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Christian Lutzenrath/Kai Peppmeier/Jorg Schuppener Bankstrategien fur Unternehmenssanierungen

Bankstrategien für Unternehmenssanierungen. Erfolgskonzepte zur Früherkennung und Krisenbewältigung, 2. Auflage

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Christian Lutzenrath/Kai Peppmeier/Jorg Schuppener

Bankstrategien fur Unternehmenssanierungen

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Christian Lutzenrath/Kai Peppmeier/ Jorg Schuppener

Bankstrategien fur Unternehmenssanierungen

Erfolgskonzepte zur Fruherkennung und Krisenbewaltigung

2., aktualisierte und erweiterte Auflage

GABLER

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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Dieser Ausgabe liegt ein Post-i1 3 M Deutschland GmbH bei.

Beileger der Firma

Wir bitten unsere Leserinnen und Leser um Beachtung.

1. Auflage April 2003 2., aktualisierte und erweiterte Auflage Marz 2006

Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler I GWV Fachverlage GmbHr Wiesbaden 2006

Lektorat: Karin Janssen

Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de

Das Werk einschliefclich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung aufcerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften.

Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, Wiesbaden Satz: Fotosatz Huhn, Maintal Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany

ISBN 3-8349-0028-1

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Knapp drei Jahre nach Fertigstellung der 1. Auflage war eine Aktualisierung der Inhalte angezeigt.

Die Autoren haben sich weiterhin ihrer Intention, ein Praktikerhandbuch erstellen zu wollen, verpflichtet gefiihlt.

Neue betriebswirtschaftliche und rechtliche Entwicklungen bei der Sanierung von Krisen-unternehmen, die in den letzten drei Jahre Raum gegriffen haben, sind eingearbeitet wor-den.

Dies gilt insbesondere fur das neue Kapitel zum Verkauf von Disstressed und Non-Performing-Loans.

Fur die Mitarbeit an der 2. Auflage diirfen wir uns bei Herrn Henning Graw, Herrn Claus Keller, Herrn Arne Oltmann, Herrn Alexander Neumann und Herrn Marcus Schroer sowie bei alien anderen Mitarbeitern der TMC Turnaround Management Consult GmbH bedanken.

Erneut gilt der besondere Dank der Autoren ihren Familien, die durch Verstandnis und Verzicht auf familiare Freizeit das Entstehen der 2. Auflage ermoglichten.

Dortmund, im Juli 2005 CHRISTIAN LUTZENRATH

KAI PEPPMEIER

JORG SCHUPPENER

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Das vorliegende Buch beschreibt die aus Bankensicht wesentlichen Grundlagen fiir eine Unternehmenssanierung. Es stellt das erforderliche Basiswissen fiir das Verhalten von Banken und Sparkassen bei der Sanierung von Unternehmen praxisnah und kompakt zu-sammen.

Mit diesem Buch sollen in erster Linie diejenigen angesprochen werden, die in Banken und Sparkassen Krisenunternehmen beraten und betreuen. Ziel der Autoren war es, ein Praktikerhandbuch zu erstellen und Anregungen sowie Hilfestellungen zu geben. Auf wissenschaftliche Diskussionen und theoretische Uberlegungen wurde bewusst verzich-tet.

Fiir die Mitarbeit an diesem Buch durfen wir uns herzlich bei Herrn Marcus Schroer, Herrn Claus Keller, Herrn Henning Graw und Herrn Robin Hardt sowie bei alien wei-teren Mitarbeitern der TMC Turnaround Management Consult bedanken.

Unser Dank gilt dariiber hinaus alien Geschaftspartnern, die durch Diskussionen zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben.

Letztendlich gilt der besondere Dank der Autoren ihren Familien, die durch Verstandnis und Verzicht auf familiare Freizeit das Entstehen dieses Buchs ermoglichten.

Dortmund, im Oktober 2002 CHRISTIAN LUTZENRATH

KAI PEPPMEIER

JORG SCHUPPENER

Christian Lutzenrath, Kai Peppmeier und Jorg Schuppener sind Geschaftsflihrer der TMC Turnaround Management Consult GmbH, einer auf die Sanierung von Krisen­unternehmen spezialisierten Beratungsgesellschaft. Zusammen mit Mandanten, Banken, Kreditversicherern und weiteren Beteiligten fiihren Sie Unternehmen zum Turnaround.

Bei Diskussionsbedarf hinsichtlich der Inhalte dieses Buchs freuen sich die Autoren iiber eine Kontaktaufnahme unter www.turnaround.de.

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Vorwort zur zweiten Auflage V Vorwort VII

1. Entstehung und fruhzeitiges Erkennen der Unternehmenskrise . . l

1.1 Zeitliche Entwicklung von Unternehmenskrisen 2 1.1.1 Potenzielle Gefahren 2 1.1.2 Latente Gefahren 2 1.1.3 Manifeste Gefahren 3

1.2 Arten von Unternehmenskrisen 3 1.2.1 Strategische Krise 4 1.2.2 Ertragskrise 5 1.2.3 Liquiditatskrise 5

1.3 Ursachen von Unternehmenskrisen 5 1.3.1 Endogene Ursachen 6 1.3.2 Exogene Ursachen 8 1.3.3 Multikausalitat der Ursachen 9

1.4 Fruhzeitiges Erkennen von Unternehmenkrisen 10 1.4.1 Typische Krisensymptome 12 1.4.2 Risiko und Krisenfruherkennung durch (qualitative)

Jahresabschlussanalyse 13 1.4.3 Risiko und Krisenfruherkennung durch Analyse der mehrjahrigen

Erfolgsrechnung 16 1.4.4 Checkliste zur Friiherkennung von Unternehmenskrisen

(Fruherkennungstreppe) 19

2. Insolvenzeroffnungsgrunde 21

2.1 Zahlungsunfahigkeit 22 2.2 Drohende Zahlungsunfahigkeit 25 2.3 Uberschuldung 26 2.4 Insolvenzantragsrechte und -pflichten 31

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3. Krisenmanagement-Einleitung von SofortmaBnahmen 33

3.1 Teambildung 34 3.2 Liquiditatsmanagement 35

3.2.1 Debitorenmanagement 37 3.2.2 Lagermanagement 37 3.2.3 Vertriebsmanagement 38 3.2.4 Kreditmanagement 38 3.2.5 Verwertung nicht betriebsnotwendiger Aktiva 39

3.3 Uberschuldungsproblematik 39

4. Sanierungskonzepte-Erstellung und Priifung von MaBnahmenkatalogen 41

4.1 Gutachterauswahl/Wer erstellt das Sanierungskonzept? 41 4.2 Inhaltliche Bereiche der Sanierungspriifung 42

4.2.1 Analyse der Krisenursachen 43 4.2.1.1 Segmentierung der Geschaftstatigkeit 43 4.2.1.2 Analyse der Ergebnisbeitrage der einzelnen

Geschaftsbereiche 44 4.2.2 Analyse der relevanten Unternehmensbereiche 45

4.2.2.1 Markt- und Wettbewerbsbedingungen 46 4.2.2.2 Produkte und/oder Dienstleistungen 48 4.2.2.3 Beschaffung und Materialwirtschaft 48 4.2.2.4 Aufbau-und Ablauforganisation der Produktion 49 4.2.2.5 Marketingstrategie 50 4.2.2.6 Management und Schlusselpositionen 51 4.2.2.7 Personelle Ausstattung 52 4.2.2.8 Rechnungswesen und Controlling 54 4.2.2.9 Unternehmensorganisation 55

4.3 Erstellung des Sanierungskonzeptes 56 4.3.1 Strategische Neuausrichtung des Unternehmens 59 4.3.2 Erstellung eines umsetzungsorientierten MaBnahmenplans 60 4.3.3 Szenario-Rechnungen 61 4.3.4 Sanierungsfahigkeit/Sanierungswurdigkeit 62

4.4 Stolpersteine von Sanierungskonzepten 63

5. Kommunikation in der Unternehmenskrise 67

5.1 Kommunikationsstrategien in der Krise 67 5.1.1 Wahl des Zeitpunktes und der Reihenfolge 68

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5.1.2 Wahl der Inhalte 69 5.2 Instrumente der Krisenkommunikation 70 5.3 Regeln fur den Aufbau einer Kommunikationsstrategie 71

6. M&A als Mittel zum Turnaround 73

6.1 Motive und Erwartungen der Beteiligten 74 6.2 Darstellung potenzieller Unternehmenskaufer 76

6.2.1 Marktteilnehmer 76 6.2.2 Management 78 6.2.3 Investoren 80

6.3 Ablauf des M&A-Prozesses 83 6.3.1 Analyse der Ausgangssituation 83 6.3.2 Entscheidungsprozess 84 6.3.3 Vorbereitung des Verkaufs 84 6.3.4 Verhandlungsphase 85

6.4 Kaufpreisfindung 86 6.4.1 Substanzwertmethode 87 6.4.2 Ertragswertmethode 87 6.4.3 Cashflow-Analyse 88 6.4.4 Multiplikatorverfahren 89 6.4.5 Problematik negativer Cashflows 90 6.4.6 Probleme der Kaufpreisfindung 92

6.5 Finanzierung von Unternehmensubernahmen 93 6.6 Fallbeispiel einer struktuierten Finanzierung 97

6.6.1 Schilderung der Ausgangslage 97 6.6.2 Entscheidungsprozess und Nachfolgeprozess 97 6.6.3 Transaktions- und Finanzierungsstruktur 99

6.6.3.1 Finanzinvestor/MBI-Team 100 6.6.3.2 Alt-Gesellschafter 101 6.6.3.3 Kreditinstitut 101

6.6.4 Auswirkungen der Finanzierungstruktur 101 6.6.5 Exit-Szenario 103 6.6.6 Renditebetrachtung der Investoren 103 6.6.7 Resiimee des Fallbeispiels 104

6.7 Mitarbeiterbeteiligung an Krisenunternehmen 105 6.7.1 Ziele und Motive der Beteiligten 105 6.7.2 Rahmenbedingungen im Krisenfall 106 6.7.3 Mittelherkunft in Krisenunternehmen 106

6.7.3.1 Lohn- und Gehaltsumwandlungen 107 6.7.3.2 Einbringung von Privatvermogen 108 6.7.3.3 Offentliche Forderungen fiir Existenzgrundungen 108

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6.7.3.4 Sonderfall: Sozialplanmittel und Abfindungs-vereinbarungen 109

6.7.4 Transaktionsmodelle einer Mitarbeiterbeteiligung 109 6.7.4.1 Transaktionsstruktur 109 6.7.4.2 Transaktionsformen 109

6.8 Steuer- und gesellschaftsrechtliche Einflusse 112 6.8.1 Interessenlage des Kaufers 112 6.8.2 Besonderheiten bei Personengesellschaften 112 6.8.3 Nutzung von Verlustvortragen 113

7. Finanzwirtschaftliche Sanierung 115

7.1 Stundung von Zinsen und Tilgungsleistungen 116 7.2 Finanzierung von Einzelgeschaften 116 7.3 Factoring/Forfaitierung 117 7.4 Wechsel-Scheck-Verfahren 118 7.5 Umschuldung 119 7.6 Freigabe von Sicherheiten 120

7.6.1 Ausgestaltungsmoglichkeiten 120 7.6.2 Risiken bei der Freigabe von Sicherheiten 121

7.7 Verzicht auf Zins- und Tilgungsleistungen 124 7.8 Verzicht auf Kapitalforderungen 124 7.9 AuBergerichtlicher Vergleich 127 7.10 Rangrucktrittserklarung 128 7.11 Umwandlung von Krediten in Beteiligungen 129

7.11.1 Probleme des Umwandlungsvorgangs 129 7.11.2 Problem der Gesellschafterstellung 131

7.12 Einraumung eines Sanierungskredites 132 7.13 Offentliche Finanzierungshilfen zur Sanierung 133

8. Sicherheitenpoolvertrag 137

8.1 PoolanlasseAvorteile 137 8.2 Poolorganistion 139 8.3 SanierungsmaBnahmen des Pools 140

8.3.1 Stillhalten bzw, Aufrechterhalten der Kreditlinien 140 8.3.2 Neukreditvergabe 140 8.3.3 Probleme der Sanierungspraxis 141

8.4 Verwertung und Haftungsgefahren 142 8.4.1 Verwertung durch den Pool 142

XII

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8.4.2 Sicherheitenabgrenzung 144 8.4.3 Haftungsgefahren 145

9. Verkauf von Distressed and Non-Performing Loans (NPLs) . . . . 149

9.1 Der deutsche NPL-Markt 149 9.2 Strategien und Effekte 150 9.3 Formen der Verwertung notleidender Forderungen 150

9.3.1 True Sale 150 9.3.2 Unterbeteiligung 151 9.3.3 Verbriefung 152

9.4 Typischer Ablauf einer NPL-Transaktion 154 9.4.1 Portfoliozusammenstellung 154 9.4.2 Bieterauswahl 155 9.4.3 Datenzusammenstellung und Vorbereitung fiir

Kaufer-Due Diligence 155 9.4.4 Due Diligence 156 9.4.5 Zuschlag an Bieter 158 9.4.6 Erstellung und Unterzeichnung des Kaufvertrages,

Kaufpreiszahlung und Ubergabe der Akten 159 9.5 Strategien der Erwerber 160 9.6 Rechtliche Rahmenbedingungen 161

lO.Prufungspflichten in derUnternehmenskrise 165

10.1 Stillhalten 165 10.2 Kiindigung des Kreditengagements 167 10.3 Stellung eines Insolvenzantrages 171 10.4 Gewahrung eines Sanierungskredites 172

10.4.1 Erstellung eines Sanierungskonzeptes 173 10.4.2 Kiindigung des Sanierungskredites 176 10.4.3 Vereinbarung von Financial Covenants 177

10.4.3.1 Regelungsinhalte von Financial Covenants 177 10.4.3.2 Nichteinhaltung von Financial Covenants 178 10.4.3.3 Grenzen von Financial Covenants 179

10.5 Gewahrung eines Uberbriickungskredites 179 10.6 Kredit zur Liquidation des Krisenunternehmens 181

XIII

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11. Begleitung von Krisenunternehmen-Haftungen und Risiken. . . . 185

11.1 Haftungsrisiken fiir die Kreditinstitute 185 11.1.1 EigenkapitalersetzendeGesellschafterdarlehen 185 11.1.2 Quasi-Gesellschafterhaftung 191 11.1.3 Haftungsrisiken aus Glaubigergefahrdung 192

11.2 Exkurs: Beirateines Krisenunternehmens 192 11.3 Haftungsrisiken fiir Bankmitarbeiter 194

11.3.1 Insolvenzverschleppung 194 11.3.2 Eigenniitziger Sanierungskredit 195 11.3.3 Schuldnerknebelung 197 11.3.4 Haftung aufgrund existenzvernichtenden Eingriffs 199

12.Unternehmenssanierung in der Insolvenz 203

12.1 Ein Blick in die Insolvenzstatistik 204 12.2 Strategien im Regelinsolvenzverfahren 205

12.2.1 Vorgehen im vorlaufigen Insolvenzverfahren 205 12.2.1.1 Der vorlaufige Insolvenz ver waiter 206 12.2.1.2 Unternehmensfortfuhrung 208

12.2.2 Vorgehen im eroffneten Insolvenzverfahren 211 12.2.2.1 Voraussetzung und Wirkung des eroffneten Verfahrens . 211 12.2.2.2 Verfahrensverlauf 212

12.3 Mitwirkung im Glaubigerausschuss 214 12.3.1 Aufgaben des Glaubigerausschusses 214 12.3.2 Bildung und Zusammensetzung des Glaubigerausschusses 216 12.3.3 Haftung und Vergiitung im Glaubigerausschuss 218

12.4 Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltung - Sanierungsinstrumente? . 219 12.4.1 Insolvenzplanverfahren 221 12.4.2 Eigenverwaltung (mit Insolvenzplan) 225

12.4.2.1 Voraussetzungen fiir die Eigenverwaltung (mit Insolvenzplan) 225

12.4.2.2 MaBnahmen im Zusammenhang mit der Beantragung der Eigenverwaltung 226

13. Kreditvergabe in der Insolvenz 229

13.1 Insolvenzgeldvorfinanzierung 229 13.1.1 Individuelles Verfahren 230 13.1.2 Forderungskaufverfahren 230 13.1.3 Umfang des Insolvenzgeldes 232

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13.1.4 Forderung der Bundesanstalt fur Arbeit gegen den Arbeitgeber. . 233 13.2 Exkurs: Einsatz einer Transfergesellschaft zur Durchfuhrung

von PersonalmaBnahmen 234 13.3 Kreditaufnahme im vorlaufigen und eroffneten Verfahren 235

13.3.1 Kreditaufnahme 235 13.3.2 Sicherheiten 236

13.4 Finanzierung eines Insolvenzplanverfahrens 238 13.4.1 Regelungen im Insolvenzplan 238 13.4.2 Kreditarten 238 13.4.3 Kreditrahmen 239 13.4.4 Dauer der Privilegierung 240 13.4.5 Gesetzlicher Glaubigerschutz 240

14. Anfechtung im Insolvenzverfahren 241

14.1 Anfechtungsvoraussetzungen 242 14.1.1 Anfechtungsgegenstand 242 14.1.2 Anfechtungsberechtigter 242 14.1.3 Anfechtungsgrund 243 14.1.4 Anfechtungsgegner 243

14.2 Anfechtungswirkung 245 14.3 Besonderheiten des Bargeschaftes 245 14.4 Anfechtungstatbestande und -moglichkeiten 246

14.4.1 Kongruente Deckung 246 14.4.2 Inkongruente Deckung 248

14.5 Aufrechnung von Kontogutschriften 251 14.5.1 Wirkung der Insolvenzeroffnung 252

14.5.1.1 Zahlungseingange nach Eroffnung 252 14.5.1.2 Zahlungseingange vor Eroffnung 253 14.5.1.3 Zahlungseingange nach Kundigung 253

14.5.2 Kongruente oder inkongruente Zahlungseingange? 253 14.5.2.1 Girovertrag ohne Kontokorentkredit 254 14.5.2.2 Kontokorrentkredit (vereinbarte Kreditlinie) 254 14.5.2.3 Kontokorrentkredit mit geduldeter Uberziehung . . . . 255 14.5.2.4 Kontokorrentkredit (Uberziehungskredit) 256

14.6 Vorsatzliche Glaubigerbenachteiligung 258 14.7 Vorsatzliche Glaubigerbenachteiligung durch Vertrage mit

nahestehenden Personen 259 14.8 Kapitalersetzende Darlehen 260 14.9 Unmittelbare Benachteiligung 261 14.10 Unentgeltliche Leistungen 262

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15.Verwertung von Sicherheiten 263

15.1 Bewegliches Anlagevermogen 263 15.1.1 Sicherungsiibereignung 264 15.1.2 Pfandrechte 266

15.2 Vorratsvermogen 267 15.3 Forderungen 268 15.4 Verwertung von Immobilien 271

15.4.1 Auswirkung des Insolvenzverfahrens auf die Verwertung 272 15.4.2 Voraussetzungen fur die Verwertung 274

15.5 Handlungsalternativen der Bank 275 15.5.1 Voruberlegungen 275 15.5.2 Absonderungsberechtigung und ihre Konsequenzen 275 15.5.3 Vollstreckungsversteigerung 276 15.5.4 Zwangsverwaltung 277 15.5.5 Freihandige VerauBerung 278 15.5.6 Insolvenzantrag zur Vermeidung eines

Zwangsversteigerungsverfahrens 279

Stichwortverzeichnis 281

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Die Fruherkennung von Krisenpotenzialen ist das zentrale Instrument zur Vermeidung und Reduzierung von Kreditrisiken.

Dieses Thema hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, da die konjunkturelle Entwicklung und die damit verbundene hohe Anzahl von Unternehmens-insolvenzen das Firmenkundengeschaft vieler Kreditinstitute nachhaltig belastet haben. Es bleibt allerdings zu befurchten, dass sich der Druck auf die Kreditinstitute in den nachsten Jahren noch weiter erhoht, zumal nicht mit einer raschen Erholung der gesamt-wirtschaftlichen Situation zu rechnen ist und Experten einen weiteren Anstieg der Unter-nehmensinsolvenzenprognostizieren.

Abbildung 1: Unternehmensinsolvenzen in Deutschland

Aufgrund der tatsache, dass Kreditinstitute einem konjunkturbedingten Risikoanstieg im Firmenkundengeschaft kaum entgegensteuern konnen, stellt sich insofern die Frage, ob die etablierten Fruherkennungssysteme probate Mittel zur Risikominimierung darstellen.

1

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Nach den hohen Ausfallen im Bereich der New Economy oder auch der Baubranche be-stehen jedenfalls Zweifel an der Effizienz dieser Systeme.

Aus diesem Grund sollen alternative Analyseansatze aufgezeigt werden, die es ermogli-chen, Unternehmenskrisen bereits in einem friihen Stadium zu erkennen.

Das friihzeitige Erkennen einer Unternehmenskrise basiert auf der Identifikation von Krisensymptomen. Die Identifikation von Krisensymptomen wird erfahrungsgemaB da-durch erleichtert, dass man sich zunachst die Ursachen von moglichen Unternehmens­krisen vor Augen fiihrt. Insofern werden in einem ersten Schritt die Entstehung und der Verlauf von Unternehmenskrisen aufgezeigt.

1.1 Zeitliche Entwicklung von Unternehmenskrisen

Akute Unternehmenskrisen werfen regelmaBig lange Schatten voraus und stehen am Ende einer bestimmten Gefahrenentwicklung. Diese Entwicklung ist gekennzeichnet durch einen Anstieg des Gefahrdungspotenzials sowie eine unterschiedliche Wahrneh-mung der sich abzeichnenden bzw. entwickelnden Krise. Potenzielle Gefahren werden zu latenten Gefahren und steigern sich weiter zu manifesten Gefahren, das heiBt zu einer bereits eintretenden akuten Krisensituation.

1.1.1 Potenzielle Gefahren

In dieses Stadium fallen Ereignisse, die lediglich eine mogliche Gefahr fur das Unter-nehmen darstellen. Anhaltspunkte fiir eine konkrete Gefahrdung liegen noch nicht vor. Das Stadium wird als Quasi-Normalzustand eines Unternehmens bezeichnet, da sich das Unternehmen noch nicht in einer Krise befindet.1

Diese Situation erfordert vom Unternehmer ein antizipatives Krisenmanagement als ge-dankliche Vorwegnahme moglicher, nachfolgend eintretender Krisen.2

1.1.2 Latente Gefahren

Latente Gefahren werden trotz eines Anstiegs des Gefahrdungspotenzials von den Unternehme(r)n ebenfalls noch nicht als Bedrohung wahrgenommen.

1 David, Externes Krisenmanagement aus Sicht der Banken, S. 44. 2 Topfer, Plotzliche Unternehmenskrisen - Gefahr oder Chance? S. 15.

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Dies liegt zum einen daran, dass sie nicht iiber geeignete Instrumentarien zur Fruherken-nung verfiigen. Zum anderen wird diesen Gefahren lediglich die Bedeutung einer tempo-raren bzw. singularen Erscheinung beigemessen. Die Unternehmen qualifizieren dieses Krisenstadium insoweit eher als Storung, dessen Griinde auGerhalb des Unternehmens liegen (schleppende Konjunktur, schlechte Witterung etc.).

Latenten Gefahren ist nur durch ein preventives Krisenmanagement zu begegnen. Dessen zentrale Aufgabe besteht darin, die Unternehmensinternen in Bezug auf Krisensymptome zu sensibilisieren und ein funktionierendes Fruhwarnsystem zu installieren.

Latente Risiken werden zu oft bagatellisiert. Nach dem Prinzip Hoffnung werden keine konkreten MaBnahmen zur Abwendung der sich abzeichnenden Krise eingeleitet.

1.1.3 Manifeste Gefahren

Die Wahrnehmung von manifesten Gefahren als Unternehmenskrise markiert den Uber-gang zum akuten Krisenstadium. Die Krise auBert sich u. a. bereits durch starke Umsatz-einbriiche und die Nichterreichung von selbst gesetzten Zielen.

Die Krisenbewaltigung wird in diesem Stadium haufig auf Seiten des Managements durch eine selektive Wahrnehmung der objektiven Situation erschwert. Dieser psychologische Schutzmechanismus ist erfahrungsgemaB durch folgendes Verhaltensmuster gepragt:

Nach der Wahrnehmung eindeutiger Krisensignale steht das Management zunachst unter Schock, ist verunsichert und wirkt wie gelahmt. AnschlieBend versucht es, die Krise nach auBen und nach innen zu kaschieren. Erst allmahlich kommt es zu einem Eingestandnis der Krise. Erst dann startet das Management den Versuch, die Krise aktiv durch Ver-anderungsmaBnahmen zu bewaltigen.

Mit fortschreitendem Zeitablauf verschlechtern sich jedoch die Handlungsmoglichkeiten der Geschaftsleitung zur Krisenbewaltigung. Dies liegt zum einen daran, dass die noch zu Beginn der Krise im Unternehmen vorhandenen Potenziale und Reserven zunehmend verbraucht werden. Zum anderen erhoht sich aber auch mit dem Ablauf der Zeit der Ent-scheidungsdruck auf die Geschaftsleitung.

1.2 Arten von Unternehmenskrisen

In der Praxis sind folgende Krisenarten zu unterscheiden:

ft strategische Krisen, li Ertragskrisen und 88 Liquiditatskrisen.3

3 Reich/Unruh, Insolvenzvermeidung, Insolvenzabwehr und Insolvenzbewaltigung, S. 64.

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Abbildung 2: Arten von Unternehmenskrisen

Unternehmenskrisen finden ihren Ursprung regelmaBig in der strategischen Krise, die zu einer Ertragskrise fiihrt und bei fehlendem oder schlechtem Krisenmanagement in einer Liquiditatskrise endet.

1.2.1 Strategische Krise

Eine strategische Krise entseht durch eine fehlende bzw. unzureichende strategische Aus-richtung des Unternehmens. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass langfristige Erfolgsfak-toren des Unternehmens ernsthaft gefahrdet bzw. aufgebraucht und parallel keine neuen Erfolgspotenziale erschlossen worden sind. Strategische Krisen resultieren beispielsweise aus der Nichtbeachtung technologischer Entwicklungen oder einer den Marktbedurfnis-sen nicht entsprechenden Produktstrategie.

Typische Symptome einer strategischen Krise:

% sinkende Auftragseingange/Auftragsbestande, H zunehmender (Preis-)Wettbewerb, M UmsatzeinbuBen, S Verlust von Marktanteilen, B geringe Kapazitatsauslastung.

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1.2.2 Ertragskrise

In der Ertragskrise erwirtschaftet das Unternehmen bereits operative Verluste. In dieser Situation versucht die Geschaftsleitung nicht selten, die Ertragskrise durch die Ausnutzung von Bilanzwahlrechten oder die Auflosung stiller Reserven (so genannte Puffer bei der Bewertung des Lagers, der halbfertigen Arbeiten o.a.) zu verschleiern. Durch die Vorlage eines „geschonten" Geschaftsergebnisses sollen die Glaubiger ruhig gestellt werden. Trotz der ausgewiesenen positiven Ergebnisse steigt der Finanzierungsbedarf jedoch weiter an.

Typische Symptome einer Ertragskrise:

• steigende Erlosschmalerungen (Skonti/Boni), H Verschlechterung des operativen Ergebnisses, H stetiger Aufbau der Banken- und Lieferantenverbindlichkeiten, M zunehmende Fluktuation bei Fuhrungskraften und Mitarbeitern, M zunehmender Ressoureenmangel (Kapital, Ideen, qualifizierte Mitarbeiter).

1.2.3 Liquiditatskrise

Die Ertragskrise manifestiert sich schlieBlich in der Liquiditatskrise. Die Liquiditats-situation des Unternehmens verschlechtert sich zunehmend und die Zahlungsfahigkeit kann nicht mehr jederzeit gewahrleistet werden.

In dieser Situation besteht in den seltensten Fallen die Moglichkeit, die Krise noch aus eigener Kraft zu meistern. Die Bewaltigung der Krise wird zusatzlich dadurch erschwert, dass das Vertrauen der Banken, der Lieferanten und nicht selten auch der eigenen Beleg-schaft erschuttert ist.

Typische Symptome einer Liquiditatskrise:

H Kreditlinien sind stetig voll ausgenutzt bzw. uberzogen, M Verzicht auf Skontoausnutzung, M regelmaBige Zahlungsstockungen, # stark ansteigender Informationsbedarf der Kreditgeber.

1.3 Ursachen von Unternehmenskrisen

Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien und empirische Erhebungen uber Krisenur-sachen von Unternehmen.4 Ergebnis der Forschungen sind lange Listen von Misserfolgs-

4 Hausschild, Krisenmanagement. Eine Herausforderung fiir die Betriebswirtschaftslehre, www.krisennavi-gator.de.

5

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ursachen. Sie beginnen regelmaBig mit „Mangel an Eigenkapital", „Nachfrageriickgang" oder Ahnliches. Die Studien belegen aber auch, dass in der Regel erst das Zusammen-treffen mehrerer Ursachen eine Unternehmenskrise auslost.

Die Ursachen von Unternehmenskrisen sind dabei zum einem im Unternehmen selbst zu suchen (endogene Ursachen) sowie zum anderen im Umfeld des Unternehmens (exogene Ursachen).5 RegelmaBig sind beide Felder zu analysieren.

1.3.1 Endogene Ursachen

Endogene Krisenursachen liegen im eigenen, internen Einfluss- und Verantwortungs-bereich des Unternehmens. ErfahrungsgemaB ist der uberwiegende Teil der Unterneh­menskrisen primar auf endogene Ursachen zuruckzufiihren. Folgende endogene Krisen­ursachen dominieren in der Praxis:

Managementfehler/Fiihrungsschwache Unternehmenskrisen sind uberproportional haufig auf Managementfehler/Fuhrungs-schwachen zuruckzufuhren. Das Management bestimmt schlieBlich iiber die Chancen und Risiken der Unternehmensentwicklung. Die eigentlichen Ursachen fiir Unterneh­menskrisen stehen immer im Verantwortungsbereich des Managements.

Abbildung 3: Endogene Krisenursachen

5 Dorner/Hense/Gelhausen/Muller/Siepe, Wirtschaftspruferhandbuch Rdnr. 94.

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In unseren Zeiten fordern rasche Markt- und Wettbewerbsveranderungen, neue Tech­nologies veranderte Verbrauchergewohnheiten etc. permanent das Management von Un-ternehmen. Insofern ist die Risiko- und Krisenfruherkennung als eine Daueraufgabe im unternehmerischen Entscheidungsprozess zu verstehen.

Krisen sind zunachst einmal grundsatzlich ein naturlicher Bestandteil in der Entwick-lung eines jeden Unternehmens. Das Management kann daher sicherlich nicht das Ziel verfolgen, jede Krise zu verhindern. Die Geschaftsleitung hat jedoch geeignete MaBnah-men zu treffen, um Krisen friihzeitig zu erkennen und ihnen rechtzeitig entgegenwirken zu konnen.

Die Wahrnehmung von Krisen durch das Management hat jedoch auch immer etwas mit der Fahigkeit zur Selbstkritik zu tun. Bei der Analyse von Krisensituationen drangt sich zwangslaufig die Frage auf, ob nicht schon zu einem fruheren Zeitpunkt zur Krisenver-meidung etwas Preventives durch die Geschaftsleitung hatte in Gang gebracht werden konnen oder miissen.

Die Krisenwahrnehmung wird daher beim Management regelmaBig durch verschiedene psychologische Schutzmechanismen blockiert, die in der personlichen Auseinanderset-zung mit dem eventuellen eigenen Versagen und eventuellen Schuldfragen begrtindet sind.

Folgende Verhaltensmuster sind daher typisch:

% Das Management erkennt die Krise bzw. die Krisenursachen nicht an. W Konstruktive Auseinandersetzungen im Flihrungskreis und mit Mitarbeitern werden

aus Scheu vor berechtigter Kritik gemieden. ^ Fehlentscheidungen werden uminterpretiert, verteidigt und nicht mehr korrigiert.

Stattdessen werden Ersatzursachen gesucht und es wird nach dem Prinzip Hoffnung mit zu optimistischen Planungen argumentiert.

Unternehmenskrisen sind in aller Regel weder dem Zufall noch vollig unvorherseh-baren Ereignissen zuzuschreiben. Vielmehr gehen sie regelmaBig im Wesentlichen auf Managementfehler zuriiek, die daruber hinaus meist auch nur zeitverzogert - wenn iiber-haupt - korrigiert werden. Dabei bietet jede Krise auch eine wesentliche Chance, denn eine Krise ist immer auch die Ursache und der Antrieb von Erneuerungen. Not macht ja bekanntlich erfinderisch. Eine Krise sollte daher nicht um jeden Preis vermieden oder zerredet werden, sondern von einem professionellen Management als Chance zur Verbes-serung engagiert genutzt werden.

Fehlen eines aussagefahigen Controllings/Friihwarnsystems Ein GroBteil der Unternehmenskrisen resultiert aus dem Umstand, dass Unternehmen nicht iiber ein entsprechendes Controlling verfugen, das Krisensignale auffangt und an die jeweiligen Entscheidungstrager weiterleitet. Der Grund hierfiir liegt in einem wenig ausgepragten Krisenbewusstsein auf Seiten des Managements. Viele Unternehmenslen-

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ker setzen die Auseinandersetzung mit einer eventuellen zukunftigen Unternehmenskrise immer noch einem Eingestandnis der eigenen Fehlbarkeit gleich und vernachlassigen dementsprechend die Krisenprophylaxe.

Eines der wichtigsten Friihwarnsysteme fiir kleine und mittelstandische Unternehmen ist das Controlling. Es umfasst die Definition von Unternehmenszielen, die Planung der Geschaftsentwicklung sowie die permanente Kontrolle der Zielerreichung. In der Regel existieren aber gerade bei kleinen und mittelstandischen Unternehmen - wenn uber-haupt - nur Ansatze eines Controllings. Dieser Umstand beruht zum GroBteil auf einer unzureichenden oder nicht zeitnahen Aufbereitung der Daten durch das Rechnungs-wesen. Es liegen regelmaBig keine ausreichenden Erkenntnisse dariiber vor, mit welchen Geschaftsfeldern Gewinne oder auch Verluste erwirtschaftet werden. Insofern besteht auch die Gefahr, dass ein fehlerhaftes Controlling selbst eine Unternehmenskrise maB-geblich mit auslost.

1.3.2 Exogene Ursachen

Exogene Ursachen sind dagegen Ursachen, die von auBen auf das Unternehmen einwir-ken und von diesem nicht beeinflusst werden konnen.

Exogene Krisenursachen losen im Allgemeinen den strategischen Anpassungsdruck fiir das Unternehmen aus. Unternehmenskrisen erwachsen daraus erst dann, wenn das Ma­nagement nicht rechtzeitig oder nicht ausreichend reagiert.6

Marktsattigung Eine Marktsattigung liegt vor, sobald das Marktpotenzial fiir ein Produkt oder eine Dienstleistung ausgeschopft ist. Dieser Prozess kann auch dadurch beschleunigt werden, dass von Mitbewerbern Substitutionsprodukte mit entscheidenden Vorteilen gegenuber den bisherigen Produkten des eigenen Unternehmens auf den Markt gebracht.

Preisverfall Einzelne Marktteilnehmer versuchen immer wieder, iiber eine aggressive Preispolitik Marktanteile zu gewinnen bzw. den Markteintritt von moglichen Konkurrenten zu ver-hindern.

Preissteigerung bei Rohstoffen/Zulieferern/Devisen Preissteigerungen bei Rohstoffen oder Zulieferern wirken sich besonders negativ auf die Geschaftsentwicklung aus, sofern sie nicht unmittelbar an die Kunden weitergegeben werden konnen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Unternehmen iiber einen lan-geren Zeitraum Festpreise mit den Kunden vereinbart haben.

6 Dorner/Hense/Gelhausen/Miiller/Siepe, Wirtschaftspruferhandbuch Rdnr. 95.

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Veranderung des Kaufverhaltens Die Umsatzentwicklung der Unternehmen steht im engen Zusammenhang mit dem Kauf-verhalten der Kunden. Unvorhersehbare Veranderungen (siehe BSE-Krise oder die Ter-roranschlage vom 11. September 2001) konnen insoweit zu einem Umsatz- und Roher-tragsverlust fuhren, der unter Umstanden die gesamte Finanzstruktur des Unternehmens erschuttert.

Abbildung 4: Exogene Krisenursachen

1.3.3 Multikausalitat der Ursachen

Unternehmenskrisen sind jedoch, wie bereits angesprochen, in den seltensten Fallen auf eine einzige Misserfolgsursache zuruckzufiihren. Empirische Untersuchungen belegen vielmehr, dass sie regelmaBig erst durch das Aufeinandertreffen mehrerer Ursachen, die sich teilweise auch gegenseitig bedingen, entstehen.7 Eine Krisenursache als solche gibt es also nicht.

Abbildung 4 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Die Datenbasis lieferte die Analyse von 142 Kreditprotokollen von insolvent gewordenen Unternehmen. Der angegebene Prozent-wert gibt die relative Haufigkeit der Nennung als Insolvenzursache an.

7 Topfer, Plotzliche Unternehmenskrisen - Gefahr oder Chance? S. 17.

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Abbildung 5: Insolvenzursachen*

Der Gesichtspunkt der Multikausalitat ist insbesondere im Rahmen von Sanierungs-bemiihungen zu beachten, da zielflihrende SanierungsmaBnahmen das Verstandnis fiir die Krisenursachen voraussetzen.

1.4 Fruhzeitiges Erkennen von Unternehmenskrisen

Die Kunst des Krisenmanagements liegt in der Friiherkennung sich anbahnender Krisen. Risikofriiherkennung ist kein notwendiges Ubel oder eine wissenschaftliche Disziplin ohne praktische Relevanz, sondern eine zentrale Managementaufgabe. Ein Unternehmen/ Unternehmer kann nur dann auf Dauer erfolgreich sein, wenn die Chancen des Unterneh-mens optimal erkannt und genutzt werden und zugleich die strategischen und operativen Schwachstellen und Risiken am besten kontrolliert und bewaltigt werden.

Die Friiherkennung von UnternehmensrisikenAkrisen ist insofern eine operative Notwen-digkeit einer jeden Geschaftsleitung. Sie dient letztendlich dem Ziel der Vermogenssiche-rung und Ergebnismaximierung und kann daher zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor des Unternehmens ausgebaut werden.

Der Gesetzgeber hat diesem Umstand im Mai 1998 durch die Einfuhrung des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) Rechnung getragen. Danach sind Kapitalgesellschaften verpflichtet, ein Fruhwarnsystem in Form eines Risi-komanagementsystems (RMS) einzufiihren.

8 Hausschildt, Krisenmanagement. Eine Herausforderung fur die Betriebswirtschaftslehre, www.krisenna-vigator.de.

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Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, konkrete Inhalte oder Mindestanfor-derungen zur Ausgestaltung eines RMS vorzugeben. Hier sind ausschlieBlich betriebs-wirtschaftliche Aspekte und das Gebot der ZweckmaBigkeit maBgebend. GroBe und Art des Unternehmens, die Tatigkeitsfelder und Branchen, Aufbau- und Ablauforganisation sowie auch das vorhandene Vermogen bestimmen jeweils individuell die Ausgestaltung.

Aufgabe eines RMS ist die Erkennung aller, das heiBt auch latenter Risiken. Diese un-ternehmerischen Risiken konnen durch ein RMS nicht vermieden werden, sie sollten al-lerdings rechtzeitig erkannt, begleitend uberwacht und spatestens zu dem Zeitpunkt, zu dem sie wesentlich fur die wirtschaftliche Lage des Unternehmens werden, abgewehrt oder zumindest gemildert werden.

Kreditinstitute setzen bei der Frtiherkennung von Unternehmenskrisen im Wesentlichen auf ihre internen Jahresabschlussanalyse- und Ratingsysteme. Diese Bonitatsprufungen basieren vorwiegend auf der Entwicklung von Bilanzkennzahlen. Dariiber hinaus floss in den vergangenen Jahren die Bewertung des Managements sowie der Zukunftsperspekti-ven der Branche zunehmend in die Prufung ein.

Allein die Analyse der stark vergangenheitsbezogenen und oft zu allgemeinen Daten aus dem Rechnungswesen ist nicht geeignet, um heutzutage die stetig dynamischer werden-den Unternehmensprozesse zu kontrollieren und zu steuern.

Damit ein zu installierendes RMS seine Aufgaben erfullen kann, sind verschiedene Voraussetzungen zu schaffen. Zunachst einmal sollte sich die Geschaftsleitung iiber die eigentlichen operativen Erfolgsfaktoren des Unternehmens im Klaren sein, bevor sie sich den Risiken zuwendet. Viele Mittelstandler halten von solchen fur sie theoretischen Ansatzen oder auch einfach nur vom Controlling sehr wenig, mit der Folge, dass sie zu wenig iiber ihr Unternehmen wissen, was dann wiederum meistens erst in der akuten Krisensituation - wenn iiberhaupt - erkannt wird.

Bevor sich ein Unternehmer oder Manager den in der Literatur sehr zahlreich vertretenen und groBtenteils sehr akademisch anmutenden Ansatzen von Risikomanagementsyste-men zuwendet, sollte er sich also zunachst etwas intensiver mit dem eigenen Unterneh­men beschaftigen: Womit verdiene ich mein Geld und womit verliere ich eventuell sogar Geld und warum ist das so. Die auBerst wichtige Beantwortung dieser Fragen und Kon-kretisierung durch plausibles Zahlenmaterial durfte die Mehrzahl der Geschaftsleitun-gen der stark mittelstandisch gepragten Unternehmensstrukturen heute jedoch noch vor ernsthafte Schwierigkeiten stellen.

Wenn diese Fragen geklart sind, ist es ebenfalls wichtig - allerdings in dieser zeitlichen Reihenfolge auch leichter - , sich iiber eventuelle Storfaktoren oder auch Risiken Gedan-ken zu machen.

AbschlieBend sei noch einmal auf die Grenzen von Risikofruherkennungssystemen ver-wiesen: Eine naturliche Grenze der Fruherkennung von Unternehmenskrisen liegt sicher-lich in der Unvorhersehbarkeit von plotzlichen Ereignissen, die das Erreichen von Un-

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ternehmenszielen beeintrachtigen. Eine weitere Grenze der Friiherkennung ist aus dem Erfordernis der Wirtschaftlichkeit der angewendeten Fruherkennungssysteme abzuleiten. Eine zu aufwendig betriebene Risikofruherkennung darf aufgrund ihrer nachhaltigen Unwirtschaftlichkeit nicht selbst zu einem Unternehmensrisiko werden.

1.4.1 Typische Krisensymptome

Ein wichtiger Bestandteil der Risikofruherkennung ist die Wahrnehmung von Krisen-symptomen, die auf die Entwicklung einer strategischen Krise, einer Ertrags- bis hin zu einer Liquiditatskrise hinweisen. Folgende typischen Verhaltensmuster seien beispielhaft genannt:

Im Verhaltnis zu den Kreditgebern: • Die Uberziehung der Kreditlinien nimmt zu und dauert immer langer an. Die Ge-

schaftsleitung kann keine stichhaltigen Griinde fur diese Entwicklung anfiihren. • Der Wunsch einer Erhohung der Kreditlinie wird nicht mit nachvollziehbaren Argu-

menten belegt. • Es werden neue Bankverbindungen/Kreditgeber gesucht. • Die Vorlage von Finanzplanen, Bilanzen sowie betriebswirtschaftlichen Auswertun-

gen verzogert sich.

Im Verhaltnis zu den Lieferanten: H Die Skontoinanspruchnahme nimmt ab. • Vereinbarte Zahlungsziele werden uberschritten. H Die Bestellmengen verringern sich. W Es wird um Ratenzahlung gebeten (unter Umstanden auch um Einrichtung eines Kon-

signationslagers). if Selbst der Zahlungseingang nach Mahnung verschlechtert sich zunehmend.

Im Verhaltnis zu den Kunden: • Die Sortimentsbreite wird unsystematisch (Verzettelung). • Termin- und Qualitatsprobleme - das komplette Sortiment steht immer seltener zur

Verfugung. • Haufige Sonderangebote (Skonti, Boni und Sonderpreise) sowie leichte Preisverhand-

lungen. • Kulanz im Zusammenhang mit der Beseitigung von Mangeln nimmt ab.

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Abbildung 6: Typische Krisensymptome

1.4.2 Risiko und Krisenfruherkennung durch (qualitative) Jahresabschlussanalyse

Wie bereits im vorherigen Abschnitt angesprochen, nutzen Kreditinstitute fur die Beurtei-lung der Rentabilitat und finanziellen Stabilitat bei der Bilanzanalyse traditionelle Kenn-zahlen und Kennzahlensysteme, die auf vergangenheitsorientierten Jahresabschlussdaten basieren und durch Zeit-, Betriebs- und Soll-Ist-Vergleiche entsprechende Informationen iiber die Unternehmensentwicklung darstellen.

Mit Hilfe neuerer, statistischer Verfahren werden geeignete Kennzahlen zur Insolvenz-diagnose und -prognose bzw. Fruherkennung von Unternehmenskrisen zu einem Gesamt-beurteilungsindikator verkniipft, die einen bestimmten Sachverhalt (Insolvenz) mit hoher Wahrscheinlichkeit erklaren bzw. vorhersagen konnen (Diskriminanzanalyse, neuronale Netze).

In der Praxis zeigt sich regelmaBig, dass ein Jahresabschluss das Ergebnis „subjektiver Wertungsprozesse" darstellt. Wird in wirtschaftlich guten Zeiten eines Unternehmens haufig das bilanzpolitische Ziel verfolgt, ein moglichst geringes Steueraufkommen zu realisieren, greifen Unternehmen in einer angespannten wirtschaftlichen Lage nicht sel-ten bei der Bilanzierung zu „schonenden'\ ertragsteigernden GestaltungsmaBnahmen. Hauptaugenmerk dieser Bilanzpolitik ist der Erhalt der Kreditwurdigkeit des Unter­nehmens. Durch Ausnutzung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten sowie Er-messenspielraumen konnen negative Entwicklungen zum Teil verschleiert und kaschiert

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werden. Kennzahlensysteme verlieren ihre Aussagekraft. Die quantitative Bilanzanalyse stoBt an ihre Grenzen.

Dem rechtzeitigen Erkennen und Aufdecken des verwendeten bilanzpolitischen Instru-mentariums durch den Firmenkundenbetreuer im Wege einer qualitativen Bilanzanalyse kommt insofern eine groBe Bedeutung zu.

Der Bilanzierende hat mangels Objektivierbarkeit eine gewisse Bandbreite bei den Er-messensspielraumen fur Wertansatze zur Verfugung. Diese konnen mit der speziellen Situation des Unternehmens plausibel begriindet und - vom Wirtschaftspriifer akzep-tiert - in den Jahresabschluss aufgenommen werden.

Da die Einschatzung von Sachverhalten immer nur eine Momentaufnahme ist und zu jedem Jahresabschluss neu erfolgt, ist sie ein flexibel einzusetzendes, bilanzpolitisches Instrument. Fur externe Bilanzleser ist haufig nicht erkennbar, in welche Richtung ein Spielraum ausgenutzt wird. Beispiele fur die Ausnutzung von Ermessensspielraumen in einer negativen Unternehmenssituation sind:

If Reduzierung von Gangigkeitsabschlagen bei fertigen Erzeugnissen, • Verlangerung der Nutzungsdauer von Gegenstanden des Anlagevermogens, • Ansatz von geringen Abschlagen bei retrograder Ermittlung der Herstellungskosten, H unzureichende Bildung von Ruckstellungen (z.B. fiir Gewahrleistungen), H Reduzierung von Pauschalwertberichtigungen auf Forderungen, S unzureichende Einzelwertberichtigung auf Forderungen.

Bei der Analyse der Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte kann das Saarbriicker Modell zur Unternehmensbeurteilung vom Institut fiir Wirtschaftspriifung an der Uni-versitat des Saarlandes eine Hilfestellung geben.9 Hierbei werden die verwendeten Bi-lanzierungsweisen mit einer fiir deutsche Unternehmen typische Bilanzierung („Norm-bilanz") verglichen. Von dieser Normbilanz abweichende Bilanzierungsweisen werden, soweit sie sich negativ auf das Jahresergebnis auswirken, als Indikatoren fiir eine konser-vative Bilanzpolitik und wenn sie das Jahresergebnis positiv beeinflussen, als progressive Bilanzpolitik gewertet.

In der nachfolgenden Checkliste (siehe Tabelle 1) sind wesentliche Indikatoren fiir die Verwendung von ergebnisverbessernden BilanzierungsmaBnahmen und ihre mogliche Erkennbarkeit aus dem Jahresabschluss dargestellt.

Neben den dargestellten Ansatz- und Bewertungsspielraumen ermoglicht die Bilanz­politik auch die Gestaltung von Sachverhalten. Es wird in zeitliche Vorverlagerung und zeitliche Nachverlagerung unterschieden, sowie in originare Gestaltungen. Originare Gestaltung bedeutet, dass Sachverhaltsgestaltungen ohne ein bilanzstrategisches Motiv nicht stattgefunden hatte. Tabelle 1 zeigt entsprechende Beispiele.

9 Vgl. Kiiting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter, Die Bilanzanalyse, Lehrbuch zur Beurteilung von Einzel- und Konzernabschlussen, 7. AufL, 2004, S. 414ff.

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Tabelle 1: Wesentliche Indikatoren progressiver Bilanzpolitik (Checkliste)

Sachverhaltsgestaltung wird oftmals dann eingesetzt, wenn die Moglichkeiten von Bi-lanzierungs- und Bewertungspolitik erschopft sind, z. B. wenn seit Jahren nach „oben" bilanziert wurde. Es ist ein deutliches Indiz dafur, dass sich das Unternehmen in einer Krise befindet. Sachverhaltsgestaltungen sind aus den Jahresabschlussdaten als solche nicht erkennbar - sollten jedoch im Rahmen einer qualitativen Bilanzanalyse durch den Firmenkundenbetreuer im Jahresgesprach hinterfragt werden

Ergibt sich die Vermutung, dass mit Hilfe von MaBnahmen der Bilanzpolitik die ge-schaftlichen Verhaltnisse besser dargestellt werden, als sie tatsachlich sind, sollte der

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Tabelle 2: Beispiele von Sachverhaltsgestaltungen

Firmenkundenbetreuer auftretende Fragen zur Erlangung eines tatsachlichen Bildes in Form eines personlichen Gesprachs klaren. Ein Rechtsanspruch auf ein solches Gesprach besteht nur teilweise (§ 51a GmbHG), im konkreten Fall wird sich ein Unternehmen, be-sonders gegenuber Kreditgebern, jedoch nicht weigern konnen.

Die Art der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden und die Wertansatze im Bereich der Ermessensspielraume sollten detailliert besprochen werden. Besonders eventuelle Methodenanderungen gegenuber den Vorjahren sind zu plausibilisieren.

Ansatzpunkte fiir moglich Fragen und Themenbereiche werden in Tabelle 2 dargestellt.

1.4.3 Risiko und Krisenfruherkennung durch Analyse der mehrjahrigen Erfolgsrechnung

Neben den Problematiken des bilanzpolitischen Instrumentariums besteht ein wesentli-cher Nachteil einer kennzahlenbasierten Bonitatsprufung in dem vergangenheitsbezoge-nen Zahlenmaterial. Die Bilanz wird nicht selten erst im dritten oder vierten Quartal des Folgejahres vorgelegt. Gerade bei negativen Geschaftsentwieklungen versuchen Firmen-kunden tendenziell, die Vorlage der Bilanz noch weiter zu verzogern. Berucksichtigt man die schnelle Entwicklung einzelner Branchen, wird eine derartig lange Reaktionszeit dem Anspruch einer effektiven Risikominimierung im Kreditgeschaft nicht gerecht. Man schlieBt aus Zahlen von vorgestern, die gestern vorgelegt worden sind, auf die Solvenz des Kunden von morgen. Im Zusammenhang mit Unternehmenskrisen ist daher den Bi-lanzkennzahlen lediglich der Stellenwert von Spatwarnindikatoren beizumessen.

Verdichten sich die Anzeichen einer Krise, ist es sinnvoll, die unterjahrige Erfolgsrech­nung einer naheren Betrachtung zu unterziehen.

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Hauptaugenmerk ist auf folgende Punkte zu richten:

• Vorjahres-, Vormonatsvergleich: Negative Geschaftsentwicklungen werden unter Umstanden erst durch den Vergleich mit entsprechenden Vorjahreswerten sichtbar (Erhohung der Materialeinsatzquote, uberpro-portionaler Anstieg einzelner Kostenpositionen, etc.). Durch einen Vormonatsvergleich kann der Firmenkundenberater feststellen, ob regelmaBig anfallende Aufwendungen und Kosten (Miete, Leasing, AfA) tatsachlich verbucht worden sind.

• Analyse der Umsatzentwicklung und Umsatzrendite: Sie sind wesentliche Indikatoren fur die Geschaftsentwicklung. Der Firmenkundenbera­ter kann sich der Tragweite einer stagnierenden oder rucklaufigen Umsatzentwicklung bewusst werden, indem er in regelmaBigen Abstanden (z.B. quartalsweise) einen Forecast von dem Kunden fiir das laufende Geschaftsjahr anfordert. Dieser sollte auch eine Dar-stellung der monatlichen Umsatzentwicklung der Vorjahre sowie die Entwicklung des Auftragsbestandes beinhalten.

• Bestandsveranderungen - verlustfreie Bewertung: Unternehmen versuchen haufig, negative Ergebnisentwicklungen durch eine entsprechend „optimistische" Bewertung der fertigen und unfertigen Erzeugnisse zu kaschieren. Die Praxis zeigt, dass gerade Krisenunternehmen der gesetzlichen Pflicht zur verlustfreien Be­wertung nicht nachkommen. Fertige und unfertige Erzeugnisse sind jedoch gem. § 253 III HGB abzuschreiben und damit „verlustfrei" zu bewerten, wenn die bereits angefallenen und zuktinftig noch anfallenden Herstellungskosten fiir den Vermogensgegenstand und die sons-tigen noch anfallenden Kosten (z.B. Vertriebs- u. Verwaltungskosten) den voraussichtlich erzielbaren Wert ubersteigen. Durch den Verzicht auf so genannte Gangigkeitsabschlage un-terstellen die Unternehmen, dass sie mit samtlichen Erzeugnissen Gewinne erwirtschaften. Davon ist jedoch gerade bei Unternehmen mit Ertragsdefiziten nicht auszugehen.

& Bewertung der Ergebnisentwicklung bei fehlendem Ausweis der Bestandsveranderungen:

Viele Unternehmen verzichten unterjahrig auf ihren Ausweis. Krisenunternehmen ver­suchen sich diesen Umstand zu Nutze zu machen und rechtfertigen eine negative Ergeb­nisentwicklung sowie den steigenden Liquiditatsbedarf mit dem fehlenden Ausweis der Bestandsveranderungen. Obwohl nur schwer zu widerlegen ist, besteht zumindest bei Unternehmen mit einer relativ konstanten Materialeinsatzquote die Moglichkeit, das Ge-schaftsergebnis unter Ansatz des durchschnittlichen prozentualen Materialeinsatzes der Vorjahre hochzurechnen. Diese Ergebnisindikation kann ebenfalls eingefordert werden.

• Darstellung des tatsachlichen operativen Ergebnisses -Bereinigung des Ergebnisses um auBerordentliche bzw. nicht operative Effekte:

Defizite im eigentlichen „Kerngeschaft" des Unternehmens werden durch a.o. Effekte (z.B.: Ertrage aus dem Abgang von Anlagenvermogen, Aktivierung von Eigenleistungen,

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Versicherungsentschadigungen, etc.) verschleiert. Der Firmenkundenberater kann die tatsachliche Entwicklung im operativen Geschaft offen legen, indem er das Ergebnis um diese Effekte bereinigt. Ebenso sollten Faktoren in Abzug gebracht werden, die mit dem eigentlichen Kerngeschaft nicht in Verbindung stehen (Beispiel: Ein Produktions-unternehmen erzielt nur durch die Vermietung einer Betriebsimmobilie ein positives Ge-schaftsergebnis.)

• Analyse der Falligkeitsstruktur der Debitoren: Der Wertberichtigungsbedarf auf Forderungen wird nicht selten erst im Rahmen des Jah-resabschlusses offen gelegt. Dabei ist fur einen Externen nur schwer abschatzbar, ob der tatsachliche Wertberichtigungsbedarf noch hoher ist.

Aufschluss hieruber kann die Falligkeitsstruktur der Debitoren geben. Bei Verdachts-momenten sollte sie in das regelmaBige Reporting des Firmenkunden aufgenommen werden.

ft Anfordern von Summen- und Saldenlisten: Summen- und Saldenlisten beinhalten wichtige Informationen in Bezug auf die Finanzie-rungsstruktur eines Unternehmens (Anlagevermogen; Salden der langfristigen Darlehen; Warenbestand - sofern unterjahrig Bestandsveranderungen gebucht werden; Debitoren-und Kreditorenbestand; Salden der Kontokorrentkredite; gegebenenfalls Hone der Ent-nahmen). Daruber hinaus lassen einzelne Konten Ruckschliisse auf auBerordentliche und negative Geschaftsvorfalle zu, die in der unterjahrigen Erfolgsrechnung nicht separat ausgewiesen werden (Erlosschmalerungen, Aufwendungen fiir Gewahrleistungen, etc.).

Die Anforderung einer Summen- und Saldenliste unmittelbar nach dem Abschlus seines Geschaftsjahres bietet sich an, um bereits fruhzeitig gewisse Entwicklungen in den an-gesprochenen Bereichen zu erkennen.

Eine quartalsmaBige Anforderung ist zumindest in einem fortgeschrittenen Krisensta-dium sinnvoll, da neben den vorgenannten Punkten sichtbar wird, ob z.B. eines der invol-vierten Kreditinstitute sein Kreditengagement zuruckfiihrt.

Bei Beurteilung der Summen- und Saldenlisten ist zu hinterfragen, inwieweit die kor-rekten Saldenvortrage aus dem Vorjahr vollstandig vorgetragen wurden. Die tatsachliche Vermogens- und Finanzlage lasst sich nur mit korrekten Vortragen abbilden.

Die folgende Checkliste (siehe Tabelle 3) stellt mogliche Analysefelder fiir eine unterjah-rige Erfolgsrechnung fiir die Risikofriiherkennung zusammen.

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Tabelle 3: Risikofriiherkennung durch unterjahrige Erfolgsrechnung (Checkliste)

1.4.4 Checkliste zur Fruherkennung von Unternehmenskrisen (Friiherkennungstreppe)

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Risikofriiherkennung ist die Rechtzeitigkeit, mit der Krisen erkannt werden. Fur die tagliche Arbeitspraxis werden Instrumentarien beno-tigt, mit deren Hilfe ermittelt werden kann, ob ein Kreditengagement einer intensiveren Analyse zu unterziehen ist. Im Hinblick auf die (wirtschaftlichen) Grenzen der Fruh­erkennung gilt es dabei, die zusatzliche Uberpriifung moglichst bedarfsgerecht auszuge-stalten.

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Die nachfolgende Checkliste (siehe Abbildung 7) stellt ein solches Instrumentarium dar, mit dessen Hilfe die Mitarbeiter im Firmenkundenkreditgeschaft den entsprechenden Handlungsbedarf fur ein Kreditengagement klassifizieren konnen.

Vorgehensweise: Beantworten Sie die Fragen von oben nach unten und kreuzen Sie auf der linken Seite das entsprechende Kastchen an.

Stufen 1 bis 3: Wenn Sie bereits in den Stufen 1 bis 3 eine Frage mit „ja" beantworten miissen, ist die Besicherung der Kredite zu uberprufen. Dariiber hinaus ist festzustellen, ob es sich bei den angesprochenen Entwicklungen nur um temporare oder um langer andauernde Erscheinungen handelt. Es stellt sich zudem die Frage, ob das Management die ersten Krisensymp-tome wahrgenommen hat.

Stufen 4 bis 6: Wenn Sie in diesem Bereich eine Frage mit „ja" beantworten miissen, ist die Geschaftsentwicklung des Unternehmens einer intensiven Priifung zu unterziehen. Dariiber hinaus ist zu klaren, ob und welche MaBnahmen das Unternehmen zur Bewaltigung der Krise ergriffen hat.

Soweit das Management keine klaren Aussagen iiber die Ursachen der Krise machen kann bzw. Zweifel an dem Erfolg der ergriffenen MaBnahmen be-stehen, kann die Einschaltung eines externen Gutachters sinnvoll sein.

Dariiber hinaus ist die Hereinnahme von zusatzlichen Sicherheiten an-zustreben.

Stufen 7 bis 9: Wenn Sie in den Stufen 7 bis 9 eine Frage mit „ja" beantworten miissen, ist das Unternehmen bereits nachhaltig in seinem Fortbestand gefahrdet. Das Kreditengagement ist umgehend in eine Intensivbetreuung zu iiber-geben.

Abbildung 7: Fruherkennungstreppe

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Die akute Unternehmenskrise findet ihren Hohepunkt, wenn ein nach § 16 InsO fiir die Eroffnung des Insolvenzverfahrens erforderlicher Eroffnungsgrund gegeben ist. Die In-solvenzordnung definiert drei Insolvenzeroffnungsgriinde:

• Allgemeiner Eroffnungsgrund fiir das Insolvenzverfahren ist nach § 17 InsO die Zah­lungsunfahigkeit.

W„ Fiir Sehuldner besteht dariiber hinaus das Recht, auch schon bei so genannter drohen-der Zahlungsunfahigkeit nach § 18 InsO das Insolvenzverfahren zu beantragen.

$% Bei juristischen Personen (§ 19 Abs. 1 InsO) oder Personenhandelsgesellschaften, bei denen kein deren personlich haftender Gesellschafter eine juristische Person ist (§ 19 Abs 3 InsO), tritt neben den Insolvenzgrund der Zahlungsunfahigkeit nach § 19 Abs. 1 InsO noch der Insolvenzgrund der Uberschuldung.

Gegeniiber dem bis vor 1. Januar 1999 giiltigen Konkursrecht wurden mit Einfuhrung des Insolvenzrechtes die Insolvenzeroffnungsgriinde um den Tatbestand der drohenden Zahlungsunfahigkeit erweitert und die Bestimmungen fiir die bereits zuvor bestehenden Insolvenzgriinde Zahlungsunfahigkeit und Uberschuldung verscharft. Hierin spiegelt sich die Intention des Gesetzgebers wider, mit der Insolvenzrechtsreform den Eroffnungszeit-punkt der Insolvenzverfahren nach Moglichkeit vorzuverlagern, um somit die Anzahl der massearmen Verfahren zu verringern und die Aussichten der Sanierung zu erhohen.

Abbildung 8: Insolvenzeroffnungsgriinde

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Abbildung 9: Die Eroffnungsgrunde (rechnerische Darstellung)

2.1 Zahlungsunfahigkeit

Die Insolvenzordnung liefert mit § 17 die Legaldefinition fiir die Zahlungsunfahigkeit: „Der Schuldner ist zahlungsunfahig, wenn er nicht in der Lage ist, die falligen Zah-lungspflichten zu erfullen". Erganzend gilt: „Zahlungsunfahigkeit ist in der Kegel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat."

Vor Einfiihrung der neuen Insolvenzordnung war die Zahlungsunfahigkeit in der Recht-sprechung als der dauernde Mangel an Zahlungsmitteln definiert, der den Schuldner auBerstande setzt, seine falligen und ernsthaft eingeforderten Geldschulden ganz oder zu einem wesentlichen Teil zu erfullen. Mit dem Ziel, den Insolvenzeroffnungszeitpunkt nach Moglichkeit vorzuverlagern, wurden die Merkmale

W, dauernde Unfahigkeit, H fallige und ernsthaft eingeforderte Geldschulden, WA die einen wesentlichen Teil der Verbindlichkeiten ausmachen,

nicht in die Legaldefinition mit aufgenommen. In der Praxis spielen diese Merkmale je-doch teilweise weiterhin eine - gleichwohl deutlich eingeschrankte - Rolle bei der Frage, ob der Tatbestand der Zahlungsunfahigkeit eingetreten ist.

Das Merkmal der Dauerhaftigkeit stellt auf die Fristigkeit der Zahlungsunfahigkeit ab. Sind die Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners kurzfristiger, voriibergehender Natur, so liegt nur eine Zahlungsstockung vor. Vor Einfiihrung der Insolvenzordnung war gemaB laufender Rechtssprechung selbst bei einem Zeitraum von vier Wochen bis

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hin zu drei Monaten teilweise noch von Zahlungsstockung auszugehen. Hier sieht der Gesetzgeber durch die Nichtberucksichtigung in der Legaldefinition eine deutliche Ver-scharfung vor. Im Sinne der Insolvenzordnung ist nunmehr von einer rechtlich unerheb-lichen Zahlungsstockung nur dann auszugehen, sofern innerhalb von ein bis zwei Wo-chen die Zahlungsfahigkeit wieder hergestellt werden kann.1 Nach herrschender Meinung reicht dieser Zeitraum fur Versuche aus, um im Falle positiver Zukunftsaussichten des schuldnerischen Unternehmens mittels Kreditfinanzierung das finanzielle Gleichgewicht wiederherzustellen. Von einer Zahlungsstockung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn der Schuldner nach Ablauf der genannten Frist in der Lage ist, samtliche dann falligen Verbindlichkeiten zu begleichen. Kann er eine offene Verbindlichkeit nur dann bezahlen, wenn er neu hinzutretende fallige Verbindlichkeiten offen lasst, ist weiterhin von Zahlungsunfahigkeit auszugehen.2

Das Merkmal der Wesentlichkeit dient zur Abgrenzung von so genannten „unerheblichen Zahlungsproblemen". Darunter wird uberwiegend eine prozentual festgelegte Unterde-ckung der falligen Verbindlichkeiten im Verhaltnis zu dem im Betrachtungszeitraum zur Verfugung stehenden Zahlungsmitteln verstanden. In der Legaldefinition der Zahlungs­unfahigkeit nach der InsO entfallt das Merkmal der Wesentlichkeit. Allerdings sollen auch kiinftig „ganz geringfiigige Liquiditatslucken" aufier Betracht bleiben. Wahrend jedoch im Rahmen der alten Konkursordnung auch Unterdeckung zwischen 25 Prozent und 50 Prozent als unwesentlich betrachtet wurden, ist nach herrschender Meinung nun­mehr davon auszugehen, dass nur noch Liquiditatslucken von 5 Prozent bis zu 10 Prozent als geringfiigig betrachtet werden konnen.3

Das Merkmal „fallig und ernsthaft eingefordert" fiihrte nach altem Konkursrecht zu einer Differenzierung von falligen Zahlungsverpflichtungen, die auch ernstlich einge­fordert wurden, und den insolvenzrechtlich unbeachtlichen falligen Zahlungsverpflich­tungen, die nicht ernstlich eingefordert wurden. Der wesentliche Unterschied zwischen den ernstlich eingeforderten und den nicht ernstlich eingeforderten falligen Verbindlich­keiten ist darin zu sehen, dass moglicherweise eine ausdruckliche oder stillschweigende Stundung vorliegen konnte, wenn eine ernstliche Einforderung nicht erfolgte oder Hin-weise auf eine solche nicht vorliegen. Daher ging es nach dem alten Recht offensichtlich darum, solche Verbindlichkeiten nicht in die Feststellung der Zahlungsunfahigkeit ein-zubeziehen, bei denen eine Stundung gewahrt wurde, sei es eine stillschweigende oder eine ausdruckliche.

Auf das Kriterium „ernstliches Einfordern" wurde im § 17 InsO verzichtet. Schwierigkei-ten bereitet nunmehr die so genannte „stillschweigende" Stundung. Nach uberwiegender Auffassung reicht es heute nicht mehr aus, dass die Glaubiger ihre Anspruche nicht aus-driicklich geltend machen. In der Regel sind die Zahlungsmodalitaten entweder in den

1 Vgl. Obermuller, Manfred, Insolvenzrecht in der Bankenpraxis, Koln, 2002, S. 36 2 Vgl. Pelz, Christian, Strafrecht in Krise und Insolvenz, C. H. Beck, 2004, S. 23. 3 Vgl. AG Koln vom 9. Juni 1999, ZInsO 1999; Obermuller, Manfred, Insolvenzrecht in der Bankenpraxis,

Koln, 2002, S. 35.

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AGBs oder in den gesonderten Vereinbarungen festgelegt. Der Schuldner kann allein durch Nichtzahlung bzw. verspdtete Zahlung keine Stundung erzwingen. Es kommt auch nicht mehr darauf an, wie nachhaltig der Glaubiger auf Zahlungen besteht. Es geniigt, angelehnt an die BGH-Entscheidungen, jedes - auch schliissige - Verhalten des Glaubi-gers, mit dem er vom Schuldner erkennbar Zahlung erwartet. Daher gibt es keinen Raum mehr fur die Annahme einer stillschweigenden Stundung im Zeitalter der InsO. Zu be-rucksichtigen sind nur eindeutige Stundungen, bei denen die Falligkeit einvernehmlich hinausgeschoben wird.

Feststellung der Zahlungsunfahigkeit Zur Feststellung der Zahlungsunfahigkeit kommen nach Auffassung von Literatur und Rechtsprechung im Wesentlichen zwei Verfahren in Frage: die kriminalistische Analyse und die betriebswirtschaftliche Analyse.

Bei der kriminalistischen Analyse wird in einer ex post-Betrachtung anhand von Indizien gepriift, ob und wann die Zahlungsunfahigkeit eingetreten ist. Als Beweis-anzeichen werden zu diesem Zweck beispielsweise die Haufung von Mahnungen, Mahn-und Vollstreckungsbescheiden, Pfandungen des Gerichtsvollziehers, die langerfristige Nichtabfiihrung von Sozialversicherungsbeitragen sowie die Nichtzahlung betriebs-notwendiger Ausgaben herangezogen. Ist ein deutlicher Anstieg in der Haufigkeit eines oder mehrerer Indizien zu verzeichnen, liegt die widerlegbare Annahme von Zahlungs­unfahigkeit nahe, wahrend das Vorliegen nur einzelner Beweisanzeichen noch keinen Schluss hierauf zulasst. Da Glaubiger auf ausbleibende Zahlungen regelmaBig erst mit einiger Verspatung reagieren und somit die zur Feststellung der Zahlungsunfahigkeit he-rangezogenen Krisenanzeichen erst mit zeitlicher Verzogerung manifest werden, kann die kriminalistische Analyse nur zu einer nachtraglichen Feststellung des Tatbestands dienen, wie es regelmaBig im Rahmen gerichtlicher Verfahren bei der Feststellung des Vorliegens einer Insolvenzantragspflicht der Fall ist. Zur rechtzeitigen Feststellung, und bestenfalls Vermeidung eines Insolvenztatbestands ist die kriminalistische Analyse hin-gegen ungeeignet.

Praziser und zeitnaher ist eine Feststellung mittels betriebswirtschaftlicher Analyse moglich. Diese umfasst nach herrschender Meinung die zwei Bestandteile Liquiditats-status und Liquiditatsplan.4

Liquiditatsstatus Im Liquiditatsstatus erfolgt eine stichtagsbezogene Erfassung und Gegenuberstellung aller falligen Zahlungsverpflichtungen und der zu ihrer Erfiillung an diesem Tage ver-fiigbaren liquiden Finanzmittel des Schuldners. Er spiegelt somit die zeitpunktbezogene Liquiditat bzw. Illiquiditat des Schuldners wider.

4 Vgl. IDW Priifungsstandard: Empfehlungen zur Priifung eingetretener oder drohender Zahlungsunfahig­keit bei Unternehmen (IDW PS 800).

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Zur Ermittlung des Liquiditatsstatus kann in der Regel. auf Bilanz- und Buchhaltungs-daten zuriickgegriffen werden, die jedoch einer weitergehenden sorgfaltigen Analyse bediirfen.

Unter die falligen Zahlungsverpflichtungen fallen regelmaBig samtliche Waren- und Leistungsverbindlichkeiten, fallige Schuldwechsel und sonstige kurzfristige Verbindlich-keiten. Ferner zu beriicksichtigen sind buchhalterisch nicht erfasste fallige Zahlungs­verpflichtungen aus Dauerschuldverhaltnisse, wahrend vereinbarte Stundungen und Ratenzahlungen abzusetzen sind. Gewahrte Kontokorrent-Kredite gelten nicht als fal-lig, wahrend stillschweigend geduldete Uberziehungslinien als fallig betrachtet werden miissen.

Zu den verfiigbaren liquiden Finanzmitteln zahlen neben Kassenbestanden, Guthaben bei Kreditinstituten, Kundenschecks sowie diskontfahigen Wechseln auch nichtausge-schopfte Kontokorrentlinien. Die Beriicksichtigung zeitnah erwarteter Zahlungseingange aus falligen Forderungen wird in der Literatur hingegen weitgehend kritisch gesehen und erfordert eine sorgfaltige Einzelanalyse.

Liquiditatsplan Aufbauend auf dem Liquiditatsstatus ist - zwecks Abgrenzung der Zahlungsunfahigkeit von der Zahlungsstockung und um eine unmittelbar drohende Zahlungsunfahigkeit zu erkennen - ein Liquiditatsplan zu erstellen, der die kiinftig erwarteten Ein- und Aus-zahlungen darstellt. Der erforderliche Detaillierungsgrad des Liquiditatsplans (monats-, wochen- oder tageweise Darstellung) wird durch den Grad der zum Priifungszeitpunkt bestehenden Liquiditatsanspannung bestimmt. Der Planungshorizont sollte im Fall der Prufung eingetretener Zahlungsunfahigkeit nach herrschender Meinung einen Zeitraum von etwa drei Monaten umfassen.

2.2 Drohende Zahlungsunfahigkeit

Fur den Fall des Eigenantrages des Schuldners kann auch die drohende Zahlungsunfa­higkeit als Eroffnungsgrund in Betracht gezogen werden (§ 18 Abs.l InsO). Der Schuld-ner ist berechtigt, nicht aber gesetzlich verpflichtet, bei drohender Zahlungsunfahigkeit Insolvenzantrag zu stellen.

Nach § 18 Abs. 2 InsO droht der Schuldner zahlungsunfahig zu werden, wenn er voraus-sichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten zum Zeitpunkt ihrer Falligkeit zu erfullen.

Die Feststellung der drohenden Zahlungsunfahigkeit erfolgt - wie bei der Prufung der eingetretenen Zahlungsunfahigkeit - ebenfalls mittels eines Liquiditatsplans, den der Schuldner im Insolvenzantragsverfahren vorlegen muss, damit das Gericht sich von

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dem Vorliegen des Insolvenzgrundes iiberzeugen kann. In den Liquiditatsplan sind alle bestehenden Schulden, unabhangig von ihrer Falligkeit einzubeziehen. Neben den bereits falligen Verbindlichkeiten sind hierbei auch die zukiinftigen, noch nicht begriindeten, aber sicher zu erwartenden Zahlungspflichten mit zu beriicksichtigen und den erwarteten Zahlungseingangen gegeniiberzustellen. Als Planungshorizont wird ein Zeitraum von etwa zwei Jahren d. h. das laufende und das nachste Geschaftsjahr empfohlen.

Der Tatbestand der drohenden Zahlungsunfahigkeit ist zukunftsgerichtet. Demnach wird fur deren Feststellung ein voraussichtliches Zahlungsunvermogen erfordert. Nach der Gesetzesbegrundung ist der Wortlaut „voraussichtlich" in § 18 Abs. 2 InsO so zu ver-stehen, dass der Eintritt der Zahlungsunfahigkeit wahrscheinlicher sein muss als deren Vermeidung. Sobald diese Voraussetzung vorliegt, wird die Befriedigung der Glaubiger als stark gefahrdet und die Eroffnung eines Insolvenzverfahrens als gerechtfertigt an-gesehen. Entsprechend der Gesetzesbegrundung ist die drohende Zahlungsunfahigkeit dann anzunehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Erfiillung der Zahlungsver-pfliehtungen nicht gelingen wird, mindestens 50 Prozent betragt.

2.3 Uberschuldung

Die Uberschuldung ist neben der bestehenden und der drohenden Zahlungsunfahigkeit ein Eroffnungsgrund bei juristischen Personen (§19 Abs. 1 InsO) und nichtrechtsfahigen Vereinen (§11 Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. § 19 Abs. 1 InsO), ferner bei Gesellschaften ohne Rechtspersonlichkeit (vgl. § 11 Abs. 2 Nr.2 InsO), bei denen keiner der personlich haftenden Gesellschafter eine naturliche Person ist, auch nicht mittelbar (§ 19 Abs. 3 InsO; Hauptfall: GmbH & Co. KG).

Die Uberschuldung ist ausdrucklich kein Insolvenzeroffnungsgrund fiir naturliche Per­sonen und reine Personengesellschaften.

Nach der Legaldefinition des § 19 Abs.2 InsO liegt eine Uberschuldung vor, „wenn das Vermogen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermogens des Schuldners ist jedoch die Fortfiihrung des Unternehmens zu Grunde zu legen, wenn diese nach den Umstanden iiberwiegend wahrscheinlich ist".

Die Feststellung des Tatbestandes der Uberschuldung kann nach iiberwiegender Lite-raturmeinung entweder mittels einer dreistufigen Uberschuldungsprufung oder mittels einer zweistufigen Uberschuldungsprufung erfolgen.5 Im Rahmen der dreistufigen Uber­schuldungsprufung wird zunachst die Deckung der Schulden durch die Erstellung einer tiberschuldungsbilanz zu Liquidationswerten uberpruft. Ergibt sich hieraus eine Schul-dendeckung, ist die Gesellschaft nicht iiberschuldet und weitere Priifungsschritte konnen unterbleiben. Wird stattdessen eine Unterdeckung festgestellt, ist eine Fortfiihrungsprog-

5 Vgl. Fromm, Andreas, Der Uberschuldungsstatus im Insolvenzrecht, ZInsO 17/2004, 943-950.

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Abbildung 10: Der neue Uberschuldungsbegriff der InsO

nose zu erstellen. Fallt diese ebenfalls negativ aus, ist die Gesellschaft iiberschuldet und es ist Insolvenzantrag zu stellen. Im Falle einer positiven Fortfiihrungsprognose ist eine erneute Uberschuldungsprufung zu Fortfuhrungswerten durchzufiihren, deren Ergebnis dann maBgeblich fiir die Feststellung der Insolvenzantragspflicht ist.

Abbildung 11: Die dreistufige Uberschuldungsprufung

In der betrieblichen Praxis wird die Uberschuldungsprufung zu Liquidationswerten bei Krisenunternehmen haufig zu einer Unterdeckung fiihren, sodass im Rahmen des drei-stufigen Verfahrens auch regelmaBig alle drei Prufungsschritte durchzufiihren sind. Da hierdurch das Priifverfahren erschwert wird, ohne hieraus wesentliche zusatzliche

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Erkenntnisse zu erlagen, wird sich nach herrschender Meinung fiir die Feststellung des Tatbestands der Uberschuldung aus Praktikabilitatsgrunden die zweistufige Uberschul-dungsprufung durchsetzen, die sich aus den beiden Bestandteilen Fortftihrungsprognose und Uberschuldungsstatus zusammensetzt.6 Diese werden nachfolgend dargestellt.

Abbildung 12: Die zweistufige Uberschuldungspriifung

Fortftihrungsprognose Die Fortfuhrungsprognose muss zunachst die Frage beantworten, ob das Unternehmen mittelfristig in der Lage ist, wieder die notwendige Finanzkraft zu entwickeln, um wirt-schaftlich uberlebensfahig zu sein. Dies ist, ebenso wie die Frage der drohenden Zah-lungsunfahigkeit, anhand eines detaillierten Finanz- und Ertragsplans zu priifen (und zu dokumentieren!), indem die finanzielle Entwicklung des Unternehmens fortgeschrieben wird. Uberwiegend wird dabei ein Zeitraum von etwa zwei Jahren, d.h. das laufende und das nachste Geschaftsjahr, als angemessener „mittelfristiger" Zeitraum angesehen, in dem festgestellt werden muss, dass die Ertrags- und Finanzkraft des Unternehmens wiederhergestellt werden kann.

Die Prognose ist mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu erstellen. Die Ge-schaftsentwicklung ist im Rahmen der Planrechnungen umfassend darzustellen und de-tailliert zu begrunden. Allein die punktuelle Angabe bestimmter Geschaftsvorfalle, die eine positive Fortfuhrungsprognose begrunden sollen, geniigt nicht. SchlieBlich tragen die antragspflichtigen Organe der juristischen Person im Zweifel die Beweislast fiir die Aufstellung und Richtigkeit der positiven Fortfuhrungsprognose.

6 Vgl. Reck, Reinhard, Die Analyse der Uberschuldung in der strafrechtlichen Praxis (Teil I), in ZInsO 12/2004, S. 661-667; ebenso: IDW-Verlautbarung: Empfehlungen zur Uberschuldungsprufung bei Unter­nehmen (FAR 1/1996).

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Eine positive Fortfuhrungsprognose ist dann zu stellen, wenn davon auszugehen ist, dass die Gesellschaft auf Dauer lebensfahig ist und in absehbarer Zeit nicht mit der Liquida­tion gerechnet werden muss. Die gesetzliche Formulierung enthalt selbst keine messbaren allgemeinen Kriterien. Nach herrschender Meinung ist davon auszugehen, dass die Fort-fiihrbarkeit nicht im Zweifel (z.B. bei Chancen 50:50), sondern nur bei uberwiegender Wahrscheinlichkeit (groBer als 50 Prozent) anzunehmen ist.

Uberschuldungsstatus Der Fortfuhrungsprognose folgt als zweiter Teil der Uberschuldungsprufung die Aufstellung eines so genannten. Uberschuldungsstatus. Eine gesetzlich vorgeschriebene Gliederung fur den Uberschuldungsstatus gibt es nicht. Einigkeit besteht dariiber, dass Ausgangspunkt fur die Aufstellung des Uberschuldungsstatus die Handelsbilanz ist. Die Uberschuldungsbilanz ist somit eine Sonderbilanz. Sie dient in erster Linie dazu, das gesamte Vermogen und die gesamten Verbindlichkeiten des Unternehmens zu ermitteln und durch Gegenuberstellung festzustellen, ob die Verbindlichkeiten noch durch das Vermogen gedeckt werden.

Der als Sonderbilanz aufzustellende Uberschuldungsstatus ist jedoch nicht ausschlieBlich nach den fiir Handelsbilanzen geltenden Grundsatzen aufzustellen. Vielmehr kommt es darauf an, die Werte „realistisch" und vollstandig zu ermitteln. Daraus folgt, dass stille Reserven in der Uberschuldungsbilanz aufzulosen und alle Vermogenswerte vollstandig zu erfassen sind.

Bei der Bewertung des Vermogens des Schuldners ist zunachst die Frage zu klaren, ob unter der Annahme der Liquidation (= Liquidationswerte) oder unter der Annahme der Fortfuhrung (= Fortfilhrungswerte) zu bewerten ist. Dies entscheidet sich in Abhangig-keit vom Ergebnis der Fortfuhrungsprognose: Bei positiver Fortfuhrungsprognose ist eine Bewertung mit Fortfiihrungswerten vorzunehmen, wahrend bei negativer Fortfuhrungs­prognose Liquidations- bzw. VerauBerungswerte anzusetzen sind.

Allein das Ergebnis des Uberschuldungsstatus entscheidet dariiber, ob Insolvenzantrags-pflicht wegen Uberschuldung besteht. 7 Bei negativem Reinvermogen muss also trotz positiver Fortfuhrungsprognose eine Uberschuldung festgestellt werden mit der Folge, dass Insolvenz zu beantragen ist. Hierin unterscheidet sich die Uberschuldungsprufung gem. Insolvenzordnung fundamental von den Regelungen der vor 1999 giiltigen Kon-kursordnung, die eine Uberschuldung bereits dann fiir ausgeschlossen betrachtete, wenn die Fortfuhrungsprognose positiv ausfiel.

Ursachlich fiir diese Neudefinition ist die Zielsetzung des Gesetzgebers, den Glaubiger-schutz zu verbessern. Damit soil vermieden werden, dass der Glaubiger in der Krise des Schuldners von dessen subjektiver Einschatzung in Bezug auf die Fortfuhrungsfahigkeit des Unternehmens abhangig ist.8

7 OLG Naumburg, Urt. v. 20.8.2003 - 5 U 67/03, in ZInsO 9/2004, S. 512ff. 8 Vgl. Reck, Reinhard, Die Analyse der Uberschuldung in der strafrechtlichen Praxis (Teil I), in: ZInsO

12/2004, S. 663.

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Wie bereits erwahnt, bildet die Handelsbilanz eine erste Grundlage zur Erstellung des Uberschuldungsstatus. Jedoch sind die Ansatz- und Bewertungsgrundsatze im Uber-schuldungsstatus am Zweck der Uberschuldungsprufung auszurichten. Handelsrechtliche Ansatz- und Bewertungsgrundsatze, wie z. B. Anschaffungsksoten-, Imparitats-, Reali­sations- und Vorsichtsprinzip treten also in den Hintergrund. Vielmehr werden Ansatz-fahigkeit und Bewertung der Vermogenswerte und Schulden durch deren Verwertbarkeit im Rahmen des zu Grunde liegenden - je nach Fortfuhrungsprognose auf Fortfuhrung oder Liquidation ausgerichteten - Unternehmenskonzepts bestimmt. Beispielhaft seien folgende Abweichungen genannt, die regelmaBig zu beriicksichtigen sind:

Abweichung auf der Aktivseite: • keine Aktivierung von Griindungskosten, Entwicklungskosten,

• nicht aktivierungsfahige immaterielle Vermogensstande des Anlagevermogens, die nicht von Dritten erworben wurden (z.B. selbst erstellte Software) konnen im Uber-schuldungsstatus angesetzt werden9, wenn sie ein Erwerber des Unternehmens im Rahmen der Findung des Gesamtkaufpreises vergiiten wiirde,

P Firmenwert (good-will) bleibt auBer Ansatz; nur zu aktivieren, wenn ihm im Rahmen einer Betriebs-(teil)verauBerung ein eigenstandiger Wert zukommt,

W sonstige immaterielle Vermogenswerte, Markenrechte, Konzessionen, Patente, Ge-brauchsmuster, Geschmacksmuster sind zu Fortfuhrungs- bzw. Liquidationswerten zu aktivieren,

$f ausstehende Einlagen der Gesellschafter sind zu aktivieren, ebenso Riickzahlungs-anspriiche wegen zuriickbezahlter Einlagen oder Leistungen auf kapitalersetzende Darlehen (jedoch auf Werthaltigkeit dieser Anspruche achten),

St Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Halb- und Fertigerzeugnisse sind mit dem tatsach-lichen am Markt aktuell erzielbaren Wert anzusetzen,

W Ansatz der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen unter Berucksichtigung einer Ausfallquote; hier ist die Ausfallquote zumindest in Hohe der bisherigen pau-schalen Wertberichtigung im Rahmen der Bilanzkontinuitat der Vorjahre in Ansatz zu bringen,

3£ Grundstiicke, Beteiligungen, Wertpapiere etc. des Anlagevermogens sind mit Ver-kehrs- bzw. Kurswert anzusetzen,

ft Patronatserklarung: AusschlieBlich harte Patronatserklarungen sind zu bewerten und aufzunehmen, wenn sie werthaltig sind.

9 Reck, S. 666.

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Abweichungen auf der Passivseite: • Eigenkapital bleibt auBer Ansatz. Auch freie Kapitalriicklagen sind nicht zu passi-

vieren.

• Ruckstellungen sind in der Hone zu erfassen, in der ernsthaft mit einer Inanspruch-nahme zu rechnen ist.

• Pensionsverpflichtungen und Pensionsanwartschaften sind mit dem vollen Barwert zu passivieren, soweit sie in der Insolvenz bestehen bleiben, das heiBt auch wenn der PSV einzustehen hat.

• Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen oder ahnliche Mittel sind mit ihrem Ruckzahlungsbetrag in Ansatz zu bringen, wenn keine Rangriicktrittserklarung vor-liegt.

• Samtliche Verbindlichkeiten sind grundsatzlich in Ansatz zu bringen, auch wenn sie noch nicht fallig oder streitig sind. Fur den Fall, dass werthaltige Drittsicherheiten vereinbart worden sind und die Sicherungsgeber auf einen Ausgleichsanspruch gegen die Gesellschaft verzichten, sind die Verbindlichkeiten nicht zu passivieren. Sofern es sich um gekiindigte Engagements handelt, bei denen Drittsicherheiten bereits verwer-tet wurden, sind auch die Regressanspruche des Burgen fiir den Fall der Inanspruch-nahme zu passivieren, so nicht eine entsprechende Rangriicktrittserklarung oder Ver-zichtserklarung vorliegt.

H Eventuelle Sozialplan-, Interessenausgleichs-, Nachteilsausgleichsanspriiche mtissen nur passiviert werden, wenn die Betriebsanderungen bereits beschlossen sind. Sie sind nicht zu passivieren, wenn diese Anspriiche erst durch die Insolvenz entstehen.

2.4 Insolvenzantragsrechte und -pflichten

Das Insolvenzverfahren wird gem. § 13 Abs. 1 InsO nur auf Antrag eroffnet, wobei kein Formzwang besteht. Der Antrag kann schriftlich gestellt oder zu Protokoll der Geschafts-stelle des Amtsgerichts erklart werden (§ 4 InsO i.V.m. § 129a ZPO).

Gem. § 13 Abs. 1 InsO sind die Glaubiger und der Schuldner zur Antragstellung berech-tigt. Der Antrag eines Glaubigers ist dann zulassig, wenn er ein rechtliches Interesse an der Eroffnung des Insolvenzverfahrens hat und er seine Forderung und den Eroffnungs-grund glaubhaft machen kann (§ 14 Abs. 1 InsO). Im Fall der drohenden Zahlungsunfa-higkeit beschrankt sich das Antragsrecht auf den Schuldner.

Neben dem Antragsrecht sieht das Insolvenzrecht fiir den Schuldner, sofern es sich um eine juristische Person handelt, im Falle eingetretener Zahlungsunfahigkeit bzw. Uber-schuldung zudem eine Antragspflicht vor. Die Regelungen hierzu finden sich in den spezifischen Gesellschaftsnormen (§ 64 Abs. 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG, § 130a HGB,

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§ 177a i.V.m. § 130a HGB, § 283 Nr. 14 i.V.m. § 92 Abs. 2 AktG, § 99 GenG). Liegt dem-nach mindestens einer der beiden genannten Insolvenzeroffnungsgriinde vor, miissen die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft unverziiglich, das heiBt „ohne schuldhaftes Ver-zogern", spatestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfahigkeit bzw. Uber-schuldung die Erbffnung des Insolvenzverfahrens beantragen.

Wird die Antragspflicht schuldhaft verletzt, kann dies zu einer Strafbarkeit wegen In-solvenzverschleppung fuhren (§ 84 Abs. 1 GmbHG, § 401 Abs. 1 AktG, § 130b Abs. 1 HGB, § 177a i.V.m. 130b Abs. 1 HGB, § 408 i.V.m. 401 Abs. 1 AktG, § 148 Abs. 1 GenG). Dariiber hinaus ist es den Vertretungsorganen juristischer Personen verboten, nach Ein­tritt der Insolvenzreife Zahlungen zu leisten. Dies gilt nicht fur Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschaftsleiters vereinbar sind. VerstoBen die gesetzlichen Vertreter gegen das Zahlungsverbot, sind sie der Gesellschaft personlich zum Ersatz hieraus entstandener Schaden verpflichtet (§ 64 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 3 AktG, § 130a HGB, § 34 Abs. 3 GenG).

Tabelle 4: Antragsrechte und -pflichten

Die Regelungen zu Antragspflicht und Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung be-treffen nur juristische Personen. Einzelkaufleute, Freiberufler und Personengesellschafter (mit mindestens einer naturlichen Person als personlich haftendem Gesellschafter) sind nicht verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Die fehlende Verpflichtung schliefit jedoch nicht die zivilrechtliche Haftung fiir Schaden von Dritten aus, die moglicherweise aus einem verspateten Insolvenzantrag resultieren. Daneben gilt fiir alle Wirtschaftssub-jekte - unabhangig von der Gesellschaftsform - eine grundsatzlich Strafbarkeit bei Be-gehung sonstiger Insolvenz- und insolvenznaher Delikte (z. B. Nichtabfiihren von Sozial-versicherungsbeitragen gem. § 266a StGB sowie Bankrottdelikte gem. §§ 283 ff. StGB).

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Zur Erstellung eines tragfahigen Sanierungskonzeptes sind zunachst das Unternehmen selbst sowie insbesondere die Krisenursachen sorgfaltig zu analysieren. Erst auf der Grundlage der Ergebnisse einer solchen Analyse konnen Konzepte und MaBnahmen zur Wiederherstellung der dauerhaften wirtschaftlichen Tragfahigkeit definiert und solide berechnet werden. Diese Analysen erfordern jedoch in der Regel mehrere Wochen Zeit.

In akuten Krisensituationen steht jedoch regelmaBig nur sehr wenig oder auch uberhaupt keine Zeit mehr zur Verfugung, um erst einmal eine detailierte Analyse durchzufuhren. Akute Probleme mussen in der Regel sofort gelost werden, um die drohende Insolvenz des Unternehmens abzuwenden. SofortmaBnahmen zur Unternehmenssicherung sind daher regelmaBig unmittelbar einzuleiten, um die anschlieBende konzeptionelle Analyse uberhaupt erst zu ermoglichen.

Die SofortmaBnahmen zielen darauf ab, die insolvenzrechtlichen Tatbestande der Zah-lungsunfahigkeit und/oder tJberschuldung zu beseitigen und somit sicherzustellen, dass die Handlungsfahigkeit des Unternehmens bis zur Fertigstellung des endgultigen Sanie­rungskonzeptes gewahrleistet wird.

Abbildung 13: Die Entwicklung des Turnaround

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Abbildung 14: Tatikeitsschwerpunkte im Krisenmanagement

Auf der Basis einer Grobanalyse sind daher zunachst festzulegen:

M die Verantwortlichkeiten und Kompetenzen, H die SofortmaBnahmen M und der Zeitplan fiir die weitere Vorgehensweise.

3.1 Teambildung

Zunachst miissen also die Verantwortlichkeiten und Kompetenzen festgelegt werden. Hier gilt zunachst einmal der Grundsatz: „Krisenmanagement ist Chefsache". Der Un-ternehmer ist derjenige, der die Genesung seines Unternehmens personlich in die Hand nehmen und forcieren muss.

