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352 E. Krageloh und S. Bhongbhibhat 2. Werkstofftech. 9, 352-358 (1978) Overlag Chemie, GmbH, D-6940 Weinheim, 1978 Auslegung und Sicherheit bei mechanischer und thermischer Beanspruchung " E. Krageloh und S. Bhongbhibhat Mitteilung aus der Staatl. Materialpriifungsanstalt, Universitat Stuttgart (Dir. Prof. Dr.-Ing. K. Kuflmaul). 1. Einleitung Bauteile fur technische Anlagen mussen so ausgelegt wer- den, daR sie ihre Funktion erfullen und keine unzulassige Be- lastung der Umwelt bedeuten. Es ist also Aufgabe einer rich- tig verstandenen Festigkeitsrechnung, die Konstruktion unter Beriicksichtigung des Werkstoffverhaltens bei den maBgeben- den Betriebsbedingungen so zu bemessen, daR ,,ausreichende" Sicherheit gegen die moglichen Versagensarten Verformung, Ermudung und verformungslosen Bruch besteht. Dabei wird der Begriff Sicherheit recht vieldeutig gebraucht. Im allgemeinen geht man davon aus, daR Unsicher- heiten im Ansatz der Berechnung, als da sind Lasten, Werk- stoffdaten, Fertigungsungenauigkeiten usw., rnit dem gewahl- ten Sicherheitsbeiwert abgedeckt sind, man also von ausrei- chender Sicherheit sprechen kann. Es wird eine gewisse Ver- sagenswahrscheinlichkeit in Kauf genommen, solange keine irreparablen Schaden entstehen konnen. Eine Sicherheit im Sinne des Wortes, namlich eine absolute Sicherheit, ist von sehr vielen Umstanden abhangig, kann aber bei entsprechen- dem Aufwand im Bedarfsfall nach menschlichem Ermessen gewahrleistet werden. Dabei lconnen die zur Vermeidung eines unerwarteten (Sprod-) Bruchs notigen Anforderungen quantifiziert werden, nicht jedoch ein Sicherheitsabstand etwa im Sinn des Sicherheitsbeiwertes gegen z. B. plastische Ver- formung. griindig die Beanspruchung durch mechanische Belastung; im Grunde genommen stellt jedoch jede Gitterverzerrung (elastische Dehnung oder - uber den E-Modul - Spannung) und dariiber hinaus die plastische Verformung die mechani- sche Beanspruchung dar, unabhangig von ihrer Ursache, also auch wenn sie aus Temperaturdifferenzen oder unterdruck- ten Warmedehnungen resultiert. Thermische Beanspruchungen im weiteren Sinn sind jedoch auch vor allem die Einflusse er- hohter Temperatur auf die Widerstandsfahigkeit gegenuber Wechsel- und Zeitstandbeanspruchung sowie auf mogliche Gefugeveranderungen init EinfluB auf Kriecheigenschaften und Versprodung. Gerade letzteren Einflussen bzw. Eigen- schaften kommt im Hinblick auf die Bruchsicherheit eine be- sondere Bedeutung zu, weil bei den realen Bauteilen die Span- nungen stets ungleichmaRig verteilt sind; das im Verband durch Umlagerungen sich ergebende Zeit-Kriechverhalten Unter mechanischer Beanspruchung versteht man vorder- * Vorgetragen beim 8. Dechema-Konstruktionssymposion: Werk- stoffgerechtes Konstruieren im Apparate- und Anlagenbau, 1. u. 2. 12. 1977 Frankfurt. kann durch Versuche rnit homogen beanspruchten glatten Proben nur schwer vorausgesagt werden. Einen weiteren Unsicherheitsfaktor stellt die Kombination oder Uberlagerung von Zeitstand- und Wechselbeanspruchung dar, da gerade bei hohen Temperaturen und zeitabhangigen plastischen Verformungen rnit Gefugeanderungen und Ruck- wirkung auf die Widerstandsfahigkeit des Materials gerechnet werden mug, wofur man im Zeichen der Datenverarbeitung nach Stoffgesetzen sucht, die in Anbetracht der komplexen Verhaltnisse zumindest derzeit noch nicht in allgemeiner Form in Sicht sind. Zunachst mug man sich darauf beschranken, die wesentlichen Einflusse von Fall zu Fall fur die jeweiligen Ver- haltnisse richtig zu erfassen. 2. Auslegungsgrundsatze 2. I. Bereich unterhalb der Rekristallisationstemperatur Bei zahen Werkstoffen werden begrenzte plastische Ver- formungen zugelassen (l), ob man nun eine Grenzverformung definiert oder nach Spannungskategorien unterscheidet. Mit der Anwendung von Werkstoffen hoherer Festigkeit, besserer Ausnutzung der Werkstoffe und scharferer Betriebsweise - insbesondere haufigerer Wechsel der Last - ergaben sich Schwierigkeiten, die mit dem Ubergang auf die genauere Er- fassung der Sekundarspannungen nur zum Teil beseitigt wer- den konnen. In den Vordergrund ist vor allem das Problem der Sprodbruchsicherheit getreten, da die bei kritischen Werk- stoffen unvermeidlichen Fertigungsfehler schwierig zu beurtei- len sind. Das an sich elegante Werkzeug Bruchmechanik findet seine Grenzen in der zuverlassigen Definition der ortlich mag- gebenden Bruchzahigkeit KI, und der FehlergroRen- und -formbestimmung - hohe Festigkeit gibt bei kritischen Werk- stoffen kleine KIc-Werte und damit bei den hohen Spannun- gen so kleine zulassige Fehler, daR sie nicht mehr rnit ,,aus- reichender Sicherheit" eingegrenzt werden konnen. Das Pro- blem kann wirklich sicher mit optimierten Werkstoffen guter Zahigkeit beherrscht werden (2), indem durch zusatzliche Fertigungsuberwachung dafur gesorgt wird, daB Grobkorn- bereiche nur so klein sind, daR in ihnen evtl. noch eingeleitete Anrisse in der zahen Umgebung sicher aufgefangen werden. Bei geringeren Sicherheitsanforderungen kann man die not- wendige Absicherung durch eine ausreichende Uberlastung erzielen, die in solchen Abstanden wiederholt werden mug, daR in der Zwischenzeit evtl. Anrisse, die die Uberlastung gerade noch uberstanden haben, nicht zu einer fur die geringere Betriebsbelastung kritischen GroRe wachsen konnen. Daraus kann man aber ersehen, wie schwierig die Wahl der Uberlastungs- groRe ist; ferner gilt es zu bedenken, daR bei unterschiedlichen

