Kämpfer distanziert59

, un­ter ihnen vielleicht auch der Chartophylax, der Stellvertreter des Patriar­chen60

, doch hatte inzwischen Ioannes Kantakuzenos seine wahrscheinlich bereits 1369 abgeschlossenen Antirrhetika gegen Prochoros' Hauptwerk (De essentia et operatione) in Mistra (Peloponnes) von dem tüchtigen Kopisten Tzykandeles61 vervielfältigen lassen und im ganzen Bereich der Orthodoxie verbreitet62

• Ein energischer Protest des Kydones konnte zwar an der Ver­breitung der Streitschrift nichts mehr ändern, veranlaßte aber Kantakuzenos, auf deren Eintragung in eine luxuriös ausgestattete Sammelhandschrift sei-

240

EXKURS PROCHOROS KYDONES

ner Werke zu verzichten63• Über Prochoros jedenfalls ergeht bis heute wie

über seinen Bruder an jedem 1. Fastensonntag in der orthodoxen Kirche das Anathema 64.

1 Frühere Lebensabrisse in Lexika: s. Beck 739,A.1. Grundlegend immer noch MercNot 40ff. (Leben) und 20ff. (Werke). Wichtige neuere Hinweise bei DarPatr 1/5 und PodTheol 207-209.

2 KydKant 15,24 «t'oü äÖEAq>OÜ» schließt einen anderen Bruder aus, auf den ohnehin jeder Hinweis fehlt.

3 Nach dem Tode des Vaters ist es Demetrios, der sich für die Familie verantwortlich fühlt: KydApol I 360,23 f.

4 Wir wissen, daß er noch im Kindesalter zum Athos kam (TomSyn 11 694A: tx. 3tUeÖWV; KydApol III 316,116f.: 3tQi.v ytVELOV ÖEL;m. Ebd. 335,753: 3tQi.v J.l.ELQclX.LOV YEvtoß-m. Das kann frühestens nach dem Überfall der Zeloten auf das Haus der Familie Kydones im Jahr 1345 gewesen sein (s. u.,A.6), vielleicht auch etwas später. Angenommen, daß er schon im Alter von zwölf Jahren zum frühesten Termin zum Athos kam, wäre er etwa 1333 geboren. Wesentlich früher ist sein Geburtsdatum kaum anzusetzen. Setzt man andererseits voraus, daß er nicht vor dem regulären Weihealter (30 Jahre nach Beck 79) Priester wurde und wegen der Unruhen um seine Person eine Weihe später als 1364 unwahrscheinlich ist, dann müßte er spätestens 1334 geboren sein. So bleibt der Ansatz 1333/34 für seine Geburt der wahrscheinlichste. Die Angabe, er sei «in seiner Jugend» gestorben (K ydApol III 335,751), läßt sich dami t vereinbaren, denn bei einem Todesdatum ca. 1370 (s. u., A.57) wäre er mit 36/37 Jahren gestorben. Zum Geburtsort Thessalonike s.o., Biographie des Demetrios Kydones, S. 5 mit A.5.

5 S.o., S. 6 mit A.7. 6 S.o., S. 9 mit A.35. 7 KydKant 1 5,24. 8 S.o., AA. 9 KydApol III 318,181 und TomSyn 11 694A bezeugen ihn als Laurioten. Bei Eintritt ins

Kloster wohl verschenkte er sein Familienerbe an die Armen (s.u., T81/MercNot 348,55f.). 10 Daß er seinen Bruder zwischen 1345 (Flucht des Demetrios nach Berroia, s.o., S. 9 mit

A.34) und dem ersten erhaltenen Brief des Demetrios an ihn (T36) (also 1353/54) noch einmal gesehen hat, ist gimz unwahrscheinlich. Die Zeitangabe «das dritte Jahr» (T36/L58,31) läßt darauf schließen, daß es etwa 1350/51 einen brieflichen oder persönlichen Kontakt zwischen den Brüdern gegeben hat. Doch gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß Demetrios je den Athos betreten hat; andererseits ist nur ein Besuch des Prochoros bei Demetrios bezeugt, der zweifellos später zu datieren ist (s. u., A.16). Es bleibt nur die Möglichkeit, daß Demet~ios den Kaiser Kantakuzenos im Oktober/Dezember 1350 nach Thessalonike begleitet hat (NicKant 72f.), worüber wir aber nichts wissen, und Prochoros damals ebenfalls dorthin gekommen wäre; denn zum Athos muß er sich gemäß der Chronologie von AA bereits früher begeben ha­ben. Die Annahme eines brieflichen Kontaktes um 1350 ist einer solchen Konstruktion bei wei­tem vorzuziehen.

11 Das bezeugt T36/L58, mehr aber noch T41/L38, die Reaktion auf einen unfreundlichen Brief des Prochoros etwa im Jahr 1355.

241

EXKURSPROCHOROSKYDONES

12 T41/L38,4ff. 13 T36 und T41. 14 KydApolIII 317,132-135 ohne Angabe eines Datums. 15 Zu seiner Persönlichkeit und seinen Ämtern s. u., Exkurs, S. 250ff. 16 T55/L108,33-37. Auf denselben Besuch in Konstantinopel scheint auch KydApol 111

318,76 f. und 319,203 - 208 anzuspielen; danach fand er nicht lange vor der Rehabilitierung des Philotheos (ebd. 319,209) statt, also nicht allzulange vor Oktober 1364.

17 Begründung des Ansatzes: s.o., AA. Beleg für die Priesterwürde des Prochoros: TomSyn II 694A.

18 Vgl. vor allem den Nachruf des Demetrios auf ihn: T81/MercNot 347,38f. 41; 348,51ff.; 352,213.220f. Ferner KydApol 111 315,52f.

19 Gewinnender Charakter: T81/MercNot 347,29-34. Gelehrsamkeit: Seine überragende klassische Bildung bezeugt tadelnd TomSyn II 694B, anerkennend T81/MercNot 347,41 f. Pro­choros als gebildeterTheologe und Philosoph: ebd. 348,47 f. Dem Patriarchen «schwindelte» es vor der Gelehrsamkeit des Prochoros: T68/L129,25f.; KydApol 111 324,394f.

20 Chronologie: DarPatr 2461. Einsatz des Demetrios: KydApolIII 322,314f. Doch be­hauptet Kant 111 363,10ff., die Beziehungen zwischen Ioannes V. und Philotheos seien auch in der Zeit seiner Vakanz ausgezeichnet gewesen.

21 KydApol 111 322,315-320; T68/L129,18-22. 22 T68/L129,23-25. Die Anspielung auf die Abwesenheit des Kaisers muß sich nicht un­

bedingt, wie MercNot 45 annahm, auf dessen Ungarnreise beziehen. Wegen «I.I.LxQ6v» könnte man auch an das bisher wenig beachtete Kriegsunternehmen Ioannes' V. im Jahr 1365 denken (s.o., S. 200 mit A.18).

23 KydApol 111 318,174-319,185.203-208. S.o., A.16. Vermutlich ist der Ort, wo Philo­theos nach KydApol III 318,177 «eingesperrt» war und wo Prochoros ihn statt der erwarteten regelmäßigen Besuche (<poL"täv) nur einmal kurz aufsuchte (KydApol 111 319,203), das bei Kant III 363,15 erwähnte Kloster in Konstantinopel.

24 Zu seiner Person s. Denise Papachryssanthou, TM 4 (1970) 396f. 25 KydApol III 319,210-213; dazu DarPatr 2504 (mit Datierung wegen der Ungarnreise

Ioannes' V. auf Ende 1365/Anfang 1366; vgl. aber A.22, wonach eine etwas frühere Datierung auf ca. Sommer 1365 möglich wäre).

26 TomSyn II 695B. 27 TomSyn II 695C-696A; DarPatr 2509. 28 Die Datierung hängt vor allem davon ab, welche Abwesenheit Ioannes' V. (gemäß A.22;

vgl. A.25) gemeint ist. . 29 T60/L96. 30 TomSyn II 696A. 31 TomSyn II 696A; DarPatr 2509. 32 KydApol III 322,302f.; DarPatr 2518 (Auftrag an Theophilos).

33 KydApol III 322,305 f.; Papachryssanthou (wie 0., A.24), A.15 datiert diesen Brief irrig auf 1365.

34 KydApol III 322,307f. 35 KydApol III 322,321-323; vgl. MercNot 47.

36 TomSyn II 696B spricht von der tatsächlichen Ausstoßung aus der Laura und der Absen-

242

EXKURS PROCHOROS KYDONES

dung der aufgefundenen Schriften; KydApol III 322,324-323,329 erwähnt nur die Absicht, ihn auszustoßen, was aber die Angabe von TomSyn 11 nicht ausschließt.

37 KydApol III 323,345. 38 Ober das Hauptwerk des Prochoros (ITEQ" ouaLa<; xa" EvEQYELa<;), von dem nur das 1.,2.

(PG 151,1191-1242) und 6. Buch (E. Candal, OCP 20,1954,247-297) ediert sind, vgl. Pod­Theo1207; dort 207 -209 auch über zwei methodische Schriften des Prochoros, die vermutlich im Jahr 1367 a~gefaßt sind (s.S. 239 mit AA2). Ober diese und weitere Werke des Prochoros s. MercNot 20-26. Ober die unedierten Bücher des Hauptwerkes ebd. 485 f. Brief an den Patriar­chen: TomSyn 11 696C; KydApol III 323,359; 324,368; Zitat daraus: ebd. 324,368-376. MercNot 48 nimmt irrig Zusendung des Werkes an und sieht entsprechend in dem Brief ein Be­gleitschreiben; davon ist aber nicht die Rede. Nach ApolProch 296,4 f. und TomSyn 11 696D hat Prochoros dem Patriarchen sein Werk bald nach der Ankunft in Konstantinopel selbst ausge­händigt. Zweifellos handelte es sich (wie MercNot 48 annimmt) um «De essentia et operatio-ne».

39 ApolProch 296,7, verfaßt im April 1368, spricht von 10 Monaten Aufenthalt des Pro­choros in Konstantinopel. Erwähnung der Reise: ApolProch 296,1; KydApol III 323,352; TomSyn 11 696D.

40. Hinhaltetaktik: KydApol III 325,397 -403; ApolProch 296,7 ff. Auflage, diverse Schrif­ten zu lesen: ApolProch 297,15-18; TomSyn 11 703CD.

41 So eine eigenhändige Marginalnotiz des Prochoros vom 15.11. 1367 in der Hs Vat. gr. 609, f.142; dazu MercNot 25; DarPatr 2533.

42 MercNot 25; ApolProch 297,17; TomSyn 11 704A (nutzlose Lektüre); TomSyn 11 705AB; DarPatr 2533 (Brief an Trikanas). TomSyn 11 708B (zwei Abhandlungen überreicht); über Titel und Charakter: PodTheol 207-209; MercNot 22-24. Einen Plan des Demetrios Kyd. in dieser Zeit, seinem Bruder zuungunsten des Philotheos auf den Patriarchenthron zu ver­helfen, deutet T81!MercNot 348,61-64 an. Kurze Zeit vor dem Prozeß, also etwa im März, schrieb Prochoros einen Brief an Kaiser Ioannes V. mit Anklagen gegen die ihn verfolgenden Pa­lamiten, der aber keinen Erfolg brachte (T81/MercNot 353, 227-248).

43 KydApol III 326,458; 327,468ff.; T68/L129,12. Datierung vor Ostern nach ApolProch 297,29.

44 ApolProch 297,33ff.; KydApol III 327,472ff. Zur Rolle des Kantakuzenos: vielleicht Anspielung in KydApol III 328,530f.; daß Kyd. von ihm in T81 (s. dort, X2) spricht, ist sehr unwahrscheinlich; vgl. auch oben S. 97 mit A.63 und 64. Nach TomSyn 11 708C hatte Kantaku­zenos zur ausführlichen Erörterung aller Fragen gemeinsam mit dem Patriarchen Prochoros' Verbleiben in Konstantinopel gefordert. Es ist jedoch nirgends gesagt, daß Kantakuzenos bei dem Verhör persönlich anwesend war; noch weniger war er dies natürlich, als die Synode, zu der er nicht gehörte, ihr Urteil sprach.

45 T68/L129,12f.; ohne Namensnennung KydApol III 500,5; zur Person Theodorets T94/L151,57ff.; TomSyn 11 696D-697A; MercNot 51, A.1.

46 T68/L129,13; MercNot 49.

47 ApolProch 298,70ff.; TomSyn 11 703A; T81!MercNot 350,147ff.; Syn 87,647-655.

48 ApolProch 304,246-310,477, insbesondere die Formulierung 308,391 (Fleisch des Sünders); T81!MercNot 350,144f.; 352,189; TomSyn II 702A-D; Syn 87,658-661.

49 Darüber PodTheol 207-209.

243

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

50 DarPatr 2541; TomSyn 11; erwähnt T811MercNot 350,130ff. 51 T68/L129. 52 ApoIProch.S.o., Werkverzeichnis Kydones, S. 72 (3.2). 53 DarPatr 2324; der Name des Tomos wurde von Dositheos, Jassy 1698, eingeführt. 54 S.o., A.50; Syn 87, 647-665; dazuSyn248f. (Kommentar). Der Konzilstomos (DarPatr

2541) ist auf April 1368 datiert. 55 TomSyn 11 714D. 56 T71/L39. 57 MercNot 52. Quelle: KydApol III 337,795f.; 315,50. 58 Vor allem T811MercNot 346ff.; ferner T911L67,17-20; T93/L400; T94/L151,8 H.

49.57; L235,88. 59 KydApol III 331,606-609. 60 T811MercNot 349,99-103 (zur Interpretation der Stelle s. T81,X3). 61 VoordPar 292. Zur Person und zur richtigen Schreibung des Namens (Tzikandeles) s.o.,

S. 211 (T29,X1). 62 T93/L400,20-23; ebd. A.7, A.8. 63 Darauf hat VoordPar 293 hingewiesen. 64 Syn 87,647-665.

37 - AN KASSANDRENOS

L: 49; OKyd: Konstantinopel, Kloster St. Georgios in den Mangana; E: Alexios (?) Kassan­drenos; OE: Thessalonike; D: Ca. 1355; wI: Mahnung-des säumigen Briefschreibers.

Daß du nicht schreibst, halte ich für ein Zeichen des Übermuts, daß du 5 aber übermütig bist, für ein Anzeichen deines übergroßen Reichtums. Wenn

du jedoch mit dem Geld zugleich auch die Freunde vergißt, ist dies verwerf­lich und mit deiner Kenntnis der Lage nicht zu vereinbaren 1. Vielmehr auch du hast den Fehler der vielen anderen nicht vermieden und mußt nun an dir erleben, was du oft vielen anderen vorgehalten hast. Und was jede Verzei- , hung2 ausschließt: hier hat ja auch ein Vater seinem Kind Unrecht angetan. Denn so wolltest du mich vor der Abreise nennen. Ich weiß also nicht, was

10 von bei den ich wünschen soll, um weder dich zu betrüben noch mich selbst zu bestrafen3

• Denn Geld brauchst du, und zwar in großer Menge, und ohne dieses, wie Demosthenes sagt4

, kann es deinem Haus nicht wohlergehen. Der Reichtum aber läßt dich flatterhaft werdens und hindert dich, deine Freunde überhaupt wahrzunehmen6

• Jetzt aber nütze denen, die es verdient haben, mit deinem Geld, wenn nicht auch sie schon zusammen mit uns hier klagen, weil sie von deinem Glück nur träumen können7

244

EXKURS PRÜCHOROS KYDONES/BRIEF T37

Wenn du aber zurückkehrst, wird dich das Manganakloster verurteilen8 • 15

Dort wollen wir dich festbinden und nicht eher freilassen, bis du uns das Haus mit all dem angefüllt hast, woran Diplobatatzes dachte9

• Daß du aber zurückkehren und nach den Fesseln verlangen wirst, weiß ich genau; es sei denn, du glaubst, die Fesseln der Barbaren könnten für deine Waden ange­nehmer sein 10.

K I. OKyd: Nach Z.14f. das Manganakloster. Über diesen Ruhesitz des Kyd. s.o., S. 12 mit

A.62. D: Die Angabe über den Aufenthaltsort (OKyd) ist der einzige Anhaltspunkt für eine Da­tierung. Nun bezeugen die Briefe des Kyd. ausdrücklich, daß er sich mehrfach dorthin zurückge­zogen hat: im Jahr 1365 (T65/L100,20), 1375 (L187,53) und 1382 (L276,33): entgegen der Ansicht Manuels in ManEp (Den) Nr. 3,19 f. hatte er nach dem Zeugnis dieses Briefes das Man­ganakloster wieder verlassen. Doch scheint der Aufenthalt nach der Abdankung des Kantaku­zenos hier allein in Frage zu kommen, 1. weil dieser Brief in die Zeit bis 13 73 zu datieren ist (s. S. 76),2. weil Kyd. die Rückkehr des Adressaten zum Manganakloster erwartet und folglich auf einen längeren Aufenthalt dort gefaßt ist; um einen solchen kann es sich aber bei dem hier sonst allein in Frage kommenden Aufenthalt von 1365 kaum gehandelt haben (Rückzug nur zur Trauer um den toten Freund; vgl. T64 und 65, BKyd). E: Wegen der Ähnlichkeit der Thematik (Reichtum und glückliches Leben in Thessalonike) und der Stellung des Briefes in der Hand­schrift B unmittelbar vor einem Brief an Alexios Kassandrenos (T42/L50) ist anzunehmen, daß der Adressat von T37 (in der Hs nur Kassandrenos genannt) mit dem von T42 identisch ist. Doch hatte LNB, s. v. Cassandrene, Alexis darauf hingewiesen, daß der Adressat von T37 we­sentlich älter als Kyd. sein muß (wegen Z.8 f.), was in T42 nicht zum Ausdruck komme, und es daher für möglich gehalten, es könne sich hier um den 13 62 in Mistra verstorbenen Demetrios Kassandrenos handeln (zu seiner Person LBF 11 27). Doch schließt auch T42 einen älteren Adres­saten nicht aus, zumal man Z.13 so deuten kann, als sehe Alexios nach längerer Trennung dort seine Familie wieder. OE: Thessalonike, wenn die Adressaten von T37 und T42 (s. dort, OE) identisch sind.

11. BKyd: S. OKyd und D. BE: Kassandrenos hat offenbar in seiner Heimatstadt Thessalo­nike eine reiche Erbschaft angetreten, die ihn seine Freunde vergessen läßt. Einige Zeit zuvor hat er sich mit Kyd. im Manganakloster aufgehalten, und Kyd. rechnet auch damit, daß er dorthin zurückkehren wird (14-18; dazu LOCP 36,56). Vgl. im übrigen E. X1: «Mit uns hier» (IlELU növ TJIlE"CEQWV, Z.13 f.): die Freunde, die zusammen mit Kyd. im Manganakloster leben, wahr­scheinlich Ioannes Kantakuzenos und andere, die wie Kyd. mit dessen Rücktritt ihre Stelle verlo­ren, vgl. 0., S. 14 mit A.72.X2: Diplobatatzes (16); zu seiner Persons. T34, X6, S. 229. Über seinen Aufenthaltsort zur Zeit dieses Briefes läßt sich nichts Sicheres sagen. ZC: «Die Fesseln der Bar­baren» (18): Anspielung auf eine konkrete Bedrohung Thessalonikes durch die Türken? Daran scheint auch Loenertz zu denken, wenn er in LC 11 472 (Index) die Stelle mit Fragezeichen unter Barbari Turci aufführt. Es ist aber gemäß F. Babinger, Beiträge zur Frühgeschichte der Türken­herrschaft in Rumelien (14.-15. Jh.), München 1944, 42-45, unwahrscheinlich, daß Süley­man, der Sohn Orchans, damals schon so weit kam. Wohl eher ist vor dem Tod des Stefan Dusan (20. 12. 1355) an die Serben zu .denken.

245

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

III. Hs: B 22P-222" Nr. 60. IV. 1 Vorwurf in Form einer Klimax ('tO IlEV ... 'to OE ... xaLwL), eindrucksvoll am Briefan­

fang. Kenntnis der Lage: wohl Anspielung auf die politische Ausschaltung des Kyd. und seiner Freunde. 'EmOTJ'lIlTJ 3tEQL wie PIPhlb 55d, aber nicht wie dort in «geschlossener» Stellung!

2 Verzeihung (ouyyvwIlTJ) für den säumigen Briefschreiber wie T9/L27,32. Zur Anklageto-pik: T9,A.7; T30,A.6; Kyd. knüpft ironisch an eine Hyperbel des Adressaten an.

3 Das Dilemma: das Glück des Adressaten und seine Schreib freudigkeit schließen sich ge­genseitig aus.

4 DemOr 1,15 (= DemOI I 20): aVEu wlmov mit Bezug aufXQTJIlUnov. Mit dem Zitat gibt Kyd. dem Gedanken von der Notwendigkeit des Geldes ein «klassisches» Fundament, allerdings nicht ohne Ironie, denn dem Kassandrenos geht es um sein privates Interesse, dem Demosthenes um die Verwendung öffentlicher Gelder zur Finanzierung eines Heeres.

5 Versuch einer wörtlichen Wiedergabe von «3tE'tw'fraL OE 3tOLEL». LSc, s. v., bringt als Beleg für den absoluten metaphorischen Gebrauch EurBa 332.

6 Hyperbel mit OUOE wie T10,AA. 7 Sinn: ironische Vermutung, daß Kassandrenos sich auch gegenüber seinen Freunden (oder

Angehörigen?) in Thessalonike als selbstsüchtig erweist. Traum als Bild des Irrealen wie T11/L26,37; T28,A.8; T39,A.11.

8 Drohende Verwendung der Prosopopoiie, hier weniger ernst als T36,A.22. Zur Gerichts­sprache s.o., A.2.

9 W.: EIlEIlVT]'to. Wenn das Wort hier mit «erwähnte» zu übersetzen ist, ist die Anwesenheit des «Schmarotzers» Diplobatatzes (vgl. T42/L50,27ff. und oben, X2) im Manganakloster an­zunehmen; sie ist nicht ausgeschlossen, aber weniger wahrscheinlich, daher: «woran ... dach­te». Einem Diplobatatzes fällt am leichtesten Konkretes ein, wo es um materielle Güter geht.

10 Zur Deutung der Stelle s.o., ZG. Das Bild von den Fesseln führt den Gedanken von der Bestrafung des säumigen Briefschreibers (s. A.8: Gerichtssprache im Mahnbrief) wirkungsvoll weiter.

38 - AN GEORGIOS

L: 61; OKyd: Konstantinopel, Kloster St. Georgios in den Mangana; E: Georgios Synadenos Astras; OE: Ainos/Thrakien; D: Ca. 1355; wI: Warnung vor den Intrigen des Markos Pothos bei Kaiser loannes V., der von Astras ein Schreiben mit der Bitte um ein neues Pferd erhalten hat.

Mit deinem Brief hast du Pathos widerlegt, der dich zu Unrecht verleumde-5 te. Als Inhaber eines Amtes, sagte er nämlich, habest du grundsätzlich nie­

mandem schreiben wollen. Einer deiner geschickten Kunstgriffe sei ja auch der, während deiner Amtszeit1 in gleicher Weise gegenüber dem Kaiser und den Freunden zu schweigen mit der Begründung, aus solchen Briefen ent­stehe den Verfassern großer Schaden, entweder weil die Anmeldung persön­licher Interessen Neider auf den Plan ruft oder weil die Mächtigen in der Um­gebung des Kaisers am Gewinn beteiligt sein wollen oder weil die Freunde

246

BRIEFE T37 - T38

ebenfalls Anspruch auf Post erheben. Was aber den allergrößten Schaden 10

bringe: solche Briefe hätten zur Folge, daß auch andere notwendig die Vor­teile dieses Amtes beanspruchten mit der Erklärung, der Amtsinhaber1

a sei ja schon zur Genüge versorgt, und diese Meinung werde bald überall einhellig vertreten. Schließlich werde auch der Kaiser darüber beratschlagen, nun da seine Aufmerksamkeit durch den Brief auf das Problem gelenkt worden sei. Jetzt aber hast du mit deinem Brief bewiesen, von welchem Neid gegen deine 1S

Stellung Pothos durchdrungen ist. Nun glaubten wir freilich, jener werde, durch deinen Brief so widerlegt,

schweigen und aufhören, dich weiterhin zu verleumden. Er aber fühlte sich durch den Anblick deines Briefs erst recht zur Kritik ermutigt und erklärte: «Jetzt kann man sein raffiniertes Vorgehen um so besser erkennen. Denn sein Nichtschreiben hat ja denselben Zweck wie sein Schreiben, und durch beides erreicht er das eine, was er will. Weshalb sonst erzählt er diese rührende Ge- 20

schichte von dem Pferd und prophezeit diese unwahrscheinlichen Dinge, die . ihm angeblich, weil es gestorben ist, bei den nächsten Streifzügen der Feinde

zustoßen werden? Jedenfalls verfährt er zugleich weiter in gewohnter Weise und übt sich in Forderungen, zugleich aber sucht er auch beim Kaiser den Eindruck zu erwecken, die Stadt, in der er jetzt als Gouverneur residiert, sei so miserabel, daß er sich dort nicht einmal ein Pferd kaufen könne, um es zu 2S

benutzen, wenn die Stadt zu verteidigen sei. Und obendrein noch gibt er aus demselben Grund allen den Rat, die Stadt wie Klippen in der Meerestiefe2 zu fliehen. Wer könnte ihm denn solch ein Amt wünschen, wenn er hört, daß die, die es erlangt haben, sich so beklagen müssen? So ißt er zwar des Kaisers Brot, aber mit Undankbarkeit; von allen Seiten wird er beschenkt, aber er scheut sich nicht, wie ein Geschädigter zu jammern. Deshalb wäre es ange­bracht, ihn einmal· zu fragen, was das denn für ein Pferd war, das er jetzt be- 30

klagt. Aber er würde wohl darüber, welches er hatte, keine Auskunft geben. Wie sollte er auch, da er doch sogar auf den Pferden anderer Leute zu Gast­mählern geritten kam und, als er letztens zu uns auf Besuch kam, für die Reise die Pferde des Protostrators3 benutzte? Wenn ihn aber das Schicksal des Nachbarn betrübt und er in Trauer ist, weil jener das Pferd verloren hat, würde er mit größerem Recht den Kindern des gerade Verstorbenen ihr Ver­mögen sichern. Stattdessen lacht er über ihre Tränen und hat ihnen eine 3S

Geldstrafe von zehn Stateren4 auferlegt, als ob sie etwas Böses nicht erlitten, sondern getan hätten. So erfindet er Strafen für den Verlust von Dingen, de­ren früheren Besitz er nicht einmal beweisen kann.»

247

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Über diese Angelegenheit hat er vor allen gemeinsam5, aber auch vor dem

Kaiser gesprochen und gebeten, dich wegen unwahrer Behauptungen und wegen Undankbarkeit zu bestrafen sowie einen anderen in dieses Amt zu ent-

40 senden, der dafür dem Kaiser gebührend dankbar sein und es mit angemesse­nem Anstand und mit Wahrhaftigkeit zieren werde. Als stärkstes Argument aber brachte er gegen dich vor, daß du meintest, deine Lage habe sich ver­schlechtert, weil das Schmarotzertum die Menschen verlassen habe, so wie Hesiod dies von Dike sagte6

• Denn, so sagte er, das sei doch die schlimmste Blamage für einen Stadtgouverneur, es für ein Unglück zu halten, wenn er sich gezwungen sehe, daheim zu speisen!