Krisenmanagement kostet viel Zeit und Kraft. Es ist schwierig, noch Energie fiir das „normale" Tagesgeschaft zu reservieren. Fiir den Erhalt des Unternehmens miissen je-doch auch die wichtigen Dinge des laufenden Geschaftes bewerkstelligt werden. Die Ak-quisition neuer Auftrage ist ebenso wenig wie die erfolgreiche Abwicklung der laufenden Auftrage zu vernachlassigen.

In einer kritischen Unternehmenssituation muss der Unternehmer mehr denn je als Vor-bild fungieren. Vorbildliches Verhalten der obersten Fiihrungsebene ist die unabding-bare Voraussetzung fiir ein erfolgreiches Krisenmanagement. Die Mitarbeiter werden die

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erheblichen Mehrbelastungen und die schmerzlichen Sparplane nur akzeptieren und mit umsetzen, wenn der „Chef' es ihnen vorlebt.

Krisenmanagement erfordert schnelles und konsequentes Handeln. Krisenmanager miissen eine starke Personlichkeit mitbringen, iiber eine schnelle Auffassungsgabe, ana-lytisches Denkvermogen sowie Stressresistenz verfiigen und zudem noch alle wichtigen Mitarbeiter zur Mithilfe motivieren konnen. In Anbetracht dieses Anforderungsprofils drangt sich die Frage auf, ob die Ressourcen der Unternehmensinternen ausreichen, um allein die Krisensituation meistern zu konnen oder ob nicht - zumindest temporar - ex-terne Hilfe benotigt wird.

Mittelstandische Unternehmer tun sich regelmaBig sehr schwer, gerade in den wirt-schaftlich schwierigen Zeiten auch noch Geld fiir externe Berater auszugeben. Dies ist auch regelmaBig dann der Fall, wenn die erforderlichen Sanierungserfahrungen und das entsprechende betriebswirtschaftliche Know-how offensichtlich nicht im ausreichendem MaBe im Unternehmen vorhanden sind.

Sanierungen ohne professionelle Hilfe von auBen kosten schnell mehr Geld, als der Unter­nehmer - ohne sie - zu sparen glaubt. Beratungsgesellschaften, die sich auf Sanierungen und Sanierungsmanagement spezialisiert haben, konnen Hilfe leisten, die sich schnell rech-net. Sie unterstutzen bei der Einleitung von SofortmaBnahmen, der Entwicklung des Sanie-rungskonzeptes und bei Gesprachen mit den Banken, Lieferanten und Gesellschaftern.

Mit dieser externen Hilfe werden die Sanierungsbemiihungen professioneller und damit vor allem schneller und erfolgreicher zum Ziel gebracht. Die Unternehmensinternen werden entlastet und zielgerichtet gefiihrt. Externe Berater sind zudem in keiner Weise befangen und begegnen den Problemen im Unternehmen grundsatzlich wesentlich ob-jektiver. Sie hinterfragen zunachst alles, um das Unternehmen in seiner jetzigen (nicht erfolgreichen) Form erst zu verstehen. Altgediente Mitarbeiter tun sich da mit der Ob-jektivitat in der Praxis erfahrungsgemaB wesentlich schwerer.

3.2 Liquiditatsmanagement

Akute Krisensituationen in Unternehmen sind durch eine bedrohliche Liquiditatsknapp-heit gekennzeichnet. Die fiir das Krisenmanagement Verantwortlichen miissen sich in-tensiv mit der Frage beschaftigen, ob das Unternehmen noch zahlungsfahig ist oder ob ggf. bereits eine Insolvenzantragspflicht besteht. Unerlasslich ist es darum, einen standi-gen Uberblick iiber die finanziellen Mittel sicherzustellen.

Die in der Praxis oft praktizierte Methode „Management bei Kontoauszug" (haben wir Geld, konnen wir etwas ausgeben, haben wir keines, miissen die Glaubiger warten) reicht in einer Krisensituation nicht mehr aus, um den gesetzlichen Anforderungen zu gemigen und damit das Uberleben des Unternehmens zu gewahrleisten.

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Um die wichtige Frage nach der Zahlungsfahigkeit hinreichend beantworten zu konnen, bedarf es einer moglichst exakten Planung sowie Kontrolle samtlicher Ein- und Aus-zahlungen. Um die Liquiditat eines Unternehmens zu planen und zu uberwachen, muss die voraussichtliche Entwicklung mittels einer Liquiditatsplanung systematisch voraus-berechnet werden. Diese Planung sollte den Zeitraum der nachsten sechs, besser der nachsten zwolf Monate umfassen. In der Liquiditatsplanung werden die zu erwartenden Ein- und Auszahlungen an ihren jeweiligen Falligkeitsterminen gegenubergestellt. Aus der Differenz der Ein- und Auszahlungen ergibt sich ein monatlicher Saldo: Die Liquidi­tat, die im betroffenen Zeitraum zur Verfugung steht bzw. fehlt.

Auf der Einzahlungsseite sind zunachst die Zeitpunkte der Einzahlungen aus den be-reits vorhandenen Debitorenbestanden zu planen. Dariiber hinaus sind die Zahlungsein-gange - unter Berucksichtigung des durchschnittlichen Zahlungsziels - der zukunftig zu fakturierenden Planumsatze in die Liquiditatsplanung einzustellen.

Diesen Einzahlungen sind samtliche Auszahlungen zunachst aus dem bereits vorhande­nen Kreditorenbestand und den sonstigen Verbindlichkeiten sowie aus alien zukiinftigen Aufwendungen (unter Berucksichtigung des durchschnittlichen Zahlungsziels) gegen-uberzustellen. Saisonal bedingte oder sonstige planbare Bestandsveranderungen mussen dabei Berucksichtigung finden.

Die Ein- und Auszahlungen sind - sofern relevant - inklusive Umsatzsteuer zu planen. Eine sich aus dem Saldo ergebende Umsatzsteuerzahllast bzw. ein Erstattungsanspruch ist dariiber hinaus mit in die Liquiditatsplanung einzustellen. Samtliche sonstigen liqui-ditatswirksamen Geschaftsvorfalle, die sich nicht in den G & V-Positionen wiederfinden, wie zum Beispiel Tilgungsleistungen, Privatentnahmen, Investitionen, Steuernachzah-lungen oder Ahnliches sind ebenfalls im Liquiditatsplan zu berucksichtigen.

Eine rein statische Darstellung der zu erwartenden Ein- und Auszahlungen reicht in Kri-sensituationen nicht aus, um die Liquiditat eines Unternehmens sicherzustellen. Daher sind SofortmaBnahmen einzuleiten, die die Liquiditatssituation des Unternehmens kurz-fristig verbessern sollen. Die nachfolgend beschriebenen Handlungsoptionen

H Debitorenmanagement, ^ Lagermanagement, B Vertriebsmanagement, % Kreditmanagement, 8Sf Verwertung nicht betriebsnotwendiger Aktiva

sind zu analysieren und konsequent auszuschopfen und deren Auswirkungen mit in der Liquiditatsplanung zu berucksichtigen.

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Aufbau eines Liquiditatsplanes m Einrichtung EDV-Netz m Definition der Verantwortlichkeiten/Aufgabenverteilung m Erfassung und Einplanung Oebitoren alt/neu m Erfassung und Einplanung Kreditoren alt/neu m Erfassung und Einplanung der Kosten

Sicherstellung von Aktivitaten und Qualitat w Koordination der Informationsflusse m Festlegung derTermine fur Liquiditatsberichte m Einrichtung eines Workshops m Definition und Festlegung von Aufgaben

- Debitoren-, Kreditoren- und Bankenmanagement m Suche nach Liquiditatspotenzialen

Liquiditatsbeobachtung und -steuerung m. Optimierung der Informationsflusse m Optimierung der Steuerungsprozesse m Analyse der Soll-lst-Abweichungen 11 Optimierung des Kreditoren-/Debitorenmanagements n eventuell Einleitung von Stundungen, Moratorien etc. m konsequente Ausschopfung von Liquiditatspotenzialen

Tage

Abbildung 15: Zeitplan des Liquiditatsmanagements

3.2.1 Debitorenmanagement

Eine wichtige Voraussetzung, um „ziigig an sein Geld zu kommen", ist eine zeitnahe Fakturierung aller erbrachten Leistungen und verauBerten Produkte. Aufgrund per-soneller Uberlastung bzw. organisatorischer Defizite erfolgt jedoch gerade bei Krisen-unternehmen eine zeitverogerte oder sehr schleppende Fakturierung der erbrachten Leistungen.

Die rechtzeitige Rechnungsstellung allein geniigt nicht. Dariiber hinaus ist die Uber-wachung der termingerechten Zahlungseingange sicherzustellen sowie darauf aufbauend ein Mahnwesen zu organisieren bzw. zu optimieren.

In einer akuten Krisensituation von Unternehmen gilt immer der Grundsatz: Liquiditat vor Rentabilitat. Insofern ist auch regelmaBig uber Anreizsysteme, wie zum Beispiel Sonder-Skonti, zu entscheiden, mit deren Hilfe die Zahlungsziele auf der Kundenseite zumindest vorubergehend gesenkt werden konnen.

3.2.2 Lagermanagement

Im Ron-, Hilfs- und Betriebsstofflager, im Halbfertigteillager sowie im Fertigteil- bzw. Warenlager sind oft erhebliche liquide Ressourcen gebunden. Die Lagerbestande sind in Krisensituationen daher unverziiglich nach eventuellen Uberbestande zu durchforsten. Ziel ist es, die identifizierten Uberbestande durch Sonderverkaufsaktionen schnellstmoglich zu liquidieren.

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Neben der Identifizierung und dem Abbau von eventuellen Uberbestanden muss parallel ein kontrollierter/liquiditatsschonender Einkauf eine unnotige Liquiditatsbindung im Lagerbereich verhindern. Auch wenn vorubergehend nicht in kostenoptimalen Bestell-groBen eingekauft werden kann, gilt hier wiederum der Grundsatz: Liquiditat vor Ren-tabilitat. Bestellungen sollten daher, wenn moglich, nur noch auftragsbezogen erfolgen. Mit Lieferanten ist iiber die Moglichkeit von Kaufen auf Abruf zu verhandeln. Die Pro-duktion „auf Lager" ist aus Liquiditatsgesichtspunkten grundsatzlich zu vermeiden bzw. auf ein Minimum zu beschranken.

3.2.3 Vertriebsmanagement

Neben der Konzentration auf Liquiditatsreserven im Debitoren- und Lagerbereich sind bei unzureichender Auftragslage auch direkt Gesprache mit dem Vertrieb aufzuneh-men. Um dem Ziel einer direkten Umsatzbelebung gerecht werden zu konnen, miissen zunachst die bisherigen Kalkulationsgrundlagen hinterfragt und gegebenenfalls - zu-mindest vorubergehend - angepasst werden. Zur Auslastung des Betriebes konnen auch iiber Sonderpreisnachlasse Auftrage hereingenommen werden, sofern diese zumindest noch einen erheblichen Teil zur Fixkostendeckung beitragen und dartiber hinaus die Bonitat und Zahlungsmoral des Kunden einen kurzfristigen Zahlungseingang erwarten lasst.

In anderen Krisenfallen, bei denen zum Zeitpunkt der Krise eher ein Kapazitatsengpass als ein Auslastungsproblem vorliegt, ist die Produktionsreihenfolge anhand der Bonitat sowie der Zahlungsmoral der Kunden zu organisieren.

Grundsatzlich halt der Vertrieb den besten Kontakt zu den Kunden. Viele Kunden wer­den ein berechtigtes Interesse am Uberleben des Krisenunternehmens haben und sind auch bereit, zur Stiitzung der Sanierungsbemuhungen kurzfristig durch Verkurzung der Zahlungsziele, Sonderauftrage oder Ahnliches zu helfen. Hieruber ist mit dem Vertrieb, der iiber den besten Kontakt zu den Kunden verfiigt, gezielt zu sprechen, um daraus MaB-nahmen abzuleiten.

3.2.4 Kreditmanagement

Ein Unternehmen in einer akuten Krisensituation hat sicherlich schlechte Karten bei Ver-handlungen mit Kreditgebern. Insbesondere im Bereich der SofortmaBnahmen, in denen ja noch kein ausgereiftes Sanierungskonzept vorliegt, tun sich Kreditgeber verstandli-cherweise schwer damit durch zusatzliche liquide Mittel zu helfen. Um das Uberleben des Unternehmens - zumindest fiir den Zeitraum bis zur Erstellung des endgultigen Sa-nierungskonzeptes - jedoch zu sichern, sind grundsatzlich alle MaBnahmen in Erwagung zu Ziehen bzw. auszuschopfen.

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Der Krisenmanager hat zumindest daflir Sorge zu tragen, dass die wesentlichen Kreditge-ber (Hauptbanken und Hauptlieferanten) zunachst „bei der Stange bleiben". Hierzu zahlt zum einen eine offene und gezielte Kommunikation sowie einer aufmerksame Steuerung der Risiken der Beteiligten. So hat der Krisenmanager sicherzustellen, dass in der Phase der SofortmaBnahmen keinem der Hauptglaubiger die Moglichkeit zum Ausstieg (zum Beispiel durch einen hohen Zahlungseingang) gewahrt wird. Eine solche Situation wurde die Handlungsmoglichkeiten der verbliebenen Glaubiger komplett einschranken, da der „Gleichbehandlungsgrundsatz" regelmaBig von alien Beteiligten gefordert wird.

3.2.5 Verwertung nicht betriebsnotwendiger Aktiva

Neben der Verwertung der Liquiditatsreserven im Debitoren- und Lagerbereich sind na-turlich auch alle sonstigen MaBnahmen aus der Verwertung von nicht mit Drittrechten belasteten Aktiva zu analysieren und nach Moglichkeit kurzfristig umzusetzen.

Neben der VerauBerung der Aktiva muss naturlich auch die Moglichkeit der Verwendung der Aktiva als Sicherheit fiir Neukredite in Betracht gezogen werden.

3.3 Uberschuldungsproblematik

Wie zuvor dargelegt, besteht nicht nur bei Zahlungsunfahigkeit, sondern auch bei einer Uberschuldung eine Insolvenzantragspflicht. 1st der Geschaftsleitung die Uberschuldung einer Kapitalgesellschaft schon offenkundig, so ist sie verpflichtet, unverzuglich, spates-tens jedoch innerhalb von drei Wochen, die Eroffnung des Insolvenzverfahrens zu be-antragen. Liegt eine Uberschuldung vor, so hat sich der Krisenmanager daher auch direkt mit Moglichkeiten zur Losung dieses Problems zu beschaftigen. Durch

m Erhohung der Eigenmittel, B Rangriicktrittserklarungen von Glaubigern, M Forderungs-(teil-)verzichte (mit/ohne Besserungsschein)

ist der Tatbestand der Oberschuldung kurzfristig zu beseitigen.1

Folgende Checkliste stellt die SofortmaBnahmen vor.

Checkliste: Krisenmanagement - die Einleitung von SofortmaBnahmen 1. Krisenstab zusammensetzen

• Sanierung ist Chefsache. • Anforderungsprofil an Sanierer (schnelle Auffassungsgabe, analytisches

Denkvermogen, Unbefangenheit, Stressresistenz, Motivationsfahigkeit).

1 Vgl. hierzu ausfiihrlich Kapitel 8.

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M Qualifikation der unternehmensinternen Mitarbeiter? * Externer Berater (Bedarf an zusatzlichen Ressourcen, Expertenwissen, Neu­

tralist).

2. Kurzfristig Liquiditatsplan erstellen • Wie iiberstehen wir die nachsten Wochen?

3. Liquiditatsmanagement 3.1 Debitorenmanagement • Zugige und korrekte Reehnungsstellung. • Gewahrung von Sonder-Skonto (Liquiditat vor Rentabilitat). • Einforderung von Abschlagszahlungen. • Uberwachung termingerechter Zahlungseingange. • Organisation/Straffung des Mahnwesens. 3.2 Lagermanagement M Bestandssonderverkaufe bei Uberbestanden. H Kontrollierter/liquiditatsschonender Einkauf (auftragsbezogene Bestellung). B Kaufauf Abruf. & Keine Produktion auf Lager. 3.3 Vertriebsmanagement M MaBnahmen zur kurzfristigen Umsatzbelebung. W Gegebenenfalls Sonderpreisnachlasse (Ziel: mindestens Fixkostendeckung). W, Stiitzungskaufe dureh A-Kunden. 3.4 Kreditorenmanagement B, Zahlungsziele. 38 Scheck-Wechsel-Verfahren. «B Kommissionsware. B Stundungsvereinbarungen. 3.5 Verwertung nicht betriebsnotwendigen Vermogens ft Durch Verkauf. fM Durch Sicherheitengewahrung.

4. Uberschuldungsproblematik U Erhohung der Eigenmittel (Kapitalerhohung von auGen). if Rangriicktrittserklarungen von Glaubigern. M Forderungs(teil)verzicht von Glaubigern (mit/ohne Besserungsschein).

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Der Begriff Sanierung geht auf das lateinische „sanare" zurtick und steht sinngemaB fiir die Heilung. In den nachfolgenden Ausfuhrungen wird die Sanierung interpretiert als die Gesamtheit aller MaBnahmen, die ein in seiner Existenz bedrohtes Unternehmen durch Wiedererlangung seiner Wettbewerbsfahigkeit, Ertragskraft und Zahlungsfahigkeit vor dem Zusammenbruch bewahren soil. Die Sanierung geht somit weit iiber das klassische Krisenmanagement hinaus, da zur Sicherstellung eines nachhaltigen Unternehmens-erfolgs in der Regel eine grundlegende strategische Neuausrichtung zu erfolgen hat.

4.1 Gutachterauswahl/Wer erstellt das Sanierungskonzept?

Wie im vorangegangenen Kapitel „Krisenmanagement" bereits erortert,1 ist die Sanierung eines Unternehmens zunachst einmal „Chefsache" und obliegt somit dem Unternehmer/ der Geschaftsleitung. Fraglich ist jedoch, ob die vorhandene Geschaftsleitung uberhaupt in der Lage ist, geeignete Sanierungskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Je klarer in einem konkreten Fall die Krise auf das Versagen des Managements zuruckzufuhren ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass das Management nur mit der Unterstiitzung exter-ner Berater in der Lage sein wird, das Unternehmen nachhaltig zu sanieren.

Oft sieht sich selbst ein erfahrenes Management in akuten Krisensituationen angesichts der Bedrohung des Unternehmens und der weitreichenden Konsequenzen seines Handelns dazu veranlasst, das Sanierungskonzept unter Hinzuziehung von spezialisierten Beratern zu erstel-len. Die Krise ist eine Art Ausnahmezustand - weit entfernt vom normalen Tagesgeschaft. Die Nutzung von externem Expertenwissen ist insbesondere deshalb zu empfehlen, da

• die in Krisensituationen zu losenden Probleme wesentlich komplizierter und viel-schichtiger sind als in normalen Planungssituationen,

• die zu erledigenden Arbeiten unter einem hohen Zeitdruck stehen und gleichzeitig das Tagesgeschaft nicht vernachlassigt werden darf,

• die vorliegenden Informationen und Unterlagen vielfach unvollstandig und unzuver-lassig sind und

• die Betroffenen oft in einem erhohten MaBe befangen sind.

1 Vgl. Abschnitt 3.1.

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Mit anderen Worten gibt es also drei Hauptgriinde fur die Inanspruchnahme von auf Un-ternehmenssanierungen spezialisierten Unternehmensberatern:

• Bedarf an zusatzlichen Ressourcen, • Bedarf an Expertenwissen, • Bedarf an Objektivitat.

Die Einschaltung von spezialisierten Beratern, die die Techniken zur raschen Analyse komplexer Problemstellungen und zu effizienter Erarbeitung von Losungskonzepten be-herrschen, sind vielfach uberlebenswichtig. Entsprechend qualifizierte Berater sollten je-doch nicht nur bei der Konzepterstellung hilfreich, sondern dariiber hinaus insbesondere in der Lage sein, die Unternehmensleitung dabei zu unterstutzen, den Restrukturierungs-prozess einzuleiten und konsequent, anhand des gemeinsam erarbeiteten MaBnahmenka-talogs, umzusetzen.

4.2 Inhaltliche Bereiche der Sanierungspriifung

Die Sanierungspriifung umfasst grundsatzlich alle fiir die Geschaftsentwicklung des Unternehmens wesentlichen Bereiche. Sinnvollerweise kann hier unterschieden werden zwischen einer internen Analyse, die sich auf alle unternehmensinternen Sachverhalte fokussiert, und einer externen Analyse, die das Unternehmensumfeld und die Stellung des Unternehmens in diesem Umfeld untersucht.

Abbildung 16: Externe und interne Analyse zur Erstellung eines Turnaround-Konzeptes

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Die Sanierungsprufung dient zunachst der Gewinnung von verlasslichen Informationen iiber das gesamte Unternehmen. Dieses Informationsmaterial bildet die Basis fur die Er-arbeitung der RestrukturierungsmaBnahmen sowie der Unternehmensplanung. Im Rah-men der Sanierungsprufung wird zunachst die Ist-Position der Unternehmung im Markt-und Wettbewerbsumfeld bestimmt. Wesentliche Chancen und Risiken der zukunftigen Unternehmensentwicklung mussen dariiber hinaus als Basis fur die Unternehmenspla­nung herausgearbeitet werden.

Die Ergebnisse der Analyse mussen ausreichen, um die Restrukturierungskosten sowie die Restrukturierungsmogliehkeiten der einzelnen Geschaftsfelder planen zu konnen. Jeder Unternehmensbereich ist dabei in Frage zu stellen. Defizitare Geschaftsfelder, die den Erfolg des Unternehmens gefahrden, sind zu lokalisieren. Nicht restrukturierbare Geschaftsfelder mussen - naturlich unter Berucksichtigung von Verbundeffekten - ge-gebenenfalls aufgegeben werden. Die Kosten fur alle verbleibenden Geschaftsfelder sind zu priifen und nach Moglichkeit zu senken. Zusatzlich bedarf es auch der ErschlieBung neuer, zukunftsweisender Geschaftsfelder. Der Personalbestand muss iiberpriift und ge-gebenenfalls angepasst werden.

4.2.1 Analyse der Krisenursachen

Ein erfolgversprechendes und realisierbares Sanierungskonzept setzt zunachst Detail-kenntnisse iiber die Krisenursachen voraus. Ziel der Sanierungsprufung ist es daher, die eigentlichen Ursachen fiir die Krisenentwicklung des Unternehmens genau zu identifi-zieren und zu analysieren. Die Geschaftsbereiche, die den Erfolg des gesamten Unter­nehmens hemmen oder sogar gefahrden, mussen ausgemacht und saniert werden.

Grundsatzlich mussen daher alle Geschaftsfelder iiberpriift und zur Disposition gestellt werden. Eine Sanierung verlangt, iiber alle Unternehmensbereiche nachzudenken und notfalls das gesamte Unternehmen neu zu organisieren.

4.2.1.1 Segmentierung der Geschaftstatigkeit

Nicht nur bei Konzernen, sondern auch beim mittelstandig gepragten Unternehmen ist aufgrund der Vielfalt der Produkte, Sortimente, Kunden und geographischen Markte eine einheitliche - fiir alle Bereiche des Unternehmens giiltige - Unternehmensstrategie haufig nicht sinnvoll. Eine Unternehmensstrategie soil einen dauerhaften Wettbewerbs-vorteil mit einer guten Rentabilitat sicherstellen. Dies lasst sich fiir kleinere Einheiten innerhalb des Unternehmens, zum Beispiel fiir bestimmte Produkt- oder Kundengrup-pen, die am Markt vergleichbar und damit steuerbar sind, deutlich besser realisieren als fiir das gesamte Unternehmen.

Im Ergebnis gilt es die Frage zu beantworten, mit welchen Produkt- oder Produktgrup-pen, in welchen regionalen Markten, mit welchen Kunden oder Kundengruppen, iiber

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Abbildung 17: Kernfrage fur ein Sanierungskonzept - Analyse fur Werteerzeuger und Wertevernichter

welche Vertriebswege, mit welchen Fertigungsstechniken und mit welcher internen Or­ganisation das Unternehmen gestern, heute und morgen welche Ergebnisse erzielt und welche Ursachen diese Entwicklung hat.

Gerade diese grundlegenden Informationen liegen dem Management von Krisenunter-nehmen typischerweise jedoch nicht vor. Die Unternehmen werden regelmaBig vielmehr „aus dem Bauch heraus" gesteuert, als auf der Basis von fundiertem Zahlenmaterial. Die Ermittlung und Analyse der Profitabilitaten der einzelnen - strategisch sinnvoll zu dif-ferenzierenden - Geschaftsbereiche bildet den Kern einer jeden Analyse zur Erstellung eines Sanierungskonzeptes.

Die letztendliche Bestimmung der jeweils einzeln zu analysierenden Geschaftsbereiche muss individuell auf die Gegebenheiten des jeweiligen Krisenunternehmens abgestimmt erfolgen. Eine zu starke Aufsplitterung birgt die Gefahr der Verzettelung. Ein Sanierungs­konzept ist immer unter sehr groBem Zeitdruck zu erstellen. Um den Analyseprozess handebar zu halten, sollten in einem Stepp nicht mehr als zehn bis zwanzig Geschafts­bereiche differenziert betrachtet werden.

4.2.1.2 Analyse der Ergebnisbeitrage der einzelnen Geschaftsbereiche

Anhand der zuvor erfolgten Segmentierung sind den jeweiligen Geschaftsfeldern zu-nachst die entsprechenden Umsatze und Rohertrage zuzuordnen. Die Grundlage hier-fiir bilden die hausinternen Warenwirtschaftssysteme, Vor- und Nachkalkulationen, Deckungsbeitragsrechnungen, Artikel- oder Kundenauswertungen etc. Dariiber hinaus werden - idealerweise im Rahmen einer vereinfachten Prozesskostenrechnung - die an-

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fallenden internen Kosten (Personal-, Raum-, Fuhrpark-, Zinskosten, Abschreibungen etc.) zunachst Kostenstellen und im Anschluss verursachungsgerecht den jeweiligen Segmenten zumindest iiberschlagig zugeordnet, um somit einen ersten Uberblick iiber die Kostenstrukturen der einzelnen Unternehmensprozesse und die Ergebnisbeitrage der einzelnen Geschaftsfelder zu erlangen.

Die Prozesskostenrechnung eignet sich deshalb besonders bei Sanierungspriifungen, da sie eine verursachungsgerechte Kostenzuordnung der Gemeinkosten gewahrleistet. Die Gemeinkosten machen in manchen Unternehmen bis zu 50 Prozent der internen Kosten aus. Sie entstehen nicht zufallig und ihre Zuordnung zu Kostentragern ist keine lastige Pflicht. Vielmehr entstehen die Kosten durch die jeweiligen Prozesse im Unternehmen. Die Bewertung dieser Prozesse mit Preisen/Kosten im Rahmen der Prozesskostenrech­nung gibt dem Management entscheidende Informationen zur Unternehmenssteuerung.

Die Prozesskostenrechnung ist eine Vollkostenrechnung mit dem Ziel, die Kostentrans-parenz insbesondere bei den so genannten „Overhead-Kosten" zu erhohen und somit Schwachstellen zu lokalisieren. Mit Hilfe der Prozesskostenrechnung werden die Ge­meinkosten entsprechend der Inanspruchnahme der betrieblichen Ressourcen den einzel­nen Produkten oder Kunden verursachungsgerecht zugeordnet. Die Komplexitatskosten und Kostentreiber werden lokalisiert und damit steuerbar. Mogliche Kosteneinsparpoten-ziale lassen sich mit Hilfe einer uberschlagigen Prozesskostenrechnung relativ rasch be-stimmen.

Die traditionellen Kostenrechnungssysteme konnen die seit vielen Jahren laufend stei-genden Gemeinkosten nicht verursachungsgerecht auf die Produkte und Dienstleistungen verrechnen. Pauschale Zuschlagsatze auf die Material-, Lohn- oder Fertigungskosten er-geben ein falsches Bild. Aus den sich daraus ergebenden Kostenstrukturen lassen sich kaum RestrukturierungsmaBnahmen ableiten. Eine konsequente Planung, Kontrolle und Steuerung der Gemeinkosten ist mit diesen Systemen nicht moglich. Das birgt die Gefahr von Fehlentscheidungen.

4.2.2 Analyse der relevanten Unternehmensbereiche

Zur Erstellung von Sanierungskonzepten sind so genannte Starken-Schwachen-Analysen aller relevanten Unternehmensbereiche notwendig, um die Ausgangssituation sowie die Entwicklungspotenziale des Unternehmens genau bestimmen zu konnen. Die Starken und Schwachen sollten mit dem Ziel, im Rahmen des Sanierungskonzepts die gegen-wartigen Schwachen zu beseitigen bzw. in zukiinftige Starken umzuwandeln, moglichst exakt herausgearbeitet werden.

Eine Starken-Schwachen-Analyse bezieht sich grundsatzlich auf die gegenwartige Si­tuation des Krisenunternehmens. Im Rahmen einer Sanierungsprufung sind jedoch auch ausdrucklieh die Starken und Schwachen im Hinblick auf die zukiinftige Entwicklung

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des Unternehmens zu beurteilen. Des Weiteren gilt es, die festgestellten Starken und Schwachen im Vergleich zu den Hauptwettbewerbern zu gewichten. Starken und Schwa-chen sind relative GroBen. Sie lassen sich daher letztendlich nur im Vergleich mit den kritischen Erfolgsfaktoren der Wettbewerbern sinnvoll beurteilen.

Wie bereits zuvor ausgefuhrt, sind die Ursachen einer Unternehmenskrise oft vielfaltig. Es liegt nicht nur am falschen Produkt, sondern vielleicht auch an der Organisation, den internen Ablaufen, die zu teuer, zu langsam oder zu unkoordiniert sind. Folgende Be-reiche sind im Einzelnen zu analysieren:

• Markt- und Wettbewerbsbedingungen, • Produkte und/oder Dienstleistungen, • Beschaffung und Materialwirtschaft • Aufbau- und Ablauforganisation der Produktion, • Absatzstrategie/Vertriebswege/Preispolitik/Kundenstruktur, • Management und Schliisselpositionen, • personelle Ausstattung, • Rechnungswesen und Controlling, • Unternehmensorganisation,

4.2.2.1 Markt- und Wettbewerbsbedingungen

Ein Unternehmen kann auf Dauer nur am Markt erfolgreich sein, wenn es seine Ak-tivitaten konsequent auf die Markt- und Wettbewerbssituation ausrichtet. Voraussetzung dieser AuGenorientierung des Betriebes ist zunachst die genaue Kenntnis des Marktes, der Branche und der Wettbewerber.

Es ist jedoch in der Praxis immer wieder uberraschend, wie viele Unternehmer nur vage Vorstellungen von ihrer Branche, ihren Markten und den Starken und Schwachen ihrer Hauptwettbewerber haben. Voraussetzung fur die Starken-Schwachen-Analyse ist daher zunachst die Beschaffung aller relevanten Marktinformationen. Die Gegeniiberstellung der Marktgegebenheiten einerseits sowie andererseits der betrieblichen Starken und Schwachen des zu beurteilenden Unternehmens in Abgrenzung zu seinen Hauptwett­bewerbern zeigt die Chancen und Risiken, die der Markt fiir das Unternehmen bietet. Externe Marktforschung, Wettbewerbsanalyse sowie die interne Betriebsanalyse bilden die Grundlage fiir die Beurteilung der Markt- und Wettbewerbspositionierung.

Informationsbedarf besteht zunachst hinsichtlich aller Trends, die Einfluss auf die Ent-wicklung der Branche haben oder haben werden. Hierzu zahlen quantitative Informatio-nen iiber die Entwicklung von Marktdaten (Absatzvolumen, Preisniveau, Marktanteilen etc.) sowie qualitative Informationen iiber zum Beispiel technologische Entwicklungen. Folgende Fragestellungen sind beispielsweise zu eruieren:

H Wie entwickelt sich der Markt insgesamt? Wachst er (langsam oder schnell), stagniert er oder schrumpft er sogar?

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• Welche Marktanteile werden von wem gehalten? Wie haben sich die Marktanteile in der Vergangenheit entwickelt?

H Wie entwickelt sich das Preisniveau? H Verandert sich das Konsumverhalten der Verbraucher? Wk Wer sind die wesentlichen Wettbewerber und wo liegen ihre Starken und Schwachen? H Wie wird sich das Wettbewerbsumfeld zukiinftig entwickeln? M Gibt es einen zunehmenden Wettbewerb aus dem Ausland (zum Beispiel aus Billig-

lohnlandern)? • Gewinnen Substitutionsprodukte (Produkte, die die bisherigen Produkte ersetzen) an

Bedeutung? H Welches sind die bedeutendsten Probleme bzw. Herausforderungen, die die kiinftige

Entwicklung des Marktes mit sich bringt? W In welchen Marktsegmenten liegen die groBten Gewinn- und Wachstumsperspekti-

ven? Sfc Welche Marktstellung nimmt das Unternehmen innerhalb der Branche ein? M Welches sind die kritischen Faktoren und Ressourcen fiir den kiinftigen Erfolg des

Unternehmens innerhalb der Branche?

Zur Beurteilung der Starken und Schwachen ist eine isolierte Betrachtung der Markt-situation sowie des jeweiligen Unternehmens nicht aussagekraftig. Die Positionierung ist immer im Vergleich zu den Hauptwettbewerbern zu analysieren. Hierzu bietet sich folgende Fragestellung an:

Was sind die entscheidenden Kaufkriterien der Kunden in der Branche? Ist es wirklich nur der Preis? Was ist mit folgenden Kriterien:

i# Standorte (Marktnahe, Ausstellungsflachen, Verkaufsraume etc.), rS Produktsortiment (Variantenvielfalt, Design, Qualitat, Image, After-Sales-Service,

Umweltvertraglichkeit, technische Vorteile, Zertifizierungsnachweise, Rating, etc.), M qualitative oder quantitative Produktionskapazitaten, H die personliche Betreuung, If die Gute der Auftragsabwicklung, %, die Lieferfahigkeit, If die Lieferzuverlassigkeit, if die Lieferschnelligkeit, •M die Zahlungskonditionen, M dieKulanz.

Kurz gesagt, nicht nur der Preis ist entscheidend, sondern das Preis-Leistungs-Verhaltnis.

Es ist zunachst zu klaren, welche dieser Kaufkriterien - in welcher Rangfolge - letzt-endlich fiir die Kaufentscheidung der Kunden/Konsumenten ausschlaggebend sind. Ge-wichtet nach ABC-Kriterien ist daraufhin die Leistungsfahigkeit des eigenen Betriebes festzustellen. Hierbei bietet sich auch ein Abgleich des Selbstbildes (Befragung des Ver-triebes) und des Fremdbildes (Kundenbefragung) an.

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Neben der Bewertung des Erfullungsgrades der Leistungsanforderungen durch das Un-ternehmen ist die Leistungsfahigkeit des Unternehmens der Leistungsfahigkeit der Mit-bewerber gegenuberzustellen. Ziel ist es, klar zu definieren, wo die entscheidenden Wett-bewerbsvorteile oder gegebenenfalls auch wo die entscheidenden Wettbewerbsnachteile liegen und welche MaBnahmen sich aus dieser Erkenntnis ableiten lassen.

4.2.2.2 Produkte und/oder Dienstleistungen

Ziel der Sanierung ist es, die Ertragskraft des Unternehmens wiederherzustellen. Dies hangt vor allem davon ab, dass das Unternehmen zukunftig diejenigen Produkte und Dienstleistungen am Markt anbietet, die es zu wettbewerbsfahigen Kosten herstellen und an einem attraktiven Markt kundengerecht vertreiben kann.

Von entscheidender Bedeutung ist daher die Frage, welches Dienstleistungsprofil und welche Produktpalette das Unternehmen zukunftig gezielt anbietet. Durch die Analyse der Ergebnisbeitrage der einzelnen Geschaftsfelder wird die Profitability des gegenwar-tigen Sortiments transparent. Grundsatzlich hat darauf aufbauend eine Konzentration auf gewinnbringende oder gewinnbringend zu gestaltende Geschaftsfelder zu erfolgen.

Nachhaltig defizitare Geschaftsfelder sind nur dann beizubehalten, wenn dies aus Wett-bewerbsgriinden absolut zwingend notwendig ist bzw. wenn die Aufgabe des Geschafts-feldes aufgrund von nicht abbaubaren Fixkosten nicht zu einer Ergebnisverbesserung fiihren wiirde.

4.2.2.3 Beschaffung und Materialwirtschaft

Der Anteil der Materialkosten an den Gesamtkosten des Unternehmens betragt in der produzierenden Industrie ublicherweise zwischen 40 und 60 Prozent, teilweise jedoch auch darliber. Die Auswirkung von moglichen Einsparpotenzialen im materialwirtschaft-lichen Bereich ist daher erheblich fiir das Unternehmensergebnis.

Die erste Grundlage fiir die Beurteilung der eigenen Starken und Schwachen im Einkauf im Rahmen der Erstellung eines Sanierungskonzeptes bildet zunachst eine Lieferanten-analyse. Die derzeitigen Lieferantenbeziehungen sind - mit dem Ziel, Kosteneinspar-potenziale zu identifizieren - grundsatzlich alle in Frage zu stellen. Vergleichsangebote von alternativen Lieferanten sind einzuholen.

Um die Lieferanten untereinander vergleichen zu konnen, sind die wesentlichen Infor-mationen uber diese einander gegenuberzustellen: allgemeine Unternehmensdaten, spezi-fische produktbezogene Daten, Konditionen, Zuverlassigkeit, Qualitat, Preisniveau. Fol-gende Entscheidungskriterien sind bei der Auswahl der Lieferanten zu berucksichtigen:

K giinstige Einstandspreise, • erforderliches Qualitatsniveau, H optimale BestellgroBen,

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• Termintreue, • Zuverlassigkeit der Lieferanten, • kostengiinstige Abwicklung des Bestellvorgangs.

Die Uberprufung der Lieferantenauswahl gehort zu den permanenten Aufgaben des Ein-kaufs. Die Beschrankung auf einen reinen Preisvergleich ist hierbei nicht ausreichend. Wichtige Fragen sind in diesem Bereich:

• Welches alternative Material kann eingesetzt werden? H Welche alternativen Beschaffungsmarkte kommen in Frage? it Konnen ganze Module/Bauteile/Komponenten direkt bezogen werden? S Welche Forschungs- und Entwicklungsleistung erbringen die Lieferanten? M Welche Vorteile und welche Risiken bringt die Konzentration auf einige ausgewahlte

Lieferanten mit sich?

Typischen Schwachstellen im Einkaufs-/Materialbereich konnen in der Regel nicht aus-schliefilich in der Einkaufsabteilung gelost werden. Auch die erforderlichen Anpassungen in den angrenzenden Unternehmensbereichen sind herauszufiltern. Zu denken ist hierbei beispielsweise an die Einsparpotenziale, die sich durch eine Standardisierung, Normung oder Typung einzelner Bauteile, eine Reduzierung der Variantenvielfalt oder den Uber-gang von Einzelfertigung auf Kleinserienfertigung ergeben konnen.

Eine effiziente Abwicklung der Aufgaben innerhalb des Einkaufs und der Materialwirt-schaft ist dariiber hinaus heute selbst in kleineren Unternehmen ohne den Einsatz einer leistungsfahigen EDV kaum noch darzustellen. Gerade durch konsequente Anwendung und Weiterentwicklung von EDV-Programmen ist es moglich, Materialkosten und die Kosten der Lagerhaltung zu optimieren bzw. nachhaltig zu senken, um sich daraus Wett-bewerbsvorteile zu verschaffen.

4.2.2.4 Aufbau- und Ablauforganisation der Produktion

Die Produktion hat die Erstellung der Produkte zu wettbewerbsfahigen Kosten und Qua-litaten sicherzustellen. Krisenbehaftete Unternehmen zeigen typischerweise folgende Schwachstellen innerhalb des Produktionsprozesses:

H Es fehlt ein funktionierendes Produktionsplanungs- und Steuerungssystem (PPS-Sys-tem).

H Es existieren keine plausiblen Vor- und Nachkalkulationen. Haufig gibt es noch nicht einmal rudimentare Kalkulationsgrundlagen.

H Kapazitatsengpasse in einzelnen Wertschopfungsstufen behindern immer wieder den Produktionsablauf.

K Unterauslastungen in einzelnen Wertschopfungsstufen verhindern eine insgesamt wirtschaftliche Produktion.

H Uberalterte, unwirtschaftliche und storanfallige Anlagen und Maschinen fiihren zu teuren Produktionsausfallen und uberhohten Instandhaltungsaufwendungen.

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H Liefertermine konnen immer wieder nicht eingehalten werden. M Es kommt immer wieder zu Qualitatsmangeln. W Es wird mit einer zu hohen Fertigungstiefe produziert. H Eine uberhohte Variantenvielfalt verhindert Einsparungen bei den Produktionskosten

sowie bei den Materialkosten aufgrund fehlender Standardisierungen und Normun-gen.

W Die Produktionsdurchlaufzeiten sind zu lang - trotz eines hohen Personaleinsatzes und Uberstunden.

M Mangelnde Kommunikation innerhalb der wesentlichen Unternehmensbereiche ver­hindert eine effektivere Fertigung.

Der gesamte Fertigungsfluss (inklusive F&E, Konstruktion und Arbeitsvorbereitung) des Krisenunternehmens ist einer kritischen Analyse hinsichtlich aller moglichen Optimie-rungspotenziale zu unterziehen. Die Produktionsplanung und -steuerung, die Auslastung der Produktionskapazitaten (Maschinen und Mitarbeiter), der Zustand der Fertigungs-anlagen, die Qualitat der Produktion, die Qualifikation der Mitarbeiter und das F&E-Know-how sind zu bestimmen. Die Modernitat, Effektivitat, Qualitat und Wirtschaft-lichkeit der Produktionsverfahren, -ablaufe und -anlagen sind isoliert und soweit moglich im Vergleich zum Wettbewerb zu beurteilen.

Ziel ist es, moglichst rasch die Ablaufe zu verbessern, die Kosten zu senken und die Produktivitat zu erhohen. Auf der Basis transparenter Kostenstrukturen und plausibler Produktkalkulationen - die in der Regel erst einmal erstellt werden miissen - sind Ra-tionalisierungsmaBnahmen einzuleiten oder Make-or-buy-Entscheidungen zu treffen, um somit die Fertigungstiefe und damit die Komplexitat zu reduzieren und die Produktions-ablaufe zu vereinfachen.

Optimierungen in der Fertigung setzen regelmaBig Investitionen voraus. Auch wenn das Geld bei Krisenunternehmen knapp ist, darf man sich diesen Moglichkeiten nicht ver-schlieBen, wenn sie dazu dienen, die nachhaltige Uberlebensfahigkeit des Unternehmens zu gewahrleisten. Die Sinnhaftigkeit eventueller InvestitionsmaBnahmen ist zunachst aus technischer Sicht zu beurteilen. Daruber hinaus sind im Rahmen von Szenario-Rech-nungen die Kosteneinsparpotenziale zu quantifizieren, die sich durch die geplanten In­vestitionsmaBnahmen ergeben konnen. Diese sind der Investition gegeniiber zu stellen.

4.2.2.5 Marketingstrategie

Im Rahmen der Marketingstrategie werden

95 die Produktpolitik,

% die Preispolitik,

S die Absatzstrategie sowie

% die MarketingmaBnahmen

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festgelegt. Zentrale Zielsetzung hierbei ist es, das Unternehmen eindeutig am Markt zu positionieren und somit ein unverwechselbares Profil in den Augen der Kunden aufzu-bauen. Es sollen Alleinstellungsmerkmale geschaffen werden, um dadurch Wettbewerbs-spielraum zu erlangen. Im Ergebnis miissen die Kunden eindeutig erkennen konnen, warum sie bei dem Unternehmen und nicht bei der Konkurrenz kaufen sollen.

Vielfach wird Marketing mit Werbung gleichgesetzt. Das ist jedoch falsch - Marketing beginnt viel friiher. Bereits die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen muss sich an den Bedurfnissen des Marktes und der Kunden orientieren. Erst danach muss die­ses Angebot dem Kunden mittels MarketingmaBnahmen (zum Beispiel Werbung) naher gebracht werden.

Zunachst ist also die gegenwartige Marketingstrategie des Unternehmens zu erfassen und abzubilden. Insbesondere anhand der ermittelten Profitabilitaten der einzelnen Ge-schaftsbereiche ist die derzeitige Marketingstrategie zu hinterfragen. So sind auch die Ergebnisse der einzelnen Geschaftsbereiche auf einzelne Absatzgebiete oder Vertriebs-gebiete zu verdichten, um die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Unternehmensbereiche auch aus dieser Blickrichtung kritisch hinterfragen zu konnen.

4.2.2.6 Management und Schlusselpositionen

Letzten Endes begrunden das Management, die Fiihrungskrafte und die Mitarbeiter den Erfolg oder auch den Misserfolg eines Unternehmens. Die Griinde fiir den Misserfolg von Krisenunternehmen liegen, wie bereits zuvor beschrieben, primar im Verantwor-tungsbereich des Managements.2 Insofern kommt der Analyse des Fuhrungsbereichs eine besondere Bedeutung zu.

Viele Sanierungen scheitern, weil das Management nicht in der Lage ist, die im Sanie-rungskonzept aufgeftihrten MaBnahmen erfolgreich umzusetzen. Ein Sanierungsmanage-ment muss in der Lage sein, eine ganzheitliche Sicht der Problemfelder zu behalten, kom-plexe Sachverhalte zu zerlegen und zu vereinfachen sowie Prioritaten zu setzen. Wichtig ist vor allem, dass die Fiihrungsmannschaft motivieren kann und die gesamte Belegschaft hinter ihr steht. Zur Beurteilung der entsprechenden Qualifikation des Managements gibt das Verhalten im Vorfeld der Krise und bei den Bemiihungen, die Krise zu bewaltigen, deutliche Hinweise.

Weitere wichtige Informationen iiber die vorhandenen und die mangelnden Fahigkeiten der Fiihrungsmannschaft lassen sich aus dem Unternehmen selbst - im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung - ableiten. Diese Mitarbeiterbefragung kann durch Einzelgesprache oder auch standardisiert, iiber Fragebogen, erfolgen. Eine Mitarbeiterbefragung bringt haufig wichtige Hinweise zur Bewertung der Qualitat der ersten und zweiten Fuhrungs-ebene.

2 Vgl. Abschnitt 1.3.1 Endogene Krisenursachen.

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Bei Krisenunternehmen sind in der Praxis im Bereich der Unternehmensfuhrung haufig folgende Schwachstellen anzutreffen3:

H mangelhafte Organisation des Managements, M fehlende, unklare oder zu optimistische Zielsetzungen, il Duldung von anhaltenden Verlusten in einzelnen Geschaftsbereichen, solange der

Gesamtprofit des Unternehmens als befriedigend angesehen wird, M verspatetes Eingestandnis einer Krisensituation, • Fehlinvestitionen bzw. unzureichende Investitionen (Sparen am falschen Ende), H ungeniigende Anpassungen an den technischen Fortschritt, fi Verlust der Ubersicht durch unorganisches bzw. unkontrolliertes Wachstum, H iiberwiegende Ressortinteressen bei wichtigen Entscheidungen der Unternehmens­

fuhrung, M ungeloste Generationsprobleme im Unternehmen, '& unangemessener - wenig motivierender - Fiihrungsstil.

Einen kritischen Erfolgsfaktor bildet neben der Geschaftsleitung die zweite Fuhrungs-ebene, die Abteilungsleiter und Meister. Dieser Personenkreis verkorpert regelmaBig die Unternehmenskultur und das Know-how von mittelstandischen Unternehmen. Von ihnen gehen Multiplikatoreffekte aus. Es kommt deshalb besonders darauf an, sie auf die neue Unternehmenskonzeption einzuschworen. Die formelle und insbesondere die informelle Struktur der zweiten Fuhrungsebene muss transparent gemacht und kritisch hinterfragt werden. „Alte Zopfe mussen abgeschnitten werden", um die Krisensituation nachhaltig beseitigen zu konnen.

Der Erfolg hat bekanntlich immer viele Vater, der Misserfolg ist hingegen stets ein Waisen-kind. So fuhrt der Misserfolg eines Unternehmens regelmaBig zu „chemischen Storungen", Schuldzuweisungen und Rangeleihen zwischen den einzelnen Ressortleitern (zum Beispiel Vertrieb und Technik). Um den Erfolg des Sanierungskonzeptes zu gewahrleisten, sollten „Spielregeln" fiir das Zusammenwirken der Fuhrungskrafte festgelegt werden. Mit Hilfe der „Spielregeln" lassen sich zukunftig insbesondere Reibungen und Unklarheiten hinsicht-lich Kompetenzen vermeiden. Die Arbeitsatmosphare sowie die Arbeitsbereitschaft muss gesteigert werden, um die Wettbewerbsfahigkeit des Unternehmens wiederherzustellen.

4.2.2.7 Personelle Ausstattung

Der Analyse des Personalbereichs kommt eine groBe Bedeutung zu, da innerhalb von Sa-nierungskonzepten oft die Bereinigung der Personalstrukturen notwendig wird. Die Per-sonalkosten stellen neben den Materialkosten regelmaBig den groBten Kostenblock dar. In den groBten Kostenblocken liegen naturgemaB auch die groBten Turnaround-Hebel. Sanierungskonzepte ohne drastische Anpassung im Personalkostenbereich sind daher auBerst selten anzutreffen.

3 Vgl. hierzu auch Abschnitt 1.3.1 Endogene Krisenursachen.

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Folgende MaBnahmen zur Personalkostensenkung werden in Sanierungskonzepten typi-scherweise vorgesehen:

*& Abbau von Leistungszulagen/iibertariflichen Lohn- und Gehaltszulagen, H SchlieBung des Versorgungswerkes, % Abbau von zusatzlichen Kosten aus Uberstunden (zum Beispiel durch Einfuhrung

von Arbeitszeitkonten), II! Abbau von Leiharbeitern, 'B Einfuhrung von Kurzarbeit

(Kurzarbeit ist jedoch bei einer hohen Personalkostenquote sehr teuer, da uberpro-portionale Sozialversicherungsbeitrage des Arbeitgebers anfallen. AuBerdem sehen Tarifvertrage regelmaBig die Zahlung von Zuschussen vor.),

% Personalentlassungen.

Bei der Durchfiihrung der einzelnen MaBnahmen sind die gesetzlichen und tariflichen Regelungen zu beachten, wozu insbesondere auch die Mitwirkungsrechte von Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss zahlen. Zu beachten sind neben den Kiindigungsfristen die zahlreichen Kundigungsschutzbestimmungen, die Mitbestimmungsrechte des Betriebs-rats sowie die Vorschriften zum Interessenausgleich und zur Massenentlastung. Aufgrund der arbeitsrechtlichen Komplexitat sollte das Unternehmen sorgfaltig priifen, welche rechtliche Unterstiitzung es bei der Planung und Durchfiihrung der PersonalmaBnahmen in Anspruch nimmt.

Bei dieser speziellen Aufgabenstellung sind ausdriicklich die „altgedienten Hausanwalte" daraufhin zu iiberpriifen, ob sie liber geniigend Erfahrung und Kompetenz im Bereich des Arbeitsrechts, insbesondere im Bereich der Massenentlassungen, verfiigen. Bei Per-sonalentlassungsmaBnahmen geht es um sehr viel Geld. Scheinbar teure, spezialisierte Arbeitsrechtler machen sich bei der Erstellung und Umsetzung von Sanierungskonzepten schnell bezahlt. GroBe Erfahrung ist insbesondere auch wichtig fur die Planung der Aus-wirkungen der PersonalmaBnahmen. Hierzu ist zunachst die Frage zu klaren, wie vielen und welchen Mitarbeitern gekiindigt wird. Relativ leicht lassen sich abzubauende Stellen bestimmen, wenn ganze Unternehmensbereiche geschlossen werden. Schwieriger ist es, diejenige Personalstarke in den Unternehmensbereichen neu festzulegen, mit der - mog-lichst unter Steigerung der Effizienz - das Unternehmen fortgefuhrt werden soil.

Bei der Auswahl der Mitarbeiter fiir eine Kundigung sind verschiedene soziale Gesichts-punkte in Betracht zu ziehen. Zu beachten sind: Alter, Dauer der Betriebszugehorig-keit, Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen, eventuelle Schwerbehinderungen oder Ahnliches, die Vermogensverhaltnisse etc. Mitarbeiter, deren Weiterbeschaftigung ins­besondere wegen ihrer Kenntnisse, Fahigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes uberlebensnotwendig ist, sind dem Unter­nehmen zu erhalten.

Stehen die zu kiindigenden Mitarbeiter fest, so sind alle formellen Voraussetzungen des Kiindigungsverfahrens strengstens zu beachten. Unter Wiirdigung der Kiindi-

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gungsfristen, der geplanten Freistellungen der Mitarbeiter sowie der zu erwartenden Abfindungszahlungen ist die zukunftige Unternehmensplanung aufzubauen. Die zur Sanierung des Unternehmens notwendigen PersonalmaBnahmen belasten zunachst die Ergebnis- und Liquiditatssituation des ohnehin angeschlagenen Unternehmens, da die gekundigten Mitarbeiter im Zeitraum ihrer Kundigungsfrist weiterhin ihr Geld erhal-ten, parallel jedoch oft die Motivation und Produktivitat bei diesen Mitarbeitern sinkt und der Krankheitsstand steigt. Dariiber hinaus sind regelmaBig Abfindungszahlungen zu leisten.

Durch die Krisensituation selbst sowie durch notwendige PersonalmaBnahmen wird das Verhaltnis zwischen Unternehmensleitung, Betriebsrat und Belegschaft regelmaBig schwer belastet. Im Rahmen eines Sanierungskonzeptes sollte der Sanierer sich daher auch Gedanken dariiber machen, mit welchen Mitteln sich bei einer groBtenteils demoti-vierten Belegschaft positives Denken und Teamgeist fordern lassen. Die verbleibende Mannschaft ist auf das Restrukturierungskonzept einzuschworen. Dariiber hinaus sind zum Beispiel durch Veranderungen des Entlohnungssystems zumindest in Teilbereichen zusatzliche Leistungsanreize zu schaffen.

Auch wenn es sich im Rahmen von Sanierungskonzepten regelmaBig nicht vermeiden lasst, die Personalstarke deutlich zu reduzieren, so sollten alle Beteiligten bedenken, dass es primar darum geht, die verbleibenden Arbeitsplatze (hierbei handelt es sich regel­maBig um mehr Stellen, als um die abzubauenden Stellen) zu erhalten

4.2.2.8 Rechnungswesen und Controlling

Gerade in mittelstandisch gepragten Unternehmen ist immer wieder folgendes Phanomen festzustellen: Die Unternehmer sind zwar „Meister ihres Fachs", haben aber von kauf-mannischen und betriebswirtschaftlichen Dingen „keinen blassen Schimmer". Zu viele Entscheidungen werden ohne eine sorgfaltige Planung „aus dem Bauch heraus" getroffen. Es ist also kein Wunder, dass in vielen Unternehmen keine oder nur unzureichende Zahlen zur Unternehmenssituation vorliegen oder die vorliegenden Zahlen nicht ausreichend in-terpretiert werden.

Somit verfiigen Krisenunternehmen haufig auch iiber kein funktionsfahiges Controlling, und es fehlt jegliche Zahlentransparenz (die Datenquantitat uberwiegt der Datenqualitat). Selbst wenn eine Controllingabteilung existiert - oder zumindest eine Abteilung diesen Namen tragt - , reicht haufig die Qualifikation der Mitarbeiter nicht aus oder die Ab­teilung ist derart mit anderen Aufgaben beschaftigt, dass ein Controlling faktisch nicht vorhanden ist. Das Sanierungskonzept muss in solchen Fallen MaBnahmen zur Verbes-serung des Controllings vorsehen.

Die der Geschaftsleitung des Krisenunternehmens zur Verfugung stehenden Manage-mentinformationen und Plandaten sind auf Plausibilitat zu prlifen und hinsichtlich ihrer Eignung und Aussagefahigkeit zu hinterfragen. Sofern notwendig sind Verbesserungs-

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vorschlage zu unterbreiten und in Abstimmung mit der Geschaftsleitung auch unmittel-bar einzuleiten.

Besonderes Augenmerk ist hierbei der Planbarkeit und Kontrollmoglichkeit der einge-leiteten bzw. gegebenenfalls noch einzuleitenden Turnaround-MaBnahmen sowie deren Auswirkungen auf die Ergebnis- und Liquiditatssituation des Krisenunternehmens zu widmen.

Folgendes ist im Rahmen einer effizienten Controllingstrategie festzulegen:

if Was soil berichtet werden? (Zum Beispiel Auftragseingange, Umsatzentwicklungen, Lagerentwicklung, Umsatz je Mitarbeiter, Produktivitatskennzahlen etc.)

81 Wer soil berichten und in welcher Form? M. Wem soil berichtet werden? (Zum Beispiel Geschaftsleitung, Abteilungsleiter, Mit-

arbeitern, etc.) % Wann soil berichtet werden? (Wochen-, Monats-, Quartals-, Halbjahres- oder Jahres-

berichte)

Im Rahmen eines Sanierungsprozesses ist es wichtig, dass die groBtenteils sehr aufwendi-gen Analysen, die zur Erstellung des Sanierungskonzeptes durchgefuhrt wurden, in einer praktikablen und wirtschaftlichen Form weiter gepflegt werden. Die gesamte Analyse zur Erstellung des Sanierungskonzeptes ist daher von einem erfahrenen Berater von An-fang an so aufzubauen, dass sie auf die Gegebenheiten des Unternehmens optimal abge-stimmt wird. Die einmaligen aufwendigen Erhebungen, die mittels der externen Berater durchgefuhrt werden, machen gerade dann Sinn, wenn sie in einem rollierenden System mit einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand auch weitergefiihrt werden.

Eine wichtige Voraussetzung fur ein effektives Controlling ist allerdings, dass die Fi-nanzbuchhaltung zeitnah und exakt arbeitet. In vielen Unternehmen ist es eine „schlechte Sitte", dass die Buchhaltung monatelang „hinterherhinkt". Dafur gibt es keinen wirklich plausiblen Grund. Monatsabschliisse konnen in jedem Unternehmen zwei bis maximal sechs Wochen nach dem Monatsultimo gefahren werden. Dies setzt lediglich eine ent-sprechende Organisation und vor allem ein gewisses Selbstverstandnis (Einhaltung der GOB) im Rechnungswesen voraus.

Das gesamte Rechnungswesen inklusive Finanzbuchhaltung und Controlling ist unter diesen speziell auf ein Krisenunternehmen ausgerichteten Gesichtspunkte zu analysieren. Schwachstellen sind durch den Sanierer unmittelbar abzustellen.

4.2.2.9 Unternehmensorganisation

Letztlich ist auch die Organisation des Unternehmens zu hinterfragen. Hierfur wird zu-nachst einmal die bestehende Organisationsform abgebildet (in der Regel existieren in vielen Unternehmen noch nicht einmal aussagefahige Organigramme). Zu uberprufen ist, ob die Organisationsform plausibel und zeitgemaB ist, nicht iibermaBig viele den Arbeits-

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prozess hemmende Hierarchiestufen beinhaltet. Dariiber hinaus ist zu analysieren, ob die entscheidenden Stellen auch mit den richtigen Leuten besetzt sind. Besonderes Augen-merk ist darauf zu richten, ob die Organisation des Unternehmens zukiinftig, d. h. nach erfolgter Sanierung, auch noch die Richtige ist.

Ferner ist zu hinterfragen, ob eine Organisation nach Sparten (Produktbereich A, Pro-duktbereich B etc.) oder nach Funktionen (Einkauf, Produktion, Vertrieb, Verwaltung, etc.) die Richtige ist. Dies ist immer im Einzelfall, insbesondere auch unter Wurdigung der handelnden Personen und Entscheidungstrager zu priifen. In Sanierungsfallen kann es auch hilfreich sein, durch eine Anderung der Organisation alte Strukturen zu durch-brechen und somit wichtige Zeichen fur einen Neuanfang zu setzen.

Auf jeden Fall wird es wichtig sein, die Unternehmensinternen von der neuen Organisa-tionsform zu uberzeugen. Jeder Mitarbeiter muss sich in der Organisation wiederfinden. Er muss wissen, wer fiir ihn zustandig ist (idealerweise gibt es hier nur eine Zustandig-keit) und mit welcher Organisationsform das Unternehmen sich insgesamt positioniert.

4.3 Erstellung des Sanierungskonzeptes

Auf der Basis aller in diesem Kapitel zuvor beschriebenen Analysen ist nunmehr ein ganzheitliches Sanierungskonzept zu entwickeln, welches die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfahigkeit des Unternehmens wieder herstellt und nachhaltig sichert. Auf folgende Kernfragen muss das Konzept eine Antwort geben:

H Mit welcher strategischen Neuausrichtung wird das Unternehmen zukiinftig erfolg-reich sein? Welche Veranderungen sind in der Angebotspalette, der Wettbewerbs-positionierung, im Einkaufs-, Material- und Produktionsbereich, in der Marketing-strategie, im Management, in der personellen Ausstattung, im Rechnungswesen und Controlling, in der Unternehmensorganisationen zur Realisierungen des Turnaround notwendig?

M Welche Ergebnisse wird das Unternehmen wahrend und nach erfolgter Restrukturie-rung erzielen und welcher Liquiditatsbedarf ergibt sich dabei?

#1 Kann auf der Basis des Sanierungskonzeptes von einer Sanierungsfahigkeit und Sa-nierungswiirdigkeit ausgegangen werden?

Nach den Vorstellungen des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprufer (IDW) hat ein Sa­nierungskonzept folgende Mindestbestandteile:

H Beschreibung des Unternehmens, if Analyse des Unternehmens,

* Krisenursachenanalyse, W. Lagebeurteilung des Unternehmens,

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Abbildung 18: Entwicklung eines Turnaround-Konzeptes

M Leitbild des sanierten Unternehmens, W: MaBnahmen zur Sanierung des Unternehmens, it Planverprobungsrechnungen.

Grundlage eines Sanierungskonzeptes ist zunachst die vollstandige Erfassung und Zu-sammenstellung aller fur das Unternehmen wesentlichen Daten. Die Vollstandigkeit in diesem Sinne soil so verstanden werden, dass alle fiir eine Sanierung relevanten Sachver-halte zu benicksichtigen sind. Somit muss das Sanierungskonzept alle Angaben enthalten, die fiir die Gesamtbeurteilung der wirtschaftlichen Verhaltnisse sowie der Risiken und auch Chancen der kunftigen Entwicklung erforderlich sind. Die Angaben im Sanierungs­konzept soil dem Leser ein zutreffendes Bild von der Ausgangslage des Unternehmens und der voraussichtlichen Entwicklung vermitteln.

Grundsatzlich mussen nur Informationen und Sachverhalte in die Beurteilung einbezo-gen werden, die zur Darstellung der Sanierungsproblematik wesentlich sind. Auf diese Weise lasst sich die erforderliche Informationsmenge sinnvoll verringern und auf die ei-gentlichen Sanierungsproblemstellungen fokussieren. Ein Sanierungskonzept muss eine sachlich korrekte Darstellung der Krisenproblematik bieten und mit Angaben aller Pra-missen eine liickenlose und logische Argumentationskette wiedergeben. Als MaBstab fiir Vollstandigkeit, Wesentlichkeit und Richtigkeit ist die Sorgfalt eines gewissenhaften und ordentlichen Kaufmanns heranzuziehen.

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Abbildung 19: Bausteine eines Turnaroundkonzepts

Durch eine klare, eindeutige und verstandliche Darstellung der Problemstellungen und der Problemlosungsansatze soil gewahrleistet werden, dass jeder Leser auf der Grundlage des Sanierungskonzeptes in der Lage ist, die Ausgangssituation, die daraus abgeleiteten MaBnahmen sowie die wesentlichen Annahmen in den Planungspramissen zu verstehen. Im Interesse der Klarheit sollten wesentliche Sachverhalte durch grafische Darstellungen hervorgehoben werden.

4.3.1 Strategische Neuausrichtung des Unternehmens

Mit Hilfe der SofortmaBnahmen stellt der Krisenmanager zunachst das Uberleben des Unternehmens sicher. Die SofortmaBnahmen sind jedoch nur auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet und haben aufgrund der Eilbedurftigkeit, mit der sie einzuleiten sind, oft kein strategisches Konzept zugrunde. Zudem gilt in diesem Stadium der Krisensituation der Grundsatz, Liquiditat vor Rentabilitat. SofortmaBnahmen konnen sich somit gege-benenfalls negativ in Bezug auf die langfristige Stabilisierung des Unternehmens aus-wirken.

Zudem ist zu berucksichtigen, dass viele Unternehmenskrisen darauf basieren, dass die Unternehmensleitung es versaumt hat, sich klare Vorstellungen von der zukiinftigen Ent-wicklung zu machen und das Unternehmen insofern uberhaupt keine strategische Aus-richtung besaB.

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Abbildung 20: Anforderungen an Sanierungskonzepte gemaB IDW

Wichtige Voraussetzung fiir das langfristige Uberleben des Unternehmens ist daher, dass die Fiihrung kunftig die operativen Geschafte auf klar definierten Strategien aufbaut. Auf der Basis der Analyseergebnisse ist daher ein nachhaltiges Unternehmenskonzept basierend auf einer erfolgversprechenden strategischen Neuausrichtung des Unterneh­mens zu erarbeiten.

Strategische Konzepte haben eine Langzeitwirkung und beeinflussen Uber langere Zeit die Effizienz der operativen MaBnahmen. Bei einer Sanierung sind alle Geschaftsberei-che und Unternehmensstrukturen aus strategischer Sicht in Frage zu stellen.

Wie jede andere Planung auch beginnt die strategische Planung mit einer Zielsetzung. Aufbauend auf den Erkenntnissen der zuvor beschriebenen Analyseschritte ist die Ziel-richtung der zukiinftigen Unternehmensstrategie festzulegen und darzustellen. Von ent-scheidender Bedeutung ist die Frage, mit welchen betrieblichen Unternehmensstrukturen, mit welchen Produktionstechniken und -anlagen, mit welcher Produkt- und Dienstleis-tungspalette und mit welcher personellen Ausstattung das Krisenunternehmen zukiinftig erfolgreich sein kann. Eine Konzentration auf gewinnbringende - oder gewinnbringend zu gestaltende Geschaftsfelder - dient dabei als Grundlage fiir die strategische Neuaus­richtung des Krisenunternehmens im Markt.

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Die strategische Neuausrichtung basiert auf folgenden Leitfragen:

W. Welche Chancen und Risiken in den einzelnen Geschaftsbereichen ergeben sich zu-kiinftig in Anbetracht des Markt- und Wettbewerbsumfelds sowie der Ergebniserwar-tungen?

% Was sind die wesentlichen Kernkompetenzen des Unternehmens in den einzelnen wichtigen Geschaftsfeldern?

& Welche Geschaftsfelder sind aufzugeben bzw. umzustrukturieren, da sie in ihrer ge-genwartigen Form nicht profitabel gefiihrt werden konnen?

M Welche profitablen Geschaftsfelder miissen gehalten bzw. weiter ausgebaut werden, um das Unternehmen nachhaltig zu stiitzen?

M Sind in Anbetracht der sich verandernden Markt- und Wettbewerbsbedingungen, der fehlenden Eigenmittel sowie der eventuell vorhandenen Altlasten nicht strategische Allianzen/Kooperationen oder sogar Beteiligungen neuer Gesellschafter anzustre-ben?

4.3.2 Erstellung eines umsetzungsorientierten MaBnahmenplans

Sofern die strategische Neuausrichtung des Unternehmens klar definiert ist, stehen fak-tisch auch alle SanierungsmaBnahmen fest. Die Sanierung verlauft nicht nur bei der Er­stellung des Sanierungskonzeptes, sondern insbesondere auch bei der Umsetzung des Sanierungskonzeptes unter einem hohen Zeit- und Erfolgsdruck. Ein professionelles Projektmanagement bildet daher die Grundlage einer erfolgsversprechenden Umsetzung eines Sanierungskonzeptes. Dieses Projektmanagement basiert idealerweise auf einem detaillierten und umsetzungsorientierten MaBnahmenkatalog.

Der MaBnahmenkatalog hat die vorgesehenen Veranderungen in den Prozessen und Funktionen mit Zustandigkeiten und Erledigungsterminen zu dokumentieren. Diese sind zunachst moglichst vollstandig aufzuzahlen und nach ihrer Proiritat zu ordnen. Dabei kann naturlich nicht jeder Handgriff in den MaBnahmenkatalog aufgenommen werden. Die theoretische Forderung, alles in einem Totalmodell abzubilden, ist fur die Praxis wenig hilfreich. In der Praxis miissen die wesentlichen MaBnahmen im Mittelpunkt ste­hen. Hierbei kommt es ausdrucklich nicht auf einen hohen Detaillierungsgrad an. Auf Perfektion muss verzichtet werden, ohne dass dabei wesentliche Aspekte ubersehen oder vernachlassigt werden. Aus der Gesamtzahl der einzelnen MaBnahmen sind Projekte und Teilprojekte zu bilden. Mit engen Zeitvorgaben miissen die Fertigstellungstermine der einzelnen Teilprojekte bestimmt werden. Daruber hinaus ist es auch wichtig festzulegen, wer fur die Durchfuhrung der MaBnahmen verantwortlich ist und wer die Durchfuhrung/ Umsetzung entsprechend kontrolliert.

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Die verantwortlichen Mitarbeiter sollten groBtenteils bei der Erstellung des MaBnahmen-katalogs mitwirken, damit eine hohe Identifikation mit dem Sanierungsprozess sicherge-stellt ist und die relevanten Mitarbeiter schon friihzeitig in die Verantwortung genommen werden. Der umsetzungsorientierte MaBnahmenplan dient zum einen als Grundlage fiir ein erfolgreiches Projektmanagement. Zum anderen sind die MaBnahmenplane geeignet, das Informationsbedurfnis der Geschaftsleitung sowie der Hauptglaubiger zu befriedigen. Anhand des MaBnahmenplans ist jederzeit der Stand der Umsetzung des eingeleiteten Restrukturierungsprozesses zu uberprufen.

4.3.3 Szenario-Rechnungen

Aufbauend auf den Erkenntnissen der einzelnen Analyseschritte sowie dem MaBnahmen-plan miissen die erarbeiteten Turnaround-Potenziale quantifiziert und in die bestehenden Ergebnis- und Liquiditatsplane des Krisenunternehmens eingearbeitet werden. Es ist ab-zubilden, welche Ergebnisse das Unternehmen wahrend und nach erfolgter Restruktu-rierung erzielen und welcher Liquiditatsbedarf zur Umsetzung des Sanierungskonzeptes benotigt wird.

Gerade in komplexen Sanierungssituationen verbleiben jedoch erhebliche Planungsunsi-cherheiten. Aufgrund dieser nicht auszuschlieBenden Planungsunsicherheiten empfiehlt es sich, die Planungen teilweise in Szenario-Rechnungen darzustellen. Die Ergebnis-plane sollten dabei zumindest zwei Szenarien („best case" und „worst case") beriick-sichtigen, um die moglichen Auswirkungen der Planungsunsicherheiten transparent zu machen.

Die an der Sanierung beteiligten Interessengruppen gewinnen anhand der Szenario-Rechnungen ein besseres Bild liber die Erfolgsaussichten des Sanierungskonzeptes sowie ihrer eigenen Nutzen- und Risikoposition. Das „worst-case-Szenario" sollte dabei als letztendliche Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Der Liquiditatsplan ist in Sanierungsfallen immer anhand der Planungspramissen des „Worst-case-Szenarios" zu erstellen.

4.3.4 Sanierungsfahigkeit/Sanierungswurdigkeit

Die Beurteilung der Sanierungsfahigkeit erfolgt auf der Grundlage des Sanierungskon­zeptes. Das Sanierungsmanagement hat zur endgiiltigen Beurteilung der Sanierungs­fahigkeit ein Sanierungskonzept zu erarbeiten, das fiir einen sachverstandigen Dritten nachvollziehbar ist und die Sanierungsfahigkeit des Unternehmens dokumentiert. Die Sanierungsfahigkeit ist zu bejahen, wenn auf der Grundlage eines uberzeugenden und tragfahigen Sanierungskonzeptes nicht nur die Insolvenzgriinde beseitigt werden konnen, sondern dariiber hinaus auch eine operative Sanierung erfolgt und das Unternehmen mit

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Uberwiegender Wahrscheinlichkeit wieder in die Lage versetzt wird, nachhaltig positive Ergebnisse zu erwirtschaften.

Dies ist besonders dann zu erwarten, wenn

• das Sanierungskonzept auf einer plausiblen und tragfahigen strategischen Planung aufbaut,

• die vorgesehenen operativen MaBnahmen mit dem strategischen Konzept im Ein-klang stehen,

H zwischen den Beteiligten Einigkeit iiber die Sanierungsziele und das zu verfolgende Sanierungskonzept besteht und

&f die Umsetzung des Sanierungskonzeptes personell und finanziell abgesichert ist.

Die SanierungsmaBnahmen sind mit Blick auf ihre voraussichtliche Realisierbarkeit zu wlirdigen und im Hinblick auf die dargestellten Auswirkungen auf die Ergebnis- und Li-quiditatsplanung zu hinterfragen. Eine Quantifizierung in Bandbreiten des Risikos nach optimistischer, mittlerer und pessimistischer Auspragung ist hilfreich. Zur Beurteilung der Sanierungsfahigkeit ist das vorliegende Sanierungskonzept dariiber hinaus mit Blick auf

% die Uberpriifung der kritischen Planungspramissen, ?4 die Qualifikation des Umsetzungs-Managements und ft die Sanierungsvorteile der Beteiligten

zu wlirdigen.

Ausgangspunkt der Sanierungswiirdigkeitsprufung sind die subjektiven Interessenla-gen der an einer Sanierung Beteiligten. Die Feststellung der Sanierungswiirdigkeit zielt auf die Frage ab, ob die Sanierung auch aus der Interessenlage der Betroffenen gerecht-fertigt ist. Es kommt also ein subjektives Beurteilungskriterium ins Spiel, das fiir jeden Beteiligten individuell zu betrachten ist. Zu den Interessentengruppen zahlen neben den Anteilseignern insbesondere die Hausbanken, die Hauptlieferanten, die Arbeitnehmer und die offentliche Hand. Die teilweise unterschiedlichen, wenn nicht sogar gegenlau-figen Interessen dieser Gruppen und ihre Erwartungen fiihren zu vielschichtigen Beurtei-lungsmoglichkeiten der Sanierungswiirdigkeit.

Die Bank muss beurteilen, ob sie unter Berucksichtigung samtlicher Chancen und Risiken an die Sanierung glaubt und davon uberzeugt ist, dass ihr Verlustpotenzial im Rahmen der Sanierung minimiert wird. Das ist insbesondere dann eine heikle Frage, wenn die Gewahrung von Neukrediten erforderlich ist. Auch aus der Sicht des Eigentumers muss das Kriterium der Sanierungswiirdigkeit erfiillt sein, was gegebenenfalls dann nicht der Fall ist, wenn die kunftigen Uberschiisse des Unternehmens lediglich fiir die Bedienung der Bankkredite ausreichen, Gewinnausschuttungen jedoch ausgeschlossen sind.

Um die Sanierungswiirdigkeit herzustellen, muss eine ausgewogene Losung, die die Interessenlagen aller wesentlich Beteiligten beriicksichtigt, im Rahmen des Sanierungs­konzeptes gefunden werden. Die Sanierungsbeitrage der einzelnen Anspruchsgruppen

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(Eigentiimer, Glaubiger, Mitarbeiter etc.) miissen in einem ausgewogenen Chancen-Nut-zen-Verhaltnis stehen. Von einer Sanierungswiirdigkeit kann daher ausdriicklich nicht ausgegangen werden, wenn die Sanierung auf Kosten einzelner Beteiligter durchgefuhrt werden soil, ohne dass die wirkliche Aussicht besteht, dass das Unternehmen dauerhaft fortgeftihrt werden kann.

4.4 Stolpersteine von Sanierungskonzepten

Das beste Sanierungskonzept liefert zwar eine wesentliche Grundlage, jedoch noch lange keine Garantie fur eine erfolgreiche Unternehmenssanierung. Die Gesamtheit und Kom-plexitat der zu berucksichtigenden Aspekte schurt die Gefahr, dass die Beherrschbarkeit der Unternehmenskrise und damit zugleich die Sanierungsaussichten verloren gehen.

Zunachst miissen alle betroffenen Interessengruppen von dem Sanierungskonzept iiber-zeugt werden, damit diese ihren Teil zur Sanierung auch leisten. Diese Sanierungsbe-reitschaft der Interessenten ist ublicherweise dann eingeschrankt, wenn bereits ein oder mehrere Sanierungsversuche aufgrund unzulanglicher Konzepte oder eines unzureichen-des Umsetzungsmanagements gescheitert sind. Besonders ungunstige Aussichten beste-hen in aller Regel, wenn einzelne Beteiligte durch das Management in der Vergangenheit iiber die wahre Unternehmenssituation getauscht wurden oder sich zumindest getauscht fuhlten.

Fehlentwicklungen solcher Art lassen sich vermeiden, indem ein erfahrener Berater auf der Grundlage eines uberzeugenden Sanierungskonzeptes die Sanierung steuert. Ein neues, nicht vorbelastetes Sanierungsmanagement kann positiv auf das Verhandlungs-klima einwirken.

Sind alle Beteiligten vom Sanierungskonzept tiberzeugt, beginnt eigentlich erst die wirk­liche Arbeit. Die Erstellung des Sanierungskonzeptes und die damit erforderlichen um-fangreichen Analysen, die zudem noch unter groBem Zeitdruck erarbeitet wurden, stell-ten bereits eine hohe Belastung fiir alle Beteiligten dar. Mit der Umsetzung des Konzepts beginnt dann jedoch erst die wirkliche Arbeit. Ein Unternehmen ist nicht von „heute auf morgen" zu sanieren. Die Sanierungs- und Konsolidierungsphase zieht sich meist iiber zwei bis drei Jahre hin. Ausdauer und konsequentes Handeln sind gefragt. Sobald erste wichtige Anfangserfolge erzielt werden, darf der Druck auf die Beteiligten nicht nach-lassen, weil dies eine nachhaltige Sanierung des Unternehmens gefahrden konnte.

Den in der Praxis immer wieder groBten Stolperstein bei Unternehmenssanierungen stellt der Zeitfaktor dar. Die Sanierungsbemuhungen werden immer wieder viel zu spat - erst dann, wenn die Reserven des Unternehmens schon zu weit aufgebraucht sind - einge-leitet.

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Sanierungen bergen zudem das Risiko einer uberdimensionierten Fixierung auf Schwach-stellen. Der einseitige Abbau von verlustbringenden Tatigkeiten fiihrt meist nicht zur Uberwindung der Krise. Der Erhalt und Ausbau zukunftstrachtiger und profitabler Be-reiche diirfen auf keinen Fall vernachlassigt werden.

Auch der menschliche Aspekt kann immer wieder einen Stolperstein bei Sanierungen darstellen. Krisen werden durch Menschen verursacht, von Menschen durchlebt und er-lebt. Befurchtungen und Angste der Mitarbeiter fiihren oft zu einer Art Boykott der Sa-nierungsmaBnahmen. Ursache hierfur ist meist, dass die Unternehmensleitung zu wenig iiber die geplanten Konzepte und iiber den Stand der Dinge informiert.

Ein erfolgreiches Krisenmanagement setzt eine spezifische Kommunikation mit alien Beteiligten voraus. Fehlende Kommunikation oder auch Kommunikation mit falschen Inhalten, falschem Tonfall oder im falschen Moment konnen die Belegschaft erheblich demotivieren.

Beratungsgesellschaften, die sich speziell auf Sanierungen und Sanierungsmanagement spezialisiert haben, stellen eine wichtige Unterstiitzung bei der Einleitung von SofortmaB-nahmen, der Erstellung von Sanierungskonzepten und insbesondere auch der Umsetzung der Konzepte dar. Sie unterstiitzen den Unternehmer bei den wichtigen Gesprachen mit Banken, Glaubigern und Lieferanten und tragen mit ihrer Erfahrung auf diesem Gebiet dazu bei, dass die Vielzahl der zu bewaltigenden Probleme letztendlich doch gemeistert werden.

Ein Konzept, das von einem noch so guten Berater isoliert, das heiBt ohne Einbindung der Unternehmensinternen erstellt wurde, ist jedoch zum Scheitern verurteilt. Ein Berater alleine kann ein Unternehmen ohne die aktive und konstruktive Unterstiitzung der Unter­nehmensinternen niemals erfolgreich sanieren und gegen deren Willen schon gar nicht. Neben der fachlichen Kompetenz gehort daher auch eine groBe soziale Kompetenz zu dem Anforderungsprofil eines erfolgreichen Sanierers.

Die folgende Abbildung fasst die wichtigsten Punkte im Hinblick auf ein Sanierungsgut-achten zusammen.

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Abbildung 21: Anforderungen an ein Sanierungskonzept

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In einer akuten Unternehmenskrise stehen alle Beteiligten unter einem groBen Zeit-, Ent-scheidungs- und Erfolgsdruck - der Stressfaktor ist enorm. Gleichwohl werden aber auch unter diesen Bedingungen niichterne und zutreffende Lagebeurteilungen und zielgerich-tete Informationen erwartet.

Mitarbeiter, Betriebsrat und Gewerkschaften, Kunden und Lieferanten, Anteilseigner und Banken haben in Krisenzeiten ein deutlich groBeres Interesse an Informationen iiber das Unternehmen als in „guten" Zeiten; Mitarbeiter fiirchten um ihren Arbeitsplatz, Fuhrungskrafte werden von Headhuntern umworben, Kunden drohen abzuwandern, Lie­feranten sorgen sich um ihre unbezahlten Rechnungen und Banken sowie Anteilseigner fiirchten um ihr Kapital.

Die Geschaftsleitung des Krisenunternehmens weiB oftmals nicht, wann und in welcher Reihenfolge, mit welchen Inhalten und mit welchem Detaillierungsgrad die unterschied-lichen Adressaten angesprochen werden miissen. Jeder Adressat hat andere Interessen und reagiert unterschiedlich auf negative Informationen. Es gilt daher, einen kiihlen Kopf zu bewahren und gezielt zu kommunizieren.

Unternehmenskrisen sind immer auch Vertrauenskrisen. Vertrauen, welches in jahrelan-ger Arbeit aufgebaut wurde, droht in einer Unternehmenskrise in kurzester Zeit verloren zu gehen. Eine wesentliche Zielrichtung der Kommunikation in einer Unternehmenskrise ist daher, das Vertrauen und die Glaubwiirdigkeit aufrechtzuerhalten bzw. wieder zuriick-zugewinnen.

Dabei kann die Krisenkommunikation naturgemaB die eigentlichen Ursachen der Unter­nehmenskrise nicht beseitigen. Jedoch konnen die Folgen der Krise und der Verlauf der Krise durch ein angemessenes und uberlegtes Verhalten positiv beeinflusst werden. Je nach Gelingen kann die Krisenkommunikation krisenhemmend bzw. -eindammend, bei falscher Handhabung auch krisenintensivierend wirken.1

5.1 Kommunikationsstrategien in der Krise

Ein Patentrezept ftir die Kommunikation in Krisenzeiten gibt es nicht - jede Krisensi-tuation bedarf einer individuell entwickelten Kommunikationsstrategie. Kaum ein Un-

1 Vgl. Lambeck, A., Die Krise bewaltigen. Management und Offentlichkeitsarbeit im Ernstfall. Ein praxisori-entiertes Handbuch. Frankfurt am Main, Institut fur Medienentwicklung und Kommunikation (IMK), 1992.

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ternehmen wird jedoch in guten Zeiten eine Kommunikationsstrategie erarbeitet haben, welche in schlechten Zeiten „in einer Schublade parat liegt". Aufgrund der Mannigfaltig-keit von wirtschaftlichen Unternehmenskrisen und des schnellen Wandels im Verlauf der Arbeiten in einer Unternehmenssanierung ware dies auch nicht zielfuhrend. Eine Kom­munikationsstrategie sollte daher „just in time" und auf die einzelnen Anspruchsgruppen zugeschnitten erstellt und nur so weit geplant werden, als es dem Kommunikationsgrund-satz der offenen, positiven, sachlichen und wahren Information der Beteiligten dienlich ist.

Um eine Kommunikationsstrategie aufzustellen, sollte sich der Krisenmanager folgende Kernfragen beantworten konnen:

88 Wer sind meine Adressaten und Anspruchsgruppen? it Wer sind die jeweiligen Ansprechpartner und wer soil die Gesprache fiihren? II Woran sind die Beteiligten interessiert? 94 Was wollen wir von wem erbitten? % Wie kann Vertrauen erhalten/wiedererlangt werden? tk Welche Inhalte/Informationen sollen mit welchem Detaillierungsgrad vermittelt wer­

den? ft Wann kommuniziere ich am besten? ^ Wer soil zuerst angesprochen werden? Welche Reihenfolge soil gewahlt werden? Wel­

che Interessengruppen miissen unbedingt zeitgleich informiert werden? ii Wie kommuniziere ich? Welche Instrumente sollen gewahlt werden?

Zu Beginn eines jeden Krisenmanagements sind die Verantwortlichkeiten und Kom-petenzen festzulegen, um somit ein Sanierungsteam zusammenzustellen.2 In diesem Zusammenhang hat auch die Bestimmung eines Sprechers und Ansprechpartners zu erfolgen. Als Faustregel gilt, dass derjenige Informationsiibermittler ist, der das meiste Fachwissen tiber die Krise hat und iiber die besten Kontakte zu den Informationsgruppen verfugt. Die bestimmten Sprecher sollten zugleich auch Hauptansprechpartner sein, um Informationsverluste zu vermeiden.

5.1.1 Wahl des Zeitpunktes und der Reihenfolge

Mit Blick auf den Zeitpunkt ist spatestens dann zu kommunizieren, wenn die Gefahr be-steht, dass der Adressat die missliche Lage selbst oder - schlimmstenfalls - iiber Dritte wahrnehmen konnte. Die Information iiber Dritte birgt die Gefahr, dass Geruehte in Um-lauf gebracht werden, die sich mit MutmaBungen und Teil-Wahrheiten vermischen. Eine solche „Geruchtekuche" wirkt sich krisenintensivierend aus. Keine Anspruchsgruppe erfahrt gerne negative Informationen - von denen sie selbst unmittelbar oder mittelbar betroffen ist - iiber Dritte und keinesfalls iiber den Weg der Medien.

2 Vgl. Abschnitt3.1.

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Vor diesem Hintergrund sollten zum Beispiel Banken iiber eine schlechte Unternehmens-lage informiert werden, bevor beispielsweise Kontenpfandungen oder Ahnliches erfolgen und die eingetretene Krisensituation im Nachhinein dokumentieren; Mitarbeiter, bevor sie Informationen aus der Presse erhalten, und Lieferanten, bevor die Zahlungsmodalita-ten geandert werden.

Bei der Bestimmung des Zeitpunktes der Information ist jedoch abzuwagen, ob erst nach der Erarbeitung und Fertigstellung des Sanierungskonzeptes informiert werden soil oder bereits schon fruher. Uber Probleme zu informieren, ohne bereits iiber - zumindest Ansatze von - Losungsmoglichkeiten zu verfiigen, birgt teilweise groBe Gefahren. Es gilt daher genau abzuwagen, wann informiert werden kann und wann moglicherweise nur Nervositat ausgelost wird. So sollte mit einigen Adressaten erst dann kommuniziert werden, wenn nach einer ersten Grobanalyse und Problemdiagnose zumindest ein erster Oberblick iiber das AusmaB der Unternehmenskrise und der potenziellen Losungsmog­lichkeiten besteht.

Bei der Wahl der Reihenfolge der Kommunikation gilt der Grundsatz: Kommuniziere von „innen nach auBen". Das heiBt kommuniziere im engen Management-Kreis - bilde ein Turnaround-Team - kommuniziere mit den Unternehmensinternen - erarbeite ein schliissiges und transparentes Konzept - kommuniziere dann mit externen Adressaten.

5.1.2 Wahl der Inhalte

Bei der Wahl der Inhalte gilt es zunachst festzulegen, was den betroffenen Adressat wirk-lich interessiert. Der Krisenmanager muss auf die individuellen Bediirfnisse der An-spruchsgruppen eingehen. Es ist somit eine differenzierte Kommunikation durchzufiih-ren. Nicht jeder Adressat muss jedoch Kenntnis „iiber alles" haben, was ihn interessiert. Krisensituationen lassen es nicht zu, dass man immer alles sagt, was man weiB. Aus Griinden der Vertraulichkeit gilt es, den Detaillierungsgrad je Adressat zu variieren. Ge-nerell gilt es abzuwagen, ob die Betroffenen nur so viele Informationen erhalten wie eben notig, oder ob Detailinformationen bis hin zu gesamtbetrieblichen Zusammenhangen sowie Hintergriinde der Krise erlautert werden, um hierdurch zum Beispiel ein besseres Verstandnis fur durchzufiihrende SanierungsmaBnahmen zu erhalten.

Stehen Inhalt und Umfang der zu kommunizierenden Sachverhalte fest, kommt es ent-scheidend darauf an, wie kommuniziert wird. Denn Krisensituationen stellen eine ex­treme Belastung flir alle Beteiligten dar. Die Gefahr einer gedriickten bis leicht depres-siven und damit wenig konstruktiven Grundstimmung bei Krisenunternehmen ist groB. Dieses Stimmungsbild darf jedoch in keinem Fall die Kommunikation pragen.

Dieser Sachverhalt lasst sich wohl am besten anhand eines Beispiels erlautern. Sofern zum Beispiel defizitare Geschaftsbereiche aufzugeben sind, sollte beispielsweise nicht wie folgt kommuniziert werden: „Aufgrund nachhaltiger Verluste sahen wir uns auf

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Druck unserer Glaubiger veranlasst, den Geschaftsbereich XY aufzugeben, und hoffen, somit die Existenz unseres Unternehmens retten zu konnen."

Der gleiche Sachverhalt sollte eher wie folgt formuliert werden: „Wir stellen uns den He-rausforderungen der sich stetig verandernden Markte und Techniken und entwickeln uns stets weiter. Um den zukiinftigen Bedurfnissen unserer Kunden noch besser entsprechen zu konnen, konzentrieren wir uns im Rahmen einer strategischen Neuausrichtung zu-kunftig auf unsere Kernkompetenzen A, B und C. Im Rahmen dieser strategischen Neu­ausrichtung werden wir unsere bisherigen Tatigkeiten im Bereich XY konsequenterweise nicht weiterverfolgen. Schon heute wollen wir Sie auf unsere Neuerungen im Bereich D hinweisen. ..."

Der Grundsatz gilt, dass jeder vermeintlich schlechten Nachricht auch etwas Positives ab-zugewinnen ist. Dieser positive Aspekt ist in der Kommunikation in Krisenzeiten immer voranzustellen.

So sollte ein „deprimiertes Management" auch nicht davon sprechen, dass ihm von der Bank ein Berater aufs Auge gednickt wurde, sondern vielmehr, dass es mit Unterstiitzung seiner langjahrigen Hausbank einen Berater und Fachmann gefunden hat, der dem Un-ternehmen eine wertvolle Unterstiitzung ist. Den Berater muss der Unternehmer sowieso dulden und bezahlen, dann sollte er auch durch seine Kommunikation keine unbedachten Barrieren aufbauen und somit die Erfolgsaussichten des Beraters schmalern.

Wie bereits zuvor erwahnt bedeutet eine Krise immer zugleich auch eine Chance. Diese Chancen miissen genutzt und in der Kommunikation zielfuhrend „positiv missbraucht" werden.

5.2 Instrumente der Krisenkommunikation

Da Hauptziel der Krisenkommunikation die Vertrauensbildung ist, hat die direkte, miind-

liche Kommunikation mit unmittelbaren Feedback-Moglichkeiten stets Prioritat.

Als Instrumente fur die Kommunikation in Krisenseiten stehen grundsatzlich zur Aus-

wahl:

M personliche Gesprache,

W personliche Ansprachen,

M Informationsveranstaltungen,

£$ Prasentationen,

H Mitarbeiterversammlung, Betriebsversammlungen,

M individuelle Anschreiben,

Wk Rundschreiben/Serienbriefe, m E-Mails.

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Es ist darauf zu achten, dass der Schriftverkehr immer streng vertraulich/personlich adressiert und behandelt wird. Bei der Kommunikation mit dem Fax ist unbedingt darauf zu achten, dass nur vertrauenswurdige Personen Zugriff auf das Fax erhalten. Oft emp-fiehlt es sich sogar, den Empfanger per Telefon personlich an das Faxgerat zu bitten, um sicherzustellen, dass die Papiere nicht in unbefugte Hande geraten.3

Elektronische Medien wie E-Mail, Internet oder Videokonferenzen gewinnen zunehmend an Bedeutung in der Krisenkommunikation. Bei Einsatz dieser Medien ist ebenfalls un­bedingt die Wahrung der gebotenen Vertraulichkeit sicherzustellen. Nach Moglichkeit sollte es sich bei den Empfanger-E-Mail-Adressen um personliche Adressen handeln. Haufig anzutreffende info@-Sammeladressen" sollten aus Griinden der Vertraulichkeit gemieden werden. Weiterhin sollte jede E-Mail einen Anhang mit einem Passus iiber Vertrauensschutz und Handhabung der E-Mail enthalten.

5.3 Regeln fur den Aufbau einer Kommunikationsstrategie

Das „General"-Ziel der Krisenkommunikation ist eine moglichst

M schnelle, m ehrliche, *$ positiv dargestellte % und vollstandige

Information aller an der Unternehmenskrise beteiligten Anspruchsgruppen durch

% klar verstandliche Aussagen, '%> rechtzeitige Informationsgebung M und Vermeidung von Fach-Jargon,

um die Bewahrung bzw. Ruckgewinnung des Vertrauens zu erreichen.

Im Folgenden werden die wichtigsten Anforderungen an eine erfolgreiche Krisenkom­munikation noch einmal thesenformig zusammengefasst:

M Friihzeitig mit dem engen Fiihrungskreis kommunizieren. % Sofortiger Aufbau eines Turnaround-Teams. WL Krisenmanagement einleiten und ein schliissiges, zielfiihrendes und transparentes Sa-

nierungskonzept erstellen. M Bestimmung der Kommunikationsstrategien. t i Auflistung aller Adressaten und Anspruchsgruppen.

3 Vgl. Lambeck, a.a.O.

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• Von innen nach auBen kommunizieren: Zunachst die Unternehmensinternen infor-mieren - dabei zuhoren und nach Moglichkeit den Dialog fordern.

• Nach einer Grobanalyse bzw. nach Erstellung des Sanierungskonzeptes die wichtigs-ten externen Anspruchsgruppen informieren.