Auslegung und Sicherheit bei mechanischer und thermischer Beanspruchung

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352 E. Krageloh und S. Bhongbhibhat 2. Werkstofftech. 9, 352-358 (1978) Overlag Chemie, GmbH, D-6940 Weinheim, 1978

Auslegung und Sicherheit bei mechanischer und thermischer Beanspruchung "

E. Krageloh und S. Bhongbhibhat

Mitteilung aus der Staatl. Materialpriifungsanstalt, Universitat Stuttgart (Dir. Prof. Dr.-Ing. K. Kuflmaul).

1. Einleitung

Bauteile fur technische Anlagen mussen so ausgelegt wer- den, daR sie ihre Funktion erfullen und keine unzulassige Be- lastung der Umwelt bedeuten. Es ist also Aufgabe einer rich- tig verstandenen Festigkeitsrechnung, die Konstruktion unter Beriicksichtigung des Werkstoffverhaltens bei den maBgeben- den Betriebsbedingungen so zu bemessen, daR ,,ausreichende" Sicherheit gegen die moglichen Versagensarten

Verformung, Ermudung und verformungslosen Bruch

besteht. Dabei wird der Begriff Sicherheit recht vieldeutig gebraucht. Im allgemeinen geht man davon aus, daR Unsicher- heiten im Ansatz der Berechnung, als da sind Lasten, Werk- stoffdaten, Fertigungsungenauigkeiten usw., rnit dem gewahl- ten Sicherheitsbeiwert abgedeckt sind, man also von ausrei- chender Sicherheit sprechen kann. Es wird eine gewisse Ver- sagenswahrscheinlichkeit in Kauf genommen, solange keine irreparablen Schaden entstehen konnen. Eine Sicherheit im Sinne des Wortes, namlich eine absolute Sicherheit, ist von sehr vielen Umstanden abhangig, kann aber bei entsprechen- dem Aufwand im Bedarfsfall nach menschlichem Ermessen gewahrleistet werden. Dabei lconnen die zur Vermeidung eines unerwarteten (Sprod-) Bruchs notigen Anforderungen quantifiziert werden, nicht jedoch ein Sicherheitsabstand etwa im Sinn des Sicherheitsbeiwertes gegen z. B. plastische Ver- formung.

griindig die Beanspruchung durch mechanische Belastung; im Grunde genommen stellt jedoch jede Gitterverzerrung (elastische Dehnung oder - uber den E-Modul - Spannung) und dariiber hinaus die plastische Verformung die mechani- sche Beanspruchung dar, unabhangig von ihrer Ursache, also auch wenn sie aus Temperaturdifferenzen oder unterdruck- ten Warmedehnungen resultiert. Thermische Beanspruchungen im weiteren Sinn sind jedoch auch vor allem die Einflusse er- hohter Temperatur auf die Widerstandsfahigkeit gegenuber Wechsel- und Zeitstandbeanspruchung sowie auf mogliche Gefugeveranderungen init EinfluB auf Kriecheigenschaften und Versprodung. Gerade letzteren Einflussen bzw. Eigen- schaften kommt im Hinblick auf die Bruchsicherheit eine be- sondere Bedeutung zu, weil bei den realen Bauteilen die Span- nungen stets ungleichmaRig verteilt sind; das im Verband durch Umlagerungen sich ergebende Zeit-Kriechverhalten

Unter mechanischer Beanspruchung versteht man vorder-

* Vorgetragen beim 8. Dechema-Konstruktionssymposion: Werk- stoffgerechtes Konstruieren im Apparate- und Anlagenbau, 1 . u. 2. 12. 1977 Frankfurt.

kann durch Versuche rnit homogen beanspruchten glatten Proben nur schwer vorausgesagt werden.

