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Bilfinger Berger Magazin 01 2010 Ein Heft zu Natur und Wirtschaft in den Alpenländern 8 Schweiz Weltrekorde mit Wasserkraft | 34 Deutschland Ein Dorf im Aufwind | 42 Italien Im Tal der Eismacher | 46 Österreich Land der Erdgasspeicher | 50 Frankreich Route des Grandes Alpes

Bilfinger Berger Magazin - Agentur.ZS

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Bilfinger Berger Magazin01 2010

Ein Heft zu Natur und Wirtschaft in den Alpenländern

8 Schweiz Weltrekorde mit Wasserkraft | 34 Deutschland Ein Dorf im Aufwind | 42 Italien Im Tal derEismacher | 46 Österreich Land der Erdgasspeicher | 50 Frankreich Route des Grandes Alpes

Bilfinger Berger Magazin // 01 20102 \\ IMPRESSUM

Bilfinger Berger Magazinwww.magazin.bilfinger.de

Herausgeber:Bilfinger Berger AGCarl-Reiß-Platz 1 – 568165 MannheimTel. 0621 459-0Fax 0621 459-2366www. bilfinger.de

Verantwortlich:Michael Weber, Bilfinger BergerChefredaktion:Dr. Daniela Simpson, Bilfinger Berger,Bernd Hauser, [email protected] und Layout:Steven Dohn, Theo Nonnen, Bohm und Nonnen, Büro für GestaltungBildredaktion:Helge Rösch, agentur.zs

Titelbild: tickera/photocase.comBildbearbeitung: Goldbeck ArtDruck: ColorDruck LeimenVersandkoordination:Business Service Weber

Das Bilfinger Berger Magazin erscheintzweimal jährlich auf Deutsch und Eng lisch.Alle Rechte sind vorbehalten. Namentlichgekennzeichnete Beiträge geben nicht injedem Fall die Meinung des Herausgeberswieder. Nachdruck und elektronische Ver-breitung, auch auszugsweise, sind nur mitGenehmigung der Redaktion möglich. Das Bilfinger Berger Magazin wird auf FSC-zertifiziertem Papier gedruckt.

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HERBERT BODNERVorstandsvorsitzender der Bilfinger Berger AG

VERKNÜPFUNG VON NATUR,WIRTSCHAFT UND LEBENSQUALITÄT

Die Alpen: grüne Almen, Lederhosen, Kitzbühel im Schnee.Ein Viertel des Welttourismus spielt sich hier ab. Kein Wun-der, dass Klischees als Erstes in den Sinn kommen.

Doch die Alpen haben mehr zu bieten. Hier leben 14 Mil-lionen Menschen in sieben Ländern, mit einer Vielzahl ver-schiedener Kulturen und Sprachen. Die Alpen sind nichtnur das am dichtesten besiedelte, sondern auch das ammeisten genutzte Gebirge der Welt: als Ferienziel, als größ-tes europäisches Wasserreservoir und als Transitstrecke im europäischen Waren- und Verkehrsfluss.

Dass Naturerbe, Wirtschaft und Lebensqualität hier soeng miteinander verknüpft sind, macht die Region beson-ders interessant. Sie ist ein Mikrokosmos, der in vielerleiHinsicht für Europa beispielhaft sein könnte.

Bilfinger Berger ist an einigen richtungweisenden Pro-jekten im Alpenraum beteiligt, die wir Ihnen auf den fol-genden Seiten vorstellen wollen. Ich wünsche Ihnen unter-haltsame Lektüre.

Ihr

4 \\ INHALT

22 die möglichmacher

In der Schweizer Verwaltungsmetro-pole Genf wollen sich internationaleUnternehmen ganz auf ihr Kernge-schäft konzentrieren. Der Bedarf anprofessionellem Gebäudemanage-ment ist groß. Bilfinger Berger ent-lastet Global Player bei der Bewirt-schaftung ihrer Liegenschaften.

26 trittsicher

Bettina Sulliger-Perren, 40, ist einevon wenigen Schweizer Bergführe -rinnen. Wie setzt sich eine Frau indieser Männerdomäne durch? Ein Gespräch über skeptische Gäste,das Gipfelglück und über Schutz -engel im Gebirge.

28 vor dem durchbruch

Mineure von Bilfinger Berger spren-gen die Röhren für den Gotthard-Basistunnel immer weiter RichtungSüden. Jetzt steht der längste Eisen-bahntunnel der Welt kurz vor demDurchschlag.

01 2010

Bilfinger Berger Magazin

2 Impressum3 Editorial4 Inhalt6 Kaleidoskop

8 im druckschacht

Wie zwängt man Rohre mit drei Metern Durchmesser in einen vierKilometer langen, steil abfallendenDruckschacht? Die österreichischeMCE war der Aufgabe gewachsenund sanierte die größte SchweizerWasserkraftanlage, Cleuson-Dixence.Seit 2009 gehört das Unternehmenzur Bilfinger Berger Gruppe.

16 luxus des einfachen lebens

Eine 14 Quadratmeter große Hütteohne Strom und fließend Wasser in den Lechtaler Alpen: für AutorStefan Scheytt genau der richtigeOrt für Ferien mit drei Kindern.

2616

TITELTHEMA /// DER BERG RUFT

DIE BERGFÜHRERINURLAUB OHNE STROM

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42 das tal der eismacher

In Deutschland beginnt der Früh -ling, wenn die italienischen Eis -dielen wieder aufmachen. Wo aberwaren die Gelatieri im Winter? Ein Besuch im Zoldotal in den Dolo-miten, dem Zuhause der Eismacher.

46 depot im untergrund

Experten sagen voraus, dass Erdgasin den kommenden Jahrzehntenzum bedeutendsten Energieträgerwird. Umso wichtiger wird es, dasGas auf Vorrat halten zu können. In Oberösterreich ist Bilfinger Ber-ger am Ausbau eines der größtenErdgasspeicher Europas beteiligt.

50 strassen der welt:

route des grandes alpes

Sie gilt als die Königin der Alpen -straßen: Die Route des Grandes Alpes überwindet zwischen GenferSee und Côte d’Azur 16 Hochalpen-pässe. Eine Traumstraße für ehrgei-zige Radsportler und Autowanderer.

/// N EWS

48 ringautobahn / Technisch an -spruchs voller Anschlussauftrag in Stockholm.strukturfonds / Bilfinger Berger ist in Polen an großen Straßen- undTunnelprojekten beteiligt.facility-management / Zuwächse im Immobilienservice durch Verträgemit WestLB, AXA und IVG.magnettechnik / ErfolgreicheTeilchenkollision am CERN mit Groß-magneten von Bilfinger Berger.

49 instandhaltung / Langfristige Ver-träge lassen den Industrieservice europaweit wachsen. wüstenstrom / Bilfinger Berger tritt Desertec bei. Die Initiative willEuropa mit umweltfreundlicher Energie versorgen.öffentlich-private partner / NeuerAuftrag in Australien; Inbetriebnah-me der ungarischen M6.

34 ein dorf im aufwind

Das Dorf Wildpoldsried im Allgäuproduziert jede Menge sauberenStrom. Nicht, dass die Ein heimi scheneingefleischte Umweltschützer wären. Aber sie können rechnen.

38 die ölfänger

Auf einem ehemaligen Raffinerie -gelände in der Donaustadt Kor -n euburg schlummert eine der größ-ten Altlasten Österreichs. BilfingerBerger entwickelte ein vielverspre-chendes Sanierungskonzept. Jetztwird der Unter grund mithilfe vonAktivkohle und Bodenbakterienfrisch belebt.

40 der alpenrocker

Als junger Rebell floh der MusikerHubert von Goisern aus seiner oberösterreichischen Heimat. In derFremde fand er seine Wurzeln – undverknüpfte Rock ’n’ Roll mit Jodelnund Ziehharmonika. Ein Porträtüber den Erfinder des Alpenrocks.

4028 46

ENDSPURT AM GOTTHARD HUBERT VON GOISERN ERDGAS SATT

6 \\ KALEIDOSKOP Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

GIPFELDERGENÜSSE

KÖNIGSDISZIPLIN

Der Abfahrtslauf ist die Königsdisziplin bei Olympischen Winter-spielen. Meistens nehmen Alpenanrainer die Goldmedaille mitnach Hause:

Herren Damen

2010 Didier Défago CH Lindsey Vonn USA2006 Antoine Dénériaz F Michaela Dorfmeister A2002 Fritz Strobl A Carole Montillet F1998 Jean-Luc Crétier F Katja Seizinger D1994 Tommy Moe USA Katja Seizinger D1992 Patrick Ortlieb A Kerrin Lee-Gartner CAN1988 Pirmin Zurbriggen CH Marina Kiehl D1984 Bill Johnson USA Michaela Figini I1980 Leonhard Stock A Annemarie Moser A1976 Franz Klammer A Rosi Mittermaier D

RICHARDS WÜRSCHTEL I.

Seit 40 Jahren steht Richard Ritsch, 54, auf dem Stilfser Joch, dem höchsten Pass Italiens, und verkauft Schweinsbratwurst und Bockwurst,dazu Sauerkraut und „unglaublich gutes Brot“, alles für fünf Euro. Viele Stammgäste auf dem Weg über die Alpen legen an „RichardsWürschtelstandel“ auf 2757 Meter einen Stopp ein. „Ich habe die bestenWürste Europas“, ist Ritsch überzeugt: „Denn in der Höhe schmeckt es einfach am besten.“

NAGER AUF LAGER

Das Murmeltier (Marmota marmota) ist das größte Nagetier der alpi-nen Tierwelt. In der Schweiz und in Österreich werden pro Jahr bis zu 15 000 Exemplare erlegt. Ihr Fett gilt als cortisonreiches Heilmittel undwird in Muskelsalben verwendet. Und manchmal werden die possierli-chen Tiere noch heute als Braten oder Ragout angeboten. Eine Auswahlan Restaurants:www.alpetta.ch | www.jesacherhof.at | www.laret.ch

NATÜRLICH SCHMECKT’S II.

Stefan Wiesner kocht in seinem „Gasthof Rössli“ in Escholzmatt imSchweizer Entlebuch mit Zutaten, die er in der Natur findet: geräu -cherte Schneeflockensuppe, Lammfilet an Weidenholz, Kalbsfilet mitAmeisensäure mariniert oder mit Rottanne geräuchert, zum NachtischMisteleis. Wiesner gilt als einer der kreativsten Köche der Schweiz undkann sich mit 17 Gault-Millau-Punkten schmücken. www.gasthofroessli.ch

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GROSSE WORTE

„Vor den Alpen, die in der Entfernung von einigen Stunden hieherum sind, stehe ich immer noch betroffen, ich habe wirklich einen solchen Eindruck nie erfahren, sie sind wie eine wunderbare Sage aus der Heldenjugend unserer Mutter Erde und mahnen an das alte bildende Chaos, indes sie niedersehn in ihrer Ruhe, und über ihrem Schnee in hellerem Blau die Sonne und die Sterne bei Tag und Nacht erglänzen.“Friedrich Hölderlin, 1801

HÖCHSTE HERBERGE IV.

Die Skihütte Capanna Regina Margherita aufdem Gipfel der Signalkuppe in den Walliser Al-pen in Italien liegt auf 4544 Meter und ist da-mit das höchstgelegene Gebäude Europas. DieHerberge für bis zu 70 Bergsteiger muss mitHubschraubern versorgt werden. Der Holzbauist mit einem Kupfermantel abgeschirmt – wegen der in dieser Höhe häufig auftretendenBlitzschläge.

II.

I.III.

VI.

3%7%

40%

65%

60%

17%

Deutschland

Walchensee 192 m

Lago Maggiore 372 m

Genfer See 310 m

Traunsee 191 m

Schweiz Liechtenstein

Italien

100%

Österreich

Slowenien

Frankreich

GLETSCHER-GELÜBDE III.

Der große Aletschgletscher im Schweizer Wallis, 23 Kilometer lang, ist der größte Gletscher der Alpen. Im Jahre 1687, als er wuchs und wuchs, legten die Bewohner der Gemeinden Fiesch und Fieschertal ein Gelübdeab. Sie versprachen, fortan tugendhaft zu leben, damit der Gletscher seinWachstum einstelle. Durch den Klimawandel ist er jetzt so stark zurück-gegangen, dass die Gemeinden fürchten, die Touristen könnten ausbleiben.Deshalb wollen sie das alte Gelübde anpassen und nun für das Anwach-sen des Gletschers beten. Die Fiescher und Fieschertaler haben deshalb eine Audienz bei Papst Benedikt XVI. beantragt.

DIE ALPENSTAATENWie viel % der Landesfläche liegt in den Alpen?

STILLE WASSER SIND TIEFDie tiefsten Alpenseen

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8 \\ WASSERKRAFT Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

MCE HAT EINEN DER SCHWIERIGSTEN AUFTRÄGE SEINER UNTERNEHMENS-GESCHICHTE ABGESCHLOSSEN, DIE SANIERUNG DER SCHWEIZER WASSERKRAFTANLAGE CLEUSON-DIXENCE. SEIT 2009 GEHÖRT DAS UNTERNEHMEN ZUR BILFINGER BERGER GRUPPE.

O L I V E R L I N K / T E X T / / / E R I C VA Z ZO L E R , M C E , E S S E N C E D E S I G N .CO M / F OTO S

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KLAUSTROPHOBISCH, 40 GRAD CELSIUS: IM SCHRÄG NACH UNTEN VERLAUFENDEN DRUCKROHR VIELE 100 METER TIEF IM BERG ÜBER-WACHEN MÄNNER DEN SCHWEISSCOMPUTER. JEDER LUFTZUG KÖNNTEDER QUALITÄT DER SCHWEISSNAHT SCHADEN.

10 \\ WASSERKRAFT Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

EINES DER DRUCKROHRE WIRD IN DEN SCHACHTABGELASSEN, DESSEN DURCHMESSER KAUM GRÖSSERALS DER DES ROHRES IST.

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/// Die Straße wird schmal und immer schmaler. Sie windet sich in steilen Kurven nach oben, es gibt keine Leit-planken. „Nicht nach unten schauen“, sagt Walter Pölz undlächelt. Er lenkt den Toyota mit Vierradantrieb immer wei-ter hinauf, bleibt im Schnee stecken, fährt weiter, dann hält er an. „Wir sind da.“

Er zeigt mit der Hand den Hang hinauf, „gleich da drü-ben, da ist das Wasser runter “. Es ist ganz still in diesemMoment, der Schnee schluckt jedes Geräusch. Unten im Talsieht man die Stadt Sion, die Rhone.