• Unternehmensinternen und externen Adressaten bei Bedarf die wesentlichen Inhalte des Sanierungskonzeptes erlautern.

• Grundsatz: Spatestens dann informieren, wenn die Gefahr besteht, dass die An-spruchsgruppe von sich aus oder iiber Dritten Informationen erhalt!

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Fallt ein Unternehmen in eine Krise, ist die Gewahrung weiterer Kredite aufgrund der Risiken einer Sanierung sowie des Fehlens zusatzlicher, werthaltiger Sicherheiten haufig nicht mehr darstellbar. Auch die Gesellschafter sind oft nicht in der Lage, weitere Mittel als Fremd- oder Eigenkapital einzubringen, oder Sicherheiten aus dem Privatvermogen zur Verfiigung zu stellen. In einer derartigen Situation stellt sich die Frage, inwieweit Investoren bereit sind, neue finanzielle Mittel aufzubringen und unter welchen Bedin-gungen sie dies tun. Die Verstarkung des Eigenkapitals durch einen Investor kann helfen, eine mogliche Uberschuldung zu beseitigen bzw. die Zahlungsfahigkeit wiederherzu-stellen. Dariiber hinaus ist an die Bereitstellung zusatzlicher Sicherheiten zu denken, die die Kreditinstitute zu einer Ausweitung der Kreditlinien bewegen konnte. RegelmaBig beabsichtigt der Investor, zumindest Mehrheitsgesellschafter des Krisenunternehmens zu werden. Dazu erwirbt er die Geschaftsanteile - haufig zu einem symbolischen Kauf-preis - , um nach erfolgtem Kapitalschnitt das Eigenkapital wieder herzustellen. Das Eigenkapital muss ausreichen, die anhand von Planergebnisrechnungen und -bilanzen dargestellte Unternehmensentwicklung - insbesondere die in einer Sanierungsphase zu erwartenden Verluste - aufzufangen und das Entstehen neuer Insolvenzantragspflichten zu vermeiden.

Unternehmenssanierungen sind nicht selten deshalb von Beginn an zum Scheitern ver-urteilt, weil dem bisherigen Management entweder die notwendige Kompetenz oder der erforderliche Umsetzungswille fur die einschneidenden SanierungsmaBnahmen fehlt. Vor diesem Hintergrund ist es haufig notwendig, einen Interimsmanager temporar mit der Fuhrung und Sanierung des Unternehmens zu beauftragen bzw. das Management durch diesen zu unterstiitzen. Parallel hierzu sollte dariiber nachgedacht werden, auf welche Weise die Struktur der Geschaftsftihrung bzw. der Gesellschafter erganzt oder verandert werden muss, um den Bestand des Unternehmens zu sichern. Dabei ist der Unternehmensverkauf oder die Hereinnahme eines externen Managers als wesentliche SanierungsmaBnahme zu verstehen. Dies gilt vor allem, wenn der Sanierungsplan auf eine Vorwarts- oder auch Wachstumsstrategie ausgerichtet ist. Unter Umstanden ist das Unternehmen zu klein, um mittelfristig erfolgreich wirtschaften zu konnen (Problem der „kritischen UnternehmensgroBe"). Das fiir diesen Fall sinnvolle Wachstum muss jedoch vorfinanziert werden (Aufbau Warenlager, Aufbau Debitoren, Aufbau neuer Vertriebs-strukturen, Entwicklung auslandischer Markte, Ausbau der Produktionskapazitaten usw.). In dieser Phase die finanzierenden Kreditinstitute zu einer Ausweitung ihres Ri-sikos zu bewegen, ist kaum realisierbar. Daher kommt in diesem Fall nicht selten nur die Aufnahme eines Investors in Betracht. Vergleichbares gilt fiir Unternehmen, deren Sa-nierungschancen in der Weiter- oder Neuentwicklung von technologierorientierten Pro-dukten oder Dienstleistungen liegen. Dies verursacht in der Regel hohe Vorlaufkosten bei

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relativ hohem Umsetzungsrisiko. Auch in derartigen Fallen zeigen sich Kreditinstitute gegemiber einer Ausweitung der Finanzierung zurlickhaltend. Mit Blick auf die zahl-reichen „Schieflagen" im Bereich der Technologieunternehmen nimmt die Vorsicht von Venture-Capitalisten ebenfalls spurbar zu, sodass auch von dieser Seite die Finanzierung eines Krisenunternehmens haufig ausgeschlossen ist. Es verbleibt dann letztlich nur die Moglichkeit der Suche nach einem strategischen Investor. Hierbei bieten sich im Grunde drei Wege an, die mit dem Altunternehmer diskutiert, auf deren Umsetzbarkeit uberpruft und anschlieBend priorisiert werden miissen:

• Kontakte des Krisenunternehmens (Kunden, Lieferanten, Wettbewerber, etc.), H Unternehmensborsen (insb. bei kleineren Mittelstandlern; IHK, „Change" etc.), H M&A-Berater (wegen der Kosten in der Regel nur bei groBeren Mittelstandlern).

6.1 Motive und Erwartungen der Beteiligten

Zu Beginn des M&A-Prozesses ist es entscheidend, sich einen Uberblick iiber die Interes-senlage potenzieller Verhandlungspartner zu verschaffen. In einem Sanierungsfall diirfte die Interessenlage des Verkaufers eindeutig darauf gerichtet sein,

Wt das Uberleben seines Unternehmens und damit Lebenswerkes zu sichern, % mit einer erfolgreichen Sanierung sein offentliches Ansehen zu wahren, H sich von den personlichen Haftungstatbestanden zu befreien und ^ sich moglicherweise einen Beitrag zur Altersversorgung zu sichern.

Neben den Motiven des Verkaufers sind vor allem die Beweggriinde der Kaufinteres-senten zu hinterfragen, um mit denjenigen als Erstes Geprache aufzunehmen, die das vermeintlich groBte Interesse an dem Fortbestand des Krisenunternehmens haben konn-ten. Diese Analyse ist unerlasslich, um im spateren Verlauf schnellstmoglich einen Ver-kaufserfolg herbeizufiihren. Gerade Krisenunternehmen, die normalerweise von knapper Liquiditat, ersten Geriichten zur Unternehmenslage, einer „unruhigen" Belegschaft und ahnlichem Unbill betroffen sind, vertragen keine langwierigen Verkaufsverhandlungen. Vielmehr miissen der Unternehmer und die Kreditinstitute ein Interesse daran haben, dass der Unternehmensverkauf schnell und „gerauschlos" vollzogen wird, um den Gefah-ren einer weiteren Vermogensverschlechterung durch kursierende „Marktgeruchte" ent-gegenzuwirken. Fur eine aktive Beteiligung der Kreditinstitute am M&A-Prozess spricht die Chance zur Festigung des bestehenden Engagements sowie der Unternehmens-sicherheiten, die fur den Fall einer Zerschlagung durch das Insolvenzverfahren haufig einer massiven Wertevernichtung unterliegen. Gegebenenfalls wird in dieser Situation ein beteiligtes Kreditinstitut sogar den Kaufer finanzieren, nachdem alle anderen Fremd-kapitalgeber mit einer bestimmten Kapitalquote abgefunden worden sind. In jedem Fall sollten sich die Kreditinstitute darauf einstellen, dass der zukunftige Unternehmenseig-ner von den Glaubigern zum Teil deutliche Sanierungsbeitrage verlangen wird. Dies gilt

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grundsatzlich auch fur Lieferanten, Mitarbeiter, Kreditinstitute und Kreditversicherer und weniger fur Kunden, deren Abnahmebereitschaft gesichert werden muss. In der Pra­xis sind aber gerade Lieferanten und deren Kreditversicherer schwierige Verhandlungs-partner, da deren Sanierungsbeitrage automatisch Verschlechterungen zukiinftiger Kon-ditionen (Preise, Lieferfristen, Zahlungsziele, Kreditversicherungsschutz etc.) nach sich ziehen. Dies wiirde eine Sanierung de facto blockieren. Damit verbleiben als mogliche Ansprechpartner die Mitarbeiter, denen der Kaufer unter Hinweis auf die Sicherung der Arbeitsplatze sicherlich Zugestandnisse zugemutet, und die Kreditinstitute, denen regel-maBig ein Forderungsverzicht abverlangt wird. Im Gegenzug erfolgt in der Regel die vollstandige Ablosung der Kreditinstitute, die hiervon ihren Forderungsverzicht abhan-gig machen.

Die Frage, ob es fur die Kreditinstitute nicht „billiger" ware, das Unternehmen iiber das Insolvenzverfahren zu sanieren, bedarf immer einer Einzelfallpriifung, da mit der Insol-venz immer ein Flurschaden bei Kunden, Lieferanten, Kreditversicherern etc. verbunden ist, der die Fortsetzung des Geschaftsbetriebes in der Zukunft wesentlich erschwert. Die Sanierung iiber die Insolvenz ist jedoch meist zwingend, wenn die Altverbindlichkeiten zu hoch sind und damit vom Krisenunternehmen serioserweise nicht mehr zuriickgefiihrt werden konnen. Hierzu bedarf es eines zwischen Kaufer und wesentlichen Glaubigern abgestimmten Vorgehens, um der Nachfolgegesellschaft eine reibungslose Wiederauf-nahme der Geschaftstatigkeit zu ermoglichen (Belieferung durch Lieferanten, Versiche-rung durch Kreditversicherer, Personalabbau/Sozialplan, (Banken-)Finanzierung etc.). Erfolgt die Sanierung iiber die Insolvenz, miissen die Kreditinstitute alle akzessorischen Sicherheiten - zum Beispiel Biirgschaften - iiberpriifen und entscheiden, ob diese fur das

Abbildung 22: Motive und Erwartungen der Beteiligten I

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Abbildung 23: Motive und Erwartungen der Beteiligten II

Neu-Kreditengagement der Nachfolgegesellschaft weiterbestehen sollen. Hierzu bedarf es der ausdriicklichen Zustimmung des Drittschuldners. Erklart dieser seine Bereitschaft zum Schuldbeitritt, ist er von dem Kreditinstitut nicht unbedingt iiber die damit verbun-denen Risiken aufzuklaren, es sei denn, es musste erkennen, dass der Dritte iiber das Risiko nicht hinreichend informiert ist.1

6.2 Darstellung potenzieller Unternehmenskaufer

Grundsatzlich sind potenzielle Kaufer in folgenden Segmenten zu finden (siehe Abbil­dung 25):

6.2.1 Marktteilnehmer

In jeder Krisensituation ist der Faktor Zeit von entscheidender Bedeutung. Ein lang an-dauernder Verkaufsprozess beinhaltet das Risiko, dass Geriichte iiber die Situation des Unternehmens oder zum anstehenden Verkauf in den Markt gelangen, die Kunden ver-unsichern, von den Konkurrenten als „Akquise-Mittel" missbraucht werden oder die Kreditversicherer zur Reduzierung bzw. Kundigung der Lieferantenkredite veranlassen. Im fragilen Sanierungsprozess kann dies zu einer Kettenreaktion von sinkendem Ver-trauen, sinkenden Umsatzen, sinkendem Finanzmittelbestand, sinkenden Kreditrahmen bis zur Einstellung der Produktion und zur Insolvenz fiihren.

1 Vgl. BGH, Urteil v. 16.1.1996, in: ZIP 1996, S. 499.

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Marktteilnehmer

1 Lieferanten

Vorwarts-integration • Marktsicherung • Markter-

forschung

1 Wettbewerber

• Marktanteilska • Synergien • Sortiments-

erganzung

uf

Kunden

Riickwartsintegration • Verbesserung der

Prozesssteuerung • Ressourcen-

sicherung • Nutzung von

Synergien

Anrainer

• Komplentare Lleferung

• Wachstum • Synergien

Manager

MBO (Management-Buy-Out) • Unternehmerisches

Engagement • Arbeitsplatzsicherung • Insiderwissen/

Branchenkenntnis • Finanzielle Interessen

MBI (Mangement-Buy-ln) • Unternehmerisches

Engagement • Finanzielle Interessen

Investoren

Institutionelle Kapital-geber (Venture Capital, Kapitalbeteiligungsges. etc.) • Rendite

Private Kapitalanleger • Personliche Interessen • Finanzielle Interessen

aktive passive Beteiligung Beteiligung

Abbildung 24: Darstellung potenzieller Kaufinteressen

Grundsatzlich erscheinen Lieferanten und Kunden als potenzielle Kaufinteressenten. Tat-sachlich ist die Wahrscheinlichkeit einer raschen Unternehmensubernahme durch diesen Kreis eher gering. Der im Rahmen einer Sanierung erforderliche Mittelbedarf und das damit verbundene Investitionsrisiko werden diese - mit Blick auf deren eher geringere Marktkenntnis - vor einem Risiko-Investment zuriickschrecken lassen. Nur wenn zwi-schen dem Krisenunternehmen und seinem Lieferanten oder Kunden groBe, nur schwer veranderliche Abhangigkeiten existieren, mag sich dieser Sachverhalt anders darstellen. Eine solche Situation diirfte allerdings die Ausnahme bleiben.

Demgegemiber erweisen sich Mitbewerber oder Anrainer, also Unternehmen mit ahn-lichen Produkten und Dienstleistungen, als diejenigen Kandidaten, denen vom Altunter-nehmer mit dem groBten Vorbehalt begegnet wird, die tatsachlich aber die groBte Chance fiir eine schnelle Abwicklung des Deals bieten. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Kontaktaufnahme mit den Mitbewerbern besonders heikel ist, da regelmaBig davon aus-gegangen werden kann, dass diese vor allem ein Interesse an den Kundenverbindungen haben. Insofern sollten die ersten Informationen und Gesprache anonymisiert von dritter Seite durch einen M&A-Berater erfolgen, dessen Herkunft keinen Ruckschluss auf das Zielunternehmen zulasst. Fiir einen Mitbewerber sind Chancen und Risiken einer Uber-nahme in der Regel rasch einschatzbar, da er den Markt und dessen Moglichkeiten kennt und vorhandene Synergiepotenziale einzuschatzen weiB. Diese liegen regelmaBig in einer Kostenreduzierung - vor allem der Personalkosten - durch das Zusammenlegen von Zen-tralabteilungen (Entwicklung, technischem Kundendienst, Materialwirtschaft etc.), von Niederlassungen, von einzelnen Produktionsstandorten oder von gleichartigen Produk-ten/Dienstleistungen. Auch die Uberwindung bestehender Marktzutrittsschranken kann ein Ubernahmemotiv darstellen.

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6.2.2 Management

Der Management-Buy-Out (MBO), die Ubernahme eines Unternehmens durch leitende Angestellte, findet immer weitere Verbreitung. Der Verkauf an das eigene Management sichert eine Unternehmenskontinuitat, wie sie bei klassischen Fremdinvestoren oft nicht gegeben ist. Die bisherige „zweite Ebene" des Unternehmens bringt haufig hohe Fach-und Branchenkompetenz und personliche Motivation (Arbeitsplatzsicherung) mit. Frag-lich ist allerdings ihre unternehmerische Kompetenz, da sie an der Krisensituation nicht unschuldig sein diirfte.

Fur das Anforderungsprofil an ein externes Management gelten grundsatzlich die glei-chen Anforderungen wie fur die Auswahl bzw. Priifung unternehmensinterner Kandida-ten. Im Vorfeld oder nach einer ersten Kontaktaufnahme kann mit Hilfe einer Check-liste der potenzielle Kandidatenkreis eingegrenzt werden. Die aufgezeigten Kriterien und deren Gewichtung sind unternehmensindividuell festzulegen.

Die Ubernahme des Unternehmens durch einen unter Umstanden branchenerfahrenen „Unternehmer", der Management-Buy-In (MBI), stellt eine weitere Variante des Manage-mentwechsels dar. Seine Interessenlage ist einerseits durch rein finanzielle, andererseits haufig auch durch personliche Motive (Selbstverwirklichung) bestimmt. Gerade die Kom-bination von MBO und MBI, also die Nutzung der Kenntnis der Unternehmensspezifika durch das alte Management gepaart mit Branchen-/Fachkenntnis und gegebenenfalls sogar Sanierungserfahrung bei einem externen Manager sind in einer Unternehmenskrise eine erfolgversprechende SanierungsmaBnahme. Der externe Manager bringt „frischen Wind" und Know-how in Unternehmen und Management. Beim Verkauf an externe Ma­nager spielen bereits heute Firmenborsen eine wichtige Rolle. Die groBte Initiative dieser Art wird von den IHK sowie den Spitzenverbanden der Kreditwirtschaft getragen. Unter www.change-online.de existiert eine Firmenborse, mit der der Nutzer relativ schnell in der Lage ist, durch Einstellung bestimmter Suchkriterien (Postleitzahlen, Branchen, Be-teiligungshohe etc.) potenzielle Unternehmenskaufer zu lokalisieren. Dies hilft insbeson-dere bei kleineren mittelstandischen Unternehmen bis etwa 25 Mio. € Jahresumsatz, da sich bei diesen GroBenordnungen in der Regel der Einsatz eines M&A-Beraters nicht rechnet.

Typischerweise sind MBO/MBI Unternehmensubertragungen mit hohem Fremdkapital-einsatz, da die Ubernehmer in der Regel nicht uber ausreichende Eigenmittel verfugen. Gleichzeitig sollen diese ein Krisenunternehmen ubernehmen, welches im Normalfall aufgrund seiner Situation hoch verschuldet und illiquide ist. Daher wird vor der Uber­nahme das wirtschaftliche Eigenkapital des Zielunternehmens durch KapitalmaBnahmen seitens der Banken (Forderungsverzichte, Rangriicktritte, Zinsverzichte, Wandlung von Fremdkapital in eigenkapitalahnliche Mittel etc.) wiederherzustellen sein. Zusatzlich benotigt das Krisenunternehmen neues Geld zur Finanzierung der Sanierung. Dies wird von Kreditinstituten sicherlich nur mitgetragen, wenn ein uberzeugendes Sanierungskon-

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zept einschlieBlich eines plausiblen Business-Plans vorliegt, wenn das Unternehmen -insbesondere Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten - keine zu starke Abhangigkeit vom Alt-eigentiimer aufweist und das Management die Durchsetzungsstarke ftir den „dornigen" Weg der Sanierung mitbringt. Zur Kaufpreisfinanzierung eines Buy-Outs gibt es grund-satzlich folgende Moglichkeiten:

H Finanzierung des Eigenkapitals durch Kreditinstitute, Beteiligungsgesellschaften, Venture-Capitalisten, Buy-Out-Fonds oder Versicherungen,

H Finanzierung von vorrangigem Fremdkapital in der Regel durch Bankdarlehen, H Finanzierung von nachrangigem Fremdkapital durch Kreditinsitute, Venture-Capita­

listen und Beteiligungsgesellschaften, P Finanzierung des Eigen-/Fremdkapitals durch offentliche Finanzierungsmittel (insb.

Existenzgrunderprogramme der KfW, DtA bzw. Investitionszuschusse).

In den meisten Fallen ist es fiir die Finanziers wichtig, das involvierte Management ada-quat an dem Risiko der Eigenkapitalvergabe zu beteiligen. Kontrovers wird meist die Frage diskutiert, ob sich die Kaufer mit ihrem gesamten Vermogen an der Transaktion beteiligen sollen oder ob eine im Verhaltnis zu ihrem Vermogen spiirbare Beteiligung ausreicht. Gehen die Ubernehmer ein hohes personliches Risiko ein, werden die Finan­ziers dem Vorhaben tendenziell groBeres Vertrauen schenken. In der Praxis betragt das ubernommene Risiko etwa das Zwei- bis Dreifache des zukunftigen Jahresbruttoeinkom-mens.

6.2.3 Investoren

Trotz wachsender Zahl von Investorengemeinschaften, insbesondere der Venture-Capita­listen, ist es fiir den klassischen Mittelstand nicht einfacher geworden, an Kapitalbetei-ligungen zu gelangen. Dies liegt zum einen an den finanziellen Blessuren, die nicht wenige Kapitalbeteiligungsgesellschaften durch den Zusammenbruch des Neuen Marktes und der New Economy davon getragen haben. Zum anderen sind die meisten Mittelstandler - und dies gilt im besonderen MaBe fiir Krisenunternehmen - fiir derartige Finanzinvestoren nicht von Interesse, da ihr Geschaftsgegenstand sich normalerweise mit traditionellen Pro-dukten, Dienstleistungen und Markten beschaftigt. Die Old Economy mit ihren relativ kon-stanten Ertrags- und Wachstumsaussichten ist nicht geeignet, einer Investoren-Story zu dienen, mit der das Zielunternehmen zu einem spateren Zeitpunkt an der Borse zu platzie-ren ist, um auf diesem Wege fiir die Beteiligungsgesellschaft iiberproportionale Gewinne zu erwirtschaften. Andere Geschaftsmodelle von Beteiligungsgesellschaften zielen darauf ab, im laufenden Geschaftsverkehr Kapitalrenditen i.H.v. 20 bis 30 Prozent p.a. zu erzielen. Derartige Renditeerwartungen sind aber gerade fur Krisenunternehmen unerfiillbar. Da-riiber hinaus interessieren sich Beteiligungsgesellschaften haufig nur fiir Unternehmen ab einer UmsatzgroBe von ca. 25 Mio. € p.a. Vor diesem Hintergrund ist die Einschaltung von Beteiligungsgesellschaften im Sanierungsfall eher von untergeordneter Bedeutung.

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Abbildung 25: Auswahlkriterien von Private Equity-Gesellschaften fiir Turnaround-Investitionen

Jedoch entdecken Beteiligungsgesellschaften - insbesondere vor dem Hintergrund riick-laufiger Tendenzen am „klassischen" Private Equity-Markt - zunehmend den Bereich des Turnaraound-Kapitals. Anhand festgelegter Auswahlkriterien, Vorgehensweisen und umfangreicher Prufungsprozesse werden Krisenunternehmen ausgewahlt, welche in das Anlageportfolio der Beteiligungsgesellschaften ubernommen werden sollen.

1st eine Zielgesellschaft zur Ubernahme in das Portfolio geeignet, wird haufig ein passen-des Begleit- bzw. Beratungskonzept erarbeitet. In diesen Fallen wird durch den Einsatz von umsetzungsstarken, externen Turnaround-Managern eine direkte, operative Beglei-tung der Beteiligungsgesellschaft an dem Krisenunternehmen angestrebt. Mit neuem Ka-pital und aktiver Managementunterstutzung sollen Krisenunternehmen zum Turnaround geflihrt werden.

Die Renditeerwartungen eines Turnaround-Investments richten sich nach dem spezi-fischen Risiko und sind u.a. abhangig von Krisenstadium, Beteiligungsform und Investi-tionsart. In der Regel werden Renditen i.H.v. 15 Prozent und 25 Prozent angestrebt.

Grundsatzlich sind drei Investitionsarten moglich. Bei der (klassischen) Beteiligungs-finanzierung werden Geschaftsanteile durch Anteilskauf (Stamm- oder Kommandit-kapital) oder im Rahmen von Kapitalerhohungen ubernommen. Die Rendite resultiert hierbei aus einer Erfolgsbeteiligungskomponente und insbesondere aus dem Exit/Ver-

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kauf (Hebelwirkung bei niedrigen Einstiegskursen). Bei so genannten Distressed Dept Investments werden hingegen Forderungen Dritter (z.B. Banken, Lieferanten etc.) gegen das Zielunternehmen im Rahmen eines Vergleichs aufgekauft (d.h. Aufkauf/Beteiligung am Fremdkapital). In der Regel werden die fiir die betreffenden Kredite vereinbarten Sicherheiten mit ubernommen. Die Renditen von Distressed Debt Investments resultieren aus den Komponenten Zinsen und Erfolgsbeteiligung sowie insbesondere aus der Ver-gleichsquote. Dariiber hinaus kann Risikokapital in Form von nachrangigen Fremdkapi­tal (Nachrangdarlehen, Partiarische Darlehen, Stille Gesellschaften) zur Verfugung ge-stellt werden. Die Rendite dieser mezzaninen Beteiligungsform wird durch Zinsen sowie einer Erfolgsbeteiligungskomponente dargestellt.

Im Gegensatz zu den USA steckt der Markt fiir Beteiligungen in Restrukturierungen in Europa und speziell in Deutschland noch in den Anfangen. Im Jahr 2002 betrug der An-teil von Restructuring-Capital 1,7 Prozent gemessen am gesamten Private Equity-Markt. Im Laufe des Jahres 2003 stieg der Anteil auf etwa 2,1 Prozent an. Mit Blick auf den strikten Selektionsprozess einerseits und die relativ hohe Renditeerwartung andererseits wird der GroBteil der „mittelstandischen Krisenunternehmen" voraussichtlich nicht in das Anlageprofil dieser Investorengruppe passen. Einer Studie aus dem Jahre 2001 zu Folge sind im Durchschnitt nur ca. 2 bis 4 Prozent der gepruften Unternehmen fiir eine Beteiligung geeignet.2

Die Suche nach Privatiers, die bereit sind, im begrenzten Umfang neues Kapital bereit-zustellen und mit unternehmerischem Know-how zu helfen, bietet eine echte Alternative zur Beteiligung eines Venture-Capitalisten. Hierzu hat sich in den letzten Jahren ein Netzwerk von so genannten Business-Angels etabliert. Es handelt sich um erfahrene Un-ternehmer und Manager, die sich grundsatzlich bereits zur Ruhe gesetzt haben, dennoch aber ein zeitlich und finanziell begrenztes Engagement suchen. Das Netzwerk ist in re-gionalen Sektionen organisiert. Unter www.business-angels.de ist - eingrenzbar nach be-stimmten Kriterien - eine Suche nach potenziellen Investoren moglich. Business-Angels sind nicht daran interessiert, das Unternehmen vollstandig zu iibernehmen oder lang-fristig in das Management einzusteigen. Vielmehr sind sie pradestiniert, ein bestehendes Management (vgl. MBO - MBI) finanziell und vor allem inhaltlich zu unterstiitzen, vor allem wenn es sich beim Management-Team um relativ junge und unerfahrene Fiihrungs-krafte handelt. Sie besitzen in der Regel ein hohes technisches und wirtschaftliches Aus-bildungsniveau gepaart mit Management- und Fuhrungserfahrung. Business-Angels in-vestieren in „ihrer" Region, haben dort gute geschaftliche Kontakte und stellen monetare Ziele nicht in den Vordergrund. Dennoch erwarten auch sie zumindest mittelfristig eine angemessene Verzinsung ihres Kapitals (10 Prozent bis 15 Prozent p.a.). Die Hohe der Beteiligungen diirfte zwischen 25 und 500 TE liegen. Gerade wenn mittelfristig fiir die Unternehmenssanierung der Verkauf an oder die Fusion mit einem Mittbewerber favorisiert wird und dies an der akuten Krisensituation scheitert, dient die Aufnahme eines Business-Angel zur Vorbereitung auf den spateren Verkauf. Hierdurch konnen erste

2 Vgl. Kraft, Volker, Private Equity fiir Turnaround-Investitionen, 2001, Frankfurt/Main, S. 136 ff.

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wesentliche Sanierungsschritte begonnen und umgesetzt werden, um das Krisenunter-nehmen zu stabilisieren, gegebenenfalls bereits profitabel zu machen oder zumindest fiir einen Verkauf „zu schmiicken".

6.3 Ablauf des M&A-Prozesses

Mit Blick auf die Notwendigkeit, bei einer Unternehmenssanierung rasch zu handeln, muss der mogliche Verkauf des Krisenunternehmens selbstverstandlich forciert werden. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass ein zu groBer, transaktionsbezogener Zeitdruck nicht selten zum vollstandigen Scheitern der Verkaufsverhandlungen fuhrt. Insofern ist es entscheidend, gegemiber den Interessenten keinen zu groBen Entscheidungsdruck auf-zubauen. Im Zweifel und bei Unsicherheit wird jeder vernunftige Kaufer vom gesamten Deal Abstand nehmen. Der M&A-Prozess gliedert sich bei einem Verkaufsmandat klas-sischerweise in vier Phasen:

f Phase 1 - Analyse der Ausgangssituation ;*"* Phase 2 - Entscheidungsprozess -f* Phase 3 - Vorbereitung des Verkaufs % Phase 4 - Verhandlungsfiihrung

6.3.1 Analyse der Ausgangssituation

Unter Einbindung von M&A-Beratern, Rechtsanwalten, Unternehmensberatern etc., die auch zu Investment-Abteilungen der Kreditinstitute gehoren konnen, wird die Ausgangs­situation des Unternehmens, seines spezifischen Marktes und seiner Mitbewerber ana-lysiert. Dabei ist die wirtschaftliche Entwicklung der Vergangenheit zu hinterfragen, um die wesentlichen Starken und Schwachen des Unternehmens zu lokalisieren und daraus die wesentlichen Chancen und Risiken der weiteren Unternehmensentwicklung abzulei-ten. Die entscheidende Frage hierbei ist:

Mit welchen Produkten/Dienstleistungen, in welchen Markten, mit welchen Kunden, iiber welche Vertriebswege, mit welcher Fertigungstechnik und mit welcher internen Organisation erzielt das Unternehmen welche Ergebnisse?

Nur durch eine Analyse der Problemfelder, aber vor allem der Chancen bzw. profitablen Geschaftsbereiche ist es moglich, einen potenziellen Kaufinteressenten von der Sinn-haftigkeit des Kaufes eines Krisenunternehmens zu uberzeugen. Der potenzielle Kau­fer muss in die Lage versetzt werden, einerseits die sanierungsimmanenten Risiken abschatzen und andererseits die Moglichkeiten der zukunftigen Unternehmensentwick­lung nachvollziehen zu konnen. In dieser Phase sind gemeinsam mit dem Alteigentumer potenzielle Kaufinteressenten, die schwerpunktmaBig aus dem Kreis der Mitbewerber

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stammen diirften, zu benennen und in eine Rangfolge zu bringen. Die erste Phase des M&A-Prozesses kann innerhalb eines Monats abgeschlossen sein. Dieser Zeitraum wird gerade im Mittelstand mindestens benotigt, da die erforderlichen Unterlagen zur Unter-nehmenssteuerung oder -analyse nicht vorhanden sind und folglich erst muhsam erarbeitet werden miissen. Die Aufnahme des Verkaufsprozesses ohne verlassliches Datenmaterial ist jedoch zum Scheitern verurteilt, da spatestens im Rahmen der Unternehmensprufung durch den Kaufer (Due Diligence) nicht plausible Sachverhalte aufgedeckt werden und zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust fiihren, der den Erfolg der gesamten Transaktion in Frage stellen kann.

6.3.2 Entscheidungsprozess

Nach der Analysephase wird mit dem Alteigentumer der genaue Inhalt des Verkaufs-memorandums festgelegt. Dabei miissen die Starken des Krisenunternehmens heraus-gearbeitet werden, ohne die Problembereiche zu verschleiern. Tatsache ist, dass fast alle Krisenunternehmen Bereiche aufweisen, in denen sie profitabel arbeiten oder die relativ schnell die Gewinnzone erreichen konnten. Auch Hinweise auf zum Beispiel hohe tech-nische Kompetenz (vorhandene Patente, Lizenzen, Gebrauchsmuster etc.), eine hochqua-lifizierte Belegschaft oder solvente Kunden wirken verkaufsfordernd.

Der Schwerpunkt dieser Phase liegt in der Identifikation potenzieller Erwerber. Dazu gehoren vor allem die Analyse und Bewertung von deren Kaufinteresse. Wenn zum Bei­spiel das Unternehmen Alpha seinen Marktanteil durch (Jbernahme eines Mitbewerbers gerade von 20 Prozent auf 30 Prozent erhoht hat, ist es wahrscheinlich, dass der starkste Konkurrent von Alpha ebenfalls seine Marktposition ausbauen will und damit mit Prio-ritat angesprochen werden sollte. Ebenso konnten Unternehmen, fur die das Krisen­unternehmen in regionaler oder kundenbezogener Hinsicht eine echte Erganzung dar-stellt, Ansprechpartner sein. Auf der Analyse der potenziellen Kaufer basiert letztlich die Reihenfolge der Ansprache. Parallel sollten nicht mehr als fiinf Zielkaufer kontaktiert werden, um eine Verzettelung zu vermeiden. Gibt es mehr als fiinf potenzielle Kauf-interessenten, werden unter Umstanden mehrere Kontaktrunden nacheinander geschaltet. Der Abschluss dieser Phase ist nach friihestens vier Wochen realistisch.

6.3.3 Vorbereitung des Verkaufs

In der Umsetzungsphase nimmt der M&A-Berater Kontakt mit den ersten fiinf Zielkau-fern auf. Dabei erhalten diese in stark anonymisierter Form grobe Parameter zum Ziel-unternehmen (Branche, UmsatzgrbBe u.A.), mit denen eine Identifizierung ausgeschlos-sen sein sollte. Bekunden die potenziellen Erwerber ihrerseits Interesse, erhalten sie nach Unterzeichnung einer Geheimhaltungserklarung, die fiir jede Zuwiderhandlung eine empfindliche Geldstrafe vorsieht, das Verkaufsmemorandum. Es ist durchaus iiblich, die

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vertraulichen Informationen den Interessenten in verschiedenen Stufen zur Verfiigung zu stellen und zwischenzeitlich die Abgabe eines unverbindlichen Kaufpreisangebotes zu verlangen, um die Ernsthaftigkeit des Kaufinteresses zu testen. Zur Sicherstellung eines koordinierten Vorgehens aller Parteien sind neben dem Altunternehmer und M&A-Be-rater Steuerberater und Rechtsanwalte einzuschalten, die die wesentlichen gesellschafts-rechtlichen und steuerlichen Auswirkungen des Verkaufs abzuschatzen wissen. Zur Ver-trauensbildung zwischen den Verfahrensbeteiligten sollten die Kreditinstitute iiber den Fortgang der Verkaufsbemuhungen zeitnah unterrichtet bleiben, um die Finanzierung des Krisenunternehmens offen zu halten und den Unternehmensverkauf uberhaupt zu ermog-lichen. Im Regelfall nimmt diese Phase eins bis zwei Monate in Anspruch.

6.3.4 Verhandlungsphase

Im nachsten Schritt werden die eigentlichen Verkaufsverhandlungen - einschlieBlich der Besichtigung des Zielunternehmens - eingeleitet. Dabei werden

'f-. die wichtigsten Daten des Zielunternehmens (Eigenkapital, Verschuldung, Bilanz-summe, Umsatz, EBITDA, EBIT, Cashflow etc.) bestimmt,

> die wichtigsten vertraglichen Bindungen des Zielunternehmens aufgelistet (Liefer-und Leistungsvertrage, wesentliche Miet- und Pachtvertrage etc.),

t: die wesentlichen SanierungsmaBnahmen definiert (Kapitalschnitt, Eigenkapitalstar-kung, Personalabbau, SchlieBung von Niederlassungen etc.),

%, die zukiinftigen Beteiligungsverhaltnisse festgelegt (Neu-Gesellschafter, Alt-Gesell-schafter, Management, Belegschaft etc.) und - darauf aufbauend -,

& der Kaufpreis festgelegt, dessen Hohe vom Eintreffen der o.g. Daten abhangt.

Den Abschluss dieser Phase bildet die Niederschrift eines Letter of Intent (LOI). Darin verpflichten sich die Vertragsparteien i.W.,

?i keine weiteren Verhandlungen mit anderen Marktteilnehmern zu fiihren, & iiber die Erkenntnisse aus den Verhandlungen Stillschweigen zu bewahren, "& zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einem bestimmten Zeitraum die Kaufpriifung

(Due Diligence) des Zielunternehmens vorzunehmen, ^ alles zu unterlassen, was dem Verkaufsprozess schaden konnte, und 4 den Kaufpreis bzw. die Bedingungen der Unternehmensiibernahme im Sinne der

zuvor festgelegten Parameter in einem endgiiltigen Kaufvertrag zu fixieren.

Die sich anschlieBende Due Diligence veranlasst in der Regel der potenzielle Kaufer. Zu seinem Schutz ist er bestrebt, mogliche Risikopotenziale zu identifizieren, um ge-gebenenfalls von seinem Kaufinteresse zuruckzutreten bzw. diese kaufpreismindernd in die weiteren Verhandlungen einzubringen. Grundsatzlich ist die Due Diligence eine Art Unternehmensbewertung. Der Begriff steht fur die systematische und detaillierte Prii-fung von Geschaftsablaufen, Daten, Vertragen und Rechtsbeziehungen einer Gesellschaft

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durch Wirtschaftspriifer, Rechtsanwalte, Unternehmensberater und Unternehmensinterne mit dem Ziel, ein Gesamtbild von dem Unternehmen zu erlangen. Dabei sind die Leis-tungsfahigkeit des Unternehmens und die Kernfaktoren des Unternehmenserfolges zu identifizieren sowie die wesentlichen Chancen und Risiken der weiteren Unternehmens-entwicklung zu bestimmen. Zur effizienten Durchflihrung bedarf es einer fruhzeitigen Festlegung der Analyseschwerpunkte und Prufungsablaufe. In der Praxis hat sich eine zielgerichtete Zusammenstellung von Unterlagen durch den Verkaufer anhand von Checklisten bewahrt. Vor Beginn der eigentlichen Due Diligence erfolgt ublicherweise eine detaillierte Auswertung vorliegender Jahresabschliisse sowie die Erhebung von Markt- und Branchendaten, bevor vor Ort mit der Arbeit begonnen wird. Dem Due-Dili­gence-Team werden die vollstandigen Unterlagen der Gesellschaft in einem gesonderten Raum, dem Data-Room, zur Einsichtnahme zur Verfugung gestellt. Besonders sensible Informationen wie zum Beispiel Kundenlisten, Einkaufspreise, Gehalter der leitenden Mitarbeiter etc. sind dabei von Verkauferseite zum eigenen Schutz zu anonymisieren. Der Kaufinteressent definiert vor Beginn der Due Diligence Abbruchkriterien, so genannter Deal-Breaker, bei deren Eintreten er von seinem ursprunglichen Kaufinteresse zuriick-tritt.

Die Due-Diligence-Prufung umfasst in der Regel folgende Teilgebiete:

^ die wirtschaftliche Due Diligence, II die technische Due Diligence, & die organisatorische Due Diligence, & die Personal-Due-Diligence, t-: die rechtliche Due Diligence, '£ die steuerliche Due Diligence, '& die Due Diligence zur kunftigen Unternehmensentwicklung.

Die Verhandlungsphase endet mit dem rechtsgiiltigen Abschluss eines Unternehmens-kaufvertrages, der zusammen mit einem in diesen Angelegenheiten erfahrenen Rechts-anwalt formuliert werden sollte, sowie der Ubergabe des Unternehmens. Insgesamt ist fiir die Verhandlungsphase inklusive Due Diligence eine Zeitdauer von sechs bis zwolf Wochen zu veranschlagen.

6.4 Kaufpreisfindung

Die Motive und Erwartungen der Beteiligten nehmen wesentlichen Einfluss auf den Ver-lauf und Ausgang der Kaufpreisverhandlungen. Der Kaufpreis eines Unternehmens ist durch kein analytisches oder mathematisches Verfahren exakt zu bestimmen. Er hangt im Grunde vom Ausgang der Preisverhandlungen ab. Dies gilt gerade fur Krisenunter-nehmen, da diese seit mehreren Jahren negative operative Ergebnisse ausweisen.

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Zur Unternehmensbewertung bieten sich folgende Verfahrensweisen an:

M die Substanzwertmethode, fe die Ertragswertmethode, # die Cashflow-Analyse und M das Multiplikatorverfahren.

6.4.1 Substanzwertmethode

Unter dem Substanzwert ist der Wert zu verstehen, der sich aus der Subtraktion des Fremdkapitals von alien bilanzierungsfahigen und dariiber hinaus auch alien nicht bilan-zierungsfahigen Vermogenswerten eines Unternehmens ergibt. Grundgedanke der Sub­stanzwertmethode ist die Frage nach dem Preis, den eine Partei aufwenden miisste, um das zu erwerbende Unternehmen in seiner heutigen Form aufzubauen. Hierbei geht die Unternehmensbewertung von den heutigen Wiederbeschaffungskosten aus. Bei der An-wendung des Substanzwertverfahrens stellt die Bilanz die Ausgangsbasis dar. Samtliche Aktiva und Passiva sind - erganzt durch nicht erfasste Werte (auch als „Goodwill" be-zeichnet) wie zum Beispiel Markenname, Auftragsbestand, Kundenstamm, Humanver-mogen, Standorte und Filialnetz etc. - aufzulisten und zu bewerten. (Sofern die Summe der „Erganzungs-Werte" einen Nachteil ergibt, miisste natiirlich von einen „Badwill" die Rede sein. Dies ist gerade bei einem Sanierungsfall denkbar). Vom reproduktionswert-orientierten Substanzwert unterscheidet sich der Liquidationswert, der den erwarteten Erlos aus einer Unternehmensauflosung darstellt. Charakteristisch fur den Liquidations­wert ist der aktuelle Marktpreis unter Berucksichtigung von Aufwendungen fiir die Be-seitigung von Wirtschaftsgiitern. Dieser gewinnt beim Verkauf von Krisenunternehmen an Bedeutung, da der Kaufinteressent die teilweise nur schwer auslotbaren Gefahren beim Kauf eines Unternehmensmantels einer Kapitalgesellschaft (Share-Deal) zu vermeiden sucht, indem er nur das Anlage- und Umlaufvermogen erwirbt (Asset-Deal). Im Zuge zu-nehmender Kritik, die von der Uberlegung ausging, dass der Wert eines Unternehmens sich nicht aus der Substanz, sondern i.W. aus seinen zukunftig Ertragen herleitet, wird heute den so genannten Ertragswertmethoden der Vorzug eingeraumt.

6.4.2 Ertragswertmethode

Der Ertragswert bezeichnet den zukiinftigen Nutzen, den der Kaufer durch den Erwerb des Unternehmens erlangt. Dieser wird interpretiert als Gewinn, den das Unternehmen in einem bestimmten Betrachtungszeitraum erwirtschaftet. Der zukiinftige Gewinn wird zu-nachst geschatzt. AnschlieGend ist der Barwert der zukiinftigen Gewinne mittels Kalkula-tionszinsfuB zu berechnen. Der Ertragswert entspricht dem Barwert der prognostizierten, zukiinftigen operativen Gewinne. Die Hohe des Ertragswertes wird i.W. durch den Be­trachtungszeitraum, den KalkulationszinsfuB und die Entwicklung des Verhaltnisses zwi-

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schen Umsatz und Aufwand bestimmt. Die Lange des Betrachtungszeitraums hangt von den Motiven des Bewertenden ab. Sie verhalt sich umgekehrt proportional zur Planungs-sicherheit. Der Planungshorizont aus Kaufersicht bestimmt sich u.a. durch einen eventuell zu Beginn des Vorhabens bereits geplanten Wiederausstieg aus dem Unternehmen. Bei einem kurzfristigen Investment ist vor allem die Prognose des Wiederverkaufswertes von Bedeutung. Im Allgemeinen wird jedoch aus Vereinfachungsgrunden eine unbegrenzte Existenz des Unternehmens unterstellt. Der Gewinn ist folglich als ewige Rente zu ka-pitalisieren. Der KalkulationszinsfuB ermoglicht eine stichtagsbezogene Addition der Ge-winne und damit den Vergleich mit einer alternativen Investition. Zur Hohe des Kapitali-sierungszinsfuBes bestehen verschiedenartige Auffassungen, da dieses Thema zum Teil in komplizierte mathematische Modelle der Investitionsrechnung eingebunden ist. Stark ver-einfacht lasst sich resiimieren, dass die Hohe - als ein pauschaler Ausdruck der Renditeer-wartungen - sich im Allgemeinen an der besten alternativen Verwendungsmoglichkeit des Investors orientiert. Der Kalkulationszins ist in diesem Kontext als Ausdruck der Oppor-tunitatskosten (= Kosten des entgangenen Nutzens) fiir das zur Finanzierung eingesetzte Kapital zu interpretieren. In der Praxis bedient man sich aus Vereinfachungsgrunden des landesiiblichen Kapitalmarktzinses zuzuglich eines individuellen Risikozuschlages.

Bei der in der Praxis vorherrschenden Durchschnittsgewinnmethode wird lediglich ein zukunftig erwarteter Mittelwert als Gewinn prognostiziert. Die Grundlage fiir die Ermitt-lung dieses Gewinnes bilden die Jahresabschlusse der letzten drei bis fiinf Jahre, welche analysiert und um betriebsfremde, aperiodische und auBergewohnliche Einflussfaktoren sowie um Verzerrungen aufgrund von Bilanzierungswahlrechten bereinigt werden. Der Ertragswert ergibt sich aus der Kapitalisierung dieses Mittelwertes als ewige Rente, da eine zeitlich unbegrenzte Ertragsentwicklung des Unternehmens unterstellt wird. Die­ses stark vergangenheitsorientierte und vereinfachte Verfahren birgt erhebliche Risiken. Trotzdem kommt es wegen der relativ einfachen Handhabung oft zur Anwendung. Im Sinne einer Verfeinerung der Durchschnittsgewinnmethode werden bei der Phasen-Me-thode die Gewinne fiir bestimmte Zeitraume separat geschatzt und diskontiert, da realiter nicht von einer konstanten Gewinnentwicklung auszugehen ist und die Bestimmung der Jahresergebnisse mit zunehmendem Betrachtungszeitraum ungenauer wird. Die Summe der abgezinsten Ergebnisse ergibt letztlich den Ertragswert. In der ersten Phase werden auf der Basis vorliegender Geschaftsplane die Gewinne individuell ermittelt, die in der zweiten Phase mittels Trendrechnung weiterzuentwickeln sind. In der dritten Phase wird ein konstanter Gewinn als ewige Rente diskontiert und kapitalisiert.

6.4.3 Cashflow-Analyse

Der Cashflow gibt an, wieviel Finanzmittel zur Substanzerhaltung, zum Wachstum, zur Schuldentilgung oder zur Gewinnausschiittung durch das Unternehmen erwirtschaftet werden konnen. In den USA gilt die Diskontierung des projizierten Cashflows als vor-herrschende Bewertungsmethode. Dies liegt vor allem an der Betonung der Finanzier-

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barkeit der Transaktionen im M&A-Sektor. Die Cashflow-Analyse ist im Grunde ein Er-tragswertverfahren, bei dem der Ertrag durch den Cashflow interpretiert wird. Sie besitzt den Vorteil, dass sie neben der Ermittlung des Unternehmenswertes detaillierte Aussagen uber einen Tilgungsplan erlaubt, da der Cashflow eine Liquiditats-Kennzahl darstellt. Dies ist fur die durch den Unternehmenskauf oft hoch verschuldeten und liquiditatsbelas-teten Kaufer in der Regel von groBer Bedeutung.

6.4.4 Multiplikatorverfahren

Aufgrund der Komplexitat bei der Unternehmensbewertung mittels Ertragswert- oder Cashflow-Verfahren werden in der Praxis auch so genannte Multiplikatorverfahren he-rangezogen. Hierbei wird der Kaufpreis als Vielfaches (Multiplikator) einer bestimmten BezugsgroBe (z.B. Umsatz oder EBIT) auf Basis der erzielten Kaufpreise fur vergleich-bare Unternehmen ermittelt. Das oftmals als „Faustformer oder „Richtwert" bezeichnete Multiplikatorverfahren kann nach Durchfuhrung bestimmter AufbereitungsmaBnahmen, wie z.B. die Bereinigung des EBIT um Sondereffekte, unter Kosten-Nutzen-Aspekten eine adaquate Bewertungsmethode darstellen.

EBIT- und Umsatzmultiplikatoren werden monatlich fiir borsen- und nicht borsennotierte Unternehmen (Small-, Mid- and Large-Caps) nach Branchenschlusseln z.B. in dem Fach-magazin FINANCE veroffentlicht (so genannte. FINANCE-Expertenpanele unter www. finance-magazin.de).

Quelle: finance magazin, Stand: Juli/August 2005)

Tabelle 6: EBIT- und Umsatzmultiplikatoren fiir den Unternehmenswert

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6.4.5 Problematik negativer Cashflows

Die Bewertung mit Hilfe diskontierter Cashflows eignet sich insbesondere fiir Unterneh-men mit positiven Finanzuberschiissen. Eine Sanierung kostet jedoch zunachst einmal „Geld". Die Investitionen in einzelne RestrukturierungsmaBnahmen konnen regelmaBig erst aus den zukiinftigen Sanierungserfolgen erwirtschaftet werden. Insofern werden po­sitive Cashflows - zumindest zu Beginn der Sanierung - die Ausnahme darstellen. Vor diesem Hintergrund wird die Anwendung von ertrags- sowie cashfloworientierten Be-wertungsmethoden bei der Bewertung von Krisenunternehmen regelmaBig zu verfalsch-ten Unternehmenswerten fiihren.

Sind bei einem sanierungsfahigen Krisenunternehmen die Cashflows uberwiegend nega-tiv, wird die Bewertungsproblematik schnell ersichtlich. Durch Diskontierung der Zah-lungsstrome ergibt sich unter Umstanden. ein negativer Unternehmenswert.

Tabelle 7: Bewertung von Krisenunternehmen mit negativem Cashflow - Fall 1

Reichen die zukiinftigen diskontierten Cashflows nicht aus, um die negativen Ergebnisse eines „Sanierungsjahres" auszugleichen, empfiehlt sich die Anwendung der Substanz-wertmethode (vgl. hierzu auch Abschnitt 6..4.1). Aber auch fiir den Fall, dass die zu­kiinftigen diskontierten Uberschusse die Sanierungsverluste ausgleichen, fiihrt die tradi-tionelle Discounted-Cashflow-Methode bzw. die Ertragswertmethode unter Umstanden zu unplausiblen Unternehmenswerten. Ein weiteres Beispiel soil diesen Sachverhalt wie-derum verdeutlichen. AnnahmegemaB sind zwei Investoren an einem sanierungsfahigen Krisenunternehmen interessiert. Investor A fordert eine Rendite von 15 Prozent, Investor B von 20 Prozent (siehe Tabelle 8).

Auf den ersten Blick erscheinen die Ergebnisse der beiden Unternehmensbewertungen plausibel. Der Unternehmenswert von Investor B ist aufgrund des hoheren Kapitalisie-rungszinses (als Ausdruck einer hoheren Risikopramie bzw. Renditeerwartung) geringer. Betrachtet man jedoch nur die ersten beiden Jahre der Berechnungen wird ersichtlich, dass der Unternehmenswert von Investor B - trotz hoherer Risikopramie - in den ersten zwei Jahren um ca. vier Prozent hoher ist, als der Unternehmenswert von Investor A, der mit einem fiinf Prozent geringeren Kapitalisierungszins rechnet. Finanzmathematisch wird die Differenz durch den Diskontierungseffekt des negativen Cashflows herbeige-flihrt. Je hoher der Abzinsungsfaktor ist, desto geringer sind - finanzmathematisch ge-

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Tabelle 8: Bewertung von Krisenunternehmen mit negativem Cashflow - Fall 2a

sehen - die den Unternehmenswert belastenden Auswirkungen des negativen Cashflows. Dies bedeutet jedoch, dass der Unternehmenswert bei einer hoheren Risikopramie (=Ka-pitalisierungszinssatz) groBer ware als bei einer geringeren Risikopramie. Dies ist ein Widerspruch. Bei einem hoheren Diskontierungszins als Ausdruck einer hoheren Rendi-tenwartung bzw. Risikobewertung des Investors musste sich der Unternehmenswert ver-ringern.

Ein an der Praxis orientierter Losungsansatz konnte darin bestehen, negative Cashflows nicht mit dem gewahlten Kapitalisierungszins zu diskontieren, sondern immer mit einem alternativen Anlagezins (z.B. vier Prozent, orientiert an risikoarmen Bundesanleihen) als Ausdruck der Renditemoglichkeiten einer zur Finanzierung der negativen Cashflows alternativen Geldanlage.3

Der Unternehmenswert von Investor A fallt bei der Anwendung unterschiedlicher Ka-pitalisierungszinssatze im 1. Jahr geringer aus als bei der Anwendung eines einheitlichen Abzinsungsfaktors. Im Vergleich zum Investor B ist die Risikoaversion (der ersten zwei Jahre) wieder hergestellt.

Die Problematik negativer Cashflows bei der Bewertung von Krisenunternehmen wurde nach Auffassung der Autoren in der Betriebswirtschaft bislang kaum untersucht. Als Fazit lasst sich Folgendes festhalten:

Wird bei der Bewertung eines Unternehmens mit negativen Cashflows ein einheitlicher Kapitalisierungszins verwendet, so ist davon auszugehen, dass der berechnete Unter­nehmenswert zu hoch ist.

3 Vgl. H.Graw/K. Peppmeier, Unternehmen in der Krise richtig bewerten, Kredit und Rating Praxis, 01/2002 sowie Ernst/Schneider/Thielen, Unternehmensbewertungen erstellen und verstehen, Miinchen 2003, S. 142.

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Tabelle 9: Bewertung von Krisenunternehmen mit positiven Cashflows - Fall 2b

6.4.6 Probleme der Kaufpreisfindung

Die Frage, ob eine Bewertungsmethode geeignet ist, hangt letztlich davon ab, ob sie konsequent eingesetzt und wie ihr Ergebnis interpretiert wird. Dabei kommt es darauf an, welche Vertragspartei die Wertermittlung in Auftrag gegeben hat. Aus den unter-schiedlichen Motiven resultieren regelmaBig abweichende Vorgehensweisen. So ist ftir Kapitalgeber eher die Finanzierbarkeit der Transaktion maBgebend (= Praferenz des Ertragswertverfahrens bzw. der Cashflow-Analyse), wohingegen fiir den Verkaufer auch noch alternative Verwertungsmoglichkeiten (zum Beispiel die Liquidierung des Unternehmens = Ermittlung des Liquidationswertes) eine Rolle spielen durften. Durch subjektive Einflusse, Bewertungsspielraume und Unsicherheit bei der Einschatzung zukunftiger Entwicklungen werden selbst bei der Anwendung des gleichen Verfahrens unterschiedliche Gutachter in der Regel auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kom-men. Die Gestaltung von Garantie- und Gewahrleistungsregeln sowie Sachmangelhaf-tungen im Kaufvertrag hat in diesem Sinne starken Einfluss auf den Unternehmens-kaufpreis.

Ob die skizzierten Bewertungsmethoden im Zusammenhang mit dem Kauf eines Krisen-unternehmens zur Anwendung kommen, hangt sicherlich sehr vom Einzelfall ab und ist zumindest fraglich. Mit Blick auf die in der Vergangenheit regelmaBig negativen ope-rativen Ergebnisse und die ungewissen Zukunftsaussichten des Unternehmens wiirden bei konsequenter Anwendung der Ertragswertverfahren negative Unternehmenswerte

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die Folge sein.4 Auch die Entwicklung eines Business-Plans, der unter Einbeziehung der moglichen SanierungsmaBnahmen zu positiven operativen Ergebnissen gelangt, diirfte - streng genommen - nicht Basis fur eine Unternehmensbewertung sein, da erst die Auf-nahme des neuen Gesellschafters die Umsetzung der Sanierung gewahrleistet. Insofern ist dem positiven Business-Plan kein eigenstandiger Wert beizumessen. Vielmehr hangt die weitere Entwicklung des Krisenunternehmens von der konsequenten Umsetzung der SanierungsmaBnahmen durch den Erwerber ab. Dieser wird wohl kaum bereit sein, fiir seine eigenen, zukiinftigen Leistungen einen Kaufpreis zu zahlen. Realistischerweise kommt beim Unternehmensverkauf als SanierungsmaBnahme der Bewertung des Sub-stanzwertes entscheidende Bedeutung zu.

Der potenzielle Erwerber wird die Substanz des Unternehmens unter Going-Concern-Gesichtspunkten bewerten - insbesondere Kundenstamm, Know-how der Mitarbeiter, Vertriebsstrukturen etc. - und den Verbindlichkeiten gegeniiberstellen. Ein vorsichtiger Kaufmann versucht im Rahmen einer solchen Betrachtung, alle Bewertungsrisiken auf der Aktivseite der Bilanz - vor allem in den Debitoren, im Warenlager, in den halbfer-tigen und fertigen Arbeiten - zu erfassen. AuBerdem muss er den notwendigen Geld-mitteleinsatz zur Umsetzung der SanierungsmaBnahmen quantifizieren. Am Ende sei­ner Uberlegungen stellt der potenzielle Erwerber nicht selten fest, dass die bilanzielle Schieflage des Krisenunternehmens und die Hohe der zur Sanierung notwendigen Mit-tel weitaus groBer sind, als dies zu Beginn der Verkaufsverhandlungen von ihm einge-schatzt worden war. Folglich macht er seinen Einsatz von einem Kapitalschnitt seitens der Banken abhangig. Diese werden einer solchen MaBnahme nur zustimmen, wenn den Altunternehmern kein Kaufpreis zuflieBt. Allenfalls der Abschluss eines Berater- oder Arbeitsvertrages und die Aufrechterhaltung von bestehenden Pensionsanspriichen sind in der Praxis diskutierbar.

6.5 Finanzierung von Unternehmensubernahmen

RegelmaBig wird die Einbeziehung einer neuen Bankverbindung dadurch erschwert, dass es sich bei dem Unternehmen um einen Sanierungsfall handelt. Die Finanzierung des neuen Gesellschafters durch die bisherige Hausbank des Unternehmens ist vor die-sem Hintergrund zunehmend ublich, auch wenn zuvor nicht selten Kapital- oder Zins-verzichte von den Kreditinstituten verlangt worden sind. Hierbei gibt es eine vielfaltige Palette von Finanzierungsmoglichkeiten. Zu unterscheiden sind zunachst die Bereiche des Eigenkapitals und des Fremdkapitals. Innerhalb dieser Kategorien haben sich weitere Finanzierungsvariantenherausgebildet.

Die zur Finanzierung einer Ubernahme existierenden Finanzierungsmoglichkeiten un­terscheiden sich mit Blick auf die Besicherung, die Art, die Hohe und den Zeitpunkt

4 Vgl. hierzu ausfuhrlich Abschnitt 6.4.5.

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der Zinszahlungen, die Tilgungsmodalitaten sowie die Differenzierung in vorrangige und nachrangige Mittel. Die Bezeichnung „vorrangig" dient dabei lediglich der Differenzie­rung zum „nachrangigen" Fremdkapital (Mezzanine-Capital), bei dem regelmaBig eine Rangrucktrittsvereinbarung gegeniiber den vorrangigen Verbindlichkeiten erklart wird. Viele Finanzierungskonzepte fiir einen Unternehmenskauf (typischerweise zum Beispiel bei einem MBO/MBI) bedingen aufgrund der fehlenden Eigenmittel des Kaufers einen hohen Fremdfinanzierungsgrad. Die Festlegung, ob sich der Kaufer mit seinem gesam-ten Vermogen und evtl. sogar noch dariiber hinaus mittels privater Kreditaufnahme und Burgschaften beteiligen soil oder ob eine im Verhaltnis zu seinem Vermogen spurbare Beteiligung ausreicht, ist regelmaBig umstritten. Gehen die Kaufer ein hohes personli-ches Risiko ein, so unterstellen externe Kapitalgeber in der Regel eine hohere Motivation und schenken dem Vorhaben tendenziell groBeres Vertrauen. In der Praxis wird der Kau­fer jedoch gerade in einem Sanierungsfall, bei dem die finanzierenden Kreditinstitute erhebliche Eigeninteressen verfolgen, unter Hinweis auf seine zuklinftigen Sanierungs-bemiihungen jegliche personliche Haftung von sich weisen. Im Gegenteil wird er von den Kreditinstituten - vor allem von denjenigen, die die weitere Sanierung nicht begleiten wollen - erhebliche Kapitalzugestandnisse in Form eines Darlehensverzichtes - oder besser, weil in der Regel ertragsteuerneutral - in Form eines Darlehensverkaufes an ihn selbst zu einem symbolischen Kaufpreis verlangen.

Je nach Konstruktion stehen im Rahmen der Kaufpreisfinanzierung typischerweise fol-gende Besicherungsalternativen zur Auswahl:

die Verpfandung der Geschaftsanteile der Zielgesellschaft und die Beleihung der Aktiva der Zielgesellschaft.

Abbildung 26: Finanzierungsvarianten der Kaufpreisfinanzierung

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Tabelle 10: Finanzierungsquellen einer Unternehmensiibernahme

Die Bewertung der ersten Alternative ist problematisch. Im Vergleich zu anderen Glau-bigern der Zielgesellschaft (zum Beispiel den Banken, die den Betriebsmittelkredit zur Verfugung stellen) befindet sich diese Sicherheit strukturell im Nachrang. Machen die Kreditinstitute von ihrem Pfandrecht Gebrauch, so nehmen sie lediglich eine Art Gesellschafterfunktion ein, ohne direkte Zugriffsmoglichkeiten auf die Aktiva. Im Rahmen der zweiten Besicherungsalternative stellt sich die Frage, inwieweit die Ka-pitalerhaltungsvorschriften5 einer Sicherung aus dem Vermogen der Zielgesellschaft fiir den vom Kaufer aufzunehmenden Akquisitionskredit entgegenstehen. Danach darf die Gesellschaft an den Gesellschafter keine Leistung erbringen, die das Gesellschafts-kapital angreift.6 Durch Bestellung und Verwertung von Sicherheiten aus dem Gesell-schaftsvermogen fiir Verbindlichkeiten des Gesellschafters konnte o.g. Grundsatz ver-letzt sein. Hieraus ergabe sich unter Umstanden ein Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmens gegentiber dem Kreditinstitut als Glaubiger. Das in diesem Zusammen-hang vom BGH 1998 erlassene Grundsatzurteil stellt klar, dass das Einlagenriickge-wahrverbot im Sinne des GmbH-Rechts sich grundsatzlich nur an die Gesellschafter und die Gesellschaft selbst und nicht gegen Dritte (zum Beispiel Kreditinstitute) richtet. Die Rechtsbestandigkeit von Sicherungsgeschaften im Zusammenhang mit der Ein-lagenriickgewahrproblematik hangt dabei ausschlieBlich von den Umstanden zum Zeit-punkt der Bestellung der Sicherheit ab. Die Kreditbesicherung durch eine GmbH fiir Verbindlichkeiten eines Gesellschafters konnten zwar nach allgemeinen Sittenwidrig-keitsgrundsatzen7 unwirksam sein. Dies setzt jedoch die Gefahrdung anderer Glaubiger sowie Tauschungsabsicht oder Schadigungsvorsatz seitens des Kreditinstitutes voraus.8

5 Vgl. §§ 30, 31 GmbHG. 6 Vgl. §§ 30-32 GmBHG; § 174 Abs. 4 HGB; §§ 30-32 AktG. 7 Vgl. § 136 BGB. 8 Vgl. BGH - NJW 1997, S. 2599, und BGH - ZIP 1998, S. 1352, sowie BGH - GmHR 1999, S. 921.

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Die geschilderten Besicherungsproblematiken entstehen insbesondere im Rahmen von Unternehmensubernahmen im Wege des Leverage Buy-out (LBO). Bei dieser Trans-aktionsstruktur griinden die Investoren (Finanzinvestor und/oder MBO-/MBI-Manager) regelmaBig eine Kaufergesellschaft (so genannter „New Co"), um die Anteile an dem Ziel-Unternehmen zu erwerben. Um einen moglichst hohen Leverage-Effekt zu erzielen, nimmt die „NewCo" fur den Anteilserwerb erhebliche Fremdmittel auf. Das Eigenkapital der „New Co" wird von den Finanzinvestoren und/oder den MBO-/MBI-Managern ge-halten. Bis auf den Anteilsbesitz hat die „NewCo" regelmaBig keine wesentlichen Ver-mogensgegenstande und kein eigenes operatives Geschaft. Insofern sind der Kapitaldienst sowie das Sicherheitenpotenzial fiir die Fremdfinanzierung durch das Zielunternehmen darzustellen. Als Besicherungsalternativen stehen dabei die Geschaftsanteile des Ziel-unternehmens oder die Aktiva zur Auswahl. Wie bereits dargestellt ist die Besicherung der Geschaftsanteile u.a. vor dem Hintergrund mangelnder Zugriffsmoglichkeit der Kre-ditinstitute problematisch (vgl. a.a.O.). AuBerdem bestehen im Falle einer Krisensituation der Zielgesellschaft Risiken hinsichtlich der Werthaltigkeit der „Beteiligung". Insofern sind die Fremdmittel nach Moglichkeit mit den Vermogensgegenstanden (Aktiva) der Zielgesellschaft zu besichern. Wenn die Zielgesellschaft Darlehensverbindlichkeiten der „NewCo" besichert, entstehen wiederum grundsatzlich folgende Problemfelder:9

f Erstattungspflicht nach § 31 Abs. 1 GmbHG aufgrund des VerstoB der Sicherheiten-bestellung gegen § 30 Abs. 1 GmbHG.

fl Haftungsgefahr fiir die „NewCo" und gegebenenfalls deren Gesellschafter im Insol-venzfall des Zielunternehmens fiir nicht einzelausgleichsfahige Verbindlichkeiten, da die Veranlassung zur Sicherheitenbestellung einen existenzvernichtenden Eingriff darstellt.

Eine Vertiefung der Problembereiche geht iiber den Rahmen dieses Praktikerhandbuchs hinaus. Es ist festzustellen, dass die in den letzten Jahren vorgenommene Rechtsspre-chung des BGH im Zusammenhang mit der Gestaltung von LBO-Transaktionen zu einer Erhohung des Risikos der Beteiligten gefiihrt hat. Eine abschlieBende und voll umfang-liche Stellungnahme durch den BGH oder Gesetzgeber ist noch nicht erfolgt. Bis zur Klarstellung sollten daher im Rahmen eines LBO-Modells besondere Sicherungsvorkeh-rungen unter Einschaltung erfahrener Rechts- und Steuerberater getroffen werden.

Ein weiterer Baustein bei der Finanzierung ist der Verzicht des Verkaufers auf sofortige Bezahlung des Kaufpreises. Er erhalt fiir den gestundeten Kaufpreis einen Schuldschein mit nachrangigem Charakter, welcher als Sellers-Note bezeichnet wird. Diese Variante der mezzaninen Finanzierung erlaubt jede Gestaltungsfreiheit beziiglich Zinsen und Til-gung. Der Einsatz der Sellers-Note hangt vor allem von der Bereitschaft des Verkaufers ab, das Vorhaben zu unterstiitzen. Sollte vor dem Hintergrund der unsicheren Zukunft des Krisenunternehmens uberhaupt ein Kaufpreis zu erzielen sein, werden gerade die be-

9 Vgl. ausfiihrlich Dr. P. Wessels, C.-D. Konig, „Bestellung aufsteigender Sicherheiten beim Leveraged Buy-Out", M&A Review 07/2005, S. 312 ff.

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teiligten Kreditinstitute dafur Sorge tragen, dass der Altunternehmer erst dann an einem moglichen Unternehmenswert partizipiert, wenn die Unternehmenssanierung weit fort-geschritten erscheint.

6.6 Fallbeispiel einer strukturierten Finanzierung

Im Folgenden soil anhand eines Fallbeispiels aufgezeigt werden, wie eine Transaktions-sowie Finanzierungsstruktur in der Praxis gestaltet werden kann. Hierbei handelt es sich sicherlich um ein „idealtypisches" Szenario. Ziel ist es jedoch, einen moglichen M&A-Prozess sowie dessen Finanzierungsmodell zu verdeutlichen.

6.6.1 Schilderung der Ausgangslage

Die Senior GmbH ist seit 1955 auf dem Gebiet der Entwicklung und Fertigung von Stanz-teilen und Baugruppen fur die deutschen und zunehmend europaischen Zulieferer der Automobilindustrie tatig. In den letzten sechs Jahren wurde mit etwa 90 Mitarbeitern ein Umsatzvolumen von 9 Mio. € und eine Umsatzrendite von sechs Prozent (vor Steuern) erwirtschaftet.

Aufgrund geanderter Marktverhaltnisse ist der Umsatz im letzten Geschaftsjahr eingebro-chen. Es wurde zum ersten Mai seit Jahren operativ ein Verlust erwirtschaftet. In der Ver-gangenheit wurden die Gewinne teilweise thesauriert. Das Unternehmen ist derzeit nicht uberschuldet. Durch langjahrig gewachsene Kundenbeziehungen sowie geplante strategi-sche F&E-Kooperationen mit einzelnen Stammkunden bestehen Restrukturierungspoten-ziale, die das Unternehmen kurzfristig in die Gewinnzone bringen konnten. Ein plausibles Sanierungskonzept wurde erarbeitet. Verstarkt wird die Krise jedoch durch die Alters-struktur in der Geschaftsleitung. Diese ist immer noch am Fortbestand des Unternehmens interessiert, fiihlt sich jedoch den Anforderungen einer Sanierung nicht mehr gewachsen.

6.6.2 Entscheidungsprozess und Nachfolgekonzept

Die Alt-Gesellschafter „K", „A" und „E" beabsichtigen im Wege einer strukturierten Nachfolgeregelung den Verkauf ihrer Geschaftsanteile, um die operative Fiihrung sowie Sanierung durch ein neues Managementteam zu ermoglichen. Gesellschafter „K" halt 80 Prozent, „A" und „E" jeweils 10 Prozent.

Die Vertriebsgeschaftsfuhrung wird derzeit durch den Gesellschafter „A", die technische Geschaftsfiihrung durch den Gesellschafter „E" und die kaufmannische Leitung durch den Geschaftsfuhrer „H" ausgetibt.

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Ein geeigneter, unternehmerisch denkender Kandidat aus der zweiten Fiihrungsebene des Unternehmens konnte nicht gefunden werden. Mit Hilfe eines Headhunters wurde der Vertriebsingenieur „Vi" und der sanierungserfahrene Unternehmensberater „UB" gefun­den. Die beiden „End-DreiBiger" haben Berufserfahrung in der Automobilindustrie und zeigen starkes Interesse an einem Erwerb des Unternehmens im Rahmen eines „Manage-ment-Buy-In" (MBI).

Neben der Vertriebsleitung soil der neue Vertriebsingenieur „VT' zukunftig gemeinsam mit der derzeitigen Betriebsleitung auch die technische Leitung iibernehmen. Der Alt-gesellschafter und ehemalige Vertriebsleiter „A" soil fiir zwei Jahre weiterhin als An-gestellter beschaftigt bleiben, um wichtige Kundenkontakte an den „VI" zu ubergeben.

Der Unternehmensberater „UB" wird zukunftig die kaufmannische Leitung sowie die Umsetzung des Sanierungskonzeptes verantworten. Eine Ubergabelosung wird fiir diese Position nicht vereinbart. Der derzeitige kaufmannische Leiter „H" steht dem „UB" je-doch in der Einarbeitungszeit zur Verfugung.

Die MBI-Manager („VT' und „UB") verfiigen iiber einen kleinen finanziellen Spielraum, sodass der groBte Eigenkapitalanteil iiber einen Finanzinvestor dargestellt werden muss. Zur Auswahl und Ansprache eines geeigneten Investors sowie fiir die Strukturierung und Begleitung des Unternehmensverkaufs wird ein auf den Mittelstand spezialisierter M&A - Berater beauftragt.

Der auf klein- und mittelstandische Unternehmen spezialisierte „Business-Angel" „BA" stuft nach Durchfuhrung einer „Due-Dilligence" das vorliegende Sanierungskonzept sowie den vorliegenden Businessplan der Senior GmbH als plausibel ein und ist von den Qualitaten des externen Managements und der geplanten organisatorischen sowie strate-gischen Fortfiihrung des Unternehmens iiberzeugt.

Die Parteien vereinbaren, dass nach einer Haltedauer des Investments von sechs bis acht Jahren der Exit des Finanzinvestors „BA" durch Verkauf an einen strategischen Investor realisiert werden soil. Dariiber hinaus wird vereinbart, dass nach Ablauf der Haltedauer des Finanzinvestors den MBI-Managern das Recht eingeraumt wird, ihren Gesellschafts-anteil durch bevorrechtigten Eigenkapitalerwerb (Optionsrecht) vom Finanzinvestor zu erhohen.

Im Rahmen einer Unternehmensbewertung wird mittels Multiplikatorverfahren ein Un-ternehmenswert in Hohe von 7.860 T€ ermittelt. Hierzu wird die Ergebnisentwicklung der letzten sechs Jahre um auBerordentliche Effekte bereinigt und ein durchschnittlicher EBIT in Hohe von 1.310 T€ ermittelt. Dieser EBIT eines „Normaljahres" wird mit dem branchenspezifischen Faktor (Multiplikator) in Hohe von 6 multipliziert.

Auf Basis dieser Unternehmensbewertung einigen sich die Parteien auf einen Kauf-preis fiir die Senior GmbH in Hohe von 5.000 T€. Der Kaufpreis entspricht dem er-rechneten Unternehmenswert abzuglich der bestehenden Bankverbindlichkeiten (siehe Abbildung 27).

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Abbildung 27: Unternehmensbewertung der Senior GmbH

6.6.3 Transaktions- und Finanzierungsstruktur

Nach einer umfassenden steuer- und handelsrechtlichen Beratung einigen sich die Parteien darauf, dass die Transaktion im Rahmen eines Asset-Deals erfolgen soil. Hierzu wird die NewCo GmbH gegrundet, mit Kapital ausgestattet und die Ver-mogensgegenstande und Verbindlichkeiten der Senior GmbH werden auf die NewCo ubertragen.

Abbildung 28: Transaktionsstruktur des Fallbeispiels

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Neben der Kaufpreisfinanzierung in Hohe von 5.000 T€ mtissen M&A-Kosten (Rechts-, Steuerberatung, Due Dilligence etc.) in Hohe von 280 T€ finanziert werden, die von der NewCo zu tragen sind. Insgesamt betragt das Investment 5.280 T€. Die Finanzierung der Transaktion (Mittelherkunft) wird wie folgt dargestellt:

Eigenkapital eines Finanzinvestors und des MBI-Teams, Verkauferdarlehen der Alt-Gesellschafter sowie Mezzanine-Capital und Bankdarlehen eines Kreditinstituts.

Abbildung 29: Finanzierungsstruktur des Fallbeispiels

6.6.3.1 Finanzinvestor/MBI-Team

Die gewahlte Finanzierungsstruktur sieht insgesamt 2.006 T€ Eigenkapitalanteil vor. Dies entspricht einem Eigenkapitalanteil an der Finanzierungssumme von 38 Prozent. Es wurde vereinbart, die MBI-Manager adaquat an dem Investitionsrisiko zu beteiligen. Die Manager ubernehmen eine Eigenkapital-Tranche in Hohe von 422 T€. Der Betrag ent­spricht etwa ihrem dreifachen Brutto-Jahreseinkommen.

Der Eigenkapitalanteil des Finanzinvestors betragt 79 Prozent, der Anteil der MBI-Manager 21 Prozent. Dem MBI-Management wird zur Schaffung eines Anreizes ein Optionsrecht („Equity Kicker") eingeraumt. Wird der vorliegende Businessplan am Ende der Haltedauer des Finanzinvestors eingehalten, so haben die MBI-Manager das Recht auf Erwerb von 5 Prozent der Anteile des Finanzinvestors zu einem Preis, der dem heuti-gen Eigenkapitalwert entspricht (100 T€ entsprechen 5 Prozent von 2.006 T€).

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6.6.3.2 Alt-Gesellschafter

Fur einen Ubergabezeitraum von zwei Jahren wird Gesellschafter „A" als Angestellter beschaftigt. Als vertrauensbildende MaBnahme („Glaube" an den Sanierungserfolg) wird die Kaufpreisforderung von „A" in Hohe von 370 T€ fiir eine Laufzeit von fiinf Jahren gestundet (so genannte „Sellers-Note").:

Laufzeit: 5 Jahre, endfallige Tilgung Zins: 5 Prozent p.a. Rang im Insolvenzfall: nach Mezzanine-Capital und Darlehen

6.6.3.3 Kreditinstitut

Aufgrund des relativ hohen Eigenkapitalanteils, der zugesagten Kaufpreisstundung des Alt-Gesellschafters und des bestehenden Sicherheitenpotenzials ist Bank B bereit, die NewCo mit einem Bankdarlehen in Hohe von 1.848 T€ zu finanzieren:

Laufzeit: 10 Jahre, Annuitat Zins: 7 Prozent p.a. Rang im Insolvenzfall: vor Mezzanine-Capital/Sellers-Note Sicherheiten: Aktiva & Anteile NewCo

Aufgrund von Rendite/Risiko-Uberlegungen ist Bank B auBerdem bereit, den verbleiben-den Finanzierungsanteil in Hohe von 1.056 T€ durch Mezzanine-Capital in Form eines Nachrangdarlehens zu decken:

Laufzeit: 6 Jahre, endfallige Tilgung Zins: 14 Prozent p.a. Rang im Insolvenzfall: vor Sellers-Note, nach Bankdarlehen

6.6.4 Auswirkungen der Finanzierungsstruktur

Auf Basis des Sanierungskonzeptes der Senior GmbH werden die Auswirkungen der gewahlten Transaktions- und Finanzierungsstruktur in eine Ergebnis-, Bilanz- und Er-tragsplanung integriert. Als Differenz aus Kaufpreis und Substanzwert der Senior GmbH wird ein Goodwill in Hohe von 3.200 T€ ausgewiesen, der iiber 15 Jahre abgeschrieben werden muss. Daruber hinaus ergeben sich durch die gewahlte Finanzierungsstruktur im Vergleich zur Senior GmbH in den einzelnen Planjahren zusatzliche Ergebnis- und Liqui-ditatsbelastungen durch den zu bedienenden Kapitaldienst der Buy-Out-Finanzierungen (Nachrangdarlehen, Sellers-Note, Bank).

Die Entwicklung der einzelnen Finanzierungskomponenten ist auf der Passivseite der Bi­lanz der NewCo nachvollziehbar. Im Plan-Jahr 5 wird das Verkauferdarlehen in Hohe von 370 T€ an den Alt-Gesellschafter „A" zuruckgezahlt. Die hohe Liquiditatsbelastung des

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Planjahrs 6 resultiert aus der Ruckfuhrung der Mezzanine-Tranche in Hone von 1.056 T€ an die Bank B. Im dargestellten Szenario wird davon ausgegangen, dass die MBI-Manager im Planjahr 6 ihre Option geltend machen und fiinf Prozent der Anteile den Finanzinves-toren zu dem vereinbarten Kaufpreis in Hone von 100 T€ abkaufen.

Der negative Cashflow im Planjahr 6 kann aus dem positiven Finanzmittelbestand am Ende des Planungszeitraums bedient werden. Die geplante Transaktionsstruktur im Rahmen dieses M&A-Modells ist unter den gewahlten Pramissen finanzierbar (siehe Tabelle 11).

6.6.5 Exit-Szenario

AnnahmegemaB soil die NewCo im Rahmen eines Trade Sales am Ende des sechsten Jahres an einen strategischen Investor verauBert werden. Im Planspiel hat der Wettbewer-ber aufgrund positiver Wachstumsprognosen ein strategisches Interesse an einer Betriebs-fortfuhrung und an einer weiteren Zusammenarbeit mit dem erfolgreichen MBI-Team. Die Beteiligten einigen sich auf den Fortbestand der Anteile der MBI-Manger in Hone von 26 Prozent und auf einen Kaufpreis in Hohe von 6.700 T€. Der Kaufpreis entspricht dem mittels Multiplikatorverfahren errechneten Unternehmenswert der NewCo. Dieser setzt sich aus dem sechsfachen EBIT in Hbhe von 1.362 T€ (0 EBIT der Szenario-Rech-nung New Co Jahr 1 bis 6), abziiglich der im Exit-Jahr verbliebenen Restverbindlich-keiten (Darlehen Bank A und Bank B), zuziiglich Barmittel zusammen.

6.6.6 Renditebetrachtung der Investoren

Im Fall des Verkaufs an einen strategischen Investor nach der Optionsausubung der MBI-Manager betragt die potenzielle Rendite des Finanzinvestors nach dem finanzmathemati-schen Modell der „Internal Rate of Return" (interne ZinsfuB, IRR):

IRR Finanzinvestor = 21 Prozent

Das MBI-Management partizipiert zunachst nicht am Exit, da von dem Fortbestand ihrer Beteiligung ausgegangen wird. Fur die Renditebetrachtung wird jedoch der Exit simuliert, um das Wertsteigerungspotenzial fiir die Anteile des MBI-Teams darzustellen. Der theoretische Exit-Erlos entspricht quasi dem 27-prozentigen Verkaufswert (Unter­nehmenswert) am Ende des Betrachtungszeitraums.

Die potenzielle Rendite der MBI-Manager betragt nach dem finanzmathematischen Mo­dell der „Internal Rate of Return" (interne ZinsfuB, IRR):

IRR MBI-Manager = 25 Prozent

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Tabelle 12: Renditebetrachtung der Investoren

Die Mindestrenditevorstellung von Eigenkapitalinvestoren betragt in der Regel mehr als 20 Prozent. Das Investment ist in diesem Fallbeispiel bei der aufgezeigten Transaktions-und Finanzierungsstruktur fiir die Eigenkapitalinvestoren vorteilhaft.

GemaB Modell bedient die NewCo den Kapitaldienst der Fremdkapitalgeber Bank A, Bank B und Alt-Gesellschafter. Dariiber hinaus werden die Mezzanine-Tranche und das Verkauferdarlehen am Ende der vereinbarten Laufzeit getilgt. Die erwarteten Renditen (Zinseinnahmen) dieser Investoren werden ebenfalls erfullt.

6.6.7 Resiimee des Fallbeispiels

Fiir die Umsetzbarkeit eines Investments in einem Krisenunternehmen ist die Finanzier-barkeit des Vorhabens von zentraler Bedeutung. Grundvoraussetzung ist ein transparentes und nachvollziehbares Sanierungskonzept. Eine gefestigte Markt- und Wettbewerbsposi-tion, quantifizierbare Restrukturierungspotenziale sowie ein kompetentes (neues) Ma­nagement-Team haben ebenfalls eine positive Auswirkung auf den Entscheidungsprozess der Fremd-, Eigen- und Mezzanine-Investoren und deren Rendite-Risiko-Uberlegungen. In einem Businessplan mussen die Auswirkungen der konzeptionierten Finanzierungs­struktur auf die Ergebnis-, Bilanz- und Ertragsplanung der Investoren erkennbar sein. Die Fahigkeit, den gewahlten finanziellen Verpflichtungen (Zins, Tilgung) nachzukommen, ist eine Grundvoraussetzung fiir die Umsetzung des Verkaufes bwz. der Beteiligung.

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6.7 Mitarbeiterbeteiligung an Krisenunternehmen

Neben den bislang aufgezeigten Investorengruppen und Finanzierungsmodellen im Rah-men eines M&A-Prozesses nimmt die Beteiligung der Mitarbeiter an einem sanierungs-fahigen Krisenunternehmen eine Sonderstellung ein. Nicht zuletzt durch die Initiative der Gewerkschaften sowie des Ministeriums fur Wirtschaft und Arbeit des Landes NRW (Projektburo Mitarbeiterkapitalbeteiligung) ist in den letzten Jahren das allgemeine Inte-resse an Mitarbeiterkapitalbeteiligungen (MKB) in Deutschland stetig gestiegen. Gleich-wohl spielt im internationalen Vergleich die Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter am Un-ternehmen bislang eine eher untergeordnete Rolle. Beruhrungsangste und Komplexitat der Modelle sind haufig genannte Griinde fiir die geringe Verbreitung. Es stellt sich ins-besondere die Frage, ob eine Beteiligung von Mitarbeitern an einem Krisenunternehmen ein Instrument zur Unternehmenssanierung darstellen kann.

6.7.1 Ziele und Motive der Beteiligten

In einer akuten Liquiditatskrise ist das Unternehmen in seinem Fortbestand massiv ge-fahrdet. Mitarbeiter, Gesellschafter und Geschaftsleitung verfolgen im Kern ein Ziel -die Existenzsicherung des Unternehmens und somit den Erhalt von Arbeitsplatzen.

Abbildung 30: Mitarbeiterkapitalbeteiligung - Ziele und Motive der Beteiligten

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Die finanziellen Mittel aus einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm alleine werden fiir eine finanzwirtschaftliche Sanierung des Krisenunternehmens regelmaBig nicht aus-reichen. Ein wesentliches Motiv fiir ein Beteiligungsmodell ist jedoch die positive Sig-nalwirkung auf andere Kapitalgeber. Kann der „Glaube" der Mitarbeiter an das Krisen-unternehmen vermittelt werden, wird einem Sanierungskonzept tendenziell eine hohere Erfolgsaussicht beizumessen sein.

6.7.2 Rahmenbedingungen im Krisenfall

Die erfolgreiche Einfiihrung einer Mitarbeiterkapitalbeteiligung ist schon bei wirt-schaftlich gesunden Unternehmen ein komplexes Vorhaben. Trotz ansteigenden Zeit- und Handlungsdruck in einer Unternehmenskrise ist die Priifung bestimmter Rahmenbedin­gungen eine Grundvoraussetzung. Nur bei positiver Bewertung der folgenden Priifungs-felder, sollte eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung verfolgt werden:10

%J Sanierungsprtifung, «% Akquirierung zusatzlicher Kapitalgeber, % Neustrukturierung des Management, '% Beteiligungsbereitschaft der (Alt-)Unternehmer, ?*; Beteiligungsbereitschaft der Mitarbeiter.

6.7.3 Mittelherkunft in Krisenunternehmen

Liegen die Grundvoraussetzungen fiir eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung vor, kommt die

Nutzung folgender finanzieller Mittel in Frage:

v£ Umwandlung von Lohn- oder Gehaltsbestandteilen,

# Einbringung von Privatvermogen,

M offentliche Fordermittel fiir Existenzgriindungen,

^ Sonderfall: Nutzung von Sozialplanmitteln.

RegelmaBig wird eine Mischung verschiedener Komponenten zum Einsatz kommen.

Das Stadium der jeweiligen Unternehmenskrise und das hieraus erwachsende Bedro-

hungspotenzial haben dabei Einfluss auf den Einsatz der unterschiedlichen Finanzie-

rungsquellen

10 Vgl. ausfiihrlich H. Graw/J. Schuppener, Kredit & Rating Praxis, 03/2005, S. 30 ff.

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Abbildung 31: Mitarbeiterkapitalbeteiligung - Mittelherkunft und deren Eignung

6.7.3.1 Lohn- und Gehaltsumwandlungen

Bei einer MKB in einem Krisenunternehmen durch Lohn- und Gehaltsumwandlungen ist grundsatzlich Folgendes in Erwagung zu Ziehen:

a) Insbesondere in fortgeschrittenen Krisenstadien bestehen nicht selten erhebliche Ruckstande bei den Lohn- und Gehaltszahlungen. In der Sanierungspraxis erweist es sich als besonders schwierig, zum einen neue Geldmittel zur Durchfuhrung der er-forderlichen SanierungsmaBnahmen und zum anderen auch noch neue Geldmittel fur riickstandige Zahlungen (z.B. furs Personal oder Lieferanten) zu erhalten. Die Geld-geber (in der Regel die Banken) wagen sorgfaltig ab, ob sie zusatzliche Risiken einge-hen. RegelmaBig sind sie dazu nicht bereit, wenn bereits bestehende Risiken (z.B. des Personals) nur auf sie ubertragen werden. Auf der anderen Seite miissen die „Lasten" einer Sanierung unter den an der Sanierung Beteiligten auch in einem ausgewogenen Verhaltnis verteilt werden.

Den Mitarbeitern ist es sicherlich nicht zuzumuten, auf den gesamten riickstandigen Lohn auf unbestimmte Zeit zu verzichten. Dann ware fiir sie die Alternative der In-solvenz, bei der bis zu drei riickstandige Monatsentgelte durch das Insolvenzausfall-geld abgesichert sind, ernsthaft in Erwagung zu ziehen. Insbesondere Mitarbeiter mit geringem Einkommen und tendenziell geringen Riicklagen hatten hierbei wahr-scheinlich gar keine wirkliche Entscheidungsfreiheit mehr.

b) MKB aus der Umwandlung von (zukiinftigen, laufenden) Lohn- und Gehaltsanprii-chen zu finanzieren, kann ebenfalls - auch in Kombination mit anderen Finanzie-rungsformen - in Betracht gezogen werden. In einem friihen Krisenstadium (strate-gische Krise) erfolgt die Lohn-, Gehaltsumwandlung in Beteiligungskapital haufig noch aus Sonderzahlungen (z.B. Urlaubs-, Weihnachtsgeld). In einer Ertrags- und/

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oder einer Liquiditatskrise wird die Finanzierung der Beteiligung regelmaBig aus dem „normalen" Lohn- und Gehalt darzustellen sein. Eine fiir die Mitarbeiter wirt-schaftlich vertretbare Moglichkeit besteht darin, die Hohe der Gehaltsumwandlung naeh beruflicher- und oder tariflicher Eingruppierung zu differenzieren. Grund-satzlich sollte die Bereitschaft zur Gehaltsumwandlung in Unternehmensanteile bei einem Krisenunternehmen relativ hoch sein. Eine zeitliche Befristung der Einkom-mensumwandlung wird die Akzeptanz fordern.

Ein moglicher Nachteil besteht in dem nicht direkt wirksamen Liquiditatseffekt. In einer akuten Liquiditatskrise wird die alleinige Umwandlung von zukunftigen Lohn-und Gehaltsanspruchen nur einen sofortigen Sanierungsbeitrag leisten, wenn diese Beteiligung durch Darlehen vorfinanziert werden kann. Die Hausbanken des Un-ternehmens konnten dies erwagen, da sich die Risiken dieses Neukredites auf viele Kleinbetrage und viele Glaubiger (Arbeitnehmer) verteilt (Risikostreuung). Fiir die Mitarbeiter birgt die Vorfinanzierung natiirlich zusatzliche Risiken, da die Kredite auch bei einem eventuellen Scheitern der Sanierung zuruckzuzahlen waren. Entspre-chend hoher ware wiederum die Signalwirkung.

6.7.3.2 Einbringung von Privatvermogen

Durch Einbringung von Privatvermogen der Mitarbeiter werden finanzielle Mittel ver-haltnismaBig schnell aufgebracht, sodass sich diese Quelle grundsatzlich fiir jedes Kri-senstadium eignet. Gleichzeitig ist das Risiko fiir die Mitarbeiter wesentlich hoher, da im Falle einer gescheiterten Sanierung neben der Gefahr des Arbeitsplatzverlustes auch ein Teil der ersparten Riicklagen gefahrdet ist. Mitarbeiterkapitalbeteiligungen aus Privat­vermogen setzen insofern eine groBe Erfolgsaussicht der Unternehmenssanierung sowie eine hohe Motivation der Mitarbeiter voraus. Auch hierbei ist eine Differenzierung nach Einkommensgruppen moglich.

6.7.3.3 Offentliche Forderungen fiir Existenzgrundungen

Streben einzelne Mitarbeiter im Rahmen einer Sanierung eine geschaftsfiihrende Funk-tion an, konnen unter bestimmten Voraussetzungen Fordermittel fiir Existenzgrundungen beantragt werden. In diesen Fallen handelt es sich um eine so genannte Management-Buy-Out (MBO)-Transaktion.11 Zu beachten ist, dass die Forderprogramme in der Regel eine Eigenbeteiligung der MBO-Kandidaten am Eigenkapital i.H.v. mindestens zehn Prozent voraussetzten und (je nach UnternehmensgroBe) auf maximal drei bis fiinf Per-sonen begrenzt sind. Die Kombination der klassischen MKB mit einem MBO-Modell ist insbesondere geeignet, um relativ hohe finanzielle Mittel fiir ein Mitarbeiterbeteiligungs-modell aufzubringen.

11 Vgl. hierzu Abschnitt. 6.2.2.

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6.7.3.4 Sonderfall: Sozialplanmittel und Abfindungsvereinbarungen

Einen Sonderfall der MKB bei Krisenunternehmen bietet folgende Konstellation: Ein Un-ternehmen oder ein Unternehmens- bzw. Betriebsteil soil aufgrund mangelnder Rentabili-tat geschlossen werden. Die betreffenden Mitarbeiter werden entlassen und ein Sozialplan wird vereinbart. Diese Mitarbeiter konnten, statt die drohende Arbeitslosigkeit einfach hinzunehmen, gegebenenfalls auch eine MKB aus Sozialplanmitteln oder Abfindungen in Erwagung ziehen. Voraussetzung hierfur ist ein schliissiges Sanierungskonzept fiir den be-troffenen Geschaftszweig sowie insbesondere der Glaube der Mitarbeiter daran, dass sie mit ihrem personlichen Einsatz die Profitability des Geschafts wieder herstellen konnen.

6.7.4 Transaktionsmodelle einer Mitarbeiterkapitalbeteiligung

Die jeweilige Ausgangssituation, unterschiedliche steuer-, gesellschafts- und haftungs-rechtliche Auswirkungen sowie die Zielvorstellungen und Interessenlagen der (Alt-)Ei-gentumer und Mitarbeiter haben Auswirkung auf die Auswahl des geeigneten Trans-aktionsmodells. In jedem Fall sind bei der Auswahl und Priifung des Erwerbermodells erfahrene Rechts- und Steuerberater heranzuziehen.

6.7.4.1 Transaktionsstruktur

Eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung kann grundsatzlich innerhalb des „alten", sanierungs-fahigen Unternehmens (Share-deal) oder durch Einbringung der Mittel in eine Uber-nahmegesellschaft (ubertragende Sanierung), die den Geschafts(teil)betrieb des zu sa-nierenden Unternehmen aufkauft (Asset-deal), erfolgen. In beiden Modellen kann die Transaktion direkt oder indirekt durchgefuhrt werden. In einem indirekten Modell erfolgt die Beteiligung durch Zwischenschaltung einer Beteiligungsgesellschaft (z.B. GmbH oder GbR), die wiederum an dem Krisenunternehmen/der Ubernahmengesellschaft be-teiligt wird (z.B. als GmbH-Gesellschafterin).

Die Verwendung von Sozialplanmittel ist nur bei der Grtindung einer Ubernahmegesell-schaft moglich. Insbesondere bei einer groBen Anzahl beteiligter Mitarbeiter (Bundelung der Vertragsbeziehungen) ist die indirekte Beteiligung vorteilhaft.

6.7.4.2 Transaktionsformen

Mitarbeiter konnen - wie andere Kapitalgeber - am Eigenkapital (GmbH-Anteile, Ak-tien), am (nachrangigen) Fremdkapital (Mitarbeiterdarlehen) oder an Mischformen (Ge-nussrechte, stille Beteiligungen) beteiligt sein. Mit zunehmendem Eigenkapitalcharakter der Beteiligung steigt tendenziell die Kreditwiirdigkeit eines Krisenunternehmens und damit die positive Signalwirkung auf andere Glaubiger. Dies fiihrt andererseits zu einem Interessenkonflikt. Je mehr das Kapital den Charakter von Eigenkapital annimmt, desto

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Abbildung 32: Mitarbeiterkapitalbeteiligung-Transaktionsstrukturen und Vor- und Nachteile

ausgepragter sind die Informations-, Kontroll- und gegebenenfalls Mitbestimmungs-rechte die Mitarbeiter mit der Beteiligung erhalten. Die Wahl der Beteiligungsform wird somit maBgeblich von der Bereitschaft beeinflusst, welche zusatzlichen Rechte die Ge-sellschafter ihren Mitarbeitern gewahren wollen (siehe Tabelle 13).

