Birkenbihl - Neulich Sagte Gott Zu Mir

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Neulich sagte Gott zu mir...

Vera F. Birkenbihl

VorbemerkungDieser Aufsatz ist meine Antwort auf die regelmig auftauchende (Doppel-)Frage meiner Seminar-Teilnehmer/innen: Glauben Sie eigentlich an Gott? (Wenn ja, wie sieht Ihr Gottesbild aus?) Manche Fragesteller/innen mchten die eigene Vorstellung von Gott mit meiner vergleichen. Manchmal aber steckt hinter der Frage eine andere, die erst spter im Gesprch auftaucht, nmlich: Wie knnen Sie es wagen, (dieses) zu behaupten, wenn wir genau wissen, da Gott (das) von uns fordert? (Konkretes Beispiel: Wie knnen Sie es wagen, im Seminar von persnlichen Zielen fr individuellen Erfolg zu sprechen? Schlielich heit es im Vaterunser Dein Wille geschehe, also ist Gottes Wille wichtiger als egoistische Ziele des Einzelnen, oder?!) Die Vehemenz solcher Angriffe steht oft in krassem Gegensatz zur Idee christlicher Nchstenliebe, denn dieses Gottesbild ist kein LIEBE-ndes, deshalb frchten die Betroffenen einen (jh-)zornigen, strafenden Gott. Mein Gottesbild ist anders. Um es zu verstehen, beginnen wir damit, uns jetzt kurz mit der Hackreihe von Hhnern auf dem Bauernhof zu befassen...

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Von Hennen...Stellen Sie sich einen Hhnerhof vor. Die Hennen haben ihre Hackreihe in der Vergangenheit eruiert; also hat jede der neun Hhner ihren spezifischen Status in der Gruppe. Nun kauft der Bauer eine zehnte Henne und setzt die neue zu den anderen... Dies bringt Unruhe in die Hhnergruppe. Solange nicht geklrt ist, welchen Rang die neue haben wird, solange mu die Statusfrage allerhchste Prioritt haben. Aber wie gehen die Hennen vor? Wird es tage- oder wochenlange Schlachten geben? Werden alle Hennen gegen die neue kmpfen? Wird es einige Kampf-Turniere geben, bis die neue Hhner-Hierarchie ausgefochten wird? Was glauben Sie? Vielleicht mchten Sie ein wenig spekulieren, ehe Sie weiterlesen? Nun, die Hhner-Strategie wird Sie vielleicht berraschen. Unzhlige Versuche haben gezeigt, da es einen spezifischen Schlacht-Plan gibt, an den sich jede Hhnergruppe hlt: Zunchst strzt sich eine Henne aus der Mitte der Rangfolge auf die neue, also in unserem Fall z.B. die Henne Nr. 5. Gewinnt die Neue, dann kmmern sich die Hennen unterhalb des Ranges der Verliererin (also Nr. 6, 7, 8 und 9) berhaupt nicht mehr um sie. Verliert die Neue hingegen, so kmmern sich die Hennen 1,2,3 und 4 nicht mehr um sie, weil ihr Status ja durch den Sieg der Henne Nr. 5 erhalten blieb. (Denn wenn Nr. 5 die Neue besiegen kann, dann knnten es alle Hennen mit hherem Rang ebenfalls.)

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Dieser Proze luft sehr schnell ab. Die Henne Nr. 5 hatte die Neue angegriffen und sofort nach diesem ersten Kampf strzt sich wieder eine Henne aus der Mitte (der Rangordnung der verbleibenden Hennen) auf die Neue, wobei nach jedem kurzen Zweikampf die grtmgliche Menge der Hhner ausscheidet und sich wieder ihren Alltagsangelegenheiten (z.B. Wrmer suchen, Krner picken) zuwenden kann, whrend die Kolleginnen die noch ntigen Statuskmpfe durchfhren. Wenn wir ein wenig ber die phnomenale Effizienz nachdenken, mit der die Hennen ihre (neue) Hackreihe etablieren, dann knnen wir nur staunen! Natrlich betrachten wir die Situation aus dem Blickwinkel des Menschen, whrend wir gleichzeitig davon ausgehen, da die Hennen mit ihrem kleinen Hhnerhirn zu derartigen strategischen berlegungen gar nicht fhig sind... Trotzdem handeln die Hennen so, als verfolgten sie genau diese Strategie. Bitte bedenken Sie: 1. Diese Hhner-GRUPPE hat mit einem Minimum an Kraft- und Zeitaufwand etabliert, welchen Platz in der Hackreihe die Neue einnehmen wird. 2. Die GRUPPE Hhner reagiert als System wie ein eigenstndiger Organismus. 3. Die Fhigkeit der Hhner-GRUPPE zu intelligenten Strategien ist weit hher als die Intelligenz jedes einzelnen Mitglieds der GRUPPE. Wir Menschen haben Jahrzehnte gebraucht, bis wir diese clevere Gruppen-Taktik durchschaut haben, aber kein ein4 Vera F. Birkenbihl

