13
archithese Fragen, Konflikte, Chancen des Umbaus Bestand als Herausforderung – 11 Strategien Neues Leben für alte Räume Wiel Arets im Gespräch Bauten und Projekte: Philippe Starck, MVRDV, Burkhalter Sumi, Peter Märkli und Gody Kühnis SANAA 21 st Century Museum, Kanazawa Herzog & de Meuron IKMZ der BTU Cottbus Jomini Zimmermann, Thomas Jomini MFH, Bern Meili Peter Park Hyatt, Zürich 2.2005 Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur Revue thématique d’architecture Brush-up, Umbau, Renovation Transformation, rénovation mit

archithese 2.05 - Brush Up, Umbau, Renovation / Transformation, rénovation

Embed Size (px)

DESCRIPTION

 

Citation preview

architheseFragen, Konflikte, Chancen des Umbaus

Bestand als Herausforderung – 11 Strategien

Neues Leben für alte Räume

Wiel Arets im Gespräch

Bauten und Projekte: Philippe Starck, MVRDV,

Burkhalter Sumi, Peter Märkli und Gody Kühnis

SANAA 21st Century Museum, Kanazawa

Herzog & de Meuron IKMZ der BTU Cottbus

Jomini Zimmermann, Thomas Jomini MFH, Bern

Meili Peter Park Hyatt, Zürich

2.2005

Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur

Revue thématique d’architecture

Brush-up, Umbau, RenovationTransformation, rénovation

arch

ith

ese

2.2

005

Mär

z/A

pri

lB

rush

-up

, Um

bau

, Ren

ovat

ion

– T

ran

sfor

mat

ion

, rén

ovat

ion

mitLeserdienst 122

000_Umschlag 2.6.2006 9:53 Uhr Seite 1

2 archithese 2.2005

E D I T O R I A L

Brush-up, Umbau, Renovation

«Nur noch das Traumschloss steht», titelte die NZZ am 29. Januar 2005. Die Ab-

brucharbeiten am Dolder Grand Hotel sind beendet: Der 1895–1896 von Jacques

Gros geplante Hotelbau ist von sämtlichen Anbauten wie Rotunde, Angestellten-

haus und Ballsaal «bereinigt» worden und soll – auch dank sechs in den histori-

schen Zustand zurückversetzter Zimmer – seine ursprüngliche Wirkung wieder voll

entfalten, während ein neuer Erweiterungsbau von Norman Foster das Ensemble

ergänzen wird. Aufwertung der bestehenden Bausubstanz oder barbarische Zer-

störung? Wie immer, wenn es um den adäquaten Umgang mit historischen Bauten

geht, scheiden sich die Geister. Weil jedes Objekt einzigartig ist, kann es keine Pa-

tentlösung für die richtige Haltung geben, sondern nur Grundsätze. Und obwohl

diese vielfach sehr sachlich begründet werden, ist der emotionale Ton des Diskur-

ses kaum zu überhören.

In diesem Heft soll es nicht in erster Linie um Denkmäler gehen, sondern um

gewöhnliche oder nicht ganz gewöhnliche Altbauten, wie sie gegenwärtig den

weitaus grössten Teil der Bausubstanz in Westeuropa ausmachen. Sanierungen

und Umbauten gehören bereits heute zu den häufigsten Bauaufgaben, in Zukunft

wird ihr Anteil noch weiter steigen. Auch bei jenen Bauten, die nicht explizit unter

Denkmalschutz stehen, stellt sich die Frage nach dem Stellenwert des Bestehen-

den und nach dem angemessenen Umgang mit der gebauten Vergangenheit; auch

hier kann der Dialog zwischen Alt und Neu unterschiedlichste Formen annehmen.

Die konstruktiven, differenzierten Eingriffe von Peter Märkli und Gody Kühnis

haben wenig mit Philippe Starcks Formen- und Farbenorgien gemeinsam, die von

MVRDV in Amsterdam beziehungsweise von Burkhalter Sumi in Zürich realisierten

Hotels sind kaum zu vergleichen. Dennoch beruhen sie – und alle weiteren Pro-

jekte, die im Folgenden vorgestellt werden – auf einer gelungenen Auseinander-

setzung mit bestehenden Bauten.

Die hier präsentierte Auswahl zeigt vor allem eines: Umbauten haben das Po-

tenzial, genauso spannend, wenn nicht spannender zu sein als Neubauten. Gerade

die Einschränkungen durch das Gegebene können zu besonders innovativen Lö-

sungen führen. Wenn Umbauten dennoch manchmal der Ruf anhaftet, langweilig

und zermürbend zu sein, so kann das nur daran liegen, dass die besten von ihnen

nicht mehr als Umbauten, sondern als eigenständige Projekte aufgefasst werden.

Wer würde schon das Gelbe Haus als banalen Umbau bezeichnen?

