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Das in der Natur innewohnende Göttliche Autor(en): Westhoff, Detmar Objekttyp: Article Zeitschrift: Du : die Zeitschrift der Kultur Band (Jahr): 72 (2012) Heft 823: Das Museum im 21. Jahrhundert : Ikonen und ihre Schöpfer Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-303834 PDF erstellt am: 27.06.2019 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. Die systematische Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber. Haftungsausschluss Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen. Dies gilt auch für Inhalte Dritter, die über dieses Angebot zugänglich sind. Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch http://www.e-periodica.ch

Das in der Natur innewohnende Göttliche

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Das in der Natur innewohnende Göttliche

Autor(en): Westhoff, Detmar

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Du : die Zeitschrift der Kultur

Band (Jahr): 72 (2012)

Heft 823: Das Museum im 21. Jahrhundert : Ikonen und ihre Schöpfer

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-303834

PDF erstellt am: 27.06.2019

NutzungsbedingungenDie ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte anden Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern.Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke inLehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oderAusdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und denkorrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden.Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigungder Rechteinhaber erlaubt. Die systematische Speicherung von Teilen des elektronischen Angebotsauf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber.

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http://www.e-periodica.ch

Das in der Natur innewohnende GöttlicheAuf einer Kunstreise durch das Land der aufgehenden Sonne stösst Du auf die Schönheitder Vereinigung von französischem Impressionismus und japanischer Architektur und Natur.

Text: DETMAR WESTHOFF Bild: IWAN BAAN

Im Airbus von Frankfurt nach Tokio fühlt man sich bereits, als wäreman schon in Japan angekommen. Nur vereinzelt sind in denSitzreihen ein paar wenige westliche Gesichter zu sehen. Die meistenPassagiere sind Japaner, die von ihrer Europareise zurückkehren.Der Tourismus zwischen Europa und Japan scheint nur eine Richtung

zu kennen, und zwar die von Japan nach Europa und nichtumgekehrt. Neben mir sitzt Herr Matsumoto, der in Paris zum erstenMal die grossen Museen wie das Musée d'Orsay und den Louvrebesucht hat. Die wichtigsten Namen der westlichen Moderne sind ihmbekannt. Monet, Renoir, van Gogh, Klimt und Matisse sind dieKünstler, von denen er andächtig spricht. Die unmittelbare Begegnung

mit den Meisterwerken habe sein Kunsterlebnis bestimmt.Bislang, so berichtet er, habe er die Meisterwerke dieser Künstlerausschliesslich in Japan als massstabsgetreue Reproduktionen imMuseum eines industriellen japanischen Keramikproduzentengesehen. Dort habe er sich sogar an einen Monet anlehnen dürfen.Noch nie sei er einem Monet so nahe gewesen. Doch die Originalehätten eine stärkere Wirkung auf seine Seele. Nach der Landung inTokio nimmt Herr Matsumoto seine Sachen aus dem Gepäckfachund verabschiedet sich von mir mit einer Verbeugung.

Als ich in meinem Hotel in Tokio ankomme, weist mich dieJapanerin am Empfang höflich auf das Kunst-Natur-Konzept der Land-Art-Künstlerin Monique Le Houeleur hin, die die Einrichtung gestaltet

hat. Auf die Frage, wo ich einen Friseur finde, wird mir in derNachbarschaft die Friseurkette Claude Monet empfohlen. Vielleichtist das genau die richtige Adresse, um mich für die bevorstehendeEröffnung der Impressionismus-Ausstellung im Aomori Museum ofArt - den Grund meiner Reise - zu verschönern? Schon diese wenigen

Reiseeindrücke verraten viel über den Stellenwert des französischen

Impressionismus in Japan und wie er dort rezipiert wird.Mit seinem Interesse an westlicher Kunst ist Japan in Asien

immer noch führend. Daran konnte bis jetzt auch China als aufstrebende

Superkulturmacht nichts ändern. Ob China Japan irgendwann

einmal von diesem Platz verdrängen wird, bleibt abzuwarten.Die japanischen Museen verfügen über grossartige Bestände anwestlicher Kunst, vor allem aus dem Impressionismus undPostimpressionismus. Bis heute rücken diese Bestände nur sehr selten insBlickfeld westlicher Ausstellungsmacher. Wie der Tourismus kenntauch der Leihverkehr nur die eine Richtung. Denn die Monets undRenoirs aus den japanischen Museen werden von westlichenMuseen nur selten angefragt. Japan ist eben doch eine Insel und offenbar

noch nicht vollständig an den globalisierten Kunstbetriebangeschlossen.