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6.8 Steuer- und gesellschaftsrechtliche Einfliisse

Das sonst bei einem Unternehmenskauf wichtige Thema Steuergestaltung tritt im Rah-men einer Unternehmenssanierung in den Hintergrund. Einerseits hat ein Krisenunter-nehmen in der Vergangenheit zumeist Verluste ausgewiesen, die unter Umstanden als ertragsteuerliche Verlustvortrage zur Verfiigung stehen. Andererseits geht es in diesem Zusammenhang in erster Linie urn das bloBe Uberleben, welches durch den Verkauf an zum Beispiel einen finanzstarken Investor gesichert werden soil. Dennoch gibt es einige steuerliche Teilaspekte, die zu beriicksichtigen sind:

'W Interessenlage des Kaufers, It Besonderheiten bei Personengesellschaften, % Nutzbarkeit von ertragsteuerlichen Verlustvortragen.

6.8.1 Interessenlage des Kaufers

Oft sind Unternehmenskaufer nur daran interessiert, einzelne Assets des Unternehmens zu erwerben - zum Beispiel Maschinen, Patente, Lizenzen, die Kunden, den Vertrieb etc. -, um die einem Sanierungsfall anhaftenden sanierungsspezifischen Risiken - Haf-tungen wegen Insolvenzverschleppung, drohendem Sozialplanaufwand aus langjahrigen Arbeitsverhaltnissen, „alte" Gewahrleistungsrisiken etc. - in der Altgesellschaft zu be-lassen. AuBerdem gelange es dem Kaufer, auf diese Weise - Asset fiir Asset - die stillen Reserven des Zielunternehmens zu heben und fiir ihn in zusatzliches Abschreibungs-potenzial zu verwandeln - immer vorausgesetzt, er zahlt uberhaupt einen Kaufpreis. Die somit erhohten Buchwerte der ubernommenen Assets bedingen hohere Abschreibungen, damit eine niedrigere Steuerlast und infolgedessen einen hoheren Cashflow in den Fol-geperioden, was eine erhohte Schuldentilgung ermoglicht. Diesen Vorteil hatte er beim Kauf von Geschaftsanteilen nicht.

6.8.2 Besonderheiten bei Personengesellschaften

Die Berechnung des steuerlichen VerauBerungsgewinns im Rahmen einer Sanierung ist normalerweise kein Thema, da aufgrund der Krisensituation in der Regel ein steuerlicher VerauBerungsverlust ausgewiesen werden muss. Tatsachlich aber treten steuerliche Pro-bleme bei Personengesellschaft oder Einzelfirmen mit nicht ausgeglichenen, negativen Kapitalkonten auf. Mit dem Verkauf eines solchen Unternehmens zu einem symbolischen Kaufpreis werden die negativen Kapitalkonten fiir den Unternehmer „auf Null gestellt" und damit wird ein steuerlicher VerauBerungsgewinn in Hone der bis dato existierenden Nachschussverpflichtung beziiglich des Kapitalkontos erzielt. Falls der VerauBerungsge­winn nicht mit Verlustvortragen kompensiert werden kann, weil diese mit Einkiinften aus

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anderen Einkunftsarten - zum Beispiel Kapitalvermogen, Vermietung und Verpachtung etc. - bereits in der Vergangenheit verrechnet worden sind, kame es zu einer Steuernach-zahlung, die finanziert werden musste. Dabei sind VerauBerungsgewinne fiir Anteile an einer Einzelfirma oder Personengesellschaft unter Beriicksichtigung eines Freibetrags12

zumindest als auBerordentliche Einkiinfte steuervergunstigt.13 Sie sind bis zu einem Be-trag von 5 Mio. € pro Jahr und Person mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz zu versteuern, sofern der Unternehmer alter als 55 Jahre oder dauernd erwerbsunfahig ist und es sich bei ihm um den ersten VerauBerungsvorgang dieser Art handelt. Die Steuer-vergiinstigung kommt jedoch nur in Betracht, sofern das wirtschaftliche Eigentum an den wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang auf den Erwerber ubergeht und die bisherige Tatigkeit des Verkaufers endet.

6.8.3 Nutzung von Verlustvortragen

Steuerliche Verlustvortrage des Zielunternehmens konnten mit zukiinftigen Gewinnen kompensiert werden, um damit die Steuerlast zu reduzieren und den frei verfugbaren Cashflow zu erhohen. Dies ist fiir die Finanzierung einer Unternehmensubernahme von wesentlicher Bedeutung. Aufgrund der steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland sind solche Uberlegungen nur fiir Kapitalgesellschaften relevant, da bei Personengesell-schaften das steuerliche Subjekt durch die Person des Altunternehmers reprasentiert wird. Fiir Kapitalgesellschaften gilt, dass das Unternehmen zukunftige Gewinne mit Verlust­vortragen verrechnen darf, wenn der wesentliche Unternehmensgegenstand mindestens fiinf Jahre weitergefuhrt wird und zugefiihrtes wesentliches Betriebsvermogen allein der Sanierung des bisherigen Geschaftes dient.

Bei einem Kapitalschnitt in Form von Verzichtserklarungen seitens der Fremdkapitalgeber tritt ein weiteres Problem auf. Der Wegfall des steuerlichen Sanierungsprivilegs14 hat dazu gefiihrt, dass derartige Kapitalverzichte voll steuerpflichtig sind. Diese Sanierungsbeitrage fiihren immer dann zu einer Steuerlast beim Krisenunternehmen oder den Gesellschaftern, wenn ausreichende Verlustvortrage fehlen. Da die Erhebung auf verbleibende „Sanierungs-gewinne" fiir den Steuerpflichtigen aus sachlichen Griinden eine erhebliche Harte darstellt, ist nach Ansicht der Finanzverwaltung unter bestimmten Voraussetzungen ein Erlass der Einkommen- oder Korperschaftsteuer (§ 227 AO) auf Antrag zu gewahren („Ermessens-reduzierung auf Null")-15 Grundsatzlich stehen hierbei MaBnahmen (Verzichtserklarungen) im Blickpunkt, die auf eine Gesundung des Unternehmens ausgerichtet sind (so genannnte unternehmensbezogene Sanierung). Wesentliche Voraussetzung fiir die Anwendung des § 227 AO ist somit die Sanierungsbediirftigkeit, Sanierungsfahigkeit, Sanierungseignung des Schulderlasses sowie die Sanierungsabsicht des Glaubigers. Nach Auffassung des BMF

12 Vgl. § 16 Abs. 4 EStG. 13 Vgl. § 34 EStG. 14 Streichung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. ab dem 1.1.1998. 15 Vgl. BMF-Schreiben v. 27.03.2003, BStBl. I 2003, S. 240.

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liegt eine „begunstigte" Sanierung nicht vor, wenn die (Teil-) Schulden nicht aus betrieb-lichen Grunden erlassen werden, sondern vor dem Hintergrund, dem Steuerpflichtigen einen schuldenfreien Ubergang in sein Privatvermogen oder den Aufbau einer anderen Existenzgrundlage zu ermoglichen. In einem konkreten Streitfall hat das FG Munster ent-gegen dieser Auffassung des BMF aus sachlichen Billigkeitsgrunden einen Erlass der Ein-kommensteuer angenommen16. Auch nach Ansicht des BFH ist fur die Sanierungseignung die Moglichkeit einer personenbezogenen Existenzsicherung ausreichend.17 Als Fazit ist zu konstatieren, dass derzeit kein schliissiges gesetzliches Konzept zu Besteuerung von Sanie-rungsgewinnen besteht. Aus heutiger Sicht ist insofern § 227 AO unter bestimmter Voraus-setzung auch auf „Sanierungsgewinne ohne Betriebsfortfuhrung" anzuwenden.

Um den Risiken einer steuerlichen Belastung grundsatzlich aus dem Weg zu gehen, emp-fiehlt sich der Verkauf der Forderungen zu einem symbolischen Kaufpreis. Zur Beseiti-gung einer Unterbilanz kann der Kaufer fur die Forderungen den Rangrucktritt erklaren, sodass die Forderungen in einem Uberschuldungsstatus nicht mehr passiviert werden miissten.

16 FG Munster im Urteil v. 27.5.2004. 17 Bereits im BFH Urteil v. 14.03.1990 entschieden.

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Im Rahmen der Sanierung von Krisenunternehmen miissen leistungswirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Aspekte Berlicksichtigung finden. Die finanzwirtschaftliche Begleitung eines Krisenengagements zielt darauf ab, sowohl das Uberleben des Kredit-nehmers zu sichern als auch Ausfalle bei den Kreditinstituten zu vermeiden. In diesem Spannungsfeld konnen auch finanzwirtschaftliche Instrumente eingesetzt werden, ohne dass Banken und Sparkassen neue Kreditmittel zur Verfugung stellen miissen. Die in der Unternehmenskrise moglichen finanzwirtschaftlichen Instrumente unterscheiden sich zum Teil wesentlich in ihren Ansatzpunkten und der Nachhaltigkeit ihrer Wirkung. Somit eignen sich einzelne MaBnahmen jeweils in speziellen Krisensituationen, wahrend sie in anderen Krisensituationen wiederum ungeeignet sind. So gibt es MaBnahmen, wie z.B. die Stundung von Zinsen und Tilgungsleistungen, die sich nur zur Uberwindung kurzfristiger Zahlungsstockungen eignen. Dagegen sind andere Instrumente, wie z.B. die Rangrucktrittserklarung, fiir eine nachhaltige Abwendung einer Uberschuldungssituation geeignet, wahrend eine kurzfristige Zahlungsstockung hiermit nicht behoben werden kann. Auf Basis dieser Abgrenzung werden die in diesem Kapitel vorgestellten finanz­wirtschaftlichen Sanierungsinstrumente in Tabelle 14 den Krisensituationen „Zahlungs-stockung", „Zahlungsunfahigkeit" und „Uberschuldung" zugeordnet.

Tabelle 14: MaBnahmen zur finanzwirtschaftlichen Sanierung

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7.1 Stundung von Zinsen und Tilgungsleistungen

Bei der Stundung von Zinsen und Tilgungsleistungen handelt es sich um den in der Regel befristeten Aufschub des Kapitaldienstes. Eigentlich fallige Zahlungen werden ausgesetzt und brauchen bis zum hinausgeschobenen Falligkeitstermin nicht gezahlt werden. Die Stundung des Kapitaldienstes ist ein so „stumpfes Schwert" zur Sanierung eines unren-tablen Unternehmens. Tatsachlich wird hierdurch - zeitlich beschrankt - eine gering-fiigige Liquiditatsverbesserung herbeigefiihrt, die nur fiir den Fall ausreicht, dass sich das Unternehmen in einer voriibergehenden Zahlungsenge befindet, weil zum Beispiel ein wichtiger Kunde avisierte Auftrage verspatet abruft und anschlieBend auch verspatet begleicht. Im Rahmen einer „echten" Sanierung helfen StundungsmaBnahmen Zeit zu gewinnen, um einen qualifizierten Sanierungsplan zu erarbeiten. Wenn die beteiligten Kreditinstitute die Erarbeitung eines Sanierungsgutachtens durch die Stundung des Ka­pitaldienstes ermoglichen, sollten zwischen Kreditnehmer und Kreditinstitut Vereinba-rungen fixiert werden, um bei unvorhergesehenen Ereignissen reagieren zu konnen und eigenniitziges Verhalten einzelner Beteiligter zum Schaden der Interessengesamtheit zu verhindern:

v sofortiges Kundigungsrecht fiir die Kreditinstitute bei deutlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage bzw. falschen Angaben,

v Vereinbarung von Verfallklauseln bei Ratenzahlungen (Falligkeit des Engagements bei einem definierten Ratenriickstand),

4 Fristsetzung fiir die Vorlage eines Sanierungsgutachtens, 1i; Konzept zur Bereinigung der Zahlungsstockung/Zahlungsunfahigkeit, % Vereinbarung eines Verhaltensakkordes zwischen den Kreditinstituten, *- Vereinbarung eines Konsortialvorbehalts zwischen den Kreditinstituten, '& Vereinbarung eines Sicherheiten-Abgrenzungs- bzw. -Poolvertrags.

7.2 Finanzierung von Einzelgeschaften

Auch die Finanzierung von Einzelgeschaften (Zessionskredit) zielt auf die Uberbriickung einer Zahlungsstockung oder die Erarbeitung eines Sanierungsgutachtens ab. Es wird eine „Eins-zu-eins"-Beziehung zwischen dem Neukredit einerseits und dem zu finanzierenden Geschaft andererseits hergestellt. Dabei handelt es sich um die Vorfinanzierung einzelner Produktionsauftrage, Streckengeschafte, Bauauftrage, Lohnveredelungsgeschafte etc. Auch die revolvierende Finanzierung gleichartiger Geschafte mit einem Kunden ist unter Einbeziehung folgender Finanzierungsinstrumente moglich:

% Betriebsmittelkredit (einzeln oder revolvierend), ^ Zessionskredit, % Vertragserfiillungsbiirgschaft,

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M Gewahrleistungsburgschaft, P Anzahlungsbiirgschaft.

Dabei werden Burgschaften regelmaBig unter der aufschiebenden Bedingung des Ein-gangs des Rechnungsbetrages auf dem Konto des kreditierenden Kreditinstitutes als rechtsgultig erklart.1 Im Zuge der Kreditsicherung sollte der Kaufgegenstand iibereignet bzw. die Forderung abgetreten sein. Solange die hierdurch gestellte Sicherheit ausschlieB-lich zur Besicherung des Neukredites dient, handelt es sich grundsatzlich um ein Bar-geschaft, welches in der Regel von einem spateren Insolvenzverwalter nicht angefochten werden kann.2 Wird jedoch eine weite Sicherungszweckerklarung (auch fiir Altschulden) vereinbart, ist unter Umstanden der Tatbestand fiir eine wirksame Anfechtung erfiillt. Vergleichbares gilt bei Sicherungszweckerklarungen, deren Sicherungsgegenstand nicht eindeutig bestimmbar ist.

7.3 Factoring/Forfaitierung

Der Verkauf von Forderungen ist eher dazu geeignet, eine Zahlungsstockung zu beseitigen, als ein wirksames finanzwirtschaftliches Sanierungsinstrument darzustellen, zumal die Gesamtkosten meist hoher sind als bei einem Betriebsmittelkredit. Dies liegt vor allem daran, dass Factoringgesellschaften bzw. Forfaiteure zum Zeitpunkt einer akuten Unterneh-menskrise - also der drohenden Insolvenz durch Zahlungsunfahigkeit oder Uberschuldung - kaum zu bewegen sind, in ein Kreditengagement neu einzusteigen und gegebenenfalls Haftungs- und Ausfallrisiken zu begriinden. Auch dort erfolgt die Kreditrisikobewertung nach bankkonformen Gesichtspunkten. In jiingerer Zeit signalisieren zwar einige Gesell-schaften ihre Bereitschaft, auch risikobehaftete Engagements einzugehen. Dies bezieht sich jedoch meistens nicht auf akute Sanierungsf alle, sondern auf Unternehmen, die bereits konsolidiert erscheinen. Die wesentlichen Vorteile des Forderungsverkaufes liegen in

*' der Bilanzverkurzung und einer hoheren Eigenkapitalquote, t-, der Moglichkeit, Skonto zu Ziehen und damit die Rentabilitat zu verbessern, fe und dem moglichen Delkredereschutz.

Dem stehen die folgenden Nachteile gegenuber:

-U Hohere Kosten; dies konnte sich vor dem Hintergrund der erwarteten Zinserhohungen fiir risikobehaftete Kreditengagements zukunftig relativieren („risk adjusted pricing").

^ Gegebenenfalls groBe organisatorische Veranderungen im Zielunternehmen (nur ein gut organisiertes Rechnungswesen „verkraftet" den Abstimmungsbedarf im Rahmen des Forderungsverkaufes).

1 Vgl. zur Zuverlassigkeit derartige Klauseln: LG Wiesbaden, Urteil v. 01.12.1976 - 12 O 69/76, in: WM 1977, S. 238.

2 Vgl. BGH, Urteil v. 12.11.1992 - IX ZR 236/91, in: ZIP 1993, S. 276.

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%& Nicht nur bedingt ankauffahiges Forderungsportfolio (schlechte Bonitaten).

M Nach Umstellung auf den Factor/Forfaiteur konnen im Kontokorrent grofiere Schwan-kungen auftreten. Da parallel zum Forderungsverkauf die Kreditlinien zuriickgefah-ren werden, kommt es in umsatzschwacheren Zeiten, in denen nur ein verminderter Forderungsbestand verkauft werden kann, durch die Lagerfinanzierung zu hoheren „Ausschlagen" im Konto. Bei einer reinen Bankfinanzierung wiirden diese Aus-schlage dadurch geglattet, dass hohere Lagerbestande mit geringeren Debitorenforde-rungen korrelieren (Konstanz des Umlaufvermogens bei konstantem Jahresumsatz).

M Kiindigung oder Reduzierung der Kreditlinien bei den Kreditversicherern, da die ver-sicherten Lieferanten und damit auch die Kreditversicherer durch den Forderungsver­kauf ihre durch den verlangerten Eigentumsvorbehalt begrundeten Sicherungsrechte verlieren wiirden.

Da Factoring/Forfaitierung in der Regel als Bargeschaft im Sinne der Insolvenzordnung qualifiziert wird, ist das Risiko einer spateren Anfechtung durch den Insolvenzverwalter eher gering. Probleme konnen sich allerdings dadurch ergeben, dass die Zession der For-derungen aufgrund verlangerter Eigentumsvorbehalte der Lieferanten oder zeitlich vo-rangehender Globalzessionen anderer Glaubiger nicht eindeutig einem Sicherungsnehmer zuzuordnen ist.

7.4 Wechsel-Scheck-Verfahren

Das Wechsel-Scheck-Verfahren (auch: Scheck-Wechsel-Verfahren) ermoglicht es einem Unternehmen, bei einem Beschaffungsgeschaft gleichzeitig Lieferantenkredit und Skonto in Anspruch zu nehmen.

Hierbei zieht der Lieferant als Aussteller einen Wechsel auf den Kreditnehmer (Umkehr-wechsel), welcher nach Akzept diesen Wechsel bei seiner Hausbank refinanziert. Der diskontierte Betrag wird seinem Konto gutgeschrieben, sodass dieser den Lieferanten per Scheck und unter Abzug von Skonto bezahlen kann. Zum Falligkeitstermin muss der Umkehrwechsel vom Abnehmer eingelost werden. Der Abnehmer - hier: der Kreditneh­mer - verschafft sich auf diese Weise die Moglichkeit, Skonto zu Ziehen und gleichzeitig einen relativ gunstigen Kredit bis zum Verfalltag des Wechsels in Anspruch zu nehmen (Diskontkredit). Der Lieferant ist wegen der zeitnahen Bezahlung seiner Forderung hau-fig nicht abgeneigt, dieses Verfahren zu akzeptieren. Gleichzeitig birgt es fur ihn aber einige Risiken. So haftet er als Aussteller selbst fiir die Nichteinlosung des Wechsels durch den Bezogenen. Da seine Kaufpreisforderung regelmaBig bereits mit Bezahlung per Scheck erlischt,3 bedarf es deshalb einer auf diesen Fall speziell ausgerichteten Vor-behaltsklausel, welche definiert, dass ein mit der Lieferung der Ware verbundener Ei-

3 Vgl. OLG Koln v. 25.10.1985 - ZIP 1985, S. 1476, sowie BGH v. 26.02.1986 - WM 1996, S. 548.

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gentumsvorbehalt erst mit der endgiiltigen Bezahlung bei Einlosung des Wechsels durch den Kaufer als Bezogenem erlischt. Weiterhin muss der Lieferant beachten, dass Wa-renkreditversicherer Insolvenzverluste aus dem Wechsel-Scheck-Verfahren in der Regel nicht ersetzen, da sich der Versicherungsschutz nur auf das Handelsgeschaft bezieht. Aus den genannten Grunden konnen in der Praxis vor allem Abnehmer, die liber eine entspre-chende Einkaufsmacht verfiigen, dieses fur sie gunstige Finanzierungsverfahren durch-sezten (vgl. hierzu z.B. den Fall Hornitex).

Insgesamt eignet sich auch dieses Verfahren eher zur Beseitigung einer Zahlungstockung. Ein „echter" Sanierungsbeitrag im Sinne einer nachhaltigen Liquiditats- und Ergebnis-entlastung wird hierdurch eher nicht geleistet.

Das Wechsel-Scheck-Verfahren ist in der Regel nicht mit dem Risiko einer spateren An-fechtung durch den Insolvenzverwalter behaftet, da sich dieser Finanzierungsweg grund-satzlich als Bargeschaft im Sinne der Insolvenzordnung qualifiziert. Fur den Fall, dass mit Erloschen des Eigentumsvorbehalts des Lieferanten die Ware in das Sicherungseigen-tum des Kreditinstitutes ubergeht und gleichzeitig der Lieferant spater von dem beteilig-ten Kreditinstitut aus seinem Indossament in Regress genommen wird, konnte dem Kre-ditinstitut sittenwidriges Verhalten vorgeworfen werden, mit der Folge einer moglichen Schadenersatzverpflichtung gegeniiber denjenigen Lieferanten, die im gleichen Zeitraum weiter geliefert und damit ihr Risiko ausgeweitet haben.4 Dieses Risiko ist unseres Er-achtens allerdings tendenziell als gering einzustufen, da dem Kreditinstitut eigenniitziges und damit sittenwidriges Verhalten nachgewiesen werden mtisste.

7.5 Umschuldung

Sollte die Kapitaldienstfahigkeit eines in der Krise befindlichen Unternehmens zur Bedie-nung der falligen Zins- und Tilgungsleistungen nicht mehr ausreichen, ist die Umschul­dung der alten Kredite mit zeitlicher Streckung der Riickzahlung bzw. Reduzierung der Tilgung eine Moglichkeit, das betroffene Unternehmen zu entlasten. Dieses Instrument wird eingesetzt, um die Belastung aus Langfristmitteln mit hohem Tilgungsanteil, die bei nicht mehr ausreichendem Free-Cashflow iiber die Ausweitung der KK-Linien finanziert werden miissen, zu senken und so die Kapitaldienstfahigkeit wiederherzustellen.

Daruber hinaus bietet sich die Umwandlung von Uberziehungs- oder Kontokorrentkredi-ten in Festsatzkredite an, um Zinsen zu reduzieren, die Liquiditat zu entlasten und damit Mittel ftir den weiteren Schuldenabbau („Tilgung statt Zinsen") zu generieren.

Eine den Liquiditatsabfluss reduzierende Umschuldung ist vor allem zur Uberwindung einer Zahlungsstockung geeignet und als Mittel zur Beseitigung eines langerfristigen Li-

4 Vgl. OLG Koln v. 25.10.1985 - ZIP 1985, S. 1472.

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quiditatsengpasses oder einer Zahlungsunfahigkeit nur in Verbindung mit anderen MaB-nahmen adaquat.

Derartige Umfinanzierungen sind in aller Regel flir die beteiligten Kreditinstitute aus in-solvenzrechtlicher Sicht ohne Risiko, wenn der Kreditnehmer keine Insolvenztatbestande erfullt bzw. die Kreditinstitute die Prufungspflichten bei der Vergabe eines Sanierungs-kredites beachtet haben.5 Allerdings konnte eine echte Umschuldung als so genannte. Novation (Schuldumwandlung, Schuldersetzung) interpretiert werden. Dies wiirde zum Erloschen der akzessorischen Sicherheiten und gegebenenfalls zur Verpflichtung zur Freigabe fiduziarischer Sicherheiten fiihren, da die urspriingliche Schuld erlischt. Inso-fern sollte die Anderung des giiltigen Kreditvertrags aus Bankensicht nach Moglichkeit lediglich im Rahmen einer Abanderungsvereinbarung erfolgen und eine Novation aus-driicklich ausgeschlossen werden.

7.6 Freigabe von Sicherheiten

7.6.1 Ausgestaltungsmoglichkeiten

Die Freigabe von Sicherheiten dient der Zufuhrung zusatzlicher liquider Mittel. Eine Wirkung hinsichtlich eines Uberschuldungstatbestandes entfaltet sie naturgemaB nicht. Grundsatzlich erfolgt die Freigabe entweder als direkte Zufuhrung liquider Mittel zum Beispiel durch Freigabe verpfandeter Guthaben oder von Zahlungseingangen bzw. als indirekte Zufuhrung durch Freigabe von Sicherheiten, nachrangigen Grundpfandrechten oder Forderungszessionen.

Die direkte Zufuhrung liquider Mittel ist in der Praxis unwahrscheinlich. Ein Kredit-institut ist in der Regel nicht bereit, ohne Gegenleistungen auf liquide Sicherheiten zu verzichten und eine Verschlechterung seiner Kreditsicherung hinzunehmen. Ein Tausch von liquiditatsnahen in liquiditatsferne Sicherheiten (zum Beispiel Verpfandung von Guthaben gegen Grundschuld) ist dagegen denkbar, sofern das freigebende Kreditinstitut hierdurch seine Risikoposition nicht verschlechtert.

Praxisrelevanter ist die Freigabe von Sicherheiten, die von Banken und Sparkassen als eingeschrankt werthaltig betrachtet und daher bei der Sicherheitenbewertung nicht oder nur begrenzt angesetzt werden. Messen andere Fremdkapitalgeber diesen einen hoheren Wert bei, werden sie unter „Beiziehung" dieser Sicherheiten zusatzliche Liquiditat zur Verfugung stellen. Zum Beispiel ist die Freigabe von zedierten Forderungen an einen Factor/Forfaiteur eine Moglichkeit, zusatzliche Liquiditat zu generieren. Naturlich erwar-ten Banken und Sparkassen im Gegenzug eine Reduzierung ihrer Kreditlinie, die in der Praxis jedoch geringer ausfallen muss, als der Liquiditatszufluss aus dem Forderungs-

5 Vgl. Kapitel 8.

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verkauf5, zumal der Factor/Forfaiteur normalerweise die Zustimmung zum Forderungs-ankauf davon abhangig macht, dass dem Unternehmen durch den Abschluss dieses Ge-schaftes zusatzliche liquide Mittel zur Verfugung stehen.

Insofern wird vor der Freigabe der Sicherheiten regelmaBig vereinbart, dass die neu gewonnene Liquiditat zu einem wesentlichen Teil dem Krisenunternehmen zur freien Verfugung bleibt und nicht zur vorzeitigen Tilgung ftir andere Glaubiger „missbraucht" werden darf. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus iiblich, vor Freigabe der Sicher­heiten zwischen dem Krisenunternehmen und den Kreditinstituten einen bestimmten Verwendungszweck - Bestreitung betriebsnotwendiger Ausgaben, wie Materialeinkauf, Lohn-/Gehaltszahlungen, Zahlungen an wichtige Lieferanten etc. - fur die zusatzlichen Mittel schriftlich zu vereinbaren. Dies kann bis zur Vereinbarung einer Treuhandauftra-ges im Uberweisungsauftrag an ein fremdes Kreditinstitut fiihren, um die Verwendung der eingehenden Gelder zur Linienreduzierung bei dem empfangenden Kreditinstitut zu verhindern. Bei Zuwiderhandlung durch das empfangende Kreditinstitut wird die uber-weisende Bank die Betrage zuruckfordern. Dariiber hinaus kbnnen ihn Schadenersatz-anspriiche aus treuhandverletzender Verwendung erwachsen.7

7.6.2 Risiken bei der Freigabe von Sicherheiten

Im Grundsatz ist die Freigabe von Sicherheiten - auch bei teilweiser Reduzierung der Kreditlinien - vor dem Hintergrund moglicher Anfechtungsrisiken in einem spateren Insolvenzverfahren unproblematisch. Tatsachlich kbnnen fiir die Kreditinstitute jedoch einige Probleme entstehen, die nachfolgend dargestellt werden sollen.

Ein Problemfeld im Zusammenhang mit der Freigabe von Sicherheiten besteht in mog-lichen Anfechtungsmoglichkeiten des Insolvenzverwalters bei einer spateren Insolvenz.8

Sofern eine Freigabe von Sicherheiten im Zusammenhang mit Tilgungsleistungen des Kreditnehmers erfolgt und Sicherheitenfreigabe und Tilgungsleistungen hierbei wirt-schaftlich etwa gleichwertig sind, handelt es sich regelmaBig um so genannte Bargeschafte gem. § 142 InsO, die von einer spateren Anfechtung durch den Insolvenzverwalter aus-geschlossen sind. Bestimmend fiir das Vorliegen eines Bargeschafts sind die Merkmale „Gleichwertigkeit" und „Gleichzeitigkeit". Fallen die Tilgungsleistungen hoher aus als der Wert der Sicherheitenfreigabe, kann der ubersteigende Teil angefochten werden. Fal­len Tilgungsleistungen und Sicherheitenfreigabe zeitlich soweit auseinander, dass nicht mehr von einem Bargeschaft gesprochen werden kann (nach herrschender Meinung ca. drei Wochen), kann sogar die vollstandige Tilgungsleistung durch den Insolvenzverwalter erfolgreich angefochten werden, wahrend die freigegebene Sicherheit fiir das Kreditinsti­tut in der Regel verloren ist. Die Freigabe einer Sicherheit im Rahmen eines Sicherheiten-

6 Vgl. Abschnitt 7.3. 7 Vgl. OLG Koln, Urteil v. 17.9.1983 - 20 U 251/92, ZIP 1993, S. 538. 8 Zu den Kreditinstitute relevanten Anfechtungstatbestanden vgl. nachfolgende Kapitel.

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tauschs, also gegen Hereinnahme einer anderen, nicht hoherwertigen Sicherheit, gilt in diesem Zusammenhang ebenfalls als Bargeschaft.9

Im Fall der Personalunion von Schuldner und Sicherheitengeber sind Tilgungsleistungen bei gleichzeitiger Sicherheitenfreigabe - wie oben beschrieben - in der Regel von einer spateren Anfechtung ausgeschlossen, weil es sich hierbei um ein wertneutrales Bargeschaft handelt. Bei Sicherheitenbestellung durch einen Dritten kann der gleiche Sachverhalt im spateren Insolvenzfall des Schuldners dagegen als Benachteiligung der Glaubigergesamt-heit qualifiziert werden. Dies resultiert daraus, dass bei alternativer Inanspruchnahme der Sicherheiten das Vermogen des Gesamtschuldners im Insolvenzverfahren geschont wor-den und es lediglich zu einem Wechsel in der Person eines Insolvenzglaubigers gekommen ware.101st demzufolge eine empfangene Tilgungsleistung an den Insolvenzverwalter zu-ruckzugewahren, besteht die Gefahr des Verlusts der in diesem Zusammenhang freige-gebenen Sicherheiten. Diese Gefahr besteht insbesondere in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantrag. Hier konnen unter Umstanden. sowohl die Anfechtungsmoglichkeiten bei inkongruenter, aber auch kongruenter Deckung Rechtswirkung entfalten.

Eine erfolgreiche Anfechtung hatte zur Folge, dass zwar die Tilgungsleistung an den Insolvenzverwalter auszukehren ware, die freigegebenen Sicherheiten aber verloren sein konnten. Abstrakte Sicherheiten, die ein Dritter gewahrt und die ihm nach vermeintlicher Erledigung der Forderung zuriick ubertragen worden sind, entstehen nicht automatisch wieder neu, da jener nicht Partei im Anfechtungsstreit ist und die Sicherheit nicht an das Bestehen der Hauptforderung gebunden ist. Sofern die Sicherheit zur Zeit der Riick-gewahr der angefochtenen Leistung noch nicht zuriick ubertragen war, kann diese indes wieder zur Sicherung der wiederauflebenden Forderung herangezogen werden.11 Ak-zessorische Sicherheiten (z. B. Burgschaft, Pfandrecht), die mit der urspriinglichen Be-friedigung der Hauptforderung kraft Gesetzes erloschen sind, leben prinzipiell auch kraft Gesetzes wieder auf.12 Fur das Pfandrecht gilt dies aber nur dann, wenn der Glaubiger den Besitz an dem Pfandgegenstand noch nicht verloren hat.

Um das Risiko des Sicherheitenverlusts auszuschlieBen, mussten Kreditinstitute mit der Sicherheitenfreigabe regelmaBig die Drei-Monats-Frist der §§ 130, 131 InsO abwarten. Da dies in der Praxis nur schwer darstellbar ist, scheint es denkbar zu sein, die Sicher­heitenfreigabe vertraglich so zu gestalten, dass sie unter einer aufschiebenden Bedingung erfolgt. Die Freigabe entfaltet erst zum Beginn des vierten. Monats nach Eingang des Ruckzahlungsbetrags beim Kreditinstitut unter der Bedingung, dass bis dahin gegen die Kreditnehmerin kein Insolvenzantrag gestellt wurde, ihre Rechtswirkung. Aber auch diese Sachverhaltsgestaltung ist fur den Tilgenden bzw. den Sicherungsgeber im Grunde inakzeptabel. Vor diesem Hintergrund ist der Verkauf der betroffenen Forderung an den

9 BGH v. 05.04.2001 - IX ZR 216/98 - ZIP 2001, 885. 10 Vgl. Obermiiller, Manfred, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 2002, Rz. 5.204. 11 Vgl. Obermiiller, Manfred, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 2002, Rz. 5.204: OLG Brandenburg v.

24.8.2000 - 5 U 5/00 - WM 2001, 626. 12 Vgl. z.B. § 774 BGB i.V.m. §§ 412, 401.

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Sicherungsgeber mit gleichzeitiger Ubertragung seiner Drittsicherheiten ein gangbarer Weg, um etwaige Anfechtungsrisiken zu minimieren. Hierbei handelt es sich um ein Ge-schaft bzw. Glaubigertausch, das sich im Grunde auBerhalb der Vermogenssphare des potenziellen Gemeinschuldners abspielt, sodass hierbei Anfechtungstatbestande grund-satzlich nicht beriihrt sein sollten.13

Daneben konnen Drittsicherungsgeber grundsatzlich fiir sich in Anspruch nehmen, bei einer auf dem Verhalten des Kreditinstitutes basierenden Erhohung ihres Haftungsrisikos entsprechend um Zustimmung aufgefordert zu werden. Liegt einem Kreditinstitut neben gestellten Sicherheiten des Kreditnehmers zusatzlich eine Burgschaft oder eine andere Sicherheit eines Dritten vor, so kann dem Dritten ein Anspruch auf anteilige Freistellung aus der Verpflichtung zustehen,

H falls die fiir den verbiirgten Kredit gestellten Sicherheiten des Unternehmens freige-geben werden,

M falls der Sicherungszweck dieser Sicherheiten auf andere Darlehen ausgeweitet und diese fiir deren Riickfiihrung verwandt werden,

% falls auf diese Sicherheiten ganzlich verzichtet wird, ID falls werthaltige Sicherheiten durch minderwertige ersetzt werden, II falls die Kreditinstitute fiir die Sicherheiten den Rangrucktritt erklaren, & falls das potenzielle Haftungsrisiko des Dritten durch eine Stundung von Zins- und

Tilgungsleistungen erhoht wird, :lf falls auslaufenden Kreditvereinbarungen prolongiert werden (echte Kreditnotifika-

tion, keine Prolongation von Zinsvereinbarungen).

Der Anspruch des Biirgen auf Freistellung aus der Burgschaftsverpflichtung resultiert aus § 776 BGB und gilt selbst dann, wenn der BUrge innerhalb der Burgschaft explizit auf die Freistellung gem. § 776 BGB verzichtet. Insofern gilt der Freistellungsverzicht nur fiir Sicherheitenfreigaben im Rahmen des AGB-Pfandrechts bzw. im Zusammen-hang mit neuen Sicherheiten, die nach Ubernahme der Burgschaft hereingenommen worden sind. Zur Vermeidung spaterer Streitigkeiten sollten die Kreditinstitute iiber die Sicherheiten nur verfiigen, soweit der Biirge „ex ante" dem zugestimmt hat bzw. eine neue Sicherungserklarung unterschrieben hat.14 Gleiches gilt analog fiir alle bestehen-den Drittsicherheiten. Im Zuge der Umstrukturierung der ,,Sicherheitenarchitektur", der Neugewahrung oder echten Prolongation von Krediten und der potentiellen Erhohung des Haftungsrisikos des Drittsicherheitengebers sind neue Sicherungserklarungen un-abdingbar.

13 Vgl. Obermiiller, Manfred, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 2002, Rz. 5.206 14 Vgl. BGH v. 02.03.2000 - WM 2000, S. 764.

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7.7 Verzicht auf Zins- und Tilgungsleistungen

Der Verzicht auf Zinsleistungen ist ein weiteres Mittel zur Liquiditatsschopfung. Zinsver-zichte werden in erster Linie dazu eingesetzt, um die Zahlungsunfahigkeit zu beseitigen. In Ausnahmefallen, in denen die der reinen Kapitalforderung zuzuschlagenden Zinsen die Uberschuldung einer Kapitalgesellschaft auslosen, kann der Verzicht auch zur Be-seitigung einer Uberschuldung dienlich sein. Zinsverzichte werden sowohl in Hone eines bestimmten Betrages als auch fur eine bestimmte Zeitdauer vereinbart. Verzichte sind fur ruckstandige Zinsforderungen genauso moglich wie fur zukiinftige Zinszahlungen, wobei der Verzicht auf ruckstandige Zinsforderungen zu einem voll steuerpflichtigen Sanierungsgewinn fiihren kann,15 wenn dem kein ertragssteuerlicher Verlustvortrag gegeniibersteht. Daruber hinaus kann ein Zinsverzicht an aufschiebende Bedingungen gekniipft werden, z.B. an die termingerechte Zahlung von Tilgungen. Die Vereinbarung eines auBerordentlichen Kundigungsrechtes fur den Fall der Verletzung derartiger ver-traglicher Verpflichtungen des Kreditnehmers ist ublich. Neben dem Verzicht auf Zins­leistungen ist ebenso ein Verzicht auf zu tilgende Teile der Hauptforderung denkbar. Die mit einem Zinsverzicht erzielte Wirkung in Bezug auf die Beseitigung der Zahlungsunfa­higkeit oder tJberschuldung wird auf diese Weise verstarkt. Daneben dient die Verein­barung von Sanierungszinssatzen der Starkung der Rentabilitat und Liquiditat. Dieser Zins spiegelt zwar nicht mehr die Opportunitatskosten des Kredits wider, kann jedoch helfen, eine Insolvenzantragspflicht mit dem damit moglicherweise verbundenen Kredit-ausfall zu vermeiden.

7.8 Verzicht auf Kapitalforderungen

Dem Verlangen eines Forderungsverzichts sehen sich Kreditinstitute in letzter Zeit immer haufiger ausgesetzt. Der Verzicht stellt einen Schuldenerlass dar.16 Ein Verzicht kann sowohl eine Uberschuldung beseitigen als auch eine Zahlungsunfahigkeit vermei­den. Hierbei ist zu bedenken, dass bei einem Forderungserlass die friiher von dritter Seite gestellten akzessorischen Sicherheiten - insbesondere Burgschaften - parallel zum Erlassvertrag erloschen, wenn diese mit dem jeweiligen Sicherungsgeber nicht vertrag-lich neu vereinbart werden. Folgende Ausgestaltungen eines Forderungserlasses sind ub­lich:

4 Vereinbarung auflosender Bedingung; Restforderungen (nach Teilerlass) miissen ra-tenweise zuriickgefuhrt werden. Andernfalls wird der ausgesprochene Verzicht hin-fallig, die vollstandige Kapitalforderung lebt wieder auf.

15 Vgl. § 3 Nr. 66 EStG. 16 Erlassvertrag gemaB § 397 BGB.

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#§ Vereinbarung, dass nur nach Ubernahme eines verbleibenden Restbetrages durch einen Dritten ein Teilerlass gewahrt wird.

9% Erlass einer Teilforderung unter der aufschiebenden Bedingung, dass von dritter, sol-venter Seite eine Garantie fiir den Restbetrag erklart wird; alternativ Stellung von werthaltigen Sicherheiten von dritter Seite.

W Erlass der Gesamtforderung nach einer Teilruckzahlung.

H Teilerlass einer Forderung gegen Abgabe einer eidesstattlichen Versieherung durch den Schuldner. Sollte zu einem spateren Zeitpunkt die Unrichtigkeit der Erklarung offenbar werden, lebt die Ursprungsforderung wieder auf.

i? Akkordklausel bei Existenz mehrerer Glaubiger.

^ Erklarung der Vollstreckungsunterwerfung seitens des Kreditnehmers bzw. der Ge-sellschafter iiber den verbleibenden Forderungsteilbetrag.

F; Vereinbarung eines Einzelerlasses bei mehreren Schuldnern.

Mit Anderung des § 3 Nr. 66 EStG ist die Steuerfreiheit fiir Sanierungsgewinne weg-gefallen. Das bedeutet, dass betroffene Unternehmen die auBerordentlichen Gewinne, die aufgrund eines solchen Verzichts entstehen konnen, zu versteuern haben. Neben dem Verzicht auf die Kapitalforderung konnte dies einen zusatzlichen Finanzierungbedarf bedeuten, der wiederum durch die Kreditinstitute abzudecken ware. Ein Kapitalverzicht ist nur dann steuerlich neutral, wenn Verlustvortrage in Hohe des Verzichts bestehen.17

Eine entsprechende Bestatigung des Steuerberaters ist zuvor einzuholen. Besonders pro-blematisch ist die Versteuerung des Sanierungsgewinnes bei Personengesellschaften. Die Verluste der Vergangenheit wurden in aller Regel bereits mit anderen Einkiinften der Gesellschafter - und ihrer Ehepartner - verrechnet (Gesehaftsfuhrergehalt, Einkiinfte aus Vermietung und Verpachtung, Einkiinften aus Kapitalvermogen usw.), sodass nicht selten den Sanierungsgewinnen keine steuerlichen Verlustvortrage gegeniiberstehen. Als steuerneutrale Alternative zu einem Verzicht bleibt der Verkauf der Forderung zu einem symbolischen Kaufpreis an einen Dritten, der die Forderung entweder in Eigenkapital oder eigenkapitalahnliche Mittel umwandelt oder zur Vermeidung der Uberschuldung einen Rangriicktritt ausspricht.

Im Zusammenhang mit dem Forderungserlass wird regelmaftig ein Besserungsschein vereinbart. Darunter ist die Zusage des Schuldners zu verstehen, dass die Forderung ganz oder teilweise wieder auflebt, wenn sich seine wirtschaftliche Lage verbessert hat und die Erfiillung der neu entstandenen Zahlungspflicht keine Beeintrachtigung des Geschaftsbe-triebs und keine Gefahrdung anderer Glaubiger bewirkt. Obwohl erfahrungsgemaB Zah-lungen auf Besserungsscheine relativ selten sind, ist ein solcher zu vereinbaren, um an einer zukiinftigen Verbesserung der wirtschaftlichen Verhaltnisse zu partizipieren. Vor

17 Ggf. Antrag auf Erteilung eines Billigkeitserlasses (Steuerfreiheit) gemaB §§ 227 ff. AO bei der zustandi-gen OFD.

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allem bei einem spateren Verkauf von Anteilen des Unternehmens ist der Besserungs-schein unter Umstanden werthaltig. Daruber hinaus erfassen Besserungsscheine haufig den Fall uberraschender Vermogenszuflusse bei den Gesellschaftern des Krisenunter-nehmens (Erbschaften, Lotteriegewinne u.A.). Besserungsscheine sind zwar weder in der Steuer- noch in der Handelsbilanz zu passivieren. Der Wirtschaftsprufer hat allerdings bei prufungspflichtigen Unternehmen im Anhang des Jahresabschlusses hieriiber einen Vermerk zu machen.18

Mogliche Inhalte von Besserungsscheinen:

1. Grund und Hone des Anpruchs 2. Definition der Berechnungsbasis fiir den Anspruch (Steuerbilanzgewinn oder

Cashflow) M vor oder nach Steuern ft Behandlung steuerrechtlicher Gestaltungsmoglichkeiten £i Behandlung von Verlustvortragen 1§ Behandlung von Rucklagen W Behandlung der Gesellschaftler/Geschaftsfuhrer

3. Wertansatze der Bilanzierung 4. Gestaltung von so genannten „Intercompany"-Verrechnungen 5. Regelung fiir die Behandlung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten 6. Gewinnverwendung (Reihenfolge nach Sanierungs-Prioritaten)

tA Eigenkapitalstarkung (auch fiir zukunftige Investitionen) M Zahlung auf den Besserungsschein 'fi Entwicklung von Anpassungsklausel fiir den Fall des Kapitalschnitts B Gegebenenfalls Regelungen zu moglichen Ausschlittungen

7. Regelung der Zahlungsmodalitaten 8. Laufzeit des Besserungsschein 9. Regelung fiir einen moglichen Unternehmensverkauf bzw. fiir den Verkauf von

Anteilen 10. Regelung zu Informationspflichten, Einsichtsrechten, Bilanzerstellung

Spatere Zahlungen auf den Besserungsschein sind keine Betriebsausgaben, sondern Nachzahlungen, die den friiheren Sanierungsgewinn riickgangig machen; fruhere Steu-erzahlungen werden erstattet.

18 Vgl. BFH v. 30.03.1993 - IV R 57/91 - BB 1993, S. 1177.

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7.9 AuBergerichtlicher Vergleich

Eine Moglichkeit zur Beseitigung der bilanziellen Uberschuldung sowie zur Abwendung der Zahlungsunf ahigkeit ist der auBergerichtliche Vergleich (agV)19, der im Rahmen eines vorinsolvenzlichen Sanierungsversuches die Aufgabe hat, alle Glaubiger eines Krisen-unternehmens zu einem Verzicht zu bewegen. Sein groBer Nachteil liegt im fehlenden Zwang der Glaubiger, sich daran beteiligen zu miissen. RegelmaBig versuchen Einzelne durch besonders hartnackiges Androhen von ZwangsmaBnahmen, Vorteile zu erlangen und den Vergleich unmoglich zu machen, da der Schuldner - das Krisenunternehmen -dazu verpflichtet ist, alle Glaubiger gleich zu behandeln. Eine Zuwiderhandlung konnte straf- und zivilrechtliche Konsequenzen haben, sofern nicht alle Glaubiger

P schriftlich iiber diese Ungleichbehandlung informiert wurden, '£» die Ungleichbehandlung darauf beruht, dass bestimmte Glaubiger werthaltige Siche-

rungsrechte besitzen oder den agV finanzieren, & die einzelnen Glaubigergruppen im agV definiert sind und & alle dem agV und der Ungleichbehandlung schriftlich zustimmen.

Der agV kennt keine gesetzlich vorgeschriebenen Mindestquoten. Da mangels gesetzli-cher Vorschriften die Gefahr besteht, dass der Schuldner sich auf Kosten seiner Glaubiger bereichert, und weil eine sorgfaltige Uberwachung durch die Glaubiger in der Regel nicht moglich ist, empfiehlt sich die Bestellung eines Treuhanders. Dies konnte zum Beispiel ein Insolvenzverwalter sein, mit dessen Auftreten dem agV der notwendige „Nachdruck" verliehen wird. Insbesondere die Vielzahl der Glaubiger macht in der Regel ein schriftli-ches Verfahren, welches liber den Treuhander abzuwickeln ist, notwendig.

Da der agV ein Vertrag ist, der zwischen dem Schuldner und jedem einzelnen Glaubiger zustande kommt und es keinen Zwang zum Beitritt gibt, versuchen einzelne Glaubiger immer wieder, die Bemiihungen des Treuhanders zu untergraben, indem sie nicht zustim­men, Einzelfallregelungen fiir sich beanspruchen oder gerichtliche ZwangsmaBnahmen einleiten (Akkordstorer). Moglich ist dies, weil die Vereinbarung des agV in der Regel einer aufschiebenden Bedingung unterliegt, die das Zustandekommen des agV von der Zustimmung aller Glaubiger abhangig macht. Fiir diesen Fall bleibt nur die Ablosung des Akkordstorers. Hierzu kauft ein Dritter - finanziert durch den Gemeinschuldner - dem Akkordstorer die Forderung zu einer frei zu vereinbarenden, hoheren Quote als der agV-Quote ab. AnschlieBend nimmt der Dritte mit dieser Forderung als „normaler" Glaubiger am agV teil.

Nach Abschluss des agV kann sich kein Glaubiger auf seine urspriingliche Forderung berufen, es sei denn, im agV vereinbarte Bedingungen wurden nicht erfullt. Naturlich kommt der agV nicht zustande, sofern die dargestellten Sachverhalte unrichtig sind oder der Vergleich bei Kenntnis der Sachlage durch die Glaubiger nicht zustande gekommen

19 Vgl. § 779 BGB.

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ware. Da es in der Natur der Sache liegt, dass Schatzwerte als Basis zur Berechnung der zu verteilenden Vermogensmasse dienen, ist der Berechnungsmodus fester Bestandteil eines agV. Dies ist vom Treuhander entsprechend zu dokumentieren.

Arten und Regelungsinhalte eines auBergerichtlichen Vergleichs (agV):

II Sicherstellung der noch geschuldeten Betrage, M Darstellung der Abwicklung des agV

(Treuhander, Einrichtung eines bestimmten Kontos etc.), IS Unterlassungspflichten des Gemeinschuldners, Wi Kiindigungsrecht der Glaubiger, M Besserungsklausel fiir die Glaubiger, W Abgeltungsklausel fiir den Gemeinschuldner, B Geheimhaltungsklausel fiir alle Verfahrensbeteiligten, M Verfallklauseln (z. B. fiir die Besserungsklausel), B Auflebensklausel (bei Verzug des Gemeinschuldners mit der

Erfiillung seiner Pflichten gem. agV), % Pflicht zur Erstellung einer testierten Bilanz/einer testierten Vermogensubersicht.

7.10 Rangrucktrittserklarung

Zur Abwendung der Uberschuldung besteht bei Kapitalgesellschaften die Moglichkeit, durch eine Rangrucktrittserklarung eine Insolvenzantragspflicht zu vermeiden. Dieses Instrument ist fiir Banken und Sparkassen eine Alternative zum Kapitalverzicht. Ein Rangriicktritt (Subordination) sollte von Bankenseite jedoch erst erwogen werden, wenn seitens der Gesellschafter keine weiteren Moglichkeiten des Kapitaleinschusses oder des Rangrucktritts fiir Gesellschafterdarlehen bestehen. Die subordinierten Forderungen der Kreditinstitute sollten auf jeden Fall vor alien Gesellschafterforderungen bedient wer­den.

Mit dem Rangriicktritt tritt das Kreditinstitut mit seinen Anspriichen im Rang zuguns-ten aller gegenwartigen und zukiinftigen sonstigen Glaubiger des Unternehmens zuriick, indem Tilgungen, Zinsen und Kosten auf die zuruckgetretenen Forderungen gegen den Schuldner so lange nicht geltend gemacht werden, wie die teilweise oder vollstandige Be-friedigung dieser Forderungen zu einer Uberschuldung des Unternehmens fuhren wiirde. Fiir den Fall der Insolvenz diirfen diese Forderungen erst nach Befriedigung aller vor-rangigen Glaubiger aus kiinftigen Gewinnen oder aus Liquidationserlosen getilgt werden. Mehrere zuruckgetretene Glaubiger werden nach alien anderen Glaubigern quotal befrie-digt. Daruber hinaus verzichtet die Bank oder Sparkasse auf die Inanspruchnahme der zur Absicherung der subordinierten Forderung hereingenommenen Sicherheiten aus dem Gesellschaftsvermogen, solange und soweit der vereinbarte Rangriicktritt besteht. Meist

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steht die Rangrucktrittsvereinbarung unter der auflosenden Bedingung, dass das Krisen-unternehmen unter Einbeziehung der betreffenden Forderungen nicht iiberschuldet ist. Soweit die Uberschuldung durch Einbeziehung der zuruckgetretenen Forderung nicht eintritt, wird ein Erlosehen der Wirksamkeit der Rangrucktrittserklarung vereinbart. Eine so ausgestaltete Rangrucktrittserklarung fuhrt dazu, dass die betroffenen Kredite in einem Uberschuldungsstatus nicht aufgefuhrt werden miissen. Das Fortbestehen der Uberschuldung ist dabei kontinuierlich zu priifen. Dies kann dem Wirtschaftsprufer im Rahmen der Abschlussarbeiten aufgegeben werden. Da der Rangriicktritt auch fur die zu zahlenden Zinsen gilt, wirkt dieser - zumindest im begrenzten Rahmen - liquiditats-schonend.

Folgende kursorisch dargestellte Arten einer Rangrucktrittserklarung konnen eine Uber­schuldung nicht beseitigen:

W< Forderung bleibt unverandert bestehen und nur schuldrechtlich - nicht dinglich - wird vereinbart, diese nicht geltend zu machen.

$1 Aufschiebend bedingter Forderungserlass; Bedingung ist die fehlende Befriedigungs-moglichkeit der anderen Glaubiger. Bis zum Bedingungseintritt ist die Forderung rechtlich wirksam als Verbindlichkeit zu passivieren.

7.11 Umwandlung von Krediten in Beteiligungen

Haufig stehen in Krisensituationen keine weiteren Sicherheiten zur Verfugung, sei es aus dem Unternehmen selbst oder von dritter Seite. In dieser Lage wird Kreditinstituten als letztes mogliches „Asset" eine Beteiligung am Unternehmen angeboten. Im Gegenzug wird eine Ausweitung des Kreditengagements und eine Verminderung der Fremdkapital-last erwartet, um die Uberschuldung zu beseitigen (so genannter Debt-Equity-Swap).

7.11.1 Probleme des Umwandlungsvorgangs

Teile des Fremdkapitals werden mittels Kapitalerhohungsbeschluss in Eigenkapital um-gewandelt.20 Im Kapitalerhohungsbeschluss muss die einzubringende Forderung im De­tail bezeichnet sein und es gilt, auf deren Werthaltigkeit zum Zeitpunkt der Eintragung der Kapitalerhohung im Handelsregister zu achten. Darunter ist der tatsachliche Wert der Forderung unter Berucksichtigung der aktuellen Liquiditats- und Ertragslage der Gesell-schaft zu verstehen. Nur eine fallige, liquide und werthaltige Forderung darf durch die Gesellschaft mit dem Einlagenanspruch gegeniiber den Gesellschaftern aus der Kapital-

20 Hierbei handelt es sich um eine Sachkapitalerhohung i.S. des § 183 AktG bzw. § 56 GmbHG in Form der Abtretung der Kreditforderung an die Gesellschaft.

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erhohung verrechnet werden. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich die Bestatigung eines Wirtschaftspriifers hinsichtlich der Fahigkeit der Gesellschaft, die Darlehensver-bindlichkeiten auch ohne Kapitalerhohung bezahlen zu konnen. Falls eine nicht mehr werthaltige Forderung in Eigenkapital umgewandelt wiirde - dies ist bei einem Krisen-unternehmen die Regel - und das Unternehmen spater in die Insolvenz fiele, bestiinde fiir den Insolvenzverwalter die Moglichkeit, aufgrund mangelnder Werthaltigkeit der Ein-lage eine ordnungsgemaBe Einbringung zu verlangen und eine nochmalige Einbringung in Hohe des nicht werthaltigen Teils der Forderung einzufordern.

Moglicherweise konnte sich das betroffene Kreditinstitut bei Nichtbeachtung dieser Grund-satze darauf berufen, dass es sich bei den in Eigenkapital zu wandelnden Bankdarlehen um Voreinzahlungen auf kiinftige Einlagepflichten (Vorausdarlehen vor Kapitalerhohung) handelt. Dies ist gemaB GmbHG jedoch nur bei Sanierungsdarlehen moglich, die zum Zeit-punkt der Krise und vor Beschlussfassung iiber die Kapitalerhohung mit der Absicht der Uberwindung der Krise vergeben worden sind (Sanierungsprivileg), soweit der Darlehens-betrag zwischen dem Antrag auf Eintragung der Kapitalerhohung in das Handelsregister und dessen Durchfuhrung wertmaBig noch zur freien Verfiigung der Geschaftsfuhrer der GmbH gestanden hat.21 Nicht selten wird von den Beteiligten versucht, das Problem zu umgehen, indem in einem ersten Schritt das Kreditinstitut den erforderlichen Betrag dem Unternehmen in Form einer Barkapitalerhohung zur Verfiigung stellt, um anschlieBend ein zuvor gewahrtes Darlehen mit den gleichen finanziellen Mitteln zuruckfuhren zu lassen. Hieraus ergibt sich jedoch ein Umgehungstatbestand in Form der verdeckten Sacheinlage (fingierten Bareinlage), der zur Nichtigkeit des schuldrechtlichen wie auch dinglichen Rechtsgeschaftes fiihrt. Die Bareinlage ware vom Kreditinstitut nochmals zu erbringen. Zur Abwendung dieser Konsequenz kann eine Bareinlage jederzeit in eine Sacheinlage umgewandelt werden. Dabei muss die Forderung naturlich voll werthaltig sein.22

Die Umwandlung von Kreditforderungen in Beteiligungen stellt steuerlich einen Ver-auBerungsvorgang dar. In der Bilanz des Krisenunternehmens wird die Einlage mit dem Teilwert zum Zeitpunkt der Einbringung eingesetzt. In Hohe der Differenz zwischen dem Teilwert und dem umgewandelten Darlehen entsteht steuerlich ein Sanierungsgewinn. Es liegt insoweit ein Forderungsverzicht des Kreditinstitutes vor, der hoffentlich mit Ver-lustvortragen verrechnet werden kann. Ubernimmt ein Kreditinstitut auf diesem Wege innerhalb von funf Jahren mindestens 95 Prozent der Geschaftsanteile des Krisenunter­nehmens, folgt hieraus auBerdem die Verpflichtung zur Entrichtung der Grunderwerb-steuer auf den Verkehrswert vorhandenen Grundvermogens.

21 Vgl. BGH, Urteil v. 10.06.1996 - IIZR 98/95, in: ZIP 1996, S. 1466. 22 Vgl. Priester, Hans-J., Kapitalaufbringung bei korrespondierenden Zahlungsvorgangen, in: ZIP 1991, S. 345.

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7.11.2 Problem der Gesellschafterstellung

Mit der Umwandlung von Fremdkapital in Beteiligungskapital werden Kreditinstitute Gesellschafter von Krisenunternehmen. Neben der bereits erwahnten Beseitigung der Uberschuldung reduzieren sich hierdurch die Fremdfinanzierungskosten des Unterneh-mens. Dafiir partizipieren Banken und Sparkassen bei erfolgreicher Sanierung iiber ihre Beteiligung am Zuwachs des Unternehmenswertes.

Fur den Fall des Scheiterns der Sanierung miissen an dieser Stelle die Haftungen nach den Regeln des Eigenkapitalersatzes dargestellt werden. Beteiligt sich ein Kreditinstitut an einem Krisenunternehmen, so gelten hierfiir dieselben MaBstabe des Kapitalersatzrechts wie fiir jeden anderen Gesellschafter. Gewahrt das Kreditinstitut demnach ein Darlehen an ein Unternehmen, an dem es zu mehr als 10 Prozent (GmbH) bzw. 25 Prozent (AG) beteiligt ist, oder lasst es bei einer solchen Beteiligung Altkredite stehen, obwohl das Unternehmen sich in einer Krisensituation befindet, qualifizieren sich sowohl die neu gewahrten als auch die stehen gelassenen Kreditmittel als eigenkapitalersetzend und sind wahrend der Krise mit einem Ruckzahlungsverbot belegt. Die fiir diese Kredite bestellten Sicherheiten aus dem Unternehmensvermogen sind nicht verwertbar. Vor diesem Hintergrund sind Beteiligungen an Krisenunternehmen nach Auffassung der Autoren nur in Ausnahmefallen in Erwagung zu Ziehen. Im Falle der Insolvenz sind diese Kreditmittel nach § 39 InsO lediglich als nach-rangige Insolvenzforderung zu befriedigen und fallen daher in der Praxis regelmaBig aus.

Typische Regelungsinhalte von Genussscheinen:

fl Ausgabe unter Nennung des Gesamtnennbetrags und der Stiickelung, '%. Anspruch auf bestimmte Ausschiittungen, M Falligkeit des Ausschiittungsbetrags, it Art und Umfang der gewahrten Glaubigerrechte, M Laufzeit und Voraussetzung der Riickzahlung, ft Bemessung eines etwaigen Ruckzahlungsbetrages, -M KUndigungsrechte, M Regelungen zur Verlustteilnahme, M Rangrucktritt gegeniiber Forderungen anderer Gesellschafter, §i Ausgabe weiterer Genussscheine, M Bestandsgarantie fiir Verschmelzung, Umwandlung, Kapitalerhohung, m Zahlstellen.

Dagegen stellt die Umwandlung von Krediten in Genussrechtskapital im Rahmen eines schuldrechtlichen Vertrages eine haftungsrechtlich unbedenkliche Alternative dar, da Genussrechtskapital weder mit Stimm- noch mit Vermogensrechten an dem betroffenen Unternehmen verbunden ist und von daher nicht als Eigenkapital im rechtlichen Sinne qualifiziert wird. Eine bestimmte Gesellschaftsform ist fiir Genussrechte keine Voraus­setzung. Sie sind inhaltlich relativ frei gestaltbar und Ausschiittungen hierauf mindern den ertragsteuerlichen Gewinn, da sie als Betriebsausgaben gelten.

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Damit Genussrechtskapital im Uberschuldungsstatus nicht zum Ansatz kommt und die bilanzielle Uberschuldung beseitigt wird, sind folgende Vertragsinhalte Bedingung:

If Nachrangigkeit gegenuber den Anspriichen aller anderen Glaubiger, P erfolgsabhangige Vergutung; Verlustteilnahme in voller Hohe, % Verrechnung aufgelaufener Verluste vor Riickzahlung des Genussrechtes, & Langfristigkeit der Kapitaluberlassung.

7.12 Einraumung eines Sanierungskredites

Der Sanierungskredit umfasst ein Kreditverhaltnis, bei dem einem in der Krise23 befind-lichen Unternehmen von einem Kreditinstitut oder Dritten ein Kredit zur Sanierung ge­wahrt wird. Der Begriff Sanierungskredit leitet sich alleine aus der Zweckbestimmung des Kredites ab. Hierunter ist die Vergabe neuer Kredite, aber auch die Prolongation falliger Kreditverhaltnisse zu verstehen, nicht jedoch die bloBe Festschreibung neuer Kreditkonditionen bei laufenden Krediten. Der Sanierungskredit beseitigt die Zah-lungsunfahigkeit, nicht aber die Uberschuldung des Unternehmens. Ein Sanierungs­kredit wird im Regelfall direkt dem Krisenunternehmen gewahrt. In der Vergangenheit ist allerdings immer wieder der Versuch unternommen worden, die im weiteren Verlauf erlauterten Prufungspflichten im Zusammenhang mit der Kreditvergabe zu umgehen, indem die Kredite den Gesellschaftern des Krisenunternehmens oder ihnen naheste-henden Personen gewahrt worden sind. Ein derartiges Vorgehen induziert jedoch die Gefahr, als Gestaltungsmissbrauch qualifiziert zu werden. Insofern unterliegen der-artige Kredite aus unserer Sicht denselben Prufungspflichten wie die direkte Vergabe des Sanierungskredites. Unter einem Sanierungskredites (im weiteren Sinne) wird ver-standen ein

's Darlehen zur Sanierung des Krisenunternehmens (Sanierungskredit im engeren Sinne),

?f Darlehen zur Erarbeitung eines Sanierungskonzeptes (Uberbruckungskredit), '& Darlehen zur Abwicklung einer Liquidation (Liquidationskredit).

Die Vergabe von Sanierungskrediten bedarf immer der Einzelfallprufung.24 Die Darle-hensvergabe, die in dieser Situation im Regelfall nicht oder kaum durch werthaltige Si-cherheiten unterlegt werden kann, da diese normalerweise bereits verhaftet sind, und die aufgrund der Situation hoch ausfallgefahrdet scheint, unterliegt betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Restriktionen. Der eigentliche Sanierungskredit dient der Finanzierung der notwendigen Restrukturierung, die in aller Regel zunachst Liquiditat kostet, durch

23 Unter Krise ist in diesem Zusammenhang die Erfiillung eines Insolvenztatbestandes i.S. der §§ 16-18 InsO durch das Krisenunternehmen zu verstehen.

24 Vgl. AG Siegen, Urteil v. 16.4.1985, in: ZIP 1985, S. 1048.

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H Abfindung von Personal/Finanzierung eines Sozialplanes, t1 Abfindung der Dauerschuldverhaltnisse (Miete, Leasing, Pacht etc.), H Aufbau neuer Vertriebsstrukturen, ii Wiederaufbau der Lagerbestande, W* Vorfinanzierung der Produktion, if Entwicklung neuer Produkte und U Umbau der Produktionsmittel (Re- und Neuinvestitionen) etc.

bevor sich die Ergebnis- und Liquiditatslage bessert.

Der Uberbriickungskredit ist ein Kreditverhaltnis „sui generis". Er dient zur Sicherstel-lung des zur Erarbeitung eines Sanierungskonzeptes notwendigen zeitlichen und finan-ziellen Rahmens. Seine Laufzeit ist mit Blick auf den verfolgten Zweck stark begrenzt. (... solange wie zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens benotigt wird ...", nach herr-schender Meinung mindestens sechs Wochen). Fur den Fall, dass ein Sanierungsversuch wenig erfolgversprechend erscheint, sollten die Kreditinstitute die Moglichkeit der Liqui­dation des Krisenunternehmens in Betracht Ziehen. Der hierzu notwendige Liquidations-kredit

% dient der Finanzierung der Unterdeckung bis zur Beendigung der Liquidation, # unterstutzt die geordnete, mittelfristige Verwertung der Vermogensgegenstande des

Krisenunternehmens zur Optimierung der moglichen Verwertungserlose, *% ermoglicht die sukzessive Einstellung des Geschaftsbetriebes (Freisetzung des Per­

sonals, Verkauf des Warenlagers und des Anlagevermogens etc.), >.* vermeidet das Regelinsolvenzverfahren und damit die gegebenenfalls wertevernich-

tende Zerschlagung des Unternehmens.

Im Normalfall gelingt eine reibungslose Liquidation auBerhalb des Regelinsolvenzver-fahrens eher bei kleineren Betrieben, da es bei groBeren Unternehmen aufgrund der zu-nehmenden Komplexitat der Probleme und Vielzahl der Teilnehmer schwieriger wird, den Geschaftsbetrieb bis zum Ende der Liquidation ohne groBere und schwerwiegende Storungen zu Ende zu fiihren.

7.13 Offentliche Finanzierungshilfen zur Sanierung

Offentliche Kredite werden in der Regel iiber die Kreditinstitute, die ftir die durchge-leiteten Darlehen - zumindest teilweise - die Haftung ubernehmen, gewahrt. Dies gilt insbesondere fiir Restrukturierungsdarlehen, fur die eine Ausfallburgschaft des Bundes-landes oder einer landeseigenen Bank beantragt werden soil.

Offentliche Finanzierungshilfen unterliegen permanenten Veranderungen beziiglich Aus-gestaltung und Adressatenkreis. So wurden Mitte 2003 wesentliche Forderprogramme

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fur Existenzgriinder, Start-ups, kleine und mittlere Unternehmen und Freiberufler durch die Fusion der Kreditanstalt fiir Wiederaufbau (KfW) mit der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) neu geordnet. Zunehmend restriktiver werden offentliche Finanzierungshilfen fiir Unternehmenssanierungen behandelt. Insbesondere aufgrund eines zunehmenden Drucks der EU-Wettbewerbskommission kommt es hier zu Einschrankungen fiir Krisenunterneh-men und Unternehmen aus krisengeschiittelten Branchen. So werden beispielsweise von der KfW-Mittelstandsbank als zentralem Forderinstitut in Deutschland Unternehmen in Schwierigkeiten sowie Sanierungsfalle explizit von den Forderprogrammen ausgenom-men. Gleichwohl lohnt sich im individuellen Fall ein Gang zum ortlichen Wirtschaftsfor-derungsamt, um die konkreten Moglichkeiten einer offentlichen Finanzierungshilfe auch im Sanierungsfall zu priifen.

Das Gleiche gilt auch fiir Forderungen im Zusammenhang mit Sanierungsberatungsleis-tungen. Zudem werden eine Reihe von Programmen nur fiir bestimmte Regionen oder Bundeslander angeboten. An dieser Stelle wollen wir exemplarisch einige wichtige For-derwege in NRW darstellen:

Bundesministerium fiir Wirtschaft und Technologie, Forderberatung, Scharnhorststr. 34-37, 10115 Berlin, www.bmwi.de

Kreditanstalt fiir Wiederaufbau/KfW-Mittelstandsbank Palmengartenstr. 5-9, 60325 Frankfurt/M., www.kfw.de

Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Breite StraBe 29, 10178 Berlin, www.diht.de

Ministerium fiir Wirtschaft und Arbeit des Landes NRW Horionplatz 1, 40213 Diisseldorf, www.mwa.nrw.de

Tabelle 15: Darstellung offentlicher Finanzierungshilfen in NRW

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Beratungsprogramme sind in der Regel landesbezogen. Insoweitwurden exemplarisch einige Forderprogramme des Landes Nordrhein-Westfalen aufgefuhrt.

Tabelle 16: Darstellung offentlicher Beratungsforderung in NRW

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Sicherheitenpools sind in der Bankpraxis ein gangiges Instrument, um den Gefahren einer Krise des Kundenunternehmens zu begegnen oder das Risiko einer hohen Kredit-auslage zu verteilen.

In der Krise des Kundenunternehmens schlieBen sich Banken (und/oder Lieferanten) in einem Pool zusammen, um fiir eine Sanierung giinstige Rahmenbedingungen zu schaffen und sich fiir den Verwertungsfall bestmoglich aufzustellen. So sollen Reibungsverluste unter den Glaubigern im Rahmen der Verwertung aufgrund von Schwierigkeiten bei der Abgrenzung verschiedener Sicherheiten minimiert werden und die Durchsetzbarkeit und Verwertung der Sicherungsrechte durch eine einheitliche Durchsetzung (gegebenenfalls durch einen Treuhander) vereinfacht werden.

Im Insolvenzfall des Kunden haben Banken und der Poolfiihrer verschiedenen insolvenz-rechtlichen Haftungsgefahren Rechnung zu tragen. Daher ist einer zweckgerichteten und anfechtungsfesten Konstruktion des Sicherheitenpools groBe Bedeutung beizumessen.

8.1 Poolanlasse/-vorteile

Durch die Begrundung eines Sicherheitenpools entsteht eine Gesellschaft biirgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafter die Mitglieder des Pools sind. Der Gesellschaftsver-trag (der Poolvertrag) regelt samtliche Belange und Verhaltnisse der Mitglieder unter-einander sowie gegenuber dem Schuldnerunternehmen und dritten Glaubigern.

Als BGB-Gesellschaft ist der Bankenpool nicht als juristische Person anzusehen. Die Rechtsfahigkeit der Pool-GbR ist abhangig von der Poolkonstruktion. Im Krisenfall des Schuldnerunternehmens werden regelmaBig bereits bestellte Sicherheiten gepoolt, sodass fiir jede Bank bereits ein Rechtsverhaltnis mit dem Schuldner vorliegt. Somit begriin-det sich unabhangig von der Erscheinungsform des Pools die Rechtsfahigkeit der GbR als AuBengesellschaft. Bei der Vergabe eines Konsortialkredits (Investitionspool) muss diese Rechtsfahigkeit nicht vorliegen. Dies ist der Fall, wenn nach auBen nur eine Bank als alleiniger Kreditgeber auftritt und - moglicherweise gar ohne Kenntnis des Schuld-ners - das Kreditengagement nur im Innenverhaltnis mehrerer Banken gepoolt wird.

Zentrale Eigenschaft der GbR ist die Verfolgung und Forderung eines gemeinsamen Zwecks. Dies ist in diesem Fall die gemeinsame Sicherheitenverwaltung mit dem Ziel der Bundelung der Forderungen und der giinstigen Verwertung der Sicherungsgegenstande. Dementsprechend besteht die Hauptforderungspflicht der Gesellschafter darin, die eige-nen Sicherheiten treuhanderisch auf den Poolfiihrer zu ubertragen. Generell kann jeder

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Glaubiger, der nachweislich Rechte am Schuldnervermogen besitzt, dem Pool innerhalb einer gesetzten Frist beitreten.

Sollten Rechte Dritter versehentlich durch den Pool beeintrachtigt werden, verpflichtet sich der Pool regelmaBig zum Ersatz. Diese Vertragsklausel dient lediglich der Klar-stellung und hat insofern deklaratorischen Charakter. Rein rechtlich konnen vorrangige Sicherungsrechte Dritter namlich nicht eingeschrankt werden, ohne entsprechende Scha-denersatzverpflichtung seitens des Pools auszulosen.

Grundsatzlich sind zwei Anlasse zur Grundung eines Bankenpools zu unterscheiden:

Das Kreditkonsortium Hierbei kommt die Poolgrundung fiir die Betreuung eines Unternehmens mit groBem, investitionsbedingten Kreditbedarf in Betracht (Kreditkonsortium), um das Kreditrisiko nicht zuletzt aufgrund der hohen Kreditsumme auf mehrere Schultern zu verteilen. Neben der Risikoverteilung konnen sich im Kreditkonsortium Verwaltungs- und Verwertungs-vereinfachungen ergeben, indem die fiir den Gesamtkredit gegebenen Sicherheiten den beteiligten Banken wirtschaftlich gleichrangig, technisch aber nur einer Bank, die samt-liche Sicherheiten treuhanderisch mitverwaltet, bestellt werden.

Der Sanierungspool Im Krisenfall eines Unternehmens griinden Banken Sicherheitenpools, um insbesondere zu verhindern, dass in einer Art „Kiindigungswettlauf' der Banken eine Sanierung des Schuld-nerunternehmens zum wechselseitigen Nachteil (Insolvenz des Unternehmens und Forde-

Abbildung 33: Grunde und Vorteile der Bildung eines Sicherheitenpools (modifiziert)

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rungsausfall der Banken) unmoglich wird, oder fur den Fall einer spateren Insolvenz die Verwertung der bestehenden Sicherheiten moglichst zu vereinfachen (siehe Abbildung 33).

8.2 Poolorganisation

Im Rahmen der Poolgrtindung biindeln die teilnehmenden Banken die ihnen bestell-ten Sicherheiten und installieren liber den so genannten Poolflihrer eine einheitliche Sicherheitenverwaltung. Hierbei werden die Sicherheiten treuhanderisch auf den Pool­fuhrer iibertragen, der - von den Beschrankungen des Selbstkontrahierungsverbots des § 181 BGB vertraglich befreit - diese mit der „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" (§ 708 BGB) zu verwalten hat, erforderlichenfalls verwertet und auch sonstige Rechte und Pflichten gegenuber poolexternen Glaubigern oder einem Insolvenzverwalter wahr-nimmt. Das Poolen akzessorischer Sicherheiten, die ausschlieBlich dem Inhaber der gesicherten Forderung zustehen, geschieht entweder durch die gleichzeitige und gleich-rangige Bestellung dieser Sicherheiten oder durch die treuhanderische Ubertragung der zu den Sicherheiten gehorigen Forderung auf den Poolfuhrer.

In der Regel ubernimmt die Hausbank die Aufgabe der Poolfuhrung (bzw. die Bank mit dem grofiten Kreditengagement). In einigen Fallen wird die Poolfuhrerschaft einem ex-ternen Treuhander (in der Regel Wirtschaftsprufer oder Rechtsanwalte) iibertragen. Der Sicherungszweck der einzelnen Kreditsicherheiten wird auf samtliche Poolforderungen erweitert, wobei hier lediglich eine gemeinschaftliche Geltendmachung von Anspriichen beabsichtigt ist, und nicht eine Ausweitung der Poolsicherheiten liber die Summe der je-weils individuellen Sicherungszweckerklarung der beteiligten Banken. Die Wirksamkeit eines bestehenden Sicherungsrechts ist Voraussetzung fur die Ubertragung auf den Pool. RegelmaBig wird in Poolvertragen gemaB § 254 BGB eine Haftungsbeschrankung fur den Poolflihrer dahingehend vereinbart, dass die beteiligten Banken die Gliltigkeit der den Pool betreffenden Sicherheitenvertrage eigenverantwortlich zu prlifen haben. Auch soil der Poolflihrer nicht fiir Ausfalle haften, die auf das schuldhafte Verhalten des Kre-ditnehmers zurlickzuflihren sind.

Neben den beteiligten Banken unterschreibt der Schuldner den Poolvertrag, was jedoch nicht seine Mitgliedschaft begrlindet, sondern seine notwendige Zustimmung zu Pool-maBnahmen zum Ausdruck bringt. So muss der Schuldner sein Einverstandnis zur Er-weiterung des Sicherungszwecks und der treuhanderischen Sicherheitenverteilung inner-halb des Pools erklaren und die einzelnen Banken vom Bankgeheimnis befreien, um den poolinternen Informationsaustausch zu ermoglichen. Weiterhin bedarf die Durchflihrung eines Saldenausgleichs seiner Zustimmung, wenn eine Anfechtbarkeit des Unter-De-ckung-Nehmens von Forderungen1 verhindert werden soil.

1 Hierunter wird die Verknupfung von teilweise ungesicherten Forderungen einer Poolbank mit nicht voll valutierten Sicherungsrechten einer anderen Poolbank verstanden.

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8.3 Sanierungsmafcnahmen des Pools

8.3.1 Stillhalten bzw. Aufrechterhalten der Kreditlinien

Im in der Krise begriindeten Pool verpflichten sich die Mitglieder gemeinhin zum „Still-halten", d.h.: Die Mitgliedsbanken halten bestehende Linien offen und verzichten auf ihr Kundigungsrecht und die Sicherheitenverwertung. Ferner wird haufig eine Stundung fal-liger Zinsen und Tilgungen vereinbart, um den akuten finanziellen Druck auf das Kri-senunternehmen zu mindern. Generell sollten samtliche Schritte im Einvernehmen der Kreditinstitute stattfinden. Durch ihr gemeinsame Moratorium wird eine Sanierung oft erst moglich.

8.3.2 Neukreditvergabe

Durch die Errichtung eines Bankenpools wird im Allgemeinen die Neukreditvergabe er-leichtert, da aufgrund der Risikoverteilung auf mehrere Banken die Vergabebereitschaft jeder einzelnen Bank steigt. Bei der Sanierungskreditvergabe durch einen Pool sind die gleichen Erfordernisse zu beachten wie bei der Kreditvergabe durch eine einzelne Bank: Das Vorliegen eines adaquaten, von einem unabhangigen, branchenkundigen Gutachter erstellten Sanierungskonzepts mit positiver Aussage zur Sanierungsfahigkeit und Sanie-rungswiirdigkeit schlieBt in der Regel einen Haftungsanspruch Dritter wegen sittenwid-riger Kreditvergabe aus. Die einzelnen Poolbanken beteiligen sich an der Neukreditver­gabe grundsatzlich anteilig im Verhaltnis der im Poolvertrag ausgewiesenen Kreditlinien. Fur den Fall, dass sich eine Poolbank nicht an der Verauslagung neuer Kredite beteiligt, ist eine eindeutige Regelung zu treffen, wie vor einer eventuellen Sicherheitenverwer­tung der Saldenausgleich durchzufuhren ist, damit durch diesen nicht diejenigen Institute (ibervorteilt werden, die zusatzlich ins Obligo gegangen sind.

In der Praxis taucht haufig die Problematik der Ubersicherung auf. Oft ist fur Kreditin­stitute und Bankenpools die Neukreditvergabe in der Unternehmenskrise nur das Vehikel zur Erlangung einer besseren Besicherung des Gesamtengagements, denn eine Nachbesi-cherung der Poolkredite im Insolvenzfall oder in Kenntnis desselben ohne Neukreditver­gabe wird im Insolvenzfall regelmaBig vom Verwalter mit dem Verweis auf § 131 InsO (Inkongruente Deckung) richtigerweise angefochten. Dem wird durch so genannte „Uber-schwappklauseln" zu begegnen versucht: Sicherheiten, die im Rahmen eines Sanierungs-kredites hereingenommen werden, haften im ersten Schritt lediglich fur den so genannte Sanierungskredit. Daruber hinaus wird im Sicherheitenvertrag eine erganzende Klausel vereinbart. Danach haften etwaige Ubererlose nach der Verwertung der Sicherheiten zu Gunsten des Sanierungskredites auch fur das Alt-Engagement. Alternativ konnten die Anspriiche auf etwaige Ubererlose aus der Verwertung der Sicherheiten des Sanierungs­kredites zu Gunsten des Alt-Engagements separat abgetreten werden. Eine mogliche An-

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fechtung der Ausweitung der Neu-Sicherheiten auf das Alt-Engagement wurde sich dann grundsatzlich nur gegen die Ausweitung und nicht gegen die Sicherheitenbestellung zu Gunsten des Sanierungskredites richten konnen.

8.3.3 Probleme der Sanierungspraxis

In der Praxis begegnet man bei Bankenpools haufig Abstimmungsproblemen oder gar In-teressenkonflikten. So ist die Einrichtung eines Bankenpools wenig sinnvoll, wenn sich nicht samtliche Glaubigerbanken des Schuldnerunternehmens an ihm beteiligen. Das daraus resultierende uneinheitliche Bankenauftreten unterlauft den Zweck eines Pools, da eine gemeinsame und einheitliche Geltendmachung von Interessen und Anspruchen erschwert wird, was durch einen Pool eigentlich verhindert werden soil.

Weiterhin verfolgen Banken, die Sicherheitenpools zur Verhinderung von Forderungsaus-fallen beitreten, naturgemaB zuerst das eigene Interesse an der Schadensminimierung.

In der Praxis platzieren Kreditinstitute fiir die Prufung der Sanierungsfahigkeit und -wiirdigkeit immer noch hauseigene Beratungsgesellschaften im Schuldnerunternehmen und setzen sich hiermit dem Vorwurf der faktischen Geschaftsfuhrung aus. Den beteilig-ten Mitarbeiter treffen danach die gleichen Pflichten wie den bestellten Geschaftsfuhrer: Pflicht zur Insolvenzantragstellung, zur Kapitalerhaltung, zur gleichmaBigen Glaubiger-befriedigung etc. Zuwiderhandlungen konnen strafrechtliche (insbesondere Beteiligung bei einer Insolvenzverschleppung) aber vor allem haftungsrechtliche Konsequenzen (vor allem etwaige Schadenersatzanspruche anderer Glaubiger, insbesondere der Lieferanten) nach sich Ziehen.

Bei Uneinigkeit der beteiligten Kreditinstitute ziehen sich Poolverhandlungen trotz des im Krisenfall engen Zeitrahmens unnotig in die Lange. Die Uneinigkeit verursacht haufig Widerstand des Schuldnerunternehmens gegen das operative Vorgehen. Haftungsrisiken werden oft nicht bei der Konstruktion des Sicherheitenpools berlicksichtigt.

Um derlei Probleme von vornherein zu umgehen, empfiehlt sich die Ubertragung der Poolfiihrerschaft auf einen neutralen, auBen stehenden Treuhander. Die operative Durch-setzung der Poolanliegen soil durch eine ebenfalls unabhangige Unternehmensberatung unter konstruktiver Einbeziehung von Anteilseignern, Managern und bisherigen Beratern des Schuldnerunternehmens koordiniert werden. Auf diese Weise kann auch die Sanie-rungspriifung, die vor einer potentiellen Neukreditvergabe durch den Pool steht, in einem anfechtungsfesten Rahmen ablaufen.

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8.4 Verwertung und Haftungsgefahren

Erweisen sich im Krisenfall des Kreditnehmers Sanierungsbemuhungen und Restruktu-rierungsmaBnahmen als unzureichend, steht zumeist der Schritt in die Insolvenz an. Fur Banken und Sparkassen, die sich im Zuge der Krise oder sehon davor in einem Sicherhei-tenpool zusammengeschlossen haben, gilt es, die nun anstehende Sicherheitenverwertung moglichst reibungslos zu betreiben.

Da die insolvenzliche Sicherheitenverwertung mit verschiedenen Haftungs- und Ausfall-gefahren verbunden ist, ist bereits einer zweckgerichteten und anfechtungsfesten Kon-struktion des Sicherheitenpools groBe Bedeutung beizumessen.

8.4.1 Verwertung durch den Pool

In der Krise des Kreditnehmers verringert sich regelmaBig der Wert der Kreditsicherheiten, insbesondere der Umiaufsicherheiten, da das Unternehmen zur Verbesserung der Liquiditat das Debitoren-Inkasso verstarkt, die so genannte Schnelldreher des Warenlagers bevorzugt verkauft und gegebenenfalls nicht betriebsnotwendiges Anlagevermogen verauBert.

Im Falle der Insolvenz des Schuldnerunternehmens betreibt der Poolfuhrer die Verwer­tung der Poolsicherheiten im Einvernehmen mit den Poolbanken in eigenem Namen auf Rechnung aller. Er ist weiterhin jederzeit und vollumfanglich zur Information der Pool-mitglieder iiber samtliche Poolangelegenheiten verpflichtet.

Die Kreditlinien, mit denen sich die einzelnen Mitgliedsbanken am Pool beteiligen und die den Anteil am Pool bestimmen, setzten sich einerseits aus den Barlinien, andererseits aus eventuellen Aval-, Akzept- oder Diskontlinien zusammen. Die Inanspruchnahme von Aval- oder Diskontlinien wird per Poolvertrag mit der von Barlinien gleichgesetzt, um zu verhindern, dass einzelne Poolbanken durch Erhohung dieser Linien eine vergleichsweise bessere Position fiir den Saldenausgleich und die Erlosverteilung erlangen konnen.

Im Falle einer deutlich asymmetrischen KK-Inanspruchnahme der einzelnen Poolbanken oder zur Vorbereitung der Erlosverteilung wird, bezogen auf den Zeitpunkt des Verwer-tungsbeschlusses, ein Saldenausgleich zwischen den Poolbanken durchgefiihrt. Durch den Saldenausgleich wird eine prozentual gleichmaBige Beanspruchung der von den Poolbanken gewahrten Kreditlinien gewahrleistet. Je nach fallspezifischer Kreditstruk-tur wird der Saldenausgleich lediglich fiir die Barkreditlinien durchgefiihrt oder aber fiir jede Kreditart einzeln. Sollte nachtraglich eine Bank mit Aval- oder Diskontkrediten aus-fallen, wird der Saldenausgleich entsprechend angepasst.

Ferner findet er nur innerhalb des Pools statt und verandert somit nicht die Gesamtforde-rungshohe des Pools. Die Vornahme des Saldenausgleichs ist unproblematisch, wenn vor dem Verwertungsfall keine Neukreditvergabe durch den Pool stattgefunden hat oder der

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Neukredit sich tatsachlich im Verhaltnis der vorherigen Linien der Poolbanken zusam-mensetzt. Fur den Fall, dass eine Bank trotz Poolmitgliedschaft nicht an einer Neukredit-vergabe durch den Pool partizipiert, bedarf es eines besonderen Augenmerks auf den Saldenausgleich vor einer Verwertung. Eine nicht an Neukrediten beteiligte Poolbank ist vertraglich von einem Saldenausgleich in dieser Situation auszuschlieBen, da durch ihre Beteiligung die anderen Banken tibervorteilt wiirden (siehe Tabelle 17).

Durch Ausschluss vom Saldenausgleich von Bank D In Szenario 3 erlangen die Banken mit Neukreditobligo eine niedrigere Linieninaspruchnahme als in Szenario 2.

Tabelle 17: Beispiel Saldenausgleich nach Neukreditvergabe

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Der Poolfiihrer ist fiir die Verwertung der Poolsicherheiten zustandig. Auch ist er (mit Zustimmung der Poolbanken) fiir eine eventuelle Sicherheitenfreigabe verantwortlich. Diese wird notwendig, wenn der Wert samtlicher Sicherheiten 120 Prozent der gesicher-ten Forderungen nicht nur vorubergehend ubersteigt. Im Zusammenhang mit den bank-ublichen Sicherheitsabschlagen bei der Bewertung von Kreditsicherheiten wird eine Sicherheitenfreigabe eher selten vorkommen. RegelmaBig vereinbaren die Poolbanken im Poolvertrag fiir den Verwertungsfall die folgende Befriedigungsrangfolge fiir ihre Forderungen:

1. Kosten, Steuern, Aufwendungen und Entgelt des Poolfiihrers. 2. Forderungen der Banken aus den Poolkrediten im Verhaltnis der Inanspruchnahmen

nach Saldenausgleich. 3. Geduldete Uberziehungen der KK-Linien. 4. AuBerhalb des Pools gewahrte Kredite. 5. Sonstige Anspriiche der Poolbanken aus bankmaBiger Geschaftsverbindung.

Aval- und Akzeptkredite werden bei der Erlosverteilung nur beriicksichtigt, falls hierauf Zahlungen geleistet werden, Diskontkredite, wenn ein Ausfall feststeht. Soweit Forde­rungen in ihrer Hohe erst nach Erlosverteilung feststehen, sorgen die Banken intern fur adaquaten Ausgleich.

Der Poolfiihrer verteidigt ferner Poolrechte gegen unberechtigte Anspriiche Dritter oder er lost Rechte Dritter durch Zahlung ab, um die Durchsetzung von Poolrechten zu er-leichtern. Aufgrund seiner treuhanderischen Befugnis obliegt es ihm, im Verwertungsfall die Sicherungsrechte der Poolbanken offenzulegen und ihre Durchsetzung voranzutrei-ben. Im Fall von Sicherheiten in Form von Immobilien oder personlichen Burgschaften etc. erscheint dies meist vergleichsweise unproblematisch. Schwieriger gestaltet sich in der Praxis die Durchsetzbarkeit von Zessionen.

8.4.2 Sicherheitenabgrenzung

In der Praxis wird der Bankenpool naturlich nicht der einzige Glaubiger eines (insolven-ten) Krisenunternehmens sein. In der Hauptsache ist hier an die Lieferanten von Waren und Dienstleistungen zu denken, die ihre Anspriiche gegen das Schuldnerunternehmen ebenfalls besichern. Hier kommt es zur Kollision etwaiger Globalzessionen und Raum-Sicherungsubereignungen der Kreditinstitute und den verlangerten bzw. erweiterten Ei-gentumsvorbehalten der Lieferanten. Obwohl sowohl das Prioritatsprinzip, welches der friiheren Abtretung den Vorrang einraumt, als auch die Sittenwidrigkeit der Globalzes-sion bei Brancheniiblichkeit von Eigentumsvorbehalten diese Rechtskollision zu iiber-winden versuchen, bestehen in vielen Fallen Abgrenzungsschwierigkeiten beziiglich des Sicherungsguts. Dieser Problematik wird haufig mit dem Abschluss von Sicherheiten-abgrenzungsvertragen begegnet.

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Bei der Sicherheitenabgrenzung wird festgelegt, welche Vermogensgegenstande des Schuldnerunternehmens die Anspruche der jeweiligen Glaubigergruppe besichern sollen. Hier ist die Nomenklatur irrefuhrend, denn weitaus haufiger ist unter obiger Bezeichnung die Konstellation anzutreffen, bei der Kredit- und Warenkreditglaubiger ihre Forderun-gen und die zugehorigen Sicherungsrechte poolen und vertraglich einen Erlos-Vertei-lungsschliissel vereinbaren.

Typisch hierfiir ist die folgende Erlosverteilung, wobei die genaue Ausgestaltung natiir-lich Gegenstand individueller Vertragsgestaltung ist, die von den jeweiligen Sicherheiten-positionen der Poolmitglieder abhangt:

1. Die Lieferanten erhalten Erlose bis zur Hohe ihrer Forderungen oder eines zu be-stimmenden Prozentsatzes des Nettoerloses.

2. Die Banken erhalten die von den Lieferanten nicht benotigten Erlose bis zur Hohe ihrer Forderungen, mindestens jedoch einen zu bestimmenden Prozentsatz des Netto­erloses.

3. Die Lieferanten erhalten wiederum etwaige von den Banken nicht benotigte Erlose zur Deekung ihrer restlichen Forderungen.

4. Die Anspruche der Lieferanten, die dem Pool nicht angehoren, werden zu Lasten des Erlosanteils der Poollieferanten befriedigt

Trotz der grundsatzlichen Vorteilhaftigkeit dieser Regelungen haben Kreditinstitute hau-fig Vorbehalte, da durch die Poolbildung mit Lieferanten lieferantenspezifische Risiken mit ubernommen werden, auf die bankseitig kein Einfluss genommen werden kann oder die bei der Erlosquotenbildung nicht quantifizierbar und somit nur schwerlich zu beriick-sichtigen sind. - So erhalten Lieferanten durch die Teilnahme an einem „gemischten" Pool Anteil an vorbehaltsfreien Forderungen gegen auslandische Kunden und einem etwaigen produktionsbedingten Mehrwert. Auch profitieren sie an der Uberwachung der Wert-haltigkeit der Sicherheiten durch die Kreditinstitute. Weiterhin entfallt - dies ist auch in einem reinen Lieferantenpool der Fall - die Problematik des Namlichkeitsnachweises, da Vorbehaltsabgrenzungen gegeniiber anderen, poolinternen Lieferanten hinfallig werden.

8.4.3 Haftungsgefahren

Im Rahmen der Neukreditvergabe im Krisenfall des Kundenunternehmens ist ein Pool selbstverstandlich den gleichen Haftungsrisiken ausgesetzt wie jede einzelne Bank. So verursacht die Vergabe eines ,eigennutzigen' Sanierungskredits mit der Absicht, Dritt-glaubiger (insbesondere Lieferanten) beziiglich der Bonitat des Schuldnerunternehmens zu tauschen, Schadenersatzanspruche gegeniiber diesen Drittglaubigern (Altglaubiger: Quotenschaden; Neuglaubiger: vollstandiger Schadenersatz). Genauso lost das Einwirken der Banken auf das Schuldnerunternehmen mit dem Ziel der Insolvenzverschleppung - um Zahlungseingange oder Wertsteigerungen von Sicherheiten abzuwarten - haftungs-aber auch strafrechtliche Konsequenzen aus.

