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Universität ZagrebPhilosophische Fakultät in ZagrebAbteilung für GermanistikVeranstaltung: TextlinguistikStudentin: Gabrijela KelemenLeiter: dr. sc. Zrinjka Glovacki-Bernardi Datum: den 14. September 2015
Briefsorten und textuelle Analyse eines Briefs
Seminararbeit
Inhalt
1. Einleitung....................................................................................................................................2
2. Textlinguistik und Textsortenlehre...........................................................................................3
2. Die Briefsorten...........................................................................................................................7
3. Analyse eines Briefs...............................................................................................................11
5. Literatur......................................................................................................................................15
6. Anhang.......................................................................................................................................16
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1. EinleitungDiese Seminararbeit ist für die Lehrveranstaltung Textlinguistik verfasst und
befasst sich grundsätzlich mit dem Bereich der Textsortenlehre, genauer
genommen mit den Briefsorten. Briefsorten sind ein in der Textlinguistik
ziemlich unerforschtes und breites Gebiet und sind daher für linguistische
Untersuchungen geeignet. In dem theoretischen Teil der Seminararbeit werde
ich kurz die Grundthesen der Textlinguistik vorstellen, danach widme ich mich
dem Begriff der Textsorte und der Klassifikation von Textsorten und
schließlich dem Brief, insofern als man von dem Brief als Textsorte sprechen
kann. In dem empirischen Teil der Arbeit versuche ich einen Brief einer
textuellen Analyse nach den Kriterien der Textualität zu unterziehen,
herauszufinden, um welche Briefsorte es sich handelt und inwiefern der Brief
den Merkmalen der jeweiligen Textsorte entspricht. Der Brief, den ich
ausgewählt habe ist der Brief, den Franz Kafka in der Nacht vom 22. zum 23.
Januar 1913 an seine verlobte Felice Bauer geschrieben hat.
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2. Textlinguistik und TextsortenlehreMit dem wissenschaftlichen Objekt der Textlinguistik, dem Text, befassten sich
seit Jahrtausenden zahlreiche Disziplinen, von der antiken Rhetorik, über die
Theologie, Literaturwissenschaft bis der Stilistik, Pragmatik, Sprechakttheorie.
Die Textlinguistik ist eine junge linguistische Disziplin - sie begann sich in den
sechzigerer und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu entwickeln. Sie ist
ein Gebiet der multidisziplinären Forschung. Wir alle können einen Text intuitiv
erkennen, aber die Textlinguistik versucht, den Begriff des Textes
wissenschaftlich zu definieren und zu untersuchen. Die Definition des Textes,
beziehungsweise, welche Eigenschaften einen Text von einem Nicht- Text
unterscheiden, ist eine der zentralen Fragestellungen der Textlinguistik.
(Schrodt, S. 26ff) Eine einheitliche Definition des Textes gibt es nicht, aber
dafür eine Definition der Textualität. Die Textualität ist die Eigenschaft Text zu
sein, die Eigenschaft, die einen Text zum Text macht. Sie besteht aus
Textualitätskriterien, die 1981 Beaugrande und Dressler aufgestellt haben. Um
ein Text zu sein, muss der Text folgende Kriterien erfüllen: die Kohäsion
(formaler Zusammenhalt des Textes), die Kohärenz (inhaltlicher
Zusammenhalt), die Intentionalität (der Text ist mit einer Absicht, einem Ziel
verfasst), die Akzeptabilität (er ist einer Situation angemessen), die
Informativität (er bringt eine neue Information), die Situtionalität (er ist für eine
aktuelle oder rekonstruierbare Kommunikationssituation relevant) die
Intertextualität. (ein Text ist abhängig von einem oder mehreren anderen)
(Beaugrande, Dressler, S. 4ff)
Außer mit der Textualität befasst sich die Textlinguistik auch mit der
Klassifikation und Beschreibung von verschiedenen Textsorten.
