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BAUSIM 2014: METHODE ZUR VISUALISIERUNG PARAMETRISCHER UND INTERAKTIVER ARCHITEKTURKONZEPTE IN ECHTZEIT B. Popfinger 1 und M. Bauer 1 1 Fakultät für Architektur und Bauwesen, Hochschule Augsburg, Germany KURZFASSUNG Zur Visualisierung der Raumwirkung digitaler interaktiver Architekturentwürfe in Echtzeit wird die Entwicklung eines CAD-Werkzeugs vorgestellt. Es zielt auf die Darstellbarkeit und Optimierung der Raumwirkung bei parametrischen Entwurfsmethoden. Ziel der Entwicklung ist die Bereitstellung von Simulationsalgorithmen, die neben der Lichtverteilung auch die Verarbeitung örtlicher Klimafaktoren und nutzerbedingter Einflüsse vorbereitet. Das Verfahren wird in die CAD-Systemumgebung Rhinoceros und Grasshopper unter Verwendung der Tageslichtsimulation DIVA/DAYSIM implementiert. Externe Einflussfaktoren können über die Schnittstelle Firefly in Verbindung mit einem Mikrocontroller integriert werden. Die Anwendung wird anhand eines Besipielenwurfs und verschiedenen Kombinationen aus Klimafaktoren und interaktiven Nutzereinflüssen nachgewiesen. ABSTRACT This paper introduces the development of a CAD- tool for the spatial visualisation of digital interactive architectural designs in real time. It targets the presentation and optimisation of spaces using parametric design methods. The aim of the development is the provision of simulation algorithms, which, along with the light distribution, also prepares the processing of local climate factors and user specific influences. The process will be implemented in the CAD-System environment "Rhinoceros" and "Grasshopper" using the daylight simulator DIVA. External influences can be integrated using the interface "Firefly" in connection with a microcontroller. The application will be evidenced by means of a sample example design with different combinations of climate factors and interactive user influences. GESTALTUNG ALS ABSTIMMUNGS- PROZESS ZWISCHEN ENTWURFS- METHODIK UND RAUMWIRKUNG Mit zunehmender Komplexität der digitalen Entwurfsmethoden steigt in der Architektur der Anspruch an eine adäquate Darstellungsform. Die klassischen Trias Grundriss, Ansicht und Schnitt können deren Inhalte jedoch nur begrenzt und nur als statische und graphische Abbildungen wiedergeben (Stöcklmayr, N. 2009). Sie dienen der endgültigen Präsentation von Ideen und können nicht auf Änderungen im Entwurfsprozess flexibel reagieren - sie müssen immer wieder neu aufbereitet werden. Im vorgelegten Ansatz wir ein Modell der Ingenieurarchitektur aufgezeigt, das Synthese und Analyse zur direkten Bewertung am CAD-System aufbereitet. Es ermöglicht die Darstellung komplexer parametrische Architekturentwürfe in Echtzeit. Es wird untersucht, inwiefern die Beurteilung der Raumwirkung gegenüger herkömmlichen Darstellungsformen durch eine direkte Rückmeldung aus dem CAD-System verbessert werden kann. Hierzu wird ein CAD-Simulationsmodell unter dem Ansatz des parametric design mit physikalischen Modellen der Tageslichtberechnung kombiniert und durch verschiedene Schnittstellen ergänzt, sodass eine standortbezogene und nutzerabhänige Berechnung der Geometrie- und Helligkeitsänderungen implementierbar wird. Wahrnehmung Das Sehen nimmt eine zentrale Rolle beim Prozess der menschlichen Wahrnehmung ein. Die visuelle Wahrnehmung beschreibt den Vorgang der Interpretation der auf der Netzhaut eines Betrachters gewonnenen Informationen. Bereits in der ersten Wahrnehmungsstufe werden dabei einfache Merkmale wie Licht und Schatten, Farbe, Orientierung, Größe und stereoskopischer Abstand von Objekten unterschieden. Der Mensch sieht dank seines visuellen Systems ein Objekt und kann Schlussfolgerungen über die Realität ziehen (Dörner, et al. 2013). Ein weiterer Aspekt ist die individuelle Einordnung und Deutung jedes Einzelnen der durch das visuelle Fifth German-Austrian IBPSA Conference RWTH Aachen University - 626 -