DRUCKSCHACHT IM INNEREN DES BERGES

Im Dezember 2000 war im Berg, 7o Meter unter der Ober-fläche, ein Stahlrohr mit einem Durchmesser von mehr alsdrei Metern geborsten. Es führte Wasser aus dem knapp 17 Kilometer entfernten Stausee Lac des Dix auf gut 2300Meter Höhe hinunter zum Kraftwerk Bieudron im Tal, ei-nem der vier Kraftwerke des großen Wasserkraftkom plexesvon Cleuson-Dixence.

Das Wasser legt zunächst 16 Kilometer in einem waag-recht verlaufenden Stollen zurück. Dann neigt sich der Stollen, fällt in einem Winkel von 34 Grad steil nach untenund mündet im Wasserkraftwerk Bieudron auf 481 MeterHöhe. Dieser abschüssige Druckschacht ist 4,3 Kilometerlang, in ihm nimmt das Wasser an Fahrt auf, um in Bieu-dron drei gewaltige Turbinen anzutreiben. Neun Jahre langhaben die Turbinen nun stillgestanden, denn gewaltige Reparaturarbeiten waren im Schacht zu leisten. Erst im Januar 2010 wurde das Kraftwerk wieder eröffnet.

„DAS KONNTEN IN EUROPA NUR WIR“

Walter Pölz hat die Instandsetzungsarbeiten der Druck -rohre von Bieudron geleitet. Die Anforderungen waren sohoch, dass MCE als einziges Unternehmen die technischenVoraussetzungen für dieses Projekt erfüllte. „Der Kundewollte, dass sowohl die Herstellung als auch die Montageder neuen Rohre von ein und demselben Unternehmendurchgeführt werden. Das konnten in Europa nur wir. DasEngineering kam von Andritz Hydro.“

Pölz ist ein bescheidener Mann von 63 Jahren. Er vergisstnie zu betonen, dass die erfolgreiche Arbeit ein Werk vonvielen war. Rund 150 Mann standen bei dem Projekt unter

MCE FERTIGTE ALLE 400 ROHRE IN EIGENEN WERKEN IN WELS UND LINZ.DIE ROHRWÄNDE SIND BIS ZU ACHT ZENTIMETER DICK.

„WIR HABEN DEM KRAFTWERK DAS WASSER ZURÜCKGEBRACHT“, SAGT PROJEKTLEITER WALTER PÖLZ. „EIN TOLLES GEFÜHL.“

VIDEO: WALTER PÖLZ ERZÄHLT VON DER SANIERUNG DER

WASSERKRAFTANLAGE CLEUSON-DIXENCE.

www.magazin.bilfinger.de

12 \\ WASSERKRAFT Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

STÄRKUNG DES SERVICEGESCHÄFTS

MCE IN BILFINGER BERGER INTEGRIERTDas Projekt Cleuson-Dixence ist eines derPrestigeprojekte des Industrie- und Kraft-werksdienstleisters MCE, den Bilfinger Berger2009 übernahm. Ein Leistungsvolumen von730 Millionen Euro wurde in die Sparte Indus-trial Services integriert, etwa 130 MillionenEuro gingen in der Sparte Power Services auf.Bilfinger Berger erweitert damit seine Ak ti -vitäten für Energiewirtschaft und Prozess -industrie und verstärkt insbesondere inÖsterreich und Deutschland seine Präsenz.Die Übernahme wurde durch eine Kapital -erhöhung finanziert. (si)

AUF STEILEN SERPENTINEN SCHAFFTEN SATTEL-SCHLEPPER DIE BIS ZU 60 TONNEN SCHWERENROHRE ZUM ZUGANGSSTOLLEN. DIE ELEMENTE FÜR DEN OBERSTEN ABSCHNITT MUSSTEN MIT EINER SEILBAHN TRANSPORTIERT WERDEN.

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seiner Regie. Ständig mussten Leute ersetzt werden. „DieArbeit war nicht jedermanns Sache“, sagt Pölz.

Neue Rohre sollten verlegt werden, in die alten Rohre hinein. Die Arbeiter gelangten mit speziellen Wagen in dieTiefe, die, an einem Stahlseil hängend, in den schräg ver-laufenden Druckschacht abgelassen wurden. „Da unten imRohr war es heiß, und die Luft war schlecht, wir musstenaußerdem einen Kamineffekt verhindern und einen Luft-zug ausschließen, damit die Schweißnähte optimal durch-geführt werden konnten“, sagt Pölz.

UNGLAUBLICHER ZEITDRUCK

Im Oktober 2006 hatte MCE den Zuschlag für das Projekterhalten: der größte und umfangreichste Wasserkraftauf-trag der Firmengeschichte. Nur sechs Monate später soll-ten die Instandsetzungsarbeiten in Sion beginnen. In die-ser Zeit mussten sämtliche Montageabläufe detailliert ge-

plant werden, gleichzeitig begann die Fertigung der mehrals 400 Stahlrohre in Wels und in Linz.

ABENTEUERLICHER TRANSPORT

Die bis zu zwölf Meter langen Rohre mit Durchmessern vonzweieinhalb bis drei Metern gelangten mit dem Zug vonÖsterreich in die Schweiz. In Sion wurden sie auf Sattel-schlepper umgeladen und zur Baustelle transportiert. „Eswar schon abenteuerlich, wie wir die Rohre den Berg hinaufschafften“, sagt Pölz. Er zeigt die schmale Straße hinunter, „da sind die Sattelschlepper hoch, auch im Win-ter, mit 60 Tonnen schweren Stahlrohren, das muss mansich mal vorstellen. Und die Rohre für ganz oben, die haben wir mit der Seilbahn hochgebracht“.

Der mehr als vier Kilometer lange Druckschacht ist durchvier in den Berg hineingesprengte Zugangsstollen erreich-bar, an allen vier Stellen wurde gleichzeitig gearbeitet. Die

MIT SEIL UND HAKEN: LANGSAM LASSEN DIE SPEZIALISTEN EIN ELEMENT IN DEN SCHRÄGSTOLLEN GLEITEN.

14 \\ WASSERKRAFT Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

Sattelschlepper fuhren rückwärts in diese Stollen hinein.Die schweren Stahlrohre wurden auf Transportwagen um-geladen, auf Schienen tiefer in den Berg hineingebracht,mit Kränen hochgehoben, gekippt, mit Seilwinden in die al-ten Rohre eingeführt und in die Tiefe abgelassen, bis sie,unten angekommen, fertig zum Verschweißen wa ren. „Daswar Zentimeterarbeit.“ Die neuen Rohre haben einen rund30 Zentimeter kleineren Durchmesser als die alten, derHohlraum wurde im Anschluss mit Beton aus gegossen.

„Nicht nur, dass es eine logistische Meisterleistung war,die 400 Stahlrohre überhaupt hoch auf den Berg zu schaf-

fen“, erklärt Walter Pölz. „Dazu kam auch noch, dass wir extra Geräte konstruieren mussten, um überhaupt dieMontage der Rohre zu bewerkstelligen.“ So entwickelteMCE etwa eine Vorrichtung, die mittels Hydraulikzylin-der die exakte Zentrierung der Rohre beim Ablassen durchdie bestehende Leitung ermöglichte.

ZEHN TAGE FÜR EIN ROHR

„Das dauerte manchmal Tage, bis ein Rohr an der richtigenStelle war“, sagt Pölz. „Für das Verarbeiten des ersten Rohrs,das rund einen Kilometer tief heruntergelassen werden

3000 m

2500 m

2000 m

1500 m

1000 m

500 m

Lac

des

Dix

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Bypass der Rohrbruchstelle

Kraftwerk Bieudron

Druckschacht

Rhon

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Das Wasser für das Kraftwerk Bieudronstammt aus dem Lac des Dix, demgrößten Stausee der Schweiz. Er hat einFassungsvermögen von 400 MilliardenLitern Wasser, ist mehr als fünf Kilome-ter lang und bis zu 227 Meter tief. Auf-gestaut wird der See durch die Talsper-re „Grande Dixence“, eine Mauer von700 Metern Länge und 285 Metern Hö-he – die höchste Staumauer Europas.

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WASSERKRAFT

UNENDLICHE ENERGIE – NUR NICHT IN DEUTSCHLAND

Wasserkraft deckt 17 Prozent des weltweiten Strombedarfs und ist damit die be-deutendste erneuerbare Energiequelle für die Stromerzeugung. Ihre großen Vor-teile: Wasser lässt sich speichern, die Energiegewinnung ist schadstofffrei, die Tech-nik wartungsarm und der Wirkungsgrad liegt bei über 90 Prozent.

In Deutschland macht die Wasserkraft dennoch nur knapp vier Prozent derStromproduktion aus, und voraussichtlich wird der Anteil kaum wachsen. Warum?Fast alle geeigneten Gewässerstrecken sind erschlossen. In Österreich und derSchweiz sind die geografischen Voraussetzungen besser. Stolze 50 bis 60 Prozentdes Stroms werden dort mit Wasserkraft erzeugt. (si)

musste, brauchten wir fast zehn Tage. Zwar war es nachzwölf Stunden unten, aber neun Tage dauerten dieSchweißarbeiten.“ Je weiter unten ein Rohr sitzt, umso größer ist der Wasserdruck, dem es ausgesetzt ist. Ganz unten sind die Rohre deshalb achtzig Millimeter dick, entsprechend lang dauert das Schweißen. „Rohr ablassen,verschweißen, dann das nächste Rohr, auf diese Weise ha-ben wir uns von allen vier Stollen aus gleichzeitig jeweilsvon unten nach oben gearbeitet.“

EINMALIGE INGENIEURLEISTUNG

Dazu kam noch das „Knie“ im Stollen: Durch die ursprüng-liche, geborstene Leitung war der Fels so stark beschä-digt worden, dass ein Bypass gelegt werden musste. Derverläuft zunächst 73 Meter senkrecht nach unten, dannknickt er im rechten Winkel ab und verläuft 90 Meter ho-rizontal, bis er schließlich wieder den alten Druckschachterreicht. MCE hatte die schwierige Aufgabe, die Druckrohr-leitungen durch dieses Knie im Bypass hindurchzubekom-men. Auch für diese Aufgabe wurden spezielle Kräne ent-wickelt, mit denen die tonnenschweren Rohre bewegt und passgenau aneinandergefügt wurden. „Das war eineeinmalige Ingenieurleistung, so etwas hat es noch nie gegeben“, sagt Pölz. Es habe Nächte gegeben, in denen erkein Auge schließen konnte, der Zeitdruck, die technischenHerausforderungen, die Gefahren für seine Arbeiter, diemit schwerstem Gerät in der Dunkelheit und Enge desSchachts hantierten. „Vor allem auf solchen Baustellenkönnen sich Arbeiter schwer verletzen, das hat michschon sehr umgetrieben. Gott sei Dank waren alle sehr umsichtig und nichts ist passiert“, erzählt er.

KRAFTWERK HÄLT DREI WELTREKORDE

Seit Januar 2010 strömt nun das Wasser des Lac des Dixdurch die Stollen und Rohre. Es braucht 50 Minuten für den knapp 17 Kilometer langen Weg von der Staumauer bishin zum Kraftwerk Bieudron – einer Kathedrale im Berg, größer als das Kirchenschiff des Kölner Doms. 75 Kubik -meter Wasser schießen pro Sekunde aus dem Druckrohr in die Schaufelräder der gewaltigen Pelton-Turbinen.

Das Kraftwerk hält drei Weltrekorde: die Fallhöhe desWassers von 1883 Metern, die Leistung pro Turbine von je 423 Megawatt sowie die Leistung pro Pol der Wechsel-stromgeneratoren von 35,7 Megavoltampere. „Wir habenBieudron das Wasser wieder gebracht, ohne uns würde das hier alles nicht laufen“, sagt Pölz und schaut zufriedenauf die gewaltigen Generatoren. „Es war das mit Abstandschwierigste Projekt meiner Laufbahn.“ //

KRAFTWERK BIEUDRON: EINE KATHEDRALE DER MODERNEN ENERGIEWIRTSCHAFT.

16 \\ FAMILIENURLAUB Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

/// Der Vater hat Angst, und das Dumme ist, dass die Kinder es mer-ken. „So was ist in den Bergen überhaupt nichts Ungewöhnliches“, sagter. Aber der Ton, der beruhigend klingen soll, hat auch etwas Flimm -riges, Zweifelndes. Und der Vater spürt, dass die Kinder es spüren.

Wir kauern auf etwa 1900 Meter Höhe an einem Felsbrocken in den Lechtaler Alpen. Irgendwo hinter uns ist der Dawinkopf und irgend-wo vor uns der Hohe Riffler, aber von beiden sehen wir nichts. Genaugenommen sehen wir nur uns selbst und den Felsbrocken, von dem wir uns Schutz versprechen. Ansonsten nur Nebel. So viel Nebel wienoch nie.

Es ist später Nachmittag, hinter uns liegen sechs Stunden Wande-rung mit drei Kindern, eines davon tragen wir abwechselnd auf demRücken. Wir wollen zurück in unsere Almhütte, in der wir den Urlaubverbringen, es wären nur noch eineinhalb Stunden, höchstens zwei.

Aber dann überrascht uns dieser Nebel. Ganz plötzlich strömt er dieAlm herauf, so dicht, dass wir nicht weiter als fünf, sechs Meter sehen.Wir haben Sorge, uns jetzt erst recht zu verlaufen, wie schon beim Hin-weg am Vormittag, als die Sonne noch schien. Ziemlich ratlos suchenwir erst mal Schutz neben dem Felsbrocken und warten ab. Aber wielange? In zwei Stunden ist es dunkel. Also doch durch den Nebel? Es wirdschon merklich kälter und feucht, als der Vater seinen hilflosen „So- was-ist-in-den-Bergen-nichts-Ungewöhnliches“-Satz sagt. Am Fel sen kau-ernd sehnen wir uns wortlos nach unserer Hütte. Nach dem Larchi.

SCHLAFSTATT FÜR DIE HEUERNTE

Das Larchi steht nicht weit hinterm Arlbergtunnel in Tirol oberhalb desÖrtchens Strengen auf knapp 1500 Meter Höhe. Verwandte, die in derGegend wohnen, haben es einmal als Schlafstatt gebaut für die Zeit der

CHLICHT UND

ERGREIFEND

14 QUADRATMETER ÖSTERREICH: VOM LUXUS DES EINFACHEN LEBENS IN EINER WINZIGEN ALMHÜTTE.

ST E FA N S C H E Y T T / T E X T / / / C I R A M O R O / F OTO S

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Heuernte auf den steilen Hängen ringsum. Das Larchi ist nur zu Fußzu erreichen und bietet auch sonst keinen Luxus – außer dem Luxusdes einfachen Lebens. Die Hütte ist ein einziger Raum, darin ein Kamin,ein Holzherd, ein altes Küchenbüfett, ein XXL-Stockbett für zwei obenund zwei unten, ein ausklappbares Sofa, in einer Ecke Esstisch undBank, darüber ein metallenes Kruzifix und eine Zeichnung von „SittingBull“, der wissend in den Raum blickt.

