1
26 Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 11 (1988) Rezension 77 H. Heimpel: Schuld und Aufgabe der Universitat. Giittingen/Frankfurt/Berlin 1954, S. 14. 78 Belege bei B. vom Brocke (wie Anrn. l), S. 106f. 79 M. Weber: Verhandlungen des IV. Deutschcn Hochschullehrertages zu Dresden am 12. und 13. Oktober 1911. Bericht ertattet vom Geschaftsfuhrenden AusschuR. Leipzig 1912, S. 66-77, hier S. 72. Anschrift des Verfassers: Bernhard vom Brocke, Zeppelinstr. 10, D-3550 Marburg/Lahn, sowie: Max- Planck-Institut fur Geschichte, Postfach 2833, D-3400 Gottingen. Rezension ClawDieter Krohn: Wissenschaft im Exil. Deutsche Sozial- und Wirtschaftswissen- schaftler in den USA und die New School for Social Research. Frankfurt am Main/New York: Campus 1987, 286 Seiten. Die materialreiche Studie von Krohn - wahrschein- lich eine akademischc Qualifikationsarbeit - ist nicht die lange fallige Monographie zu ,,Wissenschaft im Exil", wie es der Titel irrtumlich andeutet, viel- mehr eine solide gearbeitete Fallstudie zu deutschen exilierren Nationalijkonomen und Sozialwissen- schaftlern im US-amerikanischen Exil im allgemei- nen und an der sogenannten ,University in Exile' in New York im besonderen. Stellvertretend fur alle wei- term mag hicr nur Emil Lederer, der bis heute hierzu- lande noch immer nicht angemessen produktiv ange- eignete bedeutende sozialdemokratische Theoretiker, genannt werden. Freilich, auch in den so (selbst-)gesetzten Grenzen bewaltigt Krohn nur zum Teil, was meiner Meinung nach, gerade unter dem Aspekt der These vom intel- lektuellen Substanzverlust, der ja immer auch schon Substanzgewinn in Immigrationsgesrllschaften und hier besonders der US-amerikanischen akademischen Wissenschaft der 30er jahre und spater meint, zu kla- ren ware und was in diesem Buch eben nur begrenzt thematisiert und aufgearbeitet wird; denn er handelt sich hier doch um eine Studie von Wissenschaftlern im US-amerikanischen Exil, genauer: vor allem der new yorker egg-head-community um die ,New School for Social Research'. Insofern schrumpft ge- genuber dem Titelanspruch der Rahmen doch erheb- lich - auch wenn der Verfasser. so reduziert auf den Punkt gebracht, dann naturlich griindlich fur die Fel- der Nationalokonomie und Soziologie bis hin zu den spateren Wirkungen (1945ff.) eine Entwicklung auf- arbeitet. Und doch haben mich zwei Dinge gestort : Einmal stulpt der Verfasser seiner Arbeit das erst spater so ge- nannte Integrationskonzept uber. Hier hatte ich ge- rade von einer ,Soziologie von Soziologen' Ruckgriff auf das viel facettenreichere Assimilationskonzcpt er- wmct. Und zwcitens sehe ich nach dieser Fallstudie (die hier ah Buch pi-ascntiert wird; vielleicht h2tte cb ein konzentrierter langerer Zeitschriftenartikel auch getan) eine Gefahr namentlich fur die deutsche Exil- forschung : business as usual, oder, akademisch for- muliert : ,,normal science" (Th. S. Kuhn). Denn mich hat als Leser die gediegene Aufarbeitung mit ihren Hauptabschnitten (Vertreibung, US-Aufnahmebe- reitschaft, New School .. , , immigrierte Okonomed Sozialwissenschaftler in USA, Integrationsprobleme nebst An hang: Wissenschaftler- [und Kiinstler-IListe an der New School . .. 1933-45) einfach gelangweilt, weil mir genau die Momente, die Emigration und Im- migration doch immer auch ausmachen und meiner Mcinung nach auch wissenschaftlich dargestellt wer- den sollten, hier im Grunde plattgewalzt sind. Und ich furchte, dafl, wenn Emigrationsforschung so wei- ter unternommen wird, die deutsche und deutsch- sprachige Emigration nach und Immigration in . , , bald in der Tat hierzulande endgultig ein toter Hund ist - nicht nur unter dem bei dieaem Sujet immer auch zu bedenkenden didaktischen Gesichtspunkt. Richard Albrecht, Bad Miinstereifel B~r.Wisaenachaftage\ch. 11 (1988) 1-26

Claus-Dieter Krohn: Wissenschaft im Exil. Deutsche Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler in den USA und die New School for Social Research. Frankfurt am Main/New York: Campus 1987,