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BAUSIM 2014: METHODE ZUR VISUALISIERUNG PARAMETRISCHER UND INTERAKTIVER ARCHITEKTURKONZEPTE IN ECHTZEIT

B. Popfinger1 und M. Bauer1

1Fakultät für Architektur und Bauwesen, Hochschule Augsburg, Germany

KURZFASSUNG Zur Visualisierung der Raumwirkung digitaler interaktiver Architekturentwürfe in Echtzeit wird die Entwicklung eines CAD-Werkzeugs vorgestellt. Es zielt auf die Darstellbarkeit und Optimierung der Raumwirkung bei parametrischen Entwurfsmethoden.

Ziel der Entwicklung ist die Bereitstellung von Simulationsalgorithmen, die neben der Lichtverteilung auch die Verarbeitung örtlicher Klimafaktoren und nutzerbedingter Einflüsse vorbereitet.

Das Verfahren wird in die CAD-Systemumgebung Rhinoceros und Grasshopper unter Verwendung der Tageslichtsimulation DIVA/DAYSIM implementiert. Externe Einflussfaktoren können über die Schnittstelle Firefly in Verbindung mit einem Mikrocontroller integriert werden.

Die Anwendung wird anhand eines Besipielenwurfs und verschiedenen Kombinationen aus Klimafaktoren und interaktiven Nutzereinflüssen nachgewiesen.

ABSTRACT This paper introduces the development of a CAD-tool for the spatial visualisation of digital interactive architectural designs in real time. It targets the presentation and optimisation of spaces using parametric design methods.

The aim of the development is the provision of simulation algorithms, which, along with the light distribution, also prepares the processing of local climate factors and user specific influences.

The process will be implemented in the CAD-System environment "Rhinoceros" and "Grasshopper" using the daylight simulator DIVA. External influences can be integrated using the interface "Firefly" in connection with a microcontroller.

The application will be evidenced by means of a sample example design with different combinations of climate factors and interactive user influences.

GESTALTUNG ALS ABSTIMMUNGS-PROZESS ZWISCHEN ENTWURFS-METHODIK UND RAUMWIRKUNG Mit zunehmender Komplexität der digitalen Entwurfsmethoden steigt in der Architektur der Anspruch an eine adäquate Darstellungsform. Die klassischen Trias Grundriss, Ansicht und Schnitt können deren Inhalte jedoch nur begrenzt und nur als statische und graphische Abbildungen wiedergeben (Stöcklmayr, N. 2009). Sie dienen der endgültigen Präsentation von Ideen und können nicht auf Änderungen im Entwurfsprozess flexibel reagieren - sie müssen immer wieder neu aufbereitet werden.

Im vorgelegten Ansatz wir ein Modell der Ingenieurarchitektur aufgezeigt, das Synthese und Analyse zur direkten Bewertung am CAD-System aufbereitet. Es ermöglicht die Darstellung komplexer parametrische Architekturentwürfe in Echtzeit. Es wird untersucht, inwiefern die Beurteilung der Raumwirkung gegenüger herkömmlichen Darstellungsformen durch eine direkte Rückmeldung aus dem CAD-System verbessert werden kann.

Hierzu wird ein CAD-Simulationsmodell unter dem Ansatz des parametric design mit physikalischen Modellen der Tageslichtberechnung kombiniert und durch verschiedene Schnittstellen ergänzt, sodass eine standortbezogene und nutzerabhänige Berechnung der Geometrie- und Helligkeitsänderungen implementierbar wird.