zelnes Huhn ist in der Lage, die Strategie der HhnerGRUPPE zu begreifen (d.h., die Spielregel zu durchschauen gem welcher es agiert)! Nun ja, sagen Sie jetzt vielleicht, das mag ja groartig sein, aber was hat das mit Ihrem Gottesbild zu tun? Antwort: Alles!

Von Menschen...Wiewohl wir die Hhner zwar (einigermaen) durchschauen (begreifen) knnen, kann keine der Hennen uns verstehen. Wir knnten keiner Henne unsere Wnsche klarmachen, weil uns einfach Welten trennen! Vergleichen Sie bitte unsere Betrachtung der Hennen und unser Verhltnis zu Gott: Ich gehe davon aus, da unsere Position in der evolutionren Hierarchie um einige Stufen ber der jener Hennen liegt, aber ich gehe auch davon aus, da dieser Abstand nur ein Bruchteil des Abstandes sein kann, der uns von dem Gott trennt, auf den sich die Glubigen der groen Religionen berufen: Jener allmchtige Schpfungsgott, der (angeblich) ganz bestimmte Dinge von uns erwartet (wobei natrlich nur einige Menschen fhig sein sollen, uns diese Wnsche Gottes zu erlutern)... Wenn Gott so viel mehr ist, als ein Mensch, dann kann ihn kein Mensch je wirklich verstehen (genau so wenig, wie eine Henne einen Menschen verstehen knnte). Vielleicht heit es eben deshalb: Du sollst dir kein Bild machen, von Gott dem Herrn!Vera F. Birkenbihl 5

Wenn Gott aber anders ist, dann mu es legitim sein, wenn Menschen sich individuell bemhen, auf die einzig ihnen mgliche Weise ein wenig Verstndnis zu entwickeln. Dann kann niemand uns sagen, seine Vorstellung sei besser (richtiger) als unsere. Diese Freiheit bedeutet jedoch auch, da jede/r letztlich Ver-ANTWORT-ung trgt, mit welcher Vorstellung von Gott er der Welt ANTWORT-en will. Dann ist es legitim, Gott im Auen (z.B. in einem Dornbusch) oder Gott im Inneren (Gott-in-dir; auch-du-bistGott) zu suchen. Dann kann es auch einen Gott geben, der als erster Verursacher schon vorher existierte... Oder man kann sich einen Gott vorstellen, der sich mit dem Universum mit- und weiter entwickelt, also einen evolvierenden Gott. Mit diesem haben manche Menschen groe Probleme, denn ein fixierter Gott (der immer gleich war und sein wird) wre ein unvernderlicher Faktor im Sturm des stndigen Wandels, mit dem wir Menschen leben (mssen). Aber ein wahrhaft allmchtiger Gott htte wohl kaum (typische menschliche) ngste vor Vernderungen... Fr mich ist nicht so sehr die Vorstellung ausschlaggebend, die jemand von Gott entwickelt, als die Art des Verhaltens, die sich aus diesem Gottesbild ergibt: Mssen Andersglubige (vehement) abgelehnt und verfolgt werden? Gibt es nur einen richtigen Glauben (den eigenen)? Versucht man anderen den richtigen Glauben aufzuzwingen? Inspiriert das Gottesbild zu Liebe (oder fhrt es zu ngsten oder Intoleranz und Ha im Namen Gottes)?6 Vera F. Birkenbihl