Redaktion

Neue ZürcherZeitung, 29. Januar2005

002-011_Editorial.qxp 15.3.2005 9:04 Uhr Seite 2

ZU UNRECHT VERSCHMÄHT

12 archithese 2.2005

Fragen, Konflikte und Chancen des Umbaus

Sanierungen und Umbauten gehören zu den

wichtigsten Bauaufgaben der Zukunft. So ernüch-

ternd die meisten Instandstellungen mit ihren

pragmatischen Zwängen auch sein mögen, so an-

spruchsvoll kann die Auseinandersetzung mit

der zeitlichen Dimension des Entwurfs ausfallen.

Verdichtung ganzer Stadtteile. Der gleichzeitig wachsende

Renditedruck auf diese Gebiete verschärft die Frage nach

einer angemessenen Nutzung. Die Knappheit des Baulandes

in den meisten urbanen Zentren Westeuropas und das gleich-

zeitige Schrumpfen einzelner Städte – etwa im Osten

Deutschlands – machen eine differenzierte Interpretation des

Bestands notwendig.

Dennoch gelten Umbauten gemeinhin als Übungsfeld für

junge Architektinnen und Architekten: Dass sie sich nach

der Gründung ihres Büros vorerst mit kleinen Sanierungen

über Wasser halten, wird allgemein akzeptiert, doch sehr

bald gilt es, aus der Umbauphase herauszuwachsen und sich

«richtigen» Aufgaben zuzuwenden. Wenn es um das Auf-

tragsvolumen und damit auch um das Überleben eines Archi-

tekturbüros geht, ist diese Haltung durchaus legitim. Weni-

ger verständlich ist sie, wenn sie mit einer qualitativen Ver-

urteilung verbunden ist. Unausgesprochen, aber deutlich

spürbar ist eine gewisse Herablassung gegenüber Umbauten

und jenen, die sie ausführen: Die Rücksicht auf die beste-

hende Bausubstanz – und nicht selten auch auf die Anliegen

einer angestammten Bewohner- und Benutzerschaft – sei ein

Hindernis im Entwurfsprozess und eigentlich nur denjenigen

zuzumuten, denen es ohnehin an wahrem Schaffensdrang

mangle.

Der Wert der Zeit

Dass solche Befürchtungen keineswegs begründet sein müs-

sen, liegt eigentlich auf der Hand. Selbstverständlich gibt es

uninteressante Altbauten, die auch nach ihrer Instand-

stellung uninteressant bleiben; und es stimmt auch, dass

gestalterische Ansprüche häufiger noch als bei Neubauten

von pragmatischen Überlegungen in den Hintergrund ge-

drängt werden. Und dennoch – Carlo Scarpas Museum im

Castelvecchio, ein Umbau wie jeder andere auch? MVRDVs

Lloydhotel in Amsterdam, uninspiriert? Viollet-le-Duc, phan-

tasielos?

Eingriffe in die bestehende Substanz gehören zu den an-

spruchsvollsten Aufgaben überhaupt. Die Auseinanderset-

zung mit dem Kontext (sofern sie stattfindet) ist viel direkter,

viel komplexer auch als beim Neubau, und die Wirkung der

Interventionen ist unmittelbarer. Vom Bauen auf der grünen

Wiese über das Bauen im historisch gewachsenen Kontext

Text: Judit Solt

In der Schweiz fliesst mehr als ein Drittel aller Investitionen,

die im Hochbau getätigt werden, in die Instandstellung von

Altbauten.1 In den nächsten Jahren dürfte dieser Anteil noch

steigen. Die Sanierung einer ganzen Generation von Häusern

aus den Sechziger- und Siebzigerjahren steht an; bei vielen

jüngeren Objekten wäre ein Abbruch mit Ersatzneubau

weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Die Anpassung

dieser zum Teil recht dürftig konstruierten Hochkonjunktur-

bauten an heutige Standards kann jedoch massive Eingriffe

notwendig machen. Die Anforderungen an Energiehaushalt,

Infrastruktur und räumliche Qualität sind in den letzten Jahr-

zehnten stark gestiegen, und dass sie sich häufig gegensei-

tig widersprechen, erschwert die Aufgabe zusätzlich.

Besonders dramatisch ist die Situation im Wohnungsbau.

Ein Drittel aller in der Schweiz genutzten Wohnhäuser wurde

vor 1947, die Hälfte zwischen 1947 und 1980 gebaut. Das be-

deutet unter anderem, dass die grosse Mehrheit der Wohnun-

gen aus einer Zeit stammt, in der drei Zimmer für eine

Familie ausreichen mussten. Heute wird in der Regel deutlich

mehr gefordert: Seit 1950 hat sich in der Schweiz die durch-

schnittliche Nettowohnfläche pro Person verdoppelt.2 Insbe-

sondere Städte wie Zürich, Basel und Bern leiden deshalb

unter einem akuten Mangel an grossen Wohnungen.3 Neu-

bauten mögen diese Situation etwas entschärfen; doch bei

einer durchschnittlichen jährlichen Neubaurate zwischen ein

und zwei Prozent4 dürfte dies einige Zeit in Anspruch neh-

men. Der Beitrag, den Sanierungen in diesem Zusammen-

hang leisten können, ist nicht zu vernachlässigen.