45 Da ich ihn denn so erbittert auf dich finde, möchte ich dir raten, ihn «mit Opfern und wohlgefälligen Gebeten» 7 zu versöhnen und ihm auch einen ge­wissen Anteil an deiner Machtstellung zu geben. Denn er hat geschworen, dies auch dem Kassandrenos mitzuteilen. Markos aber ist sogar entschlos­sen, noch mehr Anklagen als diese vorzubringen. So steht zu fürchten, daß auch du eine gewisse Zeit mit uns als Privatmann verbringst und zuschauen mußt, wie es anderen wohl ergeht, während du selbst dann wieder frühmor-

50 gens Rauch und Fettdampf wie ein Späher aufspüren mußt8• Damit das also

nicht geschieht, denke dir etwas aus, was ihn aufhalten könnte. Umstimmen kann man ja sogar die Götter9

K I. D, E, OE, OKyd: Die Begründungen der Bestimmungskategorien hängen bei diesem Brief

besonders eng miteinander zusammen. Der Adressat mit Namen Georgios (überschrift Hs B) ist Gouverneur einer miserablen Stadt (24). Nun ist in T60/L96,49 von dem Adressaten gesagt, er sei früher in Ainos Gouverneur gewesen und jetzt auf Lemnos Gouverneur. T44/L46 ist an einen Gouverneur von Lemnos (dort Z.5) namens Astras (überschrift Hs B) gerichtet. Ein Gouverneur von Lemnos namens Georgios Synadenos Astras ist andererseits urkundlich bezeugt (Belege, s. u., Exkurs, S. 250f.). Es besteht also eine Verbindung zwischen Astras und dem Vornamen Gepr­gios. Andererseits ist in dem in Hs B aufT38/L61 folgenden BriefT39/L62, wohl im Zusam­menhang mit demselben Astras, die Stadt Ainos in sehr abfälligem Ton erwähnt (Z.18 - 20), was gut zu der miserablen Stadt des vorliegenden Briefes paßt. Man wird also schließen dürfen, daß der Georgios von T38 zur Zeit Gouverneur von Ainos (Stadt an der Mündung des Hebros/Ma­rica in die Ägäis, vgl. AsdrRhod 11 120 H.) ist. Im Leben des Astras ist für diese Stellung nur Platz, bevor er Gouverneur von Lernnos wurde (dies ca. 1358, s. u., Exkurs, S. 250}. Andererseits spielt Kyd. in beiden Briefen, die Bezug auf die Stellung des Astras in Ainos nehmen, darauf an, daß er seinen Einfluß nicht direkt beim Kaiser geltend machen kann bzw., daß er in Ungnade lebt (T38/L61,48, kombiniert mit der Tatsache, daß nicht Kyd., sondern Pothos entscheidenden Einfluß beim Kaiser hat; T39/L62,4ff.: indirekte Einwirkung auf den Kaiser trotz totaler Aus-

248

BRIEF T38

schaltung). So kann kein Zweifel bestehen, daß sowohl dieser als auch der folgende Brief aus der Zeit des erzwungenen Ruhestandes des Kyd. stammen, deren Beginn im Dezember 1354 fest­steht und deren Ende weniger präzise zu bestimmen ist (s.o., S. 14 mit A.72-74). Damit wäre dann auch sein Aufenthaltsort im Manganakloster gegeben; vgl. T37, OKyd.

11. BKyd: S. I. BE: S. I. und Exkurs, S. 250ff. Xl: Pothos (4), mit Vornamen Markos (47), sonst nirgends namentlich erwähnt (vgl. ManEpDen LI), aber vermutlich auch T39/L62,30f. gemeint. Er befindet sich zur Zeit von T38 in einflußreicher Stellung beim Kaiser (38), also ge­mäß D loannes V. Doch kann diese Position auch wieder nicht sehr hoch sein, wenn er solche Ri­valität gegenüber der Stellung des Astras empfindet (14 f. 37 ff. 46: offenbar hatte Pothos Inter­esse daran, selbst Gouverneur von Ainos zu werden). Um seinem Rivalen zu schaden, sucht er ihn beim Kaiser und seiner Umgebung zu verleumden (37f., 47). Doch sieht Kyd. noch eine Chance, daß Astras ihn mit Diplomatie von seinen Machenschaften abbringen kann (45 ff.). Doch scheint Pothos gemäß T39/L62,30f. über weitere Mißerfolge des Astras zu triumphieren. X2: Kaiser loannes V. (38; s. Xl). X3: Kassandrenos (47), bei dem Pothos den Astras ebenfalls verleumden will. Die Angabe ist zu spärlich, um eine Identität auch nur zu vermuten. ZC: Der Brief gibt ein Beispiel für eine byzantinische Hofintrige und zeigt, daß das vom Kaiser verliehene (28) Amt eines Stadtgouverneurs in der Provinz sogar in diesen unruhigen Zeiten noch ein be­gehrter Posten war (vgl. Xl), der Schmarotzern durchaus noch einige Chancen einräumte (29.31.35), mag dies Astras auch für Ainos bestreiten (41-44). Überfälle der «Feinde», zweifel­los Türken, angedeutet (21). Ep: Ein Bittbrief des Astras an den Kaiser mit Bitte um Ersatz für ein Pferd, das er einem Nachbarn ausgeliehen hat und das zusammen mit diesem bei einem türki­schen Überfall ums Leben kam (Brief: ZA.16f.; Pferd: 20-22.24f. 29f. 33 f.; Bitte: 22f.).

III. Hs: B 227r -228" Nr. 72.

IV. 1 W.: 'Ent rij<; uQXii<;, gemeint ist die Gouverneursstelle in Ainos, s.o., I. 1 a LC 1198 konjiziert für ÖVtU ein aQxovtu. Jedenfalls hat övtu hier eine entsprechende

Bedeutung. 2 'H ü<paAOC;, sc. nEtQu: die tiefer unter der Wasseroberfläche befindliche Klippe, die der

Steuermann nicht sehen kann. Belege aus Libanios in LSc, s. v. 3 Der Protostrator ist der Oberaufseher über die kaiserlichen Stallungen. 4 Stater als Münzbezeichnung: T25,A.6. 5 Hier ist wohl an den Senat zu denken. 6 HesOp 220-224.

7 HomIl 6,270 in Kombination mit HomOd 13,357; HesOp 338.

8 Die von Loenertz angeführte Homerstelle (Od 10,148f.) bezieht sich auf die Verbindung von xunvoc; und axono<;. Frühmorgens (EW-frEV): ebd. 144 (Odysseus sucht auf Aiaia frühmor­gens bewohnte Behausungen); für die Verbindung XU3tVOC; und XVLaau vgl. HomIll,317. Sinn: Astras wird (wie Odysseus nach menschlichen Siedlungen) eine neue Stellung suchen müssen. Durch die Beifügung von XVLaau (Fettdampf) wird die Anspielung, daß es um neue Einkünfte geht, deutlich gemacht.

9 HomIl 9,497. Das Zitat aus der Rede des Phoinix, der den zürnenden Achilleus umzu­stimmen sucht, faßt in wirkungsvoller Position am Briefschluß noch einmal die Anweisung an Astras zum (diplomatischen) Handeln zusammen. Die Häufung der Zitate gegen Briefende er­klärt sich m. E. aus dem Versuch des Kyd., das Unangenehme und Schwierige gefällig zu sagen (über die YAUXUtTl<; der mythischen Anspielung: Herrn 330).

249

EXKURS ASTRAS

Exkurs

GEORGIOS SYNADENOS ASTRAS

(BIOGRAPHISCHER ABRISS)

Georgios Synadenos Astras\ meist mit dem Titel eines J.lEyU~ o'tQU't03tEÖ­

aQX'TI~ bezeugt2, erwarb·sich unter der Herrschaft des loannes Kantakuzenos und der seines Nachfolgers loannes V. durch seine Kenntnisse als Architekt Verdienste um den Wiederaufbau der im Jahr 1346 durch ein Erdbeben be­schädigten Hagia Sophia in KonstantinopeP. Doch kann er diese Tätigkeit unter loannes V. nicht mehr allzulange fortgeführt haben, da der erste uns erhaltene Brief des Kydones an ihn, geschrieben während der Vakanz im Manganakloster, ihn bereits in der Stellung eines Gouverneurs von Ainos be­zeugt4 • Offenbar entsprach die Versetzung seinem persönlichen Wunsch, mochte ihm auch der Posten bald keineswegs mehr zusagens. Unterdessen ist von Intrigen gegen seine Person im Kaiserpalast die Rede, die von einem ge­wissen Markos Pothos ausgingen6

• Sein Gesuch an den Kaiser mit der Bitte um Ersatz für den Verlust eines Pferdes wurde ihm von diesem Pothos als böswillige Propaganda gegen die Stadt Ainos (sie sei zu erbärmlich, ihm selbst ein neues Pferd zu stellen) und damit gegen den Auftrag des Kaisers zu diesem Amt ausgelege. Doch noch war Kydones nicht in den Palastdienst zu­rückgekehrt, da kam es für Astras in Ainos noch schlimmer: in einem Volks­aufstand wurde sein Haus zerstört, und er verlor seinen ganzen Besitz dorts. In seiner Verzweiflung reiste er nach Konstantinopel, um erneut die Hilfe des Kaisers zu erbitten9

, wurde aber trotz der Vermittlung des Kydones zunächst enttäuscht10

• Doch zeigt seine Anwesenheit beim Abschluß eines Vertrages mit Venedig am 8.10. 1357, daß er wieder zur näheren Umgebung des Kai­sers gehörte; die Urkunde erweist ihn auch zum erstenmal als dem Kaiser 10-annes V. in einer uns nicht sicher bekannten Weise verschwägertll.

Wahrscheinlich schon im folgenden Jahr (1358) wurde er zum Gouver­neur der Insel Lemnos ernannt und erhielt zugleich oder bald darauf eine be­sondere Schutz- und Aufsichtsfunktion für die Mönche und Klöster der AthoshalbinseP2. Seine Tätigkeit auf Lemnos entsprach offenbar mehr als al­les Vorausgehende seinen persönlichen Wünschen13

• Um diese Zeit trat er auch in den Ehestand14

, und wir wissen, daß er zumindest einen Sohn hattels•

Sein Amt scheint er auf Lemnos erfolgreich und gewissenhaft versehen zu habenl6

• Mehr ist aber noch über seine Tätigkeit für die Athosklöster be-

250

EXKURS ASTRAS

kannt. Am 14. Juni 1361 bestätigte er dem LaurakIoster des Athos seine alten Ansprüche auf bestimmte Ländereien und Liegenschaften der Insel Lem­nos17. Im Herbst 1363 ließ er demselben Kloster eine großzügige Weizenlie­ferung zukommen und ferner auch ein Pferd, das aber offenbar an Qualität zu wünschen übrigließ18. Zuwendungen an verschiedene Athosklöster sind in einer Reihe weiterer Urkunden bezeugt19. Doch erwartete Kydones von ihm neben solcher materiellen Fürsorge, zumindest im Fall der Kampagne gegen seinen Bruder, auch ein Engagement in Fragen der Klosterdisziplin20.

Die glückliche Zeit auf Lemnos fand für Astras ihr Ende, als der Kaiser ihn etwa im Sommer 1365 angesichts einer konkreten Notlage der Stadt zum Gouverneur von Thessalonike bestellte21. Damals rühmte ihn Kydones als den «besten Mann nach dem Kaiser» 22 und setzte große Erwartungen auf sein Eingreifen23. Die Hoffnungen konnten sich nicht erfüllen, weil er nicht allzulange nach seinem Eintreffen in der Stadt dort an der Pest starb24. Eine von seinem Sohn Michael im Oktober 1366 ausgestellte Urkunde bezeugt ihn als verstorben25. Nur aus der Korrespondenz des Kydones wissen wir von seinen freundschaftlichen Beziehungen zu Kydones26, dessen Freund Tarchaneiotes27 und zu einem Mönch Akakios28. Kydones lobt auch seine erfolgreiche Tätigkeit in der Stadtverwaltung29, dabei vor allem sein Ein­schreiten gegen den Ausdehnungsdrang reicher Grundbesitzer30, seine Hilfs­bereitschaft für andere in ihrer bedrängten Lage31

, seine erfolgreichen militä­rischen Unternehmungen gegen die «Barbaren», wohl die Türken32

, und seine gepflegte klassische Bildung33. Sein frühzeitiger Tod hinterließ wohl nicht nur nach der Meinung des Kydones eine schmerzliche Lücke.

1 Sein voller Name ist in der Korrespondenz des Kyd. nicht überliefert. Unter seinem Fami­liennamen Astras erscheint er in den überschriften zu T44/L46, T45/L47 und T55/LI08 (ebenso sein Sohn, L422) und erwähnt in T61/L94,26; T64/L98,22 und T65/LI00,12; unter seinem Vornamen Georgios in der überschrift zu T38/L61. Nur als «Astras» erwähnt ihn auch Kant III 30,11-15. Näheren Aufschluß geben die Urkunden. Als Georgios Astras erscheint er in MM III 121-126, Nr. 129 = DöReg 3070; ALaur III 85 ff., Nr. 141 = DöReg 3086; ABat 11 242ff., Nr. 16 = DöReg 3088. Als Georgios Synadenos Astras signiert er selbst in ALaur III 74-82 (82, Z.155f.), Nr. 139. Auf diese Unterschrift hatte zuerst V. Laurent in EO 30 (1931) 347 hingewiesen und die Vermutung geäußert, er sei mit einer Synadene verheiratet gewesen. Entsprechend erscheint sein Sohn in Urkunden (AB at II 248, Nr. 18, Z.26; AZog 107, Nr. 47 U. 1378], Z.17) als Michael Astras Synadenos. Der dreigliedrige Name ist also ausreichend be­zeugt. Der Geburtsort des Astras ist unbekannt. Da dieser Familienname gemäß PLP 1598 und 1599 in der Palaiologenzeit nur für ihn und seinen Sohn belegt ist, lassen sich auch keine Vermu­tungen anstellen. Sein Geburtsdatum ist vielleicht etwas früher als das des Kyd. anzusetzen, da er bereits für die Regierungszeit des Kantakuzenos (1347-54) als angesehener Mann bezeugt ist

251

EXKURS ASTRAS

(Kant III 30,11-15), ohne daß wie im Fall des Kyd. seine Jugend erwähnt würde. Doch ist der Ton des Kyd. ihm gegenüber eher wie zu einem Gleichaltrigen. Die Annahme von S. Eustratiades in Hell 2 (1929) 351, die von ihm signierte Urkunde von 1361 (ALaur III 74-82, Nr. 139) be­zeuge ihn als YEQOlV, wird in der Edition als Lesefehler für «Georgios» erwiesen.

2 So Kant III, 11-15, alle in A.1 für ihn angeführten Urkunden sowie ADion 47 ff.; AKut 115, Nr. 29, Z.54; 120, Nr. 30, Z.110; MM 11 322, Nr. 533,J. 1399 (= DarPatr 3082). Oiko­nomides hält in ADion 48 die Identität eines Georgios gleichen Titels im J. 1342 (MM III 114, Nr. 26) mit Astras für möglich, doch kann es sich nur um Georgios Chumnos handeln (vgl. Dö­Reg 2876). Zur Bedeutung des Titels s. Guill I 498; 504 ff. Ein früherer Titel findet sich nur in ei­ner westlichen Quelle: Am 6.5. 1352 war er Zeuge des Friedensvertrages zwischen Kantakuze­nos und den Genuesen und trug als solcher den TitellLtya<; E-taLQELclQXTJ<;, nach PseudoKod 300 ein Palastamt im 27. Rang (Quelle: Liber iurium rei publicae Genuensis 11 = Historiae Patriae Monumenta IX, ed. H. Ricottius, Aug. Taurin. 1857, Nr. 203, col. 606).

3 Dazu KantIII 29,18-30,15. Vgl.1. Sevcenko, Südost-Forschu~gen 12 (1953) 165-175 und C. Mango, The Mosaics of St. Sophia at Istanbul, Washington 1962, 67 f. Vgl. auch Greg 11 749, 10ff. und BeyGreg 136,A.64.

4 T38/L61,24 in Kombination mitT39/L62,18, wo Ainos ausdrücklich erwähnt ist; ferner T60/L96,49. Beide Briefe sind während der Vakanz des Kyd., also 1355/56 verfaßt. Aus Kant III 315 ist bekannt, daß Kantakuzenos die Herrschaft über Ainos seinem Schwiegersohn Nikepho­ros II., dem Exdespoten von Epeiros, übertragen hatte. Nach der Abdankung des Kantakuzenos stand dieser zunächst auf seiten des Matthaios Kantakuzenos, ging aber dann zu Ioannes V. über und begab sich schließlich nach dem Tode des Stefan Dusan (20. 12. 1355) nach Thessalien, um sein Herrschaftsgebiet den Serben wieder zu entreißen. Seine Frau Maria, Tochter des Ioannes Kantakuzenos, ließ er als seine Vertreterin in Ainos zurück. Vielleicht wurde damals, also 1356, Astras beauftragt, Gouverneur in Ainos zu werden, doch erwähnt ihn Kantakuzenos mit keinem Wort. Über die weiteren Ereignisse in Ainos 13 5 6 s. T3 9,X2 und ZG. Zur Frage derldentität des Astras mit «Archos» s. T25,Xl.

5 Persönlicher Wunsch: T39/L62,21. Enttäuschung: T38/L61,23-29; T39/L62,23 ff. 6 T38/L61. Über Markos Pothos: T38,X1. 7 T38,19-28. Pothos warf ihm ferner Ausbeutung seiner Untertanen vor: ebd.

33-37.41-44. 8 T39/L62,27f.34. 9 T39,19f.21-23.

10 T39,23-25.

11 DöReg 3070. Seine Tätigkeit im Palast läßt sich auch aus T44/L46,4.13 und T64/L98,10 erschließen. Nach dem Zeugnis mehrerer Urkunden stand er im Schwägerschafts­verhältnis eines (JUJ.l3tEV{}EQO<; zu Ioannes V. (DöReg 3070; 3086; 3088). Überlegungen zur Be­deutung dieser Bezeichnung: ALaurIII 86f.; ADion48; vgl. für seinen Sohn auch DarPatr 3092; 3155.

12 Gouverneur von Lemnos: T44/L46,4 ff., zuständig auch für den Athos gemäß T60/L96,21.42. Daß Astras schon unter der Regierung des Kantakuzenos Gouverneur von Lemnos war, kann ich nicht mit Oikonomides (ADion 48) aus ABat 11 246 f. entnehmen; die An­nahme läßt sich auch mit der sonst bezeugten Chronologie schwer vereinbaren, vor allem nicht mit T60/L96,49.

252

EXKURS ASTRAS

13 T44/L46,5.26ff.; T45/L47,4ff. 14 T45,15-18. An der Stelle ist nicht eindeutig gesagt, daß er damals erst heiratete. Doch

läßt die Formulierung (yuvaL'X6~, 3tu(öwv, OL'X(U~) ohne Artikel eine solche Deutung wahr­scheinlich werden. Andererseits fragt man sich, warum Astras seine «Zukünftige» erst nach ei­ner gefahrvollen Seereise (auf Lemnos? 13 f.) getroffen hat, wenn er sie schon von Konstantino­pel her kannte. Gegen eine damals erst erfolgte Heirat spricht die Tatsache, daß sein Sohn Mi­chael, falls ehelich geboren, bei der Ausstellung der Urkunde von 1366 höchstens 7 Jahre alt ge­wesen wäre, s. u., A.25, was sich aus dem Text der Urkunde jedenfalls nicht entnehmen läßt.

15 Der Sohn Michael ist in zahlreichen Urkunden bezeugt (s. PLP 1599; vgl. DarPatr 3082; 3092; 3113; 3140; 3155).

16 Das ist allerdings nur aus lobenden Äußerungen seines Freundes Kyd. bekannt: T46/L54,14ff.; T64/L98,22-25. Ober seine Verwaltungstätigkeit auf Lemnos vgl. auch N. Svoronos, Une province byzantine du Xllle au xve siecle: l'ile de Lemnos, angekündigt in ALaur 111, Nr. 139, Kap. IBb und Kap. 111. Ober einen jüngeren Amtskollegen s. T46,X2.

17 ALaur 111 74-82, Nr. 139 (Praktikon), bekannt seit Eustratiades, Hell 2 (1929) 351; 382.

18 T55/L108,26f. (Weizen); 38ff. (Pferd). 19 ALaur 111 85ff., Nr. 141 = DöReg 3086 (zugunsten eines ungenannten Athosklosters,

wegen des Aufbewahrungsortes der Urkunde vielleicht Laura? 4.7. 1362); ABat II 242ff., Nr. 16 = DöReg 3088 (Batopedi, 4. 7. 1362). Retrospektiv sind Schenkungen an folgende Klöster bezeugt: Dionysiu (ADion 47ff., Nr. 3, August 1366) und Kutlumus (AKut 115, Nr. 29, Z.54, Jan.lAug. 1370; ebd. 120, Nr. 30, Z.110, Nov. 1370).

20 T60/L96,42 ff. 63 ff. 77 ff. 21 T61/L94,25ff.; vgl. T64/L98,34-37; T62/L65,23. 22 T62/L65,23. 23 T61/L94,4f. 12. Worin allerdings das «Unglück» und die «Krankheit» Thessalonikes

bestand, wird nicht näher gesagt. Vielleicht war es in der Stadt erneut zu sozial bedingten Unru­hen gekommen (Erwähnung der «Armen», Z.30).

24 T64/L98,7.37ff. Nur kurze Tätigkeit in Thessalonike bezeugt Z.56f. Tod an der Pest: T65/L100,12-15. Eine Pest im griechischen Raum ist für 1364/5 (Wj.6873) in einem Pestver­zeichnis (= SchreinChron I 618f.) vermerkt. Wenn SchreinChron II 292f. glaubt, diese Pest habe sich vorwiegend auf Kreta ausgebreitet, mißt er einem späteren Zusatz in der Notiz (über einen gleichzeitigen Aufstand auf Kreta) zu hohe Bedeutung bei. Schmerz des Kyd. um den Tod des Freundes: T64/L98,4ff.; T65/L100,16ff.

25 ABat II 246, Nr. 18,4-6.

26 Während die Briefe an den Lebenden nicht frei von kritischen Tönen sind (z. B. T44/L46,19ff.; T60/L96; Rechtfertigung gegen Vorwürfe: T45/L47), ist die tiefe Freundschaft zwischen Kyd. und Astras vor allem in den beiden Nachrufen auf den Toten bezeugt: T64/L98,12f.51f.; T65/L100,20f. Vgl. aber auch Stellen wie T39,A.12; T44,A.16; T46/ L54,5 f.; T55/L108,7.

27 T64,52ff. Zu Tarchaneiotes s.o., Exkurs, S. 218ff.

28 T45/L47,47-52 (Akakios als geistlicher Führer); vgl. PLP 484, wo aber die Angabe «Mönch in Thessalonike» ungenau ist, da sich dieser zur Zeit des genannten Briefes zweifellos auf Lemnos aufhält. Weiteres zu Akakios unten, T45,X3.

253

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

29 T61/L94,27; T64/L98,15 ff.; L422,8. 30 T64,14-17. 31 T64,20-25. 32 T64,17-20. Vgl. den Verlust seines Pferdes bei einem türkischen Überfall: T38/L61,21

und ebd. ZG. 33 T60/L96,69ff.; T64/L98,25ff.

39

L: 62; OKyd: Konstantinopel; E: Ein am Kaiserhof einflußreicher Freund; OE: Konstanti­nopel, Kloster St. Georgios in den Mangana; D: 1356; wI: Vermittlung für Georgios Synadenos Astras, der nach den Verheerungen eines Volksaufstandes in Ainos ein Hilfsgesuch an den Kai­ser gerichtet hat.

5 Das Schicksal!, das uns alles genommen hat, hat uns doch nicht mit allem anderen derer beraubt, für die wir bei den Mächtigen Fürsprache einlegen können2

• Denn als alles uns verlorenging, ist es uns dennoch mit den Freun­den nicht ebenso ergangen, sondern viele von ihnen sind uns erhalten geblie­ben. Von diesen sind die einen noch, wie es ihnen zukommt, in ihrem Amt, die anderen finden ihr Heil darin, diese um Gefälligkeiten zu bitten. Ich be­diene mich aber der Freunde für die Freunde, der Mächtigen für die Notlei­denden, und hoffe auf diese Weise beiden einen Gefallen zu tun: den einen er-

10 leichtere ich ihr schweres Schicksal, den anderen sammle ich bei allen das ge­bührende Lob für ihre Hilfe3

• Bis jetzt nun glaubte ich, das gefühllose Schick­sal neide mir dies nicht, sondern halte unser Elend unter allen Umständen von den Freunden fern. Nun aber hat es allem die Krone aufgesetzt4

: ich sitze da und schwatze vielerlei an Freunde für Freunde, sehe aber, daß ich nicht mehr in Bewegung setzen kann als die sprechenden Gesichter auf den Her-

15 messäulens. Was aber meinen Kummer noch vermehrt: auch du trägst noch zu dem Übel bei und schadest ohne Zögern dem, der nach unserer Darstel­lung auf deine Hilfe angewiesen ist.

Vielleicht wirst du jetzt zornig werden und schreien, du werdest verleum­det, und wirst entgegnen: «Wer ist denn der, den ich nicht sogar den eigenen Geschwistern vorgezogen hätte6

, hätte ich gewußt, dir damit einen Gefallen zu tun?» Gut denn, mein Wunderbarer! Du weißt, daß der von Ainos, und zwar nach Ankunft der Schiffe 7 , dir meinen Brief für den elend dem Verfall

20 preisgegebenen Ort des Grauens8 überbrachte. Denn wie anders sollte man dies von Bauern und armen Leuten bewohnte Gemäuer nennen, wo jener, ich

254

· EXKURS ASTRAS/BRIEF T3 9

weiß nicht warum, gern Gouverneur hatte werden wollen und dafür durch mich zahlreiche Gesuche an den Kaiser richtete. Noch mehr aber erhoffte er jetzt von dir, als er mit meinem Empfehlungsschreiben bei dir erschien 9 • Also, dieser Mann ist jetzt in Tränen, und ich seufze wie unter dem Messer des Chirurgen 10. Du aber hast, obwohl du es ändern könntest, keine Lust dazu. Dabei hatte.ich doch dem Freund Mut gemacht, mein Schreiben werde bei dir 25

alles erreichen. Ihm aber wäre es anscheinend in seinem Unglück besser er­gangen, wenn er gar nicht um meine Unterstützung gebeten hätte. So bleibt ihm denn nichts anderes, als von der Mauerburg aus zuzuschauen, wie sein Haus zerstört wird, gegen Feuer, Eisen und Volkswut für den Kaiser zu kämpfen und in seinem Dienst das Leben einzusetzen; über unsere Träume- 30

reien in dieser Angelegenheit aber macht sich ein anderer lustig und läßt es sich im wachenden Zustandll gut gehen, gehört er doch zu denen, die viel­leicht sogar gegen uns solche Vorteile ausnutzen wollen.