Wahrnehmung

Das Sehen nimmt eine zentrale Rolle beim Prozess der menschlichen Wahrnehmung ein. Die visuelle Wahrnehmung beschreibt den Vorgang der Interpretation der auf der Netzhaut eines Betrachters gewonnenen Informationen. Bereits in der ersten Wahrnehmungsstufe werden dabei einfache Merkmale wie Licht und Schatten, Farbe, Orientierung, Größe und stereoskopischer Abstand von Objekten unterschieden. Der Mensch sieht dank seines visuellen Systems ein Objekt und kann Schlussfolgerungen über die Realität ziehen (Dörner, et al. 2013).

Ein weiterer Aspekt ist die individuelle Einordnung und Deutung jedes Einzelnen der durch das visuelle

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System gelieferten Informationen, sowie der Vergleich mit früheren Erfahrungen. Dieselben Reize führen bei verschiedenen Betrachtern zu unterschiedlichen Wahrnehmungen. Sogar bei derselben Person sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten verschiedenen Wahrnehmungen möglich. Es gibt keinen festen und objektivierbaren Zusammenhang zwischen der Realität und der visuellen Wahrnehmung des Menschen über die Realität (Lugmair, 2006).

Für die visuelle Aufbereitung einer sich stetig ändernden Raumgeometrie bedarf es daher einer Reduktion auf wehnige Bildinformationen. Dies wird in abstrakten Perspektivenrenderings zur strategischen Entwicklung und Argumentation aufbereitet. Der Schwerpunkt liegt auf einer möglichst neutralen und wertfreien räumliche Inszenierung, um die subjektive Wertung des Betrachters auf ein Minimum zu reduzieren.

ENTWICKLUNG EINES SIMULATIONSMODELLS ZUR INTEGRATION IN PARAMETRISCHE MODELLIERER

Pragmatische Annahmen

Anhand einer beispielhaften 3D-Geometrie wird dazu ein Verfahren aufgezeigt. Es handelt sich um einen Fassadenentwurf, deren dynamische Komponenten verschattende Eigenschaften aufweisen. Als Leitgedankte dient Blattwerk und dessen natürliche Wachstumsform. Das Haupttragwerk stellt eine horizontale Fassadenstruktur mit groß- und kleinteiligen Ästen dar. Dem untergeordneten Tragwerk werden bereits die Verschattungselemente, also das Blattwerk mit charakteristischer Wachstumsrichtung, zugewiesen.

Den einzelnen Blättern werden zusätzlich verschiedene Transparenzgrade zugeteilt, dies führt bei zufälligen Überlagerungen der einzelnen Blätter bei einer Veränderung der Blattstellung zu verschiedenen Verschattungseffekten. Der Effekt führt bei zufälligen Überlagerungen der Geometrien zu verschiedenen Verschattungsgraden an den Raumoberflächen. Zusätzlich leiten vereinzelte spiegelnde Flächen Sonnenstrahlen in den Innenraum und erzeugen neben Reflexionspunkten Überstrahleffekte an der betreffenden Fassadenstelle.

Die horizontale Fassadenstruktur wird in drei Segmente geteilt mit je 12 Abschnitten. Sie stellen die Knoten einer Sprossachse des Blattwerks dar, an welchen die Verschattungselemente angebracht werden. Jeder Abschnitt kann eigenständig parametrisch gesteuert werden und ermöglich demnach ein unabhängiges adaptives Verhalten gegenüber der umgebenden Konstruktion.

Abbildung 1: Blattwerk als Leitgedanke des

Architekturentwurfs und dessen architektonische Interpretation

Datenerfassung und -verarbeitung im CAD

Als Simulationsumgebung dient die CAD-Software Rhinoceros (Rhino3D 2014) mit diversen Erweiterungen. Die Bereitstellung der Objekte kann auf unterschiedliche Arten erfolgen. Entweder durch Modellierung direkt in Rhino mit dem Vorteil der exakten geometrischen Datenaufbereitung, oder alternativ durch Import über entsprechende, von Rhinoceros angebotene Schnittstellen.