Es gibt keinen Strom im Larchi und fließend Wasser nur am Brun-nen vor der Hütte, ein Rinnsal aus einer Bergquelle, immer eiskalt. Introckenen Sommern versiegt es manchmal, dann muss man mit Kanis-tern zu einer höher gelegenen Quelle steigen. Im Plumpsklo, zwanzigMeter den Hang hinunter, wird mit Sägemehl gelöscht, und der er-staunlich kühle Kühlschrank ist ein gemauertes Viereck mit Holztür-chen im Keller, in dem Sensen, Schleifsteine, Äxte und ein Schafschä-

del liegen. Genau so haben wir es gewollt: schlicht, reduziert; nur wirmit uns selbst und der Natur.

Wir sind schon zum dritten Mal hier. Für die Kinder ist das viel-leicht der größte Unterschied zwischen Ferien und Alltag: dass wir Eltern immer da sind, 24 Stunden am Tag. Nur alle drei Tage gehen wirhin unter ins Dorf, um Lebensmittel zu holen, der einfache Weg dauerteine dreiviertel Stunde. Und wenn man etwas vergessen hat, über -legt man es sich doppelt, noch einmal zu gehen. So gibt es auch maldrei Tage ohne Rotwein, Apfelsaft oder Butter auf dem Brot. Es ist, wiees ist, und meist ist es dann auch gut so. Die Eltern vergessen ihre Ta-geszeitung und das Telefon, die Kinder fragen nicht nach Hörbüchernund Fernsehen.

An den besten Tagen im Larchi stellt sich ein, was man einen Flownennen könnte: Die Stunden verstreichen zeitlos, jeder versinkt in dem,

KÖRPERPFLEGE IM FREIEN, PLUMPSKLO WEITER UNTEN AM HANG.

18 \\ FAMILIENURLAUB Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

was er tut, und wenn man davon aufschaut, sieht man den Rest der Familie wie im Fotoalbum – die Kinder spielen am Brunnen, suchen Ei-dechsen in der Steinmauer und Heuschrecken auf der Wiese, sie streu-en im Plumpsklo mit den Sägespänen Muster auf den Boden, sie schnit-zen, lesen, klettern den Bergbach rauf und runter, stochern in Ameisen-haufen, lassen sich die Wiese runterrollen, bauen an ihrem geheimenIndianerlager irgendwo im Wald, wo auch die mit Schnüren gebunde-ne Puppe aus Blättern, Moos und Zweigen entsteht. Die Eltern spülenam Brunnen das Geschirr, halten die Hütte bewohnbar, lesen, kochen(meist irgendein Pfannen-Allerlei), hacken, sägen, schleppen Holz. DasTempo dabei ist immer einen Tick langsamer als im normalen Leben:Man fühlt sich nicht wie ein Gipfelstürmer mit festem Ziel und Höhen-messer, eher wie ein Wanderer, der mit verhakten Händen auf dem Rü-cken im Rhythmus des eigenen Atems den Berg hinaufsteigt.

Und abends sitzen wir bei Kerzenschein unterm Kruzifix und „SittingBull“ auf der Eckbank. Dann wird das Larchi, das schon tagsüber ziemlich dunkel ist, vollends zur Höhle: An den Wänden tanzen dieSchatten, es riecht nach Rauch und Holz, auf dem Herd zischelt der Wasserkessel, hinterm Vorhang im Stockbett schnarcht die Kleine ihrBabyschnarchen. Wir spielen „Memory“ und „Schwarzer Peter“ und„Mensch ärgere Dich nicht“ und gehen so früh ins Bett wie sonst nie,weil das Spielen bei Kerzenschein schnell müde macht.

DAS HOLZ KNACKT, DIE SPANNUNG KNISTERT

Idyllisch? Ja. Harmonisch? Überhaupt nicht. Dazu gibt es zu viel Ge-schrei wegen Brennnesseln und Holzsplittern in den Füßen, dazu krachtes zu oft, weil das Leben in einer Almhütte nun mal keine Rückzugs -reviere bietet. Manchmal hängt die gereizte Stimmung im Zimmer wie

RESPEKTVOLL HALTEN DIE KINDER ABSTAND ZU GEFÄHRLICH AUSSEHENDEN PILZEN.

// 19

die nasse Wäsche überm Herd. Vor allem an Regentagen, wenn im Ofendas Holz knackt, knistert im Raum die Spannung.

Aber alles am Urlaub im Larchi sei „echt“, sagt unsere große Toch-ter. Und wenn man nachhakt, was sie damit meint, fällt ihr ein, dassman im oberen Stockbett beim Aufwachen jeden Morgen den Kopf am Balken anstößt; dass es richtig Angst macht, in stockdunkler Nacht über die nasse Wiese zum Klohäuschen zu gehen, dessen Tür knarzi-ger knarzt als in jedem Gruselfilm; und dass es Spaß macht, die selbstgesammelten Parasolpilze in der Eiertunke zu schwenken und dann in der Pfanne zu braten. Das Gefühl, dass hier alles „echt“ ist, erfasstregelmäßig auch uns Erwachsene. Zwei Stunden Holz gehackt undsämtliche Körbe und Lager damit gefüllt, morgens das Feuer entfachtund die Hütte gewärmt – und schon fühlt man sich irgendwie autark,auch wenn man weiß, dass das ziemlich lächerlich ist. Eine Block hüt-

te auf einer Alm in den Alpen, ein paar zivilisatorische Errungenschaf-ten weniger – und schon ist man ein Abenteurer. Solche Selbstbehaup-tungsphantasien wachsen einem sogar zu, wenn man nur die Sahnemit dem Handbesen schlägt. „Schmeckt irgendwie besser als zu Hau-se“, bestätigen die Kinder.

TIERKNOCHEN UND BERGINDIANER

„Wirklich ganz echt“ sind auch die Tierknochen, die wir am Morgen beiunserer Wanderung zur Dawinalm finden. Zuerst rätseln die Kinderüber das Opfer – ein Reh, ein Kalb, ein Wildschwein? – dann über dessen Jäger: „Papa, gibt’s hier Wölfe? Oder Luchse? Oder Bären?“ DieBären- und Wolfsfrage nimmt immer fantastischere, immer bedroh -lichere Wendungen und bricht zum Glück abrupt ab, als wir den Wegverlieren. So steigen wir quer durch den Wald nach oben, kriechen

FAMILIÄRE SEILSCHAFT OHNE SEIL VOR DEM PANORAMA DER LECHTALER ALPEN.

20 \\ FAMILIENURLAUB Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

unter Elektrozäunen hindurch, folgen unseren Vermutungen. Plötzlichtauchen aus dem Nichts drei Jungen auf. Matthäus, 13, der Älteste, trägt auf dem Rücken ein hölzernes Tragegestell und eine Drahttrom-mel. Die drei Kuhhirten sind auf dem Weg, einen Weidezaun ab- undan anderer Stelle wieder aufzubauen. Zu Hause fänden unsere KinderMatthäus´ Seppl-Hut bestimmt lächerlich, aber wie er hier so zielsicherquerwaldein schnürt, als kenne er jeden Stumpf und Pfad, ist der Hutschon eher ein Zeichen für Kennerschaft. Und als die Buben dann auchnoch erzählen, sie lebten tagelang allein in einer Hütte im Wald, wer-den sie für unsere Großen zu wahren Bergindianern. Natürlich weißMatthäus, wie wir zur Dawinalm finden, und er bleibt selbst dann nochcool, als er sich vor unseren Augen beim Griff in den Rucksack an sei-

ner Axt schneidet. Bleich, aber gefasst hockt er am Boden und erklärtuns mit verbundenem Daumen den Weg.

„WIR SIND HELDEN“

Auf der bewirtschafteten Dawinalm gibt es frische, vor Sahne strotzen-de Milch aus schweren Porzellanbechern, der Käse und der Speck lie-gen in dicken Scheiben auf den Vesperbrettchen. Die Senner lassen einpaar Schweine frei herumlaufen, neugierig schnuppern sie an unserenRucksäcken, und wir sind genötigt, unserer beharrlich fragenden klei-nen Tochter zu erklären, was der Schinken und die Schweine miteinan-der zu tun haben. Die Großen sammeln derweil zwei Dutzend Fröscheauf der Wiese und verdonnern sie zum Schwimmen in der Kuhtränke.

KLAR UND EISKALT FLIESST DAS QUELLWASSER AUS DEM BRUNNEN VOR DEM HAUS.

DER HIRTENJUNGE HAT SICH AN SEINEM BEILGESCHNITTEN UND BEKOMMT ERSTE HILFE.

KEIN MITTAGESSEN OHNE HOLZ FÜR DEN HERD.

DIE „LARCHI“-HÜTTE: REFUGIUM BEI REGENWETTER.

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Auf dem Rückweg zum Larchi kommen uns zuerst Kühe entgegen, an-getrieben von Hirtenjungen, einer trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck„Wir sind Helden“. Für unsere große Tochter steht jetzt endgültig fest,dass sie auch einmal Hirte werden will. „Und nicht nur einen Sommerlang.“ Nach den Kühen kommt der Nebel, der uns zur Pause an demFelsbrocken zwingt. Wir sitzen und warten, und nach einer halbenStunde ist die Sorge, wir würden durch einen stockdunklen Wald wandern müssen, größer als die Sorge, durch Nebel zu gehen, und soziehen wir los.

Tatsächlich sind wir zwei Stunden später, kurz nach Einbruch derNacht, im Larchi. Die Hütte füllt sich mit Rauch und Geschrei. Wie lä-cherlich ist unsere Vorstellung, die Kinder müssten jetzt erschöpft vom

vielen Laufen und von der Aufregung zufrieden in ihre Betten fallen.Zuerst gibt es Streit ums Feuermachen, dann quillt Qualm aus allen Rit-zen des Herds, weil er mit Zeitungspapier verstopft ist. Und die Kleinescheint noch alle Bewegungen nachholen zu wollen, die ihr währenddes langen Tags im Tragetuch nicht möglich waren.

BABYSCHNARCHEN UND BRUNNENWASSER

Selbstverständlich verzichten die Großen nicht aufs Spielen, und auchnicht darauf, beim ins Bett gehen ihren Kopf am Balken anzustoßen.Als ihr Gejammer endet, ist nur noch das Babyschnarchen zu hören undvon draußen das Wasser, wie es in einem dünnen Strahl in den Brun-nen fällt. //

SITTING BULL WACHT DARÜBER, DASS NIEMAND SCHUMMELT BEIM MEMORY-SPIEL.

22 \\ FACILITY-MANAGEMENT Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

DIE MÖGLICH-MACHERG U N D U L A E N G L I S C H / T E X T / / / E R I C VA Z ZO L E R / F OTO S

CÉDRIC CASSARD ORGANISIERT FIRMENINTERNE UMZÜGE IN DEN GROSSRAUMBÜROS.

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/// Weltkonzerne wie Caterpillar sind ständig in Bewe-gung. Die internationalen Mitarbeiter pendeln zwischenden Firmenstandorten. Je nach Marktsituation werden Abteilungen erweitert oder verschmolzen, ganze Arbeits-gruppen wechseln bei neuen Projekten ihre Schreibtische.Für die rund 500 Mitarbeiter von Caterpillar in Genf gehörtder permanente Umbau ihrer Bürolandschaft zum Alltag.Manch einer geht sogar mehrfach im Jahr mit seinem Arbeitsplatz auf Wanderschaft.

Im europäischen Hauptquartier des weltgrößten Bau-maschinenherstellers organisiert Cédric Cassard gemein-sam mit zwei Kollegen die Umzüge – 520 waren es alleinim letzten Jahr. Cassard ist Mitarbeiter von HSG Zander, ei-ner Beteiligungsgesellschaft von Bilfinger Berger FacilityServices. „Die Kunst besteht darin, die Auflagen der ame-rikanischen Konzernzentrale, die arbeitsrechtlichen Nor-men und die Sicherheitsregeln mit den Vorstellungen derMitarbeiter unter einen Hut zu bringen.“ Cassard plant dieArbeitsplatzumzüge am Computer bis auf den Quadrat-zentimeter genau. So geht das Möbelrücken, PC-Verkabeln,Telefonumstecken dann in knapp einer Viertelstundeüber die Bühne.

KONTROLLE VON BEWIRTSCHAFTUNGSKOSTEN

Das Umzugsmanagement ist eine von insgesamt achtzehnDienstleistungen, die Bilfinger Berger für Caterpillar inGenf erledigt. Die Palette reicht von der Pflege der Grün-flächen über die Wartung der Klimaanlage bis zur Planungund Kontrolle der Bewirtschaftungskosten für die 29 000Quadratmeter große Firmenanlage. Facility-Managementheißt der Oberbegriff für dieses Serviceangebot. „Bis hinzur Verwaltung können wir unseren Kunden die allermeis-ten Aufgaben abnehmen, die nichts mit ihrem Kernge-schäft zu tun haben“, sagt Hans-Peter Bursa, Geschäftsfüh-rer von HSG Zander, Schweiz. „Wir halten ihnen buchstäb-lich den Rücken frei.“

IN DER INTERNATIONALEN VERWALTUNGS- UND FINANZ METROPOLE GENF IST DER BEDARFAN PROFESSIONELLEM GEBÄUDEMANAGEMENT BESONDERS HOCH. BILFINGER BERGERBETREUT ANSPRUCHSVOLLE GLOBAL PLAYER.

GEFRAGTER GENERALIST: BEI FACILITY-MANAGEREMILIO ABADIN LAUFEN DIE FÄDEN ZUSAMMEN.

24 \\ FACILITY-MANAGEMENT Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

Facility-Manager sind wahre „Möglichmacher“. So sieht esauch Emilio Abadin, der am Standort Genf eine ganze Rei-he von Kunden betreut. Er ist nicht nur für das Gebäudevon Caterpillar verantwortlich, sondern kümmert sich auchum die Niederlassungen von Colgate und Lexmark. Ein ab-wechslungsreicher Job. „Ich setze mich regelmäßig mit denKunden zusammen, um aus erster Hand zu erfahren, ob siezufrieden sind, was sie brauchen. Und natürlich bin ich im-mer in Kontakt mit meinen Mitarbeitern, den Subunter-nehmern, den Lieferanten“, erzählt er. Abadin selbst hatte früher ein kleines Dienstleistungsunternehmen, sprachaber „kaum drei Worte Englisch“. Bei HSG Zander erhielt erWeiterbildungsmöglichkeiten, besonders in den Fremd-sprachen. Nun jongliert er im internationalen Genf mitSprachen und Zahlen. „Ich habe die Kosten im Blick, opti-miere die Prozesse und bilde meine Mitarbeiter weiter, damit sie mithalten können.“ Auch Umweltschutz undEnergieeffizienz liegen ihm am Herzen: „Ich suche ständigLösungen, wie wir Strom und Wasser einsparen können.Für unsere Kunden ist es sinnvoll, in diesen Bereich zu in-vestieren.“

René Gisiger, Personalchef bei Caterpillar in Genf, ist vonder Arbeit seiner externen Facility-Manager überzeugt:„Unser Job sind exzellente Baumaschinen; davon sollte unsnichts ablenken. HSG Zander kümmert sich um die optima-le Bewirtschaftung unserer Gebäude. Unsere Zusammen-arbeit ist ein Gewinn für alle.“

SCHWARZ AUF WEISS: LEISTUNG AUS EINER HAND

Für Gigi Chatriant und Radia Benteboula, ebenfalls vonHSG Zander, die in adretten blau-weißen Uniformen die Besucher von Caterpillar empfangen, gehört Multikulturzum Arbeitsalltag. Mehr als zwanzig Nationalitäten arbei-ten hier unter einem Dach. Die beiden Empfangsdamensprechen fließend Englisch und Französisch, dazu etwasDeutsch, Hebräisch und Spanisch.