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Claus-Dieter Krohn: Wissenschaft im Exil. Deutsche Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler in den USA und die New School for Social Research. Frankfurt am Main/New York: Campus 1987,

26 Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 11 (1988) Rezension

77 H. Heimpel: Schuld und Aufgabe der Universitat. Giittingen/Frankfurt/Berlin 1954, S. 14. 78 Belege bei B. vom Brocke (wie Anrn . l), S. 106f. 79 M. Weber: Verhandlungen des IV. Deutschcn Hochschullehrertages zu Dresden am 12. und 13. Oktober

1911. Bericht ertattet vom Geschaftsfuhrenden AusschuR. Leipzig 1912, S. 66-77, hier S. 72.

Anschrift des Verfassers: Bernhard vom Brocke, Zeppelinstr. 10, D-3550 Marburg/Lahn, sowie: Max- Planck-Institut fur Geschichte, Postfach 2833, D-3400 Gottingen.

Rezension

ClawDieter Krohn: Wissenschaft im Exil. Deutsche Sozial- und Wirtschaftswissen- schaftler in den USA und die New School for Social Research. Frankfurt am Main/New York: Campus 1987, 286 Seiten.

Die materialreiche Studie von Krohn - wahrschein- lich eine akademischc Qualifikationsarbeit - ist nicht die lange fallige Monographie zu ,,Wissenschaft im Exil", wie es der Titel irrtumlich andeutet, viel- mehr eine solide gearbeitete Fallstudie zu deutschen exilierren Nationalijkonomen und Sozialwissen- schaftlern im US-amerikanischen Exil im allgemei- nen und a n der sogenannten ,University in Exile' in New York im besonderen. Stellvertretend fur alle wei- term mag hicr nur Emil Lederer, der bis heute hierzu- lande noch immer nicht angemessen produktiv ange- eignete bedeutende sozialdemokratische Theoretiker, genannt werden.

Freilich, auch in den so (selbst-)gesetzten Grenzen bewaltigt Krohn nur zum Teil, was meiner Meinung nach, gerade unter dem Aspekt der These vom intel- lektuellen Substanzverlust, der ja immer auch schon Substanzgewinn in Immigrationsgesrllschaften und hier besonders der US-amerikanischen akademischen Wissenschaft der 30er jahre und spater meint, zu kla- ren ware und was in diesem Buch eben nur begrenzt thematisiert und aufgearbeitet wird; denn er handelt sich hier doch um eine Studie von Wissenschaftlern im US-amerikanischen Exil, genauer: vor allem der new yorker egg-head-community um die ,New School for Social Research'. Insofern schrumpft ge- genuber dem Titelanspruch der Rahmen doch erheb- lich - auch wenn der Verfasser. so reduziert auf den Punkt gebracht, dann naturlich griindlich fur die Fel- der Nationalokonomie und Soziologie bis hin zu den

spateren Wirkungen (1945ff.) eine Entwicklung auf- arbeitet.

Und doch haben mich zwei Dinge gestort : Einmal stulpt der Verfasser seiner Arbeit das erst spater so ge- nannte Integrationskonzept uber. Hier hatte ich ge- rade von einer ,Soziologie von Soziologen' Ruckgriff auf das viel facettenreichere Assimilationskonzcpt er- wmct . Und zwcitens sehe ich nach dieser Fallstudie (die hier a h Buch pi-ascntiert wird; vielleicht h2tte cb ein konzentrierter langerer Zeitschriftenartikel auch getan) eine Gefahr namentlich fur die deutsche Exil- forschung : business as usual, oder, akademisch for- muliert : ,,normal science" (Th. S . Kuhn). Denn mich hat als Leser die gediegene Aufarbeitung mit ihren Hauptabschnitten (Vertreibung, US-Aufnahmebe- reitschaft, New School .. , , immigrierte O k o n o m e d Sozialwissenschaftler in USA, Integrationsprobleme nebst An hang: Wissenschaftler- [und Kiinstler-IListe an der New School . . . 1933-45) einfach gelangweilt, weil mir genau die Momente, die Emigration und Im- migration doch immer auch ausmachen und meiner Mcinung nach auch wissenschaftlich dargestellt wer- den sollten, hier im Grunde plattgewalzt sind. Und ich furchte, dafl, wenn Emigrationsforschung so wei- ter unternommen wird, die deutsche und deutsch- sprachige Emigration nach und Immigration in . , , bald in der Tat hierzulande endgultig ein toter Hund ist - nicht nur unter dem bei dieaem Sujet immer auch zu bedenkenden didaktischen Gesichtspunkt.

Richard Albrecht, Bad Miinstereifel

B~r.Wisaenachaftage\ch. 11 (1988) 1-26