Mit dem graphischen Algorithmeneditor Grasshopper (Grasshopper 2014) wird die eigentliche Simulationsumgebung aufgebaut. Das Plug-In bietet zur parametrischen Modellierung einen Editor, um Parameter-Abhängigkeiten zwischen Elementgruppen zu definieren und diese Abhängigkeiten mit vordefinierten oder selbst erstellten Algorithmen zu verknüpfen (König, R. 2012).

ArchitekturWahrnehmung

NutzerInteraktion

CADParameter

SimulationDIVA/Daysim

Rendering

Raumwirkung

Systemgrenze

SensorenKlimafaktoren

Abbildung 2: Prozesskette des Simulationsmodells im

CAD zur Erzeugung der Raumwirkung komplexer parametrischer Architekturentwürfe

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Der gesamte Simulationsaufbau ermöglicht es, eine qualitative Bewertung der Raumwirkung in Abhängigkeit parametrischer Komponenten vorzunehmen. Bei Überschreiten definierter Grenzwerte wird eine Simulation der veränderten Parameter veranlasst und als Ergebnis ein graphisches Rendering ausgegeben.

Datenerfassung und -verarbeitung externer Parameter

Zur Erfassung externer Parameter des Klimas und der Nutzerinteraktion wurde eine Kombination aus Soft- und Hardwarekomponenten entwickelt. Für den Steuerungskern am PC wurde eine Schnittstelle genutzt, die es ermöglicht, die externen Parameter zu erfassen. Je nach Nutzen und Notwendigkeit kann sie auf das Simulationsmodell angewendet werden.

Der verwendete Controller ATmega 328 stellt eine Komponente des Arduino- Boards UNO dar. Arduino ist eine ´Physical Computing Platform´, die auf einem logischen Input-Output Mikrocontrollerboard basiert und eine Entwicklungsumgebung der Processing Programmiersprache darstellt.

Das Mikrocontroller-Board kann mit verschiedenen Eingabeports versehen werden, um die Umgebungsparameter zu erfassen. Die empfangenen Daten können durch die Programmierumgebung des auf dem Board befindlichen Mikrocontrollers ausgelesen und zur internen Verarbeitung bereitgestellt werden. Der integrierte Controller erhält mithilfe der Programmierung eines Sketches (Firmware des Mikrocontrollers) die Möglichkeit, auf die Eingangssignale zu reagieren und eine entsprechende Reaktion zu veranlassen. Das ist beispielsweise die Bereitstellung der Messwerte über eine weitere Schnittstelle für den PC.

Die Schnittstelle zwischen den Klimafaktoren und dem Mikrocontroller bildet die Messtechnik. Im konkreten Fall handelt es sich um den Helligkeitssensor TLS 2561. Die Aufgabe des Sensors ist dabei die Erfassung nichtelektrischer Messgrößen und Wandlung in elektrische Signale für den Mikrocontroller.

Sensoren

Klima

Externe

Faktoren

Mikrocontroller PC

Helligkeits-

sensor

Eingabe Verarbeitung Ausgabe

Bewegungs-

sensor

ControllerDaten-

exportCAD

Nutzer

Interaktion

Abbildung 3: Prozesskette des Simulationsmodells

zur Datenerfassung und -verarbeitung externer Faktoren

Interaktionsmöglichkeit mit dem CAD-Modell

Status Awolkenlos

Status BVerringerteStrahlungs-intensität

Status CMaximaleVerschattung

Abbildung 4: Funktionsprinzip der Mensch-

Computer-Interaktion mittels nutzerbedingter Adaption am Sensor: Simulation von Verschattung

mittels Beeinflussung der Umgebungshelligkeit

Wie in der vorangegangenen Abbildung dargestellt, kann durch aktives Handeln Einfluss auf die gemessene Beleuchtungsstärke eines Helligkeitssensors genommen werden. Ein von Hand erzeugter Schatten über den Dioden des Sensors simuliert Bewölkung von geringer bis starker Wolkenbildung. Es sind drei Verschattungsstufen zu unterscheiden: Wolkenlos ohne Beeinflussung der Beleuchtungsstärke (Status A), eine mäßige Verschattung (Status B) und eine starke Bewölkung aufgrund maximaler Verschattung durch den Nutzer (Status C). Für eine qualitative Auswertung kann ein künstlicher Himmel eingesetzt werden.