Es gibt grundsätzlich zwei Richtungen in der Textlinguistik. Die ältere,
sprachsystematische, betrachtet den Text als ein System, wurde von dem
Strukturalismus beeinflusst und befasst sich mit den sprachlichen und
formalen Aspekten des Textes. Sie erforscht wie einzelne Sätze durch
grammatische, aber auch nichtgrammatische, semantische Mittel zu einer
Ganzheit verbunden werden. Die andere ist eher kommunikativ orientiert,
wurde von der Pragmatik, Sprechakttheorie beeinflusst und betrachtet den
Text als eine soziale Handlung, aus dem kommunikativen, funktionalen,
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situativen Aspekt. Diese Richtung erwies sich als versprechender , da sie
unserem intuitiven Verstehen des Textes näher liegt. Der Text ist mehr als
eine grammatisch verbudene Satzfolge. Es ist eine sprachliche Handlung mit
einem Ziel und mit Partnern. Aber heute dominiert eine integrative Sicht auf
den Begriff des Textes, die beide Richtungen miteinbezieht. Die
kommunikative Funktion eines Textes beeinflusst immer seine formale und
grammatische Struktur und diese beiden Aspekte des Textes sind schwer zu
trennen. (Schrodt, S. 265)
Außer mit der Textualität befasst sich die Textlinguistik auch mit der
Klassifikation und Beschreibung von verschiedenen Textsorten, obwohl im
geringerem Maße, als mit der Textualität. Die Textsortenlehre versucht die
Textsorten anhand bestimmter Merkmale zu beschreiben. Es handelt sich um
ein problematisches Forschungsgebiet, da diese Kriterien, Merkmale keine
objektive Basis haben. Manche Textsorten erben wir durch die konventionelle
Praxis. Die Kriteren, nach denen die Textsortenlehre versucht, Textsorten zu
klassifizieren, sind zahlreich: das Thema, die Intention, kommunikative
Kriterien und viele andere. (Schrodt, S. 273)
Neben den theoretischen Textsorten der Wissenschaft existieren auch
Textsorten der Alltagswelt. Wir ordnen intuitiv viele Texte, denen wir
begegnen, zu bestimmten Textklassen, ohne Nachdenken und Analysen. Die
wissenschaftlichen Textsorten sollten von den alltäglichen nicht im großem
Maße abweichen, die Theorie sollte nicht lebensfremd sein. Die
Alltagskonzepte der Textsorten sollten der Ausgangspunkt und die Grundlage
für die Textsortenlehre sein. In der alltäglichen Auffassung differenzieren wir
sehr viele Textsorten, unzwar mit feinen Unterschieden (Wetterbericht und
Reisewetterbericht). Im Alltag werden Textsorten nach den Kriterien der
kommunikativen Situation (eine Nachricht und eine Anweisung unterscheiden
sich nach der Situation), der Texfunktion (ein Brief hat eine andere Funktion
als ein Zeitungsartikel) und des Textinhalts (ein Kochrezept und ein
Arztrezept) klassifiziert, wobei das dominierende Kriterium die Textfunktion ist.
(Brinker, S. 140 ff)
Klaus Brinker definiert folgendermaßen die Textsorte:
“Textsorten sind konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche
Handlungen und lassen sich als jeweils typische Verbindungen von
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kontextuellen (situativen), kommunikativ- funktionalen und strukturellen
(grammatischen und thematischen) Merkmalen beschreiben. Sie haben sich
in der Sprachgemeinschaft historisch entwickelt und gehören zum
Alltagswissen der Sprachteilhaber; sie besitzen zwar eine normierende
Wirkung, erleichtern aber zugleich den kommunikativen Umgang, indem sie
den Kommunizierenden mehr oder weniger feste Orientierungen für die
Produktion und Rezeption von Texten geben. “ (Brinker, S. 144)
Die Textsortenlehre ist ein noch relativ unerforschtes Gebiet auch deswegen,
weil es schwer die für eine Textsorte gültigen Merkmale von den Merkmalen
die für eine Schreibweise eines bestimmten Verfassers kennzeichend sind, zu
trennen.