Hinzu kommen Renovationen, Umnutzungen und Neupla-

nungen im grösseren Massstab. Die Auseinandersetzung mit

bestehenden Bauten nimmt immer öfter städtebauliche

Dimensionen an. Mit den wirtschaftlichen Umwälzungen der

letzten zwei Jahrzehnte hat die Umnutzung ehemaliger Indus-

trie- und Infrastrukturanlagen an Bedeutung gewonnen.

Nach dem Rückgang des sekundären Sektors und der damit

verbundenen Schliessung von Produktionsstätten stehen

vielerorts grosse, gut erschlossene städtische Industrieareale

leer. Die Verlegung platzintensiver, aber renditeschwacher

Nutzungen – etwa durch die Bahnen, welche Remisen und

Werkstätten aus den Zentren auslagern und Bahnhofsge-

bäude vermieten oder verkaufen – ermöglicht eine bauliche

012-017_Einleitung Solt 15.3.2005 9:34 Uhr Seite 12

13

1 «Insertion habileet courtoise»:Francis Soler:Ministère de laCulture et dela Communication,Paris, 2005 (Wett-bewerb 1995)Der Block zwischender rue SaintHonoré, der rueCroix des PetitsChamps, der rueMontesquieu undder rue des BonsEnfants besteht auseiner 1919 erbau-ten, repräsentativenDépendance der

Magasins du Louvreund aus einemfunktionalistischenBürogebäude von1960. Die Architek-ten verbanden die inFassadengestaltungund GeschossanzahlunterschiedlichenBauten, indem sieallen Fassaden undteilweise auch denDächern das gleicheRaster vorlagerten.Die 12 mm dickenChromstahlplatten,die mittels Laser-technik auf einfeines Liniengeflecht

reduziert wurden,nehmen die Fenster-masse des neuerenGebäudes auf.Der ehemals dunkleHof, heute einexperimentellerGarten, öffnet sichneu zur rue desBons Enfants.Architektur:ArchitecturesFrancis Soler, Paris;Mitarbeit: JérômeLauth, VincentJacob, FrançoisHernandez, VincentDugravier; Trag-konstruktion:

Séchaud & Bossuyt,Paris; Innenarchi-tektur: FrédéricDruot, Paris;Gartengestaltung:Michel Desvigne,Patrick Blanc(Botanik), Paris;Auftraggeber:Ministère de laCulture et de laCommunication,Paris(Foto: agenceFrancis Soler etNicolas Borel)

1

012-017_Einleitung Solt 15.3.2005 9:34 Uhr Seite 13

18 archithese 2.2005

1Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc: Restaurierung der Salle Synodale de Sens, 1855–1865

Bei dieser Restaurierung wandte Viollet-le-Duc (1814–1879) beispielhaft jene Prinzipien an, die er in seinem zehnbändigen Dictionnaire raisonné

de l’architecture française du XIe au XVIe siècle (Paris 1854–1868) dargelegt hatte. Ob ein stilistisch einheitlicher, zu einem bestimmten historischen

Zeitpunkt geplanter oder realisierter Zustand eines Denkmals wiederhergestellt werden solle oder ob eine Konservierung der Veränderungen an-

gestrebt werden müsse, sei von den jeweiligen Umständen abhängig. Beim Synodensaal entschied er sich nicht nur aus archäologischen, sondern

vor allem auch aus sozio-politischen Gründen für eine Wiederherstellung: Er betrachtete die gotische Baukunst als Manifestation einer von städti-

schen Laien bestimmten, freiheitlichen Kultur im Gegensatz zur düsteren Vorherrschaft von Religion und Feudalismus. Zudem sah er in der goti-

schen Skelettbauweise eine Vorläuferin der rationalen Eisenskelettkonstruktion des 19. Jahrhunderts und in der Analyse der mittelalterlichen Kon-

struktion eine Basis für neue, zeitgenössische Lösungen.

Als erfolgreicher Architekt und Freund von Prosper Mérimée, Schriftsteller und Inspektor der historischen Denkmäler Frankreichs, restaurierte

Viollet-le-Duc unter anderem die Stadtbefestigung in Carcassonne, die Kirche Sainte-Madelaine in Vézelay, die Basilika von Saint-Denis, die Sainte-

Chapelle und die Notre-Dame in Paris, die Kathedralen von Toulouse, Amiens, Clermont-Ferrand und Lausanne, sowie einige Profanbauten. Schon

zu Lebzeiten als «Verfälscher» der historischen Substanz umstritten und von den Klassizisten angefeindet, gilt Viollet-le-Duc als Begründer der

historischen Denkmalpflege im Frankreich des 19. Jahrhunderts.