Auch für Hocine Meskine und seine Kollegen in derPförtnerloge ist Internationalität eine Selbstverständlich-keit: „Caterpillar hat viele Kunden in Übersee. Wegen derZeitverschiebung sind nachts immer ein paar Dutzend Mit-arbeiter hier im Haus, um zu telefonieren und die inter -nationalen Geschäfte abzuwickeln.“ Für Hocine Meskine

CATERPILLAR-PERSONALCHEF RENÉ GISIGER DELEGIERT AUFGABEN AN DAS FACILITY-MANAGEMENT.

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bedeutet das Schichtarbeit, denn der Platz des Pförtnersmuss rund um die Uhr und an sieben Tagen der Woche besetzt sein.

Seit Bilfinger Berger das Facility-Management für dasCaterpillar-Gebäude übernommen hat, wurde jede einzel-ne Dienstleistung auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft undentsprechend optimiert. „Ein Prozess, der niemals abge-schlossen ist“, sagt Abadin, der gerade wieder mit René Gi-siger von Caterpillar zusammensitzt. Dass er seine Kundenpersönlich berät und betreut, ist ihm ebenso selbstver-ständlich, wie die Leistung seiner Teams regelmäßig zumessen und zu bewerten: „Wie schnell haben wir die Stö-rungen in technischen Bereichen wie Heizung oder Klimabehoben? Haben wir die Teppichböden gründlich gerei-nigt? War das Preis-Leistungs-Verhältnis beim Catering an-gemessen?“ Caterpillar soll schwarz auf weiß sehen, wel-che Leistungen in welcher Qualität erbracht wurden, undEmilio Abadin selbst will möglichst frühzeitig erkennen,wo Verbesserungen möglich sind: „Facility-Managementheißt für mich, dem Kunden das zu geben, was er braucht,bevor er weiß, dass er es braucht.“ //

HOCINE MESKINE SORGT FÜR DIE SICHERHEIT DER HAUSBENUTZER.

RADIA BENTEBOULA UND GIGI CHATRIANT BEGRÜSSEN DIE BESUCHER IN VIELEN SPRACHEN.

HSG ZAN DER IST I NTERNATIONAL UNTERWEGS

FACILITY-MANAGEMENT FÜR WELTUNTERNEHMEN

HSG Zander, eine Beteiligungsgesellschaft der Bilfin-ger Berger Facility Services, ist in mehr als 20 europäi-schen Ländern präsent. „Wir bringen die Mehrspra-chigkeit und den Top-Service mit, den die internatio-nalen Kunden in der Schweiz nachfragen“, sagtHans-Peter Bursa, Geschäftsführer von HSG Zander,Schweiz. Zu seinen Kunden gehören neben Cater -pillar auch multinationale Konzerne wie Colgate Palmolive, Lexmark, IBM oder Alstom, für die HSGZander nicht nur Verwaltungsimmobilien, sondernauch Produktionsstätten betreut. Für die 58 Pro -duktions- und Verwaltungs gebäude von Alstombündelte das Unternehmen Services in einer Hand,die zuvor von 55 unterschiedlichen Dienstleistern erbracht worden waren. (si)

26 \\ INTERVIEW Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

In der Schweiz gibt es 1500 Berg-führer, nur 20 davon sind Frauen.Warum?Der Bergführeralltag ist hart, dieTouren gehen auf die Knochen.Seit dem Ende meiner Ausbildungvor 15 Jahren hat keine zweite Zer-matterin diesen Job gewählt – unddas in einem Bergsteiger-Mekka.Was macht Sie zur Ausnahme?

Ich bin sehr hartnäckig. Schon während derAusbildung habe ich doppelt so viel trainiertwie meine männlichen Kollegen. Damals ha-be ich alle möglichen Tricks ausprobiert, umbei meinem Körpergewicht von nur 50 Kilo-gramm Lasten zu reduzieren: Ich tauschtezum Beispiel die metallenen Schiebergriffeder Reißverschlüsse an Jacke und Rucksack gegen Nylonfäden aus.Können Sie sich vorstellen, im Flachland zuwohnen?Nein. Wer sein Leben lang die Berge vor derNase hatte, würde sie zu sehr vermissen.Was haben Sie denn gegen die Weite?Mein Blickfeld braucht halt links und rechts

eine Stütze, dann können sich meine Augendaran festhalten.Überrascht es Touristen, wenn sie von einerFrau in die Berge geführt werden?Wenn sie mich sehen, fragen viele sofort, obich sie bei einem Sturz auch halten kann.Sind Sie genervt von solchen Reaktionen?Anfangs war ich konsterniert. Heute habe ichkeine Lust mehr, mich zu erklären. Ich sageden Kollegen im Bergführerbüro, dass sie denGästen vorab klarmachen sollen, dass ihr Führer eine Frau ist.Erinnern Sie sich an Ihren schwierigsten Gast?Ich hatte mal einen, der Skitouren unter -nehmen wollte, aber nicht Skifahren konnte. Insbesondere Kurven bekam er nicht hin. Er raste einfach parallel zum Hang und machtedann eine Art Spitzkehre. Ich starb tausendTode, dass er die Kontrolle verliert. Wir warenhalt nicht auf der Piste, sondern auf einemGletscher, wo es gefährliche Spalten gibt. Damuss man kontrolliert fahren können.Wie sind Sie Bergsteigerin geworden?In der Region Zermatt haben wir 38 von 76 europäischen Viertausendern vor der Haus-

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TRITTSICHERBETTINA SULLIGER-PERREN, 40, IST EINE VON WENIGEN SCHWEIZER BERGFÜHRERINNEN.EIN GESPRÄCH ÜBER GIPFELGLÜCK UND SCHUTZENGEL.

JA N R Ü B E L / I N T E RV I E W / / / H E I N Z H E I S S / F OTO S

tür, und ich dachte immer schon: Da will ichherauf. Die Berge haben meinen Willen ange-spornt, das war wie eine Herausforderung.Was ist es für ein Gefühl, einen Gipfel zu er-reichen?Wir Menschen gehören nicht zu den gelen-kigsten Lebewesen, ein Kletterer stößt ständigan seine Grenzen – und ist glücklich, wenn ersich den Weg erkämpft hat. Auf dem Gipfelliegt einem dann die Welt zu Füßen. Alle Sor-gen sind weit unten. Ja, so ist das wirklich.Bezwingt man einen Berg, erobert man ihn?Diese Worte passen nicht, denn die Natur unddie Berge sind immer stärker. Wir Bergführerhaben eine andere Philosophie: Respekt vordem Berg. Vor jeder Besteigung erspüren wir,ob der Berg einem wohlgesonnen ist, prüfendie Wetterverhältnisse. Es ist, als träte manmit dem Berg in Kontakt, der ist schließlichkeine Treppe zum Rauf- und Runtersteigen. Hatten Sie Vorbilder, als Sie sich für Ihren Be-ruf entschieden?Ulrich Inderbinen hat mich sehr geprägt. 80Jahre lang hat er als Bergführer in Zermatt gearbeitet, noch mit 89 hat er das Matterhorn

bestiegen. Ich habe erlebt, wie verantwor-tungsvoll er mit den Gästen umgegangen ist:Er fühlte, was sie konnten, und welcher Klet-tergang sie überfordern würde. Die waren immer zufrieden mit ihm. Er lebte mit denBergen, es gab ein stilles Einverständnis. Dasbeeindruckte mich sehr.Hat er Sie unterstützt?Ja. Andere Männer taten sich damals schwer,als ich in ihre Domäne einbrach. Vor sechs Jah-ren ist der Ulrich dann gestorben, 103 Jahre alt.Wenn ich oben in den Bergen bin, in der Stil-le und der Ruhe, fühle ich mich ihm nahe. So-wieso glaube ich, dass die alten verstorbenenBergführer bei einer Tour über uns wachen.Sie glauben an Schutzengel?Nein, ich stelle mir die alten Bergführer wieCoaches im Himmel vor, die einen lenken undin kniffligen Situationen helfen, die richtigenEntscheidungen zu treffen.Der Zermatter Friedhof ist voll mit Gräbernverunglückter Bergsteiger. Ist Ihnen Ihr Berufnicht zu riskant?Ich denke nicht, dass Bergsteiger sterben, weilsie ein Risiko eingegangen sind. Der Weg ist

vorgezeichnet. Wer oft in die Berge geht, ris-kiert allein deswegen den Tod, weil er viel Zeitdort verbringt. Ich jedenfalls glaube nicht,dass ich länger leben würde, wenn ich einenanderen Beruf ergriffen hätte. Das ist von Gott vorgeplant.Das ganze Leben?Nein, nur der Tod. Mir wäre es lieber, meineZeit ginge einmal in den Bergen zu Ende, stattin einem Krankenbett.Was erzählen Sie ihren Kindern, wenn Sie aufBergtour gehen?Ich habe dazu eine positive Einstellung: DasBergsteigen erfüllt mich. Natürlich denke ichan das Risiko und versuche es durch Umsichtzu minimieren. Genau so vermittle ich es mei-nen Kindern.Und was sagt Ihre Mutter?Die sieht die Bergsteigerei nicht gern, sie hatAngst um mich. Aber für sie ist es anders. Sie stammt aus Magdeburg in der norddeut-schen Tiefebene. Sie hat ihren Weitblick – undich habe meinen. //

28 \\ GOTTHARD-BASISTUNNEL Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

/// „220200“ steht auf einem Schild im Tunnelgewölbe,was so viel bedeutet wie: Wir sind in Röhre 2 und genau20,2 Kilometer entfernt vom Tunnelanfang im Norden. Eine Metallwand sperrt die Röhre ab, darin eine Luke, nichtgrößer als ein Schachbrett. Volker Kapfhammer schiebt denRiegel zur Seite und sagt: „Passen Sie auf, der Wind . . .“, dapfeift schon die Luft durch die geöffnete Luke und wischtuns Besuchern die Helme vom Kopf, als herrsche jenseitsder Querwand, im nördlichen Tunnelabschnitt, ein Hurri-kan. „Ohne die Wand würde uns der Luftsog wegblasen. Der Zugangsschacht Sedrun wirkt wie ein riesiger Kamin“, sagt Kapfhammer.

Bei Sedrun sind wir in den Berg gefahren, zunächst mitder Schmalspurbahn durch einen 1000 Meter langen Stol-len; dann mit dem Aufzug einen 800 Meter tiefen Schachthinunter; dann in der künftigen Eisenbahnröhre weiter zu Fuß nach Norden. Jetzt stehen wir an der Metallwand;durch die Luke sieht man hinein in eine beleuchtete Röhre.Wände und Boden sind frisch betoniert, das Gleisbett isterkennbar, hier ist der Tunnel ausgebaut: Auftrag erledigtfür Kapfhammer und die 600 Leute, deren Arbeit er orga-nisiert.

Mit ganzer Kraft stemmt sich der Ingenieur von Bilfin-ger Berger gegen den Wind und schließt die Luke wieder.Jetzt füllt nur noch das eintönige Brummen der Lüftungs-anlage das Gewölbe. Diesseits der Lukenwand sind die Fels-wände teils nur mit Spritzbeton überzogen. Hier, im süd-lichen Teil des Bauabschnitts Sedrun, wird weiter gebohrtund gesprengt und das Ausbruchmaterial durch den Zu-gangsschacht mühsam nach oben geschafft.

SCHWIERIGSTES TEILSTÜCK DES TUNNELS

„Von allen fünf Baustellen, an denen seit November 1999das Gotthardmassiv angegriffen wird, ist Sedrun die an-spruchsvollste“, sagt Volker Kapfhammer. Das Dorf, das seinen Namen für den Bauabschnitt gab, liegt 800 Me-ter oberhalb der Tunnelsohle, nur erreichbar durch zweisenkrechte Schächte. Menschen und Maschinen müssenalle per Aufzug in das Innere des Gebirges transportiertwerden. Und jeder abgeschlagene Felsbrocken muss aufdemselben Weg hinaus: eine logistische Herkulesaufgabe.

Als einer von vier Partnern in der ArbeitsgemeinschaftTransco erhielt Bilfinger Berger im Dezember 2001 den Auf-trag zum Bau des Streckenabschnitts Sedrun: Rund zwei Ki-lometer in Richtung Norden und vier Kilometer in Richtung

IM BAUABSCHNITT SEDRUN SPRENGEN MINEUREDIE RÖHREN FÜR DEN GOTTHARD-BASISTUNNELIMMER WEITER RICHTUNG SÜDEN. JETZT STEHTDER LÄNGSTE EISENBAHNTUNNEL DER WELT KURZVOR DEM DURCHSCHLAG.

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DER NÖRDLICHE TEIL DES BAUABSCHNITTS SEDRUN IST FERTIGGESTELLT.

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30 \\ GOTTHARD-BASISTUNNEL Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

LINKS DER TUNNEL, RECHTS EIN VERBINDUNGSSTOLLEN. ER WIRD ZURÜCKGEBAUT, WENN DIE TUNNELRÖHREN KOMPLETT SIND.

Paris

Zürich

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GenfLyon Mailand

Genua

Marseille

Bologna

Rom

LuxemburgFrankfurt/M.