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Durch die Erweiterung des Sicherungszwecks der poolrelevanten Sicherheiten auf alle Poolforderungen erlangen die Mitgliedsbanken regelmaBig Anteil an Kreditsicherheiten, auf die sie ohne Sicherheitenpool keinen Anspruch gehabt hatten. Somit droht in diesem Fall zunachst der Tatbestand der „inkongruenten Deckung" gemaB § 131 InsO. Jedoch fehlt es fur den Fall, dass alle Kreditsicherheiten den einzelnen Banken schon vor Pool-griindung fiir die Kreditforderungen bestellt waren, die den Sicherheitenwert jeweils ubersteigen, an der Glaubigerbenachteiligung gemaB § 129 InsO. Der Tatbestand der Glaubigerbenachteiligung ist aber anspruchsbegrundend fiir die Anfechtung und liegt in der Regel nicht vor, da durch die Ausweitung des Sicherungszwecks lediglich die pool-interne Erlosverteilung verandert, nicht aber die Insolvenzmasse geschmalert wird.

Entsteht allerdings durch die Poolgriindung ohne Beteiligung des Schuldners ein Siche-rungsrecht, welches ohne den Pool erloschen oder nicht durchsetzbar ware, etwa durch die Aufnahme einer ungesicherten Forderung des einen Poolmitglieds in den bestehen-den und nicht ausgeschopften Sicherungsrahmen eines anderen, liegt ein so genanntes „Unter-Deckung-Nehmen" von Forderungen vor, welches gemaB § 131 InsO anfechtbar ist und den Pool zum Schadenersatz gegeniiber den dadurch benachteiligten Glaubigern oder der Masse verpflichten konnte. Im Rahmen einer Mitwirkung des Schuldners am Abschluss der Poolvereinbarung sind drei Handlungsoptionen zu nennen, die das Risiko des Unter-Deckung-Nehmens minimieren:

1. Der Schuldner verpfandet im Vorfeld etwaige Kontoguthaben bei einer Poolbank alien Poolbanken.

2. Der Schuldner bestellt seine Kreditsicherheiten bei Poolgriindung alien Poolbanken gemeinsam.

3. Der Schuldner verpflichtet sich selbst zur regelmaBigen Durchfuhrung eines Salden-ausgleichs.

Fiir den Fall, dass der Sicherheitenpool vor einer Insolvenz und auch vor der potentiellen Kenntnis einer solchen bzw. dem Krisenfall begrundet wird, sind entsprechende Ver-tragsinhalte in der Regel nicht im Sinne der §§ 129 ff., §226 III oder §91 InsO durch den Insolvenzverwalter oder poolexterne Glaubiger anfechtbar.

Eine wirksame Poolvereinbarung fiihrt auch dann nicht zur Haftung der Mitglieder, wenn die im Poolvertrag geregelten Sicherheiten das gesamte Aktivvermogen des Schuldners ausmachen. § 25 HGB kann nicht angewendet werden, weil die Poolmitglieder selbst bei vollstandigem Aufgehen des Betriebsvermogens im Pool regelmaBig nicht die Rechte zur Fortfiihrung des Betriebes und zur Nutzung der Betriebsmittel erlangen und auch nicht Dritten gegeniiber als Betriebsinhaber auftreten, sondern allein danach streben, ihre Si­cherheiten zu verwerten. Solange das Schuldnerunternehmen iiber das Aktivvermogen eigenstandig verfiigen kann, ist auch eine Haftung aufgrund von Schuldnerknebelung ausgeschlossen. Mangels Betriebsiibergangs kann daher auch § 613a BGB keine Haftung des Pools begriinden. Eine Ubernahmehaftung des Pools kommt grundsatzlich nicht in Betracht.

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Ebenso wenig wird in der Regel die Kapitalersatzregelung fur Poolkredite durchsetz-bar sein. 1st eine der Poolbanken zugleich Gesellschafterin des Schuldnerunternehmens, kann zwar argumentiert werden, dass die verauslagten Poolkredite dem Kapitalersatz un-terliegen, jedoch in der juristischen Praxis wird dem jeweiligen Kreditinstitut aufgrund der Tatsache, dass die anderen Poolbanken zweifelsfrei als Fremdkapitalgeber fungieren, zugestanden, ebenfalls als Fremdkapitalgeber zu handeln.

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9.1 Der deutsche NPL-Markt

In den USA sowie in GroBbritannien, Italien, Frankreich und asiatischen Landern ist der Handel mit notleidenden Krediten (Non-Performing Loans oder Distressed Debts) langst - teilweise gar mit staatlicher Unterstiitzung - etabliert. In Deutschland beginnt dieser Markt erst, sich zu entwickeln, obwohl die Kreditportfolios deutscher Banken not-leidende Kredite im Werte von 50 bis 300 Mrd. € bergen und somit das groBte Marktpo-tenzial in Europa darstellen.

Unter dem Begriff „Non-performing Loans" werden im engeren Sinne diejenigen Kre-ditforderungen zusammengefasst, bei denen Banken oder Sparkassen aufgrund von Zah-lungsverzug1, unzureichender Sicherheitenbestellung, einer Verschlechterung der Vermo-gensverhaltnisse oder der Insolvenz des Schuldners gemaB den AGB der Banken und Sparkassen berechtigt sind, den Kredit aus wichtigem Grund fristlos zu kundigen oder bereits gektindigt haben. Im weiteren Sinne werden oft solche Kredite NPL-Portfolios zugeordnet, die lediglich leistungsgestort sind, oder deren Schuldner eine schwache Bo-nitat/ein schlechtes Rating aufweisen und sich auf der bankinternen Watchlist befinden. Das vergleichsweise hohere Ausfallrisiko bzw. die schlechtere Kreditqualitat sind hier Auswahlgrundlage.

Erste Tendenzen zur Auslagerungen des Risikos problembehafteter Kredite zeigten deut­sche Banken vereinzelt bereits in den friihen 90er Jahren (beispielsweise Bankaktien-gesellschaft Hamm/Volksbanken, spater IRU/Dresdner Bank). Erst in den vergangenen zwei Jahren sind auch hierzulande NPL-Transaktionen im eigentlichen Sinne, namlich auf dem Wege der Ubertragung von Forderungen an Investoren, zu beobachten. Als (po-tenzielle) Kaufer treten auf dem deutschen Markt in erster Linie spezialisierte US-ameri-kanische Investmentbanken und Opportunity Funds (bspw. Lonestar, Cerberus, Fortress, ...)auf.

In jiingerer Zeit fanden auf dem deutschen Markt Transaktionen mit diversen Portfolios statt. Diese NPL-Portfolios sind in drei Gruppen zu kategorisieren:

M Portfolios aus kleinteiligen, immobilienbesicherten Wohnungsbaukrediten aus dem Massengeschaft der Banken (Residential Retail Loans),

M Portfolios aus immobilienbesicherten Krediten fur den Erwerb oder den Bau von Im-mobilien zur gewerblichen Nutzung (Bautragerkredite oder Finanzierungen von Ein-

1 Rumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. AufL, 2000. S. 778.

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zelhandels- bzw. Buroimmobilien sowie gemischtgenutzten Immobilien), • Portfolios aus „Corporate Loans", teilweise ohne Immobilienbesicherung (z.B. Be-

triebsmittelkredite, etc.).

9.2 Strategien und Effekte

Vor dem Hintergrund der derzeit starken Auslagerungs- und Verschlankungstendenzen deutscher Banken gewinnt der Handel mit Non-performing Loans zusehends an Bedeu-tung. Viele Banken sehen das Inkasso notleidender Kredite und die Sanierung ihrer Fir-menkunden nicht als ihr originates Kerngeschaft an.

Durch die Auslagerung bzw. den Verkauf von NPL-Portfolios soil einerseits ein besse-res eigenes - weil entlastetes - Rating gewahrleistet werden. Andererseits soil durch den Verkauf der eigene Bedarf an Personal und Infrastruktur einer Sanierungsabteilung aus Kostengriinden moglichst klein gehalten werden.

9.3 Formen derVerwertung notleidender Forderungen

Notleidende Kreditforderungen konnen auf unterschiedliche Weise ausgelagert bzw. ver-sichert werden. Differenziert wird zwischen:

!i Verkauf und Ubertragung von Krediten und Kreditsicherheiten („True Sale"), it Unterbeteiligung eines Investoren, K synthetische Verbriefung des Kreditrisikos.

9.3.1 True Sale

Die gangigste und umfassendste Transaktionsvariante beim Handel mit notleidenden Krediten stellt der sogenannte True Sale dar. Hierbei handelt es sich um die vollige Tren-nung des Kreditinstituts von Krediten und Kreditrisiken (siehe Abbildung 34).

Die Bank erzielt durch die Auslagerung von Krediten und Kreditrisiken hinsichtlich der Implikationen der Basel Il-Vereinbarung eine Bilanzentlastung, da die relativ hohe, ri-sikogewichtete Eigenkapitalunterlegung fiir Problemkredite wegfallt und fur profitab-lere Neuengagements frei wird. Ferner realisiert sie einen Teilbetrag der Kreditsumme in Hohe des Portfolio-Kaufpreises als Liquiditat und erzielt durch die Verstetigung der

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Abbildung 34: Typische Struktur einer True Sale Transaktion

Ertrage aus dem betreffenden NPL-Portfolio eine hohere Planungssicherheit fiir zukiinf-tiges Neugeschaft.

Durch den Verkauf entledigt sich die Bank weiterhin zu Lasten des Kaufers von dem wirtschaftlichen Risiko, mit dem die entsprechenden Krisenengagements behaftet sind. Damit die Bank durch den Forderungsverkauf ihre Aktiva verringern kann, muss neben dem rechtlichen Eigentum auch das wirtschaftliche Risiko der Forderungen auf den In­vestor iibergehen, damit der Verkauf als vollwirksame Eigentumsiibertragung zu werten 1st.2 Durch eine Selektion der zu verkaufenden Kredite kann die Bank Klumpenrisiken im eigenen Kreditportfolio beseitigen und durch die weitgehende Risikodiversifikation Ausfallwahrscheinlichkeiten zusatzlich minimieren. SchlieBlich ist es der Bank in orga-nisatorischer Hinsicht moglich, nach Auslagerung von Krisenengagements Personal- und Strukturkosten fiir die entsprechenden Intensivbetreuungs- und Abwicklungsabteilungen einzusparen oder die betreffenden Ressourcen anderweitig einzusetzen. Das Workout des NPL-Portfolios kann sowohl - gegen Gebuhr - bei der Bank verbleiben als auch vom In­vestor ubernommen werden. Haufig wird aber auch ein externer Dienstleister, mit dieser Aufgabe betraut. Tabelle 18 stellt die Hauptmotive der Beteiligsten fiir eine NPL-Trans-aktion vor.

9.3.2 Unterbeteiligung

Um im Falle der Vertragsubernahme die Notwendigkeit der Zustimmung des Schuld-ners zu umgehen, kann im Innenverhaltnis zwischen Bank und Erwerber eine Unterbe­teiligung an einer Zweckgesellschaft, auf die das Portfolio ubertragen wird und an der Bank und Investor beteiligt sind, vereinbart werden. Die Bank kehrt daraufhin samtliche Zahlungseingange (aus Tilgung, Zinsen oder Sicherheitenerlos) aus den Krediten des be­treffenden NPL-Portfolios gegen die Zahlung eines Kaufpreises durch den Investor aus.

2 Vgl. zur steuerrechtlichen Zuordnung auch § 39 AO.

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Tabelle 18: Hauptmotive der Beteiligten fiir eine NPL-Transaktion

Da im AuBenverhaltnis weiterhin nur die Bank als Darlehensgeber auftritt und weder Forderungen noch Sicherheiten ubertragen werden, bedarf es hierzu keiner besonderen Einwilligung des Schuldners. Jedoch bleibt die Bank Darlehensgeber und kann somit eine eigenkapitalentlastende Bilanzbereinigung nur in der Hohe vornehmen, in der sich der Investor an der Zweckgesellschaft und damit am Kreditrisiko beteiligt.

9.3.3 Verbriefung

Als weitere Verwertungsmoglichkeit notleidender Kreditportfolios bietet sich fiir Ban-ken und Investoren die Verbriefung und Refinanzierung iiber den Kapitalmarkt an. Dies kommt fiir Portfolios in Frage, die eine hierfiir ausreichende GroBe und Diversifikation aufweisen. Entweder verfiigen Banken selbst iiber solch groBe Portfolios und konnen selbst als Emittent auftreten, oder Investoren vereinen mehrere kleinere Portfolios, wel-che sie vorher von Banken erworben haben. Unterschieden werden generell zwei Formen der Verbriefung:

M Asset Backed Securities (ABS) - Transaktionen, *& synthetische Verbriefungen iiber Kreditderivate.

Bei einer ABS-Transaktion verkauft die Bank ihr NPL-Portfolio an eine Einzweckgesell-schaft (Special Purpose Vehicle, SPV) und erhalt dafur den um die iiblichen Abschlage im Rahmen der Risikobewertung reduzierten Barwert der zu Grunde liegenden Forderun­gen. Die SPV refinanziert sich iiber die Emission von Wertpapieren (Asset Backed Secu­rities). Ublicherweise bleibt die Bank Ansprechpartner der Kreditnehmer und ubernimmt als Servicer die Forderungsverwaltung. Die Riickzahlung der ABS an die Investoren er-folgt aus den Zahlungseingangen der betreffenden Forderungen. Die Bank kann, sofern sie nicht selbst an der SPV beteiligt ist, ihre Bilanz von den verkauften Krediten entlasten und profitiert durch die Verbesserung der Bilanzkennzahlen (beispielsweise ROE) von

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gunstigeren Rating- und Bonitatseinstufungen. Allerdings hat das friihere Bundesauf-sichtsamt fiir den Wertpapierhandel fur ABS-Transaktionen zusatzliche Anforderungen formuliert, die die bilanzielle Entlastung des Forderungsverkaufers betreffen.3 So muss im Rahmen der Transaktion gewahrleistet werden, dass ausgelagerte Kreditrisiken nicht spater wieder an die Bank zuruckfallen konnen und dass die Bank keinerlei Einstands-verpflichtungen fiir den Fall von Zahlungsschwierigkeiten des Zessionars ubernimmt. Entscheidend ist der Wechsel des wirtschaftlichen Eigentums. Durch die Entlastung des regulatorischen Eigenkapitals und den Liquiditatszufluss aus dem Forderungsverkauf werden zusatzliche Kapazitaten fiir das Neugeschaft freigesetzt.

Ist die Hauptmotivation der Bank lediglich die Entlastung des regulatorischen Eigenka­pitals, bietet sich weiterhin der Risikotransfer anhand synthetischer Verbriefungen an. Hierbei werden die notleidenden Forderungen nicht mehr verkauft und verbleiben somit in der Bilanz der Bank. Allerdings wird das Kreditrisiko durch Verbriefung iiber Credit Default Swaps (CDS) oder Collateralised Debt Obligations (CDO) ausgelagert und somit die Forderungen gegen Ausfall versichert.

Die hierbei am Haufigsten angewandte Variante ist der Credit Default Swap, der faktisch eine Versicherung der Bank gegen Kreditausfalle darstellt. Der CDS-Verkaufer (Investor) ubernimmt das Kreditrisiko gegen einmalige oder periodische Zahlung einer Pramie durch den CDS-Kaufer, die Bank. Die Hohe der Pramie richtet sich nach der Qualitat der versicherten Kredite. Der Investor zahlt der Bank im Falle eines vordefinierten Kredi-tereignisses (Event of Default) den Nennwert der ausgefallenen Forderung bzw. den Dif-ferenzbetrag zwischen Marktpreis und Nennwert der Forderung, wobei der Marktpreis einer notleidenden Forderung eher gering einzustufen ist. Tritt kein Kreditereignis ein, muss der CDS-Verkaufer keine Leistung erbringen. Die versicherten Forderungen werden weiter von der Bank aktiviert. Durch die Auslagerung des Kreditrisikos entfallt allerdings die risikogewichtete Eigenkapitalunterlegung dieser Forderungen gemaB Basel II. Eine Variante des CDS stellt die Credit Linked Note (CLN) dar, welche eine Kombination von CDS und Anleihe darstellt. Der Emittent begibt eine Anleihe auf ein Kreditportfolio und zahlt periodisch Zinsen an den Investor, die mit der Pramie beim CDS gleichzusetzen sind. Tritt wahrend der vereinbarten Laufzeit kein Kreditereignis ein, wird die Anleihe bei Falligkeit getilgt. Im Falle eines Kreditereignisses kehrt der Emittent den Restwert der betroffenen Forderung an den Investor aus.

Bei der Auslagerung von Kreditrisiken durch die Emission von Collateralised Debt Ob­ligations iiber eine Zweckgesellschaft wird das entsprechende Kreditportfolio in unter-schiedlich riskiobehaftete Tranchen unterteilt. Unter anderem emittiert die Bank eine hochverzinste „Schrottanleihe", in der die riskantesten Engagements zusammengefasst werden. Die Bank legt fest, dass alle Kreditausfalle des gesamten Portfolios auf diese „Schrotttranehe" umgelegt werden. Erst wenn die Kreditausfalle den Wert der Schrott-anleihe iibersteigen, fallen auch Teile der restlichen Tranchen („Senior" bzw. „Super Se-

3 BAKred Rundschreiben 4/97 vom 19.03.1997, Ziffer I

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nior") aus. Durch die Umleitung der Kreditausfalle in die „Schrotttranche" erhalten die restlichen Tranchen eine bessere Bonitatseinstufung, was sie insgesamt fiir den Kapi-talmarkt interessanter macht. Grundsatzlich haben solche Refinanzierungsmodelle den Nachteil, dass sie aufgrund der hohen Volatilitat innerhalb des Portfolios vergleichsweise intransparent sind.

Letztendlich bestimmen die Motive der verauBernden Bank die Form der Transaktion. Tabelle 19 fiihrt die Vor- und Nachteile der Transaktionsformen auf.

Tabelle 19: Vor- und Nachteile der Transaktionsformen

9.4 Typischer Ablaut einer NPL-Transaktion

Das Zusammenfinden von Bank und Investor im Rahmen einer NPL-Transaktion lasst sich typischerweise in sechs Schritte unterteilen:

"0 Portfoliozusammenstellung durch die Bank, % Bieterauswahl, *?' Zusammenstellung der Kreditdaten, Ausrustung des Datenraums, & Due Diligence durch die potenziellen Kaufer, ik Zuschlag an Bieter, :f Erstellung und Unterzeichnung des Kaufvertrags, Kaufpreiszahlung und Ubergabe

der Kreditakten.

9.4.1 Portfoliozusammenstellung

Fiir die Bank ist die Zusammenstellung des zu verauBernden Portfolios in erster Linie eine strategische Entscheidung. Neben der Bereinigung des Kreditbuches von „toten" Forderungen geht es darum, das Kreditportfolio an eine intendierte Neuausrichtung des Geschafts anzupassen. So richtet sich der Fokus bei der Auswahl auf Branchen, Bonitat

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oder Standorte der Kunden, auf die Art und den Umfang der Besicherung oder auf die Unterscheidung zwischen Firmen- und Verbraucherkrediten. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Konstellationen der jeweiligen Portfoliozusammenstellungen - aber auch der Einzelverkaufe - von den strategischen Ausrichtungen und Moglichkeiten der Ver­kaufer abhangig sind. Insoweit sind vielfache Variationen mbglich.

Bevor sie das NPL-Portfolio einschlagigen Investoren anbietet, wird die verauBernde Bank regelmaBig die Verwertung der vorhandenen Barsicherheiten anstreben, um ihre Erlose aus der Transaktion weitgehend zu maximieren. In den Verkauf gelangen so le-diglich diejenigen Engagements und Sicherheiten, deren Work-Out und Verwertung die Bank nicht zum eigenen Kerngeschaft zahlt.

9.4.2 Bieterauswahl

Fur die verkaufende Bank stehen bei der Auswahl moglicher Investoren Uberlegungen zu Reputationsrisiken im Vordergrund. Neben der notwendigen Expertise und Spezialisie-rung auf einschlagige Kreditformen (Firmen-, Immobilien-, Verbraucherkredite; be- und/ oder unbesicherte, gekiindigte/ungekiindigte Kredite) des Investors spielen die Intention des Investors und deren Beeinflussbarkeit durch die Bank eine wichtige Rolle. Ein Inve­stor, der offentlich und undifferenziert die Verwertung der erworbenen Kredite angeht, kann das Image der Bank selbst u.u. negativ beeinflussen. Daher bevorzugen Verkau-fer und Kaufer regelmaBig den diskreten und nichtoffentlichen Ablauf der Transaktion. Neben der Vermeidung einer offentlichen Diskussion iiber den Portfolioverkauf werden regelmaBig andere MaBnahmen zur Vermeidung von Reputationsschaden ergriffen:

H Information der bisherigen Darlehensnehmer durch Verkaufer, t§ Abstimmung eines Anschreibens des neuen Forderungsinhabers mit Verkaufer, B WeiterverauBerung von ubernommenen Darlehen nur nach vorheriger Zustimmung

des Verkaufers, M Zustimmungserfordernis zum konkreten Servicer und seinen Methoden („bankiibli-

che Sorgfalt").

Ein weiteres Entscheidungskriterium fiir die Bank sind formale Eigenschaften des Inve­stors, die die Transaktion im Zusammenhang mit der deutschen Rechtslage erleichtern, bspw. das Vorhandensein einer Banklizenz, etc..

9.4.3 Datenzusammenstellung und Vorbereitung fiir Kaufer-Due Diligence

Dem Verkauf von NPL-Portfolios geht regelmaBig ein komplexer Prufungs- und Preis-findungsprozess voraus. Im Rahmen dieser Due Diligence sortieren potenzielle Kaufer

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einerseits diejenigen Kredite aus, welche dem gewiinschten Risikoprofil nicht entspre-chen. Andererseits soil entsprechend besagtem Risikoprofil eine realistische Bepreisung des Portfolios stattfinden.

Der fur die verkaufende Bank erzielbare Preis fiir ein NPL-Portfolio ist zum uberwiegen-den Teil abhangig von der Qualitat der Kreditakten. Der Zeitdruck, unter dem derartige Portfolioprufungen regelmaBig ablaufen, bedingt die Bereitstellung moglichst vollstan-diger und im Aufbau standardisierter Kreditakten, aus denen samtliche Fakten und In-formationen, die zur Risikoevaluation und zur Werthaltigkeitspriifung der Sicherheiten4

erforderlich sind, hervorgehen. Hierbei empfiehlt sich der logische und chronologische Aufbau der Akte, die Beilage samtlicher kreditrelevanter Anlagen, vollstandig unter-zeichnete Dokumente sowie im Allgemeinen die wertungsfreie und allgemeinverstandli-che Wiedergabe von Tatsachen. Eine einleitende Kurzdarstellung des Engagements („Fact Sheet") ist hier sinnvoll und niitzlich. Unvollstandige Kreditakten fiihren unweigerlich zu zusatzlichen Risikoabschlagen seitens der Investoren.

Weiterhin ist zu gewahrleisten, dass durch die einheitliche Festlegung von Datenraum-prozeduren und Ansprechpartnern (inklusive Organisation eines einheitlichen Fragepro-zesses) sowie fiir alle Kaufinteressenten identische Datenraume jeder potentielle Investor uber den selben Datensatz fiir die Priifung verfugen kann.

Um die fiir eine solche Due Diligence gebotene Diskretion - auch hinsichtlich der Impli-kationen von Bankgeheimnis und Datenschutz - darzustellen, ist vorab die Vereinbarung und Unterzeichnung von Vertraulichkeitserklarungen unabdingbar. Samtliche an der Due Diligence beteiligten Berater auf Kauferseite werden ebenfalls vorab benannt und haben der Vertraulichkeitserklarung beizutreten.

9.4.4 Due Diligence

Bei bisherigen NPL-Transaktionen zeigte sich, dass die Preisvorstellungen gerade deut-scher Banken gegeniiber denen potenzieller Kaufer deutlich nach oben abwichen. Einer­seits lehnen Banken haufig Kaufpreise ab, die nicht die auf die notleidenden Forderun-gen gebildeten Wertberichtigungen abdecken, da sich so ein erneuter auBerordentlicher Aufwand realisieren wtirde.5 Andererseits nehmen NPL-Investoren im Rahmen der Due Diligence fiir die zum Verkauf in Frage kommenden Kredite erhebliche Risikoabschlage auf Sicherheiten und Ruckzahlungspotenzial vor. Weiterhin fiihren im Rahmen der Uber-nahme eines komplexen Risikoportfolios weitere Werttreiber zu einer markt- und risiko-gerechten Evaluation (siehe Abbildung 35).

Der notwendige Prufungsaufwand einer NPL-Transaktion ist von der Zusammensetzung des Portfolios abhangig.

4 Entscheidend ist hier die Dokumentation der Wirksamkeit, Ubertragbarkeit und Realisierbarkeit der Kre-ditsicherheiten

5 Vgl. Kristen/Kreppel, in Zeitschrift fur Bank- und Kapitalmarktrecht 2005, S. 121 u. 123.

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Abbildung 35: Werttreiber eines NPL-Portfolios hier platzieren

Ein Portfolio aus notleidenden Residential Retail Loans verursacht hierbei einen ver-gleichsweise geringen Due Diligence-Bedarf. Diese Kredite aus dem Massengeschaft basieren meist auf standardisierten Kreditvertragen. Die Homogenitat des Portfolios er-leichtert dementsprechend die Due Diligence. Die Bonitat des Schuldners (zumeist Pri-vatpersonen) spielt fiir den Investor eine untergeordnete Rolle, da sich sein Interesse vor-nehmlich auf die als Sicherheit dienenden Immobilien konzentriert. Diese Immobilien haben aufgrund des rapiden Preisverfalls in den vergangenen Jahren haufig deutlich an Wert verloren. Die wesentliche Verkaufsintention basiert auf der Tatsache, dass Banken zur Wohnungsbaufinanzierung oft hundertprozentige Finanzierungen an Darlehensneh-mer mit keinem oder nur geringem Eigenkapital ausgereicht haben und diese Kredite hinsichtlich ihres Kreditrisikos die Bankbilanzen gravierend belasten. Die ersten erwah-nenswerten NPL-Transaktionen in Deutschland betrafen aufgrund der relativ einfachen Handhabung solche Wohnbaufinanzierungen.

Die Priifung eines NPL-Portfolios aus Finanzierungskrediten von gewerblichen Immobi­lien gestaltet sich bereits komplexer. Hier werden oft individuelle Kreditvertrage, haufig mit Sonderklauseln, abgeschlossen. Einschlagige Kreditnehmer sind kleine und mittel-standische Bautrager, Projektentwickler und teilweise Privatpersonen. Fiir den potenti-ellen Investor gilt es fiir die Beurteilung der Portfolio-Kredite, sowohl die Bonitat des Schuldners als auch den Wert und vor alien Dingen das Entwicklungspotenzial der als Si­cherheit dienenden Gewerbeimmobilien einzuschatzen. Fiir die Evaluation des jeweiligen Kreditrisikos spielt auch die Bonitat der entsprechenden Mieter der Gewerbeimmobilien eine wichtige Rolle. Im Vergleich zu Wohnungsbaukrediten bedarf eine Due Diligence fiir solche Portfolios einer wesentlich hoheren Informationsmenge.

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Die heterogensten und risikoreichsten Kreditportfolios sind im Bereich der Corporate Loans zu finden. Typischerweise handelt es sich hier uberwiegend sowohl um Betriebs-mittelkredite als auch um Langfristkredite, die zwar auch mit Immobilien, zumeist aber mit Forderungszessionen oder Sicherungsubereignungen oder jeder Art von anderen Si-cherheiten besichert sind. Hier findet bei der Kreditvergabe keinerlei Standardisierung statt, jeder Kredit wird per individueller Vereinbarung ausgereicht. Daher fallt eine Due Diligence eines solchen NPL-Portfolios im Vergleich zu den vorgenannten sehr aufwen-dig aus. Da sich die Bewertung der notleidenden Forderungen mit der Ertragssicherheit des Kundenunternehmens entscheidet, unterscheidet sich die Prufung kaum von der Be­wertung vor dem Kauf eines Unternehmens.

Der Angebotspreis der Investoren ist schlieBlich die Summe der einzelnen Kaufpreise pro Engagement.

9.4.5 Zuschlag an Bieter

Im Anschluss an eine Due Diligence erfolgt die Verkaufsentscheidung. Abhangig von den Marktgegebenheiten sowie dem Diskretionsbediirfnis des Verkaufers bieten sich ver-schiedene Formen der Zuschlagserteilung an:

B Firm Bids, H Firm Offer, M Auktionsverfahren.

Firm Bids sind zeitlich begrenzte und bindende Angebote, die der oder die Verkaufer abgeben, und die bei Annahme durch die Bank sofort Gultigkeit erlangen. Durch die dis-krete Angebotsabgabe werden Marktgeruchte verhindert und der Verkaufer kann weiter-hin seine Verhandlungspartner frei wahlen. Der mangelnde Wettbewerbscharakter dieser Zuschlagsform kann die Hone des Verkaufspreises beeinflussen.

Bei einem Firm Offer bietet der Verkaufer sein Portfolio zeitlich begrenzt und verbind-lich an, knupft jedoch eine Mindestpreisvorgabe an sein Angebot. Derjenige Investor, welcher zuerst diese Vorgabe erfullt, erhalt den Zuschlag, was den Verkaufsprozess auf Verkauferseite vereinfacht. Von Nachteil ist hierbei allerdings, dass die Bank ihre Ver-kaufsabsichten offenlegen muss.

In einem liquiden Markt mit vielen potenziellen Bietern bietet sich das Auktionsverfah­ren an. Hier gewinnt das hochste abgegebene Angebot. Neben der hierbei hohen Wettbe-werbsintensitat ist fiir den Verkaufer von Vorteil, den Verkaufsprozess durch selbst be-stimmbare Auktionsbedingungen zu kontrollieren.

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9.4.6 Erstellung und Unterzeichnung des Kaufvertrages, Kaufpreiszahlung und Ubergabe der Akten

Einigt sich die Bank mit einem Investor, folgt die Erstellung des Kaufvertrages und die tatsachliche Abwicklung der Transaktion.

Der Kaufvertrag regelt alle wirtschaftlichen, rechtlichen und vor allem haftungsrechtli-chen Belange einer NPL-Transaktion. Neben der Definition des Portfolios als Vertrags-gegenstand, der Art der Ubertragung (Vertragsiibernahme, Abtretung, Unterbeteiligung) und der Festlegung des Kaufpreises werden in erster Linie die Handhabung der Portfo-liokredite sowie Rechte und Pflichten von Kaufer und Verkaufer geregelt.

Das Zivilrecht sieht vor, dass der Verkaufer einer Forderung bzw. eines Rechts fur dessen rechtlichen Bestand haftet.6 Allerdings konnen die Vertragsparteien die Haftung des Ver­kaufers fiir alle oder bestimmte Rechtsmangel ausschlieBen oder beschranken und somit die Gewahrleistung des Verkaufers abbedingen. Der Verkaufer wird Haftungsrisiken aus Regressanspriichen des Kaufers genauso vermeiden wollen wie eine Zusicherung der Werthaltigkeit der iibertragenen Forderungen oder der Bonitat der Darlehensnehmer.7 Der Verkaufer haftet in keinem Fall fiir von Schuldnern erhobene Gegenanspriiche, Einwen-dungen oder Einreden, welche auf Sachverhalten oder Ereignissen basieren, von denen der Kaufer im Rahmen der Due Diligence Kenntnis erlangt hat bzw. erlangen konnte. Daraus folgt naturlich die Haftung der Bank fiir all diejenigen Kreditengagements, deren rechtlicher Bestand (Veritat) bzw. deren Freiheit von Rechten Dritter oder wirksamen Gegenrechten und Einreden des Schuldners nicht gewahrleistet ist, sofern dies nicht im Rahmen der Due Diligence erkenntlich war. Weiterhin wird der Verkaufer regelmaBig freigestellt von der Inanspruchnahme durch Burgschaftsglaubiger bei Avalen sowie etwa-igen Schadenersatzanspriichen.

Sollte bei einzelnen Engagements des Portfolios die Durchfuhrbarkeit von Vertrags-ubernahmen oder Abtretungen nicht gegeben sein, regelt der Vertrag die dann gebotene Verfahrensweise. Moglich sind hier die Ruckgabe des betreffenden Engagements bei an-teiliger Erstattung von Kaufpreis und Due Diligence-Kosten oder die Ersetzung des En­gagements durch ein anderes Darlehen des Verkaufers.

Der Kaufvertrag regelt weiterhin samtliche Rechten und Pflichten des Kaufers, insbeson-dere hinsichtlich der Einhaltung von bestehenden Sicherungsabreden sowie der eventuel-len Weiterubertragung der Forderungen an Dritte.

Die endgiiltige Hone des Portfoliokaufpreises hangt von der Wahl des Stichtages ab, von dem das Portfolio fiir oder gegen den potenziellen Kaufer lauft. Aus pragmatischen Griinden wird fiir dieses so genannte Cut-Off Date haufig der Zeitpunkt gewahlt, an dem die Bank das Portfolio anbietet oder ausschreibt. Dies ermoglicht eine vorubergehend

6 Vgl. Putzo, in Palandt, BGB, 64. Aufl., § 453 Rz. 17, 18. 7 Vgl. Kristen/Kreppel, in Zeitschrift fur Bank- und Kapitalmarktrecht 2005, S. 121 u. S. 127.

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Abbildung 36: Meilensteine einer NPL-Transaktion

statische Betrachtung des Portfolios wahrend der Due Diligence. Samtliche Zahlungs-eingange, die ab dem Cut-Off Date aus den betreffenden Engagements realisiert werden, werden von der Bank bis zum Abschluss der Transaktion (Closing Date) treuhanderisch verwaltet und danach an den Kaufer ausgekehrt. Die genaue Regelung dieses Interim-Servicings ist ebenfalls Inhalt des Vertrages (siehe Abbildung 36).

Nach der Unterzeichnung des Vertrages und - sofern notwendig - bei Vorliegen der Ak-zeptanz aller Beteiligten (Verkaufer, Kaufer, unter Umstanden Schuldner und poolbetei-ligte Banken etc.) gehen unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des mit Un­terzeichnung falligen Kaufpreises alle Rechte und Pflichten auf den Kaufer iiber und die Kreditakten werden dem Kaufer iibergeben.

9.5 Strategien der Erwerber

Eine zentrale Motivation einschlagiger Investoren fur den Erwerb notleidender Corpo­rate Loans-Portfolios stellt die erwartete Erzielung eines „Ubererloses" aus den „Verwer-tungs"-Erfolgen dar. Basis fur diese Motivation ist die hohen Risikotoleranz der Investo­ren und ihrer Spezialisierung und Konzentration auf die Sanierung bzw. Abwicklung von Krisenunternehmen. Zur Erreichung Ihres Zieles verfolgen Investoren bei dem Erwerb von NPL-Portfolios verschiedene Strategien.

Durch die Begleitung und (gegebenenfalls finanzielle) Unterstiitzung des Schuldners bei Sanierung und Restrukturierung wird im Idealfall eine der wirtschaftlichen Gesundung folgende, vollstandige Ruckfiihrung der erworbenen Bankforderungen oder die Moglich-keit des gewinnbringenden Weiterverkaufs der Forderung an Dritte oder den Schuldner selbst erreicht. Ebenso ist die Falligstellung der erworbenen Kredite mit dem Ziel der Realisation moglichst hoher Verwertungserlose der Sicherheiten denkbar. Fur diese drei Strategien ist es fur den Erwerber nicht notwendig, seinen Status als Glaubiger zu andern. Anders ist dies, wenn der Erwerber als so genannter „Vulture Fonds" fungiert und eine Ubernahme des Schuldnerunternehmens mit Hilfe eines Debt-Equity-Swap intendiert.8

8 Toth-Feher/Schick, ZIP 2004, S. 491, S. 495.

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Durch die Umwandlung der erworbenen Forderungen in Eigenkapital erlangt der Inve­stor die Anteilsmehrheit und drangt bisherige Gesellschafter aus dem Unternehmen. Ziel ist es dann, entweder nach einer erfolgreichen Sanierung das Unternehmen weiterzuver-kaufen oder im Rahmen einer Abwicklung Anteil an den Erlosen der gesamten Unter-nehmensassets (und nicht nur der urspriinglichen Sicherheiten fur die erworbene Forde-rung) zu erzielen. Derartige Transaktionen bergen naturgemaB ein sehr hohes Risiko und werden in der Regel ausschlieBlich von entsprechend renditeorientierten opportunity Fonds" durchgefuhrt. Es besteht ein bedeutsames Haftungsrisiko in der moglichen Uber-bewertung der Werthaltigkeit der umzuwandelnden Forderung im Rahmen der Sachka-pitalerhohung (Forderung = Vermogensgegenstand). Forderungen gegen ein sanierungs-bedurftiges Krisenunternehmen sind regelmaBig nicht als vollwertig anzusehen. Erfolgt der Debt-Equity-Swap mit einer nicht oder nicht ausreichend abgewerteten Forderung, so kommt eine Haftung aus Sachgrundungstauschung in Betracht mit der Folge, dass der Investor im Falle einer Inanspruchnahme nach einem Sanierungsmisserfolgs den tatsach-lichen Unterschiedsbetrag in bar nachzuschieBen hat.

9.6 Rechtliche Rahmenbedingungen

Grundsatzlich regeln die §§ 398 ff. BGB die Forderungsabtretung im Rahmen eines schuldrechtlichen Vertrags zwischen Bank und Erwerber. Dieser ubernimmt auch ohne Zustimmung des Schuldners und der Drittsicherheitengeber die Glaubigerstellung der Bank, sofern es sich nicht um die zustimmungspflichtige Vertragsubernahme einer un-gekundigten Kundenbeziehung handelt.9 Im Rahmen dieser Forderungsabtretung erwirbt der Investor gemaB § 401 I BGB samtliche akzessorischen Sicherungsrechte (Hypothek, Pfandrecht, ...)• Selbststandige Sicherungsrechte wir Sicherungsiibereignung oder -grund-schuld gehen nicht automatisch auf den Erwerber iiber. Die Grundschuld kann mit der besicherten Forderung ubertragen werden,10 da bei unverandertem Sicherungszweck und beim Verbleib von Forderung und Sicherheit in einer Hand die Rechtsstellung des Schuldners nicht wesentlich beriihrt wird. Weiterhin kann die Bank Rechte aus der Si­cherungsiibereignung weiter ubertragen, wenn sich der Kreditnehmer in Verzug befin-det.11 Grundsatzlich muss die Ubertragung selbststandiger Sicherungsrechte gesondert vollzogen werden.12

Die groBte Hiirde fur den Handel mit notleidenden Forderungen stellen in Deutschland das Bankgeheimnis und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG, anwendbar auf naturliche Personen) dar. Grundsatzlich erfordert die Abtretung einer Forderung die Offenlegung von Kreditnehmerdaten gemaB § 402 BGB. Diese Bestimmung steht im Konflikt mit

9 Vgl. Heinrichs, in Palandt, BGB, 64. Aufl., § 398 Rz. 18a. 10 Vgl, §§ 1195, 1154 BGB. 11 Cartano, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Stand 01/03, Bd. 2 Rz. 4/357. 12 Aus § 407 BGB ist zu entnehmen, dass die auch ohne Mitwirkung des Schuldners geschehen kann.

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§ 4 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) sowie Nr. 2 Abs. 1 AGB der Banken (Bankge-heimnis). Die deutsche Rechtsprechung ist bis dato zu keiner abschlieftenden, hochstrich-terlichen Regelung dieses Sachverhalts in Hinsicht auf den Handel mit NPLs gelangt. Obwohl ein VerstoB gegen das Bankgeheimnis nicht die Wirksamkeit der Abtretung be-einflusst und das Bankgeheimnis selbst kein Abtretungsverbot konkludent beinhaltet,13

konnen durch die Weitergabe von Kreditnehmerdaten Schadenersatzanspriiche sowie das auBerordentliche Kundigungsrecht seitens des Schuldners (Nr. 18 Abs. 2 AGB-Banken, Nr. 26 AGB-Sparkassen) begrundet werden. Handelt es sich beim Verkaufer um eine 6f-fentliche Sparkasse oder Landesbank, kommt gar eine Strafbarkeit im Sinne des § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB (Amtstragerhaftung) in Betracht. Der einfachste Weg zur Vermeidung dieser Rechtsfolgen ist die Einholung des Einverstandnisses des Kreditnehmers. Dessen Zustimmung der Datenweitergabe an einen Investor, der womoglich die Abwicklung der Forderung oder die Ubernahme des Unternehmens beabsichtigt, ist jedoch haufig wenig wahrscheinlich. Daher empfiehlt sich schon bei der Kreditvergabe die Aufnahme einer „Asset Trading Clause" in den Kreditvertrag, welche die fur den eventuellen Forderungs-verkauf notwendige Datenweitergabe ausdrucklich erlaubt. Denkbar ist auch die Wei­tergabe der Kundendaten in anonymisierter und verschlusselter Form bei gleichzeitiger Hinterlegung des Datenschlussels bei einem Datentreuhander. Eine Ermittlung des Port-foliokaufpreises ist auch anhand anonymisierter und aggregierter Daten moglich. Eine weitere Moglichkeit der Umgehung des Bankgeheimnisses verfolgen derzeit einige ame-rikanische Opportunity Fonds, die durch Erwerb oder Griindung einer Bank eine Bank-erlaubnis nach dem KWG erhalten, um somit selbst dem Bankgeheimnis zu unterliegen, was den uneingeschrankten Datenaustausch mit der verkaufenden Bank ermoglicht.14

Insbesondere fiir den Handel mit notleidenden Krediten bietet sich hinsichtlich der Hand-habung des Bankgeheimnisses eine aktuelle Argumentation15 an: da der Schuldner selbst durch den Verzug bei der Darlehensriickzahlung vertrags- und vertrauensbriichig wird, wird sein Einwand gegen einen VerstoB gegen das Bankgeheimnis rechtsmissbrauchlich. Das Eigeninteresse der Bank am Forderungsverkauf uberwiegt dadurch die Schutzwur-digkeit der Schuldnerinteressen, der in § 402 normierte Auskunftsanspruch erlangt Vor-rang vor dem Bankgeheimnis. In diesem Fall kann die Bank dem Investor die notwendi-gen Kundendaten offenlegen.

Problematisch kann sich auch der Verkauf von Forderungen gestalten, die Teil von For-derungen eines Bankenpools sind. Der bestehende Pool muss einerseits die durch den Verkauf ausscheidende Bank aus der Poolvereinbarung entlassen und andererseits den Investor einstimmig als neues Poolmitglied aufnehmen.16 Ist der Pool dazu nicht bereit, kann er haufig aufgrund von Fragen der Sicherheitenaufteilung und der Glaubigerbenach-teiligung seine Funktion nicht mehr wahrnehmen, und es kann zur Auflosung des Pools

13 Vgl. Urteil LG Frankfurt v. 17.12.2004, 2/21 O 96/02. 14 Vgl. Friih, WM 2000, 497, 502 sowie Koberstein-Windpassinger, WM 1999, S. 473, S. 481. 15 Teilweise basierend auf § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen). 16 Von Sivers, ZInsO 2005, S. 290, S. 291.

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und zur Kiindigung der Poolkredite kommen. Ahnliches gilt fur die Vereinbarung einer Unterbeteiligung zwischen einer Poolbank und einem Investor. Dies hat zur Folge, dass zwar die verauBernde Bank Poolmitglied bleibt, aber nur noch im Namen und im Auftrag des Investors handelt. Zwar wird angesichts des drohenden Kundigungsszenarios im Re-gelfall der Pool der Aufnahme eines neuen Poolmitglieds zustimmen, jedoch ist dies der oft ohnehin schwierigen und von Interessenskonflikten belasteten Poolarbeit selten for-derlich. Die Aufnahme von Transaktionsklauseln in Poolvertragen - ahnlich einer Asset Trading Clause im Kreditvertrag - ist bisher nur in Ausnahmen zu finden. Vielmehr verlangen Poolmitglieder fiir die Aufnahme neuer Investoren gelegentlich so genannter „Amendment Fees" (Lastigkeitspramien), die sie fiir den Aufwand der Poolumstrukturie-rung entschadigen soil.

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Angesichts der anhaltend hohen Zahl von Insolvenzen und dem damit verbundenen Schaden fiir die Kreditwirtschaft gewinnt die Begleitung von Unternehmenssanierungen eine immer groBere Bedeutung. Trotz der damit verbundenen Risiken miissen Kredit-institute unter starkem Zeitdruck weitreichende Entscheidungen treffen, ohne den Erfolg der Unternehmenssanierung wirklich prognostizieren zu konnen. Um iiber den eigent-lichen Ausfall des Kreditengagements hinausgehende Haftungsrisiken aus Glaubigerbe-nachteiligung, Insolvenzverschleppung und Ahnliches zu vermeiden, sind eine Reihe von Prufungspflichten zu beachten.

Im Rahmen der Begleitung von Krisenunternehmen bestehen fiir Kreditinstitute neben dem zuvor dargestellten Verkauf von Kreditforderungen (Non Performing Loans bzw. Distressed Loans) grundsatzlich folgende Handlungsmoglickeiten, bei denen gegebenen-falls differenzierte Prufungshandlungen vorzunehmen sind:

£ Stillhalten, ft Kundigung des Kreditengagements, M Stellung eines Insolvenzantrages, fi Gewahrung eines Sanierungskredites, i§ Gewahrung eines Uberbruckungskredites, W Gewahrung eines Kredites zur Liquidation des Krisenunternehmens.

10.1 Stillhalten

Unter dem so genannten Stillhalten ist ein Verhalten von Kreditinstituten zu verstehen, bei dem die bestehenden Kreditlinien weiterhin Bestand haben, Kreditausweitungen aber nicht toleriert werden. Das Kreditverhaltnis mit dem Krisenunternehmen wird nicht gekundigt, bestehende Sicherheiten werden nicht verwertet. Das Unternehmen kann im Rahmen der ihm zugesagten Kreditlinien frei verfiigen. Bei bereits fallig gewordenen Krediten oder Zins- und Tilgungsleistungen wird auf die Einleitung von Verwertungs- und Beitreibungs-maBnahmen zunachst verzichtet. Selbst wenn das Krisenunternehmen zu diesem Zeit-punkt insolvenzantragspflichtig sein sollte, lost das bloBe Nichthandeln aus heutiger Sicht grundsatzlich keine Haftungen aus, selbst wenn spater Glaubiger zu Schaden kommen.

Davon zu trennen sind jedoch Sachverhalte, in denen das bisherige Kreditverhaltnis durch eine explizite Stundungsvereinbarung weitestgehend umgestaltet wird, sodass

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darin der Abschluss eines neuen Kreditvertrages gesehen werden kann. In diesen Fallen haben Kreditinstitute die entsprechenden Prufungspflichten fiir Uberbriickungs- und Sa-nierungskredite zu beachten.

Daruber hinaus sind die Auswirkungen einer Stundung auf Drittsicherheiten (Burgschaf-ten, Pfandrechte, Grundschulden) zu beachten. Der BGH hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass ein prolongierter Kredit nicht mehr durch eine fiir den ursprunglichen Kredit ubernommene Biirgschaft abgedeckt ist, wenn die Prolongationsvereinbarung als eigenstandiger Vertrag zu qualifizieren ist.1 Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Biirge von seiner Haftung frei wird. Die Haftung fiir den ursprunglichen Kredit besteht vielmehr in Hone der Forderung des Kreditinstitutes zum Zeitpunkt der Prolongation fort. Damit jedoch auch die Prolongation von den Drittsicherheiten gedeckt ist, sollten Kreditinstitute insoweit auf eine Ausweitung des Sicherungszwecks bzw. die Hereinnahme einer neuen Sicherheitenbestellung bestehen.

Auch innerhalb einer Krisensituation gibt es fiir Kreditinstitute rechtlich keinen Zwang zur Kiindigung.2 Es besteht grundsatzlich keine Verpflichtung, Dritte auf aus der Krise resultierende, etwaige Risiken hinzuweisen.3 Nur in Einzelfallen bei Vorhandensein eines besonderen Schutzbediirfnisses des jeweiligen Kunden unterliegen Banken und Sparkas-sen besonderen Aufklarungspflichten:

• Das Kreditinstitut schafft selbst einen Gefahrdungstatbestand fiir den Kunden.4

• Das Kreditinstitut hat einen konkreten Wissensvorsprung gegeniiber dem Kunden im Bezug auf spezielle Risiken des Finanzierungsvorhabens.5

• Das Kreditinstitut bewegt durch einen von ihm in das Unternehmen entsandten Ver-trauensmann andere Geschaftspartner zum Stillhalten.6

H Das Kreditinstitut nimmt neue Sicherheiten herein und erkennt, dass sich der Siehe-rungsgeber iiber die Tragweite seines Handelns irrt bzw. nicht hinreichend informiert ist.7

Falls die beteiligte Bank oder Sparkasse die Gesellschafter oder die Geschaftsfiihrung -in der Regel aus eigenniitzigen Beweggriinden - zu einer verspateten Insolvenzantrag-stellung verleitet, droht dem Kreditinstitut unter Umstanden eine Inanspruchnahme aus Beihilfe an einer Insolvenzverschleppung und aus vorsatzlicher Schadigung weiterer Glaubiger. Hierbei reicht unter Umstanden die bloBe psychologische Einflussnahme auf die Gesellschafter/ Geschaftsfiihrung aus. Dies gilt vor allem, wenn mit der verspateten Antragstellung fiir das betroffene Kreditinstitut bestimmte Vorteile verbunden sind, wie zum Beispiel Ablauf von Anfechtungsfristen fiir bestimmte kurzfristig hereingenom-

1 Vgl. BGH v. 15.07.1999 - IX ZR 243/98 - WM 1999, S. 1971. 2 Vgl. BGH v. 29.05.2001 - VI ZR 114/00 - WM 2001, S. 1458. 3 Vgl. BGH v. 09.12.1969 - VI ZR 50/68 - WM 1970, S. 400. 4 Vgl. BGH v. 20.02.1986 - III ZR 133/84 - WM 1986, S. 735. 5 Vgl. BGH v. 11.02.1999 - IX ZR 352/97 - ZIP 1999, S. 574. 6 Vgl. BGH v. 09.07.1984 - II ZR 193/83 - WM 1984, S. 1017. 7 Vgl. BGH v. 16.01.1996 - XI ZR 151/95 - WM 1996, S. 475.

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mene Sicherheitenvertrage, Eingang von groBeren Gutschriften auf dem Bankkonto zur Reduzierung der Kontoinanspruchnahme usw.8 Neben dem strafrechtlichen Aspekt droht eine Schadenersatzforderung anderer Glaubiger, sofern diese aufgrund der verspateten Insolvenzantragstellung mit einer geringeren Insolvenzquote rechnen.

AuBerdem lauft das beteiligte Kreditinstitut im Krisenfall Gefahr, dass sich aufgrund der aktuellen Verlustsituation die Vermogenssituation des Krisenunternehmens im Laufe des Stillhaltens weiter verschlechtert. Dies gilt vor allem fur das Umlaufvermogen, da Krisenunternehmen zur Bewaltigung der Liquiditatsengpasse regelmaBig versuchen, die Debitoren durch hohe Skonti und straffes Debitorenmanagement abzubauen sowie das Warenlager - insbesondere die „Sehnelldreher" - durch Preisaktionen oder gezielte Kun-denansprache in Liquiditat zu verwandeln. Dies ist einerseits ein probates Mittel zur Kri-senbewaltigung, andererseits verlieren Sicherheiten wie Forderungsabtretungen oder die Sicherungsiibereignung des Warenlagers hierdurch deutlich an Wert. Vor diesem Hinter-grund werden Kreditinstitute nur dann stillhalten, wenn sie uber ausreichende Kreditsi-cherheiten verfugen und andere Beteiligte - Gesellschafter, Lieferanten, aber auch andere Kreditinstitute - zeitgleich versuchen, ein Sanierungskonzept fiir das Krisenunternehmen zu entwickeln. Die stillhaltende Bank unterstutzt durch ihr Verhalten - zumindest im be-grenzten Rahmen - diese Sanierungsbemiihungen. Tatsachlich ist es jedoch realistischer anzunehmen, dass die Bank eine „prophylaktische" Kreditkiindigung dem bloBen Still­halten vorziehen wird, um die gegebenenfalls nicht voll in Anspruch genommenen Kre-ditlinien nicht weiter offen halten zu miissen.

10.2 Kundigung des Kreditengagements

Vor der Kundigung und gegebenenfalls Abwicklung des Kreditengagements ist im Ein-zelfall zu priifen, welche auBerordentlichen und ordentlichen Kundigungsmoglichkeiten sich fiir die Bank in einer Krisensituation ergeben. Die Moglichkeit zur ordentlichen Kundigung richtet sich - auBer nach den gesetzlichen Vorschriften - vor allem nach dem Bestimmungen der Darlehensvertrage. Daneben bestehen aber grundsatzlich auch ge-setzliche Kundigungsrechte, die durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts in einigen wichtigen Punkten modifiziert worden sind.

Nach altem Recht (§ 610 BGB a.F.) konnte die Bank den Kreditvertrag widerrufen, wenn eine Verschlechterung der Vermogensverhaltnissen auf Seiten des Kreditnehmers einge-treten ist. Nach § 4901 BGB besteht nunmehr ein auBerordentliches Kundigungsrecht fiir die Bank, sofern ihr Ruckerstattungsanspruch durch eine Verschlechterung der Vermo-gensverhaltnisse gefahrdet ist. Daruber hinaus ist nicht mehr zwingend erforderlich, dass die Verschlechterung der Vermogensverhaltnisse bereits eingetreten ist. Vielmehr reicht es aus, dass eine entsprechende Verschlechterung droht. Zudem kann nach neuem Recht

8 Vgl. BGH v. 16.03.1995 - NJW, S. 1668.

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eine Kundigung auch durch den Wertverlust einer ftir das Darlehen gegebenen Sicherheit gerechtfertigt sein.

RegelmaBig wird die ordentliche Kundigung dem Interesse der Kreditinstitute zuwider-laufen, da Fristen einzuhalten sind, innerhalb derer eine deutliche Vermogensverschlech-terung droht. Zusatzlich mussen die Kreditinstitute gegen sich i.W. die folgenden Ein-schrankungen im Falle einer ordentlichen Kundigung gelten lassen:

H Einschrankungen bei der Bemessung der Kiindigungsfrist: H Angemessene Frist zur Abwicklung ist zu gewahren. • Berechtigte Belange des Kunden sind zu berucksichtigen. 8 Frist hat sich grundsatzlich an der dreimonatigen Frist des BGB zu orientieren. M Im Einzelfall werden vertraglich kiirzere oder langere Fristen vereinbart.

M Riicksichtnahme auf Schuldnerinteressen: • Kreditinstitut muss auf Interessen seines Schuldners Rucksicht nehmen.9

• Kreditinstitut hat zu beachten, dass ein wirtschaftlich gefahrdeter Betrieb ftir eine Kreditabwicklung besonders empfindlich ist.10

• Es existiert allerdings kein allgemeiner Grundsatz, dass Kreditinstitute nicht zur Kundigung berechtigt sind, wenn dadurch der Zusammenbruch des Kreditneh-mers herbeigefiihrt werden konnte.11

^ Fur noch nicht valutierte Darlehen gilt, dass keine Verpflichtung zur Leistungser-bringung existiert, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Kreditnehmer zur Riickzahlung nicht mehr in der Lage sein wird.12

^ Gegebenenfalls Verlust des Kiindigungsrechtes: 'M bei vollstandiger Besicherung, # bei Wertbestandigkeit der Sicherheiten bei Hinausschieben der Kundigung, ^ bei regelmaBiger Zahlung von Zins- und Tilgungsleistungen, H bei unverhaltnismaBigen Nachteilen auf Seiten des Kreditnehmers, % bei einem Sanierungskonzept, dass die Riickzahlung der herausgelegten Kredite

ohne groBe Problem fiir wahrscheinlich halt, 'M, bei sich an die Kundigung anschlieBender Vollstreckung.

m Gegebenenfalls Verlust des Kiindigungsrechtes wegen Sittenwidrigkeit: M bei wirtschaftlicher Abhangigkeit des Kunden vom Kreditinstitut durch Einfluss-

nahme des Kreditinstitutes, fM bei ausreichender Besicherung, U bei anscheinend iiberwindbarer Krise.

9 Vgl. BGH v. 21.05.1987 - III ZR 38/86 WM 1987, S. 921 sowie BGH v. 14.12.1989 - III ZR 198/88 - WM 1990, S. 215.

10 Vgl. BGH v. 30.09.1968 - II ZR 224/66, WM 1968, S. 1215. 11 Vgl. BGH v. 03.03.1956 - IV ZR 301/55 - WM 1956, S. 597. 12 Vgl. §§ 321, 490 BGB sowie § 103 InsO.

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Mit Blick hierauf werden die Kreditinstitute regelmaBig von ihrem auBerordentlichen Kundigungsrecht gemaB ihrer AGB Gebrauch machen wollen,13 um die zum Zeitpunkt der Kiindigung bestehenden Kontoinanspruchnahmen mit sofortiger Wirkung „ein-zufrieren". Grundsatzlich unterliegen die Kreditinstitute hierbei keiner besonderen Prii-fungspflicht beziiglich des Krisenunternehmens bzw. dessen Kreditengagements. tJbli-cherweise reicht eine drohende Verschlechterung der finanziellen und wirtschaftlichen Verhaltnisse oder eine wesentliche Entwertung der bestehenden Sicherheiten des Kredit-nehmers aus, um mit Hinweis hierauf die auBerordentliche Kiindigung gemaB AGB zu rechtfertigen. Bei einem Krisenunternehmen ist von einer derartigen Verschlechterung im Normalfall auszugehen. Dabei hat das Kreditinstitut die berechtigten Interessen des Kunden zu beriicksichtigen, indem es dem Kreditnehmer eine angemessene Frist zur Ab-losung des Kreditengagements einraumt. Um dem spateren Vorwurf der Kiindigung zur Unzeit vorzubeugen, sollte von einer fristlosen Kreditkiindigung immer dann Abstand genommen werden, wenn

M das Kreditinstitut (nahezu) vollwertig besichert ist und * der Kreditkiindigung die Verwertung der Sicherheiten folgt und • ein positives Sanierungsgutachten vorliegt (zu erwarten ist) und M die Mehrheit der Glaubiger die Sanierung unterstiitzt und H durch das Stillhalten die Werthaltigkeit der Sicherheiten nicht beeintrachtigt wird.

Eine derartige Sachverhaltskombination - insbesondere weil die oben dargestellten Kri-terien kumulativ erfiillt sein miissen - liegt jedoch in den seltensten Fallen vor, weshalb bei deutlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhaltnisse eine auBerordentliche Kiindigung gemaB AGB der Banken und Sparkassen ohne das Auslosen von Schaden-ersatzpflichten moglich sein sollte.

Nur fur den Fall dass andere Glaubiger zeitgleich den Versuch unternehmen, dass Kri­senunternehmen zu stabilisieren bzw. einen Sanierungsversuch unterstutzen, konnte die Kiindigung mit anschlieBender Sicherheitenverwertung als Kiindigung zur Unzeit auf-gefasst werden, da diese - vor allem durch die Verwertung der Sicherheiten - den Sa­nierungsversuch der anderen Glaubiger erschwert, wenn nicht sogar unmoglich macht. Liegt in dieser Situation ein Sanierungsgutachten mit einer uberwiegend positiven Fort-fuhrungsprognose fur das Krisenunternehmen vor oder ist dieses zu erwarten und hat das kiindigende Kreditinstitut aufgrund seiner vollwertigen Sicherheiten nur einen relativ geringen Ausfall fur den Fall der Insolvenz des Kreditnehmers zu befiirchten, konnte ihm die Inanspruchnahme aus Schadenersatz durch die anderen Glaubiger drohen. Mit Blick auf das geringe Risiko ware es dem Kreditinstitut namlich zuzumuten, von einer Sicher­heitenverwertung abzusehen und zumindest stillzuhalten, um das berechtigte Interesse der Mehrheit der Glaubiger an einer Sanierung des Krisenunternehmens zu schutzen. Da die hieraus drohenden Schadenersatzanspruche ein Mehrfaches der eigenen Darlehens-forderungen ausmachen konnten und die durch die aktuelle Rechtsprechung gezogenen

13 Vgl. AGB-Banken, Absch. 19 (3) sowie AGB-Sparkassen, Absch. 26 (2).

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Grenzen flieBend sind, sollten Banken und Sparkassen, die sich in einer solchen Situation befinden, zumindest fiir den Zeitraum der Erstellung eines Sanierungsgutachtens von der Sicherheitenverwertung Abstand nehmen.

Daneben haben Kreditinstitute auch bei einer auBerordentlichen Kiindigung einige Ein-schrankungen ihres Kundigungsrechtes zum Schutze des Kreditnehmers zu berucksich-tigen:

H Bei wesentlicher Verschlechterung der Vermogensverhaltnisse: H Eingetretene oder drohende Verschlechterung der Vermogensverhaltnisse allein

reicht nicht aus. • Zusatzlich bedarf es einer wesentlichen Veranderung im Vergleich zum Abschluss

des Kreditvertrages, die sich nicht als notwendige und voraussehbare Folge der Kreditgewahrung darstellt14 oder

& einer wesentlichen Beeintrachtigung der Interessen des Kreditinstitutes durch die Vermbgensveranderung15 oder

M einer wesentlichen Unterdeckung des Kreditrisikos durch die Zerschlagungswerte der Kreditsicherheiten unter Berucksichtigung der anfallenden Verwertungskos-ten.16

% Bei Kiindigung wegen Vertragsverletzung: M Zahlt der Kreditnehmer fallige Leistungen nicht oder uberschreitet er die Kredit-

linie, ist vor Kiindigung der Kredite eine Mahnung des Kreditinstitutes erforder-lich.17

$! Verweigert der Kreditnehmer zu Unrecht die Bestellung bankiiblicher Sicherhei-ten, ist vor der Kiindigung ebenfalls eine Mahnung erforderlich.18

Keinen besonderen Restriktionen unterliegen Kreditinstitute fiir den Fall unrichtiger oder verweigerter Angaben zu den finanziellen und wirtschaftlichen Verhaltnissen, da es sich hierbei um wesentliche Kreditverpflichtungen seitens des Kreditnehmers handelt. Eine Kiindigung ist immer auch dann moglich, wenn hierdurch eine Existenzgefahrdung beim Kreditnehmer ausgelost wird. Gleiches gilt, wenn aufgrund der Kiindigung dem Ge-schaftsfuhrer oder Gesellschafter strafrechtliche Konsequenzen drohen, da ihn beispiels-weise aufgrund der Kiindigung diejenigen Mittel verwehrt werden, die er zur Bedienung der falligen Sozialversicherungsabgaben benotigen wlirde.

Selbst bei einer wirksamen Kiindigung eines Kreditvertrages ist jedoch zu beriicksichti-gen, dass die Riickzahlung des Kredites unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten an-fechtbar sein kann. § 130 I Nr. 1 InsO eroffnet dem Insolvenzverwalter die Moglichkeit,

14 Vgl. OLG Dusseldorf v. 18.09.1979 - 6U 112/77 - WM 1978, S. 1300. 15 Vgl. OLG Celle v. 27.04.1988 - 3U 72/86 - WM 1989. 16 Vgl. BGH v. 05.05.1981 - 1 StR 487/80 - NSEZ 1981, S. 251. 17 Vgl. BGH v. 06.03.1986 - III ZR 245/84 - WM 1986, S. 605. 18 Vgl. BGH v. 05.10.1989 - III ZR 34/88 - WM 1990, S. 54.

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eine entsprechende Riickzahlung innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenz-antrag anzufechten, wenn der Kreditnehmer bereits zahlungsunfahig war und das Kre-ditinstitut entsprechende Kenntnis von der Zahlungsunfahigkeit hatte oder haben musste (zu den einzelnen Tatbestanden der Anfechtung siehe ausfuhrlich Kapitel 14).

10.3 Stellung eines Insolvenzantrages

Nach wie vor ist es in der deutschen Bankenlandschaft eher uniiblich, einen Glaubiger-antrag auf Eroffnung des Insolvenzverfahrens iiber das Vermogen des Kreditnehmers zu stellen. Folgende Griinde sind nach Auffassung der Autoren fiir diese Zuriickhaltung aus-schlaggebend sein:

• Imageschaden des Kreditinstitutes, insbesondere bei den eigenen Kunden. H Bei vollwertiger Besicherung erhoht jeder Zinslauf den Riickzahlungsbetrag. HI Notwendigkeit der Existenz einer falligen Forderung sowie der Versicherung der Zah

lungsunfahigkeit/Uberschuldung des Kreditnehmers durch das Kreditinstitut. M Gefahr wegen ungerechtfertigter Verfahrenseinleitung von Glaubigern/dem Gemein-

schuldner auf Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden.

Eine besondere Facette ergibt sich aus der Tatsache, dass die Einleitung eines Insolvenz­verfahrens aufgrund drohender Zahlungsunfahigkeit alleine dem spateren Gemeinschuld-ner vorbehalten ist.19 Hiermit soil dem Krisenunternehmen die Moglichkeit gegeben werden, durch moglichst friihzeitige Einleitung des Insolvenzverfahrens einem weiteren Vermogensverfall vorzubeugen und eine spatere Sanierung zu ermoglichen. Insoweit ware der Antrag eines Glaubigers ungerechtfertigt mit der Folge, dass dieser Antrag Schadenersatzanspruche vermeintlich durch die Insolvenz geschadigter Glaubiger nach sich Ziehen diirfte. Dies gilt vor allem, falls zu diesem Zeitpunkt ein Sanierungsgutachten erarbeitet wird, eine positive Fortfuhrungsprognose durch ein externes Sanierungsgut­achten dokumentiert worden ist oder das Kreditinstitut durch die friihzeitige Antrag-stellung eigenniitzige bzw. insolvenzfremde Zwecke verfolgt (zum Beispiel den Verkauf der wesentlichen, an das Kreditinstitut sicherungsiibereigneten Vermogensgegenstande an einen Nachfolger, mit dem das Kreditinstitut zuvor die iibertragene Sanierung abge-stimmt hat, obwohl es weiB oder wissen musste, dass andere Glaubiger durch die Ein­leitung des Insolvenzverfahrens erheblich geschadigt werden konnen).

Jedoch ist die Gefahr fiir ein Kreditinstitut wegen ungerechtfertigter Verfahrenseinlei­tung aus Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden eher gering, wenn es sich hierbei um die „Hausbank" handelt. Diese kann aufgrund der Kontofuhrung im Zusam-menhang mit dem Vorkommen von Lastschrift-, Scheck- oder Wechselriickgaben, der

19 Vgl. § 18 (1) InsO.

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Nichtausfuhrung von Zahlungen an die Sozialversicherungstrager, das Finanzamt oder die Mitarbeiter durchaus beurteilen, ob es bereits zu einer teilweisen Zahlungseinstellung des Kreditnehmers gekommen ist. Insbesondere die Nichtbedienung der Sozialversiche­rungstrager und des Finanzamtes hat eine indikative Funktion bei der Feststellung der Zahlungsunfahigkeit des Kreditnehmers.

10.4 Gewahrung eines Sanierungskredites

Die Vergabe von Sanierungskrediten, also die Neukreditbereitstellung an ein Unterneh-men in der Krise, bedarf einer sorgfaltigen Einzelfallprufung.20 Die Vergabe zusatzlicher Kreditmittel, die in dieser Situation kaum durch werthaltige Sicherheiten unterlegt wer-den kann, da diese normalerweise bereits verhaftet sind, und die aufgrund der Situation hoch ausfallgefahrdet scheint, unterliegt betriebswirtschaftlich und rechtlich starken Restriktionen. Im Falle neuer Kreditsicherheiten ist darauf zu achten, dass diese explizit fur den Sanierungskredit zur Verfugung stehen, um spatere Anfechtungsrisiken zu ver-meiden. Allenfalls kann eine aufschiebend bedingte Abtretung der nach einer etwaigen Verwertung zu Gunsten der Altkredite konnte hereinggenommen werden.21 Fallt die Sanierungsfahigkeitspriifung positiv aus, unterliegen die Kreditinstitute keiner Publi-zitatspflicht gegeniiber anderen Glaubigern; hierdurch wiirde der Sanierungsversuch ad absurdum gefuhrt. Existieren ernste Zweifel an der Sanierungsfahigkeit oder wird der Sanierungsversuch leichtfertig und ohne wirtschaftliche Grundlage eingeleitet, kann die Vergabe des Sanierungskredits sittenwidrig sein.22 Eine Verpflichtung zur Gewahrung eines Sanierungskredites existiert auch bei Stellung ausreichender Sicherheiten nicht.23

Voraussetzungen fiir die Vergabe eines Sanierungskredites:

1. Beseitigung der Insolvenzgriinde. 2. Uberwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der Unternehmenssanierung. 3. Dokumentation der Wahrscheinlichkeit des Sanierungserfolges durch ein nachvoll-

ziehbares Sanierungskonzept. 4. Urheber des Sanierungskonzeptes genieBen das Vertrauen der Kreditinstitute. 5. Erwartung der Kreditinstitute, dass die im Insolvenzfall drohenden Kreditausfalle

mittels einer gelungenen Sanierung minimiert werden und das Risiko einer weiteren Vermogensverschlechterung uberschaubar ist (Chancen-Risiken-Betrachtung).

6. Sanierungskompetenz in der Geschaftsleitung und/oder bei einem Sanierungs-manager.

7. Vermeidung von Haftungs-/Straftatbestanden fiir die beteiligten Kreditinstituten.

20 Vgl. AG. Siegen v. 16.04. 1985 - ZIP 1985, S. 1048. 21 Vgl. BGHIX ZR 257/92 - ZIP 1994, S. 40; BGH IX ZR 236/91 - ZIP 1993, S. 276. 22 Vgl. BGH II ZR 118/77 - WM 1979, S. 878; BGH II ZR 109/84 - WM 1986, S. 2. 23 Vgl. OLG Dusseldorf v. 09.02.1989 - 6 O 90/88 - WM 1989, S. 1838.

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10.4.1 Erstellung eines Sanierungskonzeptes

Die aus betriebswirtschaftlicher Sicht notwendigen Inhalte eines Sanierungskonzeptes, die wesentlichen MaBnahmen und Sanierungshebel zur Umsetzung des Konzeptes sowie die leistungswirtschaftlichen und psychologisch-menschlichen Gefahrenquellen beim Sanierungsmanagement wurden bereits in den Kapiteln 2 bis 5 erlautert. Die kon-sequente Umsetzung der wenigen groBen Sanierungshebel und ein insistentes Sanie­rungsmanagement bieten fur die beteiligten Kreditinstitute die groBtmogliche Gewahr dafur, dass die Sanierung tatsachlich gelingt. Ohne konsequente Beachtung der aus juristischer Sicht notwendigen Prufungspflichten vor Vergabe des Sanierungskredites setzen sich die Beteiligten der Gefahr aus, dass der Sanierungskredit als sittenwidrige -weil gegebenenfalls eigenmitzige - Kreditvergabe gewertet wird. Dies hatte wiederum die Nichtigkeit von Kredit- und Sicherheitenvertragen und Schadenersatzanspriiche anderer Glaubiger (insbesondere der Arbeitnehmer, Lieferanten, Kreditversicherer, anderer Banken etc.) zur Folge, die das eigentliche Kreditausfallrisiko deutlich iiber-steigen konnen.24 Zur Vermeidung derartiger Risiken empfiehlt sich die nachfolgend dargestellte Vorgehensweise.

1. Erarbeitung des Sanierungsgutachtens25

Vor der Vergabe eines Sanierungskredites ist die Sanierungsfahigkeit des Unterneh-mens von einem neutralen, branchenkundigen Wirtschaftsfachmann26 im Rahmen eines Sanierungsgutachtens27 zu dokumentieren.28 29 Die Erstellung eines Sanierungs­gutachtens erscheint selbst dann erforderlich, wenn ein Kreditinstitut zur Bewalti-gung der Krise neben der Gewahrung von Krediten auch Geschaftsanteile an dem Unternehmen erwirbt, um in den Genuss des Sanierungsprivilegs (Art 10 KonTraG, § 32a III GmbHG) zu gelangen, da Sanierungsprufungspflichten unabhangig von der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Kreditinstitutes bestehen. Die Sanierung eines vor dem Zusammenbruch stehenden Unternehmens erfordert wegen der Gefahren, die mit der Verzogerung der Insolvenz flir die Geschaftspartner des Unternehmens verbunden sind, eine sorgfaltige Prufung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten MaBnahmen. Unterlasst das Kreditinstitut diese Prufung oder miss-achtet es deren negatives Ergebnis, kann hieraus auf einen zumindest bedingten Scha-digungsvorsatz zu schlieBen sein. Um spateren Vorwiirfen der faktischen Geschafts-

24 Vgl. BGHZ 10, S. 228. 25 Ohne Sanierungsgutachten sind die Chancen eines Kreditinstitutes in einem SchadenersatzprozeB mini­

mal; vgl. hierzu OLG Hamm - ZInsO 1999, S. 574. 26 Vgl. BGH - WM 1971, S. 441. 27 Vgl. zu den notwendigen Inhalten: WP-Handbuch, 11. Aufl., Dusseldorf 1998, S. 300 ff. 28 Vgl. BGH v. 04.12.1997 - ZIP 1998, S. 248 ff., sowie BGH v. 12.11.1992 - ZIP 1993, S.276 ff. 29 Bei Kleinstunternehmen konnte die Sanierungsfahigkeitsprufung auch durch ein beteiligtes Kreditinstitut

durchgefuhrt werden. Dabei muss dieses den fur solche Priifungen erforderlichen SorgfaltsmaBstab ein-halten. Auf mangelnde Sachkenntnis kann es sich nicht berufen. Fur den Fall des spateren Scheiterns, tragt das Kreditinstitut die Beweislast, dass das Krisenunternehmen wirklich sanierungsfahig war. Vor diesem Hintergrund drohen regelmaBig Haftungstatbestande aus sittenwidriger Kreditvergabe.

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fiihrung vorzubeugen, sollten Kreditinstitute dem Krisenunternehmen zumindest die freie Auswahl zwischen mehreren Gutachtern ermoglichen.

2. Qualifikation des Gutachters Zur Vermeidung von Haftungsrisiken ist der Gutachter vom Kunden zu mandatieren und sollte keinem dem Kreditinstitut nahe stehenden Unternehmen (zum Beispiel sei­ner bankeigenen Unternehmensberatung) angehoren.

Ausreichende Fachkunde kann grundsatzlich bei Steuerberatern, Wirtschaftsprii-fern, Unternehmensberatern und ahnlichen Berufsgruppen angenommen werden. Al-lerdings miissen Banken und Sparkassen Erkenntnisse zu Minderqualifikationen in bestimmten Teilbereichen gegen sich gelten lassen. Das bedeutet, dass zum Beispiel ein Sanierungsgutachten einer auf EDV-Beratung spezialisierten Consulting-Firma nicht ausreichend ist, um hierauf einen Sanierungskredit abzustellen. Ausreichende und umfassende Expertise in allgemeinen wirtschaftlichen Sachverhalten ist Grund-voraussetzung. Selbstverstandlich miissen die Kriterien fur die Auswahl eines Gut­achters immer im Zusammenhang mit der UnternehmensgroBe und Komplexitat der Aufgabe stehen. Ein „Einzelkampfer" wird beispielsweise kaum in der Lage sein, ein mittelstandisches Produktionsunternehmen mit 500 Mitarbeitern an drei Standorten und mit Auslandsniederlassungen hinreichend zu beurteilen.

Im Regelfall wird der Gutachter nicht identisch mit dem bisherigen Wirtschaftsprii-fer, Steuerberater etc. sein.30 SchlieBlich sollte es sich bei dem Sanierungsgutachten um eine neutrale Beurteilung der Sanierungsfahigkeit und Sanierungswurdigkeit handeln.

3. Notwendiger Inhalt des Gutachtens Innerhalb des Gutachtens sind die Krisenursachen zu analysieren, ein nachvollzieh-bares Gesamtkonzept ist darzulegen und die Chancen der Sanierbarkeit des Krisen-unternehmens sind zu quantifizieren. Nur wenn der Gutachter die Umsetzung der Unternehmenssanierung fiir uberwiegend wahrscheinlich halt (Chance groBer als 50 Prozent) und dies auch prazise - gegebenenfalls mit einschrankenden Bedingungen, wie zum Beispiel Anderung der Geschaftsfuhrung, Verkauf von Anlagevermogen, Standorten, Tochtergesellschaften etc. - dokumentiert, wird das Haftungsrisiko der Kreditinstitute im Rahmen der Neukreditvergabe weitgehend ausgeschlossen. Als not-wendige Bestandteile des Sanierungsgutachtens gelten insbesondere MaBnahmen zur Beseitigung der Zahlungsunfahigkeit und Uberschuldung sowie die Darstellung von plausiblen Planbilanzen, Planergebnisrechnungen sowie Planliquiditatsrechnungen.

Den Kreditinstituten ist bei Beachtung der o.g. Anforderungen auch bei einem Schei-tern der Sanierung keine sittenwidrige Kreditvergabe vorzuwerfen. Mit Blick auf das positive Sanierungsgutachten wird das Interesse der Kreditinstitute und der Gesell-

30 Eine Ausnahme bildet aus rein okonomischen Uberlegungen Kleinstunternehmen

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schaft an der Sanierung hoher eingestuft als das unter Umstanden gegenlaufige In-teresse anderer Glaubiger am Erhalt ihres im Krisenunternehmen befindlichen Ver-mogens. Kreditinstitute sind hierbei nicht verpflichtet, die Allgemeinheit oder andere Glaubiger uber die Situation des Unternehmens zu informieren, da eine solche Ver-pflichtung regelmaBig das Scheitern der Sanierungsbemiihungen bedeuten wiirde.31

Dies gilt auch gegeniiber neuen Kapitalgebern, es sei denn, diese sind auf Initiative des Kreditinstitutes zur Kapitalbereitstellung bereit, das Kreditinstitut hat die Kapi-talstarkung finanziert und dabei eigene Beratungsleistungen erbracht.

4. Einraumung eines Uberbruckungskredites Bis zur Erarbeitung des Sanierungsgutachtens und der Vergabe des Sanierungskre-dites (in Abhangigkeit von der GroBe des Unternehmens in der Regel bis zu sechs Wochen; bei groBeren Sanierungsfallen wie Holzmann, Kirch etc. auch deutlich lan-ger) besteht die Moglichkeit, einen Zwischenkredit zu gewahren, um die Erstellung eines Sanierungskonzeptes zu ermoglichen. Kredite, die in dieser Phase gewahrt wer-den, sind jedoch nicht per se als Uberbriickungskredit zu qualifizieren. Im Streitfall tragt damit die Kredit gebende Bank die Beweislast fur das Vorliegen eines Uber­briickungskredites. Aus diesem Grund sind derartige Kredite zwingend als Uberbrii-ckungskredite zu bezeichnen. Daruber sollte der Kreditvertrag explizit darauf ver-weisen, dass es sich um einen Uberbriickungskredit handelt, der dem Kreditnehmer gewahrt wird, um die Erstellung eines Sanierungsgutachtens zu ermoglichen.

5. Sanierungskredit bei negativem Gutachten Auch bei negativer Sanierungsprognose diirfen Kreditinstitute einen Sanierungskre­dit hinauslegen. Sie miissen jedoch die Sanierungsbediirftigkeit des Unternehmens gegeniiber alien anderen Glaubigern dokumentieren. Dies fuhrt im Regelfall zum Scheitern der Sanierung, sodass dieser Sachverhalt nur von theoretischer Natur sein diirfte.

6. Begleitung des Sanierungsprozesses Vor dem Hintergrund des berechtigten Informationsinteresses der Kreditinstitute sollten diese den Sanierungsprozess zeitnah begleiten. Zur Absicherung gegeniiber spateren Schadenersatzanspnichen anderer Glaubiger ist der Sanierungsfortschritt vom Zielunternehmen mittels regelmaBiger Vorlage rollierender Ergebnis- und Li-quiditatsplane und ggf. Planbilanzen zu dokumentieren. Die Kreditinstitute laufen anderenfalls Gefahr, dass das Unternehmen im Laufe der Sanierung wieder insol-venzantragspflichtig wird, die Kreditinstitute dies aber nicht feststellen, demzufolge die Finanzierung offen halten und unter Umstanden andere, nicht informierte Glau­biger - vor allem Lieferanten - zu weiteren Leistungen veranlassen. Hieraus konnten wiederum Schadenersatzanspriiche dieser Glaubigergruppen entstehen.

31 Vgl. BGH v. 09.12.1969 - VIZR 50/68 - WM 1970, S. 390.

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Zur Vermeidung - auch einer personlichen Haftung der betroffenen Mitarbeiter - sind vor der Vergabe eines Sanierungskredites folgende notwendigen Inhalte eines Sanie-rungsgutachtens zu plausibilisieren (siehe Abbildung 37):

1. Beschreibung des Unternehmens

1.1 Bisherige Unternehmensentwicklung 1.2 Rechtliche Verhaltnisse 1.3 Finanzwirtschaftliche Verhaltnisse 1.4 Leistungswirtschaftliche Verhaltnisse 1.5 Organisatorische Verhaltnisse

2. Analyse des Unternehmers

2.1 Krisenursachenanalyse 2.2 Lagebeurteilung

3. Leitbild des sanierten Unternehmens

3.1 Ansatzpunkte einer corporate identity 3.2 Entwicklung derTatigkeitsgebiete und Marktstrategien 3.3 Ausrichtung der Funktionen (Erfolgspotenziale) 3.4 Kunftige geselllschaftliche Struktur des Unternehmens 3.5 Beziehungen zu Kapitalgebern

4. SanierungsmaBnahmen

4.1 Finanzwirtschaftliche MaBnahmen 4.2 Leistungswirtschaftliche MaBnahmen

5. Planverprobungsrechnung

Abbildung 37: Notwendige Inhalte eines Sanierungsgutachtens* * entspricht IDW-FAR 1/1991

10.4.2 Kundigung des Sanierungskredites

Die Kundigung eines Sanierungskredites ist grundsatzlich moglich, wenn sich das Schei-tern der Sanierung abzeichnet, nicht aber bei einer zeitlichen Verzogerung der Sanie-rungsmaBnahmen. Die Kreditinstitute miissen grundsatzlich solange mitwirken, bis die Sanierung erfolgreich ist oder feststeht, dass die Bemuhungen aussichtslos sein werden. Dies gilt auch ohne Stillhalte- oder Konsortialvereinbarung. Nicht an der Sanierung be-teiligte Kreditinstitute durfen jedoch eine Kundigung grundsatzlich aussprechen.32

Insgesamt kann aber auch nach Abschluss des Kreditvertrages bei einer wesentlichen oder drohenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhaltnisse die Auszahlung ver-weigert und der Vertrag fristlos nach § 4101BGB gekiindigt werden.

32 Vgl. BGH v. 12.12.1991 - IX ZR 178/91 - ZIP 1992, S. 191.

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Hieruber sind die Mitkreditgeber unverzuglich zu informieren; haufig ist ein Gleichklang der Vorgehensweise bei den Banken durch einen Poolvertrag vorgeschrieben. In der Pra­xis werden zunehmend Vereinbarungen zu Sonderkundigungsmoglichkeiten Bestandteil des Kreditvertrages (Financial Covenants).

10.4.3 Vereinbarung von Financial Covenants

Die innerhalb einer Kreditvereinbarung moglicherweise kodifizierten Financial Cove­nants verpflichten einen Kreditnehmer, bestimmte Bedingungen wahrend der Laufzeit eines Kreditgeschafts einzuhalten.

10.4.3.1 Regelungsinhalte von Financial Covenants

Typisch fiir die Gestaltung von Financial Covenants ist die Festlegung von Relationen hinsichtlich der Vermogens- und Ertragslage eines Kreditnehmers. Insbesondere werden

• Mindestanforderungen in Bezug auf die Eigenkapitalausstattung, • die Verschuldung, • die Gesamtkapitalrendite, • die Eigenkapitalrendite sowie • die Liquiditatsrelationen eines Schuldnerunternehmens

in Form von Kennzahlen definiert. Es ist Kreditgebern und Kreditnehmern dabei frei-gestellt, welche Art von Kennzahlensystem sie vereinbaren. In der Regel sind dies Re­lationen oder Mindestbetrage, die sich aus der Gewinn- und Verlust-Rechnung und der Bilanz eines Unternehmens leicht ableiten lassen.

Eine Mindesteigenkapitalausstattung ist beispielsweise eine typische Ausgestaltung als Indikator fiir die Moglichkeit, Verluste hinnehmen zu konnen, ohne den Tatbestand der Uberschuldung zu erfullen. RegelmaBig anzutreffen ist die Festlegung von Mindestrela-tionen zur Verschuldung sowie Verhaltniskennzahlen zwischen Eigenkapital und Fremd-kapital. Im Bereich der Ertragslage findet man Verlustobergrenzen oder Zinsdeckungs-klauseln. Im Rahmen der Liquiditatsbeurteilung eines Kreditnehmers werden Kennzahlen zum Working Capital oder bestimmte Zielvereinbarungen formuliert. Beispielsweise kann festgelegt werden, dass in einem zu definierenden Zeitraum weitere liquiditatsschopfende MaBnahmen wie der Abbau von Forderungen aus Lieferung und Leistung oder die Ver-minderung des Vorratsvermogens vom Kreditnehmer zu realisieren sind. Betrachtet man typische Vereinbarungen, so wird haufig ein Verbund von vier Kennzahlen gebildet, deren GroBe im Kreditvertrag so genau als moglich definiert werden sollten:

• absolute Eigenkapitalausstattung, K Verschuldungsgrad als Verhaltnis von Eigenkapital zu Fremdkapital,

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W absolute MindestgroBe des Ergebnisses der gewohnlichen Geschaftstatigkeit ohne sonstige betriebliche Ertrage sowie

M eine absolute Kennzahl zum Working Capital.

Im Zusammenhang mit der Festlegung von Financial Covenants verlangen die Kreditge-ber regelmaBige Informationen zur Einhaltung dieser Kennzahlen. Ublicherweise werden monatliche oder vierteljahrliche Informationsintervalle festgelegt. Zu den erforderliche Unterlagen zahlen natiirlich in aller erster Linie aussagefahige BWA'en, bei denen mittels Abgrenzungsbuchungen im Bereich des Material-/Wareneinsatzes, der Personalkosten, der Versicherungskosten, der Zinskosten, der Abschreibung etc. das tatsachlich Ergebnis dargestellt werden muss. Zusatzlich sollte die Entwicklung des Netto-Working-Capital unterjahrig dargestellt werden.33

Dariiber hinaus wird der Kreditnehmer verpflichtet, bei deutlicher Verschlechterung der Kennzahlen die Kreditinstitute unverzuglich zu informieren. Die Kontinuitat der Bewer-tungsmethoden bei der Erstellung des Jahresabschlusses ist durch die Abschlussprufer und Steuerberater des Kreditnehmers schriftlich zu bestatigen. Eine Verpflichtungs-erklarung des Wirtschaftspriifers wird nur da notig sein, wo in der Bilanz selbst kein entsprechender Hinweis auf die Bewertungskontinuitat gegeben wird. Fur den Fall der Anderung der Bilanzierungs- und BewertungsmaBstabe sollte eine Paralleldarstellung nach urspriinglicher Methodik erfolgen.

Insbesondere ist nach Auffassung der Autoren eine Prufung gekoppelt mit einem Tes-tat zur Vollstandigkeit und Werthaltigkeit des Umlaufvermogens erforderlich. Hierbei ist beim Warenlager die Gangigkeit bzw. der wirtschaftliche Verfall der einzelnen Produkte und Waren zu priifen und zu beurteilen.

10.4.3.2 Nichteinhaltung von Financial Covenants

Der jeweilige Kreditvertrag muss klare Regelungen fur den Fall beinhalten, dass Fi­nancial Covenants nicht erfiillt werden. Hierbei ist ein abgestuftes Sanktionssystem fest-zulegen, innerhalb dessen dem Kreditgeber das Recht auf Nachbesicherung seines Enga­gements zugesichert wird. Fur den Fall, dass der Kreditnehmer seiner Verpflichtung zur Stellung zusatzlicher Sicherheiten nicht innerhalb einer festgelegten Frist nachkommt, wird dem kreditgebenden Institut regelmaBig das Recht zur fristlosen Kundigung aus wichtigem Grund eingeraumt. Bei Kreditvolumina, die in Tranchen iiber einen langeren Zeitraum zur Verfugung gestellt werden, zum Beispiel fiir langere Investitionszyklen, kann ein Weigerungsrecht zur Auszahlung zukiinftiger Finanzierungsabschnitte fiir das Kreditinstitut vorgesehen sein.

33 Netto-Working-Capital: Saldo aus kurzfristig liquidierbaren Aktiva (Barmittel, Debitoren, Warenlager etc.) zu kurzfristig zu bedienenden Passiva (Kreditoren, Lohne, Gehalter, Sozialversicherung, Steuern, Betriebsmitteldarlehen etc.).

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Mit Blick auf die erheblichen finanziellen und rechtlichen Risiken bei der Vergabe von Sanierungskrediten sehen die Financial Covenants fiir den Fall der deutlichen Zielver-fehlung grundsatzlich ein sofortiges, auBerordentliches Kiindigungsrecht vor. Die Ver-einbarung von Nachbesicherungsrechten birgt das Risiko, dass diese in einem spateren Insolvenzverfahren die Anfechtungstatbestande der §§ 130 ff. InsO erfiillen konnten.34

10.4.3.3 Grenzen von Financial Covenants

Sieht man in den Financial Covenants eine zusatzliche Sicherheit, muss darauf hinge-wiesen werden, dass der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens nicht allein von der Erfullung finanzwirtschaftlicher Kennzahlen abhangt, sondern in erheblicher Weise von kaum messbaren Faktoren bestimmt wird. Wichtige Faktoren wie

I! die Marktgangigkeit der Produkte, H die Starke der Vertriebsmannschaft, H die Stellung im Markt und Wettbewerb, H das Fertigungs-Know-how, H die Management-Qualitat, * die Innovationskraft etc.

sind nur schwer quantifizierbar, fiir die weitere wirtschaftliche Entwicklung allerdings von zentraler Bedeutung. Trotzdem wird iiber einen langeren Zeitraum in einem Kenn-zahlensystem, welches sowohl bilanzielle als auch ergebnis- und liquiditatsorientierte Kennzahlen misst, eine Verschlechterung der Unternehmenssituation - zumindest zeit-verzogert - offensichtlich. Als Instrument zur Risikofriiherkennung und Risikovermei-dung besitzen Financial Covenants ihre Berechtigung. Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, nur wenige Kennzahlen festzulegen. Komplizierte und komplexe Systeme erzeugen kaum groBeren Nutzen, sind aber in der Regel aufwendig in Uberwachung sowie Erstellung. Dariiber hinaus besteht die Gefahr, dass aufgrund eines ausufernden Verpflichtungssys-tems in die Fuhrung des Unternehmens derart eingegriffen wird, dass dem Kreditinstitut eine sittenwidrige Knebelung oder gar faktische Geschaftsfiihrung vorgeworfen werden konnte.35 Ein maBvoller Umgang bei der kreditvertraglichen Vereinbarung von Financial Covenants ist daher ratsam.

10.5 Gewahrung eines Uberbruckungskredites

Der Uberbriickungskredit ist im Grunde ein Kreditverhaltnis „sui generis". Seine Be-reitstellung dient dazu, dem Kreditnehmer den zeitlichen und finanziellen Raum zur

34 Anfechtung bei kongruenter/inkongruenter Deckung, bei benachteiligenden Rechtshandlungen, bei vor-satzlicher Glaubigerbenachteiligung etc.

35 Vgl. BGH, Urteil v. 09.12.1969 - VIR 50/68, in NJW 19070, S. 657.

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Erarbeitung eines Sanierungskonzeptes zu verschaffen. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, warum seine Gewahrung nicht von der Vorlage einer positiven Fortfuh-rungsprognose abhangig gemacht werden kann. Auch ein spater negatives Urteil zur Sanierungsfahigkeit des Krisenunternehmens bedeutet nicht, dass die den Uberbru-ckungskredit gewahrenden Institute sich sittenwidrig verhalten. In der Regel mussen alle Beteiligten sehr schnell entscheiden, ob dem Krisenunternehmen die Zeit zur Er­arbeitung des Sanierungsgutachtens gewahrt wird. Diese Entscheidung ist den Betei­ligten moglich, solange die Begleitumstande die Sanierung des Krisenunternehmens nicht von Anfang an als unrealistisch erscheinen lassen. Um aber zu verhindern, dass der Uberbriickungskredit als „perpetuum mobile" der Sanierungskreditgewah-rung missbraucht wird - mit der Folge der Gefahrdung oder gar Schadigung anderer Glaubiger - ist der Zeitraum der Kreditgewahrung limitiert (in der Regel bis zu sechs Wochen, bei groBeren Unternehmen aber auch deutlich mehr „...Zeitraum, der zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens erforderlich ist....")-36 Zur Vermeidung von Schadenersatzanspruchen anderer Glaubiger sollten die Banken und Sparkassen vor Vergabe und Auszahlung des Uberbruckungsdarlehens folgende dargestellten Hand-lungsempfehlungen beachten.

Handlungsempfehlungen zur Vergabe eines Uberbriickunskredites:

1. Vorlage des unterschriebenen Auftrages zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens. 2. Vergabe des Uberbriickungskredites mit zeitlicher Beschrankung. Das Ende des

Uberbruckungsdarlehens muss aus dem Darlehensvertrag hervorgehen. 3. Der Darlehensvertrag sollte zur rechtlichen Prazisierung und zur Differenzierung von

anderen Darlehensverhaltnissen die Bezeichnung „(Jberbruckungskredit" tragen. 4. Kreditinstitute konnen in Hone des Uberbriickungskredites neue Sicherheiten aus der

Vermogenssphare des Unternehmens hereinnehmen, ohne dass diese ihnen bei einer spateren Insolvenz durch den Insolvenzverwalter „aus der Hand geschlagen" werden.

5. Kreditinstitute sollten die Hereinnahme neuer, fur das Alt-Engagement haftender Si­cherheiten vermeiden: Gefahr der sittenwidrigen Kreditvergabe, der Schadigung an­derer Glaubiger sowie der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung.

In jedem Fall droht bei Gewahrung eines Uberbriickungskredites der Ausfall dieser Zwischenfinanzierung bzw. eine nachhaltige Verschlechterung der Sicherheiten des Unternehmens. Demnach sollten Uberbruckungshilfen - insbesonderre auch aus bank-oder sparkasseninternen betriebswirtschaftlichen Uberlegungen - nur gewahrt werden, wenn

P dem Management die Sanierung - unter Umstanden mit Hilfe Dritter - zugetraut wird,

'M nach grober Uberprufung von einer Sanierungsfahigkeit ausgegangen werden kann und der Fortbestand des Unternehmens erwartet werden darf,

36 Vgl. BGH WM 1989, S. 248; OLG Schleswig 11 U 160/80 - 1982, 27; andeutungsweise auch BGH VIZR 219/62 - WM 1964, 671; SG Hamburg 7 AR 1158/87 - ZIP 1989, 1476.