National Museum of Western ArtEine der ersten Adressen für westliche Kunst in Japan ist sicher das

National Museum of Western Art in Tokio. Hier wird auf internationalem

Niveau geforscht. Man ist mit den grossen Museen weltweitvernetzt, und hier bekommt man alle Informationen über geplante

Ausstellungen. Der Kurator des Museums unterhält sich mit mirfliessend auf Deutsch. Die Gründung des Museums geht auf eine tiefeMännerfreundschaft zurück. Der japanische Industrielle Kojiro Mat-sukata, der mit Containerschiffen ein Vermögen machte, besuchteClaude Monet ab 1921 immer wieder in Giverny. Aus seiner Bewunderung

für Monets Kunst resultierte der Erwerb von 34 Ölgemälden.Monet hingegen teilte seine Sammelleidenschaft für japanischeHolzschnitte. Matsukata hatte die kühne Vision, in seiner Heimatein Museum für «die reine Freude» zu bauen. Seine vielen französischen

impressionistischen Gemälde sollten zusammen mit japanischen

Holzschnitten präsentiert werden. Und dies geschah alles zueiner Zeit, in der der Impressionismus in Frankreich noch nichtmuseumswürdig war. Vor allen Dingen japanische Künstler, welche diefranzösischen Impressionisten bis dato nur anhand von Schwarz-Weiss-Fotos studierten, sollten von dem Museum profitieren. Mat-sukatas Botschaft war klar: Der französische Impressionismus istohne den Einfluss des japanischen Holzschnitts nicht vorstellbar.Zu den wichtigsten Sammlerstücken Matsukatas neben der umfangreichen

Werkgruppe Claude Monets gehörten Manets Junge in denBlumen und Monsieur Brun, Renoirs Pariserin im algerischen Kostümsowie Pissarros Winterlandschaft. Die Weltwirtschaftskrise von 1929,der auch sein Unternehmen zum Opfer fiel, beendete diesen Traum.Erst neun Jahre nach seinem Tod 1959 sollte seine Vision zumindestteilweise Wirklichkeit werden. Im Rahmen des Friedensvertrags vonSan Francisco wurde die als Feindesvermögen von den Franzosenbeschlagnahmte Matsukata-Sammlung als Zeichen der Freundschaft

teilweise an Japan zurückgegeben. Le Corbusier erhielt denAuftrag, der Matsukata-Sammlung in Japan eine neue Heimat zugeben. 1959 wurde das Nationalmuseum für westliche Kunst im Ueno-Park fertiggestellt. Ohne die Freundschaft zwischen Matsukata undMonet wäre es in Japan sicher nicht zu dieser Impressionismus-Begeisterung

gekommen.

Pola Museum of ArtDer Spur des Impressionismus weiter folgend, erreicht man mit demHochgeschwindigkeitszug Shinkansen nach fast 40 Minutengesichtsloser Stadtlandschaft Odawara. Von hier aus geht es mit demTaxi weiter in den Fuji-Hakone-Izu-Nationalpark. Hier entfliehendie Japaner am Wochenende der Hektik des grössten Ballungsraumsder Welt und entspannen in den zahlreichen heissen Quellen. Fasthätte ich den Eingang des Pola Museum of Art, das nach einem derführenden Kosmetikhersteller in Japan benannt ist, nicht bemerkt.Denn hier steht kein Gralspalast, der die Landschaft dominiert,sondern eine ökologische Glasarchitektur, die sich sanft in die Topografie

der Landschaft einfügt. Doch nirgendwo im Museum entdeckeich die Namen der Architekten. Selbst die Kuratorin muss erst einmal

nachdenken, wer es gebaut hat. Dafür finden sich überall imMuseum Hinweise auf die umgebende Natur - die hier fast gleichwertig

mitausgestellt wird. Die Natur ist überall im Museum fühlbar.

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Seerosenbildervon Claude Monet im Chichu Art Museum auf der Insel Naoshima im Süden von Japan.

Die Kunst ist davon nicht ausgenommen. Denn ist ein Monet letztlich

nicht auch ein gemaltes Naturerlebnis? Der Inhaber der Pola

Group, Suzuki Tsuneshi, der bis zu seinem Tod im Jahr 2000 nebendem japanischen auch den französischen Impressionismussammelte, war sicher von Matsukata inspiriert.