(Fotos aus: Jean-Paul Midant, Au Moyen Âge avec Viollet-le-Duc, Paris 2001, S. 34–35)

BESTEHENDE SUBSTANZ ALS HERAUSFOR

018-025_Bildstrecke 14.3.2005 16:08 Uhr Seite 18

19

3Hans Döllgast: Wiederaufbau der Alten Pinakothek,

München, 1952–1957

Die Alte Pinakothek mit der Bayerischen Staatsgemälde-

sammlung wurde auf Veranlassung von Ludwig I. von Leo

von Klenze zwischen 1826 und 1836 errichtet. Während meh-

rerer Bombenangriffe wurden zwischen 1943 und 1945 neun

der 25 Achsen der Alten Pinakothek zerstört. Hans Döllgast

beschäftigte sich seit 1946 mit dem Wiederaufbau. Die Spu-

ren der Zerstörung sind am Aussenbau zu erkennen, vor al-

lem an der Südfront bleiben die Kriegseinwirkungen noch

heute sichtbar. Das grosse trichterförmige Loch, das die Bom-

ben hinterlassen haben, hat der Architekt beim Wiederauf-

bau mit helleren Ziegeln gefüllt. Die Säulenordnungen fehlen

in diesem Bereich und sind durch Eisenstreben ersetzt. Im

Inneren entstand ein grosses, quer gelagertes Treppenhaus,

bei dem Kargheit zur Monumentalität wird.

(Foto: Hubertus Adam)

2 Joz̆e Plec̆nik: Umbau des Prager Hradschin, 1920–1931

Ab 1920 war Joz̆e Plec̆nik, ernannt durch den tschechischen Präsidenten Tomás̆

Masaryk, als Architekt des Prager Hradschin tätig; Plec̆niks Neigung zur Antike

traf sich mit mit den Vorstellungen eines demokratischen, auf humanistischen

Idealen basierenden Staats, wie ihn Masaryk vertrat. In seiner langjährigen Arbeit

interpretierte Plec̆nik in einer neuen und eigenartigen Weise den Genius Loci des

historischen Komplexes. Er baute Hofräume, Terrassen, Gärten und Durchgänge

um, denen er durch grosszügige Organisation Ordnung und Monumentalität, aber

auch eine Atmosphäre von Intimität und Kontemplation im mediterranen Sinne –

als Erinnerungsarchitektur – gegeben hat. Für die Arbeiten verwendete er nur

natürliche – und kostenintensive – Materialien wie Ziegel, Metall, Holz und am

liebsten Stein, den er speziell in böhmischen Steinbrüchen aussuchte. Die Arbeiten,

die anfangs mehrheitlich begrüsst wurden, stiessen schliesslich auf den Wider-

stand reaktionär-nationalistischer Kreise und mussten eingestellt werden.

(Foto: Hubertus Adam)

ORDERUNG: 11 STRATEGIEN

018-025_Bildstrecke 14.3.2005 16:08 Uhr Seite 19

26 archithese 2.2005

Konservieren, Überfassen, Rekonstruieren Gedanken eines Architekten zu Theorie und Praxis der Denkmalpflege im

Allgemeinen, zum schwierigen Umgang mit historischen Innenräumen im Speziellen, und besonders zum Wagnis der Re-

konstruktion.

Text: Arthur Rüegg

Rem Koolhaas als Denkmalpfleger? Oder vielleicht Mies

van der Rohe? Das ist eine Rolle, die nicht zum Mythos eines

Vordenkers passen will. Zwar macht das Bewahren und Er-

gänzen des Baubestandes bald den Löwenanteil an der Bau-

praxis aus, aber es haftet ihm immer noch der Ruch der

«Interpretation» an, was heissen will: ein Manko an «künst-

lerischer Originalität». Als Lehrmeisterin hingegen wird die

Geschichte von den Vordenkern kaum in Frage gestellt –

Koolhaas stützte sich ja, unter anderem, auf Mies van der

Rohe und dieser wiederum auf Schinkel.

Bis in Karl Friedrich Schinkels Zeit hinein gehörte der

Umgang mit Denkmälern zum zentralen Verantwortungsbe-

reich der entwerfenden Architekten. Hatten er oder Sir John

Soane noch kenntnisreich Erinnerungsstücke aller Art auf

ihre Formen und Bedeutungen hin untersucht und für einen

aktuellen Gebrauch frei inszeniert, kombiniert und eventuell

kopiert, ist solches Tun seit langer Zeit suspekt geworden.

Wissenschaftlich abgesichert, administrativ und buchhalte-

risch kontrolliert, ist die Denkmalpflege inzwischen zu einem

Spezialgebiet mutiert, bei dem es um das möglichst integrale

Sichern der Geschichtlichkeit in ihren immer mehr gefährde-

ten materiellen Zeugen geht, ungeachtet ästhetischer Qua-

litäten, ungeachtet des Ortes und Nutzens einer Sache.