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• das Krisenunternehmen die erforderliche Liquiditat nicht selbst darstellen kann, die Gesellschafter auf weitere Entnahmen verzichten und ein grober Liquiditatsplan die Zahlungsmittelunterdeckung plausibel macht und

M auch die anderen Kreditgeber ihre Linien offen halten.

10.6 Kredit zur Liquidation des Krisenunternehmens

Vor der Vergabe eines Liquidationskredites gelten prinzipiell die gleichen Prufungspflichten wie beim Sanierungskredit. Insofern wird auf die obigen Ausfuhrungen verwiesen. Sicherge-stellt sein muss, dass vor Valutierung und Beginn der Liquidation alle Insolvenztatbestande beseitigt sind, um die bekannten Haftungsrisiken fUr die Geschaftsflihrung, gegebenenfalls die Gesellschafter und insbesondere die finanzierenden Kreditinstitute auszuschlieBen. Ein Hauptaugenmerk ist auf die standige Uberwachung des Eintritts von Insolvenzgriinden und deren Vermeidung durch Bereitstellung ausreichender Kreditlinien sowie zum Beispiel die Vereinbarung von Rangrucktritten zu Darlehensforderungen zu legen.

Ein in der Liquidation befindliches Unternehmen ist nicht nur per se in einer schwierigen Phase, es droht bei Kenntnis der Liquidation ein massiver Absatzeinbruch, der sehr rasch zur Zahlungsunfahigkeit fuhren kann. Insofern mussen die beteiligten Kreditinstitute durch zeitnahes Controlling die Situation des Krisenunternehmens standig uberwachen, um nicht spater Gefahr zu laufen, von anderen Glaubigern mit der Begriindung in Regress genommen zu werden, dass das Offenhalten der Kreditlinien die anderen Glaubiger liber die Solvenz des Krisenunternehmens getauscht hat. Dariiber hinaus droht der Vorwurf der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung, vor allem wenn das Kreditinstitut sich aus dem Zeitgewinn einen Vorteil gegenliber anderen Glaubigern verschafft, zum Beispiel durch die Bestellung neuer oder die Verwertung alter Sicherheiten.

Voraussetzungen fur die Liquidation eines Krisenunternehmens sind:

1. Unterdeckungen aus dem Geschaftsbetrieb sind nicht zu hoch. 2. Annahernd ausgeglichenes Verhaltnis zwischen Debitoren/Warenlager zu Kredi-

toren. 3. Kein besonders hohes negatives Netto-Working-Capital. 4. Es sind keine langfristigen Liefer- und Leistungsvertrage abzuwickeln oder es drohen

hieraus keine hohen Vertragsstrafen aus Nichterfullung. 5. Es sind keine hohen und langlaufenden Dauerschuldverhaltnisse abzulosen, da Be-

triebsimmobilie im Eigentum des Unternehmens/der Gesellschafter oder Ahnliches. 6. Es drohen keine hohen Sozialplanverpflichtungen (bei Unternehmen ohne Betriebs-

rat bzw. wenn der Unternehmer in der Lage ist, Vorruhestandsregelungen einzuleiten oder Mitarbeiter an Konkurrenzbetriebe weiterzuvermitteln).

7. Die Liquidation dringt nicht nach auBen, da andernfalls ein massiver Umsatzeinbruch droht (realisierbarer Zeitraum: maximal neun bis zwolf Monate).

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8. Die freie Verwertung der als Banksicherheiten dienenden Vermogensgegenstande verspricht einen wesentlich hoheren Verwertungserlos als innerhalb der Insolvenz.

9. Die Fortfiihrung des Unternehmens im Ganzen und damit ein moglicher Unterneh-mens verkauf erscheint eher unwahrscheinlich.

Zum Abschluss der Liquidation werden die Liquidationserlose regelmaBig nicht ausrei-chen, um die Verbindlichkeiten des Unternehmens zu bedienen und die mogliche Unter-deckung des laufenden Geschaftsbetriebes auszugleichen. AuBerdem muss das Krisen-unternehmen darauf achten, dass durch die Liquidation einzelne Glaubigergruppen nicht benachteiligt werden.

Dies bedeutet in der Praxis, dass normalerweise vor allem die Lieferanten und Arbeitneh-mer in voller Hone bezahlt oder abgefunden werden. Im Zusammenhang mit einem in der Liquidation sukzessive zuruckgehenden Geschaftsbetrieb werden die Mitarbeiter nach und nach freigesetzt. Zu beachten sind hierbei insbesondere die Anzeigepflichten gegenuber der Arbeitsverwaltung bei Massenentlassungen und die Verpflichtung zum Abschluss eines Sozialplans als Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern (jeweils bei Betrieben mit einem Betriebsrat).37 Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, vor der Um-setzung der Liquidation einen arbeitsrechtserfahrenen Rechtsbeistand zu konsultieren.

Die Vermeidung der Benachteiligung anderer Glaubiger muss auch von den finanzieren-den Kreditinstituten ernst genommen werden. Mit Blick auf ihr eigenmitziges Interesse (bessere Verwertung der Kreditsicherheiten) und ihren Informationsvorsprung gegenuber anderen Glaubigern drohen Schadenersatzanspriiche aufgrund sittenwidriger Kreditver-gabe verbunden mit vorsatzlicher Schadigung anderer Glaubiger. Daher sollten Kredit-institute in der Praxis folgende Vorgehensweise beachten:

^ Grobe Vorprufung der Erfolgsaussichten der eigenhandigen Liquidation. W> Einraumung eines Uberbriickungskredites zur Erstellung des Liquidationsplans. %fc Erstellung des Liquidationsplans durch einen unabhangigen, branchenerfahrenen

Wirtschaftsfachmann (analog zum Sanierungskredit). % Bei positivem Votum (das heiBt, Liquidation ist ftir das Kreditinstitut und die ande­

ren Glaubiger gunstiger als das Regel-Insolvenzverfahren) Beseitigung der Insolvenz-griinde durch Rangrucktrittserklarungen seitens der Gesellschafter oder Banken und/ oder durch Einraumung eines Liquidationskredites.

M: Vereinbarung des Prozederes fiir den Zeitraum der Liquidation; Abschluss eines Li-quidationsvertrages zwischen dem Kreditinstitut und dem Krisenunternehmen (im Regelfall unter Einschluss der Gesellschafter).

37 Vgl. zur Massenentlassung KSchG, § 17 ff. Als Massenentlassungen gilt die Kiindigung (Wirksamkeit der Kiindigung ist entscheidend) einer bestimmten Anzahl von Mitarbeitern durch den Arbeitgeber inner­halb eines Zeitraumes von 30 Tagen. Die anzeigepflichtige Anzahl bestimmt sich nach der GroBe des Be-triebes. Massenentlassungen bedurfen der Zustimmung der Arbeitsverwaltung. Ohne diese Zustimmung sind die Kiindigungen schwebend unwirksam. Ein Sozialplan dient dem Ausgleich wirtschaftlicher Nach-teile, die den Arbeitnehmer bei einer Betriebsanderung (hier: Liquidation) treffen. Seine Ausgestaltung ist zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu vereinbaren.

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Bereits zu Beginn kann ein Verzicht des Kreditinstitutes zugunsten der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter auf einen verbleibenden Restkredit unter der Bedingung vereinbart werden, dass bestimmte Verwertungserlose erzielt und im Zeitablauf der Liquidation bestimmte Unterdeckungen nicht uberschritten werden. Nach Vorlage des Liquidations-plans (Zielvereinbarung) ist die Hohe eines Verzichtes exakt definierbar. Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass die Kreditinstitute hiermit das voile Engagement des Unterneh-mers erhalten, damit die Verwertungschancen fiir ihre Sicherheiten verbessern und der Unternehmer die Chance erhalt, sich von seinen unter Umstanden bestehenden personli-chen Verpflichtungen „freizuarbeiten" (Eindammung krimineller Energie).

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Die Begleitung eines Krisenunternehmens im Rahmen einer Sanierung kann unter gewisssen Gesichtspunkten wiinschenswert und sinnvoll sein. Dennoch birgt sie doch fur den Darlehensgeber in wirtschaftlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht erhebliche Risiken. Wirtschaftlich sind Kredite, die an ein Krisenunternehmen ausgereicht werden, aufgrund der Bonitat des Unternehmens besonders ausfallgefahrdet. Wird das Sanie-rungskonzept nicht erfolgreich umgesetzt, folgt die Insolvenz und der Schaden fur das Kreditinstitut erhoht sich unter Umstanden nochmals. Ein professionelles Sanierungs-management ist daher zwingend erforderlich. Aber auch haftungsrechtlich birgt die Be-teiligung an einem Sanierungsversuch nicht zu unterschatzende Risiken.

11.1 Haftungsrisiken ftir die Kreditinstitute

Bei der Beurteilung der Haftungsrisiken der Kreditinstitute sind grundsatzlich drei Pro-blemkreise separat zu betrachten:

i§ Problem der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, H Problem der Quasi-Gesellschafterhaftung, H Problem der Glaubigergefahrdung/Glaubigerbenachteiligung.

11.1.1 Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen

Das Problem der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen existiert bei der GmbH, der GmbH & Co. KG, der AG sowie der kapitalisierten OHG, also alien Gesellschafts-typen mit beschranktem Haftungskapital.1 Dabei werden folgende Tatbestande grund­satzlich vom Sachverhalt des Eigenkapitalersatzes erfasst:

^ neu gewahrte Darlehen an ein Krisenunternehmen, If stehen gelassene Darlehen bei einem Krisenunternehmen, % Darlehen durch eine Mutter-/Tochtergesellschaft des Anteilseigners, M Darlehen durch Gesellschafter, die die Anteile liber einen Treuhander halten, $&. Zwischenfinanzierungen an ein Krisenunternehmen, wenn eine kurzfristige Ablosung

des Zwischenkredites von Anfang an unwahrscheinlich erscheint.2

1 Vgl. BGH, Urteil v. 26.03.1984 - IIZR 171/83, in: WM 1984, S. 625. 2 Vgl. OLG Diisseldorf, Urteil v. 02.03.1989 - 12 O 74/88, in: ZIP 1989, S. 586.

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Ein Gesellschafter, der der Gesellschaft in der Krise ein Darlehen gewahrt oder ein gewahrtes Darlehen stehen lasst, kann in einer spateren Insolvenz der Gesellschaft die Ruckzahlung des Darlehens nicht verlangen. Sicherheiten aus der Vermogenssphare des Unternehmens, die er zur Absicherung erhalten hat, darf er nicht verwerten. Auf die Be-weggrtinde des Gesellschafters bei der Darlehensgewahrung kommt es hierbei nicht an. Er wusste oder hatte zumindestens erkennen miissen, dass die Kreditmittel mit Blick auf die Unternehmenslage als Kapitalbestandteil unabdingbar und damit zu Eigenkapital ge-worden sind,3 weil die Gesellschaft aufgrund ihrer unzureichenden Vermogenslage nicht in der Lage war, ihren Kapitalbedarf durch Fremdkredite zu marktiiblichen Konditionen zu decken (Kreditunwurdigkeit).4 Indizien fur eine Kreditunwurdigkeit sind:

fi das Stammkapital i.W. aufgezehrt bzw. die Gesellschaft ist uberschuldet,5

Ws wesentliche stille Reserven fehlen,6

^ keine ausreichenden Sicherheiten fur Fremdkreditmittel zur Verftigung stehen,7

%£. wesentliche fallige Verbindlichkeiten nicht mehr beglichen werden konnen, !i die Betriebsergebnisse - nach Aufzehrung des Stammkapitals - sind negativ.

Soweit dieses Darlehen als Eigenkapital betrachtet wird, kann es vom Gesellschafter weder zurtickgefordert werden, noch kann damit aufgerechnet, noch dafiir Zinsen er-hoben, noch Sicherheiten verlangt werden.8 Hat der Gesellschafter seinerseits Sicherhei­ten zur Absicherung eines Gesellschaftsdarlehens gestellt und werden diese in Anspruch genommen, so kann der Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft den ihm zuste-henden Regressanspruch ebenso wenig durchsetzen wie das eigenkapitalersetzende Dar­lehen selbst. Bereits eine atypisch stille Einlage kann als eigenkapitalersetzend gelten, wenn der Gesellschafter gleichzeitig die Geschicke der Gesellschaft bestimmt und am Vermogenserfolg bzw. Liquidationserlos beteiligt ist.9

Ist ein finanzierendes Kreditinstitut selbst als Gesellschafter beteiligt - sei es auch nur mittelbar iiber eine Beteiligungsgesellschaft oder iiber den Gewahrstrager - so konnen die gesetzlichen Bestimmungen ebenso greifen. Das Kreditinstitut setzt sich damit der Gefahr aus, samtliche Darlehen - also nicht nur die neu verauslagten - in der Insolvenz nicht geltend machen und gestellte Sicherheiten nicht verwerten zu konnen.10 Vor diesem Hintergrund ist gerade die Abtretung von Gesellschaftsanteilen an ein Kreditinstitut kritisch zu betrachten, da es auf diesem Wege Mitgesellschafter des Unternehmens wird und somit auch alle Re-gelungen des Eigenkapitalersatzes das Kreditinstitut Anwendung finden. Stattdessen sollte eine Verpfandung der Gesellschaftsanteile erwogen werden. Dabei ist jedoch sicherzustel-

3 Vgl. BGH, Urteil v. 17.2.1992 - IIZR 154/91, in: ZIP 1992, S. 618, sowie BGH, Urteil v. 24.9..1990 - IIZR 174/89, in: ZIP 1990, S. 1467.

4 Vgl. BGH v. 24.03.1980 - Z 76 - S. 326, sowie BGH v. 21.09.1981 - ZIP 1981, S. 1200. 5 Vgl. BGH v. 06.02.1995 - II ZR 41/94. 6 Vgl. BGH v. 11.12.1995 - II ZR 128/94. 7 Vgl. BGH v. 18.11.1991 II ZR 258/90. 8 Vgl. BGH v. 26.11.1979 - II ZR 104/77 - WM 1980, S. 78. 9 Vgl. BGH, Urteil v. 17.12.1984, in: DB 1985, S. 372.

10 Vgl. BGH, Urteil v. 13.07.1992 - II ZR 269/1991, in: ZIP 1992, S. 1382.

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len, dass das Kreditinstitut nicht uber Nebenabsprachen Rechte erhalt, die grundsatzlich nur einem Gesellschafter zustehen. Lasst sich dagegen das Kreditinstitut entsprechende Befug-nisse einraumen, konnen auch bei einer Verpfandung von Geschaftsanteilen die Regeln des Eigenkapitalersatzes greifen.11 Ahnliches gilt, falls das Kreditinstitut seine Gesellschafts-anteile Uber einen Treuhander12 oder eine Beteiligungsgesellschaft halt, bei der das Kre­ditinstitut seinerseits Mehrheitsgesellschafter ist.13 In diesem Zusammenhang wird selbst dann eine gesellschafterahnliche Stellung bejaht, wenn der Treuhander ohne rechtliche Ver-pflichtung rein faktisch einseitig Weisungen des Kreditinstituts befolgt.14

Unter Umstanden ist statt der Verpfandung eine fiduziarische Abtretung der Gesell-schaftsanteile denkbar, deren Wirkung erst eintritt, wenn das betroffene Unternehmen die Krisensituation iiberwunden hat, also zahlungsfahig ist und ihm keine bilanzielle Uber-schuldung droht. Kreditinstitute partizipieren hierbei ebenso an den stillen Reserven des Unternehmens wie bei einer direkten Beteiligung. Eine solche Sicherung diirfte aus heu-tiger Sicht haftungsrechtlich fiir das Kreditinstitut unbedenklich sein, da die Abtretung auf den Fall der Wiederherstellung des positiven Eigenkapitals und der Zahlungsfahig-keit angelegt ist. Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten ist es unbeachtlich, dass die Werthaltigkeit der Sicherheit erst nach Uberwindung der Krise eintritt. Eine Beteiligung an einem Krisenunternehmen stellt ohnehin keinen besonderen Wert dar. Entwickelte Rechtsprechung zu dieser Gestaltung existiert freilich noch nicht.

Die Anwendbarkeit der Grundsatze des Eigenkapitalersatzes kann jedoch unter gewissen Bedingungen ausgeschlossen sein. Der Gesetzgeber hat hierzu folgende Regelungen zu so genannten Haftungsprivilegien eingefuhrt:

m Kleinbeteiligungsprivileg (§ 32a III 2 GmbHG), M Sanierungsprivileg (§ 32a III 3 GmbHG), >3? Beteiligung uber eine privilegierte Unternehmensbeteiligungsgesellschaft

(§ 24 UBGG).

Das Kleinbeteiligungsprivileg zielt darauf ab, Gesellschafter, die nur eine geringfugige Beteiligung halten und aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung auf das unter-nehmerische Handeln keinen Einfluss nehmen konnen, von den einschneidenden Folgen der Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts freizustellen. Als Grund fiir diese Privile-gierung wird i.W. angefuhrt, dass derartige Gesellschafter keine Finanzierungsverant-wortung fiir eine Gesellschaft besitzen. Insofern gelten die vorstehenden Regelungen nicht fiir einen nicht geschaftsfuhrenden Gesellschafter, der zur Bewaltigung der Krise mit 10 Prozent (GmbH) bzw. 25 Prozent (AG) oder weniger am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist.15 Im Zusammenhang mit dem Kleinbeteiligungsprivileg bestehen jedoch

11 Vgl. BGH v. 13.07.1992 - IIZR 251/91 - ZIP 1992, S. 1300. 12 Vgl. BGH v. 14.11.1988 - II ZR 115/88 - ZIP 1989, S. 93. 13 Vgl. BGH v. 14.11.1988 - ZIP 1989, S. 93, sowie BGH v. 19.9.1988 - ZIP 1988, S. 1248 u. 1250. 14 Vgl. BGH-WM 1992, 1655. 15 Vgl. BGH v. 26.03.1984 - II ZR 171/83, sowie BGH v. 11.01.1999 - II ZR 247/97.

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noch eine Reihe von Rechtsfragen, die noch nicht hochstrichterlich geklart worden sind. Ungeklart ist u.a. die Frage der Zusammenrechnung von Gesellschaftergruppen, die in einer Interessenverbindung stehen und ihre Interessen durch ein entsprechendes Zusam-menwirken gemeinsam durchsetzen konnen (Beispiel: Sanierungskonsortium). Ferner ist offen, ob bereits bei einer koordinierten Kreditvergabe eine Zusammenrechnung der einzelnen Kleinbeteiligungen droht.

Das Sanierungsprivileg seinerseits gilt fiir Darlehensgeber, die in der Krise des Unter-nehmens Geschaftsanteile zum Zwecke der Uberwindung der Krise erwerben. Auf die bereits gewahrten oder neu zu gewahrenden Kredite finden insoweit die Regeln des Ei-genkapitalersatzes keine Anwendung. Das Sanierungsprivileg gilt jedoch nicht, wenn der Darlehensgeber bereits vor der Krise eine Beteiligung von 10 Prozent (GmbH) bzw. 25 Prozent (AG) gehalten oder wesentliche Geschaftsfuhrungsfunktionen ausgeubt hat. Auch im Hinblick auf das Sanierungsprivileg besteht aufgrund der fehlenden hochst-richterlichen Rechtsprechung noch eine erhebliche Rechtsunsicherheit. So ist fraglich, ob die bloBe Sanierungsabsicht des Darlehensgebers als rein subjektives Element fiir die Anwendbarkeit des Sanierungsprivilegs ausreicht oder ob die Sanierungsfahigkeit des Unternehmens auch objektiv gegeben sein muss. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien lassen sich entsprechende Riickschlusse ziehen. Da jedoch derjenige, der sich auf eine gesetzliche Privilegierung beruft, die entsprechenden Tat-bestandsvoraussetzungen zu beweisen hat, sollten Kreditinstitute vor dem Erwerb der Geschaftsanteile die Sanierungsfahigkeit des Unternehmens durch ein entsprechendes Sanierungsgutachten prufen lassen.

Daruber hinaus ist aber auch unklar, welche Konsequenzen eine wiederholte Krisen-finanzierung nach sich zieht. Wenn die Sanierung zunachst zwar gelingt, es aber im spa-teren Verlauf aufgrund unvorhersehbarer, neu eintretender Ursachen zu einer weiteren Krise kommt und die Gesellschafter noch aus der ersten Krise Beteiligungen halten, die eine privilegierte Kleinbeteiligung uberschreiten, spricht laut herrschender Meinung vie-les dafur, dass die Kredite dann eigenkapitalersetzenden Charakter entfalten.

Eine RUckqualifizierung von Darlehen, die bereits aufgrund einer bestehenden Betei­ligung als Eigenkapitalersatz qualifiziert waren, ist selbstverstandlich ausgeschlossen.16

Eine weitere Haftungsprivilegierung besteht schlieBlich nach § 24 UBGG (Gesetz iiber Unternehmensbeteiligungsgesellschaften). Danach finden die Regeln des Eigenkapital-ersatzes keine Anwendung, sofern ein Gesellschafter einer Unternehmensbeteiligungsge-sellschaft einem anderen Unternehmen, an dem die Unternehmensbeteiligungsgesellschaft ihrerseits beteiligt ist, ein Darlehen gewahrt bzw. eine andere der Darlehensgewahrung wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung vornimmt. Auf diese Weise konnten Kre­ditinstitute einem Unternehmen, an dem die bankeigene Unternehmensbeteiligungs-gesellschaft beteiligt ist, unter Umstanden Kredite oder andere wirtschaftliche Hilfen gewahren, ohne sich dem Risiko des Eigenkapitalersatzes auszusetzen.

16 Vgl. BT-Drucksache 13/10038, S.28.

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Voraussetzung hierfur ist jedoch, dass eine Unternehmensbeteiligungsgesellschaft i.S.d. UBGG vorliegt. Das Gesetz differenziert zwischen offenen und integrierten Unterneh-mensbeteiligungsgesellschaften. Diese Beteiligungsformen unterliegen einer besonderen behordlichen Kontrolle und unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich der Anteils-struktur sowie der Anlagestrategie.

Eine offene Unternehmensbeteiligungsgesellschaft darf Wagniskapitalbeteiligungen (gem. § la II UBGG: Aktien, GmbH-Geschaftsanteile, Kommanditanteile, Beteiligun-gen als Komplementar, Beteiligungen als stiller Gesellschafter i.S.d. § 230 HGB und Genussrechte) an Unternehmen nur erwerben, soweit sie dadurch bei einem Unternehmen nicht mehr als 49 Prozent der Stimmrechte erlangt (§ 4 III UBGG). Daruber hinaus darf die offene Unternehmensbeteiligungsgesellschaft spatestens fiinf Jahre nach ihrer An-erkennung kein Tochterunternehmen mehr sein (§7 1 UBGG). Ein Anteilinhaber darf insoweit nach dem Ablauf dieser Frist nicht mehr als 40 Prozent der Stimmrechte oder des Kapitals der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft halten.

Im Gegensatz dazu kann eine integrierte Unternehmensbeteiligungsgesellschaft dauer-haft als Tochterunternehmen eines Kreditinstitutes gefiihrt werden, da fur sie gem. § 7 VI UBGG weder eine zeitliche Befristung der Beteiligung noch eine Begrenzung vom Umfang der Beteiligung vorgesehen ist. Diese Beteiligungsform kommt insofern fiir Konzerntochterunternehmen von Banken und Sparkassen vorrangig in Betracht. Fiir die integrierte Unternehmensbeteiligungsgesellschaft gelten jedoch strengere Vorschriften in Bezug auf die Anlagestrategie. Gem. § 4 IV, 1 UBGG darf sie nur Wagniskapitalbeteili­gungen an Unternehmen erwerben, bei denen mindestens einer der zur Geschaftsfiihrung berechtigten Gesellschafter eine natiirliche Person ist, die mit mindestens 10 Prozent an den Stimmrechten des Unternehmens beteiligt ist (damit ist z.B. eine Beteiligung an einer GmbH & Co. KG, bei der keine natiirliche Person Komplementar ist, ausgeschlossen). Ferner mussen Mehrheitsbeteiligungen vor Ablauf eines Jahres so zuruckgefiihrt werden, dass die integrierte Unternehmensbeteiligungsgesellschaft nicht mehr als 49 Prozent der Stimmrechte halt (§ 4 IV, 2 UBGG).

Sowohl fiir die offene als auch fiir die integrierte Unternehmensbeteiligungsgesellschaft gelten gewisse Anlagegrenzen in Bezug auf die eigene Bilanzsumme (§ 4 I, II, V, VI UBGG). Daruber hinaus diirfen auch Darlehen nur in begrenzter Hohe gewahrt werden (§ 4 VII UBGG). Diesen Restriktionen stehen jedoch auch steuerliche Vergunstigungen gegeniiber. So sind UBGs insbesondere von der Gewerbe- und Vermogenssteuer befreit (gem. § 3 GewStG bzw. § 3 VStG).

Trotz der gegebenen rechtlichen Moglichkeiten zur Beteiligung an einem Krisenunter-nehmen sollten solche Sanierungshilfen nach Auffassung der Autoren. auf absolute Einzelfalle beschrankt bleiben. Dies gilt umso mehr, als dass zukiinftig keineswegs aus­geschlossen werden kann, dass entweder rechtliche Rahmenbedingungen verandert wer­den oder durch die unternehmerische Beteiligung das Risiko erhoht wird, aus weiteren

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Tatbestanden in die Haftung genommen zu werden.17 Dabei ist rechtlich zu berucksichti-gen, dass die Beseitigung einer Uberschuldung sowie die Starkung des wirtschaftlichen Eigenkapitals auch auf anderen Wegen - z.B. durch Rangrucktrittserklarungen oder die Gewahrung eigenkapitalahnlichen Fremdkapitals - darstellbar ist.

Oft wird zudem das Risiko des Darlehensverlustes unterschatzt, wenn ein Kreditinstitut dem Gesellschafter selbst das Darlehen gewahrt und der Gesellschafter den Betrag sei-nerseits als Darlehen an die Gesellschaft weitergibt. In einem solchen Fall ist zwar un-mittelbar nur das Darlehen des Gesellschafters an die Gesellschaft den Kapitalersatzre-geln unterworfen. Dies kann jedoch zur Folge haben, dass auch der Gesellschafter selbst zahlungsunfahig wird und daher das ihm gewahrte Darlehen nicht vereinbarungsgemaB zuriickfiihren kann. In derartigen Fallen sollte das Kreditinstitut die Bonitat des Kunden auch unter der Bedingung priifen, dass die Gesellschaft insolvent wird und nur die sons-tigen Vermogenswerte des Kunden als Sicherheiten zur Verfugung stehen. Hierbei sind - wegen der Eigenkapitalersatzregeln - gerade die Biirgschaften sowie Leistungsbezie-hungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft zu priifen. AuBerdem ist auch fur den Fall der indirekten Kreditvergabe iiber den Gesellschafter oder sonstige Dritte nach herr-schender Meinung ein positives Sanierungsgutachten notwendig, um den Vorwurf der sittenwidrigen Kreditvergabe gegeniiber den beteiligten Kreditinstitute zu vermeiden.

Wird der Gesellschafter im Verlauf einer spateren Insolvenz aus seinen Biirgschaften durch den Sicherungsnehmer nicht in Anspruch genommen, wird dies der Insolvenzver-walter nachholen (eigenkapitalersetzende Burgschaftsstellung).18 Ebenso wird der Insol-venzverwalter vom Gesellschafter alle diejenigen Betrage zuriickverlangen, die diesem seit dem Ausbruch der Krise, mindestens aber innerhalb des letzten Jahres vor Antrag auf Eroffnung des Insolvenzverfahrens in Form von Mieten fiir Immobilien, Maschinen und Ahnliches (eigenkapitalersetzende Gebrauchsiiberlassung) zugeflossen sind.19 Dies gilt vor allem, wenn ein Dritter in der Krisensituation dies nicht mehr geduldet hatte.20

Ein Anspruch auf Ubertragung des zur Nutzung iiberlassenen Gegenstandes zu Gunsten der spateren Insolvenzmasse kann hieraus jedoch nicht abgeleitet werden. Sollten die Vermogensgegenstande der den Gesellschafter finanzierenden Bank sicherungshalber ubereignet sein, wird deren Sicherungswert allerdings dadurch eingeschrankt, dass der Insolvenzverwalter berechtigt ist, das Nutzungsrecht weiter auszuiiben, wobei die vor-insolvenzlichen vertraglichen Regelungen greifen. Die Regelungen zur nicht vollzogenen Kundigung stehen gelassener Darlehen sind auf nicht gekiindigte Nutzungsiiberlassungs-vertrage analog anzuwenden.

17 Z.B. aus „faktischer Geschaftsfiihrung", „Glaubigerbenachteiligung" u.a. 18 Vgl. BGH v. 25.11.1985 - WM 1986, S. 447. 19 Vgl. § 135 (2) InsO. 20 Vgl. OLG Karlsruhe v. 29.03.1996 - 15 U 39/95 — EWIR § 30 GmbH-Gesetz 2/96, S. 553.

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11.1.2 Quasi-Gesellschafterhaftung

Die Regeln zum Eigenkapitalersatz kommen grundsatzlich dann zur Anwendung, wenn der jeweilige Kreditgeber als Gesellschafter am Krisenunternehmen beteiligt ist. Die Recht-sprechung hat jedoch die Regeln iiber den Eigenkapitalersatz auf solche Falle ausgedehnt, in denen das Kreditinstitut die Geschaftsfuhrung des Kreditnehmers faktisch entmachtet und maBgeblichen Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen ausiibt. In einem solchen Fall ubernimmt das Kreditinstitut eine gesellschafterahnliche Verantwortung fiir die nach-haltige Finanzierung des Unternehmens und muss daher die Regeln des Kapitalersatzrech-tes gegen sich gelten lassen; dies gilt vor allem, wenn es sich zuvor die Geschaftsanteile am Krisenunternehmen hat verpfanden lassen.21 Vor diesem Hintergrund miissen die maBgeb­lichen Entscheidungen im Unternehmen nach wie vor durch die Gesellschafter getroffen werden. Im Regelfall liegt gerade hierin ein Problem, da viele Unternehmen aufgrund von Managementfehlern auf Gesellschafterebene in Schwierigkeiten geraten sind. In solchen Fallen ist es haufig unausweichlich, das Managament abzulosen und insoweit entspre-chenden Einfluss auszuuben. Dabei wird jedoch die Meinung der Gesellschafter selbst zu respektieren sein. Insofern kann allein Uberzeugungsarbeit zum Ziel ftihren. Da im Falle eines Scheiterns der Sanierung Gesellschafter haufig gegen das Kreditinstitut opponieren, ist zu empfehlen, die Art und Weise der (sanften) Einflussnahme zu dokumentieren.

Quasi-Gesellschafter-Haftung - ein Beispiel: Eine Bank stellt in ihren Geschaftsraumen den damaligen Geschaftsfuhrer des Schuld-nerunternehmens ultimativ vor die Alternative, entweder das Kreditengagement sofort zu beenden oder aber eine Unternehmensberatung als Krisenmanagerin zu beauftragen; der Inhaber dieser Unternehmensberatung wartet bereits in einem Hinterzimmer.

Am selben Tag verlangt die Bank von dem Geschaftsfuhrer, der Unternehmensberatung umgehend einen Auftrag zu erteilen, Aufstellungen iiber Debitoren, Kreditoren, Auf-tragsbestand und Barbestand bereitzustellen, eine Verpflichtungserklarung abzugeben, dass nur betriebsnotwendige Zahlungen geleistet werden, kunftige Gesellschafterver-sammlungen mit dem Inhaber der Unternehmensberatung durchzufuhren und die kauf-mannische Leitung dariiber zu informieren, dass der Unternehmensberatung Vollmacht zur Weisungsbefugnis erteilt sei.

Die Unternehmensberatung kontrolliert in der Folgezeit durch ihre Mitarbeiter den ge-samten Zahlungsverkehr des Schuldnerunternehmens mit der Bank und fiihrt durch um-fangreiche Verkaufe der Warenvorrate innerhalb eines Monats das Kreditengagement der Bank um 1,3 Mio. Euro zuriick.

Die Tatigkeit der Unternehmensberatung mundet schlieBlich in eine von den Gesell-schaftern zu unterzeichnende Verpflichtungserklarung, in der sich diese zur Abberufung des bisherigen Geschaftsfuhrers unter Aufhebung des Anstellungsvertrags und zur Be-

21 Vgl. BGH - NJW 1992, S. 3036.

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stellung eines neuen, von der Unternehmensberatung auszusuchenden Geschaftsfiihrers und eines aus drei Mitgliedern bestehenden Beirats verpflichten muss, wobei die Bank berechtigt ist, ein Mitglied des Beirats unmittelbar zu benennen, und zudem der Benen-nung des dritten Mitglieds zuzustimmen hat.

11.1.3 Haftungsrisiken aus Glaubigergefahrdung

Die nachfolgend erlauterten Tatbestande werden in der Literatur und Praxis hochst unterschiedlich zusammengefasst und strukturiert. Bei der Analyse eines Sachver-haltes kommt es insofern in erster Linie darauf an, den jeweiligen Krisenfall in sei­ner Gesamtheit zu erfassen und zu bewerten. Insofern sind die einzelnen Tatbestande nur als idealtypische Einzeldarstellung des jeweiligen Problemfeldes zu verstehen. Im „wirklichen Leben" sind die Sachverhalte zumeist so angelegt, dass mehrere Tat­bestande gleichzeitig vorliegen. Ob hieraus fur die beteiligten Kreditinstitute tatsach-lich Haftungsrisiken erwachsen, hangt letztlich von der Wurdigung des Gesamtzusam-menhanges ab. Je mehr und je deutlicher Einzeltatbestande von Kreditinstituten und ihren Mitarbeitern erfiillt werden, desto groBer ist selbstverstandlich das jeweilige Haftungsrisiko. Die Haftungsgefahren sind auf keinen Fall theoretischer Natur. Auch den Autoren sind einige Falle bekannt, in denen spater bestellte Insolvenzverwalter die beteiligten Institute hieraus in Anspruch genommen haben. Dabei ubersteigen mogli-che Schadenersatzanspruche nicht selten deutlich die eigentlichen Kreditausfalle. Dies liegt an der Vielzahl der unter Umstanden anspruchsberechtigten Glaubiger (Kredit­institute, Kreditversicherer, Einkaufsverbande, Vermarktungsverbande, Belegschaft, Finanzverwaltung, Sozialversieherungstrager, Pensionssicherungsvereine und -kassen, Lieferanten, Subunternehmer etc.).

11.1.3.1 Insolvenzverschleppung

Die zur Vertretung berechtigten Organe von Kapital- und haftungsbeschrankten Per-sonengesellschaften (z.B. einer GmbH&Co.. KG, bei der der einzige Vollhafter eine GmbH ist) haben im Falle der Zahlungsunfahigkeit und der Uberschuldung der Gesell-schaft die Pflicht, die Eroffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, miissen sie nicht nur strafrechtliche Konsequenzen befiirchten, sie sind dariiber hinaus zivilrechtlich den Gesellschaftsglaubigern auch zum Ersatz des ihnen entstehenden Schadens verpflichtet. Eine Schadenersatzpflicht tritt auch bei einer Einzelfirma oder einer Personengesellschaft mit naturlichen Personen als unbeschrankt haftender Gesellschafter ein, wenn aufgrund vorsatzlich verspateter Verfahrenseinlei-tung andere Glaubiger geschadigt wurden, obwohl fur diese Gesellschaftsformen eine Insolvenzantragspflicht nicht besteht. Gleichwohl sind sie insolvenzfahig.

Der Schadenersatzanspruch entsteht dadurch, dass die Vermogenslage der Gesellschaft sich weiter verschlechtert und die Glaubiger ihre Forderungen in einem verspatet eroff-

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neten Insolvenzverfahren in geringerem Umfang erfullt erhalten, als dies bei rechtzeiti-ger Antragstellung der Fall gewesen ware. Glaubigern, denen nach Eintritt der Insolvenz-antragspflicht Forderungen entstanden sind, ist sogar der gesamte Ausfall zu ersetzen.

Die gleichen Ersatzpflichten treffen auch den faktischen Geschaftsfuhrer, also denjeni-gen, dem das vertretungsberechtigte Organ der Gesellschaft die Geschaftsfiihrung rein tatsachlich uberlassen hat. Banken sind regelmaBig nicht als faktischer Geschaftsfuhrer in diesem Sinne tatig. Dies gilt zumindest solange, wie sie fur ihren Kunden keine Wir-kung nach auBen entfalten, indem sie den Zahlungsverkehr disponieren, an Betriebsver-sammlungen teilnehmen, mit den Hauptkunden und -lieferanten verhandeln etc. Eine zunehmende Kumulation von Einzelsachverhalten erhoht in diesem Zusammenhang das Risiko.

Kreditinstitute konnen grundsatzlich als Anstifter oder Gehilfen an einer Insolvenzver-schleppung beteiligt sein. In einem solchen Fall trifft sie die Pflicht zum Ersatz des ent-standenen Schadens ebenso wie den Tater selbst.22 Dabei ist hervorzuheben, dass bereits eine psychische Unterstiitzung des eigentlichen Taters von der Rechtsprechung als Bei-hilfe in diesem Sinne angesehen wird. Allerdings ist hierzu erforderlich, dass die Bank die Umstande der Insolvenzantragspflicht kannte und trotzdem durch ihre Handlungs-weise die Schadigung von Glaubigern in Kauf genommen hat. In der Praxis zeigt sich, dass die Anforderungen an diese Voraussetzungen nicht allzu hoch gesteckt werden. Die mogliche Haftung aus Beihilfe zur Insolvenzverschleppung ist durch die Beseitigung der Insolvenzgrunde und damit der Insolvenzantragspflichten zu vermeiden. Dies muss vor Beginn aller weiteren SanierungsmaBnahmen geschehen. Erst wenn feststeht, dass eine Insolvenzantragspflicht nicht mehr besteht, ist ein Sanierungskredit zuzusagen und aus-zuzahlen. Hierzu benotigen die Kreditinstitute insbesondere die Vorlage eines schlus-sigen, von einem unabhangigen und branchenkundigen Wirtschaftsfachmann erstellten Sanierungsgutachtens. Steht bereits vor dem Gutachten fest, dass eine Sanierungsfahig-keit des Krisenunternehmens im Grunde verneint werden muss, ist auch kein Uberbrii-ckungskredit fur den Zeitraum der Gutachtenerstellung zu gewahren.23

Bei Gewahrung eines unzureichenden Kredites, also insbesondere eines Darlehens, des-sen Umfang nicht geeignet ist, die aktuelle oder drohende Zahlungsunfahigkeit zu ver­meiden, droht ebenfalls der Tatbestand der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung24, vor allem wenn das Kreditinstitut in dieser Phase riicksichtslos und eigenmitzig seine eigene rechtliche und wirtschaftliche Stellung auf Kosten anderer Glaubiger verbessert.25

22 Vgl. § 830IIBGB. 23 Vgl. BGH - IIZR 118/77 - WM 1997, S. 878; BGH - IIZR 109/84 - WM 1986, S. 2. 24 Vgl. OLG Koln v. 27.02.1981 - WM 1991, S. 1238, sowie OLG Dusseldorf v. 14.07.1981 - WM 1981,

S. 960 und BGH v. 26.11.1979 - WM 1980, S. 78. 25 Vgl. BGH, Urteil v. 9.7.1979, S. 878.

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11.1.3.2 Eigennutziger Sanierungskredit

Ein weiteres Risiko bei der Kreditgewahrung an Krisenunternehmen wird unter dem Stichwort „eigennutziger Sanierungskredit" zusammengefasst. Dahinter steht der Ge-danke, dass ein Kreditinstitut, das einem insolvenzreifen Unternehmen ein Darlehen gegen Sicherheitsleistung gewahrt, moglicherweise dazu beitragt, dass Dritte iiber die Kreditwiirdigkeit des Unternehmens getauscht werden und hierdurch einen Schaden er-leiden. Nach gefestigter Rechtsprechung sind die von dem Kreditinstitut in diesem Zu-sammenhang abgeschlossenen Darlehensvertrage sittenwidrig und daher nichtig, sofern nicht zuvor eingehend die Sanierungsfahigkeit des Unternehmens uberpriift worden ist. Dies gilt parallel fur die mit der Kreditvergabe im Zusammenhang stehenden Sicherungs-vereinbarungen. Wird ein konkreter Schaden durch Glaubiger nachgewiesen, besteht eine Schadenersatzpflicht des Kreditinstitutes gegeniiber den Glaubigern aufgrund sittenwid-riger Schadigung.26 In der Vergangenheit wurden die Regelungen zum eigenniitzigen Sanierungskredit lediglich auf Falle der Uberschuldung angewendet. Es ist jedoch nicht auszuschlieBen, dass auch bei Zahlungsunfahigkeit oder sogar drohender Zahlungsunfa-higkeit entsprechendes gilt. Vermeidbar sind derartige Risiken dadurch, dass vor Vergabe von Darlehen die Sanierungsfahigkeit eingehend uberpriift wird. Wird ein Sanierungs­kredit nicht mit ernsthafter Sanierungsabsicht, sondern nur mit dem Ziel gewahrt, den Zusammenbruch des Unternehmens hinauszuschieben und sich hierdurch Vorteile zu ver-schaffen, so beinhaltet dieses Verhalten eine sittenwidrige Tauschung anderer Glaubiger und fiihrt zu den aufgezeigten Schadenersatzanspruchen. Um dahingehende Risiken zu minimieren, ist die Sanierung durch intensive Kontrollen seitens der Bank zu begleiten.

11.1.3.3 Schuldnerknebelung

Als Schuldnerknebelung bezeichnet man ein Verhalten des Kreditgebers, das im Ergeb-nis dazu fiihrt,

<& dass durch den Umfang der bestellten Sicherheiten und vereinbarten Mitspracherechte bei der Verfugung iiber die iibertragenen Vermogensgegenstande die Bewegungsfrei-heit des Unternehmens in sittenwidriger Weise beschrankt ist. Die Folge hieraus ware die Nichtigkeit samtlicher Sicherheitenvertrage;27

W dass dem Unternehmen kaum ein wirtschaftlicher Bewegungsspielraum mehr ver-bleibt. Dies kann ebenso durch direkte Eingriffe in die Kontodisposition erfolgen wie durch die Einsetzung von Vertrauenspersonen der Bank mit Geschaftsfiihrerbefug-nissen ohne Weisungsrecht der Gesellschafter.28 Die Geschaftsfuhrung des Krisen-unternehmens dient dem Kreditinstitut insofern nur noch als „Strohmann". Mogli-che Uberschusse des Geschaftsbetriebes fliefien den Sicherungsgebern zu, ohne dass

26 Vgl. BGH - VIZR 50/68 - WM 1970, S. 399. 27 Vgl. BGH - WM 1998, S. 968 ff. 28 Vgl. BGH - VI ZR 153/63 - WM 1965, S. 476; BGH - VI ZR 219/62 - WM 1964, S. 673; BGH - IV ZR

334/55 - WM 1956, S. 529.

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diese fiir Verluste haften. Hierunter sind Falle zu fassen, in denen Mitarbeiter oder Vertrauenspersonen des Kreditinstitutes in den Betrieb des Krisenunternehmens der-art eingreifen, dass z.B. bei der Disposition der liquiden Mittel die Forderungen des Kreditinstitutes bevorzugt werden, ohne dass auf die berechtigten Interessen anderer Glaubiger Rucksicht genommen wird. Dies lost - neben der Nichtigkeit der Sicherhei-tenvertrage - eine Haftung wegen sittenwidriger Schadigung anderer Glaubiger gem. § 826 BGB aus.

Selbst die Vereinbarung eines sehr detaillierten Kontroll- und Beriehts-Systems mit einer Vielzahl von Financial Covenants und einem Katalog von Sanktionen fiir den Fall des Fehlverhaltens konnte das Unternehmen derart in seinem Handlungsspielraum be-schranken, dass die Mehrheit der betrieblichen Entscheidungen mit den Kreditinstituten abgestimmt werden mussten. Aus diesem Grunde und wegen der einfacheren Umsetzung bei kaum geringerer Aussagekraft empfiehlt sich ein relativ grobes Geriist von Financial Covenants als Bestandteil des Kreditvertrages.

Allerdings ist es unproblematisch, wenn die von einem Krisenunternehmen ubertragenen Sicherheiten - selbst wenn diese das letzte freie Vermogen darstellen - in einer angemes-senen Relation zur Hohe des gewahrten Sanierungskredits stehen und dem Unternehmen ausreichende Entscheidungsfreiheit bleibt. Dies ist beispielsweise zu unterstellen, wenn das Unternehmen mittels der neuen Kredite die Geschafte weiterfiihren und bei der Be-friedigung seiner Glaubiger frei handeln kann und wenn es iiber die neu abgetretenen Forderungen bzw. neu iibereigneten Waren weiterhin selbststandig verfiigen darf.29 Auch die Uberpriifung der Verwendung des Sanierungskredites oder die regelmaBige Einsicht-nahme in die Unterlagen des Rechnungswesens durch die Kreditinstitute stellt keine haf-tungsbegrundenden Auflage dar.30

11.1.3.4 Haftung aufgrund existenzvernichtenden Eingriffs

Das GmbH-Recht vermag keinen hinreichenden Schutz der Glaubiger vor Eingriffen der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermogen zu gewahrleisten. Der BGH hat im Wege einer langjahrigen Rechtsfortbildung versucht, die bestehenden Liicken im Glaubiger-schutz insbesondere durch die qualifiziert faktische Konzernhaftung zu schlieBen. Mit der Entscheidung „Bremer Vulkan"31 hat der BGH jedoch seinen konzernrechtlichen Be-gnindungsansatz und damit auch die Rechtsfigur des qualifiziert faktischen Konzerns aufgegeben. Seitdem besteht die Moglichkeit eines Haftungsdurchgriffs auf die Gesell­schafter, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen eines existenzvernichtenden Eingriffs erfullt sind. Haftungsbegriindend ist der Missbrauch der GmbH-Rechtsform. Die In-anspruchnahme eines Gesellschafters setzt insofern einen pflichtwidrigen Eingriff in das Gesellschaftsvermogen des beherrschten Unternehmens voraus, der zu einer Existenz-

29 Vgl. BGH - WM 1998, S. 968 ff., sowei BGH - WM 1969, S. 1297 u. 1299. 30 Vgl. OLG Diisseldorf - 15 U 115/91 - DB 1192, S. 524. 31 Vgl BGHZ 149, S. 10.

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vernichtung fiihrt und nicht durch einen entsprechenden Nachteilsausgleich gem. §§ 30, 31 GmbHG reguliert werden kann.32

Ein Eingriff in das Gesellschaftsvermogen liegt vor, wenn der Gesellschafter durch of-fene oder verdeckte Entnahmen der Gesellschaft Vermogen entzieht oder Geschafts-chancen vereitelt.33 Der Gesellschafter hat bei Vermogensdispositionen angemessen da-rauf Rucksicht zu nehmen, dass die Gesellschaft ihren Verbindlichkeiten nachkommen kann.34 Insofern ist die Pflichtwidrigkeit des Eingriffs gegeben, wenn Geschafte getatigt werden, die in einem solchen MaBe nachteilig oder insolvenzfordernd sind, dass sie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschaftsmann unterlassen hatte. Der Eingriff muss schlieBlich kausal fur die Existenzvernichtung sein. Eine Existenzvernichtung liegt nach Ansicht des BGH erst dann vor, wenn der Vermogensabzug zu der Insolvenz des Unter-nehmens fiihrt.35 Eine bloBe Existenzgefahrdung reicht dagegen nicht aus, um eine ent-sprechende Haftung des Gesellschafters zu begriinden (siehe Abbildung 38).

Grundsatzlich ist das Risiko einer Haftung aufgrund existenzvernichtenden Eingriffs fur Kreditinstitute eher gering. Dennoch sind Fallkonstellationen denkbar, in denen eine Haf­tung in Betracht kommt. Insbesondere ist an Falle zu denken, in denen ein Kreditinstitut, das an einem Unternehmen beteiligt ist, auf eine Ruckfuhrung seines Kreditengagements durch den Abzug von Finanzmitteln und den Verkauf von betriebsnotwendigem Anlage-vermogen hinwirkt und das Unternehmen dadurch in die Insolvenz fallt.

Abbildung 38: Haftung aufgrund „existenzvernichtenden Eingriffs"

32 Vgl. GmbHR 2002, S. 902 ff. 33 Vgl. GmbHR 2001, S. 1038; GmbHR 2002, S. 904. 34 Vgl. GmbHR, 2001, S. 1038. 35 Vgl. GmbHR 2002, S. 551.

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Einer Haftung aufgrund Existenz vernichtenden Eingriffs kann das Kreditinstitut inso-weit entgehen, indem es dem Unternehmen hinreichend Liquiditat zur Erfiillung seiner Verbindlichkeiten gegenuber Dritten belasst, insbesondere aber indem es sich zum Zwe-cke der Sanierung nicht an einem Krisenunternehmen beteiligt (siehe Tabelle 20).

Direkte Haftung aufgrund des jeweil. Tatbestands x

indirekte Haftung i.V.m. mit anderen Tatbestanden (x)

Tabelle 20: Mogliche Haftungsfolgen fiir Kreditinstitute

11.2 Exkurs: Beirat eines Krisenunternehmens

Beirate sind keine gesetzlichen Funktionstrager und unterliegen somit auch keinen ge-setzlichen Bestimmungen. Sie werden auf Grundlage der allgemeinen Vertragsautonomie durch die Gesellschafter eingerichtet. Dabei wird der Aufgabenbereich des Beirates in­dividual auf das jeweilige Unternehmen angepasst. Der Beirat ist vergleichbar mit dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, deshalb werden seine Befugnisse haufig analog de-finiert (vgl. § 111 AktG).

Die Einrichtung eines Beirates oder „Lenkungsausschusses" stellt regelmaBig dann ein probates Mittel zur starkeren Kontrolle und Einflussnahme seitens der Kreditinstitute dar, wenn Zweifel an der Kompetenz der bisherigen Geschaftsfiihrung des Krisenunter­nehmens bestehen und nicht sofort ein Interims-Geschaftsfuhrer zur Verfiigung steht, der das Vertrauen der Kreditinstitute genieBt. Dies gilt vor allem dann, wenn die Kreditgeber zusatzliche Poolkredite ohne besondere Sicherheiten zur Sanierung gewahren sollen. Vor dem Hintergrund des hohen Ausfallrisikos scheint die Einrichtung eines mitbestimmen-den Beirats auch geboten.

Unter Haftungsgesichtspunkten ist die Installation eines Beirates unkritisch. Haftungs-gefahren konnen sich jedoch aus der konkreten Ausgestaltung und Ausiibung der (Wei-sungs-)Befugnisse ergeben. In Ausnahmefallen lassen sich daraus Anknupfungspunkte

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fur eine Beihilfe zur Insolvenzverschleppung, zur Schuldnerknebelung, zur faktischen Geschaftsfiihrung und der Quasi-Gesellschafterhaftung herleiten.

Problematisch kann es insoweit sein, wenn der Beirat unter Federfuhrung der Kreditin-stitute die unternehmerische Entscheidungsfreiheit stark eingrenzt und damit im Grunde die Geschaftspolitik bestimmt. Insbesondere aktive Aufgaben der Geschaftsfiihrung -Verhandlungen mit Lieferanten und Kunden, Entlassung von Mitarbeitern, Disposition der Finanzmittel etc. - durch Mitarbeiter der Kreditinstitute oder ihnen nahestehende Dritte ist unbedingt zu vermeiden. Auf die Tatigkeit von Mitarbeitern der Kreditinstitute oder deren Tochtergesellschaften bei einem Krisenunternehmen sollte im Sinne einer Risikovermeidungsstrategie ganzlich verzichtet werden. Erhalt der Beirat Zustimmungs-rechte fiir auBergewohnliche Geschaftsvorfalle, sind die Entscheidungen nicht im Sinne des Eigeninteresses der Kreditinstitute oder willkurlich zu treffen. Demgegenuber gelten beratende oder gestaltende Tatigkeiten ohne AuBenkontakt zu Geschaftspartnern des Unternehmens sowie ohne Beeinflussung des Tagesgeschaftes als unbeachtlich. Folgende Zustimmungsrechte sind insofern aus heutiger Sicht unproblematisch:

P§ Zustimmung zu Entnahmen, die iiber eine bestimmte GroBenordnung hinausgehen, §i Zustimmung zur Steigerung der Geschaftsfuhrer-Gehalter iiber ein festgelegtes

Niveau, W} Zustimmung zu Anderungen in Gesellschaftsvertragen, Satzungen oder Ahnliches, W Zustimmung zum jahrlichen Wirtschaftsplan, H Zustimmung zu internen Liefer- und Leistungsvertragen.

Im Falle massiv eigenniitziger Beeinflussung der Unternehmenspolitik durch den Beirat bestehen fiir die Kreditinstitute die bereits aufgefiihrten Haftungsrisiken. In diesem Zu-sammenhang ist insbesondere die Einflussnahme auf die Kontodisposition gefahrlich, vor allem dann, wenn bestimmte Zahlungen - z.B. Lieferantenzahlungen - zu Gunsten anderer Zahlungen - z.B. Tilgungsleistungen an ein im Beirat sitzendes Kreditinstitut -nicht ausgefiihrt bzw. verzbgert werden.36 Seitens der anderen Glaubiger drohen Schaden-ersatzanspruche aus Glaubigergefahrdung wegen Schuldnerknebelung, Quasi-Gesell­schafterhaftung und Verschleppung der Insolvenz.37 Dariiber hinaus vergroBert sich das Haftungsrisiko durch die Verpfandung der Gesellschaftsanteile an die beteiligten Kre­ditinstitute erheblich. Gerade wenn beteiligte Kreditinstitute zusammen mit einem Sitz im Beirat und den damit verbundenen Mitspracherechten in eine gesellschafterahnliche Position gelangen, drohen in einer spateren Insolvenz die Rechtsfolgen des Kapitalersatz-rechtes.38

Ist ein Organ des Kreditinstitutes im Beirat vertreten, kann der Kredit an den Kredit-nehmer als Organkredit zu werten sein (mit den entsprechenden Einschrankungen durch

36 Vgl. BGH - v. 09.11.1955 - IV ZR 196/54 Z 19, S. 13. 37 Vgl. BGH, Urteil v. 09.02.1965 - VI ZR 153/63, in: WM 1965, S. 475, oder BGH, Urteil v. 20.02.1989 - II

ZR 167/88, in: ZIP 1989, S. 400. 38 Vgl. BGH, Urteil v. 13.07.1992 - II ZR 251/91, in: ZIP 1992, S. 1300.

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das KWG). Ein Organkredit ist jedoch nur zu gewahren, wenn der Beirat aufgrund von Satzung oder Gesellschaftsvertrag installiert wurde und ihm Aufgaben der Uberwachung und Kontrolle zustehen.

1. Vertrage zwischen Beirat Kreditinstituten und Krlsenunternehmen durfen nur so gestaltet sein, dass die Geschaftspolitikdes Schuldners nicht aktivvom Kreditinstitut beeinflusst werden kann. Das Kreditinstitut darf kein Initiativrecht besitzen.

2. Eine vollstandige Kontrolle von Zentralfunktionen des Krisenunternehmens wie Einkauf, Produktion und Verkauf durch die beteiligten Kreditinstitute - direkt oder indirekt- muss vermieden werden.

3. Die Entscheidungen des Beirates zu auBergewohnlichen Geschaftsvorfallen sollten stets im Interesse des Schuldners erfolgen.

4. Die Stimmenmehrheit des Beirates sollte mbglichst nicht bei den beteiligten Kreditinstituten liegen.

5. Die Umsetzung von Beiratsentscheidungen muss vom Kreditnehmer freiwillig erfolgen.

6. Im Beirat sollte kein Organ eines Kreditinstitutes vertreten sein.

7. Die Haftung der Beiratsmitglieder muss auf Vorsatz und grobe Fahrlassigkeit beschrankt sein. Auf die Entgegennahme eines Sitzungsentgeltes ist zur Vermeidung von Abhangigkeiten zu verzichten.

Abbildung 39: Grundsatze bei der Installation eines Beirates

11.3 Haftungsrisiken fur Bankmitarbeiter

Neben den beteiligten Instituten laufen auch deren Mitarbeiter Gefahr, sich im Zusammen-hang mit der Vergabe von Sanierungskrediten bestimmter Untreuetatbestande oder gar der Insolvenzverschleppung schuldig zu machen. Dies gilt grundsatzlich dann, wenn den in Kapitel 9 dargestellten Prufungspflichten bei der Begleitung von Krisenunternehmen nicht die erforderliche Beachtung geschenkt wird. In jiingerer Zeit ist zu beobachten, dass die Zuruckhaltung von Kreditinstituten bei der offiziellen Verfolgung von Verfehlungen ihrer Mitarbeiter zurucktritt gegeniiber einer zielgerichteten, juristischen Verfolgung ein-zelner Aspekte moglichen Fehlverhaltens. In der Vergangenheit sind derartige Tatbestande intern, ohne groBes offentliches Aufsehen, geregelt worden. Heute ist man scheinbar eher bereit, die Verantwortlichen juristisch zu belangen und Schadenersatz zu verlangen.

Hierbei kommt gerade dem Vorwurf der leichtfertigen Kreditvergabe an Krisenunterneh­men Bedeutung zu. Bei unzureichender Prufung der Sanierungsfahigkeit des Krisenunter­nehmens durch die Bankmitarbeiter erfullen diese unter Umstanden den Tatbestand der Untreue gemafi § 266 StGB gegeniiber dem kreditgewahrenden Kreditinstitut, welcher als Offizialdelikt von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden muss39. Gerade vor der Vergabe

39 Vgl. BGH v. 05.07.1984 - IV StR 255/84 - NJW 1984, S. 2539.

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eines mit hohem Risiko behafteten Sanierungskredites ist ein ausfiihrlicher Unterneh-mensplan von entsprechend qualifizierten Bankmitarbeitern eingehend zu priifen. Dies gilt auch dann, wenn diese Unterlagen bereits von einem Kreditsachbearbeiter oder sogar von einem Vorstandsmitglied einer Priifung unterzogen worden waren. Bei Nichtbeach-tung dieser Grundsatze verletzt der Mitarbeiter die bei der Kreditvergabe erforderliche Sorgfaltspflicht.40 Dies hatte - bei einer rechtskraftigen Verurteilung - nicht nur straf-rechtliche Konsequenzen. Daneben drohen den Mitarbeitern empfindliche Schadenersatz-forderungen des Arbeitgebers. Mit dem Verlust des Arbeitsplatzes, der Altersversorgung und der offentlichen Reputation muss der betroffene Mitarbeiter ohnehin rechnen.

Dariiber hinaus liegt bei der Vergabe eines Sanierungskredites ohne Sanierungsgutach-ten gegebenenfalls auch ein VerstoB gegen § 18 KWG vor, welcher gleichermaBen das Kreditinstitut (wegen unzureichender Kontrollmechanismen) und die ausfuhrenden Ar-beitnehmer (insbesondere den Vorstand) treffen kann.41

Daneben verbleibt fur die handelnden Bankmitarbeiter ein gewisses Restrisiko, sich der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung - zumindest als Anstifter oder Gehilfe - mit-schuldig zu machen. Dies gilt vor allem, wenn die Bankmitarbeiter die verspatete Be-antragung der Insolvenz direkt oder indirekt durch „gutes Zureden" beim Unternehmer, gezielte Freigabe kritischer Kreditoren42 etc. fordern oder erst ermoglichen, um zeitgleich die Position des Kreditinstitutes und die des Mitarbeiters durch den erwarteten Eingang groBerer Geldbetrage, den erwarteten Abschluss einzelner Auftrage, die Veredlung von an das Kreditinstitut abgetretenen Waren etc. zu verbessern und damit von eigenen Be-arbeitungsfehlern im Zusammenhang mit dem Krisenengagement abzulenken. Geschieht dies, droht dem Mitarbeiter wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung die personliche Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft und wegen Schadigung anderer Glaubiger die Geltendmachung von Schadenersatzanspriichen aus § 826 BGB.

Nimmt das Kreditinstitut aufgrund der mit der Verpfandung von Geschaftsanteilen und schuldrechtlich vereinbarten Mitspracherechte einhergehenden Gesellschafterstellung iiber seine Mitarbeiter die Stellung eines faktischen Geschaftsfuhrers ein und handeln seine Mitarbeiter in der Folge wie ein Firmenleiter, sind diese moglieherweise strafrecht-lich relevanten Vorwiirfen ausgesetzt, wenn sie zum Beispiel Zahlungen aus dem Ver-mogen des Unternehmens an das Kreditinstitut veranlassen (VerstoB gegen den Eigen-kapitalerhaltungsgrundsatz gemaB § 30 GmbHG oder bei einer drohenden/existenten Uberschuldung des Krisenunternehmens Tatbestand der UntreuegemaB § 266 StGB).43

Gerade im Zusammenhang mit der Tatigkeit als Beirat eines Krisenunternehmens konnen die handelnden Bankmitarbeiter gegeniiber dem Schuldnerunternehmen in ein Haftungsrisiko geraten, wenn der Unternehmer ihnen spater im Zusammenhang mit der

40 Vgl. BGH, WM 2002, S. 225, sowie BGH - WM 2002, S. 220. 41 Vgl. OLG Munchen, Urteil v. 30.10.1985 - WM 1986, S. 586. 42 Z.B. des Finanzamtes, der Sozialversicherungstrager, um eineri Insolvenzantrag von dieser Seite zu ver-

meiden. 43 Vgl. BGH - NJW 1993, S. 1278.

200

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Beiratstatigkeit eine unzureichende Berucksichtigung der Unternehmensinteressen vor-werfen kann. Dies lieBe sich vermeiden, indem

• die Beiratsmitglieder die Beschlusse aller Beiratssitzungen genau protokollieren und dokumentieren und vom Unternehmer gegenzeichnen lassen,

• dem Beirat keine geschaftsfuhrende, sondern nur eine beratende Funktion zukommt und er insbesondere ein Forum der Informationsgewahrung und der Zustimmung zu besonderen Geschaftsvorfallen bleibt,

• das Haftungsrisiko der Beiratsmitglieder in der Beiratssatzung auf Vorsatz sowie grobe Fahrlassigkeit beschrankt bleibt und

• die Kreditinstitute fiir die von ihnen entsandten Beirate Strafrechtsschutz- sowie Ver-mogensschadenhaftpflichtversicherungenabschlieBen.

201

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Auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ist die Sanierung eines Unternehmens mog-lich. Haufig wird sogar zuerst durch ein Insolvenzverfahren der Weg frei fur den wirt-schaftlichen Neustart. Gelingt es, trotz eines Insolvenzverfahrens die Marktstellung eines Schuldnerunternehmens zu stabilisieren, kann durch die entschuldende Wirkung eines Insolvenzverfahrens in vielen Fallen Ballast abgeworfen werden, um so eine Sanierung zu ermoglichen. Eines der vorrangigen Ziel der Insolvenzrechtsreform war es dann auch, diesen Weg der Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu erleichtern. Die Frage nach Chancen einer erfolgreichen Sanierung aus einem Insolvenzverfahren heraus gewinnt gerade in Anbetracht der „Pleitewelle" in Deutschland zunehmend an Wichtigkeit.

Wagt man die Alternativen Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens und auBer-gerichtliche Sanierung gegeneinander ab, lasst sich kein „K6nigsweg" ausmachen. Eine auBergerichtliche Sanierung wird allerdings haufig aufgrund von verschiedenen Impon-derabilien nicht moglich sein.

Stundungen, (Teil)-Verzicht sowie Moratorien scheitern vielfach daran, dass bei der in der Regel groBeren Anzahl beteiligter Banken eine einheitliche Linie hinsichtlich der Sanierungsbeitrage nicht gefunden werden kann. Die Sicherheitenpositionen der betei-ligten Banken sind oftmals sehr unterschiedlich; dieses fiihrt in der Regel dazu, dass ein einheitliches Vorgehen mit den beteiligten Banken schwer herbeigefuhrt werden kann.

Je wichtiger weitere GroBglaubiger, insbesondere (Haupt-)Lieferanten, im Einzelfall sind und je weniger deren Leistungen substituiert werden konnen, umso schwieriger sind bei diesen Glaubigern Teilverzichte durchzusetzen. Vielfach scheitern auBergerichtliche Sa-nierungsversuche an der unnachgiebigen Haltung einiger Schlussellieferanten.

Nach Offenbarung eines auBergerichtlichen Sanierungsversuchs konnen vielfach zu be-obachtende EinzelvollstreckungsmaBnahmen dem Sanierungsversuch sehr schnell ein Ende bereiten.

Geschaftsfiihrer und Vorstande laufen daniber hinaus vorinsolvenzlich Gefahr, sowohl zivilrechtliche Haftungen (Insolvenzverschleppung, vgl. zum Beispiel § 64 GmbHG) als auch Haftungen fur Steuerverbindlichkeiten sowie durch das Nichtabfiihren von Arbeit-nehmerbeitragen zur gesetzlichen Sozialversicherung auszulosen; letztlich bestehen auch Gefahren bis hin zur Realisierung von Insolvenzstraftatbestanden durch eine verspatete Insolvenzantragsstellung.

Es gilt also abzuwagen, inwieweit einer Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht der Vorzug gegeben werden muss.

203

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12.1 Ein Blick in die Insolvenzstatistik

Unternehmensinsolvenzen stagnieren in den letzten beiden Jahren in Deutschland auf hohem Niveau.1

Jahr

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005*

Insolvenzen West

12.922

14.117

17.537

20.092

21.714

23.078

24.212

25.162

25.110

29.590

36.010

62.940

76.520

90.680

103.200

- 2,6%

+ 9,2%

+ 24,2%

+14,6%

+ 8,1%

+ 6,3%

+ 4,9%

+ 3,9%

- 0,2%

+ 17,8%

+ 21,7%

+ 74,8%

+ 21,6%

+18,5%

+ 13,8

Insolvenzen Ost

401

1.185

2.761

4.836

7.071

8.393

9.186

8.815

8.760

12.190

13.500

21.390

23.830

27.580

33.100

+195,5%

+133,0%

+ 75,2%

+ 46,2%

+ 18,7%

+ 9,4%

- 4,0%

- 0,6%

+ 39,2%

+ 10,7%

+ 58,4%

+ 11,4%

+ 15,7%

+ 20,0%

Gesamtinsolvenzen

13.323

15.302

20.298

24.928

28.785

31.471

33.398

33.977

33.870

41.780

49.510

84.330

100.350

118.260

136.300

+ 14,9%

+ 32,6%

+ 22,8%

+ 15,5%

+ 9,3%

+ 6,1%

+ 1,7%

- 0,3%

+ 23,4%

+18,5%

+ 70,3%

+ 19,0%

+17,8%

+ 15,3%

Unternehmens­insolvenzen

8.837

10.920

15.148

18.824

22.344

25.530

27.474

27.828

26.620

27.930

32.390

37.620

39.470

39.270

37.900

+ 23,6%

+ 38,7%

+ 24,3%

+ 18,7%

+ 14,3%

+ 7,6%

+ 1,3%

- 4,3%

+ 4,9%

+ 16,0%

+ 16,1%

+ 4,9%

- 0,5%

- 3,5%

Tabelle 21: Entwicklung Insolvenzen in Deutschland * Prognose

In den vergangenen Jahren war eine bisher einzigartige Reihe grofier Firmeninsolvenzen zu beobachten (von Philipp Holzmann liber die Kirch-Gruppe bis WalterBau).

Wesentlich betroffen sind allerdings Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern. Auch in dieser Gruppe gibt es allerdings unterschiedliche Tendenzen. Wahrend die Insolvenz-haufigkeit von Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 500 T€ seit drei Jah­ren riicklaufig ist, haben Kleinunternehmen mit einem Umsatz von weniger als 250 T€ im gleichen Zeitraum einen groBeren Anteil am Insolvenzgeschehen.

Positiv zu bemerken ist, dass lediglich rund ein Viertel der Insolvenzantrage heute man­gels Masse abgelehnt werden, wahrend in den 90er Jahren die Quote der abgelehnten Insolvenzantrage durchschnittlich bei iiber 70 Prozent lag,

Seit In-Kraft-Treten der Insolvenzordnung entschlieBen sich Unternehmen friiher zum Insolvenzantrag, nicht zuletzt mit dem Ziel, in Zusammenarbeit von Banken und Glaubi-gern das Unternehmen doch noch zu retten.

Als Ursachen fiir Insolvenzen sind die Managementfehler, eine nicht ausreichende Ertrags-lage, und unzureichende Eigenkapitalquoten als wesentliche Griinde zu nennen. Unter der

1 Angaben Creditreform 2005.

204

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Berucksichtigung von „Basel n " und angesichts der bedenklichen Konjunkturlage wird die Diskussion um Finanzierungsmoglichkeiten kleiner Betriebe noch brisanter.

Alternative Finanzierungsmoglichkeiten beispielsweise uber andere Banken scheinen gerade im Mittelstand nicht moglich, da der Betrieb iiber das Hausbankprinzip rnit seiner Bank verwachsen ist. Eine restriktivere Kreditvergabepolitik der Hausbanken erschwert die ErschlieBung neuer Finanzierungsmoglichkeiten.

Aber auch Kreditinstitute selbst kommen verstarkt durch den enorm steigenden Wert-berichtigungsbedarf in Bedrangnis. Die Wertberichtigungsquote fiir Problemkredite steigt seit Jahren kontinuierlich an. Schieflagen lassen sich in krassen Fallen nicht mehr vermeiden.

Der Handlungsbedarf erscheint folglich enorm. Strategien fiir den Fall einer Insolvenz von Firmenkunden sind notwendig und auch bereits erarbeitet - sei es fiir eine Abwick-lung, sei es fiir eine Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens.

12.2 Strategien im Regelinsolvenzverfahren

Nach dem Antrag auf Eroffnung des Insolvenzverfahrens gilt es, umgehend festzustellen, inwieweit eine Sanierung bzw. Fortfuhrung des Unternehmens sinnvoll ist und welche Bedingungen erfiillt werden miissen, um eine Fortfuhrung darstellen zu konnen. Grund-satzlich wird daher auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ein Sanierungskonzept notwendig sein. Dies beinhaltet regelmaBig eine finanzwirtschaftliche Begleitung des Verfahrens, in der Regel die Darstellung eines Massekredits und eine Insolvenzgeldvor-finanzierung (siehe Kapitel 13).

Das Vorgehen von Kreditinstituten im vorlaufigen und im eroffneten Verfahren soil im Folgenden diskutiert werden. Der Schwerpunkt der Betrachtung wird dabei weniger auf eine vollstandige Darstellung des Insolvenzverfahrens als vielmehr auf eine Diskussion moglicher Strategien von Kreditinstituten gelegt.

12.2.1 Vorgehen im vorlaufigen Insolvenzverfahren

Im Rahmen des vorlaufigen Insolvenzverfahrens wird das betroffene Unternehmen regel­maBig fortgefiihrt und - soweit moglich - , die Voraussetzungen zu einer Sanierung im Rahmen des Verfahrens geschaffen. Einen Uberblick gibt die Abbildung 40.

205

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Insolvenz-antrag

Gesetzliche Fristen bzw. Erfahrungs-

werte

gerichtliche Anordnung: - vorlaufiger Insolvenz-

verwalter - ggf. Sicherungs-

maSnahmen

bis zu 3 Tage

s

Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse

bei jur. Personen: Liquidation

vorlaufiges / \ Insolvenzverfahren, [Eroffnungs-

regelmaBig mit beschlussl Betriebsfortfuhrung \ /

bis zu 3 Monate Insolvenzgeldzeitraum

(^Berichtsterrnin^) (^fungsterrnin^) ( ^ J I ^ ] J [ J ^ )

Insolvenzverfahren mit Verwertung / iibertragender Sanjerung

bis zu 3 Monate bis zu 2 Monate Anmeldefrist nach Anmeldefrist

lis zu 10 Jali und lange

re \

Aufhebung des

Insolvenz-verfahrens

Abbildung 40: Der Gang des Insolvenzverfahrens/Dauer der Verfahrensabschnitte

12.2.1.1 Dervorlaufige Insolvenzverwalter

Eine der wichtigsten Entscheidungen im Insolvenzverfahren wird unmittelbar nach Antrag-stellung getroffen. Uber die Bestellung eines Gutachters hinaus kann das Insolvenzgericht nach § 21 Abs. 2 S. 1 InsO einen vorlaufigen Verwalter bestellen. Dies erfolgt im Rahmen eines Unternehmensinsolvenzverfahrens regelmaBig. Nach § 56 Abs. 1 InsO ist zum Insol­venzverwalter eine fur den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschaftskundige und von den Glaubigern und dem Schuldner unabhangige naturliche Person zu bestellen.

Ober die Bestellung von (vorlaufigen) Insolvenzverwaltern ist in Literatur und Praxis seit Einfuhrung der InsO intensiv diskutiert worden. Dies insbesondere aufgrund der Tat-sache, dass nach § 57 InsO die Glaubigerversammlung die Moglichkeit besitzt, in der ersten Glaubigerversammlung im eroffneten Verfahren eine andere Person zum Insol­venzverwalter zu wahlen.

Diskussionspunkte der letzten Jahre waren und sind das so genannte „Closed-shop"-Prinzip und der Einfluss von GroBglaubigern auf die Verwalterbestellung. Unter dem „closed-shop"-Prinzip wird dabei verstanden, dass Insolvenzgerichte haufig „nur" eine gewisse kleine Anzahl von Insolvenzverwaltern bestellen, mit denen das Insolvenzge­richt seit vielen Jahren zusammenarbeitet. Antagonisten wollen hier wohl eine gewisse „Vetternwirtschaft" unterstellen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mittlerweile entschieden2, dass bei der Bewerbung um eine Tatigkeit im Rahmen von Insolvenzverfahren jeder Bewerber eine faire Chance er-

2 Beschluss vom 03.08.2004 (Az.: 1 BvR 135/00 und 1 BvR 1086/01).

206

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halten und entsprechend seiner gesetzlich vorausgesetzten Eignung in Erwagung gezogen werden muss. Das Gericht gab damit der Verfassungsbeschwerde zweier Rechtsanwalte statt, die sich vergeblich um die Aufnahme in den Bewerberpool bemiiht hatten, aus dem Insolvenzverwalter vom Richter ausgewahlt werden. Dabei ist die Chancengleichheit der Bewerber gerichtlich uberpriifbar. Die Vorauswahl befindet iiber den Kreis potenzieller Insolvenzverwalter ohne Verbindung zu einem konkreten Insolvenzverfahren. Rechtlich stehen die Vorauswahl und die spatere Auswahlentscheidung nebeneinander. Die Vorprii-fung mit dem Ergebnis der grundsatzlichen Eignung eines bestimmten Bewerbers eroff-net diesem eine Chance, im Zuge kunftiger Antrage auf Eroffnung von Insolvenzverfah­ren zum Insolvenzverwalter bestellt zu werden. Ein insoweit abgelehnter Bewerber wird in seinen Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) berlihrt. Da die Verwirklichung der Grundrechte auch eine dem Grundrechtsschutz angemessene Verfahrensgestaltung erfordert, muss ein der Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit entsprechendes Verfahren in der Bewerbung um ein offentliches Amt gewahrleisten, dass tatsachlich von alien potenziellen Bewerbern derjenige gefunden wird, der am ehesten den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Die Offnung der „Listen" bei vielen Insolvenzgerichten ist die Folge dieses Urteils.

Auch GroBglaubiger wie Banken und Sparkassen haben sich in gewissen Fallen erhofft, auf die Bestellung von vorlaufigen Insolvenzverwaltern Einfluss ausiiben zu konnen. Die Strategien, mit denen man erhoffte, einen „gewogenen" Verwalter fiir das anhangige Ver­fahren zu erhalten, waren mannigfach - und je nach Insolvenzgericht unterschiedlich. Es ist zu begriiBen, dass hier wieder eine gewisse Gelassenheit auf Glaubigerseite eingetre-ten ist. Der bereits erwahnte § 56 Abs. 1 InsO soil hier nochmals deutlich unterstrichen werden. Der Versuch einer Einflussnahme auf die zustandigen Insolvenzrichter ist in der Praxis wenig zielfiihrend, eine Diskussion mit dem Insolvenzgericht dabei - je nach Um-standen - aber nicht schadlich.

Zielschnur des Handelns bei einer Einflussnahme auf die Verwalterauswahl muss aller-dings ausschlieBlich die Sicherstellung der Kriterien „im Einzelfall geeignet" und „ins-besondere geschaftskundig" sein. In Einzelfallen hat sich leider in der Vergangenheit der Eindruck aufdrangen mussen, dass das Kriterium der Unabhangigkeit bei Glaubigervor-schlagen zu gering geachtet wurde.

Im Rahmen der Anordnung von SicherungsmaBnahmen nach § 21 InsO kann das Ge­richt nach § 22 InsO Abs. 1 einen vorlaufigen Insolvenzverwalter bestellen und dem Schuldner ein allgemeines Verftigungsverbot auferlegen. In diesem Falle geht die Ver-waltungs- und Verfiigungsbefugnis Uber das Vermogen des Schuldnerunternehmens auf den vorlaufigen Insolvenzverwalter iiber. Verbindlichkeiten, die dieser „starke vor-laufige Insolvenzverwalter" begrundet, gelten nach Eroffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gemaB § 55 Abs. 2 InsO. Wird ein vorlaufiger Insolvenz­verwalter bestellt, ohne dass dem Schuldnerunternehmen ein solches allgemeines Ver­ftigungsverbot auferlegt wird, bestimmt das Gericht die Pflichten des vorlaufigen Ver-walters im Einzelnen („schwacher vorlaufiger Insolvenzverwalter"). In der Praxis werden

207

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heute „starke vorlaufige Insolvenzverwalter" nur in Ausnahmefallen eingesetzt, so wenn von fraudolosen Handlungen3 des Gemeinschuldners auszugehen ist. Der Regelfall wird der des „schwachen vorlaufigen Insolvenzverwalters" sein - auch wenn das Problem der moglichen Haftung des „starken vorlaufigen Insolvenzverwalters" fur Masseverbindlich-keiten aus Insolvenzgeld mit Einfiihrung des § 55 Abs. 3 und der damit einhergehenden Qualifizierung dieser Anspruche als Insolvenzforderungen mittlerweile gelost ist.

Das vorlaufige Insolvenzverfahren wird bis zu drei Monaten dauern. Abbildung 41 zeigt den grundsatzlichen Verlauf des vorlaufigen Verfahrens.

Zulassung des Insolvenzantrages

vdurch das Gericht^

Bestellung des vorlaufigen Verwa Iters weitere SicherheitsmaS-nahmen

Entscheidung uber die

Eroffnung des Insolvenzverfahrens

l-3Tage i.d.R. bis zu 3 Monate*

" Insolvenzgeldzeitraum

Abbildung 41: Verlauf des vorlaufigen Verfahrens

12.2.1.2 Unternehmensfortfuhrung

Wahrend des vorlaufigen Verfahrens wird der vorlaufige Insolvenzverwalter das Unter-nehmen grundsatzlich fortfuhren. Ist er ein „starker vorlaufiger Insolvenzverwalter", hat er dies nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO bis zu einer Entscheidung iiber die Eroffnung zu tun, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stillegung zustimmt, um eine erhebliche Vermin-derung des Vermogens zu vermeiden. Dariiber hinaus hat er neben der Klarung der Mas-sekostendeckung und der Prlifung des Vorliegens von Insolvenzgrunden den Auftrag, zu klaren, welche Aussichten fur eine Fortfiihrung des Unternehmens bestehen. Auch der „schwache vorlaufige Insolvenzverwalter" wird dies regelmaBig auf Anordnung des In-solvenzgerichts tun.

Insbesondere aufgrund der Moglichkeit der Inanspruchnahme von Insolvenzgeld ist eine Unternehmensfortfuhrung im vorlaufigen Verfahren sehr wahrscheinlich. In vielen Fal-

3 Betriigerischem Vorgehen in Verbindung mit der Erfiillung von Insolvenzstraftatbestanden.

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len wird die wahrend des vorlaufigen Verfahrens nicht in Ansatz zu bringende Kosten-position „Personalaufwand" die Verluste unter Normalbedingungen uberschreiten und so Gewinne im vorlaufigen Verfahren moglich machen.

Eine Fortfuhrung im vorlaufigen Verfahren ist auch fur die das „Altengagement" be-gleitenden Kreditinstitute von Interesse. Denn wahrend der Fortfuhrung des Geschafts-betriebs im vorlaufigen Verfahren wird der vorlaufige Insolvenzverwalter priifen, welche Sanierungschancen es im Rahmen des Insolvenzverfahrens geben kann und - soweit moglich - die notwendigen Schritte auch anstoBen.

Gelingt es, zum Zeitpunkt der Eroffnung des Insolvenzverfahrens dass Unternehmen so zu restrukturieren, dass zukunftig Gewinne erwirtschaftet werden konnen und eine Fortfuhrung damit wahrscheinlicher wird (zum Beispiel im Rahmen einer ubertragenden Sanierung), steigen die Chancen der Glaubiger, hohere Verwertungserlose fur ihre Siche-rungsguter zu erhalten.

Trotz der Tatsache, dass die Auskunftsrechte nach § 167 InsO erst im eroffneten Ver­fahren Anwendung finden und sich auf die absonderungsberechtigten Glaubiger an be-weglichen Sachen beziehen, sind vorlaufige Insolvenzverwalter in der Regel bereit, Infor-mationen auch im vorlaufigen Verfahren zur Verfugung zu stellen.

Will ein Institut die Fortfuhrungswahrscheinlichkeit abschatzen und somit sein Ver-halten im Fortgang des Insolvenzverfahren determinieren, sollte es eine Rentabilitats-und Liquiditatsvorschau fiir das vorlaufige Verfahren und - soweit moglich - auch fiir das eroffnete Verfahren erbitten. Dies gilt insbesondere, wenn eine Kreditgewahrung im vorlaufigen oder eroffneten Verfahren beantragt wird. Zur Beurteilung solcher Planrechnungen mussen fiir eine Rentabilitatsvorschau folgende Punkte beachtet wer­den:

M Beriicksichtigung der Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Umsatzplanung durch Sicherheitsabschlage:

W bei der Planung von auslaufenden Personalkosten: Beachtung der maximalen Kiindi-gungsfrist von drei Monaten durch den Insolvenzverwalter nach Eroffnung des Verfah­rens;

S Sozialplanlimit in Hohe von maximal einem Drittel der Masse und des kumulierten 2,5-Fachen der individuellen Lohn- oder Gehaltanspruche;

H Anpassung aller Kostenansatze und -budgets auf das Notwendigste; • Investitionen nur in Ausnahmefallen; S Beendigung aller defizitaren Auftrage oder Geschaftsfelder; W strenge Priifung der Bonitat der Kunden; H Zinskosten sind nur fiir die tatsachliche Ausnutzung von Massekrediten zu beriick-

sichtigen; M Zahlungen fiir Verpflichtungen aus sonstigen Dauerschuldverhaltnissen in der Regel

erst nach der ersten Glaubigerversammlung, aber haufig Nutzungsentgelte; 81 Abschreibungen werden nicht berucksichtigt; M mogliche Aufrechnungstatbestande von Debitoren beachten;

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• mogliche Kosten aufgrund von Zins- und Ersatzanspruchen von Banken und Sparkas-sen im eroffneten Verfahren berUcksichtigen.

Fur eine Liquiditatsvorschau gilt es dariiber hinaus folgende Punkte zu plausibilisieren:

• Einkauf von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen oder Waren nach individueller Verein-barung mit den Lieferanten (Vorkasse ?);

• Entnahmen aus den Lagerbestanden ab dem Zeitpunkt der Antragstellung werden in der Regel erst nach der ersten Glaubigerversammlung liquiditatswirksam;

• Auskehrung von Zahlungseingangen aus zedierten Forderungen im eroffneten Ver­fahren beachten;

• mogliche Liquiditatsabflusse aus Nutzungs-, Zins- oder Werteverfallanspruchen von Kreditinstituten einplanen.

Liegen die genannten Informationen nicht vor, sollte davon abgesehen werden, gerade mit schwachen vorlaufigen Insolvenzverwaltern im vorlaufigen Verfahren zusammen-zuarbeiten.

Wenn sich namlich nach Eroffnung des Insolvenzverfahrens herausstellt, dass die In-solvenzmasse doch nicht zur Erfiillung samtlicher Verbindlichkeiten ausreicht, hat der Insolvenzverwalter anzuzeigen, dass Masseunzulanglichkeit vorliegt. Alle Massever-bindlichkeiten aus der Zeit vor dieser Anzeige sind dann nachrangig zu befriedigen; also auch Masseglaubiger konnen mit ihren Forderungen ganz oder zum Teil ausfallen.

Das Gesetz ordnet fur diesen Fall eine strenge personliche Haftung des Insolvenzver-walters an, die nur entfallt, wenn der Insolvenzverwalter darlegen und beweisen kann, dass die Massenunzulanglichkeit bei Begrundung der Verbindlichkeit nicht erkennbar war. Der Bundesgerichtshof stellt an diesen Entlastungsbeweis hohe Anforderungen: Der Verwalter kann den Entlastungsbeweis im allgemeinen nur fiihren, wenn er eine plausible Liquiditatsrechnung erstellt und diese standig uberpruft und aktualisiert. § 61 InsO erhebt dies zur insolvenzspezifischen Pflicht des Verwalters. Grundlage ist eine Prognose aufgrund der aktuellen Liquiditatslage der Masse, der realistischen Einschat-zung noch ausstehender offener Forderungen und der kiinftigen Geschaftsentwicklung fur die Dauer der FortfUhrung. Forderungen, bei denen ernsthafte Zweifel bestehen, ob sie in angemessener Zeit realisiert werden konnen, haben auszuscheiden. Stellt der Ver­walter keine hinreichend prazisen Berechnungen an, iiber welche Einnahmen er verfugt und welche Ausgaben er zu leisten hat, kann er sich nicht entlasten. Der Umfang der personlichen Haftung beschrankt sich allerdings auf das negative Interesse, entgangene Gewinnmargen werden also nicht ersetzt.4

Im Rahmen einer informellen Unterrichtung lasst sich dariiber hinaus sicherlich eruieren, ob ein Sanierungskonzept erstellt wird und welche Fortfiihrungschancen der vorlaufige Insolvenzverwalter sieht.

4 BGH, Urteil vom 06.05.2004 - IX ZR 48/03.

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12.2.2 Vorgehen im eroffneten Insolvenzverfahren

Auf Basis des Berichts des vorlaufigen Insolvenzverwalters wird das Insolvenzgericht entweder die Entscheidung treffen, das Insolvenzverfahren zu eroffnen, oder die Eroff-nung mangels Masse abzulehnen.

12.2.2.1 Vorausssetzung und Wirkung des eroffneten Verfahrens

Die Eroffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, wenn

• ein Insolvenzgrund vorliegt und • die Kosten des Verfahrens gedeckt sind.

Die Kosten des Verfahrens sind nach § 54 InsO die Gerichtskosten fur das Insolvenzver­fahren, die Vergutung und Auslagen des vorlaufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenz­verwalters und der Mitglieder des Glaubigerausschusses.

Nach § 26 InsO weist das Insolvenzgericht den Antrag auf Eroffnung des Verfahrens ab, wenn keine Kostendeckung vorhanden ist. Diese Beschrankung auf die Kostendeckung hat in den vergangenen Jahren zu einem deutlichen Anstieg der eroffneten Verfahren gefuhrt. Eine Abweisung kann jedoch nach § 26 Abs. 1 S. 2 InsO durch Vorschuss eines ausreichenden Geldbetrags verhindert werden.

Die Bereitstellung eines solchen Massekostenvorschusses kann auch fur Kreditinstitute sinn-voll sein, wenn an der Eroffnung des Verfahrens Interesse besteht, so zum Beispiel dem In-solvenzverwalter die Moglichkeit gegeben werden soil, klageweise Anspruche aus Anfech-tungstatbestanden gegen Dritte zu realisieren und somit die Insolvenzmasse anzureichern. Der Massekostenvorschuss sollte dabei mit der Einschrankung geleistet werden, dass dieser dann zunickzahlbar ist, wenn die Massekosten anderweitig durch den Insolvenzverwalter einbringbar sind. Weiterhin besteht die Moglichkeit, eine Massekostengarantie abzugeben, also eine Erklarung iiber die Ausfallhaftung in Bezug auf die Verfahrenskosten.

Hat das Kreditinstitut einen Massekostenvorschuss geleistet, hat es dariiber hinaus im Falle einer verspateten Insolvenzantragstellung einen Ersatzanspruch gegen das antrags-pflichtige Organ des insolventen Unternehmens.

Im Eroffnungsbeschluss wird nach § 27 InsO ein Insolvenzverwalter ernannt. Dariiber hi­naus werden die Glaubiger gemafi § 28 InsO aufgefordert, ihre Forderungen anzumelden und ihre Sicherungsrechte an beweglichen Sachen oder an Rechten des Schuldners anzu-zeigen. Dabei miissen der Gegenstand, an dem das Sicherungsrecht beansprucht wird, die Art und der Entstehungsgrund des Sicherungsrechts sowie die gesicherte Forderung genau bezeichnet werden. Dritte, die Verpflichtungen gegeniiber dem Schuldner haben, werden aufgefordert, nur noch an den Insolvenzverwalter zu leisten. AuBerdem werden der Be-richtstermin und der Prufungstermin festgelegt, die in der Regel verbunden werden.

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Abbildung 42: Wirkung der Eroffnung des Insolvenzverfahrens

Mit Eroffnung des Insolvenzverfahrens treten die in Abbildung 42 dargestellten Wirkun-gen ein.

Vertragspartner im eroffneten Verfahren ist nunmehr der Insolvenzverwalter, der durch seine Handlungen Masseverbindlichkeiten gemaB § 55 InsO begrundet und damit der ver-scharften Haftung des § 61 InsO (Nichterfiillen von Masseverbindlichkeiten) unterliegt.

Soweit SanierungsmaBnahmen bereits im vorlaufigen Verfahren vorbereitet werden konnten, werden diese mit Eroffnung des Verfahrens umgesetzt. In der Regel wird der Insolvenzverwalter versuchen, unprofitable Geschaftsfelder oder Auftrage aufzugeben und die betrieblichen Strukturen des Unternehmens entsprechend anzupassen. Er wird sich also haufig von Mitarbeitern trennen und Dauerschuldverhaltnisse auflosen.

Der Insolvenzverwalter wird das Unternehmen nun zunachst bis zum Berichtstermin fortfuhren.

12.2.2.2 Verfahrensverlauf

Im Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter nach § 156 InsO uber die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu berichten. Er hat dabei insbesondere darzule-gen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen im Ganzen oder in Teilen zu erhalten, ob die Moglichkeiten fiir einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen jeweils fur die Befriedigung der Glaubiger eintreten wiirden. Es ergeben sich also drei grund-satzliche Handlungsoptionen:

M Liquidation des Unternehmens (sofort oder spater), % iibertragende Sanierung, M Sanierung des vorhandenen Rechtstragers durch ein Insolvenzplanverfahren.

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Die Glaubigerversammlung beschlieBt nach § 157 InsO daraufhin, ob das Unternehmen stillgelegt oder (zunachst) fortgefiihrt wird. Ein Beschluss (iiber die Fortfiihrung) kommt gemaB § 76 InsO dann zustande, wenn die Summe der Forderungsbetrage der zustim-menden Glaubiger mehr als die Halfte der Summe der Forderungsbetrage der abstim-menden Glaubiger betragt.5

Die Frage nach den Moglichkeiten einer iibertragenden Sanierung wird also spatestens zum Zeitpunkt des Berichtstermins intensiv zu diskutieren sein. Es ist dabei durchaus akzeptabel, wenn in der Zeit bis zu einer VerauBerung der Vermogenswerte des insolven-ten Unternehmens operativ keine Gewinne erzielt werden, das heiBt keine Mehrung der Insolvenzmasse erfolgt, soweit bei der iibertragenden Sanierung entsprechende Verkaufs-erlose erzielt werden konnen. Mussen in der Zeit der Fortfiihrung im eroffneten Verfahren jedoch Verluste hingenommen werden, gilt es abzuwagen, ob eine Fortfiihrung sinnvoll ist, selbst wenn sich zu einem spateren Zeitpunkt eine iibertragende Sanierung abzeichnen mag. Die hinzunehmenden Verluste mussen aber in jedem Fall geringer sein als die Diffe-renz zwischen Zerschlagungswerten und Fortfiihrungswerten der Vermogensgegenstande des Schuldnerunternehmens, da es ansonsten zu einer Schadigung der Masse kommen wiirde.

In der ersten Glaubigerversammlung, die auf die Bestellung des Insolvenzverwalters folgt (das heiBt in der Regel im Berichtstermin), konnen die Glaubiger an dessen Stelle einen an-deren Insolvenzverwalter wahlen (§ 57 InsO). Neben einer Summenmehrheiten muss auch eine Kopfmehrheit in der Glaubigerversammlung erreicht werden. Eine Majorisierung der

Eroffnungsbeschluss Aufhebung des Insolvenzverfahrens

grundsatzlich Unternehmens-

fortfuhrung

Berichtstermin = 1. Glaubiger­versammlung

Vermogensubersicht wirtschaftliche Lage / Verlustursachenanalyse

Prognose uber Unternehmenserhalt/

Unternehmenszerschlagung

Moglichkeit eines Insolvenzplanes

Auswirkung eines Insolvenzplanes

Auswirkung der einzelnen Szenarien auf

Glaubigerbefriedigung

Entscheidung iiber weiteren Verfahrensverlauf

Stimmrecht nach Forderungshohe, auch fur absonderungsberechtigte Glaubiger Wahl eines Glaubigerausschusses

bis zu 3 Monate/ bis zu 2 Monate nach Anmeldefrist yb is zu 10 Jahre u. langer

Abbildung 43: Verlauf des eroffneten Insolvenzverfahrens

Bei absonderungsberechtigten Glaubigern, denen der Schuldner nicht personlich haftet, tritt der Wert des Absonderungsrechts nach § 76 Abs. 2 InsO dabei an die Stelle des Forderungsbetrags.

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Glaubigerversammlung durch wenige GroBglaubiger bei der Abwahl des Insolvenzver-walters ist mit der Einfuhrung des zusatzlichen Kriteriums der Kopfmehrheit nunmehr ausgeschlossen. In der Praxis wird die Abwahl eines Insolvenzverwalters nur in krassen Ausnahmefallen sinnvoll sein, da zum Zeitpunkt der ersten Glaubigerversammlung viele wichtige Entscheidungen bereits vorbereitet (und zum Teil auch durchgefuhrt) sind und somit das Verfahren auch unter einem anderen Verwalter keine entscheidend andere Wen-dung mehr nehmen wurde.