Einen weiteren Unsicherheitsfaktor stellt die Kombination oder Uberlagerung von Zeitstand- und Wechselbeanspruchung dar, da gerade bei hohen Temperaturen und zeitabhangigen plastischen Verformungen rnit Gefugeanderungen und Ruck- wirkung auf die Widerstandsfahigkeit des Materials gerechnet werden mug, wofur man im Zeichen der Datenverarbeitung nach Stoffgesetzen sucht, die in Anbetracht der komplexen Verhaltnisse zumindest derzeit noch nicht in allgemeiner Form in Sicht sind. Zunachst mug man sich darauf beschranken, die wesentlichen Einflusse von Fall zu Fall fur die jeweiligen Ver- haltnisse richtig zu erfassen.

2. Auslegungsgrundsatze

2. I . Bereich unterhalb der Rekristallisationstemperatur

Bei zahen Werkstoffen werden begrenzte plastische Ver- formungen zugelassen (l), o b man nun eine Grenzverformung definiert oder nach Spannungskategorien unterscheidet. Mit der Anwendung von Werkstoffen hoherer Festigkeit, besserer Ausnutzung der Werkstoffe und scharferer Betriebsweise - insbesondere haufigerer Wechsel der Last - ergaben sich Schwierigkeiten, die mit dem Ubergang auf die genauere Er- fassung der Sekundarspannungen nur zum Teil beseitigt wer- den konnen. In den Vordergrund ist vor allem das Problem der Sprodbruchsicherheit getreten, da die bei kritischen Werk- stoffen unvermeidlichen Fertigungsfehler schwierig zu beurtei- len sind. Das an sich elegante Werkzeug Bruchmechanik findet seine Grenzen in der zuverlassigen Definition der ortlich mag- gebenden Bruchzahigkeit KI, und der FehlergroRen- und -formbestimmung - hohe Festigkeit gibt bei kritischen Werk- stoffen kleine KIc-Werte und damit bei den hohen Spannun- gen so kleine zulassige Fehler, daR sie nicht mehr rnit ,,aus- reichender Sicherheit" eingegrenzt werden konnen. Das Pro- blem kann wirklich sicher mit optimierten Werkstoffen guter Zahigkeit beherrscht werden (2), indem durch zusatzliche Fertigungsuberwachung dafur gesorgt wird, daB Grobkorn- bereiche nur so klein sind, daR in ihnen evtl. noch eingeleitete Anrisse in der zahen Umgebung sicher aufgefangen werden. Bei geringeren Sicherheitsanforderungen kann man die not- wendige Absicherung durch eine ausreichende Uberlastung erzielen, die in solchen Abstanden wiederholt werden mug, daR in der Zwischenzeit evtl. Anrisse, die die Uberlastung gerade noch uberstanden haben, nicht zu einer fur die geringere Betriebsbelastung kritischen GroRe wachsen konnen. Daraus kann man aber ersehen, wie schwierig die Wahl der Uberlastungs- groRe ist; ferner gilt es zu bedenken, daR bei unterschiedlichen

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2. Werkstofftech. 9, 352-358 (1978) Auslegung und Sicherheit bei rnechanischer und therrnischer Beanspruchung 353

} Rand Temperaturen die betreffenden Streckgrenzen zu beriicksich- tigen sind und dag schlieRlich Warmespannungen nicht irnrner adaquat ersetzt werden konnen - zwar werden Warmespan- nungen meist erst bei Temperaturen wirksam, bei denen auch die Zahigkeit entsprechend hoher ist - dies mug jedoch von

/ /

m 0

,w Fall zu Fall beurteilt werden. ~ _ _

1, loq t 1-00 2.2. Bereich oberhalb der Rekristallisationstemperatur

Wahrend bei ordnungsgernager Auslegung unterhalb der Rekristallisationsternperatur (abgesehen von ortlich ganz klei- nen Bereichen sowie Stellen mit Fehlern) plastische Verfor- mungen nur bei der ersten Belastung zu erwarten sind, wird im Zeitstandbereich nach dem Mindestwert der Bruchgrenze fiir die vorgesehene Betriebszeit dimensioniert, wobei man we&, daB die Zeitstandwerte mit f 20% um den Mittelwert streuen konnen. Als Absicherung gegen unerwartete Briiche durch Kennwerte an der unteren Grenze mu6 ab 60% der rnit den Betriebsdaten angepaRten Auslegungs-Laufzeit kontrolliert werden, ob die Aufweitung bzw. Dehnung infolge Primarspan- nungen bereits einen kritischen Wert erreicht hat oder ob an Stellen mit Spannungskonzentrationen Risse aufgetreten sind. Die Stutzwirkung infolge Spannungsumlagerung ( 3) wird dabei gleich angesetzt wie bei FlieRvorgangen, obwohl sie im allge- meinen eher geringer ist, wie in Abb. 1 am Beispiel eines Biege- stabs schematisch gezeigt wird.

Kriechen auch die tangentiale Primarrnembranspannung all- rnahlich so um, daR sie auf der AuRenseite am grogten ist (Abb. 2 ) ; da auf der Innenseite rnit dern Druck zugleich eine negative 3. Hauptspannung auftritt, ist das Formanderungs- vermogen groRer als auBen (Abb. 3 ) , so daR trotz der hoheren Dehnungen irn Innern die Risse augen friiher auftreten und daher gut und ohne iibermagigen Aufwand kontrolliert wer- den konnen.