Brinker nimmt als das grundlegende Kriterium für die Klassifikation der
Textsorten die Textfunktion. Daraus resultieren fünf große Textklassen:
Informationstexte (zum Beispiel Nachricht), Appelltexte (Werbeanzeige),
Obligationstexte (Vertrag), Kontakttexte (Ansichtskarte), Deklarationstexte
(Testament). Innerhalb dieser Klassen kann man Texte weiter, nach den
kontextuellen und strukturellen Kriterien differenzieren.
Die kontextuellen Kriterien sind die Kommunikationsform und der
Handlungsbereich. Texte kommen immer in einer bestimmten
Kommunikationssituation vor und sind durch das Medium bestimmt. Medien
bestimmen die Kommunikationsform. Die wichtigsten Kommunikationsformen
sind: das direkte Gespräch, das Telefongespräch, dei Rundfunksendung, die
Fernsehsendung, der Brief und der Zeitungsartikel oder das Buch. So ist für
die Kommunikationsform kennzeichnend, das sie monologisch ist, der Kontakt
zwischen den Kommunikationspartnern ist räumlich und zeitlich getrennt und
der Text ist schriftlich fixiert (alles im Gegensatz zum Gespräch). (Brinker, S.
145 ff). Die Kommunikationssituationionen finden immer im Rahmen
bestimmter gesellschaftlicher oder Handlungsbereiche, für die bestimmte
Regeln und Normen gelten. Im privaten Bereich kommunizieren Personen als
Privatpersonen (zum Beispiel Freunde) und im offiziellen Berich in ihrer
offiziellen Rolle (Institutionen, Gesprächspartner). Es gibt Textsorten, die für
den privaten, beziehungsweise offiziellen Berich typisch sind, zum Beispiel die
Ansichtskarte für den privaten und Gesetz für den offiziellen Bereich. Die
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Zugehörigkeit zu einem Bereich beeinflusst die sprachliche und thematische
Gestaltung der Texte.
Zu strukturellen Kriterien gehören das Textthema und die Form der
thematischen Entfaltung. All diese Kriterien dienen eher der Abgrenzung, als
der Beschreibung der Textsorten. (Brinker, S. 148 ff)
Briefsorten sind Textsorten, die innerhalb der Kommunikationsform Brief
vorkommen und sie werden in dieser Seminararbeit mit Anlehnung auf Karl
Ermerts Buch “Briefsorten- Untersuchung zu Theorie und Empirie der
Textklassifikation” beschrieben. Ermert versteht Texte als “Produkte und
Medien sozialen Handelns durch die Sprache” (Ermert, S. 51). Jeder
Handlung liegt eine Absicht/ Intention/ Funktion zugrunde. Er nimmt also als
das wichtigste Kriterium der Textklassifikation die Funktion des Textes. Das
zweite Kriterium ist die soziale Situation und das dritte, das durch die beiden
ersten determiniert ist, die sprachliche und formale Gestaltung des Textes.