München Wien

Zagreb

Ljubljana

PROJ EKT ALPTRANSIT BRI NGT ENTLASTUNG

DIE SCHWEIZ BEGEGNET DEM WACHSENDEN TRANSITVERKEHR

Im Vergleich zum Jahr 2000 wird der Transitverkehr in der Schweiz bis2030 um 46 bis 104 Prozent zunehmen, so das schweizerische Bundesamtfür Raumentwicklung. Seit Jahren schon arbeitet die Schweiz deshalb da-ran, besonders den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verla-gern und baut das Schienennetz kontinuierlich aus. Als wichtigstes ver-kehrspolitisches Projekt gilt „AlpTransit“, der Bau von in Nord-Süd-Rich-tung verlaufenden Eisenbahntransversalen. Hauptachse ist die Strecke Zü-rich-Mailand, die im Transitverkehr zwischen Deutschland und Italien ei-ne wichtige Rolle spielt. Hier entsteht der 57 Kilometer lange Gotthard-Basistunnel, den ab 2017 täglich 300 Reise- und Güterzüge passieren sollen. Mit seiner Fertigstellung wird sich die Fahrzeit von Hochgeschwin-digkeitszügen zwischen Zürich und Mailand von 3:40 auf 2:40 Stundenverkürzen. Damit macht die Bahn selbst dem Flugverkehr Konkurrenz. (si)

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Süden sollten die Mineure in den kommenden Jahren jeweils zwei Tunnelröhren in den Berg sprengen, die dasKernstück des insgesamt 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnels bilden.

GEOLOGIE ZU SCHWIERIG FÜR GROSSES GERÄT

Das Gebirge zwischen Sedrun und dem südlich gelegenenFaido gehörte zu Beginn der Arbeiten zu den geo logisch amwenigsten erkundeten Zonen. Weil sich das Gebirge bis zu 2500 Meter über dem geplanten Tunnel auftürmt, ließkeine Erkundungsbohrung das zu erwar tende Gestein vorhersagen. Nur eines wusste man: Hier im TavetscherZwischenmassiv war alles vorhanden, von hartem Granitbis zu fast sandartigem Dolomit. Während sich von Nordenund von Süden gigantische Tunnelbohrmaschinen ihrenWeg durch das Gestein fraßen, war und ist man im Ab-schnitt Sedrun gezwungen, mit konventioneller Spreng -technik den Weg zu bahnen. Bohrmaschinen würden sichin diesem schwierigsten Abschnitt des Gotthard, der im-mer wieder mit bröseligem Schiefer, brüchigem Gneis unddem gefürchteten mürben Kakirit aufwartet, verhaken undfür Wochen ausfallen. Doch die Mineure von Sedrun kamenstetig bis zu zwölf Meter am Tag voran. So erfolgreich warensie, dass vor vier Jahren der Bauherr, die AlpTransit Gott-hard AG, den Auftrag für die Transco um weitere 1,5 Kilo-meter Richtung Süden verlängerte. Im Herbst 2010, soschätzt Kapfhammer, werden sie den letzten Durchschlagschaffen und damit den Tunnel vollenden.

DIE FARBE DER HELME ZEIGT DAS GEWERK

In drei Tagesschichten an sieben Tagen arbeiten Mineure,Schlosser, Betonbauer, Mechaniker und Elektriker rund um die Uhr, ausgerüstet mit Stirnlampen, Staubmaske,Schutzbrillen und einem Sauerstoffgerät im Rucksack, daszumindest für zwanzig Minuten das Überleben sichert. Nuran der Farbe ihrer Helme kann man den Beruf der in oran-gefarbenen Arbeitsanzügen gekleideten Tunnelbauer ab-lesen: grün die Elektriker, blau die Schlosser und gelb dieBaumannschaften. Franz Schwinger, seit sieben Jahren in Sedrun dabei, trägt einen gelben Helm: Er ist Mineur undsichert mit dem Spritzbüffel, einer ferngesteuerten Spritz-betonpumpe, das frisch ausgeräumte Gewölbe. Der Bilfin-ger Berger-Mann stammt aus Österreich und hat sein hal-bes Arbeitsleben im Tunnelbau verbracht. „Aber dieser Tun-nel ist etwas Besonderes“, sagt er, „hier dabei zu sein, machteinen stolz.“ Der Gotthardtunnel wird nicht nur als längs-ter Eisenbahntunnel der Welt ins Guinness-Buch der Rekor-de eingehen, er wird die Menschen nördlich und südlichder Alpen näher zueinander bringen. Und er wird die vomSchwerlastverkehr geplagte Alpenregion enorm entlasten.Jeder Bagger, jeder der riesigen Bohrjumbos, jede Schmal-spurlokomotive, die hier unten arbeiten soll, muss zu-

nächst an der Oberfläche mühsam zerlegt, den Schacht hi-nuntergelassen und unten wieder montiert werden. HeinzRieder aus dem Berner Oberland ist einer von rund 20 Baumaschinenmechanikern aus ganz Europa, die Tag undNacht an den Maschinen schrauben. Wie alle anderen ar-beiten sie zehn Tage am Stück, bis sie endlich für vier her-beigesehnte Tage zu ihren Familien in der Steiermark, inItalien, in Ostdeutschland oder im Ruhrgebiet fahren kön-nen. „Wir sind ein eingespieltes Team“, sagt Rieder in sei-nem schweizer deutschen Dialekt, „und wenn die Spracheversagt, ver ständigen wir uns mit Händen und Füßen.“

Immer wieder stießen die Mineure im Bauabschnitt Sedrun auf ein extrem brüchiges Gestein: Kakirit lässt sichproblemlos mit den Händen zu einem Häufchen Dreck zer-reiben. In solchen Störzonen unter dem gewaltigen Druckdes darüber liegenden Gebirges zu arbeiten, ist hoch ris-kant. Tunnelbohrmaschinen wären hier völlig überfordert,und selbst mit konventioneller Vortriebstechnik müssenenorme Sicherungssysteme eingebaut werden.

VOLKER KAPFHAMMER ORGANISIERT DIE ARBEIT VON 600 LEUTEN IM ABSCHNITT SEDRUN.

32 \\ GOTTHARD-BASISTUNNEL Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

Die rettende Idee kam aus dem deutschen Steinkohleberg-bau. Dort werden schon seit langem Stollen mit Stahlrin-gen stabilisiert, die aus mehreren Teilen so konstruiertsind, dass sie sich gegeneinander verschieben lassen. Sienehmen den Druck auf und leiten ihn vom Tunnel weg indas umgebende Gebirge. Am Ende tragen die Stahlringe eine maximale Last von bis zu 180 Tonnen auf den Qua drat -meter. Solche Ringe werden in kurzen Abständen hinter -einander in den Tunnel verbaut, sobald wieder ein StückFels aus gebrochen ist. Jedes Mal, wenn der Gebirgsdruckauf die Ringe wirkt, entlädt sich das Ineinanderpressen der Ringele mente mit einem Knall.

NUR DIE „PORTA ALPINA“ BLEIBT EIN TRAUM

An alles ist gedacht: Die Temperaturen an der Tunnelbrustkönnen je nach darüber liegendem Gebirge an 50 Grad Celsius heranreichen. Deshalb kühlt ein ausgeklügeltes Belüftungssystem die Arbeitstemperaturen am Vortriebauf erträgliche 28 Grad herunter. Plötzlich eindringendesWasser müsste im Ernstfall über den Schacht nach außen

gepumpt werden. Die Pumpen dafür stehen bereit, sie können in einer Sekunde 1000 Liter 800 Meter hinauf ansTageslicht drücken.

An alles ist gedacht – fast: Nicht mehr gedacht ist an den Traum der Bewohner Sedruns. Sie hatten gehofft, dassin den Kavernen unter ihrem Dorf dereinst ein Bahnhof, die „Porta Alpina“ entsteht, der Reisende aus Mailand oderZürich ausspuckt, direkt ins Ski- und Wandergebiet rundum das beschauliche Sedrun. Zu teuer und aus Sicherheits-gründen zu heikel, befanden die Verantwortlichen in derSchweiz und strichen die Pläne. „Vielleicht“, sagt VolkerKapfhammer, während der Schachtaufzug uns wieder nachoben katapultiert, „wird der Traum ja eines Tages dochnoch wahr. Die Ausbrucharbeiten dafür haben wir jeden-falls schon gemacht. Man kann die unterirdischen Räumejederzeit nutzen.“

Als Kapfhammer oben aus dem Zug steigt, der ihn vomSchachtaufzug einen Kilometer bis zum Ausgang gebrachthat, weht frischer Wind durchs Tal. Der Ingenieur atmet tiefein: Fünf Meter näher ans Ziel ist er heute gekommen. //

DER DRANG NACH SÜDEN: IMMER WEITER BOHREN UND SPRENGEN SICH DIE MINEURE BIS ZUM DURCHBRUCH DES TUNNELS.

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MIT HILFE RIESIGER SCHALWAGEN BETONIEREN DIE TUNNELBAUER DIE RÖHREN AUS.

MÜDE MINEURE BEI DER AUSFAHRT AUS DEM BERG.FÜNF METER PRO TAG KOMMEN SIE VORAN.

34 \\ ERNEUERBARE ENERGIEN Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

/// Es ist der Stillstand, den Wendelin Einsied -ler mehr als alles andere fürchtet. „Sie müs-sen wieder laufen“, ruft der Windbauer undspringt in seinem Büro von einem Bein aufsandere. Draußen brechen Äste, alles ist in Be -wegung an diesem stürmischen Sonntag, nurseine weißen Giganten nicht. Die Windräderhaben sich bei den starken Böen abgeschaltet,damit sie nicht knicken wie Bäume.

Am Computer herrscht Einsiedler überzwölf Windkraftanlagen. Er bringt mit einemTas tendruck die Rotorblätter, lang wie zweiLast züge, wieder zum Kreisen. Klick, Haarberg

WILDPOLDSRIED IM ALLGÄU PRODUZIERT GUT DREIMAL SO VIEL STROM, WIE ES SELBST VERBRAUCHT. NICHT, DASS DIE DORFBEWOHNER EINGEFLEISCHTE UMWELTSCHÜTZER WÄREN. ABER SIE KÖNNEN RECHNEN.

C H R I ST I N E K E C K / T E X T / / / H E I N Z H E I S S / F OTO S

Nord auf dem Nachbarhügel dreht sich wie der.Klick, Langenberg nimmt Fahrt auf. Der Sturmhat die Tagesplanung des Allgäuers durchei-nander gewirbelt. Gleich beginnt die CSU-Kreisversammlung. Die Parteigenossen war -ten, der 53-Jährige mit dem zerzausten Haarmuss los. „Franz“, drängt er seinen Bru der undhat schon ein Bein im Gummistiefel, „jetztsteht Haarberg Süd wieder. Mach du das!“

Der Windpapst, wie ihn seine Freunde nen -nen, hat Wildpoldsried den ökologischenAufschwung gebracht. Im Klimaschutz spieltdas 2500-Seelen-Dorf in der Spitzenklasse

EIN DORF IM AUFWIND

SOLARZELLEN AUF DEN DÄCHERN BRINGEN DEM DORF 70 000 EURO PRO JAHR. NUR DIE DENKMALGESCHÜTZTE KIRCHE TROTZT DEM TREND.

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mit, hat längst umgesetzt, worüber andereJahre lang nur reden. Die Gemeinde erzeugtdas Dreieinhalbfache ihres Strombedarfsselbst. Die Wildpoldsrieder nutzen für dieEnergiegewinnung Rohstoffe, die die Naturin dieser Gegend Bayerns bietet. Den Wind,der kräftig bläst im Voralpenland. Das Holzder Fichtenwälder. Die Sonne, die hier 1755Stunden im Jahr scheint. Das Grünzeug, ausdem die Landwirte Biogas gewinnen. Selbstdie Kraft des Dorfbachs geht nicht verloren.

ÖKO ZAHLT SICH AUS

Doch gegen das Etikett „alternativ“ wehrensich viele mit Vehemenz. Im Gemeinderatsitzt kein einziger Grüner. Der einstige Bio -laden hat schon vor Jahren das „Bio“ ausseinem Sortiment gestrichen. Die gesundeKost war den sparsamen Allgäuern zu teuer.Es ist nicht in erster Linie ihr Ökobewusst-sein, das sie motiviert. Den Wildpoldsriederngeht es ums Geld. „Es zahlt sich aus“, ist derwichtigste Grundsatz der Gemeinde.

Mit dem CSU-Politiker Zengerle ist der Kli -maschutz ins Rathaus eingezogen. Dort sitztder 52-jährige Konservative zwischen Feng-Shui-Brunnen und Motorradkalender underzählt nicht ohne Stolz von den jährlichenSammelbestellungen für Solar- und Photo-voltaikanlagen. In Wildpoldsried wird dasEnergieerzeugen zum Volkssport. Die Bürgermachen mit, alle wollen etwas daran verdie-nen. Besser als ein Pokal ist die Erwähnungauf der Internet-Homepage der Gemeinde.Dort zeigt sich jeder gerne mit Foto und denwichtigsten Daten: die Bauern, die Gülle undSilage in den Fermenter der Biogasanlage kip -pen; der Windbauer, in dessen Räder die Bür -ger ihr Erspartes gesteckt haben; die Betrei-ber der drei Wasserkraftwerke im Ort, darun-ter auch der Bürgermeister höchstpersönlich.

Den Schraubenschlüssel in der einen Hand,die Taschenlampe in der anderen, bückt sichZengerle über seine Turbine. „Endlich läuft sie

WINDPAPST WENDELIN EINSIEDLER GLAUBT AN DIE KRAFT DER ROTOREN.

36 \\ ERNEUERBARE ENERGIEN Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

wieder“, freut er sich, „der letzte Monat warviel zu trocken.“ Fast jeden Tag schaut er in dem stillgelegten Sägewerk vorbei. Heutelässt der Regen des Sturmtiefs die Anlagesausen. In einem Meter Tiefe strömt das Was -ser des Dorfbachs und treibt das Turbinenradan. Früher brachte es eine Säge in Schwung,inzwischen ist es an den Generator des Bür -germeisters angeschlossen. Die Messgerätezeigen sechs Kilowatt Leistung. Knapp zehnCent erhält der Bürgermeister für jede Kilo -wattstunde Strom, die er ins Netz einspeist.Nur wenige Euro am Tag wirft die Anlage ab.Aber das ist zweitrangig. Technik ist für denBürgermeister Liebhaberei, und seit er seineTurbine einmal zerlegt und wieder zusam-mengebaut hat, ist er ihr verfallen.

BRAINSTORMING IM KLOSTER

Der Ausbau regenerativer Energien war schonimmer mehr als ein Hobby von Arno Zengerle.„Wir müssen uns überlegen, was wir unse-ren Kindern hinterlassen“, hat Zengerle seineGemeinderäte schon 1999 ermahnt und sichmit ihnen für ein Wochenende in ein ehe -maliges Benediktinerkloster zurückgezogen.Die Räte ließen sich auf die Klausur ein undentschieden sich für mehr Basisdemokratie.Die Bürger sollten sagen, was sie wollen. DreiDIN-A4-Bögen umfasste die anonyme Um -frage, die in die Briefkästen gesteckt wurde.Sie reichte von der Bewertung des öffentli-chen Personennahverkehrs bis zum Gestal-tungsvorschlag für den Ortskern. Auch dieMeinung zu zwei geplanten Windkraftanla-gen wurde erfragt: 92 Prozent befürworte-ten den Bau. Aus den Wünschen formte derGe meinderat einen Rahmenplan, die neueMarschroute fürs Dorf.