Datenverarbeitungund AufbereitungMikrocontroller

Adaption desvirtuellen Modells

Nutzerinteraktion Analog-Stick

Positionsänderung

Simulationsumgebung

x

z

y

Abbildung 5: Funktionsprinzip der Mensch-

Computer-Interaktion: Positionsänderung im Simulationsmodell mittels auf einem Nunchuk-

Controller befindlichen Analog-Stick

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Am Beispiel des Nunchuck-Controllers von Nintendo wird ein Verfahren beschrieben, anhand dessen eine fiktive Person im virtuellen Raum gesteuert wird. Der Nutzer bewegt dafür einen auf einem Nunchuk angebrachten Analog-Stick. Mittels in die Hardware integrierte Potentiometer lassen sich Spannungsänderungen, die durch eine Bewegung des Sticks ausgelöst werden, messen und daraus die Änderung zum Ursprung, die Bewegungsrichtung und die Bewegungsgeschwindigkeit ableiten. Die Funktionsweise ermöglicht eine genaue Bestimmung von Bewegungsabläufen der fiktiven Person auf einer zweidimensionalen Ebene im virtuellen Raum mit entsprechend zwei Freiheitsgraden (x, y).

Parametersimulation

Beim parametrischen Entwerfen geht es vorrangig um assoziative Verknüpfungen der Parameter verschiedener geometrischer Objekte zur Abbildung komplexer Abhängigkeiten, die in einer Baumstruktur organisiert sind (König, et al. 2011). Architektonische Entwürfe nutzen die Strukturen zur Darstellung geometrischer Raumstrukturen, da sie eine Freiheit in der formalen Gestaltung bieten. Um sensorbasierte Information in Grasshopper auslesen und verarbeiten zu können, wurde das Plug-In Firefly als Schnittstelle zur Hardware verwendet. Die Software bezieht die Messwerte vom angeschlossenen Mikrocontroller und ermöglicht ein Weiterverarbeiten. Eine Anpassung der Messdaten an die gewünschte Klimasituation kann durch den Nutzer mit dem Regler für den Verschattungsfaktor vorgenommen werden.

MessdatenSystemgrenze

Drehwinkel X|YVerschattungsfaktor

Fassadengeometrie

Datenimport Firefly

Blattwerk

Transparenzgrad

Lichtsimulation, DIVA/Daysim

RenderingSystemgrenze

Teilungsfaktor

Abbildung 6: Prozesskette zur Datenverarbeitung und Geometrieermittlung in Grasshopper

Abbildung 7: Ausschnitt aus Grasshopper mit Regler

und Schaltungen am Beispiel Teilungsfaktor der Fassadengeometrie

Anschließend fließen die Daten in die Berechnung der dynamischen Fassadenkomponenten ein. Die geometrischen Änderungen der einzelnen Komponenten können anhand von Drehwinkel und Teilungsfaktor bestimmt werden. Sie ergeben ein gesamtheitliches Abbild der Fassadenstruktur als Blattwerk. Der Nutzer erhält zusätzlich die Möglichkeit die transparenten Eigenschaften der Fassade zu verändern, indem er die Häufigkeitsverteilung manuell variiert. Diese werden anhand eines Zufallsprinzips unter Berücksichtigung eines geringen Prozentsatzes an spiegelnden Flächen angewendet.

Die geometrischen Eigenschaften sowie die definierten Transparenzgrade fließen gesamtheitlich in die anschließende Lichtsimulation ein.