Denkmal versus Bauidee

Immerhin: Die wesentlichen Fragen wurden bereits im

19. Jahrhundert gestellt. Zum damaligen Zeitpunkt von ho-

hen politischen Stellen getragen, dann sinngemäss als

«Schönheitschirurg» verspottet und heute wieder für dis-

kussionswürdig befunden, hatte der Architekt Eugène Em-

manuel Viollet-le-Duc (1803–1897) viele mittelalterliche Ka-

thedralen, Schlösser und Städte vor dem Zerfall gerettet und

rekonstruierend wiederhergestellt. Leider hat er dabei «das

Mittelalter korrigiert» und, wo seiner Meinung nach Lücken

oder Mängel vorhanden waren, den Bestand skrupellos er-

gänzt. Er strebte die Restaurierung bis zu einem möglichst

«kompletten Zustand» an – selbst wenn dieser so nie exis-

tiert hatte. Er wollte also nicht bloss reparieren und vermut-

lich auch nicht einfach interpretieren, sondern gewissermas-

sen als «Vollender» einer unvollendet gebliebenen Architek-

tur in die Geschichte eingehen. Dabei hatte er die uns

NEUES LEBEN FÜR ALTE RÄUME

1

026-033_Rüegg Rekonstruktion 14.3.2005 16:09 Uhr Seite 26

27

interessierenden Fragen jeweils selbst zu beantworten:

Sollte der ursprüngliche Entwurf, der womöglich nie reali-

siert wurde, als Vorlage für die Restaurierung dienen oder

das bunte Stilgemisch der meist mehrere Jahrhunderte um-

fassenden Baugeschichte? Galten seine Anstrengungen der

Suche nach der verlorenen Bauidee oder dem Weiterstricken

am vielfach überfassten Denkmal?

Die Gegenposition zu Viollet-le-Duc vertrat der Engländer

John Ruskin (1819–1900). In seiner überaus einflussreichen

Programmschrift The Seven Lamps of Architecture (1849) tat

er jegliche Rekonstruktion kategorisch als historische Lüge

und als Geschichtsfälschung ab. Auch er war ein Kenner und

Liebhaber gotischer Architektur, aber er zog im Gegensatz zu

Viollet-le-Duc die Komplexität der gewachsenen Architektur

und die Authentizität der langsam verwitternden Sandstein-

schichten einer unzulässigen «Totenerweckung» vor – selbst

wenn die Bauwerke schliesslich bloss als ruinöse Erinne-

rungsstücke überleben sollten.

Solchen Fragestellungen kann sich auch die moderne

Denkmalpflege nicht entziehen. Zwar lehnt sie die Denk-

malmanipulation ebenso ab wie die Rekonstruktion längst

verlorener Originale oder gar das historisierende Weiter-

bauen (die Imitation) – der historisierende Wiederaufbau der

Frankfurter «Römerberg Ostzeile» lässt grüssen. Auf der an-

deren Seite vermag sie auch der romantischen Vision John

Ruskins nicht zu folgen, die Denkmäler verfallen zu lassen

oder im Verfallszustand zu konservieren – was sich übrigens

politisch kaum durchsetzen liesse. Wenn wir uns etwa an

den Zustand der Dessauer Meisterhäuser in der Zeit kurz

nach der Wende erinnern, wird das Dilemma sofort klar: Geht

es primär um die historische Spurensicherung – «die Ruine

eines mehrfach ‹unsachgemäss› überfassten Meisterwerkes

pflegen» – oder um die Wiederherstellung eines wertvollen

Erstzustandes – «ein Juwel wieder zum Leuchten bringen»?

«Weiterbauen» . . .

Das Besondere an den Denkmälern ist, «dass sie nicht nur

über Geschichte berichten, sondern dass sie selbst ein Teil

dieser Geschichte waren und als originale Zeugen der Ge-

schichte wie materielle Kristallisationen der Vergangenheit

vor uns stehen»1 – eine Definition Georg Mörschs, die kaum

Widerspruch duldet. Die Schwierigkeiten beginnen gleich-

sam mit dem Kleingedruckten. Wenn nämlich an einem sol-

chen Denkmal «nichts grundsätzlich nicht erhaltenswert

ist»2, bedeutet jeder Eingriff eine an sich unzulässige Störung

oder gar Zerstörung seines integralen Zeugnischarakters.

Natürlich ist die Schärfe dieser Formulierung am Bau nicht

durchzuhalten. Die Verhandlungen über das tolerierbare

Mass an Veränderung machen schliesslich den Alltag der

praktischen Denkmalpflege aus: Die neuen Nutzer artikulie-

ren ihre Ansprüche an das Pflichtenheft der Erneuerung je-

weils ebenso imperativ wie die Technokraten in der Verwal-

tung. Uns Architekten bleibt nur die Möglichkeit, einen

Brückenschlag zwischen den verschiedenen Positionen zu

versuchen. These und Gegenthese werden dabei zu einer

neuen Einheit verschmolzen, die als Erkenntnis und nicht als

«Kompromiss» zu verstehen ist. Nachdem der grundsätzliche

Streit um die historischen Zeugen leiser geworden ist, hat

heute die Frage nach der Art der Erhaltung und Ergänzung

die entscheidende Bedeutung und gesellschaftliche Relevanz

erlangt. Und wir sind im Begriff, die sorgfältige Arbeit am Be-

stand als eines der phantasiereichsten Laboratorien des ar-

chitektonischen Entwurfs zu entdecken.

In diesem Zusammenhang wird Viollet-le-Duc interessant;

und natürlich der von den Restauratoren verwendete Begriff

Fassung. Nolens volens stellen wir immer eine neue Fassung

her und entdecken dabei meist, dass selbst geschlossen wir-

kende Ensembles bereits mehrfach überfasst wurden. Wir

werden uns dabei von den Regeln der modernen Denkmal-

pflege leiten lassen, fast zwangsläufig aber auch an die Gren-

zen der Wissenschaft stossen. Stossen müssen?