Daß also denen, die für uns gekämpft haben, solche Kampfpreise verliehen werden, empfinde ich als beschämend und weiß nicht, was ich gegen die, die dem Kaiser dafür Vorwürfe machen, zu seiner Verteidigung vorbringen soll. Jedenfalls bin ich aufgebracht, wenn ich sehe, daß mein Freund seinen Besitz verloren hat und sich für das, was er vom Kaiser erhoffte, noch dazu täglich 35

Vorwürfe machen muß. Du mußt es doch wissen, wie sehr sein Unglück für uns eine Prometheusstrafe ist12

• Er würde für mich ja sogar mit seinen eige­nen Geschwistern den Kampf aufnehmen13 ! Wenn aber dazu dein Herz und deine Zunge schweigt und du kein offenes Wort vor dem Kaiser gegen diese Ungerechtigkeit findest, wird nicht nur uns, sondern auch alle anderen in ih­ren Hoffnungen tiefe Mutlosigkeit befallen. Wenn denn schon nicht früher, so überzeuge wenigstens jetzt den alleredelsten Kaiser l 4, welche Schande es 40

für loyal Gesinnte ist, daß ihre Hoffnungen einen solchen Ausgang nehmen, wenn man nicht sogar noch anderes Übel aus dieser Täuschung prophezeien kann15

• Wenn du so redest, wirst du jenem eine Wohltat erweisen, wirst de­nen, die ihm Hilfe leisten, Hoffnung machen, daß es ihnen ebenfalls wohl er­gehen wird, und uns den Gefallen tun, daß wir nicht glauben müssen, unser Freund habe vergebens auf uns gehoffe6

K I. OKyd, D: Zwar hat ihm «das Schicksal alles genommen» (4), aber er verspricht sich eini­

ges von der Einwirkung auf Beamte des Kaisers (7-9.19f.22ff.). Diese Andeutungen weisen in der Zeit vor 1374 (s.o., S. 76) eindeutig auf die Zeit der erzwungenen Vakanz des Kyd. im Man-

255

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

ganakloster hin. Ein näherer Anhaltspunkt zur Datierung ergibt sich aus der Erwähnung des Volksaufstandes (s. u., ZG). E, OE: Ein im Kaiserpalast zu Konstantinopel einflußreicher Mann gemäß Z.22f.23f.36f.; er ist mit Kyd. befreundet (7f. 13.16-18), hat aber auf das Empfeh­lungsschreiben des Kyd. für den Gouverneur von Ainos (s.Xl) nicht in erwarteter Weise reagiert (13f.23f.31ff.). Kyd. hoffr ihn jedoch noch umzustimmen (39ff.).

11. BKyd: Kyd. gibt ein anschauliches Bild von dem Einfluß, den er zur Zeit seiner Vakanz am Kaiserhof ausüben konnte oder auszuüben hoffre (7-10). In der Angelegenheit seines Freundes ister stark engagiert (23.43 f.). Vgl. auch 0., OKyd, D.Xl: Daß der erwähnte Gouver­neur von Ainos Georgios Synadenos Astras ist, beweist der kurz zuvor geschriebene Brief T38/L61 (dort Z.23 ff. ähnliche Beschreibung des «verlassenen Nestes» wie T39,19-21); vgl. auch dort, I. und Exkurs, S. 250. X2: Kaiser loannes V.: verdient Vorwürfe wegen seiner mangeln­den Hilfsbereitschaft (32 f.) für seinen treuen Anhänger (28). Er muß auch der Kaiser sein, den Kyd. gebeten hat, dem Astras die Stellung als Gouverneur von Ainos zu geben (21 f.), obwohl dies doch schon ziemlich früh einen erheblichen Einfluß des «außer Dienst» befindlichen Kyd. bei loannes V. voraussetzt. Eine Amtseinsetzung des Astras schon unter Kantakuzenos muß aus­scheiden, weil bis Ende 13 55 Nikephoros 11. von Epeiros, ein Schwiegersohn des Kantakuzenos, in dessen Auftrag Herrscher (<<dXE») von Ainos war (Kant III 315), was doch wohl einen Gou­verneur überflüssig machte; s.o., Exkurs, S. 252, A.4. Auch Loenertz (LCI 206, Index, s. v.: impera­tor loannes V, bzw. LC 11 464, Index) neigt dazu, Z.21 f. auf loannes V. zu beziehen. X3: Ein «lachender Dritter», der aus der Brüskierung des Astras und des Kyd. Nutzen zieht: Markos Po­thos (30)? Zu seiner Person T38,X1. ZC: Bei dem Volks aufstand in Ainos (Z.26ff.) handelt es sich sehr wahrscheinlich um die Revolte des Kommandanten der Flotte des Nikephoros 11. von Epeiros namens Libadarios (Limpadarios), der gestützt auf das Volk von Ainos die Mächtigen der Stadt angriff, einkerkern und verbannen und ihre Güter konfiszieren ließ (Kant III 316; AsdrRhod 11 124; 217; NicKant 131 f.). Die Datierung dieses Unternehmens auf 1356 (NicKant 131, nach dem Tode Stefan Dusans am 20. 12. 1355) liefert gleichzeitig auch einen Anhalts­punkt zur Datierung des vorliegenden Briefes. Ep: 1. Ein Empfehlungsschreiben des Kyd. für Georgios Synadenos Astras an den Empfänger von T39, von Astras an E ausgehändigt einige Zeit vor T39 (19.22f.25).

111. Hs: B 228 rV, Nr. 73.

IV. 1 Schicksal: T18,A.l (gern am Briefanfang erwähnt). Vgl. u., A.4. 2 Die Formulierung ist nicht ohne bittere Ironie: Kyd. spricht von denen, die seiner Fürspra­

che nach wie vor bedürfen, wie von einem wertvollen Besitz. Doch liegt für ihn, wie das Folgende zeigt, der Wert vor allem in der entsprechenden freundschafrlichen Beziehung.

3 Kyd. leitet den Brief mit dieser allgemeinen Überlegung ein, die sein im folgenden vorge~ brachtes Anliegen geschickt vorbereitet. Vor allem schmeichelt er dem Freund mit der Bemer­kung, den Amtsinhabern komme ihre Stellung auch zu (7), und mit der Verheißung, er habe für seine Hilfe Lob zu erwarten.

4 Die Verbindung CtyvWl-LWv 'tuXTJ findet sich auch T54/L73,9f.; T99/L55,13; KydKant I 2,34; GabrEp Nr. 218,39; antiker Beleg: DemEp 2,5. «Die Krone aufsetzen» = xoÄ,o<pwva E1tL­'tLß-tvm, in übertragener Bedeutung wie PlEuthd 301e; vgl. auch Paroem 11 684,14, Nr. 92.

5 Variante des Bildes «Schweigen wie Standbilder», T30,A.5, aber von größerer Anschau­lichkeit.

6 «Den Geschwistern vorziehen»: T15,A.4.

256

BRIEFE T39- HO

7 W.: IlE'tU 'tu~ 'tQL"QEL~. Elliptische Wendung, deren genauer Sinn unklar ist. Ist hier auf mehrere Schiffe angespielt, weil außer Astras damals auch Maria, die Gattin Nikephoros' 11. von Epeiros, Tochter des Ioannes Kantakuzenos, also Schwägerin Ioannes' V., nach ihrem Arran­gement mit dem Usurpator Libadarios (s. o. ZG) in Byzanz eintraf? Vgl. NicKant 131 f.

8 W.: ßUQu'frQov: vgl. T11,A.ll. Die Übersetzungsvariante wurde gewählt, weil «Ab­grund» mit der hier stehenden Beifügung sehr hart klingen würde.

9 «Gemäuer»: Versuch, die Synekdoche «'tELXO~» für die Stadt Ainos adäquat wiederzuge­ben. Zum Sinn der Stelle: Kyd. ist offenbar auch, als es um die Vermittlung der Stelle an Astras ging, beim Kaiser vorstellig geworden (s.o., X2). Jener Einsatz ist also von dem gegenwärtigen Empfehlungsschreiben zu unterscheiden.

10 W.: W01tEQ 01. 'tEllvoIlEVOL (vgl. T17,A.6). 11 «Im wachenden Zustand» (= 'Ü:rcuQ): Gegensatz zu den Träumereien (vgl. T37,A.7) des

Kyd. 12 Starkes Bild für die Betroffenheit des Kyd.; vgl. die Verwendung dieses Vorbildes zum

Ausdruck schweren Leidens auch T83/L23,5f.; L279,44; in anderem Bezug T81/MercNot 347,9 (Verdammnis) und L310, 45f. (bestrickende Fesseln).

13 Noch stärkere Variante des bereits in A.6 erwähnten Überbietungstopos. 14 Zu dieser Titulierung des Kaisers s. T 5 ,A.ll. 15 Eine deutliche Drohung an die Adresse des Kaisers, Zeichen der selbstbewußten Gesin­

nung des Kyd., obwohl er noch nicht in den kaiserlichen Dienst zurückgekehrt ist. 16 Im Gegensatz zu Z.8-10, wo die Fürsprache für Astras nur altruistisch begründet ist,

kommt Kyd. nun am Briefschluß auch auf den eigenen Gewinn zu sprechen, den ihm sein erfolg­reicher Einsatz bringen wird. Man darf annehmen, daß er auch im vorletzten Kolon mit «denen, die ihm Hilfe leisten» an sich selbst denkt: der Erfolg des Astras wird zum Testfall für seine ei­gene Zukunft beim Kaiser.

40

L: 378; OKyd: Konstantinopel; E: Neilos Kabasilas; OE: Konstantinopel; D: 1356(?); wI: Ausdruck respektvoller Verehrung; Bitte um ein kurzes Gespräch; Darlegung seiner persönli­chen Zweifel über den Sinn der kirchlichen Trennung von den Lateinern; Anregung einer gedie­genen schriftlichen Darstellung der Argumente gegen die lateinische Theologie durch Kabasilas.

Ich bewundere alle, die der Weisheit ergeben sind. Wenn aber einer zu ih­rer Würde auch noch die Zierde eines edlen Charakters kommen läßt, er also 5

seine Schüler durch Wissen in Erstaunen setzt, gleichzeitig aber seine Umge­bung durch Tugend zu fesseln versteht, ist er für mich zwar kein Gott, aber ein göttlicher Mann1

• Ein solcher wird ja geradezu wie ein Geschenk für alle von Gott den Städten gesandt, ein Führer zur Gotteserkenntnis für die, die ihm folgen können, und jedermann muß ihn sogar denen vorziehen, die uns die Mauer erbauten und die unsere Freiheit verteidigen. Nun bin ich über- 10

257

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

zeugt, daß auch du ein solcher Mann bist, und liebe dich gleich meinem eige­nen HAUPT2

, ehre dich aber auch so, wie es den Gesetzgebern und unseren hervorragenden führenden Persönlichkeiten gebührt, und so möchte ich dich am liebsten ständig in meiner Nähe wissen, um mich mit dir zu unterhalten. Denn so könnte ich in Tugend und Weisheit in jeder Hinsicht Fortschritte

15 machen3• Während aber gewisse Gründe unser ständiges Gespräch mitein­

ander verhindern, glaube ich, daß es dir nicht schwerfallen dürfte, einen Termin für eine Begegnung mit dir4 festzusetzen, der mir die Möglichkeit gibt, bei dir zu weilen und etwas Nützliches zu hören, und mir wird jenes kurze Beisammensein jeden Gewinn aufwiegen; gibt es mir doch die Chance, es als besserer Mensch zu verlassens.

Dies also wirst du mir gewähren, wenn es dir angebracht scheint, wenn 20 freilich du es für wert hältst, einem alten Freund gefällig zu sein. Einstweilen

aber möchte ich dich bitten, einmal, dem kaiserlichen Dienst für ein Weil­chen entrückt6

, bei dir zu erwägen, worüber eigentlich wir und die Lateiner so lange Zeit miteinander zu streiten hatten, und was einer vorbringen müß­te, um nicht in dem Streit, der die ganze Menschheit spaltet, lächerlich dazu­stehen, weil er es mit Gegnern zu tun hat, die seit langem Experten der gelehr­ten Disputation sind7

• Denn oft geriet auch ich selbst in tiefe Ratlosigkeit 25 über diese Frage. Ich kann mich aber auch nicht von der Sorge darum befrei­

en, obwohl ich es heftig wünsche, da nach meiner Ansicht ein frommer Mann in seinem Glauben nichts Unklares haben darf und da ich weiß, daß voreilige Zustimmung zu den Meinungen anderer denen, die sich so haben täuschen lassen, großen Schaden bringt. Da ich also noch keine Möglichkeit sehe, wie man ihren Netzen entgehen kanns - denn die umfangreichen Schriften unse-

30 rer eigenen Landsleute gegen die Lateiner zeugen eher von der Tendenz, zu beschimpfen, als dem Versuch, zu argumentieren 9

- glaube ich, deine Waffen und Worte tun mehr als die irgendeines anderen hier not gegen ihre Geschos­se: du wirst ja auch mit deiner Disputationskunst und dank deiner häufigen Beschäftigung mit dem Problem etwas Verbindliches zu der Streitfrage sagen können, was der Mehrzahl wegen ihrer Unerfahrenheit vorenthalten ist. So

35 wird vermieden, daß einer bei dem Versuch, sie mit den gewohnten Argu­menten zu widerlegen, statt sie zu treffen, selbst tödlich getroffen zu Boden sinkt. Wenn du aber auch einen Hinweis von meiner Seite für diese Untersu­chung brauchen solltest, etwa weil du wünschst zu erfahren, was ich an Ar­gumenten von der Gegenseite gehört oder was ich auch sonst aus dem Stu­dium ihrer Schriften im Gedächtnis behalten habe, stehe ich dir auch selbst

258

BRIEF HO

zur Verfügung wie im Krieg die Waffenträger den Gepanzerten lO, die zwar

keine Ehrenkränze mitbekommen, sich aber auch schon freuen, wenn sie ihre 40

eigenen Leute siegen sehenll•

K I. OKyd, OE: Kyd. hält sich offenbar an demselben Ort auf wie E, da räumliche Trennung

nicht der Grund ist, der ein Gespräch zwischen bei den verhindert (14 ff.). Außerdem wird darauf angespielt, daß sich E zumindest bis vor kurzem im kaiserlichen Dienst, also in Konstantinopel, befand (20). Es gibt schließlich keinen Anhaltspunkt dafür, daß sich Kyd. jetzt nicht dort auf­hält. Wenn die Datierung zutrifft (s. u.), hält er sich wohl noch im Manganakloster auf. E: Fol­gendes spricht dafür, daß der ungenannte Adressat der Theologe und spätere Metropolit Neilos Kabasilas ist: 1. Kyd. nennt ihn einen alten Freund (19), redet ihn aber gleichzeitig in sehr re­spektvollem Ton an (11 ff.), also eher wie einen Lehrer seiner Jugend, wie dies Neilos Kabasilas war (s.o., S. 6 mit A.15; der zweite uns bekannte Lehrer des Kyd., Patriarch Isidor, war damals schon seit langem gestorben). 2. Die Kompetenz zur theologischen Auseinandersetzung mit der Theologie der Lateiner, die Kyd. ihm hier zuschreibt, hat Neilos tatsächlich in seinem Werk «De processione Spiritus Sancti contra Latinos» unter Beweis gestellt (über die Teiledition Candals und die bisherige Literatur zu diesem Werk s. PodTheolll mit A.24; 181,A. 800; Übersicht über den Gedankengang des Werkes ebd. 181-195). Vgl. dazu auch KydApolI 391,1018ff. Es kann also kaum ein Zweifel bestehen, daß der Brief tatsächlich an Neilos Ka.basilas gerichtet ist. Die grundlegenden Ausführungen zu seiner Biographie finden sich bei E. Candal, Nilus Cabasilas et theologia S. Thomae de processione Spiritus Sancti, Citta del Vaticano 1945,3 -28. Seine Anga­ben bedürfen in folgenden Punkten der Ergänzung: 1. Candal datiert den vorliegenden Brief T40/L378 noch mit Cammelli (KydEpCam Nr. 2) auf die Zeit kurz vor 1347 und bringt ihn zu­sammen mit dem angeblichen Brief des Kyd. an Barlaam (s.o., Werke, S. 73, 3.4.1). Dadurch kommt er auch zu dem irrigen Schluß, Neilos habe vor 1347 in kaiserlichem Dienst gestanden (einzige Quelle dafür ist die Angabe im vorliegenden Brief Z.20:s. u., D und A.6). Mag auch die Situation von T40/L378 und dem Brief an Barlaam vergleichbar sein, so ist doch die Verfasser­schaft des Kyd. für den Brief an Barlaam nicht zu halten (s. Werke, a.a. 0). Der Briefläßt sich also nicht für die These anführen, die religiöse Krise des Kyd. habe bereits vor 1347 eingesetzt. 2. Die von Candal aus PG zitierte Disputation des Gregoras mit Neilos Kabasilas (Greg 11 1050-1146) fand nach BeyGreg 141 etwa im November 1351 statt. Zu beachten ist hier aber, daß im gesamten Kontext der Disputation nirgends der Vorname dieses Kabasilas genannt ist. Greg 11 1050,14 beschreibt ihn als «jener beste von unseren Freunden». Falls diese Bezeichnung nicht etwa Ironie ist (vgl. den folgenden Kontext: er habe geheime Aufträge vom Patriarchen und vom Kaiser, sc. Kantakuzenos, gehabt und zahlreiche Winkelzüge im Gespräch verwendet), müßte man diesen Kabasilas unter den Freunden des Gregoras suchen, und als ein solcher ist nur ein gewisser Demetrios Kabasilas bekannt (vgl. zu ihm Guilland in GregEp 11 316f. und Diet­Greg I 26 mit A.13 6). Indessen ist letzte Sicherheit in der Frage, welcher der beiden Kabasilas mit Gregoras disputierte, wohl nicht zu erreichen; über Demetrios Kabasilas ist zu wenig bekannt, um zu entscheiden, ob ein Auftrag wie der genannte für ihn in Frage kam. 3. Die Wahl des Nei­lo's zum Metropoliten von Thessalonike in Nachfolge des Gregorios Palamas ist nach DarPatr 2432 (1/5, S. 359, Date) in den Verlauf des Jahres 1360 zu datieren. Vgl. auch DarPatr 2434.

259

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

4. Die entscheidende Quelle für die Datierung des Todes ist der Synodalakt MM I, Nr. 192, auf den aber dort nur mit der Überschrift hingewiesen wird, während der Text selbst nicht ediert ist. DarPatr 2453 hat aber nun ein Resümee gegeben. Die auf März 1363 zu datierende Urkunde teilt danach mit, die Wahl und Ordination des Nachfolgers auf dem Bischofsstuhl von Thessalo­nike (Name: Antonios, nach dem Synodikon) habe bereits seit längerem stattgefunden, aber die weite Entfernung seines bisherigen Bischofssitzes Kaisareia/Kappadokien und die ständige feindliche Bedrohung (Türken!) hätten ihn eine Zeitlang gehindert, seinen Sitz einzunehmen. Daraus wird man entnehmen dürfen, daß Neilos schon einige Zeit vor Abfassung des Dokumen­tes, d.h., wohl bereits 1362 gestorben ist, nicht 1363, wie Candal und andere bisher angaben. Neilos war also von 1360-1362 Metropolit von Thessalonike, hat aber, wie Symeon von Thes­salonike mitteilt (PG 155,145A), seinen Bischofssitz nicht eingenommen, sondern blieb aus un­bekannten Gründen (Candal vermutet: um sein Werk gegen Thomas von Aquin fertigzustellen) in Konstantinopel. Zu der Frage, wann Neilos Lehrer seines Neffen Nikolaos in Konstantinopel war, s.o., T18, BE. D: Sicherer terminus ante quem des Briefes ist das auf 1362 anzusetzende (s.o., E, 3.) Todesjahr des Neilos bzw. die entsprechende Mindestzeit, die er zur Abfassung sei­ner Schrift gegen die Lateiner vor seinem mutmaßlichen Tod benötigte. Näheres über die Abfas­sungszeit der Schrift ist nicht bekannt, doch verfaßte er sie wohl nicht allzulange vor seinem Tod, da Kyd. nach dem Tod des Neilos auf sie wie ein kürzlich verfaßtes Werk antwortete (s.o., Wer­ke, S. 63,1.1.1; vgl. RackThom 1366; RackKyd 26f.). Einen weiteren sicheren terminus ante quem liefert aber auch das Datum der Wahl des Neilos zum Bischof im]. 1360. Dafür spricht der Anfang des Briefes, der mit keinem Wort auf die Bischofswürde des Adressaten anspielt, noch mehr aber Z.20: wenn Neilos Bischof wäre, wäre dessen dort als möglich vorgestellte Rückkehr in den kaiserlichen Dienst nicht denkbar. Außerdem ist die Stelle so formuliert, als handle es sich um einen Rückzug ins Privatleben, nicht um ein neues Amt, das dem Adressaten kaum mehr Zeit als das vorherige für ein Gespräch lassen würde. Einen terminus post quem liefert wohl der Hinweis auf das Ausscheiden des Neilos aus dem kaiserlichen Dienst (20), das sich am ehesten mit der Abdankung des Kantakuzenos in Verbindung bringen läßt. Einen wichtigen Anhalts­punkt für die Datierung liefert aber auch die Tatsache, daß Kyd. sich offenbar in einer ernsthaf­ten religiösen Krise befindet und den Sinn der Kirchentrennung wegen überzeugender Argu­mente für die lateinische Theologie in Frage stellt. Diese Krise läßt sich am wahrscheinlichsten mit der Entdeckung der Akten des achten ökumenischen Konzils durch Kyd. und den Konse­quenzen, die sein Freund und Lehrer Philipp de Bindo Incontri daraus zog, in Verbindung brin­gen (s.o., S. 15 f. mit A. 79 und 80). Setzt man voraus, daß Kyd. hier vor der Entscheidung der Kon­version steht, die er 1356157 vollzogen hat (s.o., S. 16 mit A.81), dann läßt sich der Brief auf etwa 1356 datieren.

11. BKyd: Zur religiösen Krise des Kyd. s. D. Den Seelenzustand, den der vorliegende Brief wiedergibt, beschreibt uns Kyd. in Apol I 391,1018ff. Dort erfährt man auch, daß Neilos zu­nächst ein Anhänger der lateinischen Theologie war. Seine Reaktion auf die Anfrage des Kyd. war der Rat, er solle seine Vorliebe für Thomas von Aquin lieber für sich behalten, wozu Kyd. freilich nicht bereit war (ebd. 391,1031 ff.). ZG: Anspielungen auf die theologischen Streitigkei­ten mit den Lateinern (20ff.), auf ihre Disputationskunst (23 f.) und die Unfähigkeit der Byzan­tiner, ihnen auf gleichem Niveau zu antworten (29-31). Vgl. dazu TinnNiv 270; 273ff.

111. Hss: A 75TV, Nr. 11; U 124v-125v, Nr. 138. Ed: KydEpCam Nr. 2. Vb: Ebd. (frz.).

IV. 1 Kyd. beginnt den Brief wie Tl/L123 mit einer allgemeinen Feststellung, wen er be-

260

BRIEFE T40- T41

wundert bzw. bevorzugt. Die Wendung «kein Gott, aber ein göttlicher Mann» zitiert PISph 216b: Sokrates hat in dem fremden Elea ten ironisch einen Gott vermutet; Theodoros antwortet, er sei zwar keineswegs ein Gott, scheine ihm aber ein «göttlicher Mann» zu sein.

2 «Haupt» als Umschreibung der ganzen Person seit Homer (LSc s. v. xE'PaA:tj, 2). Dieselbe Wendung: T25/L60,13.

3 Bis hierhin reicht die Einleitung des Briefes, die als captatio benevolentiae zu der folgenden heiklen Thematik zu verstehen ist.

4 Wie die autographe Hs A zeigt (Apparat der Ausgabe), hatte Kyd. hier ursprünglich ge­schrieben: « auf meine Bitten ... ». Vielleicht verwarf Kyd. diesen Zusatz später, weil er ihm zu unterwürfig erschien.

5 Kyd. antwortet auf die Brüskierung durch den «Meister» mit ausgesucht höflichem Ton, der aber die bestehende Spannung nicht verdecken kann; auch die gewundene Ausdrucksweise ist dafür ein Indiz. «Besser werden» als einzig sinnvolles Ziel menschlichen Bemühens: PIGrg 502e-503d.

6 «Dem kaiserlichen Dienst .. , entrückt» kann als erfolgtes Faktum, aber auch als hypothe­tisch verstanden werden (so KiankaApol 68,A.73; m. E. zu sicher).

7 W.: 'tExv('ta~ mü AEyELV, hier wohl nicht im allgemein rhetorischen Sinn, sondern mit Be­ziehung auf die scholastische Disputationskunst zu verstehen, ähnlich 'tn mü AEyELV 'tEXvn (32) mit Bezug auf Kabasilas. Zur Interpretation s.o., ZG.

8 Das an sich negative Bild vom Netz (wie T41/L3 8,9 und T49/L31,4 7) ist hier wohl, zumal im Hinblick auf den folgenden Kontext, ironisch zu verstehen.

9 In KydApol I 366 erscheint die Vernachlässigung des Aristoteles und Platon in Byzanz als der Grund für die Unfähigkeit der Byzantiner im Argumentieren (emoÖELxvuvm).

10 Nicht zufällig verwendet Kyd. hier mehrere Metaphern aus dem militärischen Bereich, um die Schärfe der Auseinandersetzung mit den Lateinern zu demonstrieren: Waffen (31; vgl. T52!L124,17; NTRm 13,12; 2K 6,7; 10,4); Geschosse (ßoAaL, 32; vgl. T63/L97,54 ßE'Arb ebenso T68/L129,9; T86/L37,9; T81/MercNot 354,267; T102/L116,17); dem Schwerbe­waffneten (= Neilos) stellt sich Kyd. als Waffenträger zur Verfügung. Dieses Bild dient auch dazu, das Heikle des Vorschlages abzumildern.

11 Bescheidenheitsgeste in wirkungsvoller Stellung am Briefschluß.

41 - AN DEN BRUDER

L: 38; OK yd: Konstantinopel; E: Prochoros Kydones; OE: Athoshalbinsel, LaurakIoster; D: Ca. 1356; wI: Verteidigung gegen Vorwürfe des Bruders, in den Palastdienst zurückgekehrt zu sein; Bitte um freundlichere Briefe.

Du sollst wissen, daß wir die früheren Leiden und das gegenwärtige Un­glück unter dem Zwang erdulden, dem, wie die Dichter sagen, auch die Göt- 5

ter unterworfen sind!. Wir haben ja nicht auf einmal den Ehrgeiz, uns selbst zugrunde zu richten, noch ziehen wir den Wahnsinn vor, obwohl wir ver­nünftig handeln könnten. Tadle also auch du nicht die, die weinten, als das

261

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

geschah, für den Schlag aber kein Heilmittel finden konnten2• So schicke

auch keine Briefe, mit denen du uns, die wir wider Willen in diese Lage gerie­ten, nur verletzen kannst. Sind doch auch diese Wogen mir zur Schlinge ge-

10 worden3, und was geschah, ist stärker als vernünftige Überlegungen. Wenn

man aber für sein unverschuldetes Leiden auch noch angeklagt wird, kann das sogar einen, der sich ganz ernsthaft bemüht hat, ein Philosoph zu sein4

,

zur Verzweiflung bringen! So schreibe denn freundlicher an die, die schon der Ohnmacht nahe sind, und zeige uns, was Vernunft, mit Tugend gepaart, vermag! Es ist ja widersinnig, wenn wir zwar lieber beständig bei dir sein möchten, du aber gar nicht beachtest, was du uns dafür schuldig bist, und

15 noch dazu die quälst, die so bitter vom Schicksal geschlagen wurden.