(Ermert, S. 51)
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2. Die BriefsortenDer Brief ist ein Medium sprachlich vermittelten sozialen Handelns und eine
Kommunikationsform. (Ermert, S. 53) Der Brief unterscheidet sich von den
Formen mündlicher Kommunikation durch seine schriftliche Fixierung,
Indirektheit, durch den räumlichen und zeitlichen Abstand zwischen den
KOmmunikationspartnern, durch das Entfallen mancher nichtverbaler
Elemente (Intonation, Husten, Zögern be idem Sprechen…). Briefe waren
früher ein Zeichen eines hohen Grades der Entwicklung einer
Gesellschafteines Kulturkreises. Die Briefkommunikation setzt die Lese- und
Schreibfähigkeit der Bevölkerung und einen entwickelten
Informationsaustausch (Post) voraus. Aber heute kann man, wegen der
neuen Medien (Telefon, Internet…) , die den Brief verdrängen, sagen, dass
wir am Ende des “Briefzeitalters” stehen. (Ermert, S. 56)
Die Kommunikationspartner können in der brieflichen Kommunikation in
verschiedenen Verhältnissen stehen., was sich auf die Gestaltung des Briefes
auswirkt. In privaten Briefen ist es üblich, dass sich beide Partner kennen. Bei
der Verehrerpost, die an Stars und Personen aus dem öffentlichen Leben
gerichtet ist, kennt der eine Partner den anderen aber nicht umgekehrt. Bei
der Geschäftskorrespondenz und Behördenbriefen kennen sich oft beide
Partner überhaupt nicht. Es gibt auch Briefe, bei denen der Empfänger nicht
definiert ist, zum Beispiel wenn sich Briefe, die in Zeitungen erscheinen, an
eine breite Leserschaft wenden. Das sind aber widerum Granzfälle der
Briefsorten. (Ermert, S. 57)
Eine Eigenschaft, die der Brief besitzt, und das direkte Gespräch nicht, ist die
Möglichkeit, dass der Verfasser, Sender und Hersteller des Textes nicht
identisch sind, dass es sich nicht um eine Person handelt. Bei den
Geschäftsbriefen kann der Verfasser des Briefes ein Sachbearbeiter sein, der
Herstller eine Schreibkraft und der offizielle Sender ein Unternehmen. Bei
Privatbriefen besteht am häufigsten eine Identität dieser drei Akteure. (Ermert,
S. 57)
Ermert definiert den Brief nicht al seine Textsorte, weil alle Exemplare einer
bestimmten Textsorte mit der ein und selben Absicht, Intention verfasst sein
müssen. Da zum Beispiel der Liebesbrief und ein Geschäftsbrief mit
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unterschiedlichen Absichten geschrieben sind, können sie nicht zu der selben
Textsorte gehören. Deswegen ist der Brief eine Kommunikationsform und
verschiedene Briefsorten gehören zu verschiedenen Textsorten. (Ermert, S.
59) Der Brief ist eine Kommunikationsform, die grundsätzlich offen für alle
möglichen Intentionen, Themen, Beriche, sprachliche Strukturen ist. Das
macht ihn interessant für Untersuchungen.
Die Faktoren, die Briefsorten konstituiern sind: die Zugehörigkeit zu der
Kommunikationsform Brief, die Intention des Verfassers, die Zugehörigkeit zu
einem Handlungsbereich, spezifische textinterne Strukturen und äußere
Formalien. (Ermert, S. 67) Die Kriterien, nach denen man Briefsorten
differenzieren kann, können nach Ermert in fünf Dimensionen geordnet
werden: die Handlungsdimension, die thematische Dimension, die
Situationsdimension, die sprachlich- strukturelle und die formale Dimension.
Die Handlungsdimension umfasst die Intention und den Handlungsbereich.
Die Briefsorten können mit vier dominierenden Intentionen verfasst werden:
die Kontaktintention (den sozialen Kontakt zum Partner herstellen, pflegen,
beenden), die Darstellungsintention (einen Sachverhalt objektiv darstellen),
die Wertungsintention (einen Sachverhalt werten) und die
Aufforderungsintention (jemanden zu einem bestimmten Verhalten
veranlassen). (Ermert, S. 69) Es gibt Briefsorten, bei denen die eine Intention
rein realisiert wird (Liebesbriefe- Kontaktintention), aber sind in einem
konkreten Brief verschiedene Intentionen vermischt. Wenn man jemendem
einen Brief schreibt will man Kontakt zu ihm aufnehmen, man kommuniziert
immer über “etwas”, über einen Sachverhalt, man tut es üblicherweise
wertend (man gibt dem Sachverhalt persönliche Kommentare). Dazu handelt
man kommunikativ am häufigsten, weil man damit etwas bewirken will,
jemanden implitiz oder explizit veranlassen will, etwas zu tun oder nicht zu tun.