Ich selbst habe das dialogische Arbeiten mit dem Bestand

– zusammen mit Ueli Marbach und Bruno Pfister – erstmals

1970 im städtebaulichen Massstab versucht und damals als

Synchronisation von Alt und Neu bezeichnet. Nachdem

Mario Campi 1976–1977 die zwischen 1934 und 1936 er-

schienene Hauspostille der Schweizer Modernen wieder auf-

gelegt hatte, verwendeten wir für fast jeden Vortrag und für

1 John Ruskin, Teilder Kathedrale vonSt. Lo, Normandie(John Ruskin, Diesieben Leuchter derBaukunst, Leipzig1900, Tf. 3, englischeOriginalausgabe1849)

2 «ReversibleÜberfassung»:Einrichtung vonBüros in denObergeschossen derVilla Schönberg,Zürich, 2002Architektur: SilvioSchmed und ArthurRüegg(Fotos 2+3: Alexan-der Troehler)

2

026-033_Rüegg Rekonstruktion 14.3.2005 16:09 Uhr Seite 27

1 Axonometrie desZustands zurEntstehungszeit

2 Südfassade mitBlick über dasInntal(Foto: 2+3, 10–12,14: Georg Gisel)

3 Detail Nordfas-sade mit Treppen-aufgängen über dieTerrassenDas Volumen derSporthalle rechtsersetzt das frühereHallenbad

56 archithese 2.2005

Peter Märkli, Gody Kühnis: Sanierung und Erweiterung des

Schulzentrums Wörgl, 1998–2004 Eine Hallenschule aus den Siebzi-

gerjahren im österreichischen Wörgl musste heutigen Anforderungen

angepasst werden. Beim Umbau ist es gelungen, die Raum- und

Materialqualitäten des Altbaus zu bewahren, ohne sich einer

sklavischen Rekonstruktion zu befleissigen: Weiterbauen im Geiste

der Entstehungszeit, aber mit heutigen Mitteln.

trat auch das Bürgertum als Bildungsträger auf und erste

städtische Schulbauten entstanden. Ein spezifischer Bau-

typus hatte sich aber bis ins Zeitalter der Aufklärung, welche

erst zur allgemeinen Schulpflicht führte, nicht entwickelt. Auf

dem Dorf fand der Unterricht in Spinnstuben, Armenhäusern

oder in den Wohnzimmern des Lehrers statt. Erst im Gefolge

der Vergrösserung der Städte und der Industriealisierung im

ausgehenden 19. Jahrhundert sowie der Differenzierung der

Schulsysteme kam es zu einem charakteristischen Schul-

typus. Die städtische Schule bestand nun aus einem mehrge-

schossigen, symmetrisch angelegten Gebäude mit beidseits

von Klassenzimmern flankierten Fluren, die von einem zent-

ralen Treppenhaus ausgingen. Durch die massive Bauweise

avancierten Schulen zu stadtbildprägenden kommunalen Re-

präsentationsbauten.

Dieses Konzept geriet in den Zwanzigerjahren des ver-

gangenen Jahrhunderts massiv ins Wanken. Im Gefolge der

Reformbewegungen um 1900 hatte sich ein neues Verständ-

nis der Gemeinschaft mit reformpädagogischen Konzepten

und der Hygiene-Ideologie verbunden. Licht, Luft und Sonne

sollten die Schule durchdringen, das einst autoritäre Verhält-

nis von Schüler und Lehrer wich einer partnerschaftlichen

Vorbildfunktion, die passive Wissensverabreichung einem

aktiven Lernen. Es leuchtet unmittelbar ein, dass für die Ar-

chitekten der Zwanzigerjahre, die – anders als die meisten

Text: Hubertus Adam

Blickt man auf die meisten der zeitgenössischen Schulen, so

ist zu konstatieren, dass bei aller formalästhetischen Avan-

ciertheit sich die bauliche Hülle vergleichsweise traditionell

und konventionell zeigt. Natürlich, die Klassenzimmer sind

gut, im Allgemeinen zweiseitig belichtet, die Einrichtung ist

mobil und flexibel, so dass auf verschiedene Unterrichtssitua-

tionen reagiert werden kann. Doch im Grunde genommen

handelt es sich fast immer um das gleiche Organisations-

prinzip: Korridore, an die sich (meistens) einseitig Sequen-

zen von Klassenzimmern anlagern, ein Flügel mit Spezial-

räumen, die spezifische Installationen erfordern, ein Verwal-

tungsbereich mit Lehrerzimmer, Sekretariat und Direktion,

eine Sporthalle. Und das alles in einer zumeist orthogonalen

Anordnung: gerade Korridore, rechteckige Klassenzimmer.

Befreiung vom Korridortypus

Bemerkenswert ist die relative Einheitlichkeit zeitgenössi-

schen Schulbaus, wenn man bedenkt, dass die Bauaufgabe

Schule über Jahrhunderte hinweg keine spezifische Typolo-

gie ausgebildet hatte.