Unverziiglich nach dem Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter nach § 159 InsO das zur Insolvenzmasse gehorende Vermogen zu verwerten, soweit die Beschlusslage der Glaubigerversammlung nichts anderes vorsieht. Die Uberlegungen in Kapitel 15 iiber das Vorgehen bei der Verwertung von Sicherheiten schlieBen sich hier an.

12.3 Mitwirkung im Glaubigerausschuss

Eine der wesentlichen Moglichkeiten fiir Kreditinstitute, im Rahmen eines Insolvenzver-fahrens mitzuwirken, ist die Entsendung eines Mitglieds in den Glaubigerausschuss bzw. -beirat.

12.3.1 Aufgaben des Glaubigerausschusses

Die Hauptaufgaben des Glaubigerausschusses bestehen gemass § 69 InsO in der

M Untersttitzung und Uberwachung der Geschaftsfuhrung des Insolvenzverwalters,

W Unterrichtung iiber den Gang der Geschafte, M Einsicht in Bucher und Geschaftspapiere und §i der Priifung des Geldverkehrs und -bestands.

Beim letzten Punkt (der so genannten „Kassenpriifung") ist die Einschaltung von Dritten zulassig. Sinnvoll wird das insbesondere in mittleren und groBeren Verfahren sein, in denen eine standiges Controlling notwendig ist, das aufgrund des Arbeitsaufwands die Kapazitaten eines Glaubigerausschussmitglieds regelmaBig ubersteigen wird.

Der Glaubigerausschuss hat Antragsrechte zur Entlassung des Insolvenzverwalters (§ 59 Abs. 1 S. 2 InsO) und der Einberufung einer Glaubigerversammlung (§ 75 Abs. 1 Nr. 2 InsO).

Dariiber hinaus ist eine Zustimmung bei den folgenden Handlungen erforderlich:

M bedeutsame Rechtshandlungen gemaB § 160 InsO, insbesondere die VerauBerung des Unternehmens oder eines Betriebs, des Warenlagers, einer Beteiligung des Schuld-ners an einem anderen Unternehmen, eine Darlehensaufnahme, die die Insolvenz-

214

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masse erheblich belasten wiirde, oder die Aufnahme eines Rechtsstreits mit groBerem Streitwert6,

ift Stilllegimg des Geschaftsbetriebs vor dem Berichtstermin (§ 158 InsO),

M Unterhaltsgewahr vor dem Berichtstermin gemaB § 100 Abs. 2 S. 1 InsO,

• bei Eigenverwaltung, wenn der Schuldner Rechtshandlungen vornehmen will, die fur das Verfahren von besonderer Bedeutung sind (§ 276 InsO i.V.m. § 160 InsO),

M bei Zuriickzuweisung des Plans im Insolvenzplanverfahren (§ 231 Abs. 2 InsO) und bei Aussetzung der Verwertung und Verteilung (§ 233 InsO).

Weiterhin stehen dem Glaubigerausschuss Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte zu, die im Folgenden kursorisch dargestellt werden:

H Bestimmung der Anlage und Hinterlegung von Vermogensgegenstanden, insbeson-dere Geldern gemaB § 149 Abs. 1 InsO,

# Mitzeichnungspflicht bei der Verfiigung iiber angelegte oder hinterlegte Vermogens-gegenstande bzw. Gelder gem. § 149 Abs. 2 InsO. Diese Regelung wird haufig durch die Glaubigerversammlung abgeandert werden (§ 149 Abs. 3 InsO),

W Zustimmung zur Befriedigung der Insolvenzglaubiger gemaB § 187 Abs. 3 InsO,

M Hohe der Abschlagsverteilung gemaB § 195 InsO,

B beratende Mitwirkung an einem Insolvenzplan, den der Insolvenzverwalter aufstellt (§ 218 Abs. 3 InsO).

Bei verschiedenen Entscheidungen im Insolvenzverfahren hat der Glaubigerausschuss daruber hinaus das Recht zur Stellungnahme und Anhorung:

M Bericht des Verwalters gemaB § 156 Abs. 2 S. 1 InsO,

•M Stellungnahme zum Insolvenzplan gemaB § 232 Abs. 1 S. 1 InsO,

'0 Anhorung vor Bestatigung des durch die Glaubiger angenommenen Insolvenzplans durch das Gericht gemaB § 248 Abs. 2,

P Stellungnahme zur Schlussrechnung des Verwalters gemaB § 66 Abs. 2 InsO,

M Anhorung bei Verfahrenseinstellung gemaB § 214 Abs. 2 S. 1 InsO.

Um seine Tatigkeiten ausfuhren zu konnen, besitzt der Glaubigerausschuss ein umfas-sendes Informationsrecht gegeniiber dem Insolvenzverwalter, einem Sachwalter im Insol­venzplanverfahren und auch dem Schuldner (§ 97 Abs. 1 InsO). Dieses Informationsrecht ergibt sich in erster Linie aus dem § 69 InsO.

6 Es bleibt darauf hinzuweisen, dass die o.g. bedeutsamen Handlungen des Insolvenzverwalters im Rahmen des § 164 InsO aber auch ohne Zustimmung des Glaubigerausschusses wirksam bleiben.

215

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Fur das Insolvenzplanverfahren legt § 258 Abs. 3 InsO fest, dass die Mitglieder des Glaubigerausschusses vorab iiber den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufhebung des Verfahrens unterrichtet werden mussen. Nach 261 InsO hat der Glaubigerausschuss daruber hinaus auch nach Aufhebung des Verfahrens ein Informationsrecht hinsicht-lich der Erfiillung des Insolvenzplans gegeniiber dem Insolvenzverwalter. Die Kon-trollfunktion des Glaubigerausschusses bleibt also bestehen. Insbesondere fiir den Fall, dass die Anspriiche nicht so befriedigt werden wie im gestaltenden Teil des Insolvenz­plans vorgesehen, besitzt der Glaubigerausschuss ein unverziigliches Informations­recht.

Letztendlich hat er ein Informationsrecht hinsichtlich der Vergiitungsfeststellung des In-solvenzverwalters gemaB § 64 InsO.

Zur Entscheidungsfindung im Glaubigerausschuss legt § 72 InsO fest, dass Beschluss-fahigkeit gegeben ist, wenn die Mehrheit der Glaubiger an der Beschlussfassung teil-genommen hat und der Beschluss mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst worden ist.

Eine Beschlussfassung ist sowohl im Rahmen einer Sitzung des Glaubigerausschusses moglich als auch im Umlaufverfahren. Uber die Sitzungen und Beschliisse des Ausschus-ses sind Protokolle zu fertigen, die als Nebenakte zur Insolvenzakte beim Insolvenzge-richt gefiihrt werden.

Die Stellung von Mitgliedern des Glaubigerausschusses im Insolvenzverfahren ist also durch umfassende Informationsrechte und Mitwirkungsmoglichkeiten bzw. -rechte ge-pragt. Es versteht sich somit, dass die Entsendung von Bankmitarbeitern in den Aus-schuss in jedem Falle sicherzustellen ist.

12.3.2 Bildung und Zusammensetzung des Glaubigerausschusses

Die Bildung eines Glaubigerausschusses erfolgt nach freiem Ermessen. Dabei ist in ers-ter Linie nach ZweckmaBigkeitserwagungen vorzugehen. Ein Glaubigerausschuss wird in der Regel durch die erste Glaubigerversammlung ins Leben gerufen. Auch in jeder spateren Glaubigerversammlung ist die Etablierung eines Glaubigerausschusses moglich. Erfahrungswerte ergeben dabei, dass es in ca. 25 Prozent der eroffneten Insolvenzver­fahren zur Bildung eines Glaubigerausschusses kommt. Insbesondere im Falle der Eigen-verwaltung sollte regelmaBig ein Glaubigerausschuss gebildet werden.

Bereits vor der ersten Glaubigerversammlung kann das Insolvenzgericht im eroffneten Verfahren einen dann „vorlaufigen" Glaubigerausschuss etablieren. Hier haben Banken die Moglichkeit, in Abstimmung mit dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter, die Bildung eines solchen „vorlaufigen" Glaubigerausschusses anzustoBen. Dies wird immer dann sinnvoll sein, wenn sich bereits vor der ersten Glaubigerversammlung Ent-

216

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scheidungen anbahnen, die sowohl fur den Insolvenzverwalter als auch fiir die Glaubiger von groBerer Tragweite sind. Obwohl in der Praxis selten, konnen die Mitglieder eines solchen „vorlaufigen" Glaubigerausschusses im Rahmen der ersten Glaubigerversamm-lung „abgewahlt", das heiBt nicht in den Glaubigerausschuss berufen werden.

Inwieweit auch bereits im vorlaufigen Verfahren die Moglichkeit besteht, einen vor­laufigen vorlaufigen" Glaubigerausschuss bzw. Glaubigerbeirat zu bilden, ist streitig. Erste Rechtsprechung lasst einen solchen Glaubigerbeirat ausnahmsweise dann zu, wenn wichtige Entscheidungen bereits vor Verfahrenseroffnung zu treffen sind oder es der Vor-bereitung von spateren Entscheidungen der Glaubigerversammlung dienlich ist.7 Dieser Glaubigerbeirat hat allerdings keine Kontroll- oder Entscheidungskompetenz und ist somit also ausschlieBlich beratend und unterstutzend tatig. Die Mitglieder eines solchen Glaubigerbeirats konnen somit auch keine Haftungen treffen, wie sie den Mitgliedern eines Glaubigerausschusses entstehen konnten.8 Sinnvoll erscheint ein solcher Glaubiger­beirat insbesondere dann, wenn im GroBverfahren eine Vielzahl von unterschiedlichen Glaubigern informiert und koordiniert werden muss.

Die Zusammensetzung des Glaubigerausschusses ist grundsatzlich in § 67 Abs. 2 InsO geregelt. Dabei gibt diese Vorschrift lediglich Anhaltspunkte, wenn festgelegt wird, dass die absonderungsberechtigten Glaubiger, die Insolvenzglaubiger mit den hochsten Forde-rungen, die Kleinglaubiger und unter Umstanden ein Vertreter der Arbeitnehmer vertre-ten sein sollen. Der Glaubigerausschuss hat dabei aus mehr als einer Person zu bestehen. Wahlbar sind grundsatzlich naturliche Personen, eine Glaubigerstellung ist gemaB § 67 Abs. 3 InsO nicht Voraussetzung. Ausgeschlossen sind jedoch der Schuldner, bzw. die Mitglieder der Vertretungs- und Aufsichtsorgane des Schuldners, das heiBt Geschafts-fiihrung bzw. Vorstand und Aufsichtsrat oder Beirat. Daniber hinaus ist der Insolvenz­verwalter selbst nicht wahlbar. Nach herrschender Meinung sind juristische Personen wahlbar, Behorden indes nicht, deren Mitarbeiter aber wiederum. Fiir juristische Per­sonen gilt, dass diese durch ihre Organe vertreten werden - eine Stellvertretung ist nicht vorgesehen.

Die Aufgabenwahrnehmung im Glaubigerausschuss muss hochstpersonlich vorgenom-men werden. Eine Stellvertretung ist nicht zulassig. Fiir den Verhinderungsfall konnen Ersatzmitglieder des Glaubigerausschusses benannt werden.

Die Mitglieder des Glaubigerausschusses haben die Pflicht, ihre Tatigkeit an den Interes-sen der Gesamtglaubigerschaft auszurichten. Eine (zu starke) Vertretung von Partikula-rinteressen, die ausschlieBlich darauf abzielt, die Stellung eines - des eigenen - Glaubi-gerinstituts zu verbessern, schlieBt sich damit grundsatzlich aus. Dies wiirde der Stellung des Ausschusses als Organ der Insolvenzverwaltung widersprechen. Ergibt sich bei einer Entscheidungsfindung im Glaubigerausschuss fiir ein Mitglied eine Interessenkollision, ist ein Stimmverbot vorgesehen. Inwieweit auch der Ausschluss von einer Beratung fiir

7 Entscheidung des AG Koln Beschl. v. 29.06.2000 - 72 IN 178/00, ZIP 2000, Heft 31, S. 1350 ff. 8 Vgl. Abschnitt 12.3.3.

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einzelne Mitglieder in einem solchen Fall tatsachlich praktikabel ist, muss in der Regel bezweifelt werden.9

Haufig findet man eine „Dreier-" oder „Vierer-Kombination" aus einem Vertreter der Bankenseite, einem Vertreter der Lieferantenseite (dem Poolverwalter), einem Vertreter der Arbeitnehmer (dem Betriebsratsvorsitzenden) und einem Vertreter der Kleinglaubiger (haufig einem auf Insolvenzrecht spezialisierten Rechtsanwalt).

12.3.3 Haftung und Vergiitung im Glaubigerausschuss

Die Haftung von Mitgliedern des Glaubigerausschusses ist - nachgebildet der des Insol-venzverwalters - durch § 71 InsO geregelt. Danach besteht eine Ersatzpflicht nur fur Scha-den der absonderungsberechtigten Glaubiger und der Insolvenzglaubiger. Aussonderungs-berechtigte sowie Masseglaubiger sind somit ausdriicklich ausgenommen.10 Eine Haftung wird durch Verletzung der Kontroll- und Aufsiehtspflichten der Mitglieder des Glaubiger­ausschusses begriindet. Dabei ist eine Haftung fur Hilfspersonen (zum Beispiel „externe Kassenprufung") eingeschlossen. Schon aus diesem Grunde sollte eine sorgfaltige Aus-wahl von „externen Kassenpriifern" unabdingbar sein. In der Regel werden dies Steuerbe-ratungs-, Wirtschaftspriifungs- oder Unternehmensberatungsgesellschaften sein, die iiber Erfahrung auf diesem Gebiet verfiigen. Dariiber hinaus gilt die Haftung fiir jede Fahrlas-sigkeit der Glaubigerausschussmitglieder. Die Haftung trifft alle Mitglieder grundsatzlich individuell. Ob eine gesamtschuldnerische Haftung entstehen kann, unter Umstanden sogar gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter, kann sich nur im Einzelfall bestimmen.

In verschiedenen Urteilen hat die Rechtssprechung klargestellt, dass die Argumentation, als Ausschussmitglied iiber seine Pflichten nicht ausreichend informiert gewesen zu sein und daher die Tragweite der Pflichtverletzung nicht gekannt zu haben, nicht stichhaltig ist. Die Rechtssprechung sieht Ausschussmitglieder vielmehr in der Pflicht, sich iiber Umfang und Bedeutung ihrer Tatigkeit im Glaubigerausschuss zu informieren, sodass Unkenntnis nicht als Entschuldigungsgrund angesehen werden kann.11

Zu den Aufgaben des Glaubigerausschusses gehort es dabei nicht nur, wollen seine Mit­glieder potenzielle Haftungsanspriiche vermeiden, den Insolvenzverwalter in rechtlicher

9 Eine Abwahl einmal bestellter Mitglieder ist nach § 68 Abs. 2 InsO grundsatzlich nicht mehr moglich, zulassig ist hingegen ein Aufhebungsantrag gem. § 78 InsO, dem das Insolvenzgericht entsprechen kann, wenn der Beschluss auf Bestellung eines Glaubigerausschussmitglieds dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzglaubiger widerspricht. Dariiber hinaus kann das Insolvenzgericht ein Mitglied des Glaubiger­ausschusses aus wichtigem Grund entlassen (§ 70 InsO). Eine solche Entlassung, die in der Praxis nur selten stattfinden wird, kann von Amts wegen oder auf Antrag eines Mitglieds des Glaubigerausschusses oder der Glaubigerversammlung erfolgen. Grunde einer solchen Entlassung sind in der Praxis eigentlich nur die zu deutliche Verfolgung von Sonderinteressen oder eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht.

10 Zur Unterscheidung von absonderungsberechtigten Glaubigern, Insolvenzglaubigern, aussonderungs-berechtigten Glaubigern sowie Masseglaubigern vgl. Kapitel 15.

11 Z.B. BGHZ 49, 121 in NJW 1968, 701.

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Hinsicht zu liberwachen, sondern auch eine Uberpriifung der ZweckmaBigkeit der Ab-wicklungsmaBnahmen des Verwalters vorzunehmen.12

Anders als das Insolvenzgericht, das im Wesentlichen „Huter der RechtmaBigkeit des Verfahrens" sein soil und deshalb die AbwicklungsmaBnahmen des Verwalters nicht ohne weiteres in Frage zu stellen hat, sondern nur dann einschreiten muss, wenn Rechts-verstoBe offensichtlich werden, ist der Glaubigerausschuss verpflichtet, auch die wirt-schaftlichen Interessen der Insolvenzglaubiger wahrzunehmen und den Verwalter zu der fiir die Glaubiger bestmoglichen Insolvenzabwicklung anzuhalten.13

Eine Verjahrung etwaiger Haftungsanspriiche tritt nach § 62 InsO nach drei Jahren ein. Der Beginn der Verjahrung ist dabei der Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Schadens und der die Ersatzpflicht begriindenden Umstande.

MaBgeblich fiir die VergUtung der Mitglieder des Glaubigerausschusses sind Zeitaufwand und der Umfang der Tatigkeit (§ 73 InsO). Eine Pauschalvergiitung i.H.v. 1-5 Prozent der Verwaltervergutung ist ebenso zulassig wie eine Zeitvergutung. Als vergiitungserhohend kann dabei eine „besondere Sachkunde" eines Glaubigerausschussmitglieds herangezo-gen werden. Dariiber hinaus konnen Auslagen abgerechnet werden. Vorschusse sind zu­lassig. Die Festsetzung der VergUtung erfolgt durch Beschluss des Insolvenzgerichts.

12.4 Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltung -Sanierungsinstrumente?

Seit der Reform der Insolvenzgesetzgebung im Jahr 1999 ersetzt das Insolvenzplanver­fahren das zuvor in der Praxis gescheiterte Vergleichsverfahren. Das bis 1999 geltende Konkursrecht war auf Unternehmenszerschlagungen ausgerichtet und kannte als Sanie-rungsinstrumentarium lediglich den gerichtlichen Vergleich nach der Vergleichsordnung (VerglO). Die Vergleichsordnung wurde von der Insolvenzpraxis im Laufe der Jahre nahezu zur Bedeutungslosigkeit degradiert. Folgende zentrale Grunde mussen dafiir ge-nannt werden:

W Mindestquote der Glaubigerbefriedigung von 35 Prozent, H Vergleichswurdigkeitspriifung, • Problem der Glaubigervorrechte (insbesondere Arbeitnehmer, Bundesanstalt fiir Ar­

beit, Finanzverwaltung).

Neu eingefuhrt wurde neben dem Insolvenzplanverfahren auch die Moglichkeit der Ei­genverwaltung, bei der der Schuldner die Verwaltungs- und Verfiigungsbefugnis iiber die

12 OLG Rostock, Beschluss v. 28.05.2004 3W 11/04, ZInsO 2004, 814. 13 Pape, Schmidt, ZInsO 2004, 958.

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Insolvenzmasse nicht verliert, sondern lediglich bestimmten gesetzlichen Pflichten nach der InsO und der Aufsicht eines Sachwalters untersteht.

Nach anfanglicher Zuriickhaltung bei der Anwendung von Insolvenzplanverfahren in Kombination mit der Eigenverwaltung als Sanierungsinstrumente ist in der jungsten Ver-gangenheit anhand einiger spektakularer und medienwirksamer Falle (Kirch-Media AG, Borsig Babcock AG) feststellbar, dass diese zunachst „ungeliebten Kinder" der Reform zunehmend an Bedeutung gewinnen. Diese Art und Weise der Eigensanierung ist nicht nur in Konzernstrukturen anwendbar, sondern grundsatzlich auch auf mittelstandische Unternehmen ubertragbar.

Die nachstehend aufgelisteten Aspekte sprechen fur die Durchfiihrung von Insolvenz­planverfahren mit Eigenverwaltung als Sanierungsinstrument:

• Das Rechtsinstitut der Eigenverwaltung wurde durch den Gesetzgeber eingefiihrt, um die im schuldnerischen Unternehmen vorhandenen Kenntnisse besser in das Insol-venzverfahren einbringen zu konnen/bzw. erhalten zu konnen.

H Es wird vermieden, dass sich ein Insolvenzverwalter umfangreich in die spezielle Thematik der Schuldnerin einarbeiten muss, was einen Zeitgewinn impliziert.

M Die Kosten des Insolvenzverfahrens werden deutlich gesenkt, sodass allein dadurch eine bessere Glaubigerbefriedigung durch entsprechende Quotenerhohung moglich ist.

M Durch den Erhalt der Verwaltungs- und Verfiigungsbefugnis, der nur im Rahmen von Eigenverwaltung moglich ist, wird fiir den Schuldner ein zusatzlicher Anreiz zu einer recht- und friihzeitigen Insolvenzantragstellung geschaffen.

H Im Falle der Eigenverwaltung entfallen die Kostenbeitrage gemaB § 171 InsO (vgl. § 282 InsO).

M Neu eingefiihrt ist der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfahigkeit.14 Dadurch wird eine friihzeitige Einleitung eines Sanierungsversuchs durch ein Insolvenzplan­verfahren moglich.

ft, Es besteht die Moglichkeit, ein Insolvenzverfahren tiber eine Eigenverwaltung durch-zufuhren. Die friih- und rechtzeitige Einleitung eines Insolvenzverfahrens determi-niert dabei haufig die Erfolgsquote einer Eigensanierung.

H Obstruktionsmoglichkeiten einzelner Glaubiger konnen durch eine taktisch gepragte Glaubigergruppenbildung ausgeschlossen werden.

Gleichwohl darf nicht verkannt werden, dass Insolvenzplanverfahren und Eigenverwal­tung auch zukunftig als Sanierungsinstrumente in der Insolvenz kaum den Stellenwert erreichen werden, den die iibertragende Sanierung innehat. Das Insolvenzplanverfahren findet in der heutigen Praxis haufiger als Sanierungsinstrument bei Vereinen oder bei

14 Vgl. hierzu Kapitel 2.

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Freiberuflern Anwendung. Aufgrund der Komplexitat des Verfahrens wird eine gewisse GroBe des Unternehmens regelmaBig notwendig sein.

12.4.1 Insolvenzplanverfahren

Ein Insolvenzplan ist ein mehrseitiger Vertrag zwischen Glaubigern und Schuldner, der durch Mehrheitsentscheidungen in den Glaubigergruppen beschlossen wird.

Insolvenzplan

Mehrseitiger Vertrag zwischen Glaubigern und Schuldner, der durch Mehrheitseintscheidungen in den Glaubigergruppen beschlossen wird, als eine vom Insolvenzverfahren abweichende Regelung zum Erhalt des Unternehmens(-tragers)

y

bestmogliche Glaubigerbefriedigung vorrangig durch

Sanierung des Unternehmens

Abbildung 44: Zweck und Ziel des Insolvenzverfahrens

Nach § 217 InsO kann durch einen Insolvenzplan eine von den Vorschriften iiber das Regelinsolvenzverfahren abweichende Regelung zur Befriedigung der Glaubiger und der Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung getroffen werden.

Grundsatzlich konnen sowohl eine Unternehmenssanierung als auch eine VerauBerung des Unternehmens an Dritte oder eine Liquidation des Unternehmens als Insolvenzplan­verfahren durchgefuhrt werden. In der Regel sind die heute existierenden Insolvenzplane allerdings Sanierungsplane.

Die Durchfuhrung eines Insolvenzplanverfahrens gliedert sich in mehrere Stufen, die in Abbildung 46 dargestellt werden.

Das Kernstuck des Planverfahrens, der Insolvenzplan, besteht nach § 219 InsO aus einem darstellenden Teil und einem gestaltenden Teil.

221

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Stellungnahme vom ^ Glaubigerausschuss,

Betriebsrat, Verwalter, IHK, Sprecherausschuss /

Gerichtliche PriifungX ob Plan offensichtlich ^^

zuruckgewiesen S werden muss /

Vorlage des Insolvenzplans

Erorterungs- und Abstimmungstermin

mit"

Bestatigung des Plans durch das Insolvenzgericht

Plandurchfiihrung wird max. 3 Jahre vom Verwalter oder Sachwalter iiberwacht

Vorpriifung / Einsichtnahme durch Glaubiger

Annahme und Bestatigung des Plans

Durchfiihrung des Plans

Abbildung 45: Verlauf des Insolvenzverfahres

In Anlehnung an § 220 InsO sind die Inhalte des darstellenden Teils:15

• Beschreibung des Unternehmens, • Analyse der Krisenursachen/wirtschaftliche Lage des Schuldners/Vermogensuber-

sicht, W Sanierungskonzept/MaBnahmenkatalog, Wl Darstellung der bereits eingeleiteten oder noch einzuleitenden SanierungsmaBnah-

men, H Leitbild des sanierten Unternehmens.

Der gestaltende Teil des Insolvenzplans, der nach §221 InsO festlegt, wie die Rechts-stellung der Beteiligten durch den Plan verandert werden soil, enthalt:

H Bildung der Glaubigergruppen, W& Neugestaltung der Glaubigerrechte/Eingriff in die Glaubigerrechte, W gesellschaftsrechtliche Anderungen, if Ausfiihrungen zur Uberwachung der Planerfiillung,

Dariiber hinaus sind als Plananlagen gemafi §§ 229, 230 InsO hinzuzufiigen:

H Vermogensiibersicht auf den Tag des Wirksamwerdens des Insolvenzplans basierend auf Fortfiihrungs- und Zerschlagungswerten,

15 Vgl. dazu ausfiihrlich Kapitel 4.

222

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• Plan-Gewinn- und- Verlust-Rechnungen, Planbilanzen und Finanzplane fiir den Fall der Glaubigerbefriedigung aus zukiinftigen Ertragen,

• Vergleichsrechnung Insolvenzplanverfahren - Regelinsolvenzverfahren.

Die Abbildung 47 fasst die Inhalte des Insolvenzplans nochmals zusammen.

Das Plan-Initiativrecht liegt gemaB § 218 InsO bei Schuldner, Insolvenzverwalter und Glaubigerversammlung. Bereits mit der Antragstellung kann der Schuldner einen Insol-venzplan einreichen, nach Eroffnung des Verfahrens der Insolvenzverwalter und nach der ersten Glaubigerversammlung der Insolvenzverwalter im Auftrag der Glaubigerver­sammlung. Stellt der Insolvenzverwalter den Plan auf, wirken dabei der Glaubigeraus-schuss, der Betriebsrat, der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten - soweit vor-handen - und der Schuldner beratend mit.

Zerschlagen haben sich in der Praxis mittlerweile Befurchtungen, das Insolvenzplane nur als so genannte „Pre-packed"-Plane Chancen fiir eine Realisierung haben. Das vorlaufige Verfahren bietet in der Regel geniigend Zeit, um bis zum Zeitpunkt der Eroffnung des Verfahrens einen Insolvenzplan vorzubereiten. Falls es zu einer Fortfuhrung im eroff-neten Verfahren kommt, steht weitere Zeit zur Verfugung, den Insolvenzplan vorzube­reiten.

Uber den notwendigen Umfang von Insolvenzplanen ist ebenfalls zunachst geratselt wor-den. Sehr umfangliche Musterplane, die vor Einfiihrung der InsO vorgestellt wurden, haben viele Betrachter zunachst eher verschreckt als den Eindruck einer Durchfuhrbar-keit zu erwecken. Aber auch diese Sorge ist im Zeitablauf nahezu verschwunden.

Darstellender Teil 1

• Beschreibung des Untemehmens 1

j • Analyse der Krisenursachen und der 1 wirtschaftlichen Lage des Schuldners / 1 Vermogensubersicht 1

• Sanierungskonzept/Ma&nahmenkatalog 1

• Darstellung der bereits eingeleiteten 1 odernocheinzuleitenden 1 SanierungsmaBnahmen 1

• Leitbild des sanierten Untemehmens 1

1 1

1 Gestaltender Teil

• • Blldung von Glaubigergruppen I • • Neugestaltung der Glaubigerrechte / I 1 Eingriff in die Glaubigerrechte • • nach Rechtskraft des Planes: 1 vollstreckbarerTitel 1 • gesellschaftsrechtliche Anderungen etc.

1 Plananlagen:

1 • Plan-GuV's, Planbilanzen u. Finanz-1 plane fiir den Fall der Glaubiger-1 befriedigung aus kunftigen Ertragen 1 I • Vergleichsrechnung: I Insolvenzplan / allgemeines Insolvenz-1 verfahren

••

Abbildung 46: Inhalte und Bestandteile des Insolvenzplans

223

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Bei der Begleitung eines Insolvenzplanverfahrens gilt es fur Kreditinstitute insbesondere sicherzustellen, dass das darin enthaltene Sanierungskonzept fiir die leistungswirtschaftli-che und finanzwirtschaftliche Gesundung des Unternehmen tragfahig sind. Die Prufungs-notwendigkeiten sind denen eines vorinsolvenzlichen Sanierungskonzepts gleichzustellen.16

Die Annahme und Bestatigung des Insolvenzplans nach §§ 235 InsO ff. erfolgt in den nach §§ 222 ff. InsO festgelegten Glaubigergruppen. Diese Gruppenbildung sollte so an-gelegt sein, dass sich eine Zustimmung der einzelnen Gruppen ergibt, das heiBt, dass Glaubiger, die voraussichtlich den Plan ablehnen, in ihren Glaubigergruppen nicht die entsprechenden Mehrheiten finden werden und so mit ihren ablehnenden Voten eine Be­statigung des Plan nicht verhindern konnen.

Nach § 244 InsO ist es dabei erforderlich, dass in jeder Gruppe

H die Mehrheit der abstimmenden Glaubiger dem Plan zustimmt und M die Summe der Anspriiche der zustimmenden Glaubiger mehr als die Halfte der

Summe der Anspriiche der abstimmenden Glaubiger betragt.

Diese Regelung wird erganzt durch das Obstruktionsverbot des § 245 InsO, das die Zu­stimmung einer Abstimmungsgruppe fingiert, auch wenn die erforderliche Mehrheit bei der Abstimmung nicht erreicht wurde. Dies ist der Fall wenn

die Glaubiger der Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne Plan stiinden, sie angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf Basis des Plans den Beteiligten zuflieBen soil, und

Abbildung 47: Der Insolvenzplan als Sanierungsinstrument

16 Vgl. dazu ausfuhrlich Kapitel 4..

224

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• die Mehrheit der abstimmenden Gruppen mit den erforderlichen Mehrheiten dem Plan zustimmt.

Dariiber hinaus ist der Minderheitenschutz des § 251 InsO zu beachten, der festlegt, dass auf Antrag eines Glaubigers die Bestatigung des Insolvenzplans zu versagen ist, wenn dieser durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne Insolvenzplan stehen wiirde.

Ist die Bestatigung des Insolvenzplans rechtskraftig, wird das Insolvenzgericht die Auf-hebung des Insolvenzverfahrens beschlieBen.

Auf die Uberwachung der Planerfullung gemaB § 260 InsO nach Aufhebung des Ver-fahrens sollte unter keinen Umstanden verzichtet werden.

Hinsichtlich der finanzwirtschaftlichen Begleitung des Insolvenzplanverfahrens soil hier auf die Ausfiihrungen im Kapitel 13 „Kreditvergabe in der Insolvenz" hingewiesen wer­den.

12.4.2 Eigenverwaltung (mit Insolvenzplan)

GemaB § 270 InsO erfolgt die Anordnung der Eigenverwaltung nur auf Antrag. Der Re-gelfall ist die Beantragung durch den Schuldner, wodurch die Eigenverwaltung sodann unter Aufsicht eines Sachwalters stattfindet.

Im Falle eines Glaubigerantrages ist gemaB § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO erforderlich, dass der Schuldner ebenfalls die Eigenverwaltung beantragt.

12.4.2.1 Voraussetzungen fur die Eigenverwaltung (mit Insolvenzplan)

Die wesentlichste Voraussetzung ist sicherlich, dass das Insolvenzgericht von den Vor-teilen der Eigenverwaltung und der ZweckmaBigkeit im konkreten Fall uberzeugt werden kann. In diesem Zusammenhang ist eine Uberzeugung des Insolvenzgerichts nur durch den Einsatz eines Insolvenzpraktiker mit Erfahrungen im Bereich dieser Rechtsinstitute moglich. Die Anordnung von Eigenverwaltung ist nur moglich, wenn dadurch eine Ver-zogerung des Verfahrens vermieden wird. Jedwede Nachteile fiir die Glaubiger mtissen ausgeschlossen werden. Es unterstreicht die Seriositat des Insolvenzantrages, wenn zu-gleich beantragt wird, gemaB § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO einen vorlaufigen Insolvenzver-walter zu bestellen. Dieser vorlaufige Insolvenzverwalter kann sodann aufgrund seiner Neutralitat und Unabhangigkeit auch im Rahmen seines Gutachtens fiir das Insolvenzge­richt das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und die Sinn- und ZweckmaBigkeit einer Eigenverwaltung iiberprufen und darstellen.

In der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass Planersteller, vorlaufiger Insolvenzverwalter und/oder Sachwalter personenidentisch sein konnten. Einem Aus-

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einanderfallen von Planersteller oder Vorberater und unabhangigem vorlaufigen Insol-venzverwalter und Sachwalter ist jedoch der Vorzug einzuraumen. Dadurch gewinnt der Verfahrensablauf eine neutrale Komponente, die in einem Offizialverfahren unabdingbar ist. Ein vorlaufiger Insolvenzverwalter und spaterer Sachwalter kann dariiber hinaus auf-grund seiner Unvoreingenommenheit neue Aspekte und Sichtweisen in den Verfahrens­ablauf und die Sanierungsbemiihungen einbringen.

12.4.2.2 MaBnahmen im Zusammenhang mit der Beantragung der Eigenverwaltung

Eine Reihe von MaBnahmen miissen im Vorfeld eines erfolgversprechenden Antrages auf Eigenverwaltung geplant, durchgefuhrt und sodann auch sowohl in Richtung des In-solvenzgerichts als auch in Richtung der GroBglaubiger - also auch in Richtung von be-teiligten Kreditinstituten - geeignet kommuniziert werden. Nur wenn die nachstehenden Kriterien erfiillt werden, kann es fiir Kreditinstitute sinnvoll sein, sich an einer Sanierung des Unternehmens im Rahmen der Eigenverwaltung zu beteiligen:

11 Austausch und/oder Erganzung der Geschaftsfuhrung/des Vorstandes: Die bisherige Geschaftsfuhrung/der bisherige Vorstand muss entweder komplett oder - je nach Fallkonstellation - teilweise und damit auch in der jeweiligen Situation differen-ziert, ersetzt oder erganzt werden. Die Ersetzung und/oder Erganzung kann ebenfalls alternativ in der konkreten Fallkonstellation intern oder extern durchgefuhrt werden.

In jedem Fall ist eine Erganzung durch sanierungserfahrene Management-Komponenten unausweichlich.

M Veranderung der Gesellschafterstrukturen: Vermieden werden muss die Moglichkeit, dass die Gesellschafter die Veranderung im Management des Unternehmens „zuruckdrehen" konnen. Daher sollten die Geschafts-anteile zumindest mehrheitlich (abhangig vom jeweiligen Gesellschaftsvertrag) auf einen Treuhander ubertragen werden. Der Treuhander sollte das Recht erhalten, die Geschafts-anteile gegebenenfalls zu einem spateren Zeitpunkt verauBern zu konnen.

• Beteiligung der Glaubiger: Die Kernpunkte der geplanten MaBnahmen miissen im Vorfeld der Antragstellung mit den Hauptglaubigern (in der Regel Banken/Sparkassen und wichtigen Schlussellieferan-ten, ggf. auch mit der Finanzverwaltung) abgestimmt werden. Die fiir diese Glaubiger notwendigen Rahmenbedingungen und etwaige „Knock-out-Kriterien" sind zu ermitteln und bestmoglich in das Konzept einzuarbeiten.

• Beteiligung von Kreditversicherern: Eine Abstimmung der Vorgehensweise mit den Kreditversicherern ist im Vorfeld der An­tragstellung unabdingbar. Die bestmogliche Vermeidung von Kreditlinienkiirzungen ist

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anzustreben. Hierzu sind gute Kontakte zu den Kreditversicherern fur einen positiven Verfahrensverlauf ebenso unverzichtbar.

• Einbeziehung wichtiger Kunden: Der Grad der Kommunikation mit den wichtigen Kunden in der so genannten „hei6en Phase" determiniert die Erfolgswahrscheinlichkeit des Sanierungsversuchs. Den Kunden ist zu vermitteln, dass eine ununterbrochene Liefer- und Leistungsfahigkeit durch die ge-planten Mafinahmen gewahrleistet ist.

Beteiligung der Arbeitnehmer/Betriebsrate/Gewerkschaft: Informationen uber die geplanten MaBnahmen miissen zum richtigen Zeitpunkt an Be-triebsrat, Arbeitnehmer, Gewerkschaft transportiert werden; auch hier ist liber die ge­planten MaBnahmen im Detail aufzuklaren. Die Vorbereitung einer Insolvenzgeldvor-finanzierung ist anzustoBen.

M Darstellung einer genauen Ablaufplanung im Vorfeld der Antragstellung: Der Ablauf des „Einstiegs" in eine Sanierung durch Eigenverwaltung muss detailliert geplant und abgearbeitet werden:

It Erstellung eines Sanierungsgutachtens (gegebenenfalls vorab: Kurzgutachten)17

H Darstellung und Analyse der Ist-Situation (wirtschaftlich/rechtlich), W, Sanierungsfahigkeits-/Sanierungswurdigkeitspriifung.

M Darstellung der finanz- und insbesondere auch der leistungswirtschaftlichen Sanie-rungsmaBnahmen/-moglichkeiten18.

H Verhandlungen mit Gesellschaftern, Glaubigern, Kunden und Arbeitnehmern. M Vorbereitung des Insolvenzplans in seinen Grundziigen. • Vorbereitung des Insolvenz- und Eigenverwaltungsantrags sowie das Zusammenstel-

len der entsprechenden Auftragsunterlagen. M Intensive Verhandlungen und Gesprache mit dem zustandigen Insolvenzgericht. H Suche nach einer geeigneten und unabhangigen Person als vorlaufigem Insolvenzver-

walter (moglichst auch spaterem Sachverwalter). Diese Suche sollte in jedem Fall zu-sammen mit einem Insolvenzrichter durchgefiihrt werden.

8 Vorbereitung der reibungslosen Geschaftsbetriebsfortfiihrung im vorlaufigen Insol-venzverfahren.

M Antragstellung. 8 Zeitgleich mit der Antragstellung miissen die geplanten Veranderungen der Geschafts-

ftihrungs- und der Gesellschafterstrukturen umgesetzt werden. S Wahrend des vorlaufigen Insolvenzverfahrens sollte parallel die konkrete und detail-

lierte Planerstellung auf Grundlage der dargestellten Vorbereitung erfolgen.

17 Vgl. dazu auch Kapitel 4. 18 Vgl. dazu ausfiihrlich Kapitel 4 und 10..

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Unter diesen Voraussetzungen sollte es moglich sein, die Chancen, die die Eigenverwal-tung und das Planverfahren bieten, zu realisieren. Gelingt die Fortfuhrung durch Ein-satz dieser Instrumente, werden die Sicherheiten mit relativ geringen Ausfallen verwertet werden konnen. Weiterhin erhalten die Glaubiger iiber den Verwertungserlos ihrer Sicher­heiten hinaus eine Quote aus den erwirtschafteten Ergebnissen. Ein Besserungsschein kann die Ausfalle von Glaubigern daruber hinaus weiter reduzieren helfen. Im Falle der Sanierung des Unternehmenstragers konnen auch Verlustvortrage erhalten bleiben und so zu geringeren zukunftigen Steuerlasten fuhren. Auch in den Lieferungs- und Leis-tungsbeziehungen zu Kunden und Lieferanten bleiben die Vertragsverhaltnisse und damit eine notwendige Stabilitat erhalten. Letztendlich konnen die Obstruktionsmoglichkeiten einzelner Glaubiger durch eine Gruppenbildung im Planverfahren unterlaufen werden.

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Die Kreditvergabe im Rahmen eines Regelinsolvenzverfahrens beschrankt sich auf die Insolvenzgeldvorfinanzierung, die Gewahrung eines Massedarlehens. sowie die Einrau-mung eines Kreditrahmens im Zusammenhang mit der Durchfiihrung eines Insolvenz-planverfahrens.

13.1 Insolvenzgeldvorfinanzierung

In der Regel wird die erforderliche Liquiditat (und Rentabilitat) zur Fortfuhrung des be-troffenen Unternehmens nach Stellung des Insolvenzantrages im vorlaufigen Insolvenz-verfahren durch den Wegfall der Verpflichtung zur Zahlung der Lohne und Gehalter geschaffen. In diese Verpflichtung des Arbeitgebers tritt die Bundesanstalt fiir Arbeit ein. Jedoch erfolgt die Zahlung des Insolvenzgeldes erst nach Eroffnung des Insolvenz-verfahrens beziehungsweise der Abweisung des Antrags auf Insolvenzeroffnung mangels Masse. Sind bereits vor dem Insolvenzantrag die Lohne und Gehalter nicht mehr gezahlt worden und werden die Arbeitnehmer hinsichtlich der Entlohnung auf einen Zeitpunkt nach der Eroffnung des Insolvenzverfahrens verwiesen, wird es kaum moglich sein, diese zur Weiterarbeit zu motivieren.1

Gangige Praxis in solchen Fallen ist die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes durch ein Kreditinstitut, die aus den Insolvenzgeldzahlungen nach Verfahrenseroffnung zuruck-gezahlt wird.2

Die Bestimmungen zum Insolvenzgeld sind im dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) in den §§ 183 bis 189 enthalten. Ein Anspruch auf Insolvenzgeld gegen die Bundesanstalt fiir Arbeit besteht, wenn die Arbeitnehmer kein Arbeitsentgelt erhalten haben (§ 183 SGB III). MaBgeblieher Zeitraum fiir die Anspruche auf Insolvenzgeld sind die letzten drei Monate vor

M der Eroffnung des Insolvenzverfahrens oder # der Abweisung des Antrags auf Insolvenzeroffnung, # oder der vollstandigen Einstellung der Betriebstatigkeit ohne vorherigen Insolvenz­

antrag und offensichtlich bestehende Masselosigkeit.

Der Anspruch auf Insolvenzgeld umfasst alle aus dem betreffenden Arbeitsverhaltnis resultierenden und durchsetzbaren Lohnanspruche vermindert um die gesetzlichen Ab-

1 Vgl. Obermuhler in: Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 6. Aufl., Rn 5238. 2 Vgl. Wittig in: Schmidt/Uhlenbruck (Hrsg.), Die GmbH in der Krise, 3. Aufl., Rn. 1096.

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ziige, die das Arbeitsamt direkt an die zustandige Einzugsstelle zahlt (§ 208 Abs. 1 S. 1 SGB III). Die Lohnanspruche gehen mit der Stellung des Antrages auf die Bundesanstalt fur Arbeit iiber. Dadurch soil es der Bundesanstalt fur Arbeit als Inhaber der Entgelt-anspriiche ermoglicht werden, die erforderliche Sachverhaltsklarung hinsichtlich Hohe und Rechtsgrundlage der Entgeltanspruche durchzufiihren.

Der Antrag auf Zahlung des Insolvenzgeldes ist binnen einer Frist von zwei Monaten ab Stellung des Insolvenzantrags beim zustandigen Arbeitsamt (§ 327 Abs. 2 SGB III) durch den Anspruchsinhaber zu stellen. Wurden die Anspriiche gegen die Bundesanstalt fiir Arbeit vor Antragstellung auf einen Dritten tibertragen (§ 188 Abs. 1 SGB III), so ist der Antrag von diesem zu stellen. In einem Sammelantrag konnen auch die Anspriiche mehrerer Arbeitnehmer gleichzeitig beantragt werden.

In der Praxis sind zwei Moglichkeiten zur Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes ge-brauchlich (siehe Abschnitte 13.1.1 und 13.1.2):

13.1.1 Individuelles Verfahren

Jeder einzelne Arbeitnehmer trifft mit seiner Hausbank eine individuelle Vereinbarung, mittels derer er sein laufendes Konto um bis zu drei Monatsgehalter uberziehen kann.3

Die Ruckfiihrung erfolgt nach Auszahlung des Insolvenzgeldes an den Arbeitnehmer.

Das Risiko des Kreditinstitutes liegt bei diesem Vorgehen in der Bonitat des einzelnen Arbeitnehmers. Um sicherzustellen, in welcher Hohe der Insolvenzgeldanspruch besteht, sollte es sich eine Bestatigung des vorlaufigen Insolvenzverwalters iiber die Hohe des Arbeitsgeldes vorlegen lassen.4

13.1.2 Forderungskaufverfahren

Die Forderung des Arbeitnehmers wird vom finanzierenden Institut zum Nettowert ge-kauft.5 Der Schuldner dieser Forderung ist bis zur Stellung des Antrags auf Zahlung des Insolvenzgeldes beim Arbeitsamt der Arbeitgeber. Danach geht der Anspruch gegen den Arbeitgeber auf die Bundesanstalt fiir Arbeit iiber (§ 187 S. 1 SGB III) und dem finanzie­renden Institut wird das Insolvenzgeld spater ausgezahlt.

Ein Abtretungsverbot nach § 400 BGB i.V.m. §§ 850 ff. ZPO hindert den Forderungs-erwerb der Bank nicht, da der Abtretende vom Abtretungsempfanger eine gleichwertige Leistung enthalt.

3 Vgl. Obermiiller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 6. Aufl., Rn 5243. 4 Vgl. Obermiiller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn 5259b. 5 Vgl. Obermiiller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn 5243.

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Arbeitnehmer (T) Anspruch auf Arbeitslohn

Verkauf des Anspruchs auf Arbeitslohn (mitZustimmung AA)

s? ©!?-

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Arbeitgeber

(D Anspruch auf Arbeitslohn

Kreditinstitut K x ' (3)Anspruch auf Insolvenzgeld

J_

Bundesanstalt fur Arbeit

Abbildung 48: Vorfinanzierung von Insolvenzgeld (Forderungskaufverfahren I)

Erfolgt die Finanzierung auf diese Weise, geht das Risiko, dass das Insolvenzgeld aus-gezahlt wird, auf die Bank uber, weswegen die angekaufte Forderung hinsichtlich ihres Bestandes und ihrer Hohe genau iiberpruft werden muss.

Arbeitnehmer

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Zahlung Arbeitsl

Kreditinstitut

Dhn

(?) Zahlung Insolvenzgeld

Arbeitgeber

1

(D Zahlung Arbeitsl

Bundesarbeit fur Arbeit

Dhn

Abbildung 49: Vorfinanzieung von Insolvenzgeld (Forderungskaufverfahren II)

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Ausdriicklich vereinbart werden muss mit dem Arbeitnehmer eine Riickerstattung des Betrages fiir den Fall, dass er den Anspruch auf Arbeitsentgelt bereits zuvor abgetreten oder verpfandet hatte.6

13.1.3 Umfang des Insolvenzgeldes

Fiir den Fall des Forderungskaufes ist es wichtig, den Bestand und die Hohe des zu er-wartenden Insolvenzgeldes zu uberpriifen.

Anspruch auf Insolvenzgeld besteht nur fiir die letzten drei Monate vor Eroffnung des Insolvenzverfahrens (§ 183 Abs. 1 SGB III). Wird zum Beispiel das Insolvenzverfahren durch Beschluss des Insolvenzgerichts am 1. April eroffnet, so besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld fiir den Zeitraum von Januar bis einschlieBlich Marz. Hat der Arbeitgeber die Zahlung des Arbeitsentgeltes bereits im November des Vorjahres eingestellt, so sind diese Forderungen nicht durch den Anspruch auf Insolvenzgeld abgedeckt. Aus diesem Grund ist der vorlaufige Insolvenzverwalter bestrebt, das vorlaufige Insolvenzverfahren spatestens drei Monate nach Zahlung der letzten Lohne und Gehalter zu beenden. Dauert das vorlaufige Insolvenzverfahren in Ausnahmefallen dennoch langer, so besteht die Ge-fahr, dass die zur Finanzierung abgetretenen Forderungen teilweise auBerhalb der Drei-Monats-Frist liegen. Ist im obigen Beispiel das Insolvenzverfahren erst am 1. Mai eroffnet worden und hat das Kreditinstitut zur Sicherheit die Entgeltanspriiche der Monate Januar bis Marz erworben, so konnen von dem Kreditinstitut nur die Anspriiche aus den Monaten Februar und Marz gegeniiber der Bundesanstalt fiir Arbeit geltend gemacht werden. Eine

Abbildung 50: Insolvenzgeld

6 Vgl. Obermiiller, a.a.O., Rn 5253.

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Umgehung dieses Problems durch eine revolvierende Finanzierung, bei der der laufende Monat erst von der Vorfinanzierung erfasst wird, wenn jeweils die Entgeltanspriiche des dritten vorangegangenen Monats beglichen sind, ist rechtsmissbrauchlich.7

Bei einer Vorfinanzierung sollten daher auch immer die Zeitraume der Insolvenzgeld-anspriiche gepruft werden.

Die Hohe des Insolvenzgeldes wird nach § 185 Abs. 1 SGB III durch das Nettoarbeits-entgelt begrenzt und umfasst alle vertragsmaBigen Vergutungen des Arbeitnehmers wie zum Beispiel Lohn, Gehalt, Honorar, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Zulagen, ver-mogenswirksame Leistungen, Urlaubsgelder, Spesen.8

Der Zinsanspruch, der in der Zeit zwischen Auszahlung der Finanzierung und Erstattung des Insolvenzgeldes durch die Bundesanstalt fiir Arbeit entsteht, gehort nicht zum Insol-venzgeld.9 Von daher sind diese Zinsanspruche bis zur Beantragung des Insolvenzgeldes nach § 55 Abs. 2 InsO Masseschulden, wenn der Insolvenzverwalter mit Verfugungs-befugnis handelt, anderenfalls „einfache" Insolvenzforderungen.10

Nach § 188 Abs. 4 SGB III besteht der Anspruch auf Zahlung des Insolvenzgeldes ge-geniiber einem Dritten (Bank) nur, wenn das Arbeitsamt ausdrucklich der Ubertragung zugestimmt hat. Die Zustimmung des Arbeitsamtes ist dabei an eine positive Prognose zum Erhalt von Arbeitsplatzen im Rahmen eines Sanierungsversuches geknupft.11 Uber-zeugende Tatsachen sind zum Beispiel erste Umsetzungen konkreter SanierungsmaBnah-men, ein Ubernahmeangebot eines Interessenten oder ein Gutachten des Insolvenzver-walters zur Fortfiihrung des Unternehmens.12

13.1.4 Forderung der Bundesanstalt fiir Arbeit gegen den Arbeitgeber

Durch die Zahlung des Insolvenzgeldes gehen die Anspriiche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber nach § 187 S. 1 SGB III auf die Bundesanstalt fiir Arbeit iiber. Im Falle eines vorlaufigen Insolvenzverwalters mit Verfiigungsbefugnis, sind diese Anspriiche nach § 55 Abs. 2 InsO Masseverbindlichkeiten. Um die Belastung der Masse zu vermei-den, fuhrte dies unter anderem dazu, dass regelmaBig nur Verwalter ohne Verfiigungs­befugnis eingesetzt wurden, sodass die Bundesanstalt fiir Arbeit nur eine Insolvenzfor-derung erwarb.13

7 Vgl. Wittig, in Schmidt/Uhlenbruck (Hrsg.) Die GmbH in der Krise, 3. Aufl., Rn 1120. 8 Vgl. Obermiiller, a.a.O., Rn 5 248. 9 Vgl. BSG vom 28.02.1985 - Rar 19/83 in ZIP 1985, S. 626. 10 Vgl. Obermiiller, a.a.O., Rn 5 249 f. 11 Vgl. Hinkelmann in: Beck/Mohlmann (Hrsg.), Sanierung und Abwicklung in der Insolvenz, 2000, S. 169. 12 Vgl. Insg-DA zu § 188 SGB III 4.2 Abs. 7. 13 Vgl. Pape in: Kubler/Prutting (Hrsg.), InsO, 2004, § 55 Rn 81.

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Der durch das Insolvenzrechtsanderungsgesetz erganzte § 55 Abs. 3 InsO qualifiziert nun auch die Anspruche der Bundesanstalt fiir Arbeit bei Bestellung eines vorlaufigen Insolvenzverwalters mit Verfugungsbefugnis als „einfache" Insolvenzforderungen.

13.2 Exkurs: Einsatz einer Transfergesellschaft zur Durchfiihrung von PersonalmaRnahmen

Im Fall einer tibertragenen Sanierung oder einer geplanten Teilbetriebsstilllegung kann der Einsatz einer Transfergesellschaft (fruher: Beschaftigungs- und Qualifizierungs-gesellschaft, BQG) fiir die Insolvenzmasse vorteilhaft sein.

Dabei versteht man die Transfergesellschaft als Sozialeinrichtung privaten Rechts, die nach § 216b SGB III mit Transferkurzarbeitergeld gefordert werden.14 Mit den betrof-fenen Mitarbeitern werden Aufhebungs- und Transfervertrage geschlossen. Ziel ist es, diese unter Vermeidung einer Entlassung moglichst schnell fiir eine dauerhafte Neu-beschaftigung zu qualifizieren und in der Ubergangszeit eine soziale Absicherung zu gewahren.

Vorteile fiir die betroffenen Mitarbeiter sind:

W Hinauszogern der Arbeitslosigkeit durch ein neues befristetes Arbeitsverhaltnis mit der Transfergesellschaft,

W sozialversicherungsrechtliche Besserstellung gegeniiber einer Arbeitslosigkeit durch Weiterzahlung der Sozialversicherungsbeitrage und

&* verbesserte Aussichten auf dem ersten Arbeitsmarkt durch QualifizierungsmaBnah-men.

Vorteile fiir die Insolvenzmasse/fiir den Insolventverwalter:

W rechtskraftige Beendigung der betroffenen Arbeitsverhaltnisse, Si betrieblich angepasste Personalausstattung, W Vermeidung der § 613 a BGB - Problematik und ^ geringere Kosten im Vergleich zu den Kundigungsfristen des § 113 InsO.

Die Insolvenzmasse muss im Wesentlichen die Sozialversicherungsbeitrage fiir die Zeit der Kurzarbeit, Lohnleistungen fiir Urlaub und bezahlte Feiertage, Qualifizierungs-kosten, Berufsgenossenschaftsbeitrage sowie die Verwaltungskosten der Transfergesell­schaft leisten.15 Zudem hat sich in der Praxis eine freiwillige Aufstockung des Trans-ferkurzarbeitergeldes (z.B. auf 80 Prozent des letzten Nettolohns) und die Vereinbarung einer „Sprinter-Pramie", d.h. fiir jeden Monat, den die Mitarbeiter aus der Transfergesell-

14 Vgl. PraB, in Transfergesellschaften in der Insolvenzpraxis, ZInsO 23/2004, S. 1286. 15 Vgl. PraB, in Transfergesellschaften in der Insolvenzpraxis, ZInsO 23/2004, S. 1289.

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schaft in ein neues Arbeitsverhaltnis wechseln, erhalten sie eine Pramie ausgezahlt, als forderlich erwiesen.

Die Obergrenze der an die Transfergesellschaft aus der Masse zur Verfugung gestellten betrage sollte sich an den alternativ zu leistenden Personalkosten fur die Klindigungs-fristen nach § 113 InsO richten.

13.3 Kreditaufnahme im vorlaufigen und eroffneten Verfahren

Zur Fortfuhrung des Betriebes im Insolvenzantragsverfahren ist die Aufnahme neuer Kredite, so genannter Massedarlehen oder Massekredite, zumeist unvermeidlich.16 Eine Finanzierung durch Kreditinstitute kann jedoch nur erreicht werden, wenn die daraus entstehenden Forderungen in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren bevorrechtigt erfullt werden.

Auch im eroffneten Verfahren ist der Abschluss neuer Kreditvertrage meist unumgang-lich. Durch die Eroffnung des Insolvenzverfahrens erloschen nach §§ 116 S. 1, 115 Abs. 1 InsO die bestehenden Kontokorrentvertrage und die allgemeinen Bankvertrage.17

13.3.1 Kreditaufnahme

Im Antragsverfahren wird der vorlaufige Verwalter haufig bereits unmittelbar oder nach wenigen Tagen einen Massekredit benotigen, um den Einkauf von Vormaterialien si-cherstellen zu konnen. Es wird ein Kreditrahmen zur Verfugung gestellt, der entspre-chend abgesichert werden muss. Bei einem „schwachen vorlaufigen Insolvenzverwalter" werden Verwalter und Geschaftsfuhrung des insolventen Unternehmens das Darlehen beantragen und die notwendigen Sicherheiten (in der Regel Zession der Neu-Debitoren) stellen.

Mit Eroffnung des Insolvenzverfahrens geht nach § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfugungsbefugnis iiber das zur Insolvenzmasse gehorende Vermogen auf den Insol­venzverwalter iiber. Nur noch der Insolvenzverwalter kann demnach neue Kreditvertrage im eroffneten Insolvenzverfahren abschlieBen und hierfur Sicherheiten bestellen.

Nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 InsO ist hierzu die Zustimmung des Glaubigerausschusses bzw. die Glaubigerversammlung erforderlich. Dies gilt jedoch nur fur Darlehen, die die Insol­venzmasse erheblich belasten. Die Wirksamkeit der Darlehensaufnahme wird von der

16 Vgl. Wittig in: Schmidt/Uhlenbruck (Hrsg.), Die GmbH in der Krise, 1997, Rn 1070. 17 Vgl. Wittig, a.a.O., Rn 1463.

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fehlenden oder zu Unrecht nicht eingeholten Zustimmung allerdings nicht beriihrt (§ 164 InsO).

Eine andere Moglichkeit zur Generierung notiger Finanzierungsmittel ist der so genannte „verdeckte" Massekredit. Hierbei trifft der Insolvenzverwalter mit dem Kreditinstitut, zu dessen Gunsten die vorinsolvenzlichen Forderungen abgetreten waren, eine Verein-barung, diese Forderungen einzuziehen. Dabei wird der Zeitpunkt der Auskehrung an das Kreditinstitut auf einen spateren Zeitpunkt verlagert, sodass die Finanzierung der Vormaterialen sichergestellt ist.

Um die Hohe der erforderlichen Finanzierungen zu ermitteln, werden die zukunftigen Ergebnisse des Unternehmens nach Kalenderwochen geplant und hieraus eine wochent-liche Liquiditatsplanung erstellt, die insbesondere aufgrund der Unsicherheiten in der Insolvenzsituation mit der gebotenen kaufmannischen Vorsicht zu erstellen ist.

13.3.2 Sicherheiten

Hat das Insolvenzgericht dem vorlaufigen Insolvenzverwalter die Verfugungsbefugnis nach § 22 Abs. 1 InsO ubertragen, so werden die Forderungen aus den mit ihm abge-schlossenen Kreditvertragen Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 2 InsO). Dagegen kann der vorlaufige Insolvenzverwalter ohne Verfugungsbefugnis keine Masseverbindlich­keiten begninden, sodass die Forderungen aus neu abgeschlossenen Kreditvertragen ein-fache Insolvenzforderungen sind.

Fur Masseverbindlichkeiten haftet der Insolvenzverwalter nach § 61 InsO personlich, wenn er bei Abschluss des Vertrages erkennen konnte, dass die Masse nicht zur Erfiillung ausreichen wurde. Zu seiner Entlastung muss der Insolvenzverwalter einen plausiblen Liquiditatsplan erstellen und diesen in regelmaBigen Abstanden aktualisieren.18 Jedoch wird bei der Aufnahme von Massekrediten regelmaBig die personliche Haftung des Ver-walters ausdrucklich ausgeschlossen. Die personliche Haftung kann auBerdem nicht als ausreichende Sicherheit fiir die Vergabe des Kredites angesehen werden.19

RegelmaBig ist daher die Bestellung von neuen Sicherheiten bei der Vergabe eines Darle-hens unumganglich. Fiir den Fall, dass die Insolvenzmasse nicht zur Deckung samtlicher Masseverbindlichkeiten ausreicht, wiirden die Verbindlichkeiten aus neu aufgenomme-nen Darlehen als „iibrige Masseverbindlichkeiten" erst nach den Kosten des Insolvenz-verfahrens und der nach Anzeige der Masseunzulanglichkeit begrundeten Verbindlich­keiten befriedigt (§ 209 InsO). Dariiber hinaus gehoren zu den ubrigen Verbindlichkeiten auch die Verbindlichkeiten aus einem eventuell abgeschlossenen Sozialplan, die zwar auf ein Drittel der Masse begrenzt sind, die Ruckzahlung des Neukredites jedoch reduzieren konnen.

18 Vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2004 - IX ZR 185/03 - ZIP 7/2005, S. 311. 19 Vgl. Wittig, a.a.O., Rn 1081.

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Konnen Sicherheiten eines Dritten (zum Beispiel Landesbiirgschaften bei GroBverfahren) nicht dargestellt werden, so konnen sie aus der Insolvenzmasse durch den Insolvenzver-walter bestellt werden.20

Ergibt sich bei der Erstellung des Vermogensstatus, dass Gegenstande des Aktivver-mogens noch frei von Sicherungsrechten sind, so konnen zunachst diese zur Sicherheiten-stellung eingesetzt werden.

Die „klassische" Moglichkeit ist die Abtretung der zukunftigen Forderungen, die im Rahmen der Fortfuhrung des Geschaftsbetriebes entstehen.

Dariiber hinaus stellen die so genannten Kostenbeitrage ein weiteres Sicherheitenpoten-zial dar, das als Besicherung fiir die Kredite abgetreten werden kann. Diese Anspriiche der Insolvenzmasse gegen die Glaubiger konnen durch eine Abtretung als Sicherheit fiir neue Kredite genutzt werden.

Ein kurzer Exkurs zu den Kostenbeitragen: Dem Insolvenzverwalter steht das Recht zu, bewegliche Sachen, die sich in seinem Besitz befinden und an denen ein gesetzliches Pfandrecht, ein erweiterter oder verlangerter Eigentumsvorbehalt besteht, zu verwerten (§ 166 Abs. 1 InsO). Gleiches gilt fiir Forderungen, die der Schuldner vor Eroffnung des Insolvenzverfahrens abgetreten hat (§ 166 Abs. 2 InsO).

Von den erzielten Verwertungserlosen miissen nach § 170 Abs. 1 InsO vor der Auskehr der Erlose an die berechtigten Glaubiger die Kosten, die durch die Feststellung und die Verwertung durch den Insolvenzverwalter entstehen, der Masse zugefiihrt werden. Dabei sind fiir die Feststellung pauschal 4 und fiir die Verwertung 5 vom Hundert der Verwer-tungserlose anzusetzen - die so genannten Kostenbeitrage (§ 171 InsO). Es sind - soweit wirtschaftlich sinnvoll - grundsatzlich alle Anspriiche auf Kostenbeitrage als Sicherheit „hereinzunehmen", insbesondere wenn der Insolvenzverwalter individuell hohere Kos­tenbeitrage vereinbart hat.

Wird das Aktivvermogen des insolventen Unternehmens als Einheit im Rahmen eines Asset-Deals verauBert, so wird auch der darin enthaltene, meist von Rechten Dritter freie Firmenwert die Insolvenzmasse mehren und somit auch als potenzielles Sicherungsgut dienen konnen.

Hinweise zum Firmenwert sind aus der Aufstellung des Verzeichnisses der Massegegen-stande nach § 151 InsO ersichtlich. In dieser Aufstellung sind die Vermogenswerte des Unternehmens jeweils fiir den Fall der Fortfuhrung und fiir den Fall der Zerschlagung des Unternehmens anzugeben. Die Differenz zwischen Fortfiihrungs- und Zerschla-gungswerten (oder ein Teil davon) kann als der Firmenwert interpretiert werden.21 Da dieser frei von Sicherungsrechten ist, steht der auf ihn entfallende Kaufpreisanspruch in vollem Umfang der Masse zu.

20 Vgl. Wittig, a.a.O., Rn 1082. 21 Vgl. Holzer in: Kubler/Priitting (Hrsg.), InsO, 2002, § 151 Rn 16.

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13.4 Finanzierung eines Insolvenzplanverfahrens

Ziel des Insolvenzplanverfahrens ist es, den Glaubigern die Bewaltigung der Unterneh-menskrise im Rahmen des Verfahrens zu ermoglichen. Kernpunkt des Verfahrens ist der Insolvenzplan, in dessen gestaltendem Teil eine Regelung zur Stellung von Kreditforde-rungen getroffen werden kann. Dabei kann insbesondere ein Vorrang fiir die Forderun-gen aus neu aufgenommenen Krediten gegeniiber den Insolvenzglaubigern eingeraumt werden.

Als Masseverbindlichkeiten sind neu aufgenommene Darlehen privilegiert, wenn sie

• im vorlaufigen Insolvenzverfahren von einem Insolvenzverwalter mit Verfugungs-befugnis oder

• im eroffneten Verfahren vor Bestatigung des Insolvenzplanes vom Insolvenzverwalter

eingegangen werden.

Diese Privilegierung ist durch einen Insolvenzplan nicht aufhebbar oder einschrankbar.22

Nach Bestatigung des Insolvenzplanes sind gemaB § 258 InsO die unstreitigen Massever­bindlichkeiten im Rahmen der Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu erfiillen. Fiir strei-tige Verbindlichkeiten miissen Sicherheiten geleistet werden. Nach dieser Regelung ware ein im Insolvenzverfahren gegebener Kredit in der Zeit nach Bestatigung des Planes und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nur weiter nutzbar, wenn er als Masseverbind-lichkeit zuriickgezahlt und nach Aufhebung des Verfahrens erneut gewahrt wiirde. In einer Anschlussinsolvenz nach der Bestatigung des Insolvenzplanes hatten die im Laufe des Verfahrens gegebenen Darlehen dadurch ihren privilegierten Charakter verloren.23

11.4.1 Regelungen im Insolvenzplan

Um die Privilegierung zu erhalten, sind Abweichungen von der gesetzlichen Regelung im Rahmen des Insolvenzplanes moglich, um den Fortbestand des betroffenen Unterneh-mens zu ermoglichen, da dieses nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens in der Regel nicht uber die notwendigen Kreditsicherheiten verfiigt.24

11.4.2 Kreditarten

Neben der Vergabe von Neukrediten konnen auch Darlehen, die schon wahrend des vor­laufigen Insolvenzverfahrens vor Annahme und Bestatigung des Insolvenzplanes zur

22 Vgl. Wittig, in Schmidt/Uhlenbruck (Hrsg), Die GmbH in der Krise, 3. Aufl, Rn 1078. 23 Vgl. Wittig, a.a.O., Rn 1690. 24 Vgl. Otte in: Kiibler/Priitting (Hrsg.), InsO, 2002, § 264 Rn 2.

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Fortfuhrung des Geschaftsbetriebes ausgereicht wurden, durch eine Regelung im Insol-venzplan im Rang bevorzugt werden (§ 264 Abs. 1 InsO).

Die Privilegierung kann fiir alle Finanzierungsformen von Kreditinstituten oder Liefe-ranten vereinbart werden. Ausgeschlossen ist sie nach § 264 Abs. 3 InsO fiir eigenkapital-ersetzende Gesellschafterdarlehen, die als nachrangige Insolvenzforderungen qualifiziert sind (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).

13.4.3 Kreditrahmen

Der Kreditrahmen fiir das Insolvenzplanverfahren wird gemaB § 264 Abs. 1 S. 3 InsO zum Schutz der Neuglaubiger auf das im Insolvenzplan festgestellte Aktivvermogen nach § 229 InsO begrenzt, um eine mogliche Uberschuldung zu vermeiden. Wird der Kredit­rahmen uberschritten, so gilt die Privilegierung nach § 264 InsO auch fiir die den Rah-men uberschreitenden Kredite zu Lasten der Insolvenzglaubiger und der Neuglaubiger im Sinne des § 265 InsO.25

Voraussetzung fiir die Bevorzugung der Forderungen aus den privilegierten Darlehens-vertragen gegenuber den Forderungen der Insolvenzglaubiger und den im Planverfahren entstandenen Forderungen ist, dass mit dem Insolvenzverwalter schriftlich vereinbart wird, in welcher Hohe das gewahrte Darlehen inklusive moglicher Nebenleistungen (Ka-pital, Zinsen und sonstige Kosten) innerhalb des von § 264 Abs. 1 Satz 3 InsO gesetzten Rahmens privilegiert sind.

Darlehensvertrag: \ . - mit dem vorlaufigen Verwalter mit Verfiigungsbefugnis \ . - oder mit dem Insolvenzverwalter \,, - schriftliche Bestatigung durch den Verwalter / - nicht hoher als das Aktivvermogen / - Vereinbarung des Vorrangs im Insolvenzvertrag /

< ^ Insolvenzantrag

Eroffnungsbeschluss^>i

Vorlaufiges Verfahren

Aufhebung der Uberwachung^>

l~ni u 7^7- J u \ rlanoGstatigung durch ^

1 Insolvenzrecht ^ >

Insolvenzverfahren Uberwachungsphase >

Abbildung 51: Dauer der Privilegierung fiir neue Darlehen

25 Vgl. Otte, in Kubler/Priitting (Hrsg.), InsO 2004, § 264 Rn 10 f.

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13.4.4 Dauerder Privilegierung

Die Privilegierung hat nur in einem Insolvenzverfahren Bestand, das vor der Aufhebung der Uberwachung eroffnet wird (§ 266 InsO). Eine solche Uberwachung wird gemaG § 268 Abs. 1 InsO nach Erfiillung der Anspruche oder Sicherstellung der Erfiillung, aber spatestens drei Jahre nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens beendet. Zu diesem Zeit-punkt endet auch der Vorrang der im Insolvenzplanverfahren gegebenen Darlehen.

Um den Vorrang fur den gegebenen Kredit nicht zu verlieren, sollte die Laufzeit des Kredites nicht iiber die Dauer der Oberwachungsphase hinausgehen.26

Jedoch kann das Insolvenzgericht beschliefien, die Uberwachung schon vor der in § 268 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorgesehenen Hochstdauer von drei Jahren zu beenden, wenn die An­spruche erfullt sind. Der Beschluss des Insolvenzgerichts wird den vorrangigen Glaubi-gern nicht vor der Bekanntmachung angekundigt. Es wird daher angeraten, einen engen Kontakt zum Insolventverwalter zu halten, um rechtzeitig auf die Beendigung der Uber­wachung zu reagieren.27

13.4.5 Gesetzlicher Glaubigerschutz

Problematisch erweist sich die Tatsache, dass das nach § 229 InsO im Plan festgestellte Aktivvermogen auf einen Stichtag bezogen ist und durch die Fortfuhrung der Unterneh-mung bei der Privilegierung eines Neukredites unter Umstanden nicht mehr in gleicher Hohe besteht.28

Werden wahrend der Zeit der Uberwachung im Unternehmen Gewinne erzielt, so vergro-Bert sich das Aktivvermogen. Entstehende Verluste verringern es jedoch, wodurch eine Uberschuldungssituation eintreten kann, die zur Insolvenzantragspflicht fiihrt.

Wenn im Insolvenzplan die Fortfuhrung des Unternehmens beabsichtigt ist, so werden fiir den Status nach § 229 InsO Fortfuhrungswerte angenommen. Droht jedoch eine An-schlussinsolvenz des Unternehmens, mussten die wesentlich geringeren Liquidations-werte im Vermogensstatus angesetzt werden. Eine Schutzfunktion fiir die Kreditglau-biger ist also nur dann vollstandig, wenn der Kreditrahmen auf das Aktivvermogen zu Liquidationswerten begrenzt ist.29

26 Vgl. Obermuller/Hess, InsO, 1998, Rn 692 f. 27 Vgl. Wittig, a.a.O., Rn 1694. 28 Vgl. Otte, in Kubler/Pritting (Hrsg.), InsO, 2004, § 264 Rn 13. 29 Vgl. Otte, a.a.O., § 264 Rn 13.

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Ziele der Insolvenzordnung waren:

zum einen die Insolvenzmasse durch schadigende Glaubiger- oder Schuldnerzugriffe zum Zeitpunkt des Eintreffens der Insolvenz zu schiitzen und

zum anderen die Insolvenzmasse durch Anfechtung von bereits zum Zeitpunkt der Krise schadigenden Glaubiger- und Schuldnerhandlungen anzureichern.

Fur das erstgenannte Ziel stehen dem Insolvenzverwalter durch das Gericht iibertragene, umfangreiche SicherungsmaBnahmen zur Verfiigung, auf die an anderer Stelle einge-gangen wird.

Fur den Fall, dass durch Vermogensverschiebung des Schuldners oder Vollstreckungs-zugriff des Glaubigers im Vorfeld des Insolvenzverfahrens - also in der Krise des Unter-nehmens - die Masse zum Nachteil aller Glaubiger (erheblich) geschmalert wurde, ist durch eine allgemeine Verscharfung der Anfechtungsmoglichkeiten und Ausweitung der Anfechtungstatbestande sowie durch eine allgemeine Erleichterung der Beweisfuhrung dem Insolvenzverwalter ein Instrument in die Hand gegeben worden, um die vor der Ver-fahrenseroffnung schadliche Schmalerung der Masse wirtschaftlich „ruckgangig" zu machen und somit die Masse anzureichern.

Fur Banken und Sparkassen gilt es daher, im vorinsolvenzlichen Bereich ihre Besiche-rungen so weit als moglich anfechtungssicher zu gestalten bzw. potenzielle Anfechtungs­tatbestande auszuschlieBen.

Die Insolvenzordnung regelt die Anfechtungsmoglichkeiten sowie die Voraussetzungen zur Anfechtung in den §§ 129 ff. InsO. Insbesondere sind die §§ 130 (kongruente De-ckung) und 131 (inkongruente Deckung) InsO fiir den Intensivbetreuer eines in der Krise befindlichen Unternehmens von groBer Bedeutung.

So gilt es darzustellen, welche Strategien gewahlt werden konnen, um das Risiko einer Inanspruchnahme im Rahmen von Anfechtungsprozessen zu minimieren bzw. zu ver-hindern. Dazu werden im Folgenden die fiir Kreditinstitute wichtigsten Anfechtungstat­bestande und deren Anfechtungsvoraussetzungen dargestellt. Weiterhin wird insbeson­dere auf die Risiken der Bank, die bei der Verrechnung von Kontogutschriften eines in der Krise befindlichen Unternehmens entstehen konnen, eingegangen.

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14.1 Anfechtungsvoraussetzungen

Mochte der Insolvenzverwalter die Moglichkeit der Masseanreicherung durch Anfech-tung wahrnehmen, miissen die Anfechtungsvoraussetzungen gegeben sein.1

14.1.1 Anfechtungsgegenstand

Generell richtet sich die Anfechtung gegen Rechtshandlungen. Hierzu zahlen Verfiigun-gen, Willenserklarungen und rechtsgeschaftsahnliche Handlungen, die die Insolvenz-glaubiger in ihrer Gesamtheit benachteiligen. Diese miissen nach § 129 InsO vor der Er-bffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sein. Der maBgebende Zeitpunkt der Rechtshandlung ist dabei der Eintritt der rechtlichen Wirkung der Rechtshandlung (§ 140 InsO). Die Rechtshandlung muss die Insolvenzglaubiger benachteiligt haben.

Durch den § 129 Abs. 2 InsO wird eine Unterlassung einer Rechtshandlung gleichge-stellt, wobei unbewusste oder fahrlassige Unterlassungen nicht als positive Handlungen angesehen werden.

Bei einer Unterlassung ist der Zeitpunkt maBgebend, zu dem die unterlassene Rechts­handlung letztmals noch hatte getatigt werden konnen.

Vollzieht sich eine Rechtshandlung in mehreren Teilakten wie zum Beispiel bei einer Be-stellung einer Grundschuld, ist nach § 140 Abs. 2 auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die Willenserklarung des Schuldners bindend geworden ist und der andere Teil (Glaubi-ger) den Antrag auf Eintragung der Rechtsanderung gestellt hat.

14.1.2 Anfechtungsberechtigter

Im Regelinsolvenzverfahren ist nach Verfahrenseroffnung nur der Insolvenzverwalter zur Anfechtung befugt. Dabei ist der Antrag auf Eroffnung des Insolvenzverfahrens in alien Fallen der Anfechtungstatbestande der §§ 130 ff. InsO der maBgebende Zeitpunkt, von dem ruckwirkend Rechtsgeschafte angefochten werden konnen.

Im vorlaufigen Verfahren stehen dem Insolvenzverwalter keine Anfechtungsrechte zu.

Im Verbraucherinsolvenzverfahren hat der Treuhander keine Anfechtungsrechte - die Glaubigerversammlung kann nach § 313 Abs. 2 InsO jedoch einzelne Glaubiger mit der Anfechtung beauftragen.

Liegt eine Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. InsO vor, hat der Sachwalter das Recht zur Anfechtung von Rechtshandlungen (§ 280 InsO).

1 Vgl. Obermuller/Hess, InsO, 2. AufL, Rn 233 ff.

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Der Anfechtungsanspruch der Anfechtungsberechtigten verjahrt gemaB § 146 Abs. 1 zwei Jahre nach der Eroffnung des Insolvenzverfahrens.

14.1.3 Anfechtungsgrund

Wesentliche Voraussetzung zur Anfechtung ist nach § 129 InsO die Benachteiligung der Insolvenzglaubiger in ihrer Gesamtheit durch Rechtshandlungen vor Verfahrenseroff-nung. Die Rechtshandlung muss dabei das den Insolvenzglaubigern nach § 35 InsO zur Befriedigung dienende Haftungsvermogen betreffen.

Das Vorliegen einer solchen Vermogensbenachteiligung wird danach beurteilt, ob die Befriedigung der Glaubiger nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten beeintrachtigt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn ohne die anfechtbare Rechtshandlung die Befriedigung der Insolvenzglaubiger gunstiger gewesen ware, das heiBt die Befriedigung durch die Rechts­handlung vermindert, vereitelt, erschwert oder verzogert wurde.

Vor diesem Hintergrund scheiden aufgrund des Mangels an Glaubigerbenachteiligung aus:2

• Riickgewahr von verkauften Vermogensgegenstanden die zu keiner Mehrung der In-solvenzmasse fiihren, wie zum Beispiel der Verkauf einer iiber den Verkehrswert hi-naus dinglich oder mit Pfandrechten belasteten Sache,

H Geschafte bei denen gleichwertige Leistungen Zug um Zug ausgetauscht werden - so genannte Bargeschafte § 142 InsO,

33 Verfiigungen in Bezug auf schuldnerfremde, unpfandbare oder nicht werthaltige Ge-genstande,

H Einraumung einer Sicherheit durch einen Dritten.

14.1.4 Anfechtungsgegner

Anfechtungsgegner konnen die Insolvenzglaubiger nach § 38 InsO sowie deren Erben oder Gesamtnachfolger nach § 145 Abs. 1 InsO sein.

Das Anfechtungsrecht gegenuber sonstigen Rechtsnachfolgern ist im § 145 Abs. 2 InsO geregelt und wird geltend gemacht, wenn

M dem Rechtsnachfolger zum Zeitpunkt seines Erwerbs die Umstande bekannt waren, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs des Rechtsvorgangers begrunden,

W. der Rechtsnachfolger zum Zeitpunkt seines Erwerbs zu den Personen gehorte, die dem Schuldner nahe stehen (vgl. a. a. O.) es sein denn, dass ihm zu dieser Zeit die

2 Vgl. auch Bales, in: Anfechtung und Aufrechnung in der neuen Insolvenzordnung, Kredit & Rating Praxis, 01/2002, S. 28.

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Umstande unbekannt waren, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs seines Rechts-vorgangers begriinden oder

H wenn dem Rechtsnachfolger das Erlangte unentgeltlich zugewendet worden ist.

Aufgrund der Vermutung der besonderen Kenntnis iiber den Insolvenzeroffnungsantrag des Schuldners (z.B. die Zahlungsunfahigkeit), nehmen die so genannte nahe stehenden Personen eine besondere Kategorie bei den Anfechtungsgegnern ein, da sie einen gerin-geren Schutz genieBen. Bei ihnen wird im Fall der kongruenten Deckung nach § 130 Abs. 3 InsO und im Fall der inkongruenten Deckung nach § 131 Abs. 2 Satz 2 InsO die Bos-glaubigkeit vermutet.3

Es wird gem. § 138 InsO zwischen personlich und gesellschaftsrechtlich nahe stehenden Personen unterschieden.

Ist der Schuldner eine naturliche Person, so sind nahe stehende Personen:

•<- der Ehegatte des Schuldners (auch im Falle der EheschlieBung nach der Rechtshand-lung oder im letzten Jahr vor der Rechtshandlung);

'%•* seine oder seines Ehegatten Verwandten in auf- und absteigender Linie und voll- und halbburtige Geschwister sowie deren Ehegatten;

'£ Personen, die in hauslicher Gemeinschaft mit ihm leben oder im letzten Jahr davor gelebt haben.

Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersonlich-keit, so sind nahe stehende Personen:

i? die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und personlich haftende Gesell-schafter des Schuldners sowie Personen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind;

^ eine Person oder eine Gesellschaft, die aufgrund einer vergleichbaren gesellschafts-rechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner die Moglichkeit hat-ten, sich iiber dessen wirtschaftliche Verhaltnisse zu unterrichten;

& eine Person, die zu einer der o.g. bezeichneten Personen in einer personlichen Verbin­dung steht, es sein denn, dass sie kraft Gesetzes in den Angelegenheiten des Schuld­ners zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.

3 Zum Fall der vorsatzlichen Benachteiligung vgl. Abschnitt 14.7. Vorsatzliche Glaubigerbenachteiligung durch Vertrage mit nahestehenden Personen.

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14.2 Anfechtungswirkung

Die erfolgreich durch einen Insolvenzverwalter durchgefuhrte Anfechtung hat zur Folge, dass der Anfechtungsgegner das Empfangene an die Insolvenzmasse zuruckzugewahren hat. Gewahrt dieser das Erlangte zuriick, so leben nicht nur kraft Gesetz und riickwir-kend die ursprunglichen Forderungen (§ 143 InsO) des Glaubigers, sondern auch deren Sicherung - soweit sie unanfechtbar begrundet worden sind - wieder auf.

Da es sich bei einer anfechtbaren Rechtshandlung nicht um einen Schadenersatzanspruch handelt, sind die Anspruche in „Natur" zuruckzugeben.4

Bei beweglichen Gegenstanden wird die Ruckubertragung des Besitzes oder des Ei-gentums gefordert. Bei Grundstucken haben die Ruckauflassung und die Eintragung des Schuldners als Eigentumer zu erfolgen.5

Bei einem anfechtbaren Erwerb von Grundpfandrechten hat der Erwerber in der Form des § 1168 Abs. 2 BGB auf das anfechtbare erworbene Recht zu verzichten. Der Verzicht ist dem Grundbuchamt zu erklaren und bedarf der Eintragung in das Grundbuch. Dem Schuldner steht hierdurch als Eigentumer des belasteten Grundstticks das Grundpfand-recht gemaB §§ 1168, 1192, 1200 BGB zu.

Wurde eine iibertragene Forderung rechtswirksam angefochten, so ist diese zuriick ab-zutreten.6

Bei einem anfechtbaren Pfandrecht kann sowohl der Verzicht auf das Pfandrecht als auch die Ruckgabe der verpfandeten Sache verlangt werden.

Ist eine Ruckgewahr in Natur nicht moglich und ist diese Unmoglichkeit von dem An­fechtungsgegner verschuldet worden, hat dieser Wertersatz zu leisten.

14.3 Besonderheiten des Bargeschaftes

Wie bereits kurz dargestellt wurde, scheidet die Anfechtung eines Bargeschaftes gemaB § 142 InsO aufgrund des Mangels an Glaubigerbenachteilung aus.

Fur das Vorliegen von Bargeschaften muss eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermogen des Schuldners flieBen. Nach § 142 InsO miissen Leistung und Gegenleis­tung gleichwertig sein. Die Leistung muss der Vereinbarung entsprechen und in einem engen wirtschaftlichen, rechtlichen und zeitlichen Zusammenhang (Zug um Zug) er­folgen.

4 Vgl. Obermiiller/Hess, InsO, 2. Aufl., Rn 256. 5 BGH, Urteil vom 22.03.1982 - VIIIZR 42/81 - ZIP 1982, 856. 6 BGH, Urteil vom 04.05.1970 - VIII ZR 163/68 - BB 1970, 730.

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Zwischen Auszahlung eines Kredits und der Begriindung der Sicherheiten darf die ub-liche Bearbeitungszeit vergehen, mit der jedoch unverzuglich begonnen werden muss.

Die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung wird nach objektiven MaBstaben beurteilt und richtet sich danach, welchen wirtschaftlichen Wert die Gegenleistung des Schuldners hat.

Bei einer Besicherung eines Kredits ist die Gleichwertigkeit gegeben, wenn der Wert des Sicherungsgegenstandes - unter Berucksichtigung der ublichen Differenz durch Wert-schwankung - die Hohe des Kredits nicht wesentlich uberschreitet.

Im Fall eines Kontokorrentvertrages ist nach der Rechtsprechung des BGH7 von einem ausreichenden zeitlichen Zusammenhang zwischen Gut- und Lastschrift auszugehen, wenn die Grenze von zwei Wochen nicht uberschritten wird. Ein enger wirtschaftlicher, rechtlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen Gut- und Lastschrift liegt dann vor, wenn die Ausfuhrung von Zahnungsauftragen und der Eingang entsprechender Zah-lungen gleich hoch sind, sodass sich aus dem Gesamtvorgang keine Debetsaldierung ergibt.8

Kannte der Glaubiger zur Zeit der Rechtshandlung den Vorsatz der Glaubigerbenachtei-ligung des Schuldners, so handelt es sich nicht um ein Bargeschaft nach § 142 InsO (vgl. § 142 i.V. mit § 133 Abs. 1 InsO). In diesem Fall ware die Rechtshandlung anfechtbar.

14.4 Anfechtungstatbestande und -moglichkeiten

Aus den Anfechtungstatbestanden der Insolvenzordnung ragen insbesondere die kon-gruente und inkongruente Deckung in ihrer Bedeutung fiir Kreditinstitute heraus. Tatbe-stande und Tatbestandsvoraussetzungen sollen im Folgenden erlautert und an Beispielen dargestellt werden.

14.4.1 Kongruente Deckung

Eine Deckung ist „kongruent", wenn der Glaubiger die Sicherung oder Befriedigung einer Forderung erhalt, auf die er einen Anspruch hatte. Ein Anspruch kann sich zum Beispiel durch Kreditvertrag oder sonstige Sicherungsabrede begriinden.

Nach § 130 InsO konnen die den Glaubiger begunstigenden Rechtshandlungen in den letzten drei Monaten vor dem Eroffnungsantrag durch den Insolvenzverwalter angefoch-ten werden, wenn der Glaubiger wusste, dass der Schuldner zahlungsunfahig war oder

7 BGH, Urteil vom 25.01.2001 - IX ZR 6/00 - ZIP 2001, S. 524. 8 Vgl. Heublein, Gutschriften in der Krise, in ZIP 2000, H. 4, S. 161 f.

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ihm Umstande bekannt waren, die zwingend auf eine Zahlungsunfahigkeit oder einen Eroffnungsantrag schlieBen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO).

Fiir die Kenntnis von der Zahlungsunfahigkeit oder dem Insolvenzantrag ist positives Wissen erforderlich, wobei der Kenntnis von Umstanden, aus denen sich die Zahlungsun­fahigkeit oder der Eroffnungsantrag zwingend schlieBen lasst, der tatsachlichen Kennt­nis der Zahlungsunfahigkeit oder dem Eroffnungsantrag gleichgestellt wird (zwingende Schlussfolgerung).

Der Insolvenzverwalter hat die Darlegung von Tatsachen, aus denen sich die Kenntnis des Anfechtungsgegners ergeben, nachzuweisen.

Zahlungen, die wegen der Falligkeit der Forderung als kongruent gelten, konnen dennoch als inkongruent angesehen werden. Dies gilt dann, wenn sie unter Druck z.B. durch die An-drohung von ZwangsvollstreckungsmaBnahmen9 oder Insolvenzantragen10 geleistet werden.

Fallbeispiel einer anfechtbaren kongruenten Deckung nach § 130 InsO: Die Bank A finanzierte der Immobilienbautrager GmbH den Kauf eines sanierungs-bediirftigen Mehrfamilienhauses. Am 1. Juli wurde die Falligkeit dieser Ankauffinanzie-rung vertraglich festgelegt.

Aufgrund einer nicht vorhersehbaren AusbaumaGnahme einer nahe liegenden Bundes-straBe konnte das Objekt schlechter als erwartet vermarktet werden. Infolge der schwa-chen Konjunktur in der Baubranche geriet das Unternehmen in eine Krise. Die verein-barte Riickzahlung des Kredits zum 1. Juli blieb aus - gleichwohl hielt die Bank zu diesem Zeitpunkt still. Um Lieferanten zu zahlen und Bauvorhaben zu beenden, iiberzog das Unternehmen jedoch die mit der Bank vereinbarte KK-Linie.

Am 1.9. fiihrt die Bank aufgrund der hohen Uberziehung der KK-Linie die Lohnzahlungen nicht mehr aus. Gleichzeitig verrechnete die Bank ihre Anspriiche mit Zahlungseingangen in Hohe von 15.000 € aus den nicht zedierten Mieten des sanierten Mehrfamilienhaus.

Am 15.10. stellt die Immobilienbautrager GmbH aufgrund Zahlungsunfahigkeit Insol­venzantrag. Einen Monat spater, am 15.11 wird das Insolvenzverfahren eroffnet. In dem Zeitraum vom 1.9. bis 15.11 verrechnete die Bank ihre Anspriiche aus der Ankauffinan-zierung mit den eingehenden Mieten in Hohe von 45.000 €.

9 Vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2003 - IX ZR 9/03 - ZinsO 2004, 201. 10 Vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2003 - IX ZR 199/02 - ZinsO 2004, 145.

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vertraglliche Falligkeit der Ankauffinanzierung fiir sanierungsbedurftiges

Mehrfamilienhaus

Keine Riickzahlung des Kredits, aber Stillhalten der Bank • Eingang nicht zedierter Mieten i. H. v. monatl. 15.000 € und Verrechnung durch Bank bis einschlieGlich Anfang November

Bank fuhrt Uberweisungenj der Lbhne nicht mehr aus,

da KK-Linien uberschritten sind I

1.7 1.9 15.10

Bank A muss 45.000 € an die

Masse auskehren

15.11

Abbildung 52: Kongruente Deckung - Fallbeispiel Immobilienbautrager GmbH

Der Insolvenzverwalter ficht die Rechtshandlung der Bank (Verrechnung der eingehen-den Mieten mit den Anspruchen aus der Ankauffinanzierung) rechtswirksam an, mit der Folge, dass die Bank die verrechneten Mieten in Hohe von 45.000 € an die Insolvenz-masse auskehren muss.

Es handelt sich hier um einen Fall des § 130 InsO, da die Bank durch die Handlung, Lohniiberweisungen nicht mehr durchzufiihren, ihre Kenntnis bzw. eine zwingende Schlussfolgerung hinsichtlich der Kenntnis der Zahlungsunfahigkeit der Immobilien-trager GmbH belegte.

Gerade bei einer sehr „engen", taglichen Kontodisposition durch die Bank, die in Kri-senengagements regelmaGig ublich sein wird, liegt die Annahme der Kenntnis der Zah­lungsunfahigkeit regelmaBig nahe.

14.4.2 Inkongruente Deckung

Nach § 131 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzglaubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewahrt oder ermoglicht hat, die dieser nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte.

Typische Beispiele einer inkongruenten Deckung sind:

P Nicht zu beanspruchende Befriedigung: Zum Beispiel Falle, in denen der Schuldner der Durchsetzbarkeit des Glaubigeran-spruchs eine dauernde Einrede (Verjahrung) entgegen halten kann.

S Nicht zu beanspruchende Sicherung: Zum Beispiel Glaubiger hat weder aus AGB oder aufgrund eines Gesetzes einen hin-reichend konkretisierten Anspruch auf Bestellung der Sicherheit.

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& Nicht in der Art zu beanspruchende Befriedigung: Zum Beispiel Nutzung der Gutschriften auf einem kreditorischen Konto des Schuldners zur Aufrechnung mit einem Negativsaldo auf einem anderen Konto des Schuldners.

A? Nicht in der Art zu beanspruchende Sicherheit: Zum Beispiel Schuldner gewahrt dem Glaubiger eine Grundschuld anstelle der ver-einbarten Hypothek.

& Nicht zu der Zeit: Zum Beispiel vorzeitige Befriedigung eines nicht falligen Kredits.

Da ein Glaubiger, der eine ihm nicht zustehende Leistung erhalt, weniger schutzwiirdig ist als ein Glaubiger, dem eine kongruente Deckung gewahrt wird, ist die Anfechtbarkeit fur den Fall der inkongruenten Deckung verscharft.

Den Glaubiger begiinstigende Rechtshandlungen, die er nicht oder nicht zu der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen hatte, sind nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 einen Monat vor dem Eroffnungsantrag unabhangig von der wirtschaftlichen Lage des Schuldners sowie der Kenntnis der Glaubiger zurzeit der Handlung anfechtbar.

Nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 sind den Glaubiger begiinstigende Rechtshandlungen dariiber hinaus anfechtbar, wenn sie im zweiten oder dritten Monat vor dem Antrag auf Eroff-nung des Insolvenzverfahrens erfolgten und der Schuldner zum Zeitpunkt der Handlung zahlungsunfahig war. Die Kenntnis des Glaubigers zur Zeit der Handlung ist auch in diesem Fall unerheblich.

Im Falle des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist eine den Glaubiger begiinstigende Rechtshand-lung anfechtbar, die innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eroffnungsantrag erfolgen und dem Glaubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenz-glaubiger benachteiligte. Die wirtschaftliche Lage des Schuldners - das heiBt Zahlungs-unfahigkeit oder Uberschuldung - hingegen ist unerheblich.

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Fallbeispiel einer anfechtbaren inkongruenten Deckung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO: Mit dem Argument, die Kiindigung der seit vielen Jahren bestehenden Geschaftsverbin-dung zwischen Bank A und der Automobilzulieferer GmbH vermeiden zu konnen, fordert Bank A aufgrund der rechtlich einwandfrei vereinbarten AGB Sicherheitenverstarkung fiir die eingeraumte, aber bereits uberzogene Kreditlinie der Automobilzulieferer GmbH. Das Unternehmen befindet sich aufgrund des strukturellen Wandels in der Automobil-branche sowie durch Managementfehler in einer wirtschaftlich kritischen Lage.