(Ermert, S. 73) Oft dominiert aber die eine Grundintention, die man manchmal
an der sprachlichen Gestaltung des Briefes ablesen kann (zum Beispiel
explizit performative Verben, die auf die Aufforderungsfunktion hinweisen).
Der Handlungsbereich determiniert die sprachlichen Regeln. Man
unterscheidet grundsätzlich zwischen Privatbriefen (dem Provatbereich) und
offiziellen Briefen (der offizielle Handlungsbereich). Bei den offiziellen Briefen
gibt es Verhaltensmuster, die verbindlicher sind, als bei Privatbriefen. Von
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diesen Normen darf man eigentlich nicht abweichen, am sonsten gibt es
Folgen (zum Beispiel für den sozialen Status des Verursachers). (Ermert, S.
76)
Was die Themen anbelangt, gibt es bei privaten Briefen eine große
thematische Vielfalt während offizielle Briefe auf bestimmte Themen
beschränkt sind. (Ermert, S. 80)
Die Situationsdimension umfasst den Bekannschaftsgrad der
Kommunikationspartner und die Produktions- und Rezeptionsbedingungen.
Private Briefe werden in der Regel zwischen Personen, die sich persönlich
kennen ausgetauscht, wogegen dies bei der Geschaftskorrespondenz nicht
der Fall ist. Beide der Absender und Empfänger können eine oder mehrere
Personen oder eine Organisation sein.
Unter Produktions- und Rezeptionsbedingungen versteht man die Identität,
beziehungsweise nicht-Identität des Verfassers/Schreibers/Senders und des
Empfängers/Adressatens/Lesers. (Ermert, S. 85)
Die sprachliche und strukturelle Dimensin bezieht sich auf die Auswahl der
lexikalischen und syntaktischen Mittel, die widerum stark von den
pragmatischen und situativen Gegebenheiten abhängen. Der Brief ist eine
Kommunikationsform, die offen für fast alle sprachlichen Formen ist. Wie
schon erwähnt, ist es die sprachlichen Merkmale, die für eine Briefsorte
kennzeichnend sein könnten schwer von den Merkmalen eines Soziolekts
oder Idioms abzugrenzen. (Ermert, S. 89) Die strukturelle Dimension umfasst
auc die Anrede- und Grußformeln. Diese werden in den offiziellen Briefen
sehr selten kreativ gestaltet und begrenzen sich auf Phrasen, wie
“Hochachtungsvoll” und “Mit freundlichen Grüßen. Bei Privatbriefen sieht es
ganz anders aus:
“Bei Privatbriefen richten sich Anrede und Schlußformel nach der Eigenart der
Beziehungen sowie dem Alters- und auch Standesunterschied zwischen dem
Schreiber und dem Empfänger . (…) Anrede und Schlussformel werden umso
förmlicher, je entfernter und lockerer die gegenseitigen Beziehungen sind.
Nicht zuletzt spielt bei der Wahl der Anrede und der Schlußformel die Art des
Briefanlasses eine Rolle. (…)” (Ermert, S. 103)
Anrede und Schlußformel können einerseits nur Relikte von Tradition und
Konvention sein, andererseits können sie eine indikatorische Funktion haben-
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sie können zeigen in welchen Verhältnissen die Kommunikationspartner
stehen. Sie können die Interpretation der im Brief enthaltenen Informationen
beeinflussen. Das Wegglassen der Grußformel ist je nach der Briefsorte zu
deuten. In der Geschäftskorrespondenz kann es die Sachlichkeit der
Beziehungen betonen und in privaten Briefen kann es ein negatives Verhältnis
zwischen den Kommunikationspartnern signalisieren. (Ermert, S. 105)
Ein und dieselbe Anrede kann nach Handlungsbereich unterschiedliche
Effekte hervorrufen. “Lieber XY” wirkt in privaten Briefen förmlich und in
offiziellen zwanglos.