Wenn der Werkstoff homogen ist, findet das Kriechen und die Spannungsumlagerung gleichrnagig statt und kann aus den Zeitstandkurven der hornogen beanspruchten Proben nach dem Prinzip von Abb. 4 relativ einfach vorausgesagt werden, vor allem rnit den modernen Rechenhilfsmitteln, wenn die Kriechgesetze sich formulieren lassen. Enthalt das Bauteil jedoch Bereiche rnit geanderten Kriecheigenschaften, wie z. B. ,,hartere" SchweiRnahte rnit ihren WarmeeinfluRzonen, so werden bei Kriechdehnungen lings dieser Bereiche die Spannungen ebenfalls gernaR den unterschiedlichen Kriech- charakteristiken umgelagert, wie Abb. 5 zeigt. Da in solchen Fallen in der Regel auch das Formanderungsvermogen redu- ziert ist, reilSen diese Bereiche vorzeitig ein und es entstehen Schaden wie der in Abb. 6 wiedergegebene. Da der urngebende Werkstoff ausreichend zah ist, die Risse langsarn entstehen und die Auslegungsspannungen in Anbetracht der hohen Tem- peraturen niedrig sind, ist auch bei nicht rechtzeitiger Ent- deckung solcher Risse die Sicherheit nicht gefahrdet, weil zwar Leckagen entstehen, aber kein Zerknall. Mit letzterem rnuf3te nur dann gerechnet werden, wenn infolge der Beanspruchung senkrecht zu der Naht ein Rig auf grogerer Lange entstiinde - da sich bei solcher Beanspruchung das ortlich reduzierte Form- anderungsvermogen jedoch nicht bernerkbar machte (die Zeit- standfestigkeit der Naht unter der nicht umgelagerten Span- nung ist eher hoher!), ist in solchem Fall die Sicherheit in der Regel durch die normale Dehnungs- bzw. RiRuberwachung

Bei relativ dickwandigen DruckgefaRen lagert sich rnit dern

Kriechen Flienen 1-692.11 MPA Stuttgart L566

Abb. 1. bei Kriechdehnung (oben) und Vergleich Kriechen-FlieSen (ausge- pragte Streckgrenze, na < nb).

Schema der teilplastischen Stiitzwirkung am gebogenen Stab

- 0 a +

t -- I plast.) -- MPA Stuttgart 1567 [T]

Abb. 2. Schernatische Spannungsverteilung am dickwandigen Hohl- zylinder unter Innendruck. to: elastisch, t, (voll-) plastisch.

lnnen - 3 -c CI

MPA Stuttgart 1568 Abb. 3. EinfluS des Spannungszustandes auf das Forrnanderungs- vermogen 9~ (- 7grenz) nach dem Schema von Leon.

gewahrleistet; Ausnahmen konnen Werkstoffe mit ausgespro- chener Langzeitversprodung bilden.

1st die Beanspruchung einer Konstruktion bei hoher Tem- peratur nicht gleichrnagig, sondern wechseln Spannung undl oder Temperatur, so konnen die Zeiten unter jeweils gleicher Beanspruchung fur sich zusammengefagt werden und ihre Teil- ausnutzung rechnerisch bestimmt und addiert werden (lineare Akkumulation). Die Ausnutzung 1 oder 100% sol1 der einstufi- gen Belastung bis zurn Bruch entsprechen, was durch Versu- che unter Berucksichtigung der iiblichen Streuung hinlanglich bestatigt ist.

Werden Bauteile, deren Funktion direkt von ihrer Verfor- mung abhangig ist, bei Kriechternperaturen betrieben, ist ne- ben der Festigkeitsrechnung auch eine Verforrnungsbetrach-

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A L . 1, t, 12 log t

Abb. 4. Hohlzylinders (F = J odA = const) bei hohen Temperaturen.

Schema der Spannungsumlagerung am Ausschnitt eines

Abb. 5. Spannungsumlagerung bei Strukturen mit inhomogener Kriechcharakteristik wie SchweiRnahten - schematisch.

Werkstoff: 13CrMo44

Betriebsdaten : Dauer 95000 h Temperatur 530 'C Oruck 20 bar Spannung 60 N/mm2

Typische RiObildung an SchweiOnaht eines Kesselteils

lm Abb. 6. 1 3 CrMo 44 nach 95 000 h Betrieb bei 5 30 C.

Zeitstandrisse an einer Rundnaht eines T-Stuckes aus

tung zu machen. Dies betrifft insbesondere in sich verspannte Systeme, die durch Kriechen relaxieren, also Schraubverbin- dungen aller Art und vor allem Flanschverbindungen, deren

Dichtungskrafte FD sehr empfindlich auf plastische Verfor- mungen nicht nur der Dichtung, sondern auch der Schrauben und Flanschteller (Af) reagieren konnen, wie in Abb. 7 sche- matisch zu erkennen ist. Wird durch iibermagige Relaxation der Mindestwert der Dichtkraft F D ~ ~ , , unterschritten, wird die Verbindung undicht.