Lichtsimulation

Zur qualitativen Bewertung der Raumwirkung wird die Lichtsimulation jede Änderung der Sensordaten in nahezu Echtzeit als graphisches Rendering ausgegeben. Für das Experiment wurde die Raumwirkung anhand 5 verschiedener Szenarien untersucht: V1 Änderung des Verschattungsgrades durch Nutzerinteraktion am Sensor, V2 Einfluss der Jahreszeiten auf die Fassadengeometrie am 21.6. 21.9. und 21.12. um 12 Uhr, V3 Sonnenaufgang am 21.9. von 6 bis 10 Uhr, V4 Einfluss der Außenlufttemperatur und V5 Positionsänderung durch Nutzerinteraktion.

Die folgende Auswertung bezieht sich auf die Experimente V1 und V5, da sie auf die Nutzerinteraktion Bezug nehmen.

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UNTERSUCHUNG VON LICHT-WIRKUNG UND RAUMEINDRUCK

V1a

V1b

V1c

Abbildung 8: Änderung des Verschattungsgrades

durch Nutzerinteraktion am Sensor als Außenraum- und Innenraumperspektive. 21.12. um 12 Uhr,

Sonnenhöhe 19°, Einstrahlwinkel 176°, Standort Augsburg

Die Ergebnisse zeigen eine angenommene Änderung des Bewölkungsgrades für den Betrachtungszeitpunkt 21. Dezember, 12 Uhr. Bewölkungssituation: V1a sonnig, V1b mäßig bewölkt und 1c stark bewölkt (linke Abbildung). In der mittleren Abbildung wird der Simulationsaufbau in Grasshopper mit dem Sonneneinstrahlwinkel gezeigt, rechts die Simulationsergebnisse aus DIVA/DAYSIM als Rendering.

Die Veränderung der Umgebungshelligkeit durch den Nutzer führt im Simulationsmodell zu einer Änderung der geometrischen Eigenschaften und folglich des Transparenzgrades der dynamischen Fassadenkomponenten. Der räumliche Eindruck wird durch mehrere Einflussgrößen bestimmt. Ein unbewölkter Himmel führt bei Variante 1a zu Schattenbilder des Blattwerks mit starken Kontrasten auf dem Boden (rote Markierung). Bedingt durch die streuenden Eigenschaften zunehmender Bewölkung verringert sich der Kontrast, bis die Konturen einzelner Blätter nicht mehr wahrgenommen werden können. Die Zunahme des Bewölkungsgrades führt insgesamt zu einem helleren Raumeindruck im Bereich von Decke, Wände und Boden (grüne Markierung). Auch der Bezug zum Außenraum gewinnt bei zunehmender Bewölkung an Bedeutung. Durch die horizontale Anordnung der Fassadenelemente wird die Blickbeziehung von Außen- und Innenraum für den Nutzer ermöglicht (blaue Markierung).

Abbildung 9: Änderung der geometrischen Fassadeneigenschaften durch Positionsänderung anhand Nutzerinteraktion als Außenraum- und

Innenraumperspektive. 21.12. um 13 Uhr, Sonnenhöhe 18°, Einstrahlwinkel 190°, wolkenlos,

Standort Augsburg

In einem Szenario nähert sich eine simulierte Person der Fassade. Dafür soll der direkte Ausblick in den Außenraum und somit die Interaktion mit der Umwelt gefördert werden. Beträgt die Distanz zwischen von Person und Fassade mehr als 2,0 Meter (freier Parameter), wird keine Systemänderung veranlasst und der Verschattungsgrad anhand der umgebenden Klimaeinflüsse bemessen, wie Variante 5a zu entnehmen. Innerhalb eines Segments ändert sich der örtliche Öffnungswinkel der dynamischen Komponenten, V5b. Bei zunehmender Distanzverringerung vergrößert sich der betroffenen Bereich anhand der Aktivierung weiterer Elemente (grüne Markierung). Zeitgleich erhöht sich der Öffnungswinkel aller Elemente im markierten Bereich V5c.

Die Änderung der Fassadengeometrie nimmt wiederum Einfluss auf das Schattenbild der Raumflächen und schließlich der Raumwirkung. Entsprechend der virtuellen Nutzerposition entsteht eine ´scheinbar leuchtende Fläche´ durch den erhöhten Anteil der direkten Sonnenstrahlen. In diesem Bereich führt das wiederum zu einer Veränderung der Schattenwirkung in den angrenzenden Bereichen: In der unmittelbaren Umgebung wirken sie kontrastreicher und die Ränder erscheinen scharfkantiger.