K I. OKyd, D: Kyd. unterscheidet das frühere und das jetzige Unglück (4); seine Lage hat sich

also geändert, aber nicht zum Besseren. Prochoros hat ihm vorgeworfen, an der neuen Lage sei er selbst schuld (7ff.), Kyd. aber entschuldigt sich damit, er sei einem Zwang unterworfen, so zu handeln (4), vgl. Z.10. Nun beschreibt Kyd. in seiner Rede an loannes V., wie er von ihm in den Palastdienst zurückgerufen wurde, und verwendet ähnliche Formulierungen wie hier, vgl. hier x:u!la'ta (9) mit KydIoPal 12,33; hier !lavLa (7) mit KydloPal 12,33.37; hier avayxTJ (4) mit KydloPal13,l f.; hier AOYW!lWV Lox,lJQ6'tEQa (10) mit KydloPal13,4: XQELOO(J)V'twv E!lWV ßOlJ­AElJ!la't(J)V. Man darf also wohl annehmen, daß K yd. hier auf seine Rückberufung in den Kaiser­palast nach der Zeit der Vakanz im Manganakloster anspielt (vgl. dazu oben, S. 14 mit A.74), anzusetzen wahrscheinlich auf das Jahr 1356 (dazu S. 14, A.73). E,OE: Derim Titel der Hs ge­nannte Bruder kann nur Prochoros sein (s. Exkurs, S. 241, A.2), der sich damals im Laurakloster des Athos aufhielt (ebd. A.9).

11. BKyd: Er schätzt seine Tätigkeit unter Ioannes V. von vorneherein mit großem Pessimis­mus ein (vgl. dazu S. 15 mit A. 76). Die Kritik seines Bruders hat ihn schwer getroffen, und er ver­sucht ihm klarzumachen, daß er keinen anderen Ausweg sah (s.o., OKyd, D). Ep: Brief des Pro­choros an seinen Bruder, als er von dessen Rückkehr in den Palastdienst erfahren hatte, mit her-ber Kritik an seiner Entscheidung (8.12). .

III. Hss: B 21ST, Nr. 49; 0281 rv, Nr. 27. IV. 1 Mit der Erwähnung der «früheren Leiden» (xaxa) spielt Kyd. auf den Palastdienst

unter Kantakuzenos an, der in T18/L87,26 ebenfalls als «xax(!» bezeichnet wird. Mit dem Bild «auch diese Wogen» (9) deutet Kyd. ebenfalls an, daß er im erneuten Palastdienst das übel sieht. Loenertz zitiert zu ZA weitere Stellen in den Briefen mit Klagen über das Leben im Palast unter Ioannes V. Götter dem Zwang unterworfen: Simonides bei PIPrt 345d (Loenertz irrig: 245d). Vgl. auch T14,A.8 und RaulEp Nr. 6, 69f. Zur Deutung des «Zwanges»: s. T43/L3,A.11.

2 «Weinen» als Ausdruck heftiger Trauer wie T5/L12,19; T39/L62,23. Heilmittel: T5,A.22.

3 Seltsam anmutende Verknüpfung zweier Bilder. Das Bild von den «Wogen» für den Pa­lastdienst auch T20/L 72,23; T18/L87,24; KydloPal12,33. Das Bild von der Schlinge deutet an,

262

BRIEFE T41- T42

daß sich Kyd. von Ioannes V. einfangen ließ (KydloPal 13,3; vgl. T44/L46,4, wo Kyd. die Hauptstadt mit einem Gefängnis vergleicht).

4 Der Gedanke von der Überwindung des Leidens durch Philosophie findet sich bei Kyd. öf­ter (T87/L35,38f.; T88/L68,20).

42 - AN ALEXIOS KASSANDRENOS

L: 50; OKyd: Konstantinopel; OE: Thessalonike; D: Ca. 1356; wI: Mahnung des säumigen Briefschreibers; Vergleich der glücklichen Situation des Briefpartners mit dem eigenen geplagten Leben im Kaiserpalast.

Wir teilten mit euch die schweren Zeiten der Unruhen 1 , das Glück der Ein- 5

tracht aber genießt ihr allein. Wir hätten es aber doch verdient, das Ange­nehme ebenso wie das Schmerzliche wenigstens zum Teil mitzuerleben2 ! Jetzt habt ihr euch von der Last des Schicksals befreit; uns aber sind die Schultern wundgerieben\ und wir dürfen nicht einmal am «Rauch von Itha-

. ka4 » Anteil haben, sondern wir können höchstens fragen, ob jemand uns et­was aus der HeimatS zu berichten hat. Was aber noch schlimmer ist: ihr schwelgt und schweigt dazu und laßt uns nicht einmal solche Kunde zukom­men; sondern als ob ihr uns für eure früheren Leiden zürntet, zögert ihr auch 10

noch mit dem Schreiben. Aber obwohl uns solches Unrecht getan wird, schreiben wir, wann immer wir Zeit dazu finden, und preisen euch auch, wenn wir nicht schreiben, glücklich und selig: ihr dürft ja die liebe heimatli­che Erde6 bewohnen, eure Kinder sehen, mit euren Freunden zusammensein, . die heiligen Stätten eurer Väter besuchen, auf den Feldern spazierengehen und euch dabei erholen oder euch daheim aufhalten und in euren eigenen 15

Angelegenheiten tätig sein. Aller Zwang aber: daß man es dir nicht erlaubt, wenn du frühstücken willst, daß du dich nach dem Abendessen nicht schlafen legen darfst, sondern zum Herrscher7 laufen mußt, durch vielen Schlamm und noch tiefere DunkelheitS, ständig ausgleitend und den Eltern fluchend, weil sie dich nicht gezwungen haben, lieber Handwerker zu werden9

, - all das bist du jetzt los und machst dich noch lustig über die, die weiter in dieser Mühsal leben müssen. Ich glaube sogar, in deinem maßlosen FreiheitsfluglO 20

denkst du nicht einmal mehr an das Manganakloster, sondern auch dieser Gedanke ist deinem gegenwärtigen Glück gewichen.

Wenn aber du jetzt deinerseits auf den Kaiser anspielen willst und den Reichtum, den die Leute seiner Umgebung von ihm erhalten, und daß alle dem Mesazonll mit Geschenken ihre Reverenz erweisen müssen - was du ja

263

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

oft unter Gelächter behauptet hast-, dann höre dazu jetzt das Wort der Ko-25 mödie: «Der Lohn ist schlecht und schlecht drum auch die Kunst» 12. So ist

jetzt auch die Zahl der Bittsteller gewachsen, und man muß sich verstecken, um ihrem Geschrei zu entgehen. Ja, so wenig sind die Menschen heute mit Heller und Pfennig gesegnet, daß sogar Diplobatatzes in der Einsicht, daß er mit keinem seiner geschickten Kniffe mehr Erfolg hat, darauf verzichtet, die Mahlzeiten anderer Leute zu frequentieren, sich auf sich selbst zurückzieht

30 und nur noch den Tisch im eigenen Heim im Auge behält. Welche schweren Zeiten sich damit andeuten, magst du selbst auch den anderen erzählen. Wie soll denn da uns noch jemand glücklich preisen, wenn nicht einmal Diploba­tatzes genug zu essen hat?

Nur einen Reichtum gibt es hier: Lehrmeinungen! Von ihnen hat dein Freund, als er aus Ainos kam, allen reichlich zu kosten gegeben. Jetzt steigt uns das Übel sogar schon über die Knie 13 , und keiner kann mehr den Mund

35 halten; allerdings philosophieren alle leichter über göttliche als über ihre ei­genen Angelegenheiten. Von ihnen werde ich täglich belästigt und muß la­chen14

, wenn ich an deine jetzige Situation denke, zumal wenn ich sehe, wie BärtelS im Palast umherwandeln, denen totale Ignoranz mehr als irgendet­was anderes zum Merkmal der Tugend geworden ise6

• So hast du auch in dieser Hinsicht Glück, weil du solches Geschwätz nicht anzuhören brauchst.

K I. OKyd: Kyd. steht nach der Zeit im Manganakloster (20) wieder im Dienst des Kaisers

(also Ioannes' V.) im Kaiserpalast von Konstantinopel (22ff.). D: Kyd. beschreibt seine Tätig­keit im Kaiserpalast so ausführlich wie eine neue Situation, ist also wohl noch nicht lange im Dienst Ioannes' V. (Zum Beginn dieses Dienstes vgl. S. 14, A. 73). Für die Datierung wichtig ist aber auch die Verbindung zu T37/L49, einem Brief, der noch aus dem Manganakloster sehr wahrscheinlich (s. T37,E) an denselben Adressaten gerichtet ist und auf den sich Kyd. wohl hier (Z.l1f.) bezieht. Der Zeitabstand zwischen beiden Briefen dürfte kaum größer als ein halbes Jahr sein. OE: Der Adressat ~ält sich in der Heimatstadt des Kyd. auf (8.13).

H. BKyd: Kyd. versieht im Palast den Dienst eines Mesazon (23), und seine Haupttätigkeit scheint darin zu bestehen, Bittgesuche in Empfang zu nehmen und zu bearbeiten (24-26; vgl. dazu S. 10f., A.53 und 54). Er sehnt sich offenbar nach seiner Heimatstadt Thessalonike (13 ff.). BE: Alexios hielt sich einige Zeit zuvor noch mit Kyd. in Konstantinopel auf, und zwar während der Zeit des Bürgerkrieges (4) (?vgl. u., ZG,1.), aber auch noch danach im Manganakloster (20f.; vgl. 23f.). Letzteres bezeugt auch T37/L49,15. Nun lebt er offenbar als begüterter Pti­vatmann in Thessalonike (12-15; vgl. die OLXELa, Z.15, mit dem in T37/L49,12f. erwähnten Reichtum). Seinen Freund Kyd. scheint er vergessen zu haben (10f.19-21; vgl. T37,4ff.). X1: Diplobatatzes (26-32): nicht einmal diesem Schmarotzer (vgl. T34,X4) gelingt es, sich in diesen schlechten Zeiten zu bereichern. X2: Ein Freund des Kassandrenos, der kürzlich aus Ainos nach

264

BRIEF T4Z

Byzanz kam und dort die palamitischen Lehren verteidigte, wohl ein Mönch (32 f.). Kam er zu­sammen mit Astras nach Byzanz (vgl. T39,A.7)? X3: Hesychastenmönche im Kaiserpalast in einflußreicher Stellung (33-38). ZC: 1. Die cnaOL~, deren Unbilden Kyd. mit E geteilt hat, ge­mäß LOCP 36,57 der Bürgerkrieg zwischen Kantakuzenos und loannes V. (1352-1354) (ZA). Es wäre aber auch möglich, das Wort auf eine gemeinsam vor 1345 in Thessalonike unter der Zelotenherrschaft verbrachte Zeit zu beziehen, weil sonst die folgende Bemerkung, .er genieße die «Eintracht», (5) in der Gegenwart «allein», schwieriger zu interpretieren wäre (so auch BoissAnNov 277,A.l). Wäre die «Eintracht» auf das ganze Reich und nicht nur auf Thessalo­nike zu beziehen, dann gäbe «allein» keinen Sinn. 2. Die soziale Not in der Hauptstadt ist ge­wachsen, wie die steigende Zahl der Bittsteller (25 f.) beweist (vgl. die Illustration der Lage am Schicksal des Diplobatatzes, 0., Xl). 3. Zum Einfluß der Hesychasten s.o., X3 und Exkurs 10-annes V., 0., S. 200 mit A.13. Ep: Vermutliche Anspielung auf einen oder mehrere frühere Briefe des Kyd. an E (11 f. Anspielung auf T37? S.o., D).

III. Hss: B 222TV, Nr. 61; P402r -403r, Nr. 17. Ed: BoissAnNov 277-279 (Nr. 8). Lit: LBF

1453 f. (zu Z.15-19; Kyd. wohnte auch als Mesazon nicht im Palast); LOCP 37,9,A.3 (über die Hesychastenmönche).

IV. 1 Unruhen: s. ZG,l. 2 Zum Gedanken: Freunde sollen alles gemeinsam haben, s. T9,AA. 3 AristophRa 88: Der Sklave Xanthias beklagt sich, daß man seine Arbeit (seine wundgerie­

benen Schultern) bei der Aufzählung großer Dichter vergißt. Dieselbe Stelle wird auch T44/L46,21 f. zitiert.

4 HomOd 1,58f. (Odysseus bei Kalypso in Sehnsucht nach der Heimat). BoissAnNov 277,A.5 zitiert einige Stellen aus der Literatur, wo auf diesen Passus angespielt wird. Ferner TzeEp 16, Nr.8, Z.21.

5 Heimatstadt des Kyd.: s.o., S. 5, A.3 (am Schluß). 6 Liebe zur Heimatstadt Thessalonike: T15,A.7. 7 AQXwv hier als Bezeichnung für den Kaiser. 8 LBF 1453 f. entnimmt aus dieser Stelle mit Recht, daß Kyd. auch in den Jahren seines Pa­

lastdienstes bei loannes V. nicht im Kaiserpalast (Blachernenpalast, s. S. 11, A.5 6) gewohnt hat. Doch scheint dies unter Kantakuzenos anders gewesen zu sein: nach Kant III 285,5 f. 9 f. hielt er sich Tag und Nacht im Kaiserpalast auf.

9 Anspielung auf die für den Palastdienst notwendige Bildung. Ober den Zusammenhang zwischen Bildung und Hofdienst im 14. Jh. vgl. SevSoc 11 (Rapp.) bzw. 73 (Act.). Ferner Anspie­lung auf das bessere Leben der Handwerker, ein bekannter Topos der byzantinischen Bettellite­ratur. Vgl. vor allem «Ptochoprodromos», Gedicht IV (Inhalt bei H.-G. Beck, Geschichte der byzantinischeri Volksliteratur, München 1971,102f.).

10 W.: ocp6<>Qu 3tE1:w'frm, vgl. T54/L73,58 und ähnlich T49/L31,33; T63/L97,23f.

11 Kyd. nennt den Terminus für seine Stellung im Kaiserpalast in seiner ganzen Korrespon­denz nur an dieser Stelle. Der zweite Beleg ist Kant III 285,7 f. mit dem Zusatz «1:OL~ 3tQaYlUloL». Weiteres s.o., BKyd. Zu der hier vorausgesetzten sonst üblichen Bestechlichkeit des Mesazon s. VerpContrib 284.

12 AristophPl407. Das Zitat darf man hier nicht genau beim Wort nehmen. Es bedeutet ur­sprünglich, die (ärztliche) Kunst sei schlecht, weil der Lohn schlecht sei; Kyd. aber will kaum die Qualität seiner Arbeit im Palast in Zweifel stellen, sondern mit dem Zitat nur sagen: wo nie-

265

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

mand etwas bezahlen kann, verliert auch die Stellung eines Mesazon an Wert. Entsprechend T45/L47,40.

13 Bild von der Überschwemmung wie T22,A.8. 14 Kyd.lacht, wenn er an das Glück des Freundes denkt, der solcher Behelligung entronnen

ist. 15 Synekdoche statt der Umschreibung T21/L88,24. 16 Treffende, sarkastische Beschreibung der fanatischen Hesychasten aus der Sicht eines

byzantinischen Intellektuellen.

43 - AN KONSTANTINOS ASANES

L: 3; OKyd: Konstantinopel; OE: Inselchen Arkla bei Damalis; D: Frühjahr 1358; wI: Scherz über den gegenwärtigen meerumschlossenen Aufenthalt des ehemals meeresscheuen Adressaten; Anspielung auf eine Gesandtschaftsreise zusammen mit Kaiser Ioannes V. zu Ver­handlungen mit dem Osmanensultan Orchan.

Ich glaubte früher, eher werde der Kaukasus einstürzen, bevor du deinen 5 Beschluß, nicht zur See zu fahren, abändern würdestl. Denn nicht nur mit

Worten und einer finsteren Miene hast du bekundet, wie sehr dir das Meer verhaßt sei, sondern du hattest bei deiner Anklage gegen das Meer auch ge­schworen, niemals, auch nicht in den Tagen des Eisvogels2 ein Schiff zu be­steigen. Jetzt aber ist das alles mit Füßen getreten, und Asanes, der früher

10 Hunde und Pferde auf wilde Tiere hetzte und es nicht einmal aushielt, von Bergeshöhen auf das Meer zu blicken3

, hat nun plötzlich den Anthedonier Glaukos nachgeahmt4 und sein Haus im Meer aufgeschlagen! Und er läuft zum Hafen und fährt von dort mit größerem Vergnügen aufs Meer hinaus als andere nach einem Sturm an Land Anker werfen5 ! Das Schiffsdeck ist nun weicher für ihn als jedes Bett und der Schiffsbauch6 ihm prächtiger als die Hallen im Kaiserpalast. Sybaris sind ihm jetzt Knoblauch und Gerstenbroe,

15 lieblicher als Nachtigallen klingen ihm die Gesänge der Ruderknechte8, Pos­

senreißer hört er lieber als andere Redner9, und all seine Begeisterung hat sich

den Schiffen zugewandt. Was ist geschehen, mein Guter? Warum hast du plötzlich uns und das Fest­

land so sehr verworfen? Was hat dich gezwungen, deine Eide zu brechen10? Nun, offenbar ist der Kaiser ein unbezwingliches Wesen; wenn er will, ist er Herr über jede andere Notwendigkeit, und es gibt niemanden, den er mit Be-

20 fehlen oder mit Überredungskünsten nicht überwinden könntell. Auf ihn wirst du dich natürlich berufen, auch wenn man dir selbst V ürwürfe macht,

266

BRIEFE T42- T43

und wirst seinem Auftrag die Schuld für deinen Gesinnungswandel geben. «Was sollte ich denn tun», wirst du sagen, «wenn er es befiehlt?» 12 So wirst du zwar sprechen, mir aber damit die Sache nicht glaubhafter machen. Ich weiß ja, daß du nur dann zornig auf das Meer bist, wenn der Kaiser dir die kalte Schulter zeigt, wenn er dir aber Versprechungen macht und dich anlä­chelt, sind die Wellen sicherer als das Festland. Ich möchte aber denen, die 25

über deine Wandlung ratlos sind, auch noch folgendes sagen: dem, was du früher begonnen hast, hätte der Kaiser ohne dein Einverständnis kein Ende setzen sollen13

• Genieße also jetzt dein Glück in dem Bewußtsein, daß der Kaiser alle nach Belieben glücklich machen kann, und versöhne Asien mit Europa durch beiderseitigen Austausch von Geschenken. Schau aber, daß du uns bei der Rückkehr auch etwas vom Gewinn mitgibst, denn wenn du für 30

dich allein schwelgen willst, wirst du die Ankläger nicht ertragen, die dir für deinen Gesinnungswandel Vorwürfe machen. Jedenfalls werde ich dir über-all solche Kritiker erstehen lassen14 !

K I. D, OE: Für Datierung und Aufenthaltsort des Adressaten bietet der Brief folgende An­

haltspunkte: E hat «im Meer sein Haus aufgeschlagen» (11) und befindet sich im Gefolge des Kaisers (18ff.). Es geht bei seiner Reise darum, «Asien mit Europa zu versöhnen» (28), und es werden mit einem Verhandlungspartner Geschenke ausgetauscht (29). Eine solche Situation war im Frühjahr 1358 gegeben (die Datierung von Loenertz wird von BeyGreg 153 mit A.203 bestätigt). Damals begab sich Ioannes V. mit Gefolge zu dem vor der kleinasiatischen Küste von Chrysopolis im Meer gelegenen, unter Manuell. Komnenos errichteten (NikChon 205,40-42 und App. zu Z.42) Festungsturm Arkla (vor einer «Damalis» genannten Halbinsel gelegen, dazu JaninCpl495 f.) (Arkla ist heute KlzKulesi; vgl. Müller-Wiener 334), um dort durch Unterhänd­ler mit Sultan Orchan über die Freilassung dessen in griechische Hände gefallenen Sohnes Halil zu verhandeln (Greg III 504,15 ff.; DöReg 3055). Näheres über die Umstände der Gefangen­schaft Halils: s.o., Exkurs Kalothetos, S. 129f., mit A.23-26. über die Verhandlungen vgl. auch HalEmp 67. Ist die damals dem Halil versprochene Tochter Ioannes' V. die bei Pap 58, Nr. 88 erwähnte Eirene? Dies wird vorausgesetzt bei Alderson 165, T. XXII (genealogische Tafel). Nach Pap Nr. 88 und S. 47 oben hatte Ioannes V. nur eine Tochter, Eirene, doch plädiert SchreinChron II 318 noch für eine zweite, Maria, die aber vermutlich um einiges jünger war und daher für das geplante Verlöbnis weniger in Frage kommt. Die im Brief beschriebene Situation paßt also gut zu den Angaben bei Gregoras. Vgl. noch die übereinstimmung der Formulierung «EV"tU 'fruAa"t"t!l "tTJV OLXLUV 3t1J~aIJ.Evo~» (Z.l1) mit «btavoo"tOll 3tuQYou -cTJV OXTJVTJV 3tTJ~UIJ.E­vou» (Greg III 504,13). Doch scheint Kyd. auf eine noch längere Seereise anzuspielen (12-16), die Ioannes V. nach Greg III 505,2-7 auch tatsächlich unternahm, um Halil in Phokaia freizu­kaufen (vgl. BeyGreg 153 ,A.204). über den zeitgeschichtlichen Zusammenhang vgl. meinen Ar­tikel «Kaiser Ioannes V. Palaiologos und der Gouverneur von Phokaia 1356-1358: ein Beispiel für den Verfall der byzantinischen Zentralgewalt um die Mitte des 14. Jahrhunderts», der dem-

267

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

nächst in «Miscellanea in memoria di Agostino Pertusi» erscheinen wird. OKyd: E hat sich vor­

her im Kaiserpalast befunden (13 f.), wo Kyd. offenbar zurückgeblieben ist (29 f.: er bittet, nach

der Rückkehr der Delegation auch seinen Anteil an den Geschenken zu erhalten).

11. BKyd: Er befindet sich wieder im kaiserlichen Dienst (s. OKyd); doch scheint Asanes

beim Kaiser in höherer Gunst zu stehen (27f.). Obwohl Kyd. den ganzen Brief in scherzhaftem

Ton abgefaßt hat, mag man doch einen gewissen Neid heraushören, daß sein Kollege den Kaiser

begleiten darf. BE: Asanes, ein passionierter Jäger (9f.), hat zuvor offenbar keine Vorliebe für die Seefahrt gezeigt (4 ff.). Kyd. hält ihm spöttisch vor, er sei allerdings zu allem bereit, um dem Kaiser willfährig zu sein (22-25). Die Identität dieses Konstantinos Asanes ist in der letzten Zeit erneut diskutiert worden. ManEpDen XXVII sieht in ihm mit KalEpLoen 14,AA den Sohn eines um 1351 gestorbenen Isaak Asanes (durch seinen Bruder Andronikos Onkel der Eirene, Gattin des Ioannes Kantakuzenos); er wäre also ein Vetter der Kaiserin Eirene und somit im weitesten Sinne ein Onkel von deren Tochter Helene, der Gattin Ioannes' V. Das würde erklären, warum er in MM 11 56, Nr. 361 (J.1383) als (,Onkel» ({)-E[O~) Ioannes' V. bezeichnet wird. Doch hat TrappAs gewichtige Argumente gegen die Annahme, Konstantin sei ein Sohn Isaaks, beige­bracht: 1. Er hat den bisher unbekannten Bruder Konstantins, erwähnt in LlS5,4, mit Ioannes Asanes, einem anderen Korrespondenten des Kyd., identifiziert (der Bruder Konstantins hat wie Ioannes Asanes den Freundschaftsschwur verraten: vgl. LI55,6.9 mit L255,12f., LI55,4f. mit L255,4; bei Trapp irrig Brief 225 statt 255, aber nur Druckfehler, da richtige Seitenangabe). 2. Er hat gezeigt, daß Ioannes Asanes nach L264,31 insgesamt zwei Brüder hatte, von denen also einer Konstantin Asanes wäre. Nun sind aber von Isaak Asanes bereits drei Söhne anderen Namens bekannt (TrappAs 168 f.), was sich damit nicht vereinbaren läßt. Doch ist darauf hin­zuweisen, daß von diesen drei Söhnen zwei nur aus einer von C. Hopf verwendeten unveröffent­lichten lateinischen Quelle bekannt sind, mag auch der eine von ihnen vermutlich bei Kantaku­zenos erwähnt sein (Hinweise bei TrappAs 169). So bleibt bis zur Entdeckung und Prüfung der lateinischen Quelle hier doch noch einige Unsicherheit. 3. Trapp hat schließlich vorgeschlagen, in Michael Asanes, dem einen aus der lateinischen Quelle bekannten Sohn des Isaak Asanes, den Vater des Konstantin und Ioannes zu sehen (TrappAs 172,A.58). Damit würde Konstantinos Asanes in die gleiche Generation mit Ioannes V. rücken, was zu seinem mutmaßlichen Alter im vorliegenden Brief (K yd. spricht zu ihm wie zu einem Jüngeren; so auch ManEpDen XXVIII) besser passen würde (die verschwommene Verwandtschaftsbezeichnung {)-E[O~ - er gilt nach TrappAs 172 übrigens auch als {)-E[O~ Manuels 11. - spricht nicht dagegen). - Mag er nun ein Sohn oder ein Enkel Isaaks gewesen sein, er war jedenfalls ein Verwandter der Helene Kantaku­zene und entsprechend mit Ioannes V. verschwägert. Weitere Angaben zu seiner Person finden sich KalekEpLoen 73-77; PLP Nr. 1503; TrappAs 172f. und ManEpDen XXVIII. Das von Dennis gezeichnete Bild läßt sich aus den Kyd.briefen wie folgt präzisieren: Etwa 1361/2 hielt sich Konstantinos vorübergehend auf einer unbekannten Insel auf, nachdem er die Hauptstadt kurz zuvor verlassen hatte (T47/LI09, 11 ff. Seereise; 21-23. 41 Insel; 43 Rückkehr erhofft). Er begleitete Ioannes V. auf der Italienreise 1369, trennte sich aber von ihm und Kyd. vor der Wei­terreise nach Venedig und begab sich nach Mistra mit dem Auftrag, Geld für die Rückreise zu beschaffen (T73/L71,5-9.26f.). Kyd. warnte ihn davor, sich mit dem dort lebenden Ioannes Kantakuzenos auf Gespräche über den Palamismus einzulassen (ebd. 34-38), wodurch Asanes als Antipalamit gekennzeichnet wird (vgl. dazu auch DarPatr 2836 und 3021; KalekEpLoen 26; MercNot 223, Nr. 30 auf der Liste der Antipalamiten in Vat. gr. 1096). Als Kyd. nach der Rück-

268

BRIEF T43

kehr aus Italien mit dem Vorwurf der antipalamitischen Häresie belegt wurde, war gleichzeitig auch er betroffen (Tl02/L116,4ff. und vor allem L146,21f., wohl mit Bezug auf diesen Brief). Im letztgenannten Brief wie auch in L163,3 läßt die Benennung «t}ELO~ WÜ ßaaLAt(O~» vermu­ten, daß von ihm die Rede ist. Als Ausdruck seiner herzlichen Freundschaft schickte Kyd. ihm Äpfel aus seinem eigenen Garten (L186). Über den Traktat, den Kyd. ihm widmete, s.o., S. 63,1.1.3. Gegen Ende der siebziger Jahre sah Kyd. die Freundschaft zu seinem Bruder (sc. loan­nes) durch diesen selbst gebrochen, und auch die Vermittlung des Konstantinos konnte den Riß nicht heilen (L155,4ff. 12-16). Falls L267 (Sommer 1383) an loannes Asanes gerichtet ist und Trapps genealogische Überlegungen zutreffen, kann der dort (ZA) erwähnte Onkel des Adressa­ten nicht, wie Loenertz vermutet, mit Konstantinos identisch sein. Der letzte ausdrücklich an ihn adressierte Brief (L426, wohl nach der Stellung in der Hs aus den späten? achtziger Jahren) zeigt durch seinen privaten Inhalt die andauernde freundschafdiche Verbundenheit zwischen Kyd. und ihm. Gemäß einigen weiteren Erwähnungen in Kyd.briefen, die TrappAs 174 auf ihn bezo­gen hat, begleitete er Manuel 11. 13 82 nach Thessalonike und 13 87 nach Lesbos. Trapp hat ebd. (mit A.73) L247,37 mißverstanden: Asanes war nicht «das Tagesgespräch» in Konstantinopel, sondern der heimlich abgereiste Manuel 11. (dazu oben, S. 202 mit AAS), und Asanes wird zitiert, weil er irrig angenommen hatte, die Diskussion über jenen werde bald zu Ende sein. Xl, ZG: Zu den Verhandlungen loannes' V. mit Orchan s.o., D, OE.