Vom Gottesbild...Wenn wir also davon ausgehen knnen, da jedes Gottesbild dem verzweifelten Versuch eines Hhnerhirns gleicht, ein Wesen geistig zu erfassen, das so gigantisch ist, da es fr uns niemals erfabar sein kann, dann fllt es uns vielleicht leichter, diverse Gottesbilder als Mglichkeiten zu sehen, ber die man sehr wohl nachdenken (miteinander sprechen) kann. Sie kennen ja die alte Brahmanen-Story von den Blinden, die einen Elefanten untersuchen wollen. Derjenige, der den Elefantenrssel betastet sagt: Aah, ein Elefant ist schlangenhnlich!, whrend sein Kollege, der sich an einem Bein festklammert, energisch widerspricht: Quatsch Elefanten sind sulenartig!, woraufhin der dritte seinen Teil-Eindruck fr das Ganze hlt usw. Wir wissen natrlich, da es nicht darum gehen kann, wer im Recht ist, weil sie alle recht haben. So ist es m.E. auch mit Gott: Ich gehe davon aus, da jede der groen (und kleineren) Religionen einzelne Aspekte erfat hat, und ich halte es fr einen gravierenden Fehler, diesen Teil-Aspekt als einzige klar definierbare Natur Gottes zu deklarieren, wobei es ganz besonders schlimm wird, wenn dieser Teil-Aspekt als Entschuldigung herhalten soll, wenn man Andersdenkende ablehnt, verfolgt oder gar ttet... Ganz besonders traurig finde ich dies angesichts der Tatsache, da die Teil-Aspekte Gottes, die wir wahrhaben (im doppelten Wortsinn) knnen, von unseren Programmen und Lebenserwartungen (mit-)geprgt werden. Beispiel:

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Wer in einem klassisch protestantischen (calvinistischen) Umfeld aufgewachsen ist, hat gelernt, da alle Belohnungen erst im Paradies zu erwarten sind, denn dieses irdische Leben mu geprgt sein von Arbeit, Opfern, Mhsal und Enthaltsamkeit oft bis zum totalen Verbot von Musik und Tanz (z.B. bei den Baptisten). Die typischen Prgungen unserer Erziehung schaffen Wahrnehmungs-Filter, durch welche jede Idee, wie Gott wohl beschaffen sein knnte, hindurch mu, weshalb es einerseits so unterschiedliche Gottesbilder auf dieser Welt gibt, whrend wir andererseits erstaunt feststellen, da Menschen unterschiedlichster Kulturen zu sehr hnlichen Ideen ber Gott kommen knnen so gibt es z.B. immense berschneidungen hinsichtlich diverser Gedanken und Darstellungen (Mandalas) zwischen verschiedenen amerikanischen Indianerstmmen und Tibetern bzw. eine unglaubliche bereinstimmung zwischen den heiligen Klngen der Tibeter (den Oberton-Gesngen) und dem heiligen Gesang des australischen Didgeridoo-Blasinstruments. Solche hnlickeiten sind leicht nachvollziehbar, wenn wir davon ausgehen, da es eine einzige gigantische Kraft gibt, die wir mit einem Minimal-Geist-System zu erfassen versuchen, und da demzufolge hnlich gelagerte Geister hnliche Aspekte dieser Gotteskraft wahrnehmen werden!

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Mein persnliches Gottesbild...Fr mich gab es eine ursprngliche Kraft, die ich mir hnlich wie ein Feld vorstelle, welche/s der Urgrund/Ursprung war, dem das gesamte Universum entsprang. Diese Vorstellung ist unabhngig davon, ob unsere Welt eine bewute Schpfung darstellt oder ob Sie beilufig ent-stand, whrend diese Kraft sich mit etwas anderem befate, was unser Vorstellungsvermgen vollkommen bersteigt (so da es fr uns undenkbar ist). Aber diese Gotteskraft ist fr mich auch eine Art Seele des Universums, die sich mit diesem entfaltet und somit (wie andere Lebewesen auch) eine stndige Weiter-Entwicklung erleben darf. Diese evolvierende Gotteskraft wre heute komplexer als vor vier Milliarden oder vor 250 Millionen Jahren. Auch gefllt mir die Vorstellung, alles Geschaffene wurde von Gott geschaffen und mu demzufolge Teil haben an Seiner Gttlichen Natur. Bei Leuten, die wir nicht leiden knnen, wird die christliche Nchstenliebe jedoch gern in Urlaub geschickt, denn solche Beispiele sind immer etwas anderes, unpassend, falsche Analogien und berhaupt!... Dann benehmen wir uns wie die Hhner und hacken auf alles los, was wir als Bedrohung empfinden... GaGaGaGaaaaa... Aber die Qualitt eines Gottesbildes zeigt sich m.E. auch daran, ob es uns hilft, uns einander ein wenig anzunhern, denn fr mich ist die bedingungslose LIEBE das zentralste Element der gttlichen Kraft also genau das, was uns Menschen oft so schwer fllt...Vera F. Birkenbihl 9