Abb. 7. Auswirkung der Kriechverformung Af von Losflanschen auf die Schraubenkraft FS und die Dichtungskraft FD ( F D ~ < F D ~ ~ ~ +. Leckage).

3. Spannungszustand und Formanderungsvermogen

Die Mehrachsigkeit der Spannungen wird mittels der iib- lichen Festigkeitshypothesen beriicksichtigt. Versuche an Roh- ren unter Innendruck mit

haben nun im Bereich hoher Temperaturen ergeben, da13 die Laufzeit offensichtlich kiirzer ist, als nach den Versuchen mit einachsig beanspruchten Probestaben zu erwarten war (5). Die daraus gezogene Folgerung, da13 bei Kriechbeanspru- chung die Schubspannungshypothese (SH) zutreffender sei als die Gestaltanderungsenergiehypothese (GEH), gibt zwar in etwa den Sachverhalt richtig wieder, ist aber doch nicht zutreffend - aus Versuchen bei Raumtemperatur ist bekannt (4), da13 das Verformungsvermogen, ausgedriickt als Bruch- formanderung vB, fur

nur etwa halb so grog ist, wie fur (52 = a1 oder o3 (bei unver- inderten Werten von a l und 03). Dies mu13 bei Kriechvorgan- gen zwangslaufig zu einer friiheren Erschopfung und zum Bruch fiihren, was man dadurch etwa ausgleichen kann, dag man die Spannung um 15% vermindert (Differenz der SH gegenuber der GEH fur diese Spannungskombination), wie in Abb. 8 gezeigt. Der EinfluO der Walzrichtung ist nicht bekannt - beziiglich der Dehnung wird nur gesagt, da13 6 (also ohne Beriicksichtigung der Einschnurung) teilweise groger sei als die Umfangsdehnung am Rohr.

Einen weiteren EinfluB hat die Mittelspannung

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%-Rohr 0h%-Stab

I I

100 L I I I I I I

1 1 1 1

0 Rohr nach GEH 0.87 SH 1

auf das Formanderungsvermogen, wie in der Hullkurve nach Abb. 9 zum Ausdruck kommt. Eine Verschiebung nach links zu negativen Spannungswerten vergroRert p ~ , wogegen die Lage von (32 relativ zu u1 und u3 sie vermindern mug. Welcher EinfluB z. B. beim Torsionsversuch gegenuber dem Zugver- such uberwiegt, ist durch Versuche zu klaren - fur die FlieB- vorgange bei Raumtemperatur sind am Beispiel des Ck 10 in Abb. 9 Zug-, Stauch- und Verdrehversuch einander gegen-

ubergestellt (statt 7 ist - gesetzt, da p- kf ist und nur so die

Proportionalitat verdeutlicht wird), ohne daR sicher gesagt werden kann, ob gleiche Relationen auch fur das Zeitstand- kriechen gelten.

Eine wesentliche SchluGfolgerung daraus ist die, daR zwar die (heute in der Auslegung nicht mehr gebrauchlichen) Dehn- grenzen von der evtl. unterschiedlichen Mittelspannung im Bauteil und Zugstab wohl kaum beeinflufit werden, wohl aber die Bruchgrenze - sie wird zwar paradoxerweise der Auslegung zugrunde gelegt, die Sicherheit sol1 sich jedoch aus der zu verfolgenden Verformung ergeben.

Der Vollstandigkeit halber sei hier noch auf eine weitere Ungereimtheit bei den Werkstoffkennwerten hingewiesen: als Kriterium wird nach ASME neben der Streckgrenze auch - und zwar meist entscheidend - die Zugfestigkeit eingesetzt, obwohl sie keine reale Spannung ist und im Gegensatz zur FlieRgrenze weder im Stauchversuch noch im Verdrehversuch ermittelt werden kann.

kf 2

Wlrnrn2 1000

01 + u2 + 0 3

3 Abb. 9. EinfluR der Mittelspannung om = und der

Lage von 02 gegen u1 bzw. 83 auf Bruchformanderung VB = lnAO/AB fur Ck 10 (us = 343 N/mm2; do = 10 mm/Zugversuch, 18 mm/Stauchversuch und 2 0 mmlverdrehversuch).

4. Ermudung und Kriechen

Die sog. Ermudung durch Schwingung bzw. haufiger wechselnde Belastung ist eine sehr komplexe Beanspruchung. MaRgebend ist zunachst einmal die Spannungs- bzw. Deh- nungsspitze, die wegen Formungenauigkeiten und anderen Problemen an sich schon schwer genau zu bestimmen ist. GroRen EinfluR auf die Lastspielzahl haben dariiberhinaus die Form und GroRe, die Oberflache, das Medium der Umge- bung und schlieRlich die Frequenz und damit die Zeit, wenn Korrosion, Gefugeanderungen und Kriechvorgange beteiligt sind. Letzteres betrifft wieder die Beanspruchung bei hohen Temperaturen. Man kann in der Hauptsache 2 Kategorien unterscheiden: a) Grundbelastung bei geringerer Beanspruchung mit haufi-

gen Temperaturwechseln bis zu Thermoschocks (z. B. Dampfturbinen)

b) langere Betriebszeiten bei etwa konstanten Verhaltnissen rnit zwischengeschalteten Entlastungen (z. B. Kesselteile) Man kann beide grob gesprochen als uberlagerung von