III. Hss: B 184v-185" Nr. 13; V 154v-155r; Vat. gr. 481,160r

• Ed: NE 1 (1904) 205f. IV. 1 Kaukasus als Symbol der Festigkeit auch T62/L65,13. Die Wendung gehört zu den

hyperbQlischen Formeln mit «eher ... als». Die Angst vor den Schrecken des Meeres ist ein be­liebter literarischer Topos; vgl. T12,AA; T47,A.14; KydMort 34,21f. und in der Antike z.B. Horaz, Carmina 11,11-14; 3,9 ff. Zu diesem Thema grundsätzlich T. Heydenreich, Tadel und Lob der Seefahrt. Das Nachleben eines antiken Topos in der romanischen Literatur, Heidelberg 1970, insb. 41 ff. ('P6yo~ vau·tLALa~).

2 Vgl. dazu T18,A.7. 3 Hyperbel mit «nicht einmal»: Tl0,AA. 4 Mythische Gestalt aus Anthedon in Boiotien; sprang, durch das Essen eines Zauberkrau­

tes unsterblich geworden, ins Meer und wurde zum Meeresgott. Vgl. dazu A. Lesky, Thalatta. Der Weg der Griechen zum Meer, Wien 1947, 142ff.

5 Überbietungstopos (s. T3,A.5). 6 KOLATJ vaü~, bei Homer noch das «bauchige Schiff», seit Herodot zur Bezeichnung des

Schiffsbauches (LSc, s. v. XOLAO~, 1). 7 Brot und Knoblauch als Inbegriff einfacher Speise (mit welcher der Seefahrer vorliebneh­

men muß): Kuk V 46 und 49. 8 Gesänge der Ruderknechte: sie antworteten im Chor auf den Ruf des Rudermeisters (s.

T47,A.l0), wie bereits EurHel1575f. bezeugt. Anspielung darauf auch T47/Ll09,42.

9 Vermudich Anspielung auf die derben Späße der Matrosen wie T47/Ll09,4f. Kyd. stellt also ironisch fest, die Begeisterung des Asanes für die Seefahrt überbiete sein Verlangen nach be­quemer Nachtruhe, prächtiger Umgebung, gutem Essen, schönem Gesang und guter Rhetorik.

10 Anspielung auf den Z.7 erwähnten Schwur. Die emphatische Abfolge von Fragen (btEQOrtTJOL~, Martin 285) treibt Asanes wie in einer Gerichtsrede gleichsam in die Enge.

11 Dieser Gedanke war für K yd. damals sehr aktuell, wie K ydloPal 13,1 ff. zeigt. V gl. auch die Bemerkung in T41/L38,4, er sei einem Zwang unterworfen.

269

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

12 Vorwegnahme eines Einwandes (1tQ01tUQUOXEUi!, Martin 277f.), ebenfalls (vgl. A.10) beliebt in der Gerichtsrede.

13 Die Anspielung ist uns in Ermangelung von Nachrichten über die Biographie des jungen Asanes nicht mehr verständlich. Sicher ist jedenfalls, daß Asanes nach einer Zeit der kaiserlichen . Ungnade dessen Gunst genießt.

14 Der Brief schließt in Form der (halb scherzhaften) Anklage, deren Elemente mehrfach (A.10; A.12) erkennbar waren. Ähnlich schließtT30/L42 (Z.67-70), wo es allerdings um eine «Anklage» im epistolographischen Bezug geht.

44 - AN ASTRAS

L: 46;OKyd: Konstantinopel;E: GeorgiosSynadenosAstras;OE: Lemnos;D: 1358/59;wI: Beschreibung des (vorgestellten) glücklichen Lebens des Astras auf der Insel; Sehnsucht nach dem Freund; Andeutung der gefährdeten Lage der Hauptstadt, persönlicher Schwierigkeiten und entsprechender Pläne einer Reise ins Abendland.

Du bist wie aus einem Gefängnis1 aus der Wunderbaren STADT2 entflo-5 hen und bist Herr der vielbesungenen3 Insel Lemnos, nach der du schon

längst verlangtest. Jetzt hast du sie erhalten und hältst sie beinahe schon für die Inseln der Seligen mit allem, was der Mythos von ihnen berichtet4

• Bald kannst du sie zu Schiff umfahren, bald sie zu Pferde durchqueren; bald er­steigst du die Gipfel ihrer Berge, bald bist du in der Ebene auf der Jagd. Aber

10 du besichtigst auch ihre Häfen und legst auf den Höhen Festungen an, du un­terhältst dich mit Schiffbauern und sammelst ein Heer; du wetteiferst durch­aus mit Cypern und Sizilien, ja sogar mit Britannien5

, möchte ich sagen, um deine Insel eindrucksvoller zu gestalten. Hast du dich um diese Dinge ge­sorgt, dann erwartet dich eine Tafel, die alles bietet außer Ambrosia6

;

Freunde sind bei dir zu Gast, und dann geht es ans Aufzählen aller Schrecken im Kaiserpalast; die Hasen bei euch erklärt ihr für besser als die Säulen dort,

15 euer Ausgeschlafen- und Sattsein zieht ihr dem Nachtwachen und Hungern voe. Der Waräger aber, der Schrecken einflößt und für den Einlaß Trinkgel­der verlangt8

, obwohl man dann doch keinen Nutzen davon hat, die Pforten der Mächtigen, denen man nicht weniger Respekt als Heiligtümern zollt (drinnen aber bekommen die, die sich hilfesuchend an sie wenden, nichts als Beschimpfungen zu hören)9, all das ist jetzt weit weg, wer aber damit leben muß, ist elender daran als einer, der im Hades gepeinigt wird lO

20 So also sieht dein neues Glück aus, du, der du nur auf dein eigenes Wohl er-

270

BRIEFE T43 - T44

gehen bedacht bist, es aber nicht einmal zur Kenntnis nähmest, wenn von den anderenll einer erwürgt würde12

• «Von mir aber ist nicht die Rede» ... Zwar ist mir keineswegs die Schulter wundgerieben 13, aber weil ich dich nicht sehe, leidet meine Seele täglich Qualen. Was soll man darüber noch mehr sagen zu einem, der weiß, was Freundschaft bedeutet14? Wenn ich dich nun, nachdem ich eine Zeitlang diesen Schicksalsschlag ertragen habe, wieder hier empfan­gen und wie früher in gewohnter Weise mit dir Gespräche führen könnte, 25

dann sollte ich vielleicht ruhig verweilen und deinen Anblick erwarten wie die Gefangenen den Gerichtstermin15

• Da aber das Faß leer von Hoffnungen ist16 und die Insel fortan deine Heimat werden soll, wäre es Wahnsinn, hier schmachtend auszuharren und das Schicksal17 anzurufen, das uns vielleicht von unseren Seufzern befreien könnte. So wird es also auch uns erlaubt sein, dich nachzuahmen18 und nach Italien zu verlangen, Frankreich im Sinn zu haben und in Gedanken sogar über Gadeira 19 hinauszureisen. Denn was 30

könnte einen Menschen zurückhalten, der des Freundes beraubt ist, in Ver­dächtigungen lebt, durch das Bleiben seine Lage nur verschlimmert, sich von der Irrfahrt aber sogar noch Größeres als eure Götter20 erwartet, zumal auch Kalothetos so großen Ehrgeiz entwickelt? Verlangst du, daß ich weinen soll, während du lachst, und daß wir, während du dich mit so viel Wasser zur Ab­wehr der Barbaren umgibst, darauf warten sollen, wann man uns zu Sklaven 35

macht? Wahrhaftig, das verbietet der, der allgemein allen Menschen gebie­tet, für sich selbst zu sorgen21

• Komm also entweder zurück und sei dem Staat, der Männer braucht, und den Freunden zu Diensten, oder tadle nicht die, die sich für die Flucht entscheiden. Es ist nämlich ungerecht von dir, de­nen Vorwürfe zu machen, die nur dein eigenes Tun nachahmen22

K I. OKyd: Konstantinopel (4); Anspielung auf sein Bleiben dort (25). E: Über die Identifizie­

rung des Astras der Überschrift mit Georgios Synadenos A,: s. Exkurs, S. 250. OE: Lemnos (5). D: Die beiden folgenden Briefe an Astras (T45; T46) helfen zur Datierung des vorliegenden Briefes wenig, da auch sie keine sichereren Anhaltspunkte dazu geben. Sicher bezeugt ist Astras auf Lemnos im Juni 1361 (s.o., Exkurs, S. 251 mit A.17), sicherer terminus post quem des Briefes ist Oktober 1357 (gemäß S. 250 mit A,ll). Irgendwann zwischen beiden Daten muß Astras Gouver­neur auf Lemnos geworden sein, und einige Zeit nach seinem Amtsantritt (ca. 1-2 Monate, da die Abreise nach ZA ff. kürzlich erfolgte) ist T44 geschrieben. Doch enthält T44 noch zwei wei­tere (wenn auch ziemlich vage) Anhaltspunkte für eine Datierung: 1. Die Erwähnung eines Ka­lothetos (33), der großen Ehrgeiz, sc. im Reisen, zeige. Falls dies der ca. 1358 von den Genuesen in Phokaia abgesetzte Leon Kalothetos ist (s.o., Exkurs, S. 130 mit A~27 und A.28) müßte T44

271

ÜBERSETZUNG UND KOMMENT AR

1358 oder spätestens 1359 geschrieben sein. 2. Gemäß einer nur bei Matteo Villani (Rer. ital. scr., ed. L. A. Muratori, Mediolani 1729, Bd. XIV,567; diskutiert bei HalEmp 74 und Schrein­Chron 11 289 mit A.65) stehenden Angabe wurde Konstantinopel 1359 erstmals von Türken be­lagert, und Didymoteichon (bei Villani: Dommentica) ergab sich den Türken. Die Quelle spricht ausdrücklich von Osmanen (über eine zweite bei Villani bezeugte Eroberung von Didymotei­chon 1361 s. u., T47,ZG). Auf diese Belagerung könnte Kyd. anspielen, wenn er Z.35 andeutet, er wolle seine Versklavung nicht abwarten, während Astras sich mit dem Wasser (des Meeres) vor den Barbaren schütze (34). Dagegen spricht nicht die Aufforderung zurückzukommen, die wohl nicht ernstgemeint ist, sondern Astras nur die Möglichkeit nehmen will, Kyd. wegen seiner Reisepläne Vorwürfe zu machen (36-38). Doch ist es fraglich, wie genau Villanis Datierung ist, und so wird man aus diesem Grund den Brief nicht (gegenüber der vorsichtigeren Datierung bei Loenertz, 1358-61) mit Sicherheit auf 1359 festlegen können.

11. . BK yd: K yd. steht im kaiserlichen Dienst, aber er beneidet Astras, der den Palast, wo man «elender als im Hades» lebt, hinter sich gelassen hat (15 -19), bzw. das «Gefängnis» Konstan­tinopel (4). Er fühlt sich von seinem Freund Astras verlassen (20) und vergessen (21). Die Tren­nung von ihm, die außenpolitische Lage und gewisse Verdächtigungen gegen seine Person (we­gen seiner Konversion zur römischen Kirche? vgl. S. 15f. mitA.79-81) (31.34f.) lassen ihn erst­mals Pläne zu einer Reise ins Abendland (Italien, Frankreich) aussprechen (28-30). BE: S.o., Exkurs, S. 250.Xl: Kalothetos (33): s.o., D,l. Ep: «Tadle nicht» (37) könnte auf einen Brief des Astras hinweisen, kann aber auch Rhetorik sein, zumal man das Aristophaneszitat «von mir aber ist nicht die Rede» (21) als Briefmahnung verstehen könnte.

III. Hss: B 219v-220', Nr. 56; M 10V, Nr. 7; b(= Matr. gr.4637) 59v-60' gemäßLCI, VII. Dort auch die auf Kyd. zurückgehenden Varianten des Textes von T44/L46.

IV. 1 Aus der Sicht des Kyd. ist Konstantinopel in doppelter Hinsicht ein Gefängnis: wegen des Palastdienstes (s.o., BKyd) und wegen der außenpolitischen Bedrohung (s. D,2.). Nicht zu­fällig vergleicht Kyd. Z.26 sein Warten mit dem von Gefangenen. Vgl. auch unten, AA, und KydLat 997B (<<wir sind in den Mauern wie in einem Netz gefangen»).

2 Zu dieser Bezeichnung Konstantinopels: T21,A.6, hier wohl mit einem Anflug von Ironie.

3 «Vielbesungene» Insel: «hochheilig» nach HomIl2, 722, bekannt vor allem durch die Phi­loktetsage und das entsprechende Drama des Sophokles, aber nach HomIl 7,467 ff. auch be­rühmt durch ihren Wein, den die Achaier vor Troja tranken. Nach HomI114,230 ff. traf Hera dort den Gott des Schlafes. Auch als Station auf der Argonautenfahrt spielt Lemnos eine Rolle.

4 Inseln der Seligen wie T57/L32,16. Loci classici bei HesOp 171; PISmp 17ge, Grg 523b (dort im Gegensatz zum «Gefängnis», dem Tartaros, vgl. A.1 und «Hades», Z.19); vgl. noch Grg 525a und c (Gefängnis) im Gegensatz zu Grg 526c (Inseln der Seligen). .

5 Offenbar galt Britannien damals als die größte Insel; vgl. L221, wo Britannien metony­misch «die große Insel» genannt wird. Aber «ja sogar» bezieht sich zweifellos auch auf die son­stige Bedeutung Englands (wohin sich ja Manuel 11. gegen Ende des Jahrhunderts um Hilfe wandte), die in Byzanz zur Zeit des Kyd. auch durch die angelsächsische Warägergarde (s. u., A.8) bekannt war.

6 Hs b (s.o., Hss) fügt hier «und Nektar» hinzu. Ober Ambrosia und Nektar als Götter­speise vgl. R. B. Onians, The Origins of European Thought, Cambridge 1954,292-299.

7 Ähnliche Gegensatzpaare wie T43/L3,12-16, vgl. dort, A.9, aber ohne ironischen Unter­ton.

272

BRIEF T44

8 Über die Warägergarde in Byzanz im 14. Jh. vgl. S. Blöndal, The Varangians of Byzan­tium, transl., rev. and rewritten by B. S. Benedikz, Cambridge etc. 1978, 174f. Dort sind als letzte Belege im 14. Jh. Kant 1560,12 und PseudoKod (passim) genannt, aber nicht diese Brief­stelle (bei Kyd. die einzige nach LC 11 472, Index, s. v. Barangi). Mit diesem Zeugnis kann man Blöndals Annahme widerlegen, es habe um die Mitte des 14. Jhs. in Konstantinopel keine Warä­gergarde mehr gegeben. Nimmt man nun die im Brief loannes' VII. an Heinrich IV. von England erwähnten <<flobiles nonnulli ex vestratibus in huius urbis defensione commorantes» hinzu (BarkMan 501), mit denen Barker (ebd. 502) nichts Rechtes anzufangen wußte, dann kann man nun mit Fug und Recht von einer Kontinuität der englischen Warägergarde in Byzanz minde­stens bis zum Ende des 14.Jhs. sprechen. Die Waräger sind offenbar wie der Mesazon (T42,A.11)für Bestechung anfällig.

9 Kyd. zeichnet hier ein düsteres Bild von der Behandlung der Bittsteller im Palast wie später Tl00/L114. Seine Kritik an solchen Praktiken zeigt, daß er selbst gewillt ist, es anders zu ma­chen, was er von sich auch rückblickend (KydloPal 16,18ff.) berichtet.

10 Öfter findet sich bei Kyd. der einfache Hadesvergleich (T7,A.5), hier aber wird der Ha-des sogar überboten (T3,A.5). Vgl. auch AA.

11 Variante der Hs b: «von den Freunden», wodurch die Hyperbel verstärkt wird. 12 _Hyperbel wie Tl0,AA, hier zur Verstärkung des Vorwurfs. 13 Zitat wie T42,A.3; allerdings hier die vorausgehende Zeile (AristophRa 87: «Von mir ist

nicht die Rede»), die dann mit der folgenden Anspielung gekennzeichnet wird. Durch das Zitat wird der Vorwurf freundschaftlich ins Scherzhafte gezogen.

14 W.: 3tQOC; ELÖO'tU q>LAELV.

15 Zu diesem Bild vgl. oben, A.1. 16 Anspielung auf das Faß der Pandora (HesOp 94-98): Sie, die erste Frau, erhält von Zeus

ein verschlossenes Gefäß (Faß, auch «Büchse» genannt), in dem alle Übel eingeschlossen sind; sie öffnet die Büchse, alle Übel kommen über die Menschen, und nur die Hoffnung bleibt darin zurück. So ist also die Bemerkung, das Faß sei leer von Hoffnungen, der Ausdruck äußerster Re­signation. Offenbar hatte die Anwesenheit des Astras im Palast dem Kyd. sehr viel bedeutet. Vgl. dazu oben, Exkurs, S. 250 mit A.26.

17 Loenertz schreibt hier TiiXTJ groß, da die Anrufung die Vorstellung der Gottheit voraus­setzt. Zum Schicksalsdenken im Brief vgl. T18,A.l.

18 Die «Nachahmung» bezieht sich nur auf das Reisen, natürlich nicht auf das Ziel.

19 Gadeira, heute Cadiz an der Südwestküste Spaniens, als Eckpunkt der damals bekannten Weltz. B. bei ProkopVand 11,4; bei Kyd. T59/L93,9 und T63/L97 überschritten wie hier als In­begriff der Entfernung (hier zum Ausdruck grenzenloser Reiselust); ausdrücklich als Grenze T84/Ll06,43. Weitere Erwähnungen: s. LC 11 474, Index, s. v. Gades; vgl. auch KarSpr 54, Nr. 82; HungChon, Nr. 47,20. Oft in einem Atem mit den noch weiter außerhalb gedachten (T63 IL97,5 9) «Säulen des Herakles» (z. B. L221, 18 u. ö.), die normalerweise mit den Felsen von Gibraltar und Ceuta identifiziert werden, bei Kyd. aber ein recht vager Begriff sind, wie T 49 IL31,3 2 beweist.

20 Wiederaufnahme des Gedankens vom antiken «heiligen» Lemnos (s. A.3) bzw. von den Inseln der Seligen (AA).

21 Der Gedanke: gleiches Recht für alle gilt auch für die Flucht aus Konstantinopel. In der Praxis war Kyd. allerdings kaum bereit, es sich zuzubilligen. -

273

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

22 Aufforderung am Briefschluß (hier in Form einer Entscheidungsalternative) mit folgen­dem yaQ wie z. B. T28/L59,12-19; T101/L69,23f.; T59/L93,100-102; T 0134/L101,25 f. usw.

45 - AN ASTRAS

L: 47; OKyd: Konstantinopel; E: Georgios Synadenos Astras; OE: Lemnos; D: 1358/59, ei­

nige Zeit nach T44; wI: Antwort auf einen Brief des Astras mit dem Versuch, einige für Astras mißverständliche Äußerungen im letzten eigenen Brief zurechtzurücken und seine Vorwürfe zu­rückzuweisen; Äußerung von Plänen, nach Lemnos überzusiedeln; Empfehlung des Mönches Akakios.

Was du zur vielgepriesenen Glückseligkeit! allein brauchtest, das hast du; 5 anscheinend soll es dir in allem wohl ergehen. Zwar leistest du nichts Großes,

aber du erlaubst es ande~en, über deine Taten zu reden, und so wirst du wohl einen Herold brauchen wie Achilleus Homer2

• Jetzt hast du freilich wie in ei­nem Bühnenstück Themistokles aus- und Demosthenes angezogen und ver­faßt Reden in schönem Stil wie jener. Ja noch mehr: du bedienst dich seiner Technik mit noch größerer Gewal~. Denn was jener zu verteidigen gezögert

10 hätte, das möchtest du in deinem Ehrgeiz glaubhaft machen, weil du meinst, mit rhetorischer Technik lasse sich alles erreichen. Aber, du Wunderbarer, du bist zwar geschickt im Überreden; noch ist aber gegen die Wahrheit keine Technik erfunden, sondern sie steht allein seit ewigen Zeiten unbezwungen da und spottet jedem Kunstgriff und jeder Technik4

• Hoffe deshalb nieman­den zu überreden, deine gefährliche Seefahrt sei eine zufällige Angelegenheit gewesen (wir, die wir dir ständiges Wohlergehen wünschen, schauderten, als

15 wir davon hörten), sondern was dich bewegte, war das Verlangen nach einer keuschen Gattin, nach guten Kindern und einem eigenen Heim. So sei der lei­denschaftlichen Sehnsucht verziehen, die alle Widerstände mit Freude über..; windet. Denn magst du auch in anderen Dingen energisch sein, so wagst du es doch nicht, deiner Natur zu gebieten, sondern nimmst wie alle anderen das Joch auf dich und glaubst, ihr zu dienen sei angenehmer als jede Art von Herrschaft.

Daß es dir aber um Milch, Lammfleisch und dummes Gerede zu tun sei, 20 habe ich nicht gesagt, auch nicht, daß dein Bauch ein Stapelraum für solche

Dinge ist, wie bei den Sklavens. Denn wer sich ständig um die Vernunft be­müht, den Körper aber nur einsetzt, die Beschlüsse des Geistes in mühevoller

274

BRIEFE T44-T45

Arbeit zu erfüllen, für den sind Speisen etwas Lächerliches und der Koch so nutzlos wie Schauspieler für Soldaten im Kriege6

• Ich meinte vielmehr, weil du so viel davon hast, könntest du mit deinem Q~erfluß den Freunden aushel­fen. Du aber glaubtest, wir hätten dir Schwelgerei und Faulheit vorgeworfen, als hätten wir nicht oft mit dir zusammen an einem Tisch gesessen. Dort gab 25

es für die anderen Wein, soviel sie zu trinken Lust hatten, du aber stilltest dei­nen Durst wie die Armen aus Wasserquellen, standest dann sofort auf und gingst wieder an deine Arbeit, mich aber ließest du am Tisch verweilen, und ich konnte mich dem Essen widmen, solange ich wollte.

Doch weil du dich von uns verspottet wähntest, standest du auch nicht mit Entsprechendem hintan, sondern hieltest uns unser hohes Einkommen und die Ehren beim Kaiser entgegen und die jämmerlichen zwei drei Leutchen, 30

deren Vorgesetzter wir sind. Gut, ich möchte nicht abstreiten, daß man mich ehrt. Dennoch könnte ich dir viel zu diesem Thema sagen, wenn du hier bei mir wärese. Jedenfalls bist gewiß nicht du «allein von den Argeiern ohne Eh­rengeschenk»8, sondern wir wissen, wen der Kaiser den anderen vorzieht! Und hinzu kommt doch deine Würde9 und die Tatsache, daß er, wenn eine Notlage es erfordert, sofort nach deiner Meinung Ausschau hält. Wenn du aber meine Einkünfte ins Gespräch bringst, warum zählst du nicht gleich al- 35

les andere Unmögliche mit auPo? Denn was du dazu sagst, klingt etwa so, als wolltest du behaupten, der IsterIl oder irgendein anderer großer Strom fließe vom Ätna herunter, von dem normalerweise die schrecklichen Feuerströme kommen12 ! So wenig kennt man bei uns die klingende Münze13

• Wenn sie aber einmal irgendwo auftaucht, dann sind auch schon aller Hände zur Stel-le, und sie wird nur dem zuteil, der alle tötet14

• Wenn du aber auf meine Stel­lung als leitender Finanzbeamter15

, auf die öffentlichen Einkünfte und die Zollaufsicht anspielst, kann ich nur sagen: «Der Lohn ist schlecht und 40

schlecht drum auch die Kunst16.» Zudem geben uns alle für ihre Armut die Schuld und machen uns Vorwürfe, daß sie nicht alles erhalten, so wie sie sich selbst einschätzen. Höre also auf damit, uns auf die Staatskasse und die Schatten dort17 hinzuweisen und frage dich lieber, wie du deinem Freund aus eigenen Mitteln hilfreich sein kannst. Denn bald werden wir, wenn man uns vom Festland verdrängt, nach den Inseln Ausschau halten müssen, um uns zum Schutz mit Meeresfluten statt mit Mauern zu umgeben. Dann sollten 45

uns bei dir Haus und Brot, Wein und Fleisch und alles andere, was den Men­schen im Winter ernähren kann, zur Verfügung stehen. Denn ich glaube, vie­len Freunden wird auf der Flucht vor den Barbaren die Insel zur zweiten

275

üBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Heimat werden. So halte uns das alles bereit und überrede den prächtigen Akakios, uns unser schweres Schicksal mit Gebeten zu erleichtern. Denn ich

50 glaube, daß er, mein Wohltäter, sich auch dir nützlich erwiesen hat. Ich kenne doch dein ernsthaftes Verlangen nach einem ernsthaften Mann 18, weil deine philosophische Seele19 Entsprechendes begehrt. Suche also das Ge­spräch mit ihm, und wenn er dir etwas über die Seele sagt, folge ihm; erweise denen, die dir Notwendiges über dies Thema sagen, Respekt, damit dich der Palaiologe nicht wieder lachend «das Vieh» nennt20 !

K I. OKyd: Konstantinopel wegen der Anspielung auf den Dienst im Kaiserpalast (29ff.). E:

Zur Person s. Exkurs, S. 250 ff. OE: Eine Insel (44), Lernnos wegen T44. D: Einige Zeit nach T44 wegen der Anspielungen auf den Brief (s. u., Ep), durch den sich Astras angegriffen fühlte. Es ist auch wieder von der Türkengefahr (<<Barbaren», Z,47) die Rede) und die Gefahr scheint sich verschärft zu haben, da Kyd. nun mit einer Flucht zahlreicher Freunde auf die Inseln rechnet (46f.). Für die Datierung gelten daher dieselben überlegungen wie für T44 (s. dort, D).