<1,0m

>2,0m

<2,0m

V5a

V5b

V5cx

yy

y

xy

x

x

y

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ERGEBNISSE UND DISKUSSION

Abbildungen 10 bis 12: Aufbereitung der

Simulationsergebnisse aus den Versuchen 1a bis 1c: Raumwirkung der dynamischen Fassadenstruktur bei

zunehmender Bewölkung

Durch eine Kopplung der Standardwerkzeuge der digitalen Architekturmodellierung mit dem Simulationsmodell lassen sich der Raum, die Sensoren und vor allem die Architekturwahrnehmung zu einer Einheit führen. Der Gewinn liegt in der Interaktionsmöglichkeit des Modells durch den Nutzer sowie der Einbindung der umgebenden Klimafaktoren. Eine interaktive und realistische Darstellung des Entwurfskonzeptes wird ermöglicht. Die Aufbereitung der Simulationsergebnisse in nahezu Echtzeit erlaubt die Überprüfung verschiedenster nutzer- und klimabedingter Szenarien. Neben der Betrachtung der Raumwirkung ermöglicht das Simulationsmodell auch die Ausgabe fotometrischer Grundgrößen für weiterführende Bewertungen.

Während der Arbeit mit DIVA/DAYSIM stellten sich Einschränkungen für den gezeigten Simulationsprozess heraus. Die Veränderung der Umgebungshelligkeit während der Dämmung, sowie die spektralen Lichtfarben können nicht differenziert dargestellt werden, sodass der Innenraum einem gleichbleibenden Farbton mit identischen Helligkeiten in diesem Zeitraum unterliegt.

Auch ist ein Kompromiss zwischen der Qualität der Renderings und dem Anspruch auf ein Echtzeit-Feedback zu finden. Mit einer erhöhten Zahl an Reflexionsschritten können zwar kleinteilige Geometrien und weiche Schattenverläufe korrekt erfasst und berechnet werden, allerdings steigt damit die Berechnungszeit stark an, sodass keine Echtzeit-Antwort mehr möglich ist. Daher wäre für einen zukünftigen Einsatz des Simulationsmodells die Implementierung einer alternativen Echtzeit- Rendering-Software ratsam.

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LITERATUR DIVA 2014: DIVA-Rhino, Version 2.1.1.1.

Verknüpfung von Rhinoceros mit DAYSIM. Abgerufen am 1. Juli 2014 unter http://diva4rhino.com/

Dörner, R. Broll, W. Grimm P. Jung, B. 2013. Virtual und Augmented Reality (VR/AR). Grundlagen und Methoden der Virtuellen und Augmentierenden Realität. Springer-Verlag

Grasshopper 2014: Grasshopper Version 1.0 (0.9.0075) (04/04/2014). Plug-In für Rhino3D. Abgerufen am 1. Juli 2014 unter http://www.grasshopper3d.com

König, R. Geddert, F. 2011. Algorithmic Architecture – Arbeiten zu parametrischen Entwurfsmethoden an der Bauhaus-Universität Weimar

König, R. 2012. Entwicklung des parametrischen und algorithmischen Entwerfens. Abgerufen am 26. Juni 2014, http://entwurfsforschung.de/entwicklung-des-parametrischen-und-algorithmischen-entwerfens/

Lugmair, K. 2006. Sensorische Integration. Ludwig - Maximilians - Universität München

Rhino3D 2014. 3D-Modellierungssoftware. Abgerufen am 1. Juli 2014, http://www.rhino3d.com

Stöcklmayr, N. 2009. Architektur ohne Maßstab. Digitale Visualisierungen im Entwurfsprozess. Publikation der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Bildkulturen: Maßlose Bilder. Visuelle Ästhetik der Transgression, Wilhelm Fink Verlag München

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