Im Mittelalter waren die Bildungsstätten zunächst mit der

sakralen Obrigkeit verbunden; Unterricht fand in den Klös-

tern statt und war einer kleinen Schicht werdender Kleriker

und Verwaltungsbeamter vorbehalten. In der Renaissance

KONSTRUKTIVEERGÄNZUNG

1

056-061_Märkli Wörgl 14.3.2005 16:13 Uhr Seite 56

57

ihrer heutigen Kollegen – noch der Ansicht waren, durch

Bauen liesse sich die Gesellschaft verändern, der Schulbau zu

einer wichtigen Bauaufgabe wurde. Neues Bauen für neue

Menschen fand im Schulbau sein Paradigma. Entsprechend

vielfältig sind die Lösungen für neue Schulen in dieser Zeit –

typologisch entstanden vorwiegend Pavillon- oder Atrium-

konzepte. Während die Entwicklung in Deutschland und

Österreich in der NS-Ära unterbrochen wurde, verlagerte sich

die Ausbildung neuer Schulkonzepte auf England und die

skandinavischen Länder.

Konzept Hallenschule

Inspiriert durch die Erfahrungen der Vorkriegszeit sowie die

Entwicklung im Ausland begann der 1922 geborene und an

der Wiener Akademie ausgebildete Architekt Viktor Hufnagl

seit Anfang der Fünfzigerjahre, mit dem Typus einer Hallen-

schule zu experimentieren, durch die der monofunktionale

Gangtypus endgültig abgelöst werden sollte. Dabei fungiert

die zentrale Halle, die auch als Pausen- und informeller Kom-

munikationsbereich dient, als kompakte Erschliessungszone,

an welche sich die idealtypisch quadratischen, zweiseitig be-

lichteten Klassenzimmer anlagern. Ziel war es, in Abkehr von

den dörflichen Zwergschulen grosse Schulzentren als gesell-

schaftliche Mikrokosmen zur spielerischen Einübung sozia-

len Verhaltens zu errichten – und diese, sofern möglich, über

die schulischen Funktionen hinaus ausstrahlen zu lassen. So

resümierte Hufnagl 1973: «Die Zusammenlegung von Ge-

meinschafts- und Schuleinrichtungen [ . . . ] zu einem Kultur-

und Bildungszentrum auf einem gemeinsamen Grundstück

würde grösstmögliche Effektivität an Sozialkontakt der Ju-

gend mit den Erwachsenen und, umgekehrt, an pädagogi-

schem Nutzen und Kosteneinsparungen bringen.» Idealiter

sei die «Integration der Funktionen aller Bauvorhaben einer

Gemeinde in einem Gesamtbauvorhaben» anzustreben.

2

3

056-061_Märkli Wörgl 14.3.2005 16:14 Uhr Seite 57

68 archithese 2.2005

A R C H I T E K T U R A K T U E L L

Gestalt und Gestaltlosigkeit

HERZOG & DE MEURON: INFORMATIONS-,

KOMMUNIKATIONS- UND MEDIENZENTRUM

DER BTU COTTBUS, 1994–2005

Am Angelpunkt zwischen Innenstadt und

Universitätsgelände ist in Cottbus eine neue

Bibliothek entstanden. Herzog & de Meuron,

die hier – anders als vor einigen Jahren in

Eberswalde – auch das Innere gestalten

konnten, realisierten einen Baukörper, der mit

seinem Oszillieren zwischen repräsentativer

Geste und beiläufiger Gestalt auch für den

heutigen Umgang mit der Organisation des

Wissens steht.

Studenten, so sagt man mir, sind nicht unzufrieden

mit ihrer Stadt. Während das Geld anderenorts ge-

rade einmal für ein bescheidenes Zimmer in einem

Wohnheim reicht, kann man in Cottbus, der zweit-

grössten Stadt Brandenburgs, grosszügige Räu-

me in unrenovierten Gründerzeitvillen beziehen.