Schließlich bleibt die formale Dimension: der Format, und die Farbe der
Briefhülle, Merkmale des Briefblattes, die Verschriftungsart (handgeschrieben,
maschinengeschrieben)… All diese Merkmale sind averbale Zeichen. Neben
den verbalen Zeichen tragen auch sie zur Gesammtbedeutung des Briefes
bei. Diese averbale Zeichen ersetzen einen teil der Informationen, die bei
einem direkten Gespräch present sind und in der Schrift nicht (Intonation,
Lautstärke, Mimik, mit denen man Emotionen ausdrückt. (Ermert, S. 108)
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3. Analyse eines BriefsFür die Analyse wählte ich den Brief, den der Schriftsteller Franz Kafka in der
Nacht vom 22. zum 23. Januar 1913 an seine verlobte Felice Bauer
geschrieben hat. Zuerst analysiere ich inwiefern der Brief die Kriterien der
Textualität erfüllt, ob man mit Sicherheit sagen kann, dass es sich um einen
Text handelt und danach versuche ich den Brief kurz nach den Klassifikation
von Karl Ermert, dessen Buch die Grundlage für den theoretischen Teil der
Arbeit war, zu beschreiben.
Das erste Kriterium, die Kohäsion, ist eindeutig erfüllt. Die Sätze sind
grammatisch korrekt und mit einander verbuden. Darauf weisen viele
phorische Elemente hin, zum Beispiel: „Soll ich nun schlafen gehn oder Dir
vorher meine geschäftlichen Einfälle schreiben. Nein, ich
schreibe sie doch noch, es ist um jeden Tag schade, an dem sie nicht
ausgeführt werden. „ Im zweiten Satzt steht das Pronomen „sie“, zweimal, für
die „geschäftlichen Einfälle“. Es handelt sich um die Anaphorik. Das Gleiche
gilt für die Sätze: „Letzthin machte ich den Vorschlag, einen Musiksalon
einzurichten, und nun zeigt sich, daß schon 2 seit Jahren in Berlin bestehn.
(Daß es aber in jeder größern Stadt einen gibt, ist wirklich nicht hübsch.)“ Das
Pronomen „eine“ nimmt Bezug auf „ein Musiksalon“.
Die Kohärenz ist auch erfüllt. Der Autor erwähnt im folgenden Sätzen zwei
semantische Konzepte; „schlafen“ und „Traum“, die in einer Relation der
thematischen Ähnlichkeit stehen und dafür die inhaltliche
Zusammengehörigkeit des Textes sichern:
„Sehr spät, Liebste, und doch werde ich schlafen gehn, ohne es zu verdienen.
Nun, ich werde ja auch nicht schlafen, sondern nur träumen. Wie gestern z.B.,
wo ich im Traum zu einer Brücke oder einem Quaigeländer (...)“
Das Gleiche gilt für die Konzepte „weinen“ „verzweifeln“ und „sich in
Verwirrung bringen“, die oberflächlich nicht mit einander verbuden sind, aber
die logisch in einer engen Verbingung stehen können:
„Liebste, Du weinst?“, „Das bedeutet, daß Du an mir verzweifelst“, „ (...) bring
Dich nicht in Verwirrung (...)“
Die Intentionalität ist auch erfüllt. Kafka schreibt den Brief mit der Absicht,
siner Liebsten, seine neuen Ideen mitzuteilen, sie zu trösten, ihr einige Rate
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zu geben... Das der Verfasser mit einer Absicht schreibt kann man eindeutig
an bestimmten Sätzen ablesen: „Soll ich nun schlafen gehn oder Dir vorher
meine geschäftlichen Einfälle schreiben. Nein, ichschreibe sie doch noch (...)“,
„Ich opfere meine Nächte für Dein Geschäft“
Die Akzeptabilität ist auch erfüllt. Es handelt sich um einen Text, der für beide
Kommunikationspartner relevant ist. Die Partner teilen bestimmtes Wissen
und haben gemeinsamme Themen. Darauf weisen einige Sätze hin: „Du hast
doch schon die Erfahrung gemacht, daß es mit mir im Kreise geht. “ Kafka
spricht auch von einem Hotel, das ihnen beiden bekannt ist, von dem aber ein
dritter Leser nichts weis: „Übrigens muß man wegen der Hotels die Hoffnung
nicht aufgeben und sollte es als eifriger Geschäftsmann heute nach Ablauf
eines 1/2 Jahres von neuem versuchen.“
Die Informativität ist durch die Anwesenheit neuer Informationen erfüllt (neue
Ideen, der Traum, Probleme mit dem Schreiben...).