Weg vom Öl, hin zum Holz, das ist das Zielder Allgäuer Gemeinde. So brauchte es fürden Bau einer eigenen Dorfheizung nichtviele Worte, sondern einen guten Geschäfts-

SIGMUND HARTMANN IST DER HÜTER DER DORFEIGENEN PELLETHEIZUNG. SIE VERSORGT 30 ÖFFENTLICHE UND PRIVATE GEBÄUDE.

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plan. Die Anlage, die Holzpellets verbrennt,kostete eine halbe Million Euro und spart fast150000 Liter Heizöl oder 470 Tonnen Kohlen-dioxid im Jahr ein. Das erzählt Sigmund Hart -mann jedem, der ihn im Heizkeller untermDorfsaal besucht. Die Anlage ist sein ganzerStolz, das sieht man ihm an. Der 68-jährigepensionierte Stahlgießer hat sie sogar selbstmitfinanziert.

Die Heizung pumpt Wärme in die unter -irdischen Rohre, die im Rathaus und in derSporthalle enden. Schön warm haben es dieKirchgänger und schön warm hat es auchFamilie Hartmann in ihrem Einfamilienhaus.Gut 30 öffentliche und private Gebäude sindan das Nahwärmenetz angeschlossen. „AlsGemeinschaftsprojekt rechnet sich das“, weißder Hüter der Heizung, der sowieso in eineneue Anlage hätte investieren müssen undnun jährlich rund 400 Euro spart. Wie vieleim Ort hat auch er eine thermische Solaran-lage auf dem Dach – für das Heißwasser. DerAbschied vom Öl war den Hartmanns wich-tig. „Erstens, weil es dann nicht mehr so stinktim Keller, zweitens, weil es billiger ist unddrittens: Weil Straubing näher ist als Saudi-Arabien“, sagt Sigmund Hartmann. Per Last -wagen werden die Pellets angeliefert, alle ein bis zwei Wochen eine 15-Tonnen-Ladung.

JAPAN LERNT VOM ALLGÄU

Wildpoldsried ist weit über die Region hi -n aus bekannt, die Einträge im Goldenen Buchder Gemeinde beweisen es: Aus Japan undvom Bodensee, von den Grünen und aus den Reihen der CSU-Parteifreunde kommendiejenigen, die sich vom Energiedorf etwasabschauen wollen. Gerne erzählt der Bürger-meister den Gästen die Geschichte, wie er für Altbausanierung warb. Vom Heißluft -ballon aus wurde mitten im Winter ein Filmgedreht. Hauptdarsteller waren die Dächer.Lag noch Schnee drauf, stimmte die Däm-

mung; war das Weiß schon geschmolzen, hießdas für den Hausbesitzer: Hier wird zum Dachhinaus geheizt.

Nicht nur den Bürgern schaute Zengerleauf die Finger, auch die kommunalen Ener-giebilanzen lässt er überprüfen. Mitarbeiterder Gemeinde müssen monatlich den Ver-brauch von Heizöl, Strom und Wasser in Kin -dergarten, Schule, Rathaus und Feuerwehrkontrollieren. Stromfresser fielen beim Ab le -sen der Messgeräte schnell auf: Im Kinder-garten standen die Boiler auf Maximum, einevermeidbare Energieverschwendung. Bei der Feuerwehr lief die Heizung wegen eines

undichten Ventils auch im Sommer. Das hattekeiner bemerkt.

Ehrgeizig, als ginge es darum, immer neue Rekorde zu brechen, präsentiert Zengerledie aktuellsten Haushaltszahlen. „Allein die Photovoltaikanlagen auf den öf fent lichenGebäuden haben im vergangenen Jahr70000 Euro gebracht“, freut sich der Bürger-meister und ist weiter auf der Suche nachgeeigneten Dachflächen. Am liebsten würdeer auch der historischen Dorfkirche ein paarSonnenkollektoren verpassen: „Aber daslassen die Denkmalschützer leider nicht zu.“

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GRÜNE LANDSCHAFT, SCHWARZE ZAHLEN: BÜRGERMEISTER ZENGERLE SPAZIERT DURCH DASNAHERHOLUNGSGEBIET MIT PFLANZENKLÄRANLAGE.

38 \\ ALTLASTEN-SANIERUNG Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

/// Einst warfen die Bürger ihren Müll auf die Straße – undlitten unter Abertausenden von Ratten. Der Bürgermeisterversprach demjenigen 100 Golddukaten, der die Stadt vonder Plage befreien würde. Darauf erschien ein Fremder inder Stadt. Als er auf einer Flöte zu spielen begann, kamendie Nager aus ihren Löchern und folgten dem Mann hinun-ter zum Fluss. Allesamt wurden sie von der Strömung hin-fort gespült.

In Deutschland spielt das Märchen vom Rattenfänger inHameln, in Österreich spielt es in Korneuburg, einer klei-nen Stadt an der Donau nördlich von Wien. Dort lassen sich

die Folgen der Umweltverschmutzung heute nicht mehrdurch Flötentöne beseitigen.

Im Zweiten Weltkrieg bombardierten alliierte Flugzeu-ge die Anlagen der Raffinerie am Stadtrand. Der Schlend-rian während des jahrzehntelangen Betriebs und nach derStilllegung im Jahre 1961 tat ein Übriges. Insgesamt versi-ckerten Hunderttausende Liter Ölraffinate im Untergrund.Als sich Anwohner der umliegenden Sied lungen zuneh-mend beschwerten, dass das Wasser ihrer Hausbrunnenölig schmecke, ließ das Umweltbundesamt die Altlast der sogenannten „Tuttendorfer Breite“ unter suchen: Eine

DIE ÖLFÄNGER VON KORNEUBURG

BILFINGER BERGER BEWÄLTIGT EINE DERGRÖSSTEN ALTLASTEN-SANIERUNGEN ÖSTERREICHS.

B E R N D H AU S E R / T E X T / / / E R I C VA Z ZO L E R / F OTO S

AUF DEM EHEMALIGEN RAFFINERIEGELÄNDE VERSICKERTENHUNDERTTAUSENDE LITER ÖL. NUN WIRD ES MITABSCHEIDEANLAGEN AUS DEM GRUNDWASSER GEHOLT.

Fläche von 18 Hektar war bis in den Grundwasserbereichin sechs Meter Tiefe kontaminiert mit Kohlenwasserstof-fen – den Überbleibseln der Erdölverarbeitung.

FILTER UND BODENBAKTERIEN

Die Bundesaltlastensanierungsgesellschaft (BALSA) such-te mit einer Ausschreibung die Lösung für das mittlerwei-le drängende Problem, das die Korneuburger zunehmendauf die Barrikaden brachte. Im Jahr 2008 legte die BilfingerBerger Baugesellschaft, eine österreichische Konzerntoch-ter, ein innovatives Sanierungskonzept vor und erhielt denZuschlag für das Projekt.

Quer zum Grundwasserstrom errichteten Tiefbauer ei-ne 1200 Meter lange Dichtwand, die bis zu den wasserun-durchlässigen Tonschichten reicht. In die unterirdischeWand sind sogenannte „Gates“ eingebaut. Die perforier -ten Glasfaserrohre mit einem Durchmesser von knapp zweiMetern sind mit Aktivkohlegranulat gefüllt. „Bilfinger Ber-ger hat die Gates entwickelt, wir haben ein Patent darauf“,sagt Spezialtiefbauer Thomas Pirkner. Das abströmendeGrundwasser fließt durch die Filter, die Kohlenwasserstof-fe bleiben darin hängen. Ist die Aktivkohle gesättigt, wirdsie abgesaugt und durch neues Granulat ersetzt. So wird

die weitere Kontamination der angrenzenden Flächen ver-hindert.

Doch auch das verseuchte Raffineriegelände, wo inner-halb der unterirdischen Schutzmauern nach wie vor ein dicker Ölfilm auf dem Grundwasser liegt, sollte saniertwerden. Bilfinger Berger setzte zunächst acht Brunnen, indenen nun Ölabscheideanlagen das Altöl absaugen. Diezweite Maßnahme ist ungewöhnlich und in einer solchenGrößenordnung bislang einzigartig in Österreich: eine mi-krobiologische Sanierung des Bodens. Bei dieser Methodeübernehmen natürliche Bodenbakterien die Reinigung.

Auf dem Gelände wurden 40 Schächte gegraben. Über die-se werden nun genau diejenigen Bodenorganismen ge-hegt und gepflegt, die das Gift abbauen. „In jedem Bodensind Bakterien, die auf ganz natürliche Weise Kohlenwas-serstoffe abbauen“, erklärt Umwelttechniker Rainer Ada-mi, der das Projekt betreut. „Damit die Mikroorganismenallerdings mit so großen Mengen zurechtkommen, führenwir Nährstoffe und Sauerstoff zu.“ Sauggeräte ziehen dieLuft am Grund der Schächte ab, im Erdreich kommt es sozu Unterdruck. Zum Ausgleich nimmt der Boden an derOberfläche Luft auf und versorgt auf diese Weise die Bakterien mit frischem Sauerstoff. In anderen Schächtenbringen die Umwelttechniker in Wasser gelösten Kunst-dünger ein: Die Nitrate vermehren den Appetit der Bakte-rien um ein Vielfaches.

DAS ZIEL IST TRINKWASSERQUALITÄT

Zehn Jahre lang werden die Leute von der Bilfinger BergerBaugesellschaft das Gelände überwachen und betreuen.„Wir sind zuversichtlich, dass wir unser Ziel erreichen“, sagt Michael Zorzi, Geschäftsführer des Auftraggebers BALSA:„Nach Abschluss der Sanierung soll das Grundwasser aufder Tuttendorfer Breite wieder Trinkwasserqualität haben.“

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BI LFI NGER BERGER BAUGESELLSCHAFT

IN WIEN FEST VERWURZELT

Die Bilfinger Berger Baugesellschaft mit Sitz in Wien ist insbesondere in Öster-reich, Ungarn, Rumänien, der Slowakei und Tschechien aktiv. In Wien ist dasUnternehmen an mehreren spektakulären Infrastrukturprojekten beteiligt, da-runter der Bau des 13 Kilometer langen Wienerwaldtunnels und der Umbaudes denkmalgeschützten Wiener Westbahnhofs, in den bei laufendem Betriebzwei Untergeschosse eingezogen wurden. Die Kernkompetenzen des Unter-nehmens liegen im Ingenieurbau und der Umwelttechnik. (si)

DIE FILTER SIND MIT INSGESAMT 120 TONNENAKTIVKOHLE GEFÜLLT.

DIE SANIERER: MICHAEL ZORZI, THOMAS PIRKNERUND RAINER ADAMI (VON LINKS).

PROBE AUS DEM UNTERGRUND: AUF DEM GRUNDWASSER SCHWIMMT ÖL.

40 \\ PORTRÄT Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

T I L M A N WÖ RT Z / T E X T / / / R A I N E R K W I OT E K / F OTO

ÄLPLER UND WELTENBÜRGERHUBERT VON GOISERN FLOH VOR SEINER HEIMAT. IN DER FREMDE FAND ER SEINE WURZELN – UND ERFAND DEN ALPENROCK.

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/// Bad Goisern ist ein Ort mit 8000 Einwohnern, idyllisch am Endedes Goiserer Tals gelegen. Eine Straße führt in das oberösterreichischeStädtchen hinein und endet dort. Wer weiter will, muss über das Dach-steinmassiv klettern. Für Jugendliche stellt sich hier irgendwann un-weigerlich die Frage: Bleibe ich in der Enge des Tales? Ziehe ich weg?Und welche Identität finde ich dann? Bad Goisern hat zwei berühmteEinwohner hervorgebracht, die zwei gegensätzliche Antworten gege-ben haben – beide sind zu Integrationsfiguren zweier Lager und Le-benseinstellungen in Österreich geworden.

Der eine war Jörg Haider, der vor zwei Jahren tödlich verunglückt ist. Als Vorsitzender der rechtspopulistischen „Freiheitlichen ParteiÖsterreichs“ ließ er sich gerne in Lederhosenfotografieren. Er hielt Reden, in denen er „Aus-länder, Asylbewerber und Sozialschmarotzer“in einem Atemzug nannte. Identität durch Abgrenzung, das war die Antwort, die Haideröffentlich vertrat.

Der andere berühmte Sohn der Stadt ist ein ehemaliger Nachbar Jörg Haiders, der zweiKlassen unter ihm in die Dorfschule ging: Hu-bert von Goisern, ein Rockstar in Österreich.Von Goisern gilt als Erfinder des sogenannten„Alpenrocks“, einer Musik, die Rock ’n’ Roll mitJodeln, Akkordeon und Geigen verbindet.

Hubert von Goisern, 58, ist für Österreicherso etwas wie Udo Lindenberg für Deutsche. Ersingt in einer Sprache, die man versteht undspielt trotzdem Musik, die auch die Jungenmögen. Goiserns „Hiatamadl“ (BRD-Deutsch:„Hirten-Mädchen“) war ein Vierteljahr in denTop Ten und ist heute eine Art inoffizielle Hym-ne der Republik Österreich. Eine kleine Kostpro-be: „Koa Hiatamadl mag i nit / hat koane dicknWadln nit / I mag a Diandl aus da Stadt / wasdicke Wadln hat.“ Hubert von Goisern hat aberauch viele nachdenkliche Songs geschrieben,wie zum Beispiel „Leben“: „Es g’hört uns eh nixund des Nix is umsonst / Drum is’ des ganze Leben a de größte Kunst.“

Die Erfindung des Alpenrocks begann im Musikverein von Bad Goisern, in dem auch Hubert Achleitner, wie er damals noch hieß, als Heranwachsender Trompete spielte. Seine Mitmusiker störten sichallerdings an seinen langen Haaren, mit denen Hubert seine Neigungzur damals aufkommenden Rockmusik demonstrierte. Sie fürchteten,die Leute könnten glauben, „es spiele ein Mädchen in der Kapelle“. Hu-bert verweigerte sich dem Friseur, nörgelte statt dessen an den fehlen-den Rocknummern im Programm, bis er schließlich seine Trompete zu-rückgeben musste. Es drängte ihn hinaus aus dem Tal. „In die Freiheit,zu Blues und Rock ’n’ Roll.“

Volksmusik erschien ihm als Volkstümelei, „die Identität in der Abgrenzung sucht“, sagt er heute. Erst während seiner langen Reisen

entdeckte er ihren Wert neu. So lebte er auf den Philippinen ein hal-bes Jahr lang bei Nasenflötenspielern. Ihn faszinierte ihre Hingabe und Offenheit gegenüber dem Fremden. „Die hatten kein Problem damit,wenn ich auf meine Art mitsang. Da dachte ich: So muss es bei uns auch mal gewesen sein.“

Hubert Achleitner, der Weggeher, wurde zum Wiederkehrer, zu Hause wollte er jetzt nach den „Wurzeln der musikalischen Traditiongraben“. Er lernte Ziehharmonika und Jodeln, verband Volksmusik mitRock und Blues. Nun nannte er sich auch „von Goisern“. Teils um überHerkunftsdünkel zu spotten, teils doch als Bekenntnis zu seiner wie-der gefundenen Heimat. Seine Songs trafen auf eine tief verborgene

Sehnsucht von vielen Österreichern, die nacheiner Verbindung ihrer Identitäten als Älplerund Weltenbürger suchten. Kritiker stellten Hubert von Goisern ins rechte Eck. Einige sei-ner Fans kommen tatsächlich von dort. Dochfür die meisten hat er österreichische Volks-musik durch seinen Alpenrock wieder akzepta-bel und hörbar gemacht.