Und darüber hinaus zahlt die Stadt den Studenten,

die hier ihren Erstwohnsitz anmelden, eine er-

kleckliche Summe – damit die Bevölkerungszahl

nicht unter die magische Grenze von 100 000 sinkt

und Cottbus seinen mit Zuwendungen der öffent-

lichen Hand verbundenen Status als Grossstadt

verliert. Diese Gefahr besteht ständig, da die

Hauptstadt der Niederlausitz wie andere Städte im

1 Ansicht von Norden; aufder rechten Seite deruniversitätsseitige Eingang(Fotos 1+4: Hubertus Adam)

2 WettbewerbsprojektH&deM 1994: Bibliothekund Auditorium Maximumals Ergänzung desUniversitätscampus(© Herzog&de Meuron)

3 Formale Entwicklungdes Universitätsgebäudesnach Beginn der Neupla-nung 1998(© Herzog&de Meuron)

4 Ansicht von Südosten,aus Richtung Innenstadt

5 Nachtansicht vonSüdosten(Fotos 5 + 6, 8 +9, 17:Werner Huthmacher)

4

2

3

1

068-073_HdM Cottbus 14.3.2005 16:17 Uhr Seite 68

6969

Osten Deutschlands unter Bevölkerungsschwund

und Rezession leidet. Der nahe Spreewald und

der am südöstlichen Stadtrand gelegene Branitzer

Park des Fürsten von Pückler-Muskau sind touristi-

sche Attraktoren ersten Ranges, doch die Nähe zu

Berlin, das eine gute Autostunde entfernt ist, hat

diese Orte zu Zielen von Tagesausflügen werden

lassen, von denen Cottbus wenig profitiert. Auch

das Lehrpersonal der Brandenburgischen Techni-

schen Universität (BTU), das sich ohnehin zum

grössten Teil aus der Bundeshauptstadt rekrutiert,

ist zu einem Wohnungswechsel kaum zu motivie-

ren: Wer in den Kiezen von Schöneberg oder Wil-

mersdorf, von Charlottenburg oder Prenzlauer

Berg sozialisiert ist, sehnt sich nicht nach abend-

lichen Rundgängen durch die eher öde Innenstadt

von Cottbus. Als ich im Städtischen Theater, einem

hervorragend erhaltenen Jugendstil-Bau des Ar-

chitekten Bernhard Sehring, ein Konzert besuche,

senke ich den Altersdurchschnitt erheblich. Immer-

hin, es wird nicht nach jedem einzelnen Satz von

Bartók geklatscht.

Hoffnungsträgerin Universität

Die BTU, nach der Wende aus der früheren Hoch-

schule für Bauwesen und einigen anderen Institu-

ten hervorgegangen, ist eine der wenigen Hoff-

nungsträgerinnen für Stadt und Region. Der Cam-

pus, ein aus DDR-Zeiten stammendes Ensemble

aus rektangulären Baukörpern, befindet sich nord-

westlich der Innenstadt und grenzt im Osten an die

stark befahrene Magistrale der Karl-Marx-Strasse,

welche das Unigelände in direkter Nord-Süd-Rich-

tung mit dem Hauptbahnhof verbindet. 1994 lobte

das Land Brandenburg einen Wettbewerb aus, um

mit einem zentralen Hörsaalgebäude und einer

Bibliothek für die nunmehr gewachsene BTU jene

zentralen Einrichtungen zu schaffen, an denen es

bislang mangelte. Herzog & de Meuron erlangten

in dieser Konkurrenz den zweiten Platz – mit einem

Konzept, das auf dem östlich der Karl-Marx-Stras-

se gelegenen Erweiterungsgelände zwei solitäre

Baukörper zu errichten vorsah, deren orthogonale

Gestalt durch den bestehenden Raster der gegen-

überliegenden Universitätsbauten bestimmt war.

Die Bibliothek sollte aus einem rechteckigen Volu-

men mit drei ebenfalls rechteckigen Lichthöfen be-

stehen.

Als die Planung 1998 wieder aufgenommen

wurde, war das Auditorium Maximum nach dem

Entwurf des erstplatzierten Büros KSP an einer an-

deren Stelle errichtet worden, und zwar inmitten

des bestehenden Campus. Weil nun nur noch ein

einziges Gebäude auf der Erweiterungsfläche vis-

à-vis zu errichten war, unterzogen Herzog & de

Meuron ihr Bibliotheksprojekt einer grundsätz-

lichen Neukonzeption. Aus dem strengen, ortho-

gonalen Block wurde nach mehreren Stufen der

Überarbeitung ein komplexes Volumen über ei-

nem amöbenförmigen Grundriss. Diese Form, die

aus sich überlagenden Kreisen verschiedener

Grössen entwickelt ist und zunächst eher beliebig

erscheint, reagiert auf die städtebauliche Situa-

tion: Nach Westen hin, zur Karl-Marx-Strasse, öff-

net sie sich in einer einladenden Geste Richtung

Universität; nach Südosten hin, Richtung Innen-

stadt, empfängt sie die Besucher aus dem Cottbu-

ser Zentrum. Programmatisch steht die neue Bib-

liothek – im politisch korrekten, aber schwerfälligen

Neudeutsch als Informations-, Kommunikations-

und Medienzentrum (IKMZ) bezeichnet – jedem

Interessenten offen und besetzt deswegen folge-

richtig einen städtebaulichen Angelpunkt zwi-

schen Stadt und Universität. Neben 5000 Studie-

renden bedient das IKMZ ausserdem 7000 univer-

sitätsexterne Leser.

Fast wäre das Projekt aufgrund der Finanz-

knappheit im Jahr 2000 zum Erliegen gekommen.

Herzog & de Meuron mussten ihren Entwurf noch

einmal revidieren, und das hiess nun: dem redu-

zierten Budget anpassen. Ein runder Lichthof wur-

de gestrichen, die Ausstattung im Inneren musste

sparsamer ausfallen. Vor allem aber war es ange-

sichts der Grundwassersituation nicht möglich,

5

068-073_HdM Cottbus 14.3.2005 16:17 Uhr Seite 69