Am 31.8. wird die Abtretung einer Forderung iiber einen Anspruch in Hohe von 150.000 € aus Warenlieferung der Automobilzulieferer GmbH an die Autobau AG mit der Bank A vereinbart.

Am 30.9. stellt die Automobilzulieferer GmbH Insolvenzantrag.

Es liegt der Anfechtungstatbestand nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor, da es sich um den Fall einer nicht zu beanspruchenden Sicherheitenverstarkung handelt. Die Tatbestands-voraussetzungen sind durch die bloBe Antragstellung der Automobilzulieferer GmbH in-nerhalb der Monatsfrist nach der vereinbarten Forderungsabtretung erfiillt worden. Die wirtschaftliche Lage zum Zeitpunkt der Forderungsabtretung hingegen ist unerheblich.

Auf Anfechtung durch den Insolvenzverwalter wird der Vertrag iiber die Zession nichtig.

AnnahmegemaB hat die Bank A die Forderung in Hohe von 150.000 € verwertet. Der eingezogene Betrag zzgl. Zinsen ab Zahlungseingang muss an den Insolvenzverwalter zuriick gezahlt werden.

Vereinbarung der Forderungsabtretung

i.H.v. 150.000 €

31.8

Verwertung der I Forderung durch

Bank A i.H.v. 150.000 € I

14.9

(Eroffnungsantrag^)

I 30.9

/^Erof fnung ^ ^ b e s c h l u s D

Bank A muss 150.000 € +Zinsen

ab 14.9. an die Masse auskehren

31.10 ^>

Abbildung 53: Inkongruente Deckung - Fallbeispiel Automobilzulieferer GmbH

250

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Abwandlung des Fallbeispiels einer anfechtbaren inkongruenten Deckung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO: In Abwandlung des vorherigen Fallbeispiels werden aufgrund der deutlich uberschritte-nen KK-Linie die riickwirkend zu zahlenden Lohne und Gehalter fur den Monat August durch die Bank A nicht mehr ausgefiihrt. Dariiber hinaus werden die Anfang September falligen Sozialversicherungsbeitrage und Lohnsteuern nicht mehr uberwiesen.

Das Unternehmen stellt daraufhin am 15. Oktober wegen Zahlungsunfahigkeit den An-trag auf Eroffnung des Insolvenzverfahrens.

In dieser Fallkonstruktion liegt der Anfechtungstatbestand nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor. Zum Zeitpunkt der Forderungsabtretung war die Automobilzulieferer GmbH zah-lungsunfahig.

Abwandlung des Fallbeispiels einer anfechtbaren inkongruenten Deckung nach § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO: In Abwandlung des Fallbeispiels fordert neben Bank A auch die Bank B im Rahmen einer Bankensitzung am 10.8. die Forderungszession in Hone von 150.000 €. Aufgrund des starkeren Drucks einer moglichen Kreditkiindigung vereinbart die Automobilzuliefe­rer GmbH die Forderungsabtretung mit der Bank A am 31.8.

Am 15.11. stellt das Unternehmen Insolvenzantrag.

In diesem Fall liegt der Anfechtungstatbestand nach § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO vor. Die Bank A hatte zum Zeitpunkt der Forderungsabtretung positive Kenntnis von der entstan-denen Glaubigerbenachteiligung, da auch die Bank B im Rahmen der Bankensitzung die Abtretung der Forderung gefordert hatte. Die wirtschaftliche Lage der Automobilzuliefer GmbH ist zurzeit der Forderungsabtretung unerheblich gewesen.

14.5 Aufrechnung von Kontogutschriften

Im Rahmen der Abwicklung des Zahlungsverkehrs in der Krise bzw. Insolvenz eines Un-ternehmens fiihren insbesondere Kontogutschriften zu Auseinandersetzungen zwischen Insolvenzverwalter und Bank. Ursache sind die unterschiedlichen Interessenlagen der beiden Parteien.

Befindet sich ein Unternehmen in einer wirtschaftlichen Krise, wird die Bank an der Verrechnung ihres falligen Anspruchs mit den Kontogutschriften interessiert sein. Dem Insolvenzverwalter steht hingegen durch die Moglichkeit der Anfechtung dieser Einzah-lungsverrechnung ein Instrument zur Verfugung, im Interesse der Gesamtglaubiger und des Primats der gemeinschaftlichen Glaubigerbefriedigung (§ 1 S. 1 InsO) zu handeln.

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14.5.1 Wirkung der Insolvenzeroffnung

Um den Problemkreis der Verrechnung von Kontogutschriften strukturieren zu konnen, sollen zunachst die rechtlichen Grundlagen des Kontokorrentkredits betrachtet werden.11

Dieser beruht auf drei Vertragen.

Auf der Basis des Girovertrags werden Zahlungseingange zugunsten oder zu Lasten des Kontoinhabers sowie Zahlungen Dritter abgewickelt.

Durch den Kontokorrentvertrag werden die beiderseitigen Anspruche des Girovertrages nicht gesondert abgewickelt, sondern am Ende des jeweiligen Rechnungszeitraum mit-einander verrechnet. In Hohe des Uberschusses entsteht dem Kontoinhaber oder dem Kreditinstitut ein „kausaler Saldoanspruch".

Das eigentliche Kreditgeschaft resultiert aus dem Kreditvertrag, in dem vereinbart wird, dass der Kontoinhaber bis zu einem fixierten Limit Uber sein Konto frei verfugen kann, somit zum Ausgleich eines debitorischen Saldos (Debet-Saldo) nicht mehr verpflichtet ist.

Mit Eroffnung des Insolvenzverfahrens iiber das Vermogen des Kontoinhabers erlischt nach §§ 115, 116 InsO i.V.m. § 675 BGB der Girovertrag (Geschaftsbesorgungsvertrag) und das Kontokorrentverhaltnis zwischen dem Kreditinstitut und dem insolventen Kun-den. Aus § 355 III HGB folgt der vorzeitige Abschluss der Rechnungszeitraumes und somit automatisch die Verrechnung des beiderseitigen Forderungen, woraus ein sofort falliger Saldoanspruch entsteht.12

Die rechtmaBige Verrechnung von Zahlungseingangen durch die Bank und die Moglich-keit der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter richten sich somit nach dem Zeitpunkt, zu welchem die Zahlungseingange zugunsten des Kontoinhabers bei der Bank eingegan-gen sind.

14.5.1.1 Zahlungseingange nach Eroffnung

Fur die Bank besteht grundsatzlich kein Recht, nach Insolvenzeroffnung automatisch die Kontogutschriften mit einem debitorisch gefuhrten Konto zu verrechnen, um dadurch letztlich ihre Forderungen als Insolvenzglaubiger gegen den Insolvenzverwalter zu ver-ringern.

Vielmehr ist die Bank nach Insolvenzeroffnung aufgrund nachvertraglicher Pflichten aus dem beendeten Girovertrag dem Insolvenzverwalter gegeniiber verpflichtet, eingehende Zahlungen (auf Verlangen des Insolvenzverwalters) auszukehren.

11 Vgl. auch Steinhoff, J., Die insolvenzrechtlichcen Probleme im Uberweisungsverkehr, in: ZIP 2000, Heft 17, S. 1141 ff.

12 Vgl. Koller, in: Koller/Roth, Morck, § 355 Rndr. 15.

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14.5.1.2 Zahlungseingange vor Eroffnung

Durch den bestehenden Kontokorrentvertrag ist die Bank zur Verrechnung von Zahlungs­eingangen mit ihren Anspriichen grundsatzlich verpflichtet.

Verrechnet die Bank jedoch eigene Forderung mit Zahlungseingangen trotz Kenntnis der wirtschaftlichen Krise des Unternehmens oder der Zahlungsunfahigkeit oder hatte sie keinen Anspruch auf Verrechung, so verstoBt sie unter Umstanden gegen den Grundsatz der gemeinwirtschaftlichen Glaubigerinteressen des § 1 S. 1 InsO. Durch Verrechnung der Zahlungseingange mit ihren Forderungen hat die Bank als Glaubiger zunachst die Be-friedigung ihrer eigenen Anspriiche - ihrer individuellen Glaubigerinteressen - erlangt.

Die Zulassigkeit dieser Verrechnung richtet sich nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Die Auf-rechnung ist unzulassig, wenn ein Insolvenzglaubiger die Moglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat.

Die Anfechtbarkeit von Zahlungseingangen auf debitorischen Konten des Schuldners be-stimmen sich somit im Wesentlichen nach den Tatbestanden der kongruenten und inkon-gruenten Deckung.

14.5.1.3 Zahlungseingange nach Kundigung

Gehen Zahlungen nach Kundigung und der darauf regelmaBig eingeraumten Riickzahlungs-frist ein, hat die Bank zu diesem Zeitpunkt grundsatzlich einen Anspruch auf Ruckfiihrung.

Durch den § 131 InsO hat der Insolvenzverwalter jedoch auch die Moglichkeit, die Kun­digung selbst anzufechten, wenn sie innerhalb der letzten drei Monate vor der Insolvenz-antragstellung ausgesprochen wurde.

Im Interesse der Bank musste es demnach liegen, eine Kundigung moglichst drei Monate vor Insolvenzantragstellung auszuspreehen, um somit bei einer falligen Forderung im Falle spaterer Zahlungseingange zumindest eine kongruente Deckung zu erhalten.

In der Praxis wird es jedoch regelmaBig so sein, dass durch die Kundigung - insbeson-dere wenn sie durch die Hausbank ausgesprochen wird - eine unmittelbare Antrags-pflicht des Schuldners ausgelost wird. Ein Ablauf der Dreimonatsfrist wird sich also nur dann ergeben konnen, wenn der Schuldner geneigt ist, Haftungsgefahren aus Insolvenz-verschleppung auf sich zu nehmen. Auf die Problematik von Anstiftung und Beihilfe zur Insolvenzverschleppung ftir Banken und Sparkassen ist bereits eingegangen worden.

14.5.2 Kongruente oder inkongruente Zahlungseingange?

Wann also darf die Bank in Krise oder Insolvenz eines Unternehmens (Kunden) auf dessen debitorisch gefiihrten Kontokorrentkontos Zahlungseingange mit eigenen Forde­rungen verrechnen? Welche Voraussetzungen mussen erfiillt sein? Wann kann der Insol-

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venzverwalter die Verrechnung wirksam anfechten und wann ist eine Anfechtung nicht moglich?

Ob es sich bei der Verrechnung mit Zahlungseingangen im Zeitraum zwei bis drei Mo-nate vor Insolvenzantragstellung um einen Fall der kongruenten oder inkongruenten De-ckung handelt, hangt grundsatzlich davon ab, ob die Bank die Deckung zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte. Bei dieser Beurteilung ist auf Art und Inhalt des zwischen Bank und Kunden bestehenden Kreditvertrages abzustellen.

Die Anfechtbarkeit kongruenter Deckungen sind nur im Falle vorliegender bestimmter objektiver (wirtschaftliche Lage des Schuldners) und groBtenteils schwer zu beweisender subjektiver (Kenntnis des Glaubigers) Tatbestandsvoraussetzungen durchsetzbar.

Hingegen kommt es bei der Anfechtung von inkongruenten Deckungen in den Fallen des §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 InsO allein auf die zum maBgebenden Zeitpunkt objektiven Tatbestandsvoraussetzungen an.

Eine kongruente Verrechnung liegt vor, wenn zum Zeitpunkt des Zahlungseingangs die bestehende Forderung der Bank fallig war. Eine inkongruente Deckung hingegen besteht dann, wenn die Bank zum Zeitpunkt des Zahlungseingangs eine nicht oder noch nicht fallige Forderung gegen den Kunden hatte.

14.5.2.1 Girovertrag ohne Kontokorrentkredit

Besteht zwischen Bank und Kunden ein Girovertrag ohne Kontokorrentkredit, so ist eine Verrechnung der Bank mit einer Gutschrift zugunsten des Kunden in Hohe des bestehen­den Debet-Saldos kongruent.

Beispiel 1: Unternehmen A hat mit Bank B einen Girovertrag abgeschlossen, ohne einen Konto­korrentkredit zu vereinbaren. Das Unternehmen A uberzieht dennoch das Konto. Am 15.8. hat das Konto einen Debet-Saldo in Hohe von 50.000 €. AnnahmegemaB erfolgt eine Kontogutschrift auf dieses Konto durch einen Kunden des Unternehmen A am 31.8., welche die Bank B mit ihren Forderungen verrechnet.

Am 15.9. stellt das Unternehmen Insolvenzantrag.

Es liegt ein Fall der kongruenten Deckung vor, da Bank B einen rechtsmaBigen Anspruch in Hohe der Uberziehung hatte. Der Insolvenzverwalter kann diese Einzahlungsverrech-nung nicht anfechten, es sei denn, er weist nach, dass die Bank A von einer etwaigen Zahlungsunfahigkeit wusste.

14.5.2.2 Kontokorrentkredit (vereinbarte Kreditlinie)

Hat die Bank dem Kontoinhaber einen Kontokorrentkredit gewahrt und der Schuldner nimmt dieses Konto innerhalb der vereinbarten Kreditlinie in Anspruch, so hat die Bank

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keinen falligen und durchsetzbaren Anspruch auf Ruckfuhrung des Kontokorrentkredits. Eingehende Zahlungen zugunsten des Schuldners wiirden der Bank eine inkongruente Deckung verschaffen.13Die Falligkeit ergibt sich erst nach Ablauf einer regelmaBig einge-raumten Riickzahlungsfrist oder nach einer auBerordentlichen Kiindigung.

Beispiel 2: Das Unternehmen A schlieBt am 30.9. mit seiner Bank B einen Vertrag iiber einen Konto-korrentkredit ab. Es wird eine KK-Linie von 200.000 € vereinbart. Am 15.10, nimmt das Unternehmen A die KK-Linie in Hohe von 180.000 € in Anspruch. Am 20.10. gehen Zahlungen zugunsten des Schuldners in Hohe von 130.000 € ein. Die Bank verrechnet diese Kontogutschrift mit der bestehenden KK-Linie noch am selben Tag.

Das Unternehmen A stellt am 1.11. Insolvenzantrag.

Da die Bank keinen falligen und durchsetzbaren Anspruch auf Ruckfuhrung des Konto­korrentkredits in Hohe von 130.000 € hatte, handelt es sich in diesem Fallbeispiel um eine inkongruente Deckung. Die Tatebestandvoraussetzung sind durch die bloBe Insol-venzantragsstellung des Unternehmen A innerhalb der Monatsfrist - unabhangig von der wirtschaftlichen Lage des Schuldners und der Kenntnis der Bank - erfiillt worden. Bei einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter muss die Bank B den Betrag in Hohe von 130.000 € an den Insolvenzverwalter auskehren.

14.5.2.3 Kontokorrent mit geduldeter Uberziehung

Uberschreitet der Schuldner die mit der Bank vertraglich vereinbarte KK-Linie unge-nehmigt, ohne dass dem Kunden iiber einen langeren Zeitraum ein neuer Kredit gewahrt wird, liegt bei Verrechnung von Zahlungseingangen bis zum Limit eine kongruente De­ckung vor (auch so genannte geduldete Uberziehung).14

Beispiel 3: Unternehmen A schlieBt mit Bank B am 31.8. einen Kontokorrentkredit ab. Die Bank B raumt dem Unternehmen A eine KK-Linie von insgesamt 400.000 € ein. Einen Monat spater, am 30.9. weist das Konto - ohne eine Genehmigung seitens der Bank - eine In-anspruchnahme von 440.000 € aus. Die vereinbarte KK-Linie ist somit um 40.000 € uberschritten. Zahlungseingange erfolgen in Hohe von 30.000 € am 10.11.

Die Verrechnung dieser Kontogutschrift durch die Bank ware kongruent, weil die Bank hinsichtlich der Uberziehung der vereinbarten KK-Linie in Hohe von 40.000 € einen An­spruch auf sofortige Ruckfuhrung auf den vereinbarten Saldo hatte.

Im Fall der Insolvenzantragsstellung des Unternehmens hatte ein Insolvenzverwalter nur die Moglichkeit der Anfechtung der verrechneten Kontogutschrift aufgrund kongruenter Deckung.

13 Vgl. Steinhoff, Die instanzrechtlichen Probleme im Uberweisungsverkehr, in: ZIP 27/2000, S. 1141 ff. 14 Dauernheim, Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, § 130 Rn. 28.

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14.5.2.4 Kontokorrentkredit (Uberziehungskredit)

Von einer nicht genehmigten Uberziehung eines Kontokorrentvertrages ist der so ge-nannte Uberziehungs- oder Duldungskredit zu differenzieren.

Ein „neuer" Uberziehungskredit entsteht grundsatzlich nach vertraglicher Vereinbarung. Abweichend von einer vertraglichen Zustimmung kann der Uberziehungskredit aber auch dann zustande kommen, wenn die Bank iiber einen langeren Zeitraum die nicht genehmigte Uberziehung duldet und somit stillschweigend, das heiBt konkludent, einer neuen Kreditvereinbarung zustimmt.15

Ein falliger Anspruch auf Ruckfuhrung der Uberziehung ergibt sich erst dann, wenn die Bank den KK-Vertrag kiindigt.

Bislang hat der BGH keine Entscheidung iiber den geltenden Zeitraum der Duldung zur Entstehung eines Uberziehungskredits ausgesprochen.

Als OrientierungsgroBe fiir den Zeitraum der konkludenten Zustimmung eines Uber­ziehungskredits kann eine geduldete Uberziehung langer als drei Monate analog der ur-spriinglichen Regelung in § 5 Abs. 2 VerbrKrG (Verbraucherkreditgesetz) in Betracht gezogen werden.16

Im Falle eines Uberziehungskredits hat die Bank keinen Anspruch auf Deckung, sodass von einer inkongruenten Deckung auszugehen ist.

Beispiel 4: In Abwandlung des Beispiels 3 bleibt die Uberziehung in Hone von 40.000 € bei einer eingeraumten KK-Linie in Hohe von 400.000 € bis zum 15.1. des Folgejahres bestehen. Zahlungseingange in Hohe von 30.000 € erfolgen am 20.1.

Tabelle 22: Abgrenzung kongruente - inkongruente Verrechnung von Kontogutschriften

15 Steinhoff, Die insolvenzechtlichen Probleme im Uberweisungsverkehr, in: ZIP 27/2000, S. 1141 ff. 16 Vgl. Bales, a.a.O., S. 31.

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In diesem Beispiel ist durch die iiber dreimonatige Uberziehung ein Duldungskredit (Uberziehungskredit) stillschweigend zustande gekommen. Verrechnet die Bank die Zahlungseingange in Hone von 30.000 €, so ware diese Deckung inkongruent, weil die Bank keinen Anspruch auf Ruckfuhrung zu dieser Zeit hatte.

Im Fall der Insolvenzantragstellung des Unternehmens hatte ein Insolvenzverwalter die Moglichkeit, die verrechnete Kontogutschrift aufgrund inkongruenter Deckung an-zufechten.

Ein Anspruch auf Ruckfuhrung entsteht erst bei Kundigung des Kontokorrent-Vertrages.

Tabelle fasst die Abgrenzung der kongruenten und inkongruenten Verrechnung von Kon-togutschriften in Abhangigkeit von der jeweils vorliegenden Vertragsart zusammen.

Die Fallbeispiele zu dem jeweiligen Sachverhalt konkretisieren die moglichen Haftungs-problematiken nochmals.

AngabeninTausend€

Tabelle 23: Fallbeispiele zur Abgrenzung kongruente - inkongruente Verrechnung von Kontogutschriften

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14.6 Vorsatzliche Glaubigerbenachteiligung

Nach § 133 InsO sind Rechtshandlungen anfechtbar, durch die der Schuldner mit zu-mindest bedingtem Vorsatz seine Glaubiger benachteiligen will und der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfahig-keit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Glaubiger benachteiligt - das heiBt ohne die Rechtshandlung hatte sich eine giinstigere Befriedigung der Glaubiger ergeben.

Die Beweislast fur den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis auf Seiten des Anfechtungsgegners tragt der Insolvenzverwalter.

Haftungsrisiken aus Anfechtung aufgrund von vorsatzlicher Glaubigerbenachteiligung sind sicherlich in der Praxis eher seiten anzutreffen und beschranken sich auf „krasse Falle".

Veranlasst zum Beispiel ein Schuldner mit Glaubigerbenachteiligungsabsicht seine Kun-den dazu, Zahlungen nur noch auf ein Girokonto bei einem bestimmten Kreditinstitut zu leisten, so nimmt er bei Kenntnis der drohenden Insolvenz billigend in Kauf, dass die Bevorzugung eines Glaubigers sich zum Nachteil aller anderen Insolvenzglaubiger auswirkt. In diesem Licht sind sicherlich auch die immer wieder verwendeten Verpflich-tungserklarungen zu betrachten, mit denen Kreditnehmer gezwungen werden sollen, alle Scheckeingange nur noch auf einem bestimmten Konto einzureichen.

Fallbeispiel einer anfechtbaren vorsatzlichen Glaubigerbenachteiligung nach § 133 InsO: Im Rahmen der Verhandlungen zur Prolongation des Kreditengagements der Kunst-stofftechnik GmbH erhalt die Bank A am 1.12. 1995 durch den Kreditnehmer eine Sicherungsiibereignung des Anlagevermogens einer der drei Betriebsstatten des Unter-nehmens. Die Kunststofftechnik GmbH lasst auf Bitten der Bank ein Wertgutachten eines vereidigten Sachverstandigen erstellen, aus dem hervorgeht, dass das Anlagever-mogen dieser Betriebsstatte auch unter Zerschlagungsgesichtspunkten einen Wert von 160.000 € hat.

Am 30.06.2000 zeigt die Kunststofftechnik GmbH der Bank A die bevorstehende Liqui­dation der betreffenden Betriebsstatte an, da mit den dort hergestellten Produkten seit

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Sicherungsiibereignung desAV

Zeitwert:! 60.000 €

1.12.1998

Verwertung AV fur I 80.000 € im Rahmen der Liquidation einer

Betriebsstatte

30.6.2000

(Eroffnungsantrag j

| 1.7.2005

f Eroffnungs V^^beschluss

1.9.2005

^ \

Bank muss 160.000 € an die

Masse auskehren

>

Abbildung 54: Vorsatzliche Glaubigerbenachteiligung - Fallbeispiel: Kunststofftechnik GmbH

1993 keine Gewinne mehr erzielt werden konnten. Im Rahmen der Liquidation verkauft die Kunststofftechnik GmbH das sicherungsiibereignete Anlagevermogen fiir 80.000 € an einen Industrieverwerter und stellt die so generierte Liquiditat der Bank A durch Ein-zahlung auf das laufende Konto des Unternehmens zur Verfugung.

Aufgrund des deutlich schrumpfenden Absatzes muss die Kunststofftechnik GmbH im Jahr 2005 Antrag auf Eroffnung des Insolvenzverfahrens stellen.

Das zustandige Gericht bestellt Rechtsanwalt S zum Insolvenzverwalter. Im Rahmen der Aufarbeitung der Vergangenheit erhalt der Insolvenzverwalter Kenntnis von dem Sach-verhalt. Die Rechtshandlung ist gemaB § 133 InsO anfechtbar, wenn es dem Insolvenz­verwalter gelingt nachzuweisen, dass eine vorsatzliche Glaubigerbenachteiligung durch den Verkauf des Anlagevermogens deutlich unter Zerschlagungswerten vorlag und die Bank von dem Vorgang wusste.

14.7 Vorsatzliche Glaubigerbenachteiligung durch Vertrage mitnahestehenden Personen

Werden die Insolvenzglaubiger durch einen zwischen Schuldner und eine ihm nahe stehende Person abgeschlossenen entgeltlichen Vertrag unmittelbar benachteiligt, so ist diese Rechtshandlung nach § 133 Abs. 2 InsO anfechtbar.

Kannte die nahestehende Person den Vorsatz des Schuldners, die Glaubiger zu benachtei-ligen nicht, so ist die Anfechtungsmoglichkeit durch den Insolvenzverwalter ausgeschlos-sen.

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Die Relevanz dieses Anfechtungstatbestands fur das Kreditgeschaft ist gering. Sollte ein Institut allerdings Kenntnis von solchen Handlungen im vorinsolvenzlichen Bereich er-halten, gilt es sicherzustellen, dass diese Praktiken unterbunden werden, um nicht weitere Haftungstatbestande des Schuldners zu generieren.

Fallbeispiel einer anfechtbaren vorsatzlichen Glaubigerbenachteiligung durch Vertrage mit nahe stehenden Personen nach § 133 Abs. 2 InsO: Der alleinige geschaftsfuhrende Gesellschafter der Buromobel GmbH beschaftigt in sei-nem Unternehmen insgesamt 14 Mitarbeiter. Darunter sind auch seine Frau und seine bei-den Tochter. Diese erhalten pro Monat ein Gehalt von 2.000 € obwohl sie faktisch keine Arbeitsleistung fiir das Unternehmen erbringen. Mutter und Tochtern war bekannt, dass diese Leistungen das geringe Ertragspolster des Unternehmens vollstandig aufsogen.

Durch den Verlust von zwei GroBkunden, die zusammen mehr als 50 Prozent des Um-satzes der Buromobel GmbH ausmachten, gerat das Unternehmen in die Krise. Der ge­schaftsfuhrende Gesellschafter sieht sich kurze Zeit spater gezwungen, Antrag auf Eroff-nung des Insolvenzverfahrens zu stellen.

Der Insolvenzverwalter kann die Gehaltszahlungen der letzten beiden Jahre in Hone von 144.000 € aufgrund von § 133 Abs. 2 InsO erfolgreich anfechten.

14.8 Kapitalersetzende Darlehen

Nach § 135 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die fiir die Forderung eines Gesell-schafters auf Ruckgewahr eines kapitalersetzenden Darlehens Sicherung oder Befriedi-gung gewahrt hat.

Von dieser Vorschrift sind nicht nur kapitalersetzende Darlehen eines GmbH-Gesell-schafters erfasst. Der Insolvenzverwalter kann auch Darlehen von Komplementaren oder Kommanditisten an eine OHG oder KG anfechten.

Dieser Anfechtungstatbestand kann Banken und Sparkassen nur treffen, wenn sie mit mehr als 10 Prozent an einer GmbH bzw. mit mehr als 25 Prozent an einer AG beteiligt sind. Diese Konstellation wird nur in Ausnahmenfallen auftreten.

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Fallbeispiel einer anfechtbaren Sicherung kapitalersetzender Darlehen nach § 135 InsO: Der Gesellschafter der Import-Export GmbH hat seiner Gesellschaft ein Darlehen in Hohe von, 250.000 € gewahrt. Zur Absicherung des Darlehens hat er sich den Fuhrpark des Unternehmens sicherungsiibereignen lassen. Sechs Jahre spater stellt das Unterneh-men aufgrund von Zahlungsunfahigkeit Antrag auf Eroffnung des Insolvenzverfahrens. Der Insolvenzverwalter hat die Moglichkeit, die Besicherung aufgrund von § 135 InsO anzufechten. Bei Verwertung des Fuhrparks fallen die Erlose der Masse zu.

Gleiches gilt, wenn der Gesellschafter das herausgereichte Darlehen in Raten von jeweils 25.000 € in den letzten zehn Monaten vor Insolvenzantragsstellung durch das Unterneh-men tilgen lieB.

14.9 Unmlttelbare Benachteiligung

Werden Glaubiger durch Rechtsgeschafte benachteiligt, die nicht unter den Tatbestand der kongruenten oder inkongruenten Deckung fallen, kann der Insolvenzverwalter durch den § 132 InsO auch unmittelbar die Insolvenzglaubiger benachteiligende Rechtsgeschafte anfechten.

In Abhangigkeit der wirtschaftlichen Lage des Schuldners werden folgende Zeitraume unterschieden:

Bei der Anfechtung gegemiber nahe stehenden Personen wird die Kenntnis vermutet.

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14.10 Unentgeltliche Leistungen

Anfechtbar sind nach § 134 InsO unentgeltliche Leistungen des Schuldners, wobei eine Bereicherung und eine Einigung iiber die Unentgeltlichkeit der Zuwendung nicht zwin-gend erforderlich sind (Schenkung). Unentgeltlich ist auch die Leistung eines Dritten, die dieser zur Tilgung einer objektiv nicht werthaltigen Forderung des Leistungsempfangers erbringt.17

Fallbeispiel einer anfechtbaren unentgeltlichen Leistung nach § 134 InsO:

Das Bauunternehmen B spendet regelmaGig einmal pro Jahr zum 30.6. jeweils 5.000 € an die beiden im Rat der Stadt vertretenen Parteien.

Am 15.12. stellt das Bauunternehmen Insolvenzantrag. Der Insolvenzverwalter hat die Moglichkeit Zahlungen in Hohe von 40.000 € gemaB § 134 InsO anzufechten und somit die Masse anzureichern.

17 BGH, Urteil vom 03.03.2005 - IX ZR 441/00 - ZInsO 8/2005, S. 431.

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Im Hinblick auf die Verwertungsmoglichkeiten von Sicherheiten spielt in der Insolvenz-ordnung insbesondere die Absicht des Gesetzgebers eine wichtige Rolle, die Befriedi-gung der Glaubiger vorrangig durch die Unternehmensfortfuhrung im Insolvenz- und Insolvenzplanverfahren zu regeln.

Da die InsO aber auch die Starkung der Stellung der Glaubiger des insolventen Unter-nehmens intendiert, besteht ein Konflikt zwischen dem Bestreben, die Befriedigung der Glaubiger durch Fortsetzung des Unternehmens zu erreichen einerseits, und der Starkung der Rechte der Glaubiger andererseits, die moglicherweise an einer schnellen Liquidation des Unternehmens interessiert sind, um so eine ziigige Verwertung ihrer Sicherheiten sicherzustellen.

• Auskunftsrecht nach § 167 InsO - Auskunft des Verwalters, - Besichtigung, Einsicht in Geschaftspapiere.

• Nachweis besserer Verwertungsmoglichkeit / Selbsteintrittsrecht nach § 168 InsO - Mltteilung uber Veraufterungsabsicht mlt Frist von einer Woche.

• Zinsanspruch gemaR § 169 InsO - ab Berichtstermin bzw. 3 Monate nach SicherungsmaGnahmen im Erbffnungsverfahren, - auch bei Forderungseinzug durch den Verwalter, - nur, soweitSicherheitwerthaltig.

• Wertersatzanspruch gemaft § 172 InsO - bei Nutzung des Sicherungsgutes durch den Verwalter, - in der Regel Gutachten / Vereinbarung mit dem Verwalter bei Nutzungsbeginn

empfehlenswert!

Abbildung 55: Rechte der Bank bei Verwertungsrecht des Verwalters

15.1 Bewegliches Anlagevermogen

Die Besicherung an Gegenstanden des beweglichen Anlagevermogens erfolgt durch Si-cherungsiibereignung oder durch Bestellung von Pfandrechten.

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15.1.1 Sicherungsubereignung

Die Sicherungstibereignung ist das bedeutendste Kreditsicherungsinstrument fiir beweg-liches Anlagevermogen.

Diese Art der Besicherung garantiert dem Glaubiger allerdings noch nicht, dass ihm im Falle der Verwertung des Sicherungsgutes der gesamte Verwertungserlos zusteht. Dies kann u.a. dann problematisch sein, wenn die Sicherungsubereignung mit anderen Siche-rungsrechten kollidiert.

Hierzu zahlt der potenzielle Konflikt mit Grundpfandrechten, die nach § 1120 BGB eine Zubehorhaftung beinhalten. In diesem Fall gilt grundsatzlich das Prioritatsprinzip. Es ist hinsichtlich des jeweiligen Sicherungsgegenstandes zu prufen, ob die Sicherungsubereig­nung vor der Bestellung des Grundpfandrechts vertraglich wirksam wurde.1

Bei gleichzeitiger Verhaftung durch Grundpfandrecht und Raumsicherungsubereignung ist in der Regel davon auszugehen, dass beide Rechte bestehen. Erlose aus der Verwer­tung werden dann quotal - bezogen auf die jeweils gesicherten Kreditforderungen - auf-geteilt.

Das Kreditinstitut erwirbt aufgrund der Sicherungsubereignung dinglich gesehen voll-wertiges Eigentum. Dieses Eigentum steht dem Kreditinstitut jedoch nicht wirtschaftlich zu, sondern dient nur der Sicherung seiner Forderungen. In der Insolvenz des Sicherungs-gebers steht dem Kreditinstitut gemafi § 51 Nr. 1 InsO ein Absonderungsrecht zu.

Das Insolvenzgericht kann nach § 21 Abs. 2 InsO schon im Antragsverfahren Zwangsvoll-streckung in das bewegliche Anlagevermogen des insolventen Unternehmens untersagen. Diese MaBnahme zielt darauf ab, die Fortfiihrung des Unternehmens zu ermoglichen, indem sie verhindert, dass Glaubiger ihre Sicherheiten bereits zu einem Zeitpunkt ver-werten, zu dem der Insolvenzverwalter noch nicht die Gelegenheit hatte, die Sanierungs-fahigkeit des insolventen Unternehmens zu prufen. Die sofortige Verwertung durch die Glaubiger wiirde ansonsten eine Priifung der Fortfiihrung zu Makulatur werden lassen.

Im Antragsverfahren befindet sich das durch die Sicherungsubereignung erfasste Siche-rungsgut in der Regel noch im Besitz des Schuldners. Es stellt sich daher die Frage, ob die §§ 166 ff. InsO, die ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters und eine Kosten-beitragsregelung zu dessen Gunsten vorsehen, auch im Antragsverfahren anwendbar sind.

Der BGH hat inzwischen klargestellt, dass der vorlaufige Insolvenzverwalter nicht zur Verwertung der Insolvenzmasse befugt ist.2 Gleichzeitig hat der BGH in seinen Urteilen darauf hingewiesen, dass aus- und absonderungsberechtigte Glaubiger im Antragsverfah­ren grundsatzlich die Moglichkeit haben, Sicherheiten einzuziehen und zu verwerten. Bei

1 Hierzu allgemein Biilow: Recht der Kreditsicherung. 2 BGHZ 146,165,172f; BGH Urt. v. 20.02.03 IX ZR 81/02; BGH Urt. v. 11.07.02 IX ZR 262/01.

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Abbildung 56: Verwertung von Mobiliarsicherheiten und Forderungen

einer Verwertung des Sicherungsgutes im Antragsverfahren durch die Glaubiger gehen der Masse insoweit die jeweiligen Feststellungs- und Verwertungsbeitrage verloren.

Um die Betriebsfortfiihrung im Antragsverfahren zu erleichtern und einer Verkur-zung der Insolvenzmasse entgegenzuwirken, sieht der Referentenentwurf des Geset-zes zur Anderung der Insolvenzordnung, des Kreditwesengesetztes und anderer Ge-setze (InsOAndG-E 2004 vom 16.09.2004) eine Erweiterung der Sicherungsmittel nach § 21 II InsO vor. Insolvenzgerichte sollen in Zukunft die Moglichkeit besitzen, aus- und absonderungsberechtigten Glaubigern im vorlaufigen Insolvenzverfahren zu verbieten, die verhafteten Gegenstande herauszuverlangen und zu verwerten.

Auf Basis der aktuellen Gesetzeslage bleibt es jedoch dem vorlaufigen Insolvenzverwal-ter und dem Schuldner sowie dem Sicherungseigentumer unbenommen, sich auf einen Verwertungsmodus und eine Kostenbeitragsregelung entsprechend §§ 166 ff. InsO zu verstandigen.

Im eroffneten Verfahren steht dem Insolvenzverwalter unter den Voraussetzungen des § 166 Abs. 1 InsO nunmehr das Verwertungsrecht zu. Fur durch Sicherungsvertrag er-langtes Sicherungsgut ergeben sich unter dem rechtlichen Aspekt keine Besonderheiten. Der Kostenbeitrag des jeweiligen absonderungsberechtigten Glaubigers ergibt sich nach § 171 InsO pauschaliert mit 4 Prozent fur die Feststellung und 5 Prozent fur die Ver­wertung. AuBerdem ist nach § 171 Abs. 2 InsO der Masse die anfallende Umsatzsteuer zu erstatten.

Bevor der Insolvenzverwalter jedoch beginnt, die Verwertung zu betreiben, hat er der Bank mitzuteilen, auf welche Weise die Gegenstande verauBert werden sollen (§ 168 Abs. 1 InsO). Das Kreditinstitut hat dann innerhalb einer Woche die Gelegenheit, auf eine fur das Institut giinstigere Verwertung hinzuweisen. Wird es entsprechend tatig, hat

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der Insolvenzverwalter diese Verwertungsmoglichkeit gemaB § 168 Abs. 2 InsO wahr-zunehmen oder die Bank so zu stellen, wie wenn es sie wahrgenommen hatte. Die Ver-wertung kann auch darin bestehen, dass das Kreditinstitut die Gegenstande selbst iiber-nimmt (§ 168 Abs. 3 InsO).

Wird bewegliches Anlagevermbgen, an dem Absonderungsrechte bestehen und zu des-sen Verwertung der Insolvenzverwalter berechtigt ist, von diesem nicht verwertet - also weiter genutzt - , sind dem Glaubiger gemaB § 169 InsO ab dem Berichtstermin die lau-fend geschuldeten Zinsen aus der Insolvenzmasse zu zahlen. Wurde nach § 21 InsO eine Verwertung bereits im vorlaufigen Verfahren untersagt, so sind die geschuldeten Zinsen spatestens ab dem Zeitpunkt zu zahlen, der drei Monate nach dieser Anordnung des In-solvenzgerichts liegt.

Daruber hinaus gilt nach § 172 InsO, dass der Verwalter bei Nutzung des beweglichen An-lagevermbgens, an dem er ein Verwertungsrecht hat, den dadurch entstehenden Wertverlust von der Eroffnung des Verfahrens an durch laufende Zahlungen an die Glaubiger auszuglei-chen hat. Dies gilt allerdings nur - so § 172 Abs. 2 InsO -, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des Absonderungsberechtigten beeintrachtigt.

Ein mit Absonderungsrechten belasteter Gegenstand kann dem absonderungsberechtig­ten Glaubiger jedoch durch den Insolvenzverwalter zur eigenstandigen Verwertung iiber-lassen werden. Der Verwalter verzichtet bei der Uberlassung - entweder durch Heraus-gabe oder Gestattung der Abholung durch den Glaubiger - dabei allerdings nicht auf den Gegenstand als Massebestandteil, sondern nur auf sein Verwertungsrecht. Die Art der eigenstandigen Verwertung und die Pflichten des Glaubigers konnen sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, fehlt ein solcher, hat die Verwertung entsprechend dem Si-cherungszweck zu erfolgen. Als Kostenbeitrag zur Masse fallen gemaB § 171 Abs. 1 die Feststellungskosten sowie eventuell entstehende Umsatzsteuern. Diese Kosten hat der Glaubiger vor seiner Befriedigung aus dem Verwertungserlos abzuftihren. Die Kosten der Verwertung tragt der eigenhandige Verwerter selbst.

Ob die Option einer eigenstandigen Verwertung durch die Bank wahrgenommen werden sollte, hangt von den Umstanden des Einzelfalls ab und die Frage kann daher generell nicht beantwortet werden. Sie wird allerdings nur in Ausnahmefallen die bessere Hand-lungsalternative darstellen.

15.1.2 Pfandrechte

Die Bedeutung des vertraglichen Pfandrechts als Kreditsicherungsmittel hat sich im Zeitab-lauf zunehmend verringert, da dieses durch die Sicherungsubereignung verdrangt wurde.

Durch rechtsgeschaftlich bestellte, gesetzliche und durch Pfandung erlangte Pfandrechte an beweglichen Gutern des Anlagevermogens erreichen Glaubiger nach §§50 Abs. 1 InsO die Rechtsstellung der Absonderungsberechtigung.

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Fur die abgesonderte Befriedigung der Pfandglaubiger sind die bereits dargestellten Re-gelungen des §§ 166-173 InsO maBgeblich.

15.2 Vorratsvermogen

Die Obereignung von Waren und Vorraten als Sicherheit fiir herausgelegte Kredite erfolgt in der Praxis durch einen Raumsicherungsubereignungsvertrag. Dabei handelt es sich meistens um die Sicherungsubereignung von Lagern mit wechselndem Bestand. Im Ver-trag wird das Sicherungsgebiet deswegen genau bezeichnet. Alle Gegenstande, die sich in diesem Raum befinden, werden von der Abrede erfasst und dem Sicherungsnehmer iiber-eignet. Unabdingbare Vertragsbestandteile sind in soweit die Adresse des Werkgelandes, die Werkhalle, genaue Gegenstandsbezeichnung und Lageskizzen.

Der Kreditnehmer ist verpflichtet, regelmaBig Bestandsmeldungen an das Kreditinsti-tut zu iibermitteln, damit sich dieses ein Bild von den Warenbestanden machen kann. Befinden sich die Waren in gemieteten Raumen, sollte das Kreditinstitut nur unter der Bedingung dem Raumsicherungsubereignungsvertrag zustimmen, dass der Vermieter auf sein Vermieterpfandrecht verzichtet.

Die Raumsicherungsubereignung ist in der Bankpraxis dahingehend von Bedeutung, dass bei geringem vertraglichen Aufwand wirtschaftlich erhebliche Aktivwerte eines Unter-nehmens als Sicherheit fiir Kredite iibereignet werden konnen.

Falls sich das durch Raumsicherungsubereignung erfasste Sicherungsgut in vom Siche-rungsgeber angemieteten Raumen befindet, kann es jedoch zu einer Kollision von Siche­rungsubereignung und Vermieterpfandrecht kommen, falls die entsprechende Verzichts-erklarung nicht vorliegen sollte.

Bei einer Kollision ist wiederum das Prioritatsprinzip maBgeblich. Das Vermieterpfand­recht bezieht sich grundsatzlich auf alle Gegenstande, die im Eigentum des Mieters ste-hen und in die gemieteten Raume eingebracht worden sind. Wird der Raumsicherungs-ubereignungsvertrag also erst nach dem Einbringen der Sache in den gemieteten Bereich abgeschlossen, so hat das Vermieterpfandrecht Vorrang.

Es verbleibt die Frage, wer im Falle einer Raumsicherungsubereignung, die auch kiinftig in das Sicherungsgebiet gelangende Gegenstande erfasst, vorrangig berechtigt ist. In die­sem Fall gelangt das Sicherungsgut in die vermietete Sache als Sicherungsraum und wird gleichzeitig durch das Vermieterpfandrecht erfasst. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Konstellation dem Vermieterpfandrecht den Vorrang eingeraumt.

Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ist also davon auszugehen, dass bei ruckstandigen Mieten vorrangig das Vermieterpfandrecht geltend gemacht werden kann und erst dann eine Raumsicherungsubereignung greift. Ebenso wird dem einfachen Eigentumsvor-

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behalt der Lieferanten des insolventen Unternehmens Vorrang vor der Raumsicherungs-ubereignung eingeraumt.

Durch den Vorrang des Vermieterpfandrechts und des Eigentumsvorbehalts wird die Bank, die sich durch eine Raumsicherungsiibereignung abgesichert hat, also nur auf den Teil des Vorratslagers Anspruch erheben konnen, der nicht schon anderweitig besichert ist. Bei dem bezahlten Teil der Waren des Vorratslagers entfallt die Besicherung durch den Eigentumsvorbehalt und die Bank hat im Verwertungsfall einen Anspruch auf Be-friedigung aus dem Erlos der schon bezahlten Ware des Vorratslagers - sofern kein Ver-mieterpfandrecht geltend gemacht werden kann.

Die Befriedigung erfolgt dann in Hohe des nach Einkaufspreis oder Niederstwertprinzip festgelegten Werts der Vorrate. Die Differenz zwischen diesem Wert und dem tatsachlich erzielten Verkaufserlos entfallt an die Masse.

Das Verwertungsrecht am Vorratsvermogen, an dem die Bank durch die Raumsicherungs­iibereignung ein Absonderungsrecht hat, steht nach § 166 InsO dem Insolvenzverwalter zu, wenn er es in Besitz genommen hat. Die bereits bei der Verwertung von beweglichem Anlagevermogen dargestellten Rechte von Kreditinstituten gemaB § 166 ff. InsO gelten entsprechend.

Eine eigenstandige Verwertung durch die Bank wird allerdings nur in den allerseltensten Fallen erfolgsversprechend sein, denn zumeist wird sich bei einem in die Insolvenz gefal-lenen Unternehmen ein relativ groBer Anteil an Langsamdrehern im Warenlager befin-den. Insofern ist die Verwertung durch den Verwalter regelmaBig anzuraten.

15.3 Forderungen

In den meisten Fallen wird bei Firmenkunden im normalen Kreditgeschaft eine Zession der Forderungen aus Lieferung und Leistung als Sicherheit vereinbart worden sein. Kommt es zur Kundigung des Engagements, konnte die Bank durch Offenlegung der Zession versuchen, ihre Forderungen zu realisieren. Es gilt hier jedoch regelmaBig abzuwagen, inwieweit eine solche Offenlegung sinnvoll ist. Fur die Forderungen, die bis zur Eroffnung des Verfahrens realisiert werden konnen, hat das Kreditinstitut keine Kostenbeitrage auszukehren, das heiBt es steht sich besser, als wenn eine Einziehung der Forderungen durch den Insolvenzverwalter erfolgt. Ob dies auch nach dem In-Kraft-Treten der genannten Anderung der Insolvenzver-ordnung (siehe Referentenentwurf zum InsOAndG vom 16.9.2004) der Fall sein wird, bleibt abzuwarten. Ferner ist zu beachten, dass die Offenlegung einen zum Teil betrachtlichen „Flurschaden" bei den Kunden des betroffenen Unternehmens hervorrufen kann, der eine Fortfuhrung des Unternehmens, zum Beispiel durch eine iibertragende Sanierung haufig un-moglich macht. In einem solchen Fall werden bei der Verwertung von weiteren Sicherheiten dann eher Zerschlagungswerte denn Fortfuhrungswerte erzielt werden konnen.

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Werden nach einer Kreditkundigung eingehende Zahlungen aus sicherungsubereigneten

Forderungen zur Reduzierung der Inanspruchnahme verwendet, ist der durch das Steuer-

anderungsgesetz 2003 eingefiihrte Haftungstatbestand des § 13c UStG zu beriicksichti-

gen. Nach § 13c UStG haftet der Zessionar (Abtretungsempfanger) fur die Umsatzsteuer,

die der Zedent und eigentliche Umsatzsteuerschuldner nicht, bzw. nicht vollstandig fur

eine abgetretene Forderung abgefiihrt hat. Nach dem Willen des Gesetzgebers treten die

Rechtsfolgen des § 13c UStG entsprechend bei der Verpfandung oder Pfandung von For­

derungen ein. Die Vorschrift ist auf alle Forderungsabtretungen anzuwenden, die nach

dem 7.11.2003 (Tag des GesetzesbeschluBes zum StAndG) vorgenommen worden sind.

Bei Forderungsabtretungen vor dem 8.11.2003 (Datum des Vertragsabschlusses) tritt eine

Haftung jedoch auch fur Forderungen ein, die nach dem 31.12.2003 entstanden sind. Fak-

tisch diirfte damit § 13c UStG zum heutigen Zeitpunkt auf fast alle Zessionsvertrage

Anwendung finden.

Bei der Bewertung des Haftungsrisikos ist zu beriicksichtigen, dass zwischen der in der vereinnahmten Forderung enthaltenen Umsatzsteuer und dem ruckstandigen Steuerbetrag kein sachlicher Zusammenhang bestehen muss. Der Gesetzgeber hat zudem von einer Begrenzung der Haftung auf den jeweiligen Voranmeldungszeitraum abgesehen. Da die Umsatzsteuer gem. § 16 I, 2 UStG eine Jahressteuer ist, kann sich insofern das Haftungs-risiko auf die nicht entrichtete Umsatzsteuer des gesamten Jahres erstrecken. Eine Zu-ordnung von Steuerabfuhrungen auf konkrete Forderungen ist in der Regel nur bei einer direkten Abfiihrung des Umsatzsteueranteils an das Finanzamt durch den Zessionar i.S.d. § 48 AO moglich. Damit begriindet bereits jede zu geringe Umsatzsteuerabfiihrung in dem mafigeblichen Zeitraum ein gewisses Haftungsrisiko. Eine Haftung kann sich zudem auch nachtraglich - etwa aufgrund einer Betriebsprufung - ergeben, da die Haftung nicht an einen bestimmten Zeitpunkt fiir die Steuerfestsetzung anknupft.

Der Haftungsumfang ist der Hohe nach in zweifacher Hinsicht begrenzt: Eine Haftung des Abtretungsempfangers kommt zum einen nur in Betracht, soweit der Unternehmer die festgesetzte Umsatzsteuer nicht abgefiihrt hat. Zum anderen ist die Haftung auf den Umsatzsteueranteil begrenzt, der in dem effektiv erlosten Betrag enthalten ist. Diese Haftungsbegrenzung gilt jedoch nicht, wenn der Abtretungsempfanger seinerseits die Forderung an einen Dritten abtritt (so genannte Kettenabtretung). In diesem Fall gilt die Forderung als in voller Hohe vereinnahmt. In der Insolvenz des leistenden Unternehmers vereinnahmt der Abtretungsempfanger den vom Insolvenzverwalter eingezogenen Betrag abzuglich der Feststellungs- und Verwertungskosten gem. § 170 InsO. Die Haftung er-streckt sich insoweit nur auf den in dem ausgekehrten Betrag enthaltenen Umsatzsteuer­anteil.

Da gerade im Sicherungsfall, d.h. in der Insolvenz des Kunden, mit Umsatzsteuerriick-standen zu rechnen ist, sollten Kreditinstitute ihre Sicherheitenposition neu bewerten. Dariiber hinaus haben Kreditinstitute ihr Haftungsrisiko neu zu kalkulieren, da bislang

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auch eine Umsatzsteuerhaftung in Betracht zu ziehen ist, wenn Kreditinstitute einge-hende Zahlungen aus abgetretnen Forderungen zur Reduzierung der Kontokorrentkre-dite verwenden. Das Bundesfinanzministerium hat in diesem Zusammenhang in seinem Schreiben vom 24.05.2004 darauf hingewiesen, dass in den Fallen der Sicherungsabtre-tung eine Forderung auch dann dureh den Abtretungsempfanger als vereinnahmt gilt, soweit der leistende Unternehmen die Forderung selbst einzieht und den Geldbetrag an den Abtretungsempfanger weiterleitet oder der Abtretungsempfanger die Moglichkeit des Zugriffs auf den Geldbetrag hat. Diese Formulierung lasst zumindest die Interpretation zu, dass Kreditinstitute auch fiir Umsatzsteuerbetrage haften, die sie im Laufe des nor-malen Kontokorrentgeschafts vereinnahmt haben.

Forderungen des Schuldners, die zur Sicherung abgetreten wurden, konnen nach § 166 Abs. 2 InsO im eroffneten Verfahren durch den Insolvenzverwalter verwertet werden. Eine Verwertung durch den Glaubiger ist nicht moglich3, es sei denn, der Verwalter uber-lasst die Verwertung dem Glaubiger (§ 170 Abs. 2 InsO).

RegelmaBig wird der Verwalter jedoch auf die Verwertung nicht verzichten, da er uber die Kostenbeitrage der Glaubiger die Moglichkeit hat, die Masse anzureichern. Auch die betroffenen Kreditinstitute werden - von einzelnen Ausnahmen abgesehen - kein Inte-resse an der eigenhandigen Verwertung haben.

Aus dem Verwertungserlos flieBen die Kostenbeitrage fiir Feststellung und Verwertung sowie die Umsatzsteuerbetrage der Masse zu. Die Hone der Kostenbeitrage wird in § 171 InsO pauschal mit 4 Prozent fiir die Feststellung und 5 Prozent fiir die Verwertung an-gegeben. Eine Abweichung von dieser gesetzlichen Regelung ist durch eine individuelle Vereinbarung zwischen Glaubiger und Insolvenzverwalter moglich.

Eine solche individuelle Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter sollte im Interesse des Glaubigers grundsatzlich nicht nur eine bloGe Erhohung der Pauschalsatze beinhal-ten. Vielmehr sollte fiir die Glaubiger nachvollziehbar sein, inwieweit ein erhohter Kos-tenbeitrag iiber die Masseanreicherung zur Fortfiihrung des Unternehmens fiihren kann. In einer Gesamtschau sind sodann die Vorteile einer Unternehmensfortfiihrung fiir die Hohe der einzelnen Verwertungserlose und die damit verbundenen erhohten Kostenbei­trage gegeneinander abzuwagen.

Nach den §§ 173 Abs 1, 166 Abs. 2 InsO steht in den folgenden Fallen das Recht zur Ver­wertung allein dem Glaubiger zu:

M Abtretung von Rechten (§§ 413, 398 BGB), zum Beispiel Mitgliedschaftsrechten oder gewerblichen Schutzrechte,4

M Verpfandung von Forderungen oder Rechten (§§ 1273, 1279 BGB), m gepfandete Forderungen und Rechte (§§ 828 ff., 857 ZPO).

3 Vgl. Kemper, in: Kubler/Prutting (Hrsg.), InsO, 2002, § 166 Rn. 8. 4 Vgl. Kemper, a.a.O., § 173 Rn. 5.

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Verwertungsrecht des Verwalters besteht nur an zedierten Forderungen

u••'•••:• *y kein Verwertungsrecht und keine Kostenbeitrage an verpfandeten Forderungen

I /> Umgehung des Kostenbeitrages durch Bestellung eines Pfandrechts an Forderungen gegen GroSkunden des Kreditnehmers (Nachteil: Anzeige der Verpfandung bei jeder Rechnungslegung)

Abbildung 57: Verwertung von Forderungen

Steht die Verwertung allein dem Glaubiger zu, so ist dies mit dem Zeitpunkt der Eroffnung des Insolvenzverfahrens moglich. Die gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen des Si-cherungsvertrages sind dabei zu beachten. Fur die Verwertung kann dem Glaubiger durch das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters eine Frist zur Verwertung gesetzt werden, nach deren Ablauf das Verwertungsrecht auf den Insolvenzverwalter ubergeht.

Bei der eigenhandigen Verwertung sind an die Insolvenzmasse keine Kostenbeitrage fur die Feststellung und Verwertung zu leisten. Mochte der Glaubiger die Verwertung nicht in eigener Hand durchfiihren, kann er mit dem Insolvenzverwalter eine Vereinbarung zur Verwertung treffen, wird diesen aber dann an dem Verwertungserlos beteiligen mlissen.

Der Verwertungserlos gebiihrt in der Hohe der besicherten Forderung dem Glaubiger. Auf den Vorrang des verlangerten Eigentumsvorbehalts gegeniiber der Zession sei hier nochmals hingewiesen. Ubersteigende Betrage sind an die Insolvenzmasse herauszuge-ben. Reicht der Erlos nicht zur Befriedigung der Forderung, so kann der Differenzbetrag als Insolvenzforderung nach § 52 InsO geltend gemacht werden.

15.4 Verwertung von Immobilien

Der grundsatzliche Zwiespalt zwischen Erhalt der Fortftihrungsmoglichkeiten und Star-kung der Rechte der Glaubiger wird insbesondere im Zusammenhang mit der Verwertung von Grundbesitz im Insolvenzfall deutlich.

So besitzen nach der InsO absonderungsberechtigte Glaubiger ein Stimmrecht in der Glaubigerversammlung (und dazu zahlen die Inhaber von Grundpfandrechten an Im­mobilien), gleichzeitig aber sind die rechtlichen Moglichkeiten des Insolvenzverwalters, etwaige Antrage auf Zwangsvollstreckung oder Zwangsverwaltung von Immobilien des betroffenen Unternehmens einstweilig einstellen oder aufheben zu lassen, sehr vielfaltig, um die Befriedigung der Glaubiger aus der Unternehmensfortfuhrung zu gewahrleisten.

So kann ein solcher Einstellungsantrag bereits vom vorlaufigen Insolvenzverwalter ge-stellt werden, wenn dieser glaubhaft machen kann, dass die Einstellung zur Vermeidung

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nachteiliger Veranderungen in der Vermogenslage des insolventen Schuldners erforder-lich ist.

Aufgrund dieser Vorgaben wird der Insolvenzverwalter und auch bereits der vorlaufige Insolvenzverwalter haufig eine Einstellung eines Zwangsversteigerungsverfahrens errei-chen konnen. Daraus konnen sich fiir die an einer schnellen Verwertung der Immobilie interessierte Bank teils erhebliche Verzogerungen ergeben, denn grundsatzlich ist davon auszugehen, dass eine Zwangsversteigerung des Immobilienbesitzes einer insolventen Firma die Fortfuhrung des Unternehmens unmoglich machen wird.

Die sich aus dieser hier kusorisch umrissenen Sachlage ergebenden Konsequenzen fiir die Verwertungsstrategien von Immobilien werden im Folgenden detaillierter analysiert sowie die Vor- und Nachteile moglicher Verhaltensoptionen fiir Banken erortert.

15.4.1 Auswirkung des Insolvenzverfahrens auf die Verwertung

Der vorlaufige Insolvenzverwalter hat das Vermbgen des Schuldners zu erhalten und zu sichern. Ihm obliegt es daher auch zu verhindern, dass Glaubiger von ihren Aus- und Absonderungsrechten schon vor der Verfahrenseroffnung Gebrauch machen. Deshalb wird er in aller Regel versuchen, Zwangsversteigerungen oder Zwangsverwaltungen von Immobilien des Schuldnerunternehmens einstweilig einstellen zu lassen.

Bei gewerblich genutzten Grundstiicken besteht fiir den Insolvenzverwalter nach § 30d ZVG die Moglichkeit, einen Zwangsvollstreckung einstweilig einstellen zu lassen. Dieses ist moglich, wenn

S im Insolvenzverfahren der Berichtstermin nach § 29 Abs.l Nr. 1 InsO noch bevor-steht,

% das Grundstiick nach dem Ergebnis des Berichtstermins im Insolvenzverfahren fiir eine Fortfuhrung des Unternehmens oder fiir die Vorbereitung der VerauBerung eines Betriebs oder einer anderen Gesamtheit von Gegenstanden benotigt wird,

Sif durch die Versteigerung die Durchfuhrung eines vorgelegten Insolvenzplans gefahr-dert wiirde oder

-h in sonstiger Weise durch die Versteigerung die angemessene Verwertung der Insol-venzmasse wesentlich erschwert wiirde.

Nach § 30 Abs. 4 ZVG besitzt auch ein vorlaufiger Insolvenzverwalter die Moglichkeit, die Zwangsversteigerung einstellen zu lassen, wenn er glaubhaft machen kann, dass die einstweilige Einstellung zur Verhutung nachteiliger Veranderungen in der Vermogens­lage des Schuldnerunternehmens erforderlich ist - was in der Regel erfolgreich durch-gefiihrt werden kann.

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Dieser Antrag auf einstweilige Einstellung ist nicht an Fristen gebunden und kann selbst dann noch gestellt werden, wenn die Bank schon vor der Insolvenz ein Zwangsversteige-rungsverfahren eingeleitet hat.

Sowohl im Antragsverfahren, aber insbesondere nach Eroffnung des Insolvenzverfah-rens sind also erhebliche Einschrankungen beziiglich der Verwertungsmoglichkeiten fiir Grundpfandglaubiger zu konstatieren.

Wird dem Antrag auf Einstellung stattgegeben, ist nach § 30e ZVG jedoch anzuordnen, dass dem Kreditinstitut fiir die Zeit nach dem Berichtstermin laufend die geschuldeten Zinsen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Falligkeit aus der Insolvenzmasse gezahlt werden. Fiir den Fall, dass das Versteigerungsverfahren schon vor der Eroffnung des In-solvenzverfahrens nach § 30d Abs. 4 ZVG eingestellt worden ist, ist die Zahlung von Zinsen spatestens von dem Zeitpunkt anzuordnen, der drei Monate nach der einstweili-gen Anordnung liegt. Wird das Grundstiick durch den Verwalter weiter genutzt, so wird das Gericht auf Antrag des Instituts als Auflage anordnen, dass der entstehende Werte-verlust von der Einstellung des Versteigerungsverfahrens an durch laufende Zahlungen aus der Insolvenzmasse auszugleichen ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn nach Hohe der Forderung sowie dem Wert und der sonstigen Belastung des Grundstiicks nicht mit einer Befriedigung aus dem Versteigerungserlos zu rechnen ist.

Im eroffneten Verfahren wird dem Verwalter nach § 153b ZVG die Moglichkeit gegeben, ein Zwangsverwaltungsverfahren ganz oder teilweise einstellen zu lassen, wenn er glaub-haft machen kann, dass durch die Fortsetzung der Zwangsverwaltung eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert wird. In diesem Fall ist den Glaubigern ein Ausgleich fiir etwaige Nachteile aus der Einstellung des Verfahrens aus der Insolvenzmasse zu zahlen.

Fiir den Fall einer Betriebsaufspaltung und einer damit haufig einhergehenden eigenka-pitalersetzenden Nutzungsiiberlassung hat der Bundesgerichtshof5 entschieden, dass die Zwangsverwaltung Vorrang vor kapitalersetzender Nutzungsiiberlassung in der Insolvenz hat. Somit folgt, dass im Falle einer Beschlagnahmung nach den §§ 1123, 1124 BGB der Zwangsverwalter selbst dann Miet- und Pachtanspriiche hat, wenn eine eigenkapital-ersetzende Nutzungsiiberlassung in der Insolvenz vorliegt.

Auf der Basis dieser Entscheidung werden sich Kreditinstitut und Insolvenzverwalter in der Regel auf eine so genannte „kalte Zwangsverwaltung" einigen konnen, wenn die Bank Grundpfandglaubiger der Immobilie ist, fiir die eine solche eigenkapitalersetzende Nutzungsiiberlassung besteht. Unter Androhung einer Zwangsverwaltung schlieBt die Bank oder Sparkasse mit dem Insolvenzverwalter eine Vereinbarung, aus der hervorgeht, dass auf die Zwangsverwaltung verzichtet wird, das Kreditinstitut allerdings so gestellt wird, wie es durch eine Zwangsverwaltung gestellt sein wiirde.

5 BGH, Urteil v. 7.12.1998 Zeichen IIZR 382/96.

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Kommt es nicht zu einer solchen Vereinbarung, gilt die MaBgabe, fur eine schnellstmog-liche und rechtzeitige Einleitung eines Zwangsverwaltungsverfahrens zu sorgen.

15.4.2 Voraussetzungen fur die Verwertung

Als erste Voraussetzung einer Verwertung ist das wirksame Bestehen bzw. die wirksame Begriindung eines Grundpfandrechtes zu sehen. Nach der Eroffnung des Insolvenzver-fahrens konnen Rechte an den Gegenstanden der Insolvenzmasse nicht mehr wirksam erworben werden. Deshalb muss das Grundpfandrecht bereits zum Zeitpunkt der Eroff­nung des Insolvenzverfahrens wirksam begriindet gewesen sein. Ist die Einigung iiber die Grundschuldbestellung bindend geworden und der Eintragungsantrag beim Grundbuch-amt eingegangen, hindert der nachfolgende Insolvenzeintritt die Entstehung der Grund-pfandrechte nicht (§ 91 Abs. 2 InsO).

Bei nicht rechtzeitiger Antragstellung kann ein Glaubiger ein Grundpfandrecht gutglau-big erwerben, wenn er zum Zeitpunkt, zu dem der Eintragungsantrag beim Grundbuch-amt eingeht, keine Kenntnis von der Eroffnung des Insolvenzverfahrens hatte und der Insolvenzvermerk im Grundbuch noch nicht eingetragen war (§ 892 BGB, § 81 Abs.l InsO). Dariiber hinaus ist der Umfang des Grundpfandrechtes festzustellen und abzu-grenzen. Uber den Umfang des Absonderungsrechts hinsichtlich des Zubehors entstehen haufig Konflikte mit dem Insolvenzverwalter.6

Die Zubehoreigenschaft ist geregelt in §§ 1120, 97, 98 BGB. Da die gesetzliche Formu-lierung sehr allgemein und abstrakt gehalten ist, kann es in bestimmten Fallen Streitig-keiten iiber die Zubehoreigenschaft geben.

Dieser Punkt ist fur Verwalter und Grundpfandglaubiger von Bedeutung, da der Erlos aus der VerauBerung von Zubehor des haftenden Grundstiicks unter der Voraussetzung des § 1121 BGB (VerauBerung und Entfernung vor Beschlagnahme) in die Masse entfallt und somit nicht an den Grundpfandglaubiger.

Wird zum Beispiel Grundsttickszubehor nach einer Betriebsstilllegung verauBert, ist die Zubehoreigenschaft mit Betriebsstilllegung aufgehoben, weil die Zweckbestimmung auf Dauer entfallt. Die Inventarstiicke scheiden damit jedoch nicht grundsatzlich aus dem Haftungsverband des Grundpfandrechts aus, da eine VerauBerung innerhalb der Grenzen einer ordnungsmaBigen Wirtschaft bei einer Betriebsstillegung nicht gegeben ist.

Verfugt der Insolvenzverwalter nicht innerhalb der Grenzen der ordnungsmaBigen Wirt­schaft, handelt er dem Grundpfandglaubiger gegeniiber rechtswidrig (§ 1135 i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB). Daher steht der so erzielte Erlos dem Absonderungsberechtigten zu.

Entsprechend der Regelung iiber die pauschalen Kostenbeitrage in § 171 InsO sieht auch § 10 Abs. 1 Nr. la ZVG vor, dass im Fall der Zwangsversteigerung eines Grundstiicks

6 Vgl. Lauer, Jorg: Die Bank in der Kundeninsolvenz, 2., S. 78 f.

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der Insolvenzmasse diejenigen Kosten zu erstatten sind, die durch die Feststellung des mithaftenden Grundstuckszubehbrs entstehen. Die Pauschale betragt 4 Prozent des Ver-kehrswertes der Mobilien.

Selbst wenn die Fragen zum Entstehungszeitpunkt und zum Umfang des Grundpfand-rechts geklart sind, folgt daraus nicht automatisch, dass die Bank als absonderungsbe-rechtigte Glaubigerin die Zwangsvollstreckung oder -verwaltung nunmehr durchfuhren kann.

Zum einen hat der Insolvenzverwalter selbst nach § 165 InsO die Moglichkeit, beim zu-standigen Gericht selbst die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung der Immobilie zu beantragen, auch wenn an dem Gegenstand ein Absonderungsrecht besteht. In soweit konnte dann er und nicht das Kreditinstitut die Verwertung betreiben. Zum anderen gibt es ftir den Vewalter die bereits dargestellten Moglichkeiten, etwaige Zwangsversteige-rungen und -Verwaltungen einstweilig einstellen zu lassen, um eine Unternehmensfort-ftihrung sicherzustellen.

15,5 Handlungsalternativen der Bank

15.5.1 Voruberlegungen

Die Verwertung von Immobilien ist regelmaBig abhangig von der Marktlage und der Er-tragskraft des betreffenden Objekts. Um die VerauBerbarkeit der Immobilie zu ermogli-chen oder verbessert darzustellen, ist zu priifen, ob vor einem Verkauf die Mietertrage steigerbar sind. Bei Wohnungseigentum ist eine GesamtverauBerung des Objekts gegen eine TeilverauBerung in einzelnen Einheiten abzuwagen.

Wird die Finanzierung eines Portfolios notleidend, konnen zu sanierende Objekte in eine Auffanggesellschaft eingebracht werden mit dem Ziel, sie zu revitalisieren, sie durch ge-steigerte Ertrage entsprechend aufzuwerten und anschlieBend bestmoglich zu verauBern.

15.5.2 Absonderungsberechtigung und ihre Konsequenzen

Absonderungsberechtigte Glaubiger werden in der Regel weniger Interesse an der Aus-schopfung samtlicher Verfahrensmoglichkeiten der Unternehmensfortfiihrung haben als die Insolvenzglaubiger. Wahrend die absonderungsberechtigten Grundpfandglaubiger ein verstarktes Interesse an der Verwertung ihrer Sicherheiten haben diirften, sind die Insol­venzglaubiger regelmaBig verstarkt an der Fortfiihrung des betroffenen Unternehmens interessiert, soweit dadurch die Insolvenzmasse angereichert werden kann, da auf diese Weise die Quote ihrer Befriedigung (tendenziell) steigen wird.

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Absonderungsberechtigte Glaubiger sind neben den in § 49 InsO erfassten Grundpfandglau-bigern aber auch die Glaubiger mit Pfandrechten an Gegenstanden der Insolvenzmasse.

Soweit diese Glaubiger auch eine personliche Forderung gegen den Schuldner haben, haftet ihnen die Masse iiber die Duldung der Befriedigung aus dem ihnen verhafteten Gegenstand hinaus nach § 52 InsO anteilig auch auf Ersatz eines moglichen Ausfalls, den sie bei Verwertung des Gegenstandes erleiden. Sie sind deshalb auch Insolvenzglaubiger.

In der Regel ist die Bank durch Grundpfandrechte besichert, das heiflt sie ist absonde-rungsberechtigt nach § 49 InsO.

Die absonderungsberechtigten Glaubiger mussen im Falle der Bertriebsfortfuhrung zwecks VergroBerung der Masse fiir die Insolvenzglaubiger ihr Sicherungsgut iiber einen langeren Raum der Masse zur Verfugung stellen. Trotz der Tatsache, dass ihnen in diesem Fall Ausgleichszahlungen zustehen, sollte ihr Bestreben darin liegen, die Fortfuhrung des Betriebs ziigig zu beenden, wenn feststeht, dass ihnen aus der andauernden Fortfuhrung keine weiteren Vorteile erwachsen, da erst dann eine Verwertung ihres Sicherungsgutes moglich ist.

15.5.3 Vollstreckungsversteigerung

Um eine Zwangsvollstreckung beantragen zu konnen, mussen eine Reihe von Vorausset-zungen erfullt sein. So ist fiir die Beantragung ein vollstreckbarer Schuldtitel erforderlich. Hierfiir kommt ein dinglicher Titel, wie zum Beispiel Eintragung einer Grundschuld, einer Hypothek oder einer Reallast in Frage. Dieser Titel gibt dem Glaubiger einen An-spruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung.

Moglich ist auch ein personlicher Titel, zum Beispiel ein Vollstreckungsbescheid (§ 699 ZPO), ein Prozessvergleich (§794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder eine vollstreckbare Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

Bevor eine Bank aus einem fiir sie eingetragenen Grundpfandrecht die Zwangsverstei-gerung beantragen kann, muss die durch das Grundpfandrecht gesicherte personliche Forderung fallig sein. Im Rahmen eines Darlehens beispielsweise, zu dessen Sicherung der Grundbucheintrag vorgenommen wurde, muss (bei Ausbleiben der Ratenzahlung) zu-nachst das Darlehen gekundigt werden, bevor die Zwangsvollstreckung beantragt werden kann. Das wird im Rahmen eines Insolvenzverfahren allerdings regelmaBig der Fall sein. Daruber hinaus bedarf es eines entsprechenden Antrags des Kreditinstituts, der Durch-fiihrung des Klauselverfahrens und der Zustellung an den Schuldner.

Betreibt bereits ein anderer Glaubiger die Vollstreckung und sind die Voraussetzungen fiir einen Antrag auf Zwangsversteigerung gegeben, sollte die Bank dem bereits betrie-benen Zwangsversteigerungsverfahren beitreten. Fiir den Beitrittsantrag gelten dieselben Voraussetzungen wie fiir den Anordnungsantrag. Dem Glaubiger, dessen Beitritt zuge-

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lassen ist, stehen dieselben Rechte zu, als wenn auf seinen Antrag die Versteigerung an-geordnet worden ware.

15.5.4 Zwangsverwaltung

Im Zwangsverwaltungsverfahren bleibt dem Schuldner im Gegensatz zum Zwangsver-steigerungsverfahren das Eigentum erhalten, es entzieht dem Schuldner aber die Ver-waltung und Nutzung des Grundstiicks. Die Befriedigung des Glaubigers wird aus der Nutzung des Grundstiicks vorgenommen.

Die Voraussetzungen fiir die Beantragung einer Zwangsverwaltung sind die Gleichen wie im Falle der Zwangsversteigerung, das heiBt Titel, Klausel, Zustellung und fallige Forderung.

Die Wirksamkeit der Zwangsverwaltung und Beschlagnahme des Grundstiicks erfolgt nach Zustellung des Anordnungsbeschlusses an den Schuldner und Eingang des Ersu-chens um Eintragung des Zwangsverwaltungsvermerks in das Grundbuch. Das Zwangs-vollstreckungsverfahren ist giiltig bis zu seiner Aufhebung durch das Gericht.

Es erfolgt die Beschlagnahme samtlicher mithaftenden Gegenstande - im Gegensatz zur Zwangsversteigerung, bei der nur die Beschlagnahme des Grundstiicks und des Zubehors erfolgt.

Grundsatzlich ist die Zwangsverwaltung natiirlich nur dann eine Option, wenn das Grundstiick vermietet ist und entsprechende Mietertrage generiert, denn nur dann wird eine Befriedigung der Anspruche aus den Mietertragen moglich sein. Des Weiteren sollte sie aber auch in den Fallen in Betracht gezogen werden, in denen die Bank als Grund-pfandglaubigerin ein Interesse an der Erhaltung des Gebaudes haben muss, zum Beispiel bei leer stehenden Gebauden.

Wesentlich haufiger als die Durchfuhrung einer Zwangsverwaltung ist die bereits an-gesprochene „kalte Zwangsverwaltung". Dies ist eine Vereinbarung zwischen dem (vor-laufigen) Insolvenzverwalter und dem iiber Grundschulden abgesicherten Kreditinstitut, in der festgelegt wird, von einer Zwangsverwaltung abzusehen und die Mieteinnahmen abzuglich einer geringen Massebeteiligung an das Kreditinstitut auszukehren. Eine sol-che Vereinbarung beinhaltet meist folgende Punkte:

P, Verzicht auf die Beantragung einer Zwangsverwaltung, % Einziehung der Mieteinnahmen durch den Verwalter, is Gegenleistung an die Insolvenzmasse fiir die Einziehung der Mieteinnahmen (in der

Regel ca. 5 Prozent der Nettokaltmiete), •€ Auskehrung der verbleibenden Mieteinnahmen an das Kreditinstitut, # Regelung der Verrechnung von Instandhaltungs- und Reparaturkosten mit den aus-

zukehrenden Mieteinnahmen sowie Festlegung von Hochstbetragen,

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• Vereinbarung einer spateren freihandigen Verwertung, • Kostenbeitrage bei freihandiger Verwertung, • Fortsetzungsklausel fiir das eroffnete Verfahren, falls eine Vereinbarung bereits im

Antragsverfahren zustande gekommen ist.

In der Regel wird der Insolvenzverwalter dariiber hinaus versuchen zu vereinbaren, dass die Mieteinnahmen fiir den Zeitraum, der bis zur Einleitung einer Zwangsverwaltung vergehen wiirde, vollstandig der Masse zuflieBen.

Durch eine solche Vereinbarung wird sich in der Regel fiir beide Seiten eine wirtschaft-lich sinnvolle Regelung erreichen lassen.

15.5.5 Freihandige VerauBerung

In den meisten Fallen erfolgt die freihandige VerauBerung eines belasteten Grundstiicks auf der Basis einer Verwertungsvereinbarung zwischen Grundpfandglaubigern und In­solvenzverwalter. Im Rahmen dieser Vereinbarung gilt es, hinsichtlich folgender Punkte Einigkeit zu erlangen:

?B den Verwertungsgegenstand (einschlieBlich Belastungen), % die zeitliche Begrenzung der VerauBerung, H die Preisuntergrenze, •H die Erlosverteilung. Bei lastenfreier VerauBerung erfolgt die Verteilung Zug um Zug

gegen Abgabe von Loschungsbewilligungen. Das Kreditinstitut hat einen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus dem Verkaufserlos. Sind mehrere Glaubiger vor-handen, empfiehlt sich eine Erlosverteilung nach den Rangklassen des § 10 ZVG. Es ist jedoch auch moglich, hiervon abweichende Regelungen zu treffen,

M Hohe der Vergutung fiir den Makler und den Insolvenzverwalter, % Anteil des Erloses zur Masse; hieriiber findet sich in der InsO keine Regelung, er ist

Verhandlungssache zwischen Glaubiger und Insolvenzverwalter, if Umsatzsteuer; die freihandige VerauBerung bei der Versteigerung eines Grundstiicks

ist grundsatzlich nicht umsatzsteuerpflichtig (§ 4 Nr. 4a UStG). Jedoch kann der In­solvenzverwalter nach § 9 UStG den Grundstiickskaufpreis der Umsatzsteuer unter-werfen.

Bei der Abwicklung eines Insolvenzverfahrens ist von Seiten der Bank darauf zu achten, dass solche Verwertungsvereinbarungen ziigig zustande kommen, um zum Teil jahre-lange „Hangepartien" zu vermeiden.

Die freihandige VerauBerung wird allerdings haufig erschwert durch die Tatsache, dass Glaubiger im Rahmen der Krise eines Unternehmens versuchen, ihre Forderungen durch die Eintragung von Zwangssicherungshypotheken abzusichern. Hierdurch wird eine freihandige VerauBerung wesentlich erschwert, da die Zustimmung aller Grundbuch-glaubiger bei der freihandigen Verwertung notwendig ist. Nachrangige Glaubiger ver-

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suchen in diesem Zusammenhang immer wieder, so genannte „Lastigkeitspramien" zu erzielen - das heiBt ihre Zustimmung zur freihandigen Verwertung von der Erfullung eines groBeren Teils ihrer Forderung abhangig zu machen. Ein ahnliches Verhalten ist bei der Gewahrung von Sanierungskrediten zu beobachten, wenn die die neuen Mittel zur Verfugung stellende Bank nachrangige Grundschuldeintragungen auf alle Betriebsim-mobilien erhalt. Fiir den Fall des Scheiterns des Sanierungsversuchs wird auch dann ver-sucht, von den erstrangig abgesicherten Glaubigern diese „Lastigkeitspramien" zu erhal-ten, wenn von den Letzteren eine freihandige Verwertung angestrebt wird. Das Erstreiten einer solchen „Lastigkeitspramie" ist allerdings haufig nicht ohne Risiko moglich. Aus dem Treueverhaltnis zwischen Bank und Schuldnerunternehmen kann sich namlich im Einzelfall die Verpflichtung ergeben, auf eine Sicherheit ersatzlos zu verzichten, wenn sich nur so ein giinstiger Verkauf der Immobilie durchfiihren lasst, der zu einem deutlich besseren Ergebnis als eine mogliche Zwangsverwertung fuhrt. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Verweigerung der Zustimmung zur freihandigen Verwertung ohne vorherige Zahlung aller Verbindlichkeiten des Schuldners eine schuldhafte Verletzung nebenver-traglicher Treuepflichten aus bestehenden Kreditvertragen darstellen kann und so auch zu einer Schadenersatzpflicht aus positiver Vertragsverletzung ftihren kann.

15.5.6 Insolvenzantrag zur Vermeidung eines Zwangsversteigerungsverfahrens

Wollen Erstranggrundbuchglaubiger eine weitere Belastung der Sicherungsobjekte durch die Eintragung von Zwangssicherungshypotheken vermeiden, kann auch auf Seiten des Kreditinstituts iiber die Beantragung eines Insolvenzverfahrens nachgedacht werden. Nach dem eventuellen Scheitern von Sanierungsbemuhungen kann die Bank die Kiindi-gung des Kreditengagements aussprechen und einen Glaubigerantrag stellen.

Voraussetzung fiir den Insolvenzantrag durch die Bank ist, dass der Schuldner zahlungs-unfahig oder uberschuldet ist, die Bank ein berechtigtes Interesse an der Eroffnung des Verfahrens hat und ihre Forderung sowie den Eroffnungsgrund glaubhaft machen kann. Der Eroffnungsgrund kann zum Beispiel dadurch glaubhaft gemacht werden, dass die Bank betriebswirtschaftliche Zahlen vorlegt, die belegen, dass der Kreditnehmer allein durch die Kundigung des Engagements der antragstellenden Bank zahlungsunfahig im Sinne der InsO ist. Die Voraussetzungen fiir den Insolvenzantrag durften daher von der Bank nachzuweisen sein.

Die so genannte Riickschlagsperre bewirkt dann, dass alle im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag eingetragenen Zwangssicherungshypotheken unwirksam werden. Die Zwangssicherungshypotheken, die im zweiten und dritten Monat vor dem Insolvenz­antrag eingetragen wurden, konnen durch Anfechtung des Insolvenzverwalters zu Fall gebracht werden.

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Dariiber hinaus gilt gemaB § 88 InsO, dass die Zwangsvollstreckungen fiir einzelne In-solvenzglaubiger wahrend der Dauer des Insolvenzverfahrens nicht zulassig sind.

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A C

ABS-Transaktion 152 Absonderungsrechte 266 Akkordstorer 127 Akquisitionskredit 95 Anfechtung 118 Anfechtungsfristen 166 Anfechtungsmoglichkeiten 241 Anfechtungstatbestande 241 Anfechtungsvoraussetzungen 242 Anfechtungswirkung 245 Anlagevermogen 263 Antragsverfahren 235 Asset-Deal 87 Asset Backed Securities 152 Asset Trading Clause 162 Aufrechnung 251

B

Bankenpool 138, 140 Bargeschaft 117, 119, 121 Barkapitalerhohung 130 Barwert 87 Beirat 197,201 Belegschaft 54 Beratungsgesellschaften 64 Besicherungsalternativen 94 Besserungsschein 39, 125, 126 Beteiligungen 60, 129 Beteiligungsgesellschaften 80 Beteiligungskapital 131 Betriebsimmobilien 279 Betriebsrat 53, 67, 223 Bilanzkennzahlen 11 Bundesanstalt fur Arbeit 230, 233 Business-Plan 80

Cashflow-Analyse 88 Closed-shop-Prinzip 206 Collateralised Debt Obligations 153 Controlling 7, 8, 11, 54, 55, 214 Controllingstrategie 55 Credit Default Swaps 153 Credit Linked Note 153 Cut-Off Date 159

D

Darlehensverzicht 94 Data-Room 86 Deal-Breaker 86 Debitorenmanagement 36, 37 Debt-Equity-Swap 129, 160 Deckung 246, 247, 248, 254 Distressed Debts 149 Due Diligence 84, 86, 156 Duldungskredit 257 Durchschnittsgewinnmethode 88

E

Eigenkapital 31, 73, 80 Eigenkapitalersatz 131, 190, 191 Eigenmittel 39 Eigentumsvorbehalt 118, 267, 268 Eigenverwaltung 219, 220, 225 Einkauf 48 Einlagen 30 Einlagenruckgewahrverbot 95 Ertragskrise 5 Ertragswert 87, 88 Ertragswertmethode 87 Ertragswertverfahren 92 ewige Rente 88

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F Factoring 117 Fahrlassigkeit 201 Fertigungsfluss 50 Fertigungstiefe 50 Financial Covenants 177, 195 Finanzbuchhaltung 55 Finanzierungshilfen 133 Finanzierungsinstrumente 116 Finanzierungsmoglichkeiten 93 Finanzmittel 88 Firm Bids 158 Firmeninsolvenzen 204 Firmenwert 30, 237 Firm Offer 158 Forderungen 30, 117, 268 Forderungsabtretung 167 Forderungserlass 125 Forderungskaufverfahren 230 Forderungsverkauf 117 Forderungsverzicht 75, 78, 124, 130 Forderwege 134 Forfaitierung 117 Fortfuhrungsprognose 29 Fortfuhrungswahrscheinlichkeit 209 Fortfuhrungswert 27 Fremdfinanzierungskosten 131 Fremdkapital 78, 80, 131 Friiherkennung 1, 3, 10, 19 Fruherkennungstreppe 20 Fruhwarnsystem 7, 8 Fuhrungskrafte 51

G

Gemeinkosten 45 Genussrechtskapital 132 Geschaftsbereiche 44, 59 Geschaftsfuhrung 173, 179, 189 Gesellschafter 186 Gesellschafterdarlehen 31, 185 Gesellschafterstellung 131

Gesellschaftsdarlehen 186 Gesellschaftskapital 95 Gewerkschaften 67 Girovertrag 252, 254, 256 Glaubigerausschuss 214, 215, 216, 218 Glaubigerbenachteiligung 165, 185, 258,

259, 260 Glaubigergefahrdung 185, 192, 198 Glaubigergruppen 224 Glaubigerschutz 240 Glaubigerversammlung 213, 216, 223 Gleichbehandlungsgrundsatz 39 Globalzessionen 118 Goodwill 87 Grundbesitz 271 Grundpfandrechte 245, 264, 271, 274, 276 Grundsttick 277 Grundstuckszubehor 274 Gutachter 174

H

Haftungsrisiko 165, 174, 181, 185, 192

I

Immobilien 271,272,275 Information 69 Insolvenz 203 Insolvenzantrag 250, 255 Insolvenzantragstellung 166 Insolvenzantragsverfahren 25 Insolvenzeroffnung 252 Insolvenzeroffnungsgriinde 21 Insolvenzforderung 131 Insolvenzgeld 208, 229, 232 Insolvenzgeldvorfinanzierung 229 Insolvenzgericht 208, 216, 236, 264 Insolvenzglaubiger 219 Insolvenzgrund 21, 208 Insolvenzmasse 271, 275 Insolvenzordnung 21, 241 Insolvenzplan 215, 221, 224, 225, 238,

239

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Insolvenzplanverfahren 215, 219, 220, 238, 239

Insolvenzstatistik 204 Insolvenzverfahren 203, 205, 211, 214,

232, 238, 241, 272 Insolvenzverschleppung 112, 165, 192,

203, 253 Insolvenzverwalter 206, 211, 214, 232,

241, 253, 271, 272, 278 Institut der Deutschen Wirtschaftspriifer

(IDW) 56 Interimsmanager 73 Investitionspool 137 Investor 73, 80

K

KalkulationszinsfuB 87 Kapitalbeteiligungen 80 Kapitalbeteiligungsgesellschaften 80 Kapitalerhaltungsvorschriften 95 Kapitalerhohungsbeschluss 129 Kapitalersatzrecht 198 Kapitalersatzregeln 190 Kapitalersetzende Darlehen 260 Kapitalgesellschaften 128 Kapitalschnitt 73, 85, 93, 113 Kaufinteresse 85 Kaufinteressenten 74, 77, 83 Kaufkriterien 47 Kaufpreisfinanzierung 80, 94 Kaufpreisfindung 86, 92 Knebelung 179 Kommunikation 64, 67, 69, 71 Kommunikationsstrategien 67, 71 Kontogutschriften 251 Kontokorrent 255 Kontokorrentkredit 254 Kontokorrentvertrag 252 Konzernhaftung 195 Kooperationen 60 Kostenbeitrage 237 Kostenrechnungssysteme 45

Kreditarten 238 Kreditaufnahme 235 Kreditgeber 38 Kreditkonsortium 138 Kreditkundigung 167 Kreditmanagement 36, 38 Kreditrahmen 239 Kreditunwurdigkeit 186 Kreditversicherer 75, 76, 118, 226 Kreditvertrag 252 Krisenarten 3 Krisenkommunikation 67, 70 Krisenmanagement 2, 34, 64 Krisenmanager 35, 39, 59, 68 Krisensymptome 2, 12 Krisenursachen 5, 43, 174 Krisenwahrnehmung 7 Kundigung zur Unzeit 169

Lagermanagement 36, 37 Lastigkeitspramien 279 Letter of Intent (LOI) 85 Lieferanten 48 Lieferantenanalyse 48 Lieferantenauswahl 49 Liquidation 133, 181 Liquidationskredit 132, 182 Liquidationswert 26, 27, 87 Liquiditat 36 Liquiditatsbedarf 61 Liquiditatskrise 5, 12 Liquiditatsmanagement 35 Liquiditatsplan 61 Liquiditatsplanung 36 Liquiditatsreserven 39 Liquiditatsvorschau 210

M

M&A 73 M&A-Berater 74, 77, 84 M&A-Prozess 74

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Make-or-buy-Entscheidung 50 Management 3 Management-Buy-In (MBI) 78 Management-Buy-Out (MBO) 78 Managementfehler 6 Marketingstrategie 50 Marktdaten 46 Marktforschung 46 Marktsattigung 8 Marktsituation 47 Massedarlehen 235 Massekostenvorschusses 211 Massekredite 235 Massenentlastung 53 Masseverbindlichkeiten 236 MaBnahmenkatalog 60 Materialkosten 48 Materialwirtschaft 48 Mezzanine-Capital 94 Mindesteigenkapitalausstattung 177 Mitarbeiter 53, 67 Mitarbeiterbefragung 51 Mobiliarsicherheiten 265

N

Nachfolgegesellschaft 75, 76 New Economy 2 Nichtigkeit 194 Niederstwertprinzip 268 Non-Performing Loans 149 Notleidende Kreditforderungen 150 NPL-Portfolio 149, 155 NPL-Transaktion 149, 154, 159

o Offentliche Finanzierungshilfen 133 Organisation 55 Organkredit 198 Overhead-Kosten 45

P

Pensionsverpflichtungen 31

Personalkostensenkung 53 PersonalmaBnahmen 53 Personalstrukturen 52 Personengesellschaften 112, 125 Pfandrecht 245, 266 Pleitewelle 203 Pool-GbR 137 Poolanlasse 137 Poolbank 142 Poolfuhrer 137, 142 Poolfuhrung 139 Poolmitglieder 145 Poolrecht 144 Poolsicherheit 142 Poolvereinbarung 146 Poolverhandlung 141 Poolvertrag 139, 142 Poolvorteile 137 Preis-Leistungs-Verhaltnis 47 Preissteigerung 8 Preisverfall 8 Prioritatsprinzip 267 Privilegierung 238,240 Produktion 49 Produktionsplanung 50 Produktivitat 50 Produktpalette 48 Projektmanagement 60 Prozesskostenrechnung 44 Priifungspflichten 181

Q Qualitatsmangel 50 Quasi-Gesellschafterhaftung 185, 191,

198

R

Rangrucktritt 78 Rangrucktrittserklarung 39, 128, 182, 190 Rangrucktrittsvereinbarung 94 Rating 150 Raumsicherungsubereignung 264, 267,

268

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Rechnungswesen 54, 55 Regelinsolvenzverfahren 205, 223, 242 Reibungsverlust 137 Residential Retail Loans 157 Restrukturierungskosten 43 Risikoanstieg 1 Risikofruherkennung 10, 19 Risikomanagementsystem 10 Ruckschlagsperre 279 Riickstellungen 31

s Sacheinlage 130 Sachwalter 225 Sanierungsbeitrage 74 Sanierungsbemuhungen 35 Sanierungserfahrungen 35 Sanierungsfahigkeit 56, 62, 172, 173, 180 Sanierungsgewinn 125, 130 Sanierungsgutachten 116, 173, 180, 200 Sanierungskonzept 56, 61, 172, 173 Sanierungskredit 132, 140, 172, 173, 176,

181, 194 Sanierungsmafinahmen 62, 78, 93 Sanierungsplan 116 Sanierungspool 138 Sanierungsprivileg 130 Sanierungsprozess 76 Sanierungspriifung 42 Sanierungsversuch 172 Sanierungswiirdigkeit 56, 62 Sanierungswiirdigkeitsprufung 62 Schadenersatz 169 Schadenersatzanspruche 169, 175, 182,

192,198 Schadenersatzforderungen 200 Schadenersatzpflicht 194 Schenkung 262 Schliisselpositionen 51 Schuldnerknebelung 194, 198 Selbstkontrahierungsverbot 139 Sellers-Note 96

Share-Deal 87 Sicherheiten 20, 120, 137, 236, 263 Sicherheitenabgrenzungsvertrage 144 Sicherheitenfreigabe 121 Sicherheitenpool 137 Sicherheitenpoolvertrag 137 Sicherheitenvertrag 140 Sicherheitenverwaltung 137 Sicherheitenverwertung 140, 169 Sicherungsubereignung 167, 264 Sicherungszweckerklarung 117, 139 Sittenwidrigkeitsgrundsatze 95 SofortmaBnahmen 33, 59 Sorgfaltspflicht 200 Sortimente 43 Sozialplan 182 Special Purpose Vehicle 152 Steuergestaltung 112 Stillhalten 140, 165 Strategien 59 Strategische Krise 4 Stundung 116 Subordination 128 Substanzwert 87 Substanzwertmethode 87 Synthetische Verbriefungen 152 Szenario-Rechnungen 61

T

True Sale 150

u Uberbruckungskredit 132, 175, 179, 182 Uberschuldung 21, 26, 33, 39, 73, 124,

127, 128, 132, 171, 174, 190, 192, 200, 249

Uberschuldungspriifung 26 Uberschuldungsstatus 29 Uberziehungskredit 256 Umschuldung 119 Unentgeltliche Leistungen 262 Unmittelbare Benachteiligung 261

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Unternehmensberater 42 Unternehmensbereiche 45 Unternehmensbewertung 87, 93 Unternehmensborsen 74 Unternehmensfortfuhrung 208, 270 Unternehmensfuhrung 52 Unternehmensinsolvenzen 1, 204 Unternehmenskauf 112 Unternehmenskaufer 76, 78 Unternehmenskaufpreis 92 Unternehmenskrise 5, 6, 9, 67 Unternehmensleitung 54 Unternehmenssanierung 42, 83, 172 Unternehmensiibernahme 93 Unternehmensubertragung 78 Unternehmensverkauf 73

V

Variantenvielfalt 50 Venture-Capitalisten 74, 80, 82 VerauBerungsgewinn 112 Verbindlichkeiten 31 Verbriefung 152 Vergleich 127 Verkaufsmandat 83 Verkaufsprozess 76 Verlustvortrage 113 Vermieterpfandrecht 267 Vermogensbenachteiligung 243 Vermogensverschiebung 241 Vermogenswerte 30 Vertrauen 67

Vertriebsmanagement 36, 38 Verwertung 265,271 Verwertungsmoglichkeiten 263 Verwertungsvereinbarung 278 Vollkostenrechnung 45 Vollstreckungsbescheid 276 Vollstreckungsversteigerung 276 Vorratsvermogen 267, 268 Vorsatz 201

w Wechsel-Scheck-Verfahren 118 Wettbewerbsanalyse 46 Wettbewerbsbedingungen 46 Working Capital 177

z Zahlungsfahigkeit 36, 73, 171 Zahlungsstockung 116 Zahlungsunfahigkeit 24, 116, 124, 127,

132, 171, 192, 247, 249 Zahlungsverkehr 251 Zession 118, 268 Zessionskredit 116 Zinsforderungen 124 Zinsverzicht 78, 124 Zwangssicherungshypotheken 279 Zwangsversteigerung 272, 275 Zwangsversteigerungsverfahren 272 Zwangsverwaltung 271, 275 Zwangsverwertung 279 Zwangsvollstreckung 271, 275, 280

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