Gleichzeitig ließ sich Hubert von Goisernauf langen Reisen durch Afrika und Tibet vonanderen Kulturen inspirieren. Vor fünf Jahrenbegleitete er den ägyptischen Sänger Moha-med Mounir. Kurz nach der Tour veröffentlich-te er das Album „Trad II“. Doch war auch dortkein Afro-Austro-Mix zu hören, sondern eineNeuinterpretation österreichischer Volkslieder.Zuletzt sorgte er mit Schiffstouren auf Rheinund Donau für Aufmerksamkeit. In Dutzendenvon Häfen legte er an, lud lokale Bands an Bordseiner imposanten Bootsbühne und spielteJam-Sessions mit ihnen. Er hatte die Gäste sorg -fältig ausgesucht, wollte mit Musikern spielen,die ihrerseits auf der Suche nach kulturellenWurzeln in ihrer Heimat sind. Die Ukrainer rock -ten mit Polka-Trompete und Sensen- Harfe, dieRumänen mit Geigen und Karpaten-Bläsern.„Wir wollen die kulturelle Partnerschaft der Regionen entlang des 2889 Kilometer langen

Flusses nach Osten erweitern“, sagte Hubert von Goisern über sein ehr-geiziges Projekt. „Eine gesteigerte Fähigkeit, diese musikalische Vielfaltzu akzeptieren, wäre eine große Errungenschaft.“

Das erste musikalische Echo Hubert von Goiserns auf diese Reise gen Osten war die CD „S’Nix“. Drauf zu hören sind Rock und Pop, auchmal Jodeln, aber keine Karpaten-Bläser oder Sensen-Harfen, kein Mul-tikulti, sondern Goisern-Sound.

Goisern bleibt Goisern, mit einem Bein verhaftet in seinem Tal, mit dem anderen unterwegs. Doch je weiter er wandert, desto verbun -dener fühlt er sich mit seinem Ursprung. //

www.hubertvongoisern.com

ES G’HÖRT UNS EH NIX UND DES NIX IS UMSONST

—DRUM IS’ DES GANZE LEBEN

A DE GRÖSSTE KUNST.

HUBERT VON GOISERN, „LEBEN“

42 \\ DIE EISMACHER AUS DEN DOLOMITEN Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

IN DEUTSCHLAND BEGINNT DER FRÜHLING, WENN DIE EISDIELEN WIEDER AUFMACHEN. DOCH WO WAREN DIE ITALIENISCHEN EISMACHER IM WINTER? EIN HEIMATBESUCH.

P H I L I P P M AU S S H A R DT / T E X T / / / R A I N E R K W I OT E K , F R A N K S C H U LT Z E / F OTO S

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/// Langsam leert sich das Zoldotal. Es ist Ende Februar, dieersten haben schon Anfang des Monats ihre Koffer und Kis-ten in die Autos mit den deutschen Kennzeichen gepacktund sind das schmale Sträßchen entlang des reißenden Ge-birgsflusses Maè hinuntergefahren nach Longarone, dannauf die Autobahn in Richtung Brenner. Ihr Ziel: zahllosedeutsche Städte von Aachen bis Zittau. Die letzten wartenbis März, dann sperren auch sie ihre Häuser ab und ma-chen sich auf den Weg nach Norden, um nach der Winter-pause überall in Deutschland ihre Eisdielen wieder auf -zumachen. Zurück in dem engen Tal in den Dolomiten bleiben die Alten und die Kinder der Eismacher.

ELTERN IN DEUTSCHLAND, KINDER IN ITALIEN

Fausto Bortolot, 68 Jahre alt, hat sich eine Pfeife angezün-det und schaut von der Terrasse seines Hauses in Zoppé aufden sonnenbeschienenen Gipfel der Civetta. Über 3200 Me-ter hoch erhebt sich der Dolomitenausläufer jenseits desZoldotals. Bortolot muss nicht erklären, warum er diesesFleckchen Erde so liebt, warum er auch nach 53 Jahren inCochem an der Mosel kein anderes Zuhause kennt. ImWohnzimmer seines großen Hauses sitzen fünf Kinder umein Schachspiel herum. Es sind die Enkelkinder der Borto-lots, deren Eltern vor wenigen Tagen wieder abgereist sind– für acht lange Monate. Nur eine der Schwiegertöchter istnoch da, sie fährt erst übermorgen: „Für die Mütter ist dieTrennung viel schlimmer als für die Kinder“, sagt sie.

TIEFE WURZELN IM ZOLDOTAL

In der kleinen Dorfschule von Zoppé strecken vier der fünfSchüler die Hände auf die Frage, welche Eltern als Eisma-cher in Deutschland arbeiten. Sie recken fröhlich die Fin-ger in die Luft und wirken nicht traurig, dass sie in denkommenden Monaten die Stimmen ihrer Mütter und Vä-ter nur am Telefon oder per Skype am Computer hören wer-den. Sie kennen es nicht anders.

Die Söhne und Töchter der Eismacher durchlaufen inDeutschland meist nur den Kindergarten. Doch mit derSchulzeit beginnt der Ernst des Lebens und die Trennungvon den Eltern. „Wir alle haben tiefe Wurzeln in diesemTal“, sagt Bortolot. „Wir wollen sie an unsere Kinder wei-tergeben.“ Die Jungen sollen nicht vergessen, woher siekommen und wohin sie im Alter wieder gehen werden.

Von den etwa 5000 Eisdielen in Deutschland wird gutdie Hälfte von den Zoldani betrieben: Lazzarin, Fontanella,Soravia, Zanolli, Panciera und wie sie alle heißen. Es war die

EHEPAAR MIT ENKELSCHAR: DIE BORTOLOTS ZU HAUSE.

SELBST DER NIPPES IM WOHNZIMMER ERZÄHLT VOM STOLZ AUF DIE FAMILIENTRADITION.

44 \\ DIE EISMACHER AUS DEN DOLOMITEN Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

nackte Not, die Ende des 19. Jahrhunderts die ersten von ih-nen in die Hauptstadt des österreichisch-ungarischen Kai-serreiches trieb. Bis dahin hatten die Bewohner von kargerLandwirtschaft gelebt, als Flößer oder Köhler vom Holz derBerge oder hatten in kleinen Erzminen ein wenig Eisen ge-wonnen. Doch immer wieder machten Gerölllawinen undverheerendes Hochwasser ihre Arbeit zunichte. 1882 rissder Maè fast alle Werkstätten und Mühlen mit sich. So ent-schlossen sie sich, ihr Glück jenseits der Berge zu suchen.

Aus ihren hölzernen Handwagen verkauften die Zolda-ni, wie sie sich selbst nennen, erst Kekse, kandierte Birnenoder gebrannte Maronen. Bis einige von ihnen das mobileSpeiseeis entdeckten. Gekühlt wurde die Masse aus Milch,Eiern und Zucker in kleinen, von Hand getriebenen Maschi-nen, in denen Eis mit Salz vermischt eine Minustempe ra-tur von 17 Grad Celsius erzeugte. Bis in die Dreißigerjahredes 20. Jahrhunderts hinein spannen die Zoldani so ihr

WÄHREND DARIO OLIVIER IN SEINER EISDIELE IN WITTEN IM RUHRGEBIET RACKERT ...

... TREFFEN SICH DIE RUHESTÄNDLERZU HAUSE IN DER BAR „BRUSTOLON“.

ENDLICH IST DIE SCHULE AUS! „GEFRORENES“ GIBT ES IM ZOLDOTAL NICHT NUR IN DER WAFFEL.

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Netz über Deutschland, Polen und Österreich. Der ZweiteWeltkrieg konnte den unaufhaltsamen Aufstieg des „ge -lato italiano“ nur kurz stoppen. Mit dem Wiederaufbaunach dem Krieg kam die ganz große Zeit: Die Eisdiele wur-de zum Treffpunkt von Jugendlichen und Familien in jederdeutschen Stadt.

EHRET DAS HANDWERK!

Unterhalb von Zoppé in dem kleinen Dorf Bragarezza lädtDario Olivier die Koffer in seinen silbergrauen Mercedes.Heute geht es zurück nach Witten an der Ruhr. Dorthin, woschon sein Großvater 1930 einen der ersten Eissalons imRuhrgebiet eröffnete. Dario Olivier ist der Vizepräsident der„Uniteis“, einem Interessenverband der italienischen Eis-hersteller in Deutschland. Er weiß, dass viele Familien ei-ne schwierige Zeit durchmachen: „Eis verkaufen ist nichtmehr so attraktiv wie früher, viele Kinder sehen andereMöglichkeiten und wollen nicht mehr in die Fußstapfen ih-rer Mütter und Väter treten.“

Doch mehr noch als die freie Entscheidung der Kinderfürchtet Dario Olivier die Konkurrenz der seelenlosen Eis-industrie mit ihren Fertigprodukten und die vielen Quer-einsteiger, die ohne Vorkenntnisse und ohne Leidenschaftirgendwo ein Eiscafé eröffnen. „Wenn einer sein Leben langSchrauben verkauft hat, kann er nicht einfach auf Eis um-steigen“, ist der Zoldani überzeugt. Laut Gesetz allerdingsschon, denn die Eisherstellung unterliegt, anders als bei-spielsweise das Konditorwesen, in Deutschland keinen fes-ten Ausbildungsregeln. Das wollen Dario Olivier und sei-ne Mitstreiter von Uniteis ändern. Seit Kurzem haben sieeine zweijährige Ausbildung zum staatlich anerkanntenEishersteller von der Handwerkskammer Rhein-Main lizen-zieren lassen. „Es geht uns darum, die Qualität von hand-werklichem Speiseeis zu schützen.“ Es geht um Hygiene,um ehrliche Produkte. Und es geht auch um den Schutz vorunliebsamer Konkurrenz.

BUNTES GEMISCH DEUTSCHER MUNDARTEN

Dario spricht mit einem Ruhrgebietsakzent, so wie manfast jedem in Zoldo anhört, wo er in Deutschland sein Ge-lato verkauft. „Wie goht’s?“ (Balingen), ruft einer fröhlichaus dem Fiat-Panda. In der Bar „Brustolon“, wo sich die Eis-Rentner täglich zum Kartenspiel treffen, schallt es zum Ab-schied „kommt jut nach Hause!“ (Düren). Die Sonne gehtunter im Zoldotal, ihre letzten Strahlen lassen den Gipfeldes Monte Pelmo erröten. Für ein paar Minuten hat der Felsdie Farbe von Himbeereis. //

EIS ESSEN IST SO ATTRAKTIV WIE EH UND JE. EIS VERKAUFEN NICHT.

DARIO OLIVIER MIT EISBECHER: WER IN WITTEN WOLLTE WIDERSTEHEN?

46 \\ ERDGASSPEICHER Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

/// Das vergangene Jahr begann in Europa mit einem hitzigen Streit.Die Ukraine war mit den Gaszahlungen im Verzug, und Russland stell-te die Lieferungen an den Nachbarn ein. Die Ukrainer drohten, denTransport des russischen Gases über ihr Territorium zu verbieten undverlangten höhere Transitgebühren. Kurzerhand entnahmen sie Millio-nen Kubikmeter für Mitteleuropa bestimmtes Gas aus den Pipelines,behauptete jedenfalls die russische Gasfirma Gazprom und drehte denHahn ab. Zwei Wochen lang stockten die Lieferungen nach Mitteleu-ropa. Viele Verbraucher fragten sich, ob sie bald mit drei Pullovern über-einander in ihren Wohnungen sitzen würden. In armen Ländern wieSerbien fielen die Heizungen aus.

ÖSTERREICHS GROSSE LAGERSTÄTTEN

Doch in Österreich beruhigte Markus Mitteregger, Vorstandsdirektorfür den Bereich Erdgasspeicherung bei der Rohöl-Aufsuchungsgesell-schaft (RAG), seine Landsleute: „Wir sind die Vorreiter. Kein anderesLand in Europa verfügt über mehr Speicherkapazitäten.“ Österreich istin einer doppelt glücklichen Lage, denn es besitzt ausgedehnte Erdgas-lagerstätten; sind sie ausgebeutet, lassen sie sich als Speicher für Gasaus Russland nutzen. In Haidach, an der Grenze von Salzburg und Ober-

österreich, erschloss die RAG 1997 ein riesiges Lager in 1600 Meter Tiefe. Nach oben von Tongestein abgedichtet, schlummerten in den Po-ren eines 100 Meter mächtigen Sandsteins auf 17,5 Quadratkilometerninsgesamt 4,3 Milliarden Kubikmeter Methan. Die RAG ließ sie anboh-ren, und das Gas aus der Tiefe strömte willig an die Oberfläche wie die Kohlensäure in einer Flasche Mineralwasser, wenn man den Deckelöffnet. Aber der Vorgang funktioniert auch umgekehrt. Ist aus der La-gerstätte das Erdgas entnommen, kann man mit einigem technischenAufwand Gas zurück in die Sandsteinporen pressen und riesige Spei-cher schaffen, wie sie an der Oberfläche nie gebaut werden könnten.Und so geschah es auch in Haidach.

VERDOPPELTE KAPAZITÄT

2007 eröffnete die RAG zusammen mit ihren Partnern WINGAS undGazprom die erste Stufe des Erdgasspeichers Haidach. 1,2 Milliarden Kubikmeter Gas lassen sich dort seither bunkern und in Zeiten höhe-ren Bedarfs abrufen, etwa im Winter – oder während eines Gasstreitsin Osteuropa. Nun folgt die zweite Ausbaustufe, mit der die Kapazitätverdoppelt wird, sodass Haidach zum zweitgrößten ErdgasspeicherMitteleuropas wird. Wie bereits in der ersten Stufe ist BIS VAM Anla-

DEPOT IM UNTERGRUNDERDGAS AUF VORRAT WIRD IMMERWICHTIGER. IN OBERÖSTERREICHIST BILFINGER BERGER AM AUSBAUEINER DER GRÖSSTEN EUROPÄISCHENERDGASSPEICHER BETEILIGT.