Mitte der 8oer-Jahre gehörte der Yen zu den härtesten Währungen

der Welt. Mit seiner enormen Kaufkraft war Japan die bestimmende

Grösse auf den internationalen Kunstmärkten. Nichtverwunderlich also, dass in dieser Zeit auch die Sammlung des Pola

Museum aufgebaut wurde. Die grossen Werkgruppen von Monetund Chagall gehören sicherlich weltweit zu den bedeutendsten

Sammlungen ihrer Art. Die legendäre Nichido-Galerie in Tokio, dieauch eine Niederlassung in Paris besitzt, sorgte dafür, dass dem

damaligen Präsidenten von Pola immer wieder neue Impressionistenangeboten wurden. Denn nirgendwo auf der Welt wurden fürImpressionisten zu dieser Zeit höhere Preise gezahlt als in Japan. Deshalb

verkaufte die Galerie auch kaum Werke in ihrer PariserNiederlassung. In Paris suchte man verzweifelt nach verkäuflichenImpressionisten für einen nicht zu sättigenden Heimatmarkt.

Benesse Art Site NaoshimaFür mein nächstes Ziel fahre ich weiter westlich auf der Hauptinselin die Präfektur Kawaga. Dort befindet sich Naoshima mitten imSeto-Binnenmeer mit der Benesse Art Site Naoshima, einemKunstprojekt der Benesse Company. Zunächst geht es mit der Fähre unddann mit kleinen klapperigen Bussen über die Insel zu dem vonTadao Ando gebauten Hotel im Benesse Art Museum. Danach erreichtman ein Dorf aus der Edo-Zeit und schliesslich das Chichu ArtMuseum. Ando nutzte hier einen Bergvorsprung als prägendesarchitektonisches Element, in das er seinen Bau unterirdisch einfügte. Die

gebaute Architektur wird nur in wenigen Aussparungen innerhalb

des Berges sichtbar - Architektur ist zur Land-Art geworden undbeschreibt die Topografie der Landschaft. Im Inneren des Museumsbetrete ich den von Ando speziell für James Turrell entworfenenSkyspace. Das natürliche Licht wirkt feierlich, als stünde ich vor einemAltar. Umso weniger erstaunt es mich, dass als Nächstes ein stiller,fast meditativer Raum mit fünf Seerosenbildern von Monet folgt.Und wieder geht es nur um das Licht. Wie herrlich zerstreuen sichbei Monet die Strahlen auf der spiegelnden Wasseroberfläche zu

einer fast abstrakten Farbfeldmalerei.

Später richtet sich mein Blick von Sugimotos zeitlos gültigerstiller Bilderfolge Seascapes im Benesse Art Museum direkt auf das

Seto-Binnenmeer. Kunst und Natur auch hier wieder in engerUmarmung. Unter freiem Himmel wirken Sugimotos Fotos wie Bildereiner göttlichen Naturordnung.

In Naoshima inszenierte Tadao Ando die Werke von James Turrell,

Hiroshi Sugimoto und Claude Monet zusammen mit der Naturzu einem Gesamtkunstwerk. Architektur, Kunst, Schönheit und Natur

fliessen zusammen. Allen Formen liegt das in der Naturinnewohnende Göttliche zugrunde, das dem Wesen des Schintoismus

entspricht. Jetzt weiss ich, was Herr Matsumoto meinte, als er sagte,dass die Kunst eine so starke Wirkung auf die Seele habe.

Detmar Westhoff ist Kunsthistoriker und entwickelt seit fast zehn Jahren für

japanische Museen Ausstellungen über westliche Kunst in Japan. Zu den

jüngsten Ausstellungen gehörten Sammlungspräsentationen aus dem Wallraf-Richartz-Museum in Köln, dem Stadel in Frankfurt sowie dem KunstmuseumWinterthur. Davor war er an der Schirn Kunsthalle in Frankfurt und derKunstsammlung NRW in Düsseldorf mit dem Aufbau des Fundraising befasst.

Gegenwärtig arbeitet er an einer Ausstellung, die sich mit der Rezeption des

Impressionismus in Japan beschäftigt und erstmals bedeutende japanischeSammlungen mit Impressionismus im Westen vorstellen wird.