Kriech- und Wechselbeanspruchung ansehen. Solche Bean- spruchungen werden in den Berechnungsvorschriften auch bereits durch Addition (lineare Akkumulation) von Teiler- schopfungen mit Zeitstand- und Wechselbeanspruchung be- riicksichtigt (6). Nun ist es schon umstritten, ob fur die Schwingungsbeanspruchung bei Raumtemperatur die lineare Akkumulation zutreffend ist, auch wird der EinfluB der Tem- peratur auf die Wechselfestigkeit unterhalb der Rekristalli- sationstemperatur nicht einheitlich gesehen - zu beachten ist vor allem, daR bei erhohter Temperatur die Oberflache durch Zundern verschlechtert wird. Solange keine wesentli- chen Gefugeanderungen auftreten, kann man in guter Nahe- rung davon ausgehen, daR die Dehnungsschwingbreite in Ab- hangigkeit von der Lastspielzahl von der Temperatur nahezu unabhangig ist (7). Bei hoheren Temperaturen mussen die Vergleichsproben fur Raumtemperatur zuvor zwecks Zunder- bildung ebenfalls bei der betr. Temperatur gegluht werden, wonach auch hier eine weitgehende Angleichung erzielt wird (Abb. 10); die dort noch vorhandene Verminderung der Schwingbreite durfte insbesondere darauf zuriickzufuhren sein, daR die Zunderung wahrend der Wechselverformung aktiver verlauft als im Stillstand, jedoch kann auch ein ande- rer Ablauf der Ver- oder Entfestigung eine Rolle spielen.

Bei der vorn unter a) genannten Kategorie uberwiegt im allgemeinen der Ermudungsanteil den evtl. Kriechanteil bei weitem. Der Verdacht liegt nahe, daR Schaden allein dadurch verursacht wurden, daR die Warmespannungen tatsachlich

s 5 Ol

; %

z z E = 6%/min, dehnungsgesleuert

100 Hz, kraftgesteuert,Ea = 3 P n G 3 6 5

100

VI ol

2 2

2 10-1 c

lo2 z 5 lo3 z 5 10' z 5 10' z 5 lo6 z 5 107 2 5 1-692.101 Lastspielzahl Nd, N,

Abb. 10. Vergleich von Schwingversuchen bei Raurntemperatur und 530 "C - EinfluR der Oberflache.

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a. GS-17 CrMoV 511 10'

Hal tezei t rn

hoher waren als in der Rechnung ermittelt und da13 die zu- lassige Amplitude aus den Stabversuchen zu optimistisch an- gesetzt wurde. Intensive Anstrengungen sollten unternom- men werden, diese Frage zu klaren.

durch Kriechen und Ermuden richtig ist, kann noch nicht klar beantwortet werden. Es wurden Wechselversuche mit und ohne Haltezeiten, bei konstanter und wechselnder Tem- peratur durchgefuhrt (8, 9 ) rnit dem Ziel, zutreffende Stoffge- setze aufstellen zu konnen. Soweit die Ergebnisse auf den Ver- gleich rnit der linearen Akkumulation hin ausgewertet sind, liegen sie teils weit unter, teils weit iiber l ,O. Beispiele dafur zeigt Abb. 1 1 . Mit solchen Versuchen la& sich also offen- sichtlich nicht so rasch eine Klarung herbeifuhren. Dies liegt zum einen in der Schwierigkeit der richtigen Versuchsfuhrung, zum andern in den komplexen Einflussen von Temperatur und Verformung auf das Gefuge begrundet, was man unbe- dingt auseinander halten mu&.

Die Versuche werden meist an glatten Probestaben in der Weise durchgefiihrt, daf3 man die Wechselbeanspruchung ohne und rnit Haltezeit - bei Dehnung und evtl. auch bei Stauchung - dehnungssteuert, die Zeitstandbeanspruchung aber nach der Last steuert; verglichen werden sinnvollerweise nicht die Wech- sel, sondern die Zeiten bis zum Bruch. Abb. 12 zeigt die Ver- haltnisse fur Wechselversuche rnit unterschiedlichen Haltezei- ten, wenn man die Dehnungsamplituden den elastischen Deh- nungen uB4lE aus Zeitstandversuchen gegenuberstellt. Auf dieser Basis ist jedoch kein direkter Vergleich moglich, weil bei beiden Kategorien der Betriebsbeanspruchung die Halte- zeit nicht unter konstanter Last bzw. Spannung ablauft, auch ist die Gesamtdehnung beim Zeitstandversuch nicht definiert und vor allem bei kurzer Laufzeit sehr hoch. Ein anderes Bild liefert ein Vergleich von Zeitstandversuchen ohne und rnit Unterbrechung der Last bis hin zum Schwellversuch nach Abb. 13 - wertet man nur die Haltezeit unter Last, fallt die Kurve fast rnit der Zeitstandkurve zusammen, d. h. die Wech- sel haben keinen negativen EinfluR.