II. BKyd: Kyd. hat am Kaiserhof eine ehrenvolle Stellung (30f.), sieht aber trotzdem seine Lage mit gemischten Gefühlen (31 f.). Sein Büro scheint sich verkleinert zu haben (30), und seine Einkünfte sind entsprechend der allgemeinen Notlage mehr als bescheiden (34-37). Es muß je­doch überraschen, daß ihm offenbar die Staatsfinanzen anvertraut sind (Näheres s. u., A.15) und er sogar die Zolleinnahmen beaufsichtigt (38f.; vgl. dazu LBFI459 und LOCP 37,6 mitA.3), da diese Aufgabe unter Andronikos III. von der des Mesazon getrennt wurde (s.o., S. 15, A.76). Schließlich obliegt ihm nach wie vor die Bearbeitung aller Bittgesuche, und ihm wird die Schuld für jede Ablehnung gegeben (40f.). Zu seiner negativen Äußerung über die Ehe s.o., S. 57. BE: Heirat und Begründung eines Hausstandes (?): s.o., S. 250 mit A.14. Xl: Kaiser Ioannes V. als schwieriger Vorgesetzter (28ff.; s.o., S. 199 mit A.l1). X2: Der Mönch Akakios (s.o., S. 251 mit A.28), ehemals geistlicher Berater des Kyd., der ihn seinen Wohltäter nennt. Ob er identisch ist mit dem Adressaten von T21/L88, läßt sich nicht beweisen, ist aber eher möglich als die Identität mit dem Akakios, an den L263 (J.1383) gerichtet ist, denn diesen will Kyd. erst um jene Zeit durch Manuel kennengelernt haben. Auch LNB, s. v. Acace, versieht die Identität mit Fragezei­chen; anders PLP 484. X3: Ein «Palaiologe», nach Meinung von Loenertz (zu L54,11 und LOCP 36,59) auf Lernnos, was sich aber weder aus dieser noch aus T46/L54, 11 mit Sicherhei,t entnehmen läßt. Die an beiden Stellen angedeuteten Äußerungen wären auch von einem in Kon­stantinopel denkbar, der Astras gut kannte. Wenn er Astras einmal das «Tier» nannte (hier, Z.52f.), weil er ihm offenbar nicht «geistig» oder gar «geistlich» genug war, läßt das auf ent­sprechende Ansprüche des Palaiologen an sich und andere schließen. ZG: 1. Die türkische Be­drohung (s.o., D). Darüber, daß die türkischen Angreifer dieser Jahre nicht (nur) Osmanen wa­ren, sondern auch aus anderen Gebieten Kleinasiens kamen, vgl. BeldAndr. 2. Der rücksichts­lose Karrierekampf im Kaiserpalast (37f.). Ep: In einem einige Zeit zuvor eingetroffenen Brief hat Astras seine übersiedlung nach Lemnos verteidigt und dabei seinerseits auf einen vorausge­henden Brief des Kyd. Bezug genommen (7ff., insb. 19), vermutlich aufT44: vgl. T44,12-14 mit T45,18-20; T44,15 (schlafen) mit T45,24 (Faulheit). Astras hat mit gleicher Münze zu-

276

BRIEF T45

rückgezahlt und Kyd. seine Annehmlichkeiten im Kaiserpalast vorgehalten, die dieser nun ebenso abstreitet (28 ff.).

III. Hss: B 220rv, Nr. 58; M 12r -1Y, Nr. 8.

IV. 1 Mit «vielgepriesen» nimmt Kyd. eine ähnliche Formulierung in T44 (s. dort, A.3) wieder auf, allerdings hier bezogen auf EUÖUL/.I.0v(u (ebenfalls schon T44,20). Gemeint ist die platonische Glückseligkeit; vgl. T7,A.l.

2 Kyd., von Astras freundschaftlich verspottet (Z.29), nimmt seinerseits diesen Ton wieder auf. Vielleicht hatte Astras, der sich von Kyd. der Faulheit bezichtigt glaubte (s.o., Ep), etwa ge­antwortet: das Lob seiner Taten wolle er anderen überlassen. Daran mag Kyd. anknüpfen, wenn er ihm einen Herold empfiehlt (wie Achilleus: vgl. PlutAlex 15).

3 Sinn: Astras, der Mann der Tat (Architekt, Staatsmann: s.o., Exkurs, S. 250 ff.), ist (zweifel­los in seinem letzten Brief} zum Redner geworden, und er überbietet (T3,A.5) Demosthenes. Al­lerdings ist dieses Lob, wie das Folgende zeigt, doppelbödig: er will mit Rhetorik Unglaubhaftes glaubhaft machen.

4 Vielleicht im ironischen Kontext etwas zu dramatisch formuliert. Bei dem Lob auf die Macht der Wahrheit ist etwa an Stellen bei Platon wie Grg 471e/472a und 473b zu denken.

5 Körperliche Lust «sklavisch»: PIPhdr 258e. 6 Herrschaft der Vernunft: PIPlta 441e; 444d; bei Kyd.: T47/L109,Z.6; KydMort 22,9ff.

Schauspieler für Soldaten: Belege für «Mimos» in spätbyzantinischer Zeit bei F. Tinnefeid, Zum profanen Mimos in Byzanz nach dem Verdikt des Trullanums (691), Bzna 6 (1974) 342f. An­spielung auf Komödianten auch T47/L109,17. Die Beliebtheit von Bildern aus dem Theaterle­ben bezeugt für das 14.Jh. auch BeckMet 106 f.

7 Kyd. will eine eingehendere Behandlung des Themas, wohl aus Vorsichtsgründen, ver­meiden. Die folgenden Andeutungen bringen aber, wenn auch z. T. unter Bildern verborgen, manches Konkrete.

8 So Agamemnon in HomIl 1,119 von sich selbst, als Kalchas Rückgabe seiner Sklavin Chryseis verlangt. Diese Beschwerde muß Kyd. dem Astras absprechen, denn er ist es ja gerade, den der Kaiser sogar den anderen vorzieht. Diese Behauptung ist allerdings als Hyperbel zu ver­stehen.

9 Zu seinem Titel s.o., Exkurs, S. 250 mit A.2. 10 Zurückweisung des Gedankens in Form einer aggressiven Frage. 11 Antikisierende Bezeichnung der Donau.

12 AischPr 368.

13 W.: Obolos, gemeint ist Bestechungsgeld (vgl. T42,A.ll; T44,A.8).

14 W.: 'toü 1tav'tu~ WtOX'tELVUV'tO~ &'ftÄ.ov EXELVO~, sc. ößoÄ.o~.

15 W.: 'tuIlLa<;. Wahrscheinlich verbirgt sich hinter dieser klassizistischen Umschreibung der Titel eines 1teOxuih1IlEVO~ 'toü ßECTtLUeLOU. Vgl. dazu F. Dölger, Beiträge zur byzantinischen Finanzverwaltung, besonders des 10. und 1l.Jh., Leipzig/Berlin 1927,30 und neuerdings T. Miller, The Basilika and the Demosia. The financial offices of the Later Byzantine Empire, REB 36 (1978) 171-191, insb. 174. Danach entsprach die Umschreibung 'tUIlELOV bzw. 'tUIlLELOV dem ßECTtLaeLOV, der kaiserlichen Kasse (zu unterscheiden von der öffentlichen Kasse). Ober die Aufgaben des «Vorsitzenden des Bestiarion» auch PseudoKod 186,8-12; seine Amtskleidung ebd. 165, 1-4.

16 Zu diesem Zitat s.o., T42,A.12.

277

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

17 W.: xal 'ta~ EXEi: oxLa~. Schatten: KydApolII 414, 373; PIPI ta 515a, 532b. 18 Nachahmung des griechischen Wortspiels. 19 « Philosophische Seele»: wohl absichtliches Äquivok, das auf die klassische Bildung (s. 0.,

S. 251 mit A.33) und, im Zusammenhang, auf die Neigung des A:stras zur mönchischen Frömmig­keit anspielt; gleichzeitig ein versöhnlicher Ton für den, der sich als Schwelger und Faulpelz at­tackiert glaubte.

20 Mit dieser Andeutung, wie «freundlich» ein anderer (halb ernst, halb scherzhaft?) Astras titulierte, zeigt Kyd. gleichzeitig, daß die Anspielungen auf dessen Freude am Wohlleben doch ein Körnchen Wahrheit enthielten.

46

L: 54; OKyd: Konstantinopel; E: Georgios Synadenos Astras; OE: Lemnos; D: Ca. 1359/60; wI: Mahnung des säumigen Briefschreibers; Lob seiner Amtsführung; Ratschläge.

Die anderen erhalten von dir Geschenke und Briefe 1 , und somit vermittelst

5 du ihnen das Gefühl, von ihren Freunden geehrt zu werden. Wir aber erhal­ten weder das eine noch das andere. Und doch müßten wir von dir etwas mehr als die anderen erhalten, wenn es nicht nur so dahingesagt ist, daß wir den anderen vorgezogen werden2

• Außerdem empfand ich die Vernachlässi­gung als Schande, zumal ich keinen Rechtstitel habe, mich wegen dieser Mißachtung zu verteidigen. Übrigens wolltest du anscheinend mit deinen Briefen Material liefern, damit wir nicht wieder behaupten könnten, Grund unseres brieflichen Schweigens dir gegenüber sei, wir hätten dir nichts zu sa-

10 gen3• Nun, Material hast du den Interessierten so reichlich geliefert, daß es

nicht gerade leicht ist, es auch gebührend zu verarbeiten, und niemand wird ihm mehr das Gespött des Palaiologen anhängen können4

• Wir aber ertrugen die Mißachtung schweigend, und in dem Glauben, daß für uns in unserer Amtstätigkeit Beschimpfung nichts Neues ist, waren wir der Ansicht, es sei nicht nötig, dir in gleicher Weise heimzuzahlen, sondern wir schreiben dirs

15 und preisen dich glücklich, weil du von dem Ärger hier befreit bist, aber auch die Bewohner der Insel, weil sie mit einem guten Gouverneur zu tun haben, der mit ihnen freundlich umgeht, den Schrecken aber für die Feinde auf­hebtSa

, ihnen zeigt, daß ein Ausbeuterleben nur Räubern und wilden Tieren ansteht, den Glauben aber, solche Übergriffe verdienten das Schwert, für Herrschertugend hält. Ich rate dir aber, ihnen auch viele andere Wohltaten

20 zu erweisen und nicht von anderer Seite die Durchführung deiner Absichten

278

BRIEFE T45 - T46

zu erwarten, sondern Planung und Ausführung selbständig zu leiten. Nun, so laß die Gesetze, die dank der Philosophie6 in dir ruhen, auch nach außen hin wirksam werden und überzeuge deinen Amtskollegen, es sei sehr empfeh­lenswert, den jugendlichen Sinn den Gesetzen unterzuordnen. Es ist ja eine Schande, wenn man andere für ihre übertretungen bestrafen will, selbst aber die Gesetze übertrite.

K I. OKyd: Für Konstantinopel spricht die Anspielung auf seine Tätigkeit im Kaiserpalast

(12.14). E, OE: Der ungenannte Adressat des Briefes ist zu erschließen aus der Erwähnung der Insel (15), deren Gouverneur er ist (15) (Astras als Gouverneur von Lemnos nach Exkurs, S. 250f.); wie in T45/L47,52f. (an Astras) wird ein spottender bzw. kritisierender Palaiologe (11) er­wähnt; die enge freundschaftliche Verbindung wird betont (5 f.; vgl. S. 253, A.26) und auf die phi­losophische Gesinnung (21) wie in T45 (A.19) angespielt. D: Wegen der engen Zusammengehö­rigkeit von T44 und T45 (s. T45,Ep) ist diese Briefmahnung einige Zeit nach T45 anzusetzen. Mindestens einmal hatte Astras ja (nach T45,Ep) aus Lemnos geschrieben. Doch muß inzwi­schen wieder eine längere Briefpause verstrichen sein, in der Astras andere mit Post und Ge­schenken bedacht hat (4). Auch scheint sich Astras nun bereits einige Zeit als Gouverneur der In­sel bewährt zu haben (15 ff.). Terminus ante quem ist jedenfalls der nächste Brief an Astras (T55/L108, vermutlich Herbst 1363 nach meiner Datierung), doch ist eine Datierung auf 1359/60 wegen der Anspielung auf den Palaiologen wahrscheinlicher (Anspielung Z.ll scheint an T45,52f. anzuknüpfen).

11. BKyd: Anspielungen auf seinen ärgerlichen Dienst und Anfeindungen im Kaiserpalast (12.14; vgl. S. 15 mit A.76). BE: S. Exkurs,S. 250mitA.16.Xl: EinPalaiologe, wohl derselbe wie T 45 ,X3, bekannt durch seine scharfe Zunge (11). X2: Ein jüngerer Amtskollege (OUV<lQXwv) des Astras, der es in jugendlichem Überschwang an Besonnenheit und Gesetzestreue fehlen läßt (22-24). Ep: Astras hat an andere in Konstantinopel geschrieben (4.8) und ihnen über seinen gewissenhaften Einsatz für die 'Belange der Untertanen berichtet (9-11.14 ff.).

111. Hs: B 223v-224r, Nr. 65.

IV. 1 Topos Briefe an andere: T20,A.3. Brief und Geschenk: Hunger I 231f. 2 W.: Et1tEQ ou A6yo~ llAA~ t'O t'oov llAAWV 1)JA.ü~ 1tQot'LJA.ü<J'l}m. Eine entsprechende frühere

Beteuerung des Astras ist vorauszusetzen. 3 Schweigen: T22,A.2. Sinn der Stelle: Die Nachrichten aus Lemnos liefern den Korrespon­

denten des Astras reichliches Material für eine ausführliche Antwort. Vgl. auch den folgenden Satz.

4 Dazu oben, E, OE und Xl. 5 Herausstellung des eigenen (christlichen) Ethos, das Böses mit Gutem vergilt, in epistolo-

graphischem Bezug. 5a Dieser Gedanke ist auch sprichwörtlich bezeugt, vgl. NikChonOr 26,13 f. 6 W.: U1tO CPLAooQ(p(a~. 'Y1t6 c. gen. «aufgrund, infolge», s. KG I 523. 7 Der jugendliche Amtskollege des Astras (s.o., X2) war offenbar anfällig für eigennützige

Praktiken im zuvor (Z.16-18) geschilderten Sinne.

279

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

47 - AN ASANES KONSTANTINOS

L: 109; OKyd: Konstantinopel; E: Konstantinos Asanes; OE: Eine Insel, "fern» von Kon­stantinopel; D: Ca. 1361/62; wI: Tadel für einen zu kurzen Brief ohne ausführlichen Reisebe­richt; Ausmalung der üblichen Erlebnisse auf einer Seereise; Beschreibung der Pestepidemie in der Hauptstadt.

Was soll man von dem allzu lakonischen Stil deiner Briefe halten? Hat dich 5 selbst das ständige alberne Geschwätzl der Seeleute nicht dazu gebracht,

deine gewohnte knappe Redeweise aufzugeben, sondern hältst du dich noch an die alten Gesetze und willst die Vernunft nicht von der Zunge beherrschen lassen2

, sondern bist wie Phokion3 immer darauf bedacht, was du bei öffent­lichen Reden4 oder beim Briefeschreiben noch an Worten kürzen kannst5? Dennoch, hättest du auch über nichts anderes reden wollen als nur über das tägliche Miteinander mit solchen Menschen (wenn man so überhaupt die

10 nennen darf, die so viel schwätzen, so viel trinken, so zügellos leben6) dar­

über, wie du von ihnen ständig im Laufe des Tages mit Füßen getreten, wie du zur Nacht, wie Verurteilte in den Kerker, in den Bauch des Schiffes 7 geworfen wirst, über die Enge wieder und das Gefluche dort, das Wehklagen wie von Verdammten im Hades8

, die drohenden Kommandorufe vom Achterdeck, 15 die Ängste im Vorderschiff9, die Rudermeister, die einem nicht einmal erlau­

ben, auf der MastgabePO zu sitzen, und die alle darin wetteifern, Ungewöhn­liches, Schreckliches und einander Widersprechendes anzuordnen: all dies hätte dir doch gewiß Anlaß gegeben, geschwätziger als alle nur erdenklichen Komödienspieler zu werdenll ! Aber anscheinend wolltest du schreiben; da du dich aber der Sprache Platons und des Demosthenesl2 nicht bedienen

20 kannst, und in der Furcht, die ungeheuren Strapazen der Reise durch Worte abzuschwächen, gabst du auf und zeigtest durch dein Schweigen darüber nur das eine: das Ausmaß der Strapazen hat dich eingeschüchtert. So sitzt du jetzt verzagt da, starrst auf das weinfarbene Meerl3 und hältst die Armut auf dein Festland doch für herrlicher als das Reich Poseidonsl4

Nun, mein Bester! Auch ich möchte wünschen, du wärest bei uns, fern von 25 den Plagen der Seefahrt, wenn du nicht hier mit noch schlimmeren Nöten zu

kämpfen hättest! Bei uns ist nämlich jetzt alles noch weniger zuverlässig als die Skyllal5. Nicht Euros, Notos und widriger Zephyrosl6 bringen ja der Großen STADT die Überschwemmung, sondern eine andere Woge bedeckt siel7, stärker als jede menschliche Kunst und Erfindungsgabe. Denn wer wird den gerecht Zürnendenl8 versöhnen? Wer von den Erdenbewohnern ist ein

280

BRIEF T47

würdiger Gesandter zum Herrn des Himmels? Wer wird prophezeien kön­nen, wann die Plagen ein Ende finden 19 ? Das Volk ist dahingerafft; die für 30

den Staat Verantwortlichen aber wandern, so scheint es, anderswohin aus. Die Soldaten aber haben Schlimmeres durchgemacht als die Eingeschlosse­nen aufSphakteria20

• Der Priester verzweifelt an seinem Gebet, und die Über­lebenden scheinen für die Beerdigungen nicht auszureichen21

• Jeden Tag aber wird das Üb~l noch schlimmer, es besteht keine Hoffnung auf Einhale2

, und es droht die Gefahr, daß die Stadt, die alle hervorgebracht hat23

, auch alle 35

wieder aufnimmt und zum gemeinsamen Grab für alle wird. Da es also bei uns so steht, haben wir Angst um uns selbst, wenn wir auf die Gräber schauen und die, die täglich dorthineilen. Es erleichtert uns aber die Trauer, daß wir euch nicht zu Gefährten der schweren Schicksale haben, daß also zu unserem Elend nicht noch das der Freunde hinzukommt. So trauerst du denn wohl zu 40

Unrecht, fern der Großen STADT zu sein; denn wer nach ihr verlangt, sehnt sich zur Zeit nach nichts anderem als geradezu nach einem Abgrund24 ! So

. reise denn von Insel zu Insel, schaue dir Häfen an, singe mit den Ruderern und sättige dich mit Gerstenbrot und Knoblauch 25. Wenn aber Gott versöhnt ist, mag dich ein gütiges Geschick auch einmal selbst hierherführen26 !

K I. OKyd: Die Große STADT (27). E: Die überschrift (mit nachgestelltem Vornamen) findet

sich nur in der Hs Vat.gr. 1892 (f)j ohne Vornamen in Pj, die übrigen Hss (s. u., Hss) enthalten keine Anschrift. OE: Eine Insel (21-23), fern der Hauptstadt (40), aber nicht als ständiger Auf­enthalt (41-43). D: Wegen der Schilderung (25 ff.) der großen Pestepidemie in der Hauptstadt 1361/2 (vgl. SchreinChron 11290) in diese Zeit zu datieren. Doch kommt auch noch das fol­gende Welt jahr 1362/3 in Frage, da nach SchreinChron 11291 die Pest damals noch andauerte. KalekEpLoen 75 datiert auf 1361/2 oder 1364/5.

11. BKyd: Angst, an der Pest zu erkranken (36f.j vgl. S. 17 mitA.89).BE: S. OE. Der Grund der Reise ist nicht b~kannt. Doch nimmt KalekEpLoen 75 an, Asanes habe durch seine Reise der Pest ausweichen wollen. Der letzte Satz des Briefes, es bestehe Hoffnung auf Rückkehr des Asa­nes, «wenn Gott versöhnt ist», legt diese Deutung nahe. Zur Person s. T43,BE. ZG: Die große Pest (25 ff.), die offenbar Pläne zur Verlegung des Kaiserhofes aus der Hauptstadt geweckt hat (30 f.). Anspielung auf das Schicksal eines eingeschlossenen Heeres (s. dazu unten, A.20): die Er­oberung von Didymoteichon durch die Türken (SchreinChron 11 289f.)? Beachte jedoch die Vorbehalte Schreiners gegenüber dem Bericht des Matteo Villani, auch unter Bezugnahme auf BeldAndr. Quelle: Rer. it. scr., ed. L. A. Muratori, Mediolani 1729, Bd. XIV, 672f.: November 1361 Eroberung durch Orchan, was möglich wäre, wenn der spätere Ansatz, begründet von P. Charanis, Byz 13 (1938) 350, für seinen Tod (1362) zutrifft (dazu Alderson 165, T. XXII, A.3, der aber der Datierung seines Todes auf 1359 zuneigt). Ep: Ein allzu kurzer Brief des Asanes an Kyd. (4.7 f.). Der Plural ZA ist verallgemeinernd zu verstehen.

281

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

111. Hss: B 280r-281', Nr. 149; M 18r _19r, Nr. 14; P 411 rv, Nr. 30; c 416v -417r

; d 26rv; f

200r; n 1 r (Fragm.). Ed: BoissAnNov 292-294 (Nr. 19). NE 1 (1904) 205 (Teiledition nach I.

Sakkelion, IIm;f.uuxTJ BLßALO'ÖiJXT], Athen 1890). IV. 1 W.: ßrof.LOAOXLU, eig. Possenreißerei; vgl. T43,A.9. 2 Herrschaft der Vernunft über den Körper: KydMort 22,9ff.; PIPlta 441e; 444d (daher

«alte Gesetze» ). Ähnlich T45,A.6. 3 PlutPhok 5 (Phokion, bei Gelegenheit von Volksversammlungen wegen seines nachdenk­

lichen Gesichtsausdrucks befragt, antwortet, er denke nach, was er an seiner Rede an die Athe­ner noch kürzen könne).

4 W.: ÖTJIlT]YOQwv. Zu denken ist wohl an epideiktische, aber auch an die beratende Rede, für die ja Kyd. selbst zwei Beispiele geliefert hat (s.o., Werke, S. 65, 1.3.4 und 1.3.5).

5 Zum lakonischen Briefstil: Hunger I 220 (Tadel des zu kurzen Briefes; dort A.43 auch die vorliegende Stelle zitiert); J. Verpeaux, Nicephore Choumnos, homme d'etat et humaniste by­zantin (ca. 1250/5-1327), Paris 1959, 79f. (über den lakonischen Modestil). Stellungnahme des Kyd. zur Kritik an der eigenen Briefkürze: T53/L78,6. Vgl. auch T23,A.3.

6 Dahinter steht die Vorstellung der uneingeschränkten Abhängigkeit der Tiere von ihrem Trieb wie KydMort 21. Vgl. T15,A.15. Das Bild von den Seeleuten entspricht PIPhdr 243c; EurHek 607f.; vgl. NikChon 167,54f.; Kant I 24,23.

7 Vgl. T43,A.6 (Schiffsbauch). Vergleich mit dem Kerker wie T44,A.1. 8 Zum Hadesvergleich: T7,A.5. Hier ist das Wehklagen das tertium comparationis. 9 Hier war also der Platz der Ruderer. Vgl. Dain 1,8. 10 Rudermeister (w.: xEAEuaTf)~), der den Ruderern den Takt angibt (Belege bei LSc, s. v.;

vgl. L. Casson, Ships and Seamanship in the Ancient World, Princeton 1971, 279,A.33; ferner für byzantinische Kriegsschiffe: Dain 5,4,3). Mastgabel, gr. l.<Ttoö6xT], in einer Marginalie der Hs d erläutert (s. Apparat der Ausgabe), nach LSc ein am Heck angebrachtes Stück Holz, auf dem der niedergelegte Mast ruhte.

11 Die hier belegten xrollLxa IlELQaxLu sind klassische Reminiszenz. Weitere Belege für Schausteller: T32,A.l1. Vgl. auch T45,A.6; T48,A.9.

12 Hier nennt Kyd. seine eigenen attischen Stilvorbilder ausdrücklich. 13 Anspielung auf HomIll,350 in der Fassung der Vulgata: Achilleus, der Briseis beraubt,

begibt sich zum Gestade und schaut weinend auf das Meer hinaus. Die Situation entspricht aber eher HomOd 5,158 (mit etwas anderem Wortlaut).

14 Der Topos von den Schrecken des Meeres (s. T 43 ,A.l) wird in diesem Abschnitt verwen­det, um das literarische Versagen des Freundes plausibel zu machen, dies aber nicht ohne Iro­nie. Hinzu kommt hier die Einsamkeit des Inselaufenthaltes. Der hier vertretene Gedanke, daß man etwas Negatives (Armut) um eines anderen Guten willen (Festland bzw. Heimat) in Kauf nimmt bzw. sogar sehr schätzt, wird in T43/L3,12ff. in anderem Bezug ausgebaut. Vgl. dort, A.9.

15 Belege bei Kyd. für das Bild von der Skylla: LC 11 476, Index, s. v. Scylla. Ferner KydThess 652A.

16 HomOd 5,296: Odysseus auf dem Floß, von Stürmen bedroht.

17 Das Bild von der Woge (T41,A.3) hier mit Bezug auf die Pest. Zum Wortlaut vgl. Hom­Od 5,353.435.

18 Zum Gedanken vorn Strafgericht Gottes in der Geschichte vgl. für die spätbyzantinische

282

BRIEFE T47-T48

Geschichtsschreibung C. J. G. Turner, Pages from late Byzantine philosophy of history, BZ 57 (1964) 346-373. Vgl. auch DietIdeol 26,A.91.

19 Affektbetonte Verwendung der btEQOrtT]aL~ wie T43,A.10. 20 Anspielung auf ein Ereignis des peloponnesischen Krieges: Auf der vor Pylos liegenden

Insel Sphakteria wurden nach Thuk 4,8-23; 26-41 spartanische Truppen von den Athenern eingeschlossen und schließlich zur Kapitulation gezwungen. Auf das Ereignis spielt auch PIMx 242c an (dort der Name der Insel in der Form Sphagia). Wenn es den Truppen der Gegenwart schlimmer erging als denen auf Sphakteria, läßt das auf die Tötung einer eingeschlossenen Mannschaft (in einer Stadt?) schließen (s.o., ZG).

21 Überbietungstopos in Form des Oxymoron: es scheint mehr Tote als vorher Lebende zu geben.

22 «XwQEL'to xax6v»: AristophV 1483, Nu 907; vgl. dieselbe Wendung mit der folgenden Ergänzung T57/L32,7.

23 W.: ÖEL~aaav, steht hier zweifellos wegen der Paronomasie mit öE~aa{}m, etwa im Sinne von «ans Licht bringen», doch klingt die Wendung hart, da eine solche Bedeutung lexikalisch nicht belegbar ist. LSc, s. v.,1 versteht «bring to light» in einem anderen Sinne. BoissAnNov nahm Anstoß an der Stelle, aber seine Konjektur «ÖE~aILEVT]v» verkennt den Sinn der Stelle.

24 Abgrund: T12,A.11. 25 Dazu T43,A.7. IIEQLEQya~EO{}m auch T18/L87,16; T49/L31,32; T57/L32,28. 26 Interessante Verknüpfung von Gott und Schicksal (allerdings in einer abgeblaßten For­

mel), an der ein Byzantiner keinen Anstoß nahm. Schicksalsdenken im Brief: T18,A.1. Mit dem Gedanken an Gottes Versöhnung wird der Faden von A.18 wieder aufgenommen.

48

L: 275; 0 K yd: Konstantinopel; E: Demetrios Kassandrenos (?); OE: Mistra, Peloponnes; D: Herbst 13611Winter 136112; wI: Stellungnahme zur schwierigen Situation des Freundes, verur­sacht durch kriegerische Auseinandersetzungen der Kantakuzenen auf der Peloponnes.