B E R N D H AU S E R / T E X T

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gentechnik, ein Unternehmen der Bilfinger Berger Industrial Services,für die Montage der aufwendigen technischen Anlagen zuständig. GroßeKompressoren sind nötig, um das russische Gas ins österreichische Ge-stein zu drücken. Die Rohrleitungen müssen einen Druck bis zu 250 baraushalten. Bilfinger Berger montiert zwei Verdichterstationen mit je850 Tonnen Rohrleitungen und 1700 Tonnen anderen Gerätschaften: Fil-ter, Adsorber, Trocknungsanlagen. Im September 2009 begannen dieMontagearbeiten, schon im September 2010 sollen sie beendet werden.

ERDGAS WIRD WICHTIGSTER ENERGIETRÄGER

Gleichzeitig arbeitet Bilfinger Berger an einem zweiten großen Pro-jekt der RAG unweit von Haidach, „Seven Fields“. Hier werden siebenkleinere ehemalige Lagerstätten durch Rohrleitungen verbunden undals Speicher benutzt. „Seven Fields“ und Haidach können zusammenden Jahresgasbedarf von 2,2 Millionen Einfamilienhäusern bereit -stellen. „Wir haben auf beiden Baustellen jeweils 100 bis 150 Leute“,sagt Peter Lorenz, der zuständige Manager. „Die Kunst ist, unsere Teams untereinander und mit den Leuten der vor- und nachgelager-ten Gewerke so zu koordinieren, dass das Projekt in der knappen Zeitfertig wird.“

Bisher entfällt ein Viertel des Primärenergiebedarfs in der EU auf Erd-gas, laut Prognosen aus Brüssel wird der Gasbedarf in den kommen-den zehn Jahren um 25 Prozent steigen. Die International Energy Agen-cy (IEA) geht davon aus, dass Erdgas im Jahr 2050 der weltweit wich-tigste Energieträger wird. Wer jetzt in Speicherplatz investiert, kannsich einen strategischen Vorteil verschaffen, um künftig als Zwischen-händler über die mitteleuropäischen Gasnetze Geld zu verdienen.

Dies gilt vor allem auch durch den Trend zu erneuerbaren Energien.Viele Experten halten Erdgas für die Brücke zwischen fossilem und grü-nem Energiezeitalter. Im Vergleich zu Kohle oder Öl entsteht bei der Erd-gasverbrennung weniger Kohlendioxid. Und Wind- oder Solarkraftfunktionieren einstweilen nur im Verbund mit anderen Energieformen,die rasch und zuverlässig zur Verfügung stehen, wenn der Wind nichtweht oder Wolken die Kraft des Sonnenstroms schwächen. „Die Kom-bination der Erneuerbaren mit Erdgas ist ideal“, meint RAG-VorstandMitteregger: „Gaskraftwerke lassen sich bei Bedarf schnell hoch- undherunterfahren und haben einen sehr hohen Wirkungsgrad.“ Kraftwer-ke mit modernsten Gasturbinen schaffen unglaubliche 90 Prozent. ZumVergleich: Der durchschnittliche Wirkungsgrad von Kohlekraftwerkenliegt bei nur 30 Prozent, neu gebaute Anlagen erreichen 45 Prozent. //

SPEZIALKOMPETENZ

ERDGASTROCKNUNG

Wussten Sie, dass im Untergrund eingelagertes Erdgas Wasserzieht? Tatsache ist, dass Erdgas getrocknet werden muss, bevor esins Leitungsnetz eingespeist wird, insbesondere damit die Pipelinesnicht korrodieren.

Der Bau von Gastrocknungsanlagen ist die Spezialität von BISE.M.S., einer Beteiligungsgesellschaft von Bilfinger Berger Indus -trial Services mit Sitz in Cloppenburg. Das Unternehmen ist in ganz Europa aktiv, von Frankreich über das Vereinigte Königreich bis Österreich und Rumänien. Die Techniken zur Gastrocknung sindvielfältig. Die Feuchtigkeit kann mithilfe von Glycol entzogen odermit Molekularsieben „adsorbiert“ werden, in denen sich die grö -ßeren Wassermoleküle verfangen. Auch Tieftemperaturverfahrenkom men zum Einsatz, mit denen das Gas auf bis zu minus 36 GradCelsius herunter gekühlt wird. (si)

AUWENDIGE TECHNIK IST NOTWENDIG, UM DAS GASIN DEN SPEICHER IN 1600 METER TIEFE ZU PRESSEN.

48 \\ NEWS Bilfinger Berger Magazin // 01 2010

MAGN ETTECH N I K VON BI LFI NGER BERGER POWER SERVICES

ERFOLGREICHE TEILCHENKOLLISION AM CERN

Ende März 2010 sind im neuen Teilchenbeschleuniger LHC des europäischenForschungszentrums CERN bei Genf zwei gegenläufige Protonenstrahlen miteiner Energie kollidiert, die in der Forschung bislang unerreicht ist. Bei derKollision entstanden für Bruchteile von Sekunden Bedingungen, wie sie un-mittelbar nach dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren geherrscht haben. DerTeilchenstrahl wird mit hochpräzisen Dipolmagneten auf seiner Bahn gehal-ten, die Bilfinger Berger Power Services geliefert hatte. Mit der erfolgreichenProtonenkollision können nun umfangreiche Experimente beginnen. Die For-scher hoffen, unbekannte Teilchen zu entdecken und neue Einblicke in dieEntstehung des Universums zu erhalten. Das Vorhaben gilt als eines der am-bitioniertesten wissenschaftlichen Projekte der Gegenwart.

FACI LITY-MANAGEMENT MIT ZUWÄCHSEN

IMMOBILIENSERVICE FÜRWESTLB, AXA UND IVG

Bilfinger Berger Facility Services hat Dienstleistungs -verträge im Gesamtvolumen von 70 Millionen Eurogeschlossen. Von der WestLB hat Bilfinger Berger das Fondsmanagement der WestFonds übernom-men. Die AXA Gruppe hat dem Unternehmen das Property Management für rund 140 Immobilien miteiner Gesamtfläche von einer Million Quadratmeternübertragen. Für IVG wird Bilfinger Berger mehr als200 Objekte mit einer Gesamtfläche von rund zweiMillionen Quadratmetern betreuen. Die Vertrags -laufzeiten liegen zwischen fünf und acht Jahren.

POLEN PROFITI ERT VON STRUKTURFON DS

BILFINGER BERGER BAUT STRASSEN UND TUNNEL

In Polen wird der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur durch die Strukturfondsder Europäischen Union gestützt. Bis 2013 wird das Land Fördermittel in Höhevon insgesamt 67 Milliarden Euro erhalten. Bilfinger Berger ist an mehrerengroßen Projekten beteiligt, darunter am neun Kilometer langen südlichen Teil des Autobahnrings um Danzig. Auch bei Bialystok an der Ost grenze Po-lens wird das Unternehmen einen elf Kilometer langen Autobahnabschnittbauen. In Warschau erstellt Bilfinger Berger einen zwei Kilometer langen Eisenbahntunnel zum internationalen Flughafen der Hauptstadt. Die Pro -jekte haben ein Gesamtvolumen von 210 Millionen Euro.

TECH N ISCH ANSPRUCHSVOLL

ANSCHLUSSAUFTRAG FÜR DIE RINGAUTOBAHN STOCKHOLM

Bilfinger Berger plant und errichtet ein weiteres Teilstück des Stockholmer Autobahnrings „NorraLänken“, der die schwedische Hauptstadt vomDurchgangsverkehr entlasten soll. Damit wächstdas Auftragsvolumen des Unternehmens beim Bauder Autobahnumgehung auf über 200 MillionenEuro. Auf der Strecke zeichnet Bilfinger Berger für ei-ne Reihe von Tunnelbauwerken verantwortlich. Dabeihandelt es sich um technisch besonders anspruchs-volle Abschnitte mit hohen planerischen und baube-trieblichen Anforderungen.

IN STOCKHOLM IST DAS INTERESSE AN DER RINGAUTO-BAHN GROSS, DENN SIE SOLL DIE INNENSTADT ENTLASTEN.

PHYSIKER DES CERN VOR EINEM DER ÜBER 1200 MAGNETE,DIE DEN TEILCHENSTROM AUF DER BAHN HALTEN.

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STROM FÜR EUROPA, NORDAFRI KA UN D NAHOST

BEITRITT ZUR DESERTEC-INITIATIVE

Bilfinger Berger ist der Desertec Industrial Initiative (Dii) als Associated Partnerbeigetreten. Desertec will bis zum Jahr 2050 rund 15 Prozent des europäischenStrombedarfs durch Sonnen- und Windenergie insbesondere aus Nordafrika unddem Nahen Osten decken. Auch ein erheblicher Anteil des Strombedarfs der Er-zeugerstaaten soll so befriedigt werden.

„Wir sehen Desertec als wichtigen Beitrag zur Sicherstellung einer nachhal -tigen Energieversorgung und als große Chance für unser Unternehmen“, so Prof.Hans Helmut Schetter, der im Vorstand von Bilfinger Berger unter anderem fürTechnik, Forschung und Entwicklung verantwortlich ist. Bilfinger Berger erkenntin dem Projekt insbesondere Potenzial für sein Servicegeschäft. Das Unternehmenverfügt über umfassende Kompetenzen bei der Installation und Instandhaltungsowohl von Solarkraftwerken als auch von Windkraftanlagen.

LANGFRISTIGE I NSTAN DHALTUNGSVERTRÄGE

INDUSTRIESERVICE WÄCHST EUROPAWEIT

Mit BP und weiteren internationalen Öl- undGas konzernen hat Bilfinger Berger IndustrialServices Rahmenverträge für Industriedienst-leistungen an mehreren Standorten in Großbri-tannien abgeschlossen. Die Verträge haben eineLaufzeit von fünf Jahren und ein Gesamtvolu-men von rund 230 Millionen Euro. Bilfinger Berger übernimmt Aufgaben in der laufendenInstandhaltung und bei Großrevisionen.

Auch in Skandinavien hat das Unternehmenseine Position weiter gestärkt und Aufträge miteinem Gesamtvolumen von mehr als 80 Millio-nen Euro erhalten. Auf Basis langfristiger Verträ-ge wird Bilfinger Berger Produktionsstätten desAluminiumherstellers Alcoa in Norwegen sowiedes Chemiekonzerns AkzoNobel in Schwedeninstand halten.

In Deutschland erbringt Bilfinger Bergerebenfalls Leistungen für die Chemieindustrie.Die BASF hat ihre Rahmenverträge unter ande-rem für den Standort Ludwigshafen um fünfJahre verlängert. Auch RWE Power hat Verträgemit einer Laufzeit von drei Jahren abgeschlos-sen. Bilfinger Berger wird Gerüstbauleistungenan mehreren nordrhein-westfälischen Tagebau -standorten erbringen. Das Auftragsvolumen be -trägt zusammen 90 Millionen Euro.

Staats sicher. Die M6 ist ein zentraler Baustein zurErweiterung des Autobahnnetzes in Ungarn. Bil-finger Berger betreibt bereits einen weiteren 58Kilometer langen Streckenabschnitt, der 2006 inBetrieb ging.

In Australien wird eine von Bilfinger Berger ge-führte Projektgesellschaft die 25 Kilometer langeSchnellstraße Peninsula Link bei Melbourne pla-nen, finanzieren, bauen und über einen Zeitraumvon 25 Jahren betreiben. Das als Verfügbarkeits-modell angelegte PPP-Projekt hat ein Investiti-onsvolumen von 562 Millionen Euro. Der Konzernhält an der Projektgesellschaft einen Anteil voneinem Drit tel und investiert Eigenkapital in Höhevon 26 Millionen Euro.

PARTN ERSCHAFTEN MIT DER ÖFFENTLICH EN HAN D

PPP-ERFOLGE IN UNGARN UND AUSTRALIEN

In einer Rekordbauzeit von nur 18 Monaten hat Bilfinger Berger das 65 Kilometer lange südlicheTeilstück der ungarischen Autobahn M6 fertig -gestellt. Der neue Autobahnabschnitt hat ein In-vestitionsvolumen von rund 500 Millionen Euro.Bilfinger Berger hält an der Projektgesellschaft einen Anteil von 45 Prozent, die Eigenkapitalin -vestitionen belaufen sich auf 23 Millionen Euro.Während der 28-jährigen Betriebsphase stellt Bilfinger Berger die Verfügbarkeit gegen ein ver-traglich festgelegtes Entgelt des ungarischen

SOLARKRAFTWERKE: BILFINGER BERGER ÜBERNIMMT DIEROHRISOLIERUNG, WIE HIER BEI SOLNOVA, SÜDSPANIEN.

Bilfinger Berger Magazin // 01 201050 \\ STRASSEN DER WELT

KÖNIGSETAPPE FÜR RADRENNFAHRER

Die Route des Grandes Alpes gilt als die Köni-gin der Alpenstraßen. Auf einer Länge von680 Kilometern überwindet sie zwischen demGenfer See und der Côte d’Azur insgesamt 16 Hochalpenpässe. Die Route geht auf den„Touring Club de France“ zurück, der bereitsim Jahre 1890 zur Förderung des Radwan-derns gegründet wurde. Vizepräsident LéonAuscher präsentierte 1909 seine Idee, die we-sentlichen Zentren der französischen Alpendurch eine Straße zu verbinden und damit dieGebiete für Touristen zugänglich zu machen.

Jedes Jahr im Juli bekommt die Route desGrandes Alpes weltweite Aufmerksamkeit:Die Anstiege auf der Hochalpenstraße zählenzu den härtesten Abschnitten der Tour deFrance, zum Beispiel die Fahrt hinauf zum2645 Meter hohen Col du Galibier (unser Bild).Dort passieren die Fahrer ein Denkmal fürden Tourgründer Henri Desgrange, der denPass vor 99 Jahren ins Programm aufnahmund damals schrieb: „Neben dem Galibier er-blassen alle anderen als gewöhnlich kleineHügel. Vor dem Galibier kann man nur denHut ziehen.“

Die Route des Grandes Alpes steht aberauch für Entspannung und Schönheit: Sie istwahrscheinlich der kurvigste Weg durch dieAlpen zum Mittelmeer, ganz sicher der spek-takulärste. Von Juni bis Mitte Oktober ist siebefahrbar, nicht nur für Radrennfahrer, son-dern auch für gemütliche Autowanderer.

BA R BA R A B O L LWA H N / T E X T / / /

T I M D E WA E L E / F OTO

Evian

Megève

Saint MichelMoûtiers

Briançon

Château-Queyras

Guillestre

Barcelonnette

Valberg

Nizza

Albertville

Val d’Isère

Col du Galibier 2645 m

Chamonix

Genf

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