Da es sich bei den realen Bauteilen stets u m Konstruktio- nen mit ungleichmafiiger Spannungsverteilung handelt, bei denen im Idealfall die LastgroRe wahrend der Halteperioden konstant bleibt, verlauft die Spannungs-Kriechdehnungs-Ge- schichte nach den sich aus der Umlagerung ergebenden Ge- setzmagigkeiten, die fur jeden Fall andere sind. Generell kann man den Fall b) am ehesten rnit entsprechend gekerbten Pro- bestiiben nachahmen, die unter konstanter Last gehalten und in Intervallen entlastet werden. Da im Bauteil eine Entlastung

Wieweit bei Kategorie b) eine Addition der Schadigungen

2 Ea 1.2 "/D 10 HZ Errnudung 10 I . Kriechen

1.5 a : 250 N/rnrnl Sanicro 31

0 05 10 1,5 2.0 0 42 04 0,6 0.8 1.0 Errnudungsschadigung N / Nf

-692.11) N/N1

100 10' 10 2 lo3 10'. h lo5 [ T I AnriOzeit tA, Bruchzeit t g

Abb. 12. versuchen (Vorschlag Timo [ 121).

Vergleich von Zeitstandversuchen rnit Dehnungswechsel-

L50 I I 1 GS-17CrMoV511 1

150 i ~-

100 10' 2 5 102 2 5 103 2

[?-zziq Bruchzeit t,

Belastung

Hallezeit be! Entlastung

h

Abb. 13. EinfluR von Entlastungen auf die Standzeit und Vergleich rnit Schwellversuch ohne Haltezeit an glatten Probestaben (0 16).

in der Regel auch rnit einer Temperaturabsenkung verknupft ist, interessiert eine Haltezeit ohne Last nicht. Einige solcher Versuche iiber relativ kurze Zeiten bis zu 1000 h ergaben, wie Abb. 14 zeigt, keine Verminderung der Lebensdauer durch die Zwischenentlastungen, sondern tendenzmagig sogar eine Verlangerung (nur die Haltezeiten gerechnet). Da bei diesen Ver- suchen der Anteil der ,,Errnudung" noch relativ gering war, sol- len zur weiteren Bekraftigung Versuche rnit Laufzeiten von 2 10000 h in der Art durchgefuhrt werden, daR die Zahl der Entlastungen nach Kurzzeitversuchen ohne Haltezeit so ge- wahlt wird, da13 sie fur sich allein einen Ermiidungsbruch (An- rig) ergeben wiirden - es mu13 sich dann zeigen, o b und wel- chen Effekt die Uberlagerung beider Beanspruchungen auf die Bruchlaufzeit hat. Dabei werden auch die im Betrieb sehr ent- scheidenden und meist erst nach langeren Zeiten wirksam werdenden Versprodungen mit erfaRt, desgleichen kann der EinfluR von Schweihngen einschl. WEZ beriicksichtigt wer- den, wenn die Proben langs der Naht entnommen werden.

verschieden a b - die Wechselbeanspruchung erzeugt trans- kristalline Briiche, wahrend die Zeitstandbeanspruchung in- terkristalline, also Korngrenzenbriiche erzeugt (Abb. 1 5 ) . Nachdem im Kurzzeitversuch keine negative gegenseitige Be- einflussung aufgetreten ist, wie das Beispiel des Kerbstabs

Der Bruchmechanismus lauft bei beiden Beanspruchungen

gezeigt hat (und wie aus parallelen Versuchen an Rohren unter Innendruck bei hohen Temperaturen rnit Zwischenent- lastungen bestatigt wurde), ist dies auch im Langzeitversuch Abb. 11. Aufeinanderfolge von Ermiidungs- und Kriechbeanspruchung

(und urngekehrt) unwahrscheinlich. Noch mehr als vermutlich befm Kerbstab schadigungen am Beispiel von hoch- und niedriglegiertern Stahl (10, 11). durfte hierfur beim Bauteil der Effekt beitragen, da13 die Be-

Auswertung nach dem Additionsgesetz der Teil-

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-692.141 Zeit bis zum Bruch t g

Abb. 14. EinfluS von Entlastungen auf die Standzeit von gekerbten Staben (0 16/14, LYk = 4,l).

Abb. 15. RiSverlauf nach Wechselversuch ohne Haltezeit (Nimocast 71 3 v, 850 'C, 2 cages = 0,7%, NB = 1277 - oben) und nach Zeit- standversuch) 1 3 CrMo 44, 5 3 0 "C, Laufzeit 65000 h rnit un = 55 N/mm2, 169 Wechsel - unten).

anspruchung aus Zeitstandlast und Wechsellast ihr jeweiliges HochstmaR an verschiedenen Stellen erreicht. Wie vorn schon gezeigt, lagert sich an Spannungskonzentrationen die Span- nung beim Kriechen um in dem Sinne, daR das geringste Formanderungsvermogen haufig gar nicht dort ist, wo die rechnerische Spannung am hochsten ist und wo auch die grog- ten Dehnungsschwingbreiten fur die Ermiidung maggebend sind - so treten Ermudungsbriiche an Druckgefagen stets im Innern z. B. an Randern von Ausschnitten auf, begiinstigt durch das Medium und das Verhalten der Magnetitschicht, wogegen Zeitstandrisse in der Regel von augen ausgehen, oft durch (2. B. durch SchweiBen) noch vermindertes Forman- derungsvermogen vorzeitig (Abb. 16). Dies sollte man bei einer Sicherheitsbetrachtung ebenso berucksichtigen wie den

Abb. 16. (241 169 Anfahrten).