Weder Dreifuß noch Lorbeer brauchten die, die über eure unglückliche 5

Lage Voraussagen machen wollten; ja, es wäre sogar reiner Wahnsinn gewe­sen, das Gegenteil von dem zu erhoffen, was ihr jetzt erlebt! Denn wie sollte man es zuwege bringen, daß ein Land, das nicht einmal wenigen genügt, so vielen Neuankömmlingen zum Lebensunterhalt reicht? Den Eingesessenen aber schien es untragbar, den Fremden etwas von ihrem Eigenen abzutreten und selbst zu hungern. Daher konnte man mit Zwangsläufigkeit die gegen­wärtige Lage voraussehen: die vorher dort bereits Ansässigen wollen ihren Besitz nicht aufgeben, die Ankömmlinge aber haben es auf ihn abgesehen und sind darauf bedacht, wie sie ihnen das Ihrige abnehmen und so ihr Leben 10

einrichten können. Einige von euch hatten ja sogar schon vor der Abfahrt

283

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

lauthals erklärt, sie wollten sich mit denen, die sich die Erträge der Pelopon­nes aneigneten, auf eine bewaffnete Auseinandersetzung einlassen, und es sei nicht zu ertragen, daß der Soundso im Reichtum lebe, während siel, die An­kömmlinge, denen dienen müßten, denen sie zuvor Befehle erteilt hätten. Daraus ergab sich denn auch das gegenseitige Mißtrauen in Fragen der Herr­schaft, an der allen Anteil zu geben schwieriger ist als allen Liebenden Ge-

lS liebte zuzuteilen2• Sprich mir da nicht von den gemeinsamen Wehen und

nicht von dem Bruder und der natürlichen Ordnung3 ! Denn diese Dinge sind wirksam, wo um anderes gespielt wird4

, der Ehrgeiz der Seele aber hat schon Väter gegen Söhne aufgebracht, die Hände von Kindern mit dem Blut der EI­tern befleckt, und es besteht geradezu ein Gesetz, daß denen, die nach der Herrschaft begehren, das Schwert zu allem gut ists. Es gehört also nicht ge­rade besondere Phantasie und Weisheit dazu, dies zu erkennen und voraus­zusagen. Ich bin vielmehr verwundert zu hören, daß die Schrecken noch hin-

20 ter dem Erwarteten zurückbleiben. Möchten denn, ERLÖSER 6, die trauri­gen Ereignisse mit dem bisher Geschehenen ihr Ende finden, die Brüder sich miteinander verstehen und in ihrer Eintracht auch die Wohlfahrt der Unter­tanen erhalten! Dich aber soll der Gedanke, daß du von allen7 bewundert wirst, von der Trauer ablenken: du bist ja bereit, das Schicksal der Freunde zu teilen, obwohl es ihnen schlecht geht! Denn wenn du aus Gewinnsucht oder in Unkenntnis der gegenwärtigen Schwierigkeiten in diese Lage geraten

25 wärest, müßtest du dich mit Recht ärgern, da die tatsächlich eingetretenen Ereignisse dann im Widerspruch zu deinen Hoffnungen stehen würden. Wenn du aber in klarem Bewußtsein und um der Freunde willen die gegen­wärtige Lage vorgezogen hast und sie dir für deine Gesinnung Anerkennung aussprechen, ist deine Trauer ohne Grund, da der Ausgang deinen Wünschen entsprach. Diese Ansicht vertritt auch der ausgezeichneteS Sguropulos, und sie muß zutreffen; denn sie stammt von einem Weisen und einem Richter, der

30 um dein Wohl nicht weniger als um sein eigenes besorgt ist. Er ist so weit da-, von entfernt, deine Trauer zu teilen und deswegen zu weinen, wie du es ver­langst, daß er sogar ganz vergnügt ist und tanzen möchte wie ein Komö­diant9

, weil ihr alle so eifrig bekundet, ihr hieltet jede den Freunden zuliebe aufgewandte Mühe für leicht lO

K 1. OKyd: Die Reise des Ioannes Kantakuzenos und seines Sohnes Matthaios zur Peloponnes,

von der in diesem Brief die Rede ist, erfolgte nach NicKant 87,A.129 von Konstantinopel aus.

284

BRIEF T48

Kyd. war Zeuge ihrer Abreise (10ff.), und es spricht nichts dafür, daß er inzwischen die Haupt­stadt verlassen hat. E, OE, D: Der ungenannte Empfänger ist zusammen mit Leuten, die An­spruch auf Herrschaftsrechte dort gegenüber Verwandten erheben (Abtretung 7f.; Besitzan­spruch 8-10; Herrschaft 13; Brüder 15.21), zur Peloponnes (11) gereist (Neuankömmlinge 9; gemeinsame Reise: geteiltes Schicksal 23, Reise um der Freunde willen 25 f.); dort ist es zu krie­gerischen (?) Auseinandersetzungen gekommen (vorher angekündigt 11, Schwert 18, Schrecken 19, traurige Ereignisse 20f.). Diese Andeutungen genügen, um den Brief auf die Ankunft der Kantakuzenen Ioannes und Matthaios im Herbst 1361 auf der Peloponnes zu beziehen (Datie­rung nach NicKant 87,A.129). Kantakuzenos selbst berichtet, daß es wegen des «Gerüchtes», er wolle Matthaios statt des dort anwesenden Sohnes Manuel zum Herrscher über die Peloponnes einsetzen, zu einer Auseinandersetzung kam, die aber beigelegt werden konnte (Kant 111 358-360; dazu NicKant 118 und 125, der aber an beiden Stellen die Nachrichten des vorlie­genden Briefes nicht erwähnt). Die Andeutungen des Kyd. lassen sich mit dem Bericht des Kan­takuzenos in Einklang bringen: Kantakuzenos berichtet nichts über kriegerische Vorgänge, und die Angaben des Kyd. müssen nicht so verstanden werden, zumal er Z.19f. meint, es sei bisher besser ausgegangen als erwartet (offenbar im Vergleich zu den vorherigen Ankündigungen Z.ll). Zur richtigen Datierung des Briefes vgl. auch BarkMan 58,A.159 unter Bezugnahme auf Ausführungen von Loenertz in EO 36 (1937) 272f. Nach der Angabe vortLoenertz im Titel des Briefes und LOCP 36,59 ist vermutlich Demetrios Kassandrenos der Adressat. Dieser, der Her­kunft nach aus Thessalonike, wo er zur Aristokratie der Stadt gehörte, ist 1341 im Dienst des Kantakuzenos bezeugt (Kant 11 103; 192). Weitere Quellen für seine Biographie sind im übrigen ein von Konstantinos Amantianos verfaßtes Grabepigramm und ein Epikedeion des Georgios Kydones auf ihn, beide in einer von Tzikandeles (s.o., T29,X1, S. 211) am 9. 4.1362 in Mistra fer­tiggestellten, in seinem Auftrag geschriebenen Handschrift. Demgemäß muß er kurz vor diesem Termin gestorben sein. Vgl. dazu LBF 11 27f.; TinnGeorg 145,A.2; TurIt 229. Wegen seiner Herkunft aus Thessalonike und seiner Beziehung zu Georgios Kydones (vermutlich identisch mit dem Korrespondenten Georgios Philosophos des Demetrios Kyd.; dazu TinnGeorg ebd.) ist es recht wahrscheinlich, daß Kyd. gerade diesen Begleiter der Kantakuzenen auf ihrer Reise gut kannte und deshalb an ihn den vorliegenden Brief schrieb. Kyd. spielt hier auf die Enttäuschung des Adressaten über die Streitigkeiten der Kantakuzenen an, die er aber nach seiner Ansicht hätte voraussehen können (4ff. 18ff.).

11. Xl: Anspielung auf Ioannes und Matthaios Kantakuzenos (s.o., 1.). X2: Anspielung auf Manuel Kantakuzenos, den damals bereits langjährigen Despoten der Peloponnes (<<Eingeses­sene», 7f.) und Bruder des Matthaios (15.21), s.o., Exkurs, S. 115ff.X3: Sguropulos, mit dem Titd «Richter» und von Kyd. (ironisch? wegen Z.29f .... um sein eigenes besorgt) mit den Epitheta aO(p6~ undmlvta äeLm;o~ geehrt (27ff.), wohl identisch mit dem in T52/L124,10f. erwähnten Richter gleichen Namens; eine Identität mit den Adressaten von T110/L118 und T 0118/L44 ist jedoch ebensowenig wie eine andere nachzuweisen. ZC: S.1. Ep: Zweifellos antwortet Kyd. auf einen Brief des Adressaten, in dem dieser sich beklagt hat; s. besonders Z.15 (sprich mir nicht ... ), Z.22 (Trauer), Z.30f. (Trauer; weinen, wie du es verlangst).

111. Hss: A 8r-88r, Nr. 12; B 183v -184r, Nr. 11; U 146r-147r, Nr. 153. Eine Reihe von

unerheblichen Varianten der Hs B gegenüber A(U). Ed: KydEpCam Nr. 34, mit überholter Da­tierung. Vb: Ebd. (frz.).

IV. 1 Sinngemäße Wiedergabe von «"Ilä~», mit dem Kyd. allmählich von der indirekten

285

ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

zur direkten Rede übergeht, die aber erst mit dem Relativsatz «ole; 3tQI.V btE1:<lUOI.I.EV» gramma­tisch exakt erreicht ist. über solche für das Griechische typischen übergänge s. KG 11 556f. Im Deutschen muß die ganze Aussage konsequent in der indirekten Rede stehen.

2 Dieser treffende überbietende Vergleich, dessen Sprache aus PIPhdr entnommen ist, drückt die Einsicht aus, daß Herrschaft nur wenigen vorbehalten ist.

3 Wehen: Synekdoche für «Geburt»: Anspielung auf die Tatsache, daß Matthaios und Ma­nuel Brüder sind, zwischen denen es nach Meinung des Kassandrenos keinen Streit geben durfte.

4 W.: Dies ist denen, die zu anderen Bedingungen (bt' ä"lwv: s. LSc, s. v. E3tC c. gen. III,3, on conditions) spielen, stark. Ungenau KydEpCam: « ... sont d'un grand poids aupres d'autres».

5 W.: 1:0 ;C<poe; ÖLel 3t<lV1:WV XWQELV; vgl. LSc, s. v. XWQEW, 11,4. 6 W.: l:W1:EQ. Vgl. T26/L64,69. 7 Hyperbel: Berufung auf den Konsens aller wie T8,A.9. 8 W.: Ö 3t<lV1:U äQLO"tOe;, sonst meist von Kaisern gesagt: T5,A.l1. Ironie? S.o., X3. 9 Zu diesem Vergleich s. T47,A.l1. 10 Der ganze Brief ist nicht ohne Aggressionen gegenüber einer nach Ansicht des Kyd. unbe­

rechtigten Larmoyanz im anzunehmenden Brief des Kassandrenos geschrieben; am Schluß ist auch ein spöttischer Ton zu erkennen. Offenbar war K yd. mit dessen Anhänglichkeit für Ioannes Kantakuzenos nicht ganz einverstanden. Zu seiner damaligen Beziehung zu Kantakuzenos s.o., Exkurs, S. 97.

286

VERZEICHNIS DER ABGEKÜRZT ZITIERTEN QUELLEN UND SEKUNDÄRLITERATUR

Abgesehen von den im folgenden angeführten Abkürzungen für Quellen und Sekundärliteratur und gängigen Abkürzungen wie s. o. und vgl. werden noch folgende Abkürzungen verwendet: Kyd. bedeutet in allen Fußnoten und im Kommentar «Demetrios Kydones»; sonst wird der Name ausge­schrieben. Ferner: E = Empfänger des betr. Briefes. Hs, Hss = Handschrift, Handschriften. Im Kommentarteil wird zur Unterscheidung von den meist ohne Zusatz verwendeten Zeilenzahlen die Seitenzahl bei Verweisen inner­halb des Werkes grundsätzlich durch vorgesetztes S. gekennzeichnet (nicht zu verwechseln mit S. am Satzanfang in der Bedeutung «siehe»). Zitate aus dem griechischen Text werden durch W.: (= wörtlich) eingeleitet. Zur Zei­chensetzung: Seitenangaben werden durch Strichpunkt, Zeile~zahlen unter-

. einander durch Punkt, Seite von Zeile durch Komma abgetrennt. Das folgende Abkürzungsverzeichnis verwendet Siglen nach dem Muster

des PLP (= Prosopographisches Lexikon der Palaiologenzeit). Mit dieser Praxis hat sich der Herausgeber, Herr Prof. Dr. E. Trapp, freundlicherweise einverstanden erklärt. Auf diese Weise soll dem Benutzer des PLP die Lektüre dieses Kommentars erleichtert werden. Literatur, die im neuesten Abkür­zungsverzeichnis des PLP (zu Fasz. 1-4, Wien 1980) nicht in Abkürzung er­scheint, wird mit einem neu geprägten Kürzel zitiert (Kennzeichnung jeweils durch + im Verzeichnis; wegen der verschiedenen Zielsetzung des PLP und des Kommentars mußten naturgemäß viele Kürzel neu geprägt werden, ins­besondere für die zitierten klassischen und früheren byzantinischen Quel­len).

Zur schnelleren Orientierung werden Quell~n und Sekundärliteratur in einem einzigen Verzeichnis aufgeführt, aber das jeweilige Kürzel wird durch folgende Zusätze näher charakterisiert: Lit = Sekundärliteratur; AQ = an­tike Quelle; BQ = frühere byzantinische Quelle; ZQ: zeitgenössische Quel­le; QS: Quellensammlung; N: Nachschlagewerk; Z: Zeitschrift. Wenn nichts anderes angegeben ist, wird nach Seite zitiert, aber antike Quellen in der üblichen Weise nach Kap., § oder Vers usw.

Ein in diesem Halbband nur einmal zitiertes Werk erscheint normaler­weise nicht in der folgenden Liste, gelegentlich aber doch, wenn es von Be­deutung für den Gesamtkommentar ist.

287

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

ABat II (QS)

ADion (QS) AGreg XI (QS,+) AHC (Z,+) Aisch (AQ,+) AkindEp I (ZQ)

AKut (QS) ALaur I-III (QS)

Alderson (Lit, +)

Altaner8 (Lit, + )

AngKabas I (Lit,+)

ApolProch (ZQ, +) ArchFFPraed (Z) ArgentiChios (Lit)

Argyr (QS) Aristoph (AQ,+)

Aristot (AQ,+) AsdrRhod II (Lit, +)

AT (AQ)

AUrb V (QS,+) AZog (QS)

BarkKyd (ZQ)

BarkMan (Lit)

Bauer (N,+)

Beck (Lit)

BeckKampf (Lit,+)

288

M. Gudas, Butuvnuxa ~ea<pu 'tij~ EV j\:f}(p i.Eeä~ Ilovij~ 'tou BU'tOJtEÖ(OU, EEBS 3 (1926) 113-134; EEBS 4 (1927) 211-248 N. Oikonomides, Actes de Dionysiou, Paris 1968 Acta Gregorii Papae XI (13 70-13 78), ed. A. L. Täutu, Rom 1966 Annuarium historiae conciliorum Aischylos (Abk. der Einzeldramen wie bei LSc) R.-J. Loenertz, Gregorii Acindyni epistulae selectae IX, EEBS 27 (1957) 89-109 P. Lemerle, Actes de Kutlumus, Paris 1946 P. Lemerle, A. Guillou, N. Svoronos, D. Papachryssanthou, Actes de Lavra I-III, Paris1970-1979 A. D. Alderson, The Structure of the Ottoman Dynasty, Oxford 1956 B. Altanerl A. Stuiber, Patrologie, 8. durchges. und erw. Aufl., Freiburg/Basel/Wien 1978 A. A. Angelopulos, N Lx6AUO~ KußaOLAu~ XUIlUE't6~ - 'H twTi xui. 'to ~eyov mhou, Thessalonike 1970 s.o., Werke, 3.2 (S. 72) Archivum Fratrum Praedicatorum Ph. P. Argenti, The Occupation of Chios by the Genoese and their Administration of the Island 1346-1566, 1-111, Cambridge 1958 S. P. Lampros, 'AeyueOJt01JAELU, Athen 1910 Aristophanes (Abk. der Komödien wie bei LSc; gelegentlich zitiert nach der von H.-J. Newiger überarbeiteten übersetzung von L. Seeger, München 1976, Reihe dtv) Aristoteles (Abk. der Werke wie bei LSc; Rhet=Rhetorica) Catherine Asdracha, La region des Rhodopes aux XIIIe et XIVe

siecles, Athen 1976 Altes Testament, mit folgender Angabe des Buches mit den Abk. wie bei LSc, s. v. Vetus Testamentum, aber stattl-4 Ki: 1-4 Kg Acta Urbani Papae V (1362-1370), ed. A. L. Täutu, Rom 1964 W. RegellE. Kurtz/B. Korablev, Actes de Zographou, VV 13 (1907) Prilozenie 1 J. W. Barker, The monody ofDemetrios Kydones on the Zealot ri­sing of 1345 in Thessaloniki, in:MEAE'tTJIlU'tU O'tTt IlvTJIlTl BUOL­AELOU Auoueöu, Thessalonike 1975,285-290.

= J. W. Barker, Manuel II Palaeologus (1391-1425), New Bruns­wickiNew Jersey 1969 W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des NT etc., Berlin 1958

H.-G. Beck, Kirche und theologische Literatur im byzantinischen Reich, München 1959

H. Beck, Der Kampf um den thomistischen Theologiebegriff in Byzanz, Divus Thomas 13 (1935) 1-22

BeckMet (Lit, +)

BeckMin (Lit, + )

BeldAndr (Lit, +)

BeyGreg (Lit, PLP ab­weichend BeyerChron) BNJ (Z) BoissAnNov (QS) BollGrott (Z) Bosch (Lit)

BSI (Z) Byz (Z)"

BZ (Z) Bzna (Z,+)

CamCris (Lit)

CamPers (Lit)

CandCid (Lit, Q, +)

CanVat (N)

CB (QS,+) CFHB (QS)

Chalk (ZQ) 1,11

CharStrife (Lit, +)

ChristSkI (Lit,+)

ChronBrev III (ZQ,Lit)

ChrysJohn V (Lit,+)

CoxAmad (Lit,+)

CSEL (QS,+)

CurtLit (Lit,+)

QUELLEN- UND LITERATUR VERZEICHNIS

H.-G. Beck, Theodoros Metochites. Die Krise des byzantinischen Weltbildes im 14.Jh., München 1952 H.-G. Beck, Der byzantinische Ministerpräsident, BZ 48 (1955) 309-338

Irene Beldiceanou-Steinherr, La conquete d' Andrinople par les Turcs: la penetration turque en Thrace et la valeur des chroniques ottomanes, TM 1 (1965) 439-461 H.-V. Beyer, Eine Chronologie der Lebensgeschichte des Nike­phoros Gregoras, JÖB 27 (1978) 127-155 Byzantinisch-neugriechische Jahrbücher J. Boissonade, Anecdota nova, Paris 1844 Bolletino della Badia di Grottaferrata Ursula V. Bosch, Kaiser Andronikos III. Palaiologos, Amsterdam 1965

Byzantinoslavica

Byzantion

Byzantinische Zeitschrift

Byzantina (Thessalonike)

G. Cammelli, Manuele Crisolora, Florenz 1941

G. Cammelli, Personaggi bizantini dei secoli XIV -XV attraverso le epistole di Demetrio Cidonio, Bessarione 24 (1920) 77-108 (veraltet)

E. Candal, Demetrio Cidonio y el problema trinitario palamitico, OCP 28 (1962) 75-120, Text: 76-110

P. Canart, Codices Vaticani graeci 1745-1962, Vatikan 1970 Corpus Scriptorum Historiae Byzantinae (Corpus Bonnense)

Corpus Fontium Historiae Byzantinae

Laonici Chalcocondylae Historiarum demonstrationes, ed. E. Dark6, I/II, Budapest 1922/27

P. Charanis, The Strife among the Palaeologi and the Ottoman Turks, 1370-1402, Byz 16 (1942/3)286-315

Aikaterine A. Christophilopulu, 'H OUYXATJ1;O~ EL~ 'tO ßu~av'tLvov xQa'to~, Athen 1949.

R.-J. Loenertz/P. Schreiner, La chronique breve de 1352, OCP 31 (1965) 336-373 (3. Teil)

J. Chrysostomides, John V Palaeologus in Venice (1370-1371) and the Chronicle of Caroldo: are-interpretation, OCP 31 (1965) 76-84

E. L. Cox, The Gre~n Count of Savoy. Amadeus VI and Transal­pine Savoy in the XIVthct., Princeton 1967

Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum

E. R. Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter7 ,

Bern/München 1969

?89

QUELLEN- UND LITERATUR VERZEICHNIS

Dain (QS,+)

DarEp (QS,+)

DarPatr (N)

DarRech (Lit)

DemEp (AQ, +) DemOr (AQ,+)

DenReign (Lit)

DietGreg (ZQ, Lit)

Diet Ideol (Lit, +)

DL (AQ,+) DöFac (QS)

DöParasp (Lit, +)

DöReg (N)

DOP DujCon (Lit, + )

Duk (ZQ) EEBS (Z) EI (N) EO (Z)

EszKal (Lit)

Eur (AQ,+)

EustHom (BQ, +)

FailCant (Lit)

290

A. Dain, Naumachica, Paris 1943. Zitiert nach Nummer des Traktats, Kap. und § J. Darrouzes, Epistoliers byzantins du xe siede, Paris 1960. Zi­tiert nach Nr. des Briefschreibers,Briefnummer und Zeile J. Darrouzes, Les regestes des actes du patriarcat de Constanti­nople. Y (1/5: Les regestes de 1310 a 1376);VI (1/6: Les regestes de 1377 a 1410), Paris 1977/79. Zitiert nach Nummer des Regests. J. Darrouzes, Recherches sur les O«P«PIKIA de l'eglise byzantine, Paris 1970 (Ps.-) Demosthenes, Briefe Demosthenes, Orationes. Zitiert nach Nummer der Rede, § (= la­teinische Abkürzung der Überschrift, Seite der Ausgabe von J. Reiske, Lipsiae 1770ff.). G. T. Dennis, The Reign of Manuel 11 Palaeologus in Thessaloni­ca, 1382-1387, Rom 1960 Nikephoros Gregoras, Rhomäische Geschichte, übers. u. erl. von J.-L. van Dieten, I, 11/1,11/2, Stuttgart 1973 u. 1979 (Bibliothek der griechischen Literatur Bd 4, 8, 9) J.-L. van Dieten, Politische Ideologie und Niedergang im Byzanz der Palaiologen, Zeitschr. f. hist. Forschung 6 (1979) 1-35 Diogenes Laertios F. Dölger, Facsimiles byzantinischer Kaiserurkunden, München 1931 F. Dölger, IIAPAl:IIOPA, 30 Aufsätze zur Geschichte, Kultur und Sprache des byzantinischen Reiches, Ettal 1961 F. Dölger, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Rei­ches, 5. Teil: Regesten von 1341-1453. Unter verantwortlicher Mitarbeit von P. Wirth. München/Berlin 1965. Zitiert nach Nummer des Regests Dumbarton Oaks Papers I. Dujcev, Contribution a l'histoire de la conquete turque en Thrace aux dernieres decades du XIyesiede, Etud. balk. 2 (1973) 80-92 Ducas, Istoria Turco-Bizantina, ed. Y. Grecu, Bukarest 1958 'E3tE'tTJQI.<; 'E'taLQELU<; Bu~uvt:Lvrov l:Jtouörov Encydopedie de l'Islam Iff., Paris/Leiden 1960ff. Echos d'Orient

A. K. Eszer, Das abenteuerliche Leben des Johannes Laskaris Ka­lopheros, Wiesbaden 1969

Euripides. Abk. der Werke wie bei LSc, aber grundsätzlich k statt c

Eustathios, Homerkommentare. Zit. nach der Seitenzahl der Edi­tio Romana. Über Ausgaben s. Hunger 11 64, A.39

A. Failler, Nouvelle note sur la chronologie du regne deJean Can­tacuzene, REB 34 (1976) 119-124

FedSim (Lit, + )

FenstLaud (Lit) GabrEp (ZQ)

GeanInt (Lit)

GianVat (N) GRBS (Z) Greg 1-III (ZQ)

GregAndr (ZQ, + )

GregAntirrh (ZQ) GregEp 11 (ZQ) GregNazEp (BQ,+) Guill I, 11 (Lit)

GuillTitr (Lit, +)

HalEmp (Lit)

Hdt (AQ,+) Hell (Z) Herrn (AQ,+)

Hes (AQ,+) HomII; HomOd (AQ,+)

HungChort (ZQ)

Hunger I, 11 (Lit)

HungMim (Lit,+)

HungProoim (Lit, +)

JaninCpl (Lit)

JaninEgl (Lit)

QUELLEN- UND LITERATUR VERZEICHNIS

G. Fedalto, Simone Atumano, monaco di Studio, Arcivescovo la­tino di Tebe, secolo XIV, Brescia 1968 E. Fenster, Laudes Constantinopolitanae, Diss., München 1968 G. Fa touros , Die Briefe des Michael Gabras (ca. 1290-nach 1350) 1-11, Wien 1973 D. J. Geanakoplos, Interaction of the «Sibling» Byzantine and Western Cultures in the Middle Ages and the Italian Renaissance (330-1600), New Haven/London 1976 C. Giannelli, Codices Vaticani graeci 1485-1683, Vatikan 1950 Greek, Roman and Byzantine Studies Nicephori Gregorae Byzantina historia 1-11, ed. L. Schopen; III, ed. I. Bekker, Bonn (CB) 1829-1855 Nikephoros Gregoras, A6yo~ d~ 'tov ßamÄta (sc. Andronikos III.), ed. Westermann, Excerptorum ex bibl.Paulinae Lipsiensis libris manu scriptis I, Leipzig 1864 Nikephoros Gregoras, Antirrhetika I, ed. H.-V. Beyer, Wien 1977 R. Guilland, Correspondance de Nicephore Gregoras, Paris 1927 Gregorios von Nazianz, ~riefe, ed. P. Gallay, 1-11, Paris 1964/67 R. Guilland, Recherches sur les institutions byzantines 1-11, Ber­lin 1967 R. Guilland, Titres et fonctions de l'Empire byzantin, London 1976 (Variorum Reprints) O. Halecki, Un empereur de Byzance a Rome, Warschau 1930; Ndr. London 1972 Herodot Hellenika Hermogenes von Tarsos, Opera, ed. H. Rabe, Leipzig 1913; Ndr. Stuttgart 1969. Zitiert nach der Seite derAusgabe ohne Angabe des Werktitels Hesiod. Abk. der Werke wie bei LSc Homer, Ilias; Odyssee

H. Hunger, Johannes Chortasmenos (ca. 1370-ca. 1436/37), Briefe, Gedichte und kleine Schriften, Wien 1969 H. Hunger, Die hochsprachliche profane Literatur der Byzantiner I/II, München 1978

H. Hunger, On the Imitation (Mimesis) of Antiquity in Byzantine Literature, DOP 23/24 (1969/70) 17-38 = H. Hunger,Byzanti­nistische Grundlagenforschung, London 1973 (Variorum Re­prints), XV

H. Hunger, Prooimion. Elemente der byzantinischen Kaiseridee in den Arengen der Urkunden, Wien 1964

R. J anin, Constantinople byzantine, Paris 1964

R. Janin, La geographie ecclesiastique de l'empire byzantin I, Le

291

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

JÖBG (Z) JÖB (Z) JugieKyd (Lit,+)