Der Text ist für eine Kommunikationssituation relevant. Diese
Kommunikationssituation ist diejenige, in der ein Liebespaar räumlich getrennt
ist. Die Möglichkeit des direkten Gesprächs existiert also nicht und der Brief ist
in diesem Fall eine angemessenere Kommunikationsform, als zum Beispiel
das Telegramm, weil er ermöglicht viel mehr Informationen mitzuteilen und
auch eine Freiheit bei der sprachlichen Gestaltung des Textes. Dadurch ist die
Situationalität erfüllt.
Man kann sagen, dass das Kriterium der auch Intertextualität erfüllt ist, da sich
der Brief auf andere, frühere und folgende Briefe bezieht: „Antworte mir
ausführlich“, „Und nicht 2 Briefe täglich, Liebste!“
Da alle Kriterien der Textualität erfüllt sind, ist es eindeutig, dass es ein Text
ist.
Es ist ein Brief, der von einem Schriftsteller geschrieben ist und er ist durch
eine komplexe Syntax gekennzeichnet. Man kann daher kein Muster der
thematischen Progression erkennen.
Was den Handlungsbereich angeht, handelt es sich um einen privaten Brief,
genauer um einen Liebesbrief. Das ist aus der Anrede und der Schlussformel,
die alles andere als förmlich ist, ersichtlich: „Und nun ernstlich »Gute Nachtt«
und einen Kuß, hilflos vor Liebe.“, „Liebste“ Der Bekanntschaftsgrad zwischen
den Partnern ist hoch, sie kennen sich persönlich. Der Schreiber, Verfasser
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und Sender sind identisch, sowie der Adresat, Leser und Bearbeiter. Der
Verfasser dutzt seine Kommunikationspartnerin.
Nach der Funktion ist dieser Brief ein Kontaktbrief. Die Grundintention des
Briefs ist ohne Zweifel die Kontaktintention. Aber auch andere Intentionen sind
present: die Aufforderungsintention („Und ordentlich zu Mittag essen! Und
ruhig sein! Nicht weinen! Nicht verzweifeln“), die Wertungsfunktion (der
Verfasser äußert seine Meinung, das Hotel und neue technische Erfindungen
betreffend).
Über Informationen, die die formelle Gestaltung des Briefes, der Briefhülle
betreffen, verfüge ich nicht.
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4. Schlussfolgerungxxxxxxx
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5. Literatur1. Beaugrande, Robert-Alain; Dressler, Wolfgang Ulrich (1981): Einführung in die
Textlinguistik, Niemeyer Verlag, Tübingen2. Brinker, Klaus (1985) : Linguistische Textanalyse, eine Einführung in
Grundbegriffe und Methoden , Erich Schmidt Verlag, Berlin3. Ermert, Karl (1979) : Briefsorten, Untersuchungen zu Theorie und Empirie der
Textklassifikation, Niemeyer Verlag, Tübingen4. Schrodt, Richard (2007): Tekstna lingvistika, in: Glovacki-Bernardi, Zrinjka
(Hrsg.): Uvod u lingvistiku, Školska knjiga, Zagreb
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6. Anhang
http://www.odaha.com/sites/default/files/BriefeAnFelice.pdf
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