Zeitstandrisse an HeiSdampfsammler aus 13 CrMo 44 32 mm/121 Qa x 16 mm, 170 bar, 65000 h bei 5 3 0 " C ,

Umstand, dag die Auslegung hinsichtlich der Errnudung gegen Anrisse und die hinsichtlich Zeitstandbruch gegen kritische Verformung oder Anrisse erfolgt. In beiden Fallen wird bei Druckbehaltern gefordert, da13 von einem evtl. als kritisch anzusehenden Zeitpunkt ab in Abstanden auf Verformung und auf Anrisse kontrolliert wird.

Man sollte daher Bauteile, die einer Zeitstand- und Wech- selbeanspruchung unterliegen, nach jeder Beanspruchungsart getrennt rechnen und nach der hoheren auslegen. Auch der Beginn der Uberwachung kann sich nach der Hauptbeanspru- chung allein richten, da bei den relativ niedrigen Spannungen und hohen Temperaturen kleine und nur unsicher nachzuwei- sende Risse ungefahrlich sind, wenn der Werkstoff seine regu- lare Zahigkeit auch im Langzeitbetrieb behalt (Kontrolle uber Dehngeschwindigkeit oder Kerbstab ist notig).

Auch Vorgange, wie das ratcheting oder incremental collapse, also schrittweise Zerstorung durch Aufweitung (1 3) , lassen sich sicher beherrschen, wenn die maggebenden Beanspruchun- gen richtig erfagt sind - meist liegt aber gerade hier der neural- gische Punkt. Grundsatzlicn ist zwar eher rnit ratcheting zu rechnen, wenn die Grundbeanspruchung schon ein Langzeit- kriechen erzeugt. Kurzzeitige hohe Sekundarspannungen (z. B. Warmespannungen als Thermoschock) konnen sich aber nur insoweit auswirken, als sie den von Temperatur und Verfor- mungsgeschwindigkeit abhangigen Formanderungswiderstand iiberschreiten. Da auch die durch Spannungs-Umlagerung verursachten Eigenspannungen durch die nachfolgende Lang- zeitkriechbeanspruchung nur allmahlich abgebaut werden, ist der Spielraum fur Sekundarspannungen ohne wesentliches ratcheting meist ausreichend, mu13 aber von Fall zu Fall sorg- faltig beurteilt werden. Keinesfalls sollte man die Unsicher- heit durch anderweitige undurchsichtige und sachfremde Zu- schlage ausraumen, wed dadurch moglicherweise die Entwick- lung falsch gesteuert wiirde.

Wieweit schlieglich zwischen Zug und Druck wechselnde Zeitstandbeanspruchungen praktisch uberhaupt von Bedeu- tung sind, wieweit sich also Haltezeiten im Druckgebiet mit Riickdehnung auswirken im Sinne einer Zeitstandschadigung, sollte zunachst im Versuch mit sehr wenig Wechseln gepriift werden. Soweit Torsionsversuche angesetzt werden, die sich vom Prinzip her als ideal anbieten, ist der EinfluB der mittle- ren Hauptspannung auf das Formanderungsvermogen zu be-

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achten, wobei noch griindlicher zu klaren ware, ob beim Lang- zeitkriechen die gleichen GesetzmaBigkeiten gelten wie beim statischen Plastifizieren (4, 5). In jedem Fall ist jedoch bei der Beurteilung zu priifen, ob spezifische Gefiigeanderungen infolge Zeit- und Temperatureinwirkung, wie sie gerade bei hoherlegierten Werkstoffen zu erwarten sind (extremes Bei- spiel in Abb. 17) , das Bild verfalschen. Hier kann nur durch

1.5 % 1.2

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IX I

nach Krtmpl

Zeit

Abb. 17. EinfluR der Haltezeit bei Temperatur ohne Last auf die Kriechgeschwindigkeit [14]. (CrMoV-Werkstoff, 535 "C).

wirksame und systematische Untersuchung Klarheit gewonnen werden, wobei die Koordination der vielerorts gemachten Anstrengungen sehr hilfreich, wenn nicht gar Voraussetzung ware. Vielleicht gelingt es dann, Stoffgesetze zu finden, die mit verniinftigem Aufwand die wesentlichen Parameter rich- tig erfassen - die Absicherung gegen folgenschwere Schaden kann bei Beriicksichtigung der vorn beschriebenen Auslegungs- grundsatze zusammen mit adaquater Werkstoffauswahl und Uberwachung im Betrieb als gegeben betrachtet werden, in der Regel ist also im Zeitstandbereich mit keinen Schaden groRen AusmaBes zu rechnen.

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Anschrift: Prof. Dr.-Ing. E. Krugeloh, Staatliche Materialpriifungs- anstalt Universitat Stuttgart, Pfaffenwaldring 32, 7 Stuttgart 80 (Vaihingen).