KaepPhil (Lit, +)

KalekEp (ZQ, Lit)

Kant I-III (ZQ)

KantEpKarp (ZQ, +)

KarSpr (N,+)

KashdanCant (Lit, +)

KazdanKor (Lit,+)

KG I, 11 (Lit,+)

KiankaApol (Lit, +)

Kittel (N, + )

Kosk (Lit, +)

Kuk 1-VI (Lit,+)

KydApol I (ZQ,+) KydApolll (ZQ,+) KydApol III (ZQ, +) KydEpCam (ZQ,+)

292

siege de Constantinople et le Patriarcat oecumenique III, Les egli­ses et les monasteres, Paris2 1969 Jahrbuch der Österreichischen Byzantinischen Gesellschaft Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik M. Jugie, Demetrius Cydones et la theologie latine a Byzance aux XIV' et XV' siecles, EO 27(1928) 385-402 Th. Kaeppeli, Deux nouveaux Ouvrages de Fr. Philippe Incontri de Pera O. P., ArchFFPraed 23 (1953) 163-194 R. Loenertz, Correspondance de Manuel Calecas, StT 152,1950. Die Einleitung wird mit dem Kürzel KalekEpLoen zitiert loannis Cantacuzeni Historiarum libri IV, ed. J. Schopen, I-III, Bonn (CB) 1828-1832. Für Bd. 111 8-105(= l.IV, 1-15) liegt Neuedition vor durch T. S. Miller, The History of John Cantacu­zenus (Book IV): Text, Translation, and Commentary. Diss., Ca­thol. Univ. of America 1975 loannes Kantakuzenos, Brief an den Bischof loannes von Karpa­sia/Cypern von 1371, ed. J.Darrouzes, REB 17 (1959) 7-27 D. K. Karathanasis, Sprichwörter und sprichwörtliche Redensar­ten des Altertums in den rhetorischen Schriften des Michael Ps el­los, des Eustathios und des Michael Choniates sowie in anderen rhetorischen Quellen des XII. Jhs., Diss., München 1936 A. P. Kashdan, L'histoire de Cantacuzene en tant qu'oeuvre litte­raire, Byz 50 (1980) 279-335 A. P. Kaidan, Korabl' v burnom more. K voprosu 0 sootnosenii obraznoj sistemy i istoriceskich vzgljadov dvuch vizantijskich pi­satelej, Iz istorii kul'tury srednich vekov i Vozroidenija, Moskau 1976,3-16 R. Kühner, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache, 11, Satzlehre, T. 1-11, 3. Aufl. von B. Gerth, Hannover 1898/1904 Frances Kianka, The Apology of Demetrius Cydones: A Four­teenth-Century Autobiographical Source, Byzantine Studies 7 (1980) 57-71 Theologisches Wörterbuch zum NT, ed. G. Kittel u. a., Stuttgart 1933ff. H. Koskenniemi, Studien zur Idee und Phraseologie des griechi­schen Briefes bis 400 n. Chr., Annales Acad. Scient. Fenn. sero B, 102, 2, 1956. Ph. Kukules, Bul;,a.vtLVWV ßLO~ xa.t 3toÄ.L'tLaf.t6~, I-VI, Athen 1949/55 s.o., Werke, 1.6.1 (S. 66) s.o., Werke, 1.6.2 (S. 66) s.o., Werke, 1.6.3 (S. 66) Demetrius Cydones, Correspondance, ed. G. Cammelli, Paris 1930. Liste = Liste der Kydonesbriefe

Kyd IoPal (ZQ, +) KydKall (ZQ,+) KydKant I (ZQ,+) KydKant 11 (ZQ,+) KydLat (ZQ, +) KydMort (ZQ,+) KydThess (ZQ,+) KyrMakr (Lit,+)

L+Zahl (ZQ,+) Lampe (N,+) LaurReg (N)

Lausberg (Lit,+)

LBF I, 11 (Lit, PLP ab­weichend: LoenByz)

LC I, 11 (QS, PLP ab­weichend: KydEp)

LibEp (BQ,+) LibOr (BQ, +)

LNB (Lit,+)

LOCP 36; 37 (Lit, PLP abweichend: LoenCyd)

LoenAndr (Lit, + )

LoenJean V (Lit,+)

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

s.o., Werke, 1.3.6 (S. 65) s.o., Werke, 1.3.5 (S. 65) s.o., Werke, 1.3.2 (S. 64) s.o., Werke, 1.3.3 (S. 64) s.o., Werke, 1.3.4 (S. 65) s.o., Werke, 1.1.5 (S. 64) s.o., Werke, 1.3.1 (S. 64) C. P. Kyrris, tlements traditionnels et elements revolutionnaires dans l'ideologie d' Alexios Makrembolites et d'autres intellectuels byzantins du XIVe siecle, Actes XIVe Congr. Int. tt. Byz., Bucarest 1971,I~ 1975, 177-188 Kydonesbriefe in der Zählung von Loenertz G. W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961ff. V. Laurent, Les regestes des actes du patriarcat de Constantinople 1/4, Les regestes de 1208 a 1309, Paris 1971. Zitiert nach Num­mer des Regests H. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik, München 1960, Zitiert nach § R.-J. Loenertz, Byzantina et Franco-Graeca, Roma I, 1970; 11, 1978. Alle in diesen beiden Sammelbänden stehenden Artikel werden ohne Angabe des Titels und des ursprünglichen Ortes der Publikation nach der Seite des Sammelbandes zitiert. Wegen der großen Zahl der einschlägigen Arbeiten von Loenertz wäre sonst das Literaturverzeichnis über Gebühr ausgedehnt worden. Nur Artikel, die in diesen Bänden fehlen, werden unter ihrem Titel aufgeführt Demetrius Cydones, Correspondance, ed. R.-J. Loenertz, 1-11, StT 186; 208, 1956/60 (Ausgabe der Kydonesbriefe, die der vor­liegenden übersetzung als Vorlage dient) Libanios von Antiochien, Briefe Libanios von Antiochien, Reden. Zitiert nach Nr. und § der Rede in der Ausgabe von R. Foerster, Leipzig 1903/8 R.-J. Loenertz, Demetrius Cydones, Correspondance, Notices biographiques des correspondants et des personnages mentionnes dans les lettres, 1947 (nicht publiziert, mir aus dem Nachlaß von Loenertz durch Herrn Prof. P. Schreiner, Köln, zur Verfügung ge­stellt. Die Angaben sind ziemlich knapp und heute vielfach durch neuere Arbeiten überholt. Wo eine sonst nicht publizierte Angabe verwendet wird, wird aus den Notices ausdrücklich zitiert)

R.-J. Loenertz, Demetrius Cydones, OCP 36 (1970) 47-72; 37 (1971) 5-39

R.-J. Loenertz, La premiere insurrection d' Andronic IV Paleolo­gue (1373). Essai de critique des sources, EO 38 (1939) 334-345

R.-J. Loenertz, Jean Paleologue a Venise (1370-1371), REB 16 (1958) 217-232

293

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

LoenLemn (Lit, +)

LoenOen (Lit, +)

Long (AQ,+)

LR (Lit,+)

LS I, II

LSc (N,+)

LThK (N,+)

Luk (AQ,+)

MaksKant (Lit,+)

ManEpDen (ZQ, Lit. PLP zitiert auch im neuesten Abkürzungsver­zeichnis von 1980 die Ma­nuelbriefe nach Legrand)

Martin (Lit,+)

Mazaris (ZQ)

MedGum (Lit)

294

R.-J. Loenertz, L'exil de Manuel II Paleologue a Lemnos 1387-1389, OCP 38 (1972) 116-140

R.-J. Loenertz, Lettre de Demetrius Cydones a Andronic Oeneote, Grand Juge des R~mains (1369-1371), REB29 (1971) 303-308

Ps.-Longinos, IIEQL ih"o'lJ~ R.-J. Loenertz, Les recueils de lettres de Demetrius Cydones, StT 131, 1947

R.-J. Loenertz, Demetrius Cydones, Lettres, Sommaires I: zu den Briefen von LC I in einer Mappe mit losen Zetteln, unpubliziert und unvollständig (s. im übrigen Bemerkung zu LNB). II: zu den Briefen der Hs A (publiziert in LC II), unpubliziert; liegt vor in zwei gebundenen Heften. Eines wurde mir von P. Schreiner, das andere von Father G. T. Dennis, Washington, leihweise zur Ver­fügung gestellt. Der Inhalt der beiden Hefte ist identisch, aber in dem von Dennis sind die Nummern von LC II nachgetragen; die Paginierung beider Hefte ist unterschiedlich (zitiert wird nach dem Heft von P. Schreiner). Das Exemplar von Schreiner enthält am Anfang einen Eintrag von Loenertz aus dem Jahr 1967 mit fol­gendem Wortlaut: «~ommaires des lettres de Demetrius Cydones, contenus dans le recueil AU, dans l'ordre primitif du ms.A. Ces sommaires, faits avant que j'entrepris l'edition des lettres, ne doi­vent pas etre publies. S'il se trouve quelqu'un qui veut reprendre le travail, qu'on mette ce volume a sa disposition et qu'il publie le travail qui en resultera sous son nom et sa responsabilite.» Im üb­rigen gilt die Bemerkung zu LNB

A Greek-English Lexicon, compil,ed by H. G. Liddell and R. Scott, revised and augmented throughout by Sir H. S. Jones etc., with a Supplement 1968, Oxford\ 1843, New Ed. completed 1940 und Nachdrucke

Lexikon für Theologie und Kirche

Lukian von Samosata (Abk. der Werke wie bei LSc)

L. Maksimovic, Politika uloga J ovana Kantakuzina posle abdika­dje (1354-1383), ZRVI 9 (1966) 121-188; engl. Zfg. 189-193

G. T. Dennis, The Letters of Manuel II Palaeologus, Text, Transla- ' tion, and Notes, Dumbarton Oaks 1977. Der Einleitungsteil wird als ManEpDen zitiert, die edierten Briefe als ManEp(Den) Nr.

J. Martin, Antike Rhetorik. Technik und Methode, München 1974

Mazaris' Journey to Hades, ed. L. Westerink et alii, Buffalo 1975

I. P. Medvedev, Vizantijskij gumanism XIV-XV vv., Leningrad 1976

MercNot (Lit, QS)

MercVat (N)

MetMisc (ZQ, +)

Meyendlntr (Ut)

MeyendProj (Ut, ZQ)

MillerGatt (Lit.)

MM I-VI (QS)

Müller-Wiener (N,+)

NE(Z) NicAbd (Lit,+)

NicChurch (Ut, +)

NicCounc (Ut, + )

NicKant (Lit)

NikChon (BQ, +)

NikChonOr (BQ,+)

NikChumThess (ZQ, +)

NikKabEp (ZQ)

NT (AQ,+)

OCP(Z) OstSer (Ut)

Pap (Lit)

Pape (N,+)

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

G. Mercati, Notizie di Procoro e Demetrio Cidone etc., StT 56, 1931 (ein Werk von grundlegender Bedeutung) G. Mercati/P. Franchi de' Cavalieri, Codices Vaticani graeci I (Codd. 1-329), Rom 1923 Theodoros Metochites, Miszellen, ed. Chr. G. Müller und Th. Kiessling, Leipzig 1821 J. Meyendorff, Introduction a l'etude de Gn!goire Palamas, Paris 1959 J. Meyendorff, Projets de Concile oecumenique en 1367: un dia­logue inedit entre Jean Cantacuzene et le legat Paul, DOP 14 (1960) 149-177 W. Miller, The Gattilusi of Lesbos (1355-1462), BZ 22 (1913) 406-447 F. Miklosich - I. Müller, Acta et diplomata graeca medii aevi 1-VI, Wien 1860-1890 W. Müller-Wiener, Bildlexikon zur Topographie Istanbuls, Tü­bingen 1977 NEO~ 'EAATJVOJ.LVTJJ.LOlV (Verf. der Artikel: Sp. Lampros) D. M. Nicol, The abdication ofJohn VI Cantacuzenus, Polychor­dia (Festschr. F. Dölger) 11 = Byz. Forschungen 2 (1967) 269-283 D. M. Nicol, Church and Society in the Last Centuries of Byzan­tium, The Birkbeck Lectures, 1977, Cambridge 1979 D. M. Nicol, Byzantine requests for an oecumenical council in the Xlyth cent., AHC 1 (1969) 69-95 D. M. Nicol, The Byzantine Family of Kantakouzenos (Cantacu­zenus) ca. 1100-1460, Washington 1968 I.-A. van Dieten rec., Nicetae Choniatae Historia, Berlin/New York 1975 (CFHB 11,1-2); Indexband: NikChon 11 I.-A. van Dieten rec., Nicetae Choniatae orationes et epistulae, Berlin 1972 (CFHB 3) Nikephoros Chumnos, E>woaAovL'XEijoL OUJ.LßOUAEU'tL'XO~ 3tEQL ÖL'XaLOOUVTJ~, Boissonade, Anecdota Graeca 11, 1830, 13 7 -187 P. Enepekides, Der Briefwechsel des Mystikers Nikolaos Kabasi­las, BZ 46 (1953) 18-46 Neues Testament. Abk. der Einzelschriften: Mt, Mk, Lk,Jo, Apg, Rm, 1 K, 2 K, Gal, Eph, Phil, Kol, 1 Th, 2 Th, 1 Tim, 2 Tim, Tit, Phm, Hbr, Jak, 1 Pt, 2 Pt, 1-3 J 0, J ud, Apk

Orientalia Christiana Periodica G. Ostrogorski, Serska oblast posle Dusanove smrti, Belgrad 1965

A. Th. Papadopulos, Versuch einer Genealogie der Palaiologen, München 1938 W. Pape, Griechisch-deutsches Wörterbuch, Braunschweig 1866

295

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

PapMet (Lit)

PapThom (Lit)

PapZit (ZQ)

Paroem (QS, +)

PG (QS)

Pind (AQ,+) PI (AQ,+)

PlanEp (BQ) PlotEnn (AQ,+) PLP(N)

Plut (AQ,+) PodRez (Lit,+)

PodTheol (Lit, +)

Polem (Lit) PöschBibl (N)

Prokop (BQ, +) Ps.-Dem (AQ,+) PsellChron I, 11 (BQ, +)

PsellEpSath V (BQ, + )

PsellEpKD (BQ, +)

Ps.-PI (AQ,+)

PseudoKod (ZQ)

RAC (N,+)

296

S. Papadopulos, 'EAAT]VLX.UL IJ.E'tuq>QaoEL~ eOOIJ.LO'tLXOOV ~QYoov, Athen 1967 S. G. Papadopulos, Thomas in Byzanz. Thomas-Rezeption und Thomas-Kritik in Byzanz zwischen 1354 und 1435, Theologie und Philosophie 49 (1974) 274-305 A. Papadopulos-Kerameus, 1:itija dvuch vselenskich patriarchov XIV v. Zapiski istor.-filol. fak. 76, St.-Petersburg 1905 (darin die Vita des Patriarchen Isidoros von Patriarch Philotheos Kokkinos, S.52-149) E. L. von Leutsch/F. G. Schneidewin, Corpus Paroemiographo­rum Graecorum, Göttingen 1839/51, Bd. 1-11 J.-P. Migne, Patrologiae cursus completus, Series graeca, Paris 1857ff. Pindar. Abk. der Werke wie bei LSc Platon. Abk. wie bei LSc, aber grundsätzlich k statt c und abwei­chend: Plta = Politeia, Pltk = Politikos, Nom = Nomoi Maximi monachi Planudis Epistulae, ed. M. Treu, Breslau 1890 Plotin, Enneaden E. Trapp (unter Mitarb. von R. Walther und H.-V. Beyer), Proso­pographisches Lexikon der Palaiologenzeit, Wien 1976ff. Bei Ab­schluß des Manuskripts war das Werk bis zum 4. Fasz. (letztes Stichw. 'IooooiJq>fI~) erschienen. Zit. nach Nr. des prosopographi­schen Artikels Plutarch. Abk. wie bei LSc (außer Dion und Phok) G. Podskalsky, Die Rezeption der thomistischen Theologie bei Gennadios 11. Scholarios (ca. 1403-1472), Theol. und Philos. 49 (1974) 305-323 G. Podskalsky, Theologie und Philosophie in Byzanz, München 1977 D. Polemis, The Doukai, London 1968 V. Pöschl, Helga Gärtner, Waltraut Heyke, Bibliographie zur an­tiken Bildersprache, Heidelberg 1964 Prokopios von Kaisareia Ps.-Demetrios von Phaleron, IIEQL tQIJ.T]VE(U~ Michael Psellos, Chronographie, ed. E. Renauld, Paris 1926, Bd.I-II Michael Psellos, Briefe, ed. K. Sathas, MEOaLOOVLXTJ BLßALO'ÖTJXT], Bd. V, Athen/Paris 1876

Michael Psellos, Briefe, ed. E. Kurtz/F. Drexl, Michaelis Pselli Scripta Minora 11, Milano 1941

Pseudo-Platon (im 1.. Halbband werden zitiert: Alk 1= Alkibia­des I; Dik = IIEQL ÖLXU(OU; Erast = 'EQUO"CUL)

J. Verpeaux, Pseudo-Kodinos, Traite des offices, Paris 1969

Reallexikon für Antike und Christentum, Leipzig 1941ff.

RackAug (Lit, +)

RackKyd (Lit,+)

RackThom (Lit,+)

RackÜb (Lit, +)

RackVert (Lit,+)

RaulEp (ZQ)

RE (N,+)

REB (Z) RESEE (Z) SalutEp (ZQ, +)

SandGod (Lit,+)

SchreinChron I, 11, III (QS, Lit)

SchreinPhilad (Lit)

SchreinStud (Lit, +)

Schwyzer 1,11 (Lit,+)

SevDecl (Lit,+)

SevSoc (Lit)

Skyl (BQ,+)

Smet (ZQ, Lit, +)

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

M. Rackl, Die griechischen Augustinübersetzungen. Mise. F. Ehrle I = StT 37, 1924 M. Rackl, Demetrios Kydones als Verteidiger und Übersetzer des hl. Thomas von Aquin, Der Katholik 95 (1915) 121-40 M. Rackl, Thomas von Aquin im Werturteil eines byzantinischen Theologen. Aus dem Geist des Mittelalters (Festsehr. M. Grab­mann), Münster 1935, 1361-1372 M. Rackl, Die griechische Übersetzung der Summa theologiae des hl. Thomas von Aquin, BZ 24 (1923/4) 48-60 M. Rackl, Die ungedruckte Verteidigungsschrift des Demetrios Kydones für Thomas von Aquin gegen Neilos Kabasilas, Divus Thomas 7 (1920) 303-317 R. Loenertz, Emmanuelis Raul Epistulae XII, EEBS 26 (1956) 130-163 Pauly-Wissowa, Realencyklopädie der classischen Altertumswis­senschaft, Stuttgart 1893ff. Revue des Etudes Byzantines Revue des Etudes Sud-Est Europeennes Coluccio Salutati, Epistolario, ed. F. Novati, Bd. I-IV, 1891-1905. Zit. wird aus Bd. III, Roma 1896 C. Sandulescu-Godeni, Quantum Platonis atque Thomae Aquina­tis doctrina apud Demetrium Cydonem valeat, Diss., Romae 1933. Das dort enthaltene Verzeichnis der Werke des Kydones ist unvollständig und veraltet. Das in Bibliotheken rare Werk wurde mir auf Film von der Zentralbibliothek Bukarest zur Verfügung gestellt P. Schreiner, Die byzantinischen Kleinchroniken (Chronica by­zantina breviora) I-III (CFHB XII, 1-3, Sero Vind.), Wien 1975-1979 P. Schreiner, Zur Geschichte Philadelpheias im 14.Jh., OCP 35 (1969) 375-431 P. Schreiner, Studien zu den BP AXEA XPONIKA, München 1966 E. Schwyzer, Griechische Grammatik, 1-11, München2 1953/ 1959 I. Sevcenko, The decline of Byzantium seen through the eyes of its intellectuals, DOP 15 (1961) 167-186

I. Sevcenko, Society and intellectuallife in the Xlyth century, in: XIVe congres international des etudes byzantines, Bukarest 1971, Rapports I 7-30 = Actes ... , Bukarest 1974, I 69-92

I. Thurn rec., loannis Scylitzae Synopsis Historiarum, Berlin/New York 1973 (CFHB 5)

J. Smet, The Life of Saint Peter Thomas by Philippe de Mhieres, Rom 1954

297

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

Soll I, 11 (N,+)

Soph (AQ,+) StepskiPhrantzes (Lit, +)

StT (Reihe) Suda (BQ,+) Syn (BQ, ZQ) SynAig (En, Dion) (BQ, +)

T+Zahl (ZQ,+) ThEE (N)

Theiner (QS)

Theok (AQ,+) TheophCont (BQ, + ) Thes (N,+)

ThirReg (N)

ThomMagHom (ZQ, +)

ThphrChar (AQ,+) Thraede (Lit, + )

Thuk (AQ,+) TinnFr (Lit,+)

TinnGeorg (Lit)

TinnKais (Lit, +)

TinnNiv (Lit,+)

TM(Z)

TomadBry I (Lit)

TomadEp (Lit)

TomSyn 11 (ZQ)

298

R. Sollert, Die Sprichwörter bei Synesios von Kyrene. Progr. Gymn. Augsburg 1909 Sophokles (Abk. der Dramen wie bei LSc) Stephanie von Stepski-Doliwa, Studien zur Syntax des byz. Histo­rikers Georgios Phrantzes, Diss., München 1935 Studi e Testi, Vatikan 1900ff. Suidae Lexicon I-V, ed. Ada Adler, Lipsiae 1928/38 J. Gouillard, Le synodikon de l'orthodoxie, TM 2 (1967) 1-316 N. Terzaghi rec., Synesii Cyrenensis Opuscula, Romae 1944 (At­YU3t'tLOL, llEQi. 'Evu3tv(wv, Dion) Kydonesbriefe in der eigenen Zählung (s.o., S. 76) E>(lTJOXEU'tLXT] xui. 1HhxT] 'EyxuXA03tmÖELU I - XII, Athen 1962-1968 A. Theiner/F. Miklosich, Monumenta spectantia ad unionem ec-· clesiarum, Wien 1873 Theokrit Theophanes continuatus, rec. I. Bekker, Bonnae 1838 (CB) Thesaurus Linguae Graecae, ed. H. Stephanus. Neuauflage von C. B. Hase/G. und L. Dindorf 1829 F. Thiriet, Regestes des deliberations du senat de Venise concer­na nt la Romanie I-III, Paris 1958/61 B. Laourdas, E>W!!cl MUYLo'tQou, TOL~ E>EOOUAOVLXEiioL 3tEQi. Ö!!ovo(u~. l\.qnEQWJ.lU Et~ X. N. ~QuyxLo'tav. 'Emo'tT)!!. 'E:n:E­'tTjQi.~ l:xoAii~ NO!!LXOOV xui. OtXOVO!!LXOOV 'E:n:LO'tT)!!OOV l\.QL­O'to't. llUVE3tLO't. E>EO.XTj~ 12, Thessalonike 1969, 751-775 Theophrast, Charaktere K. Thraede, Grundzüge griechisch-römischer Brief topik, Mün­chen 1970 Thukydides F. Tinnefeld, «Freundschaft» in den Briefen des Michael Psellos, Theorie und Wirklichkeit, JÖB 22 (1973) 151-168 F. Tinnefeid, Georgios Philosophos. Ein Korrespondent und Freund des Demetrios K ydones, OCP 28 (1972) 141-171 F. Tinnefeld, Kategorien der Kaiserkritik in der byzantinischen Hi­storiographie von Prokop bis Niketas Choniates, München 1971 F. Tinnefeld, Das Niveau der abendländischen Wissenschaft aus der Sicht gebildeter Byzantiner im 13. und 14. Jh., Byz. Forschun­gen 6 (1979) 241-280

Travaux et Memoires

N. B. Tomadakes, '0 'IwoTJcp BQUEVVLO~ xui. TJ KQi)'tT) XU't<l 'to 1400, Athen 1947 N. B. Tomadakes, BU~UV'tLVT] 'E:n:LO'tOAOYQUCP(u, Athen3 1969

Tomos der Synode gegen Prochoros Kydones 1368, PG 151, 693-716 (dazu MercNot 49-61; DarPatr 2541)

TrappAs (Lit)

TrappManuel (ZQ, Lit)

Treitinger (Lit, +)

Turlt (N)

TurVat (N)

TzeEp (BQ, +) VasViag (Lit,+)

VerpContrib (Lit)

VoordPar (Lit)

W(Z) WeiKant (Lit)

WernOs (Lit)

WernThess (Lit,+)

Xen (AQ,+)

ZachProoem (QS,+)

ZillAnr (Lit,+)

ZillNum (Lit,+)

ZKG (Z,+) ZRVI (Z)

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

E. Trapp, Beiträge zur Genealogie der Asanen in Byzanz, JÖB 25 (1976) 163-177 E. Trapp, Manuel II., Dialoge mit einem «Perser», Wien 1966 (Zi­tiert wird nur aus der Einleitung, deren Seiten mit Stern versehen sind; die Seiten werden hier ohne Stern geschrieben) o. Treitinger, Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell, Darmstad~ 1956 A. Turyn, Dated Greek Manuscripts of the XIIPh and xryth Cen­turies in the Libraries of Italy I (Text), Urbana/l1l. 1957 A. Turyn, Codices graeci Vaticani saecuIis XIII et XIV scripti an­norumque notis instructi, Vatikan 1964 Ioannis Tzetzae Epistulae, rec. P. A. M. Leone, Leipzig 1972 A. A. Vasiliev, 11 viaggio di Giovanni V Paleologo in Italia e l'unione di Roma, Stud. Biz. NeoeIl. 3 (1931) 153-192 J. Verpeaux, Contribution a l'etude de l'administration byzanti­ne: '0 /!wutwv, BSI 16 (1955) 270-296 E. Voordeckers, Examen codicologique du codex Parisinus grae­cus 1242, Scriptorium 21 (1968) 288-294 Vizantijskij Vremennik NS (1947ff.) G. Weiss, Joannes Kantakuzenos - Aristokrat, Staatsmann, Kai­ser und Mönch - in der Gesellschaftsentwicklung von Byzanz im 14.Jh., Wiesbaden 1969 E. Werner, Die Geburt einer Großmacht - Die Osmanen, Graz/Köln/Wien2 1972, E. Werner, Volkstümliche Häretiker oder sozialpolitische Refor­mer? Probleme der revolutionären Volksbewegung in Thessalo­nike 1342-1349, Wiss. Ztschr. Karl-Marx-Univ. Leipz. 8 (1958/ 59) 45-82 Xenophon (Hell = Hellenika bzw. HistoriaGraeca; Lak = AmtE­

öm/!ovLwv 3tOALLELa) K. E. Zachariae von Lingenthal, Prooemien zu Chrysobullen von Demetrius Kydones. SB Kgl. preuß. AdW Berlin 51 (Dez. 1888) 1409-1422 H. Zilliacus, Untersuchungen zu den abstrakten Anredeformen und Höflichkeitstiteln im Griechischen, Helsingfors 1949 H. Zilliacus, Selbstgefühl und Servilität. Studien zum unregelmä­ßigen Numerusgebrauch im Griechischen, Helsingfors 1953 Zeitschrift für Kirchengeschichte Zbornik radova vizantoloskog Instituta

299