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DAS Work + Health
Arbeitsunfähigkeitszeugnis – die Sicht des Arztes Dr. med. Alexander Nydegger
IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 2
Inhalt
1. Krankschreibung – wo liegt das Problem?
2. Demographie – Alter und Arbeitsfähigkeit
3. Gesundheitsgefahren / Eingliederungsrisiken
4. Was können Sie als Arbeitgeber tun?
11.12.2018
Hält Arbeit gesund oder macht sie krank?
IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 3 11.12.2018
Arbeitsunfähigkeit – Wann soll man handeln?
Optimaler Zeitpunkt für Beginn einer Intervention durch Spezialisten: 8 - 12 Wochen nach Beginn AUF Andersson GBJ and Frymoyer JW 1991, Krause and Ragland 1994, Mayer TG and Gatchel RJ 1988, Nachemson AL and Jonsson E 2000, Waddell and Burton 2001
Hier ist es oft schon zu spät Hier eilt es!
Spezialist sieht Patienten meist erstmals 11.12.2018 Page 4 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Hier wäre der beste Zeitpunkt der Früherkennung!
Das Arbeitsunfähigkeitszeugnis ... Dokument das ein Gesundheitsproblem belegt, welches aus
Sicht des ausstellenden Arztes die Arbeitsleistung beeinträchtigt (Expertenmeinung).
Voraussetzung für den Bezug gewisser Sozialleistungen (UVG-Behandlung, Taggelder, IV-Leistungen usw.)
KEIN Arbeitsverbot! (sondern Expertenempfehlung) – Ausnahme: Sicherheitsrelevante Aspekte / Gesetze
immer momentane Einschätzung (darum zeitlich befristet)
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 5
Arzt im Spannungsfeld Arzt steht im Auftragsverhältnis zu Patient (nicht Betrieb)
=> Tendenz Sicht des Patienten zu vertreten.
Arzt kennt Arbeitsplatz / Betriebsabläufe idR nicht, manchmal fehlt Verständnis für betriebliche Belange.
Ärzte haben Hemmungen Arbeitgeber zu kontaktieren, z.T. aus Angst dadurch Schweigepflicht zu brechen.
Zeugnis für 100% AUF ausstellen ist einfach und spart Zeit (keine mühsamen Diskussionen).
Arzt macht sich idR keine Gedanken über Teamdynamik.
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Demographie – was kommt auf uns zu?
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 7
Alter und Arbeitsfähigkeit
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Quelle: presentation J Ilmarinen, EUPHA Meeting, Rome 2003
Je älter desto mehr chronische Krankheiten (10% mit 20 Jahren, 45% bei über 55 jährigen)
Todesfälle: Junge (15 – 40): v.a. Unfälle Ältere (40-65): v.a. Krebs, Herz-Kreislauf
Krankheitssymptome und Alter
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 9 source: Seco Gesundheits- befragung 2007
Junge > Alte • Kopfschmerzen • „Schlappheit“
Alte > Junge • Schlafstörungen • Gelenkschmerzen • Hand-Arm
Junge = Alte • Rückenschmerzen
Arbeit macht krank! – die Risiken
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 10
Arbeitsabsenz aus Gesundheitsgründen (Seco 2001)
5% 15% < 1%
20% 60%
Arbeitsunfall
NBU
Berufskrk
arbeitsbez.
andere Krk
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 11
Arbeitsunfälle - Fazit
Häufigkeit nimmt ab (Prävention, Strukturwandel)
Nichtberufsunfälle nehmen zu (Freizeitaktivitäten)
Sektoren mit erhöhtem Risiko: Bau, Forst, Industrie, Logistik
Männer > Frauen
Junge > Alte
Öfter bei tieferem Bildungsniveau
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Arbeit trotz Beschwerden SECO, Gesundheitsbefragung 2007
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 13
0
10
20
30
40
50
60 Rückenschmerzen
Schwäche, Müdigkeit
Schlafstörungen
Kopfschmerz,GesichtsschmerzGelenkschmerzen
Gelenkschmerzen wgArbeitHand/Arm-Schmerzen
Hand/Arm-Schmerzenwg Arbeit
Risikofaktoren für Entwicklung muskuloskelettaler Beschwerden (MSDs) SECO, Kostenstudie Bewegungsapparat 2009
1. Koordinationsprobleme zwischen Präsenz am Arbeitsplatz und sozialen Verpflichtungen (3.5x)
2. Tragen/Bewegen schwerer Lasten (2.9x)
3. Vibration von Werkzeugen/Maschinen (2.8x)
4. Störende Unterbrechungen bei der Arbeit (2.3x)
5. Unzufriedenheit mit Arbeitsbedingungen (2.0x)
6. Fehlende Unterstützung durch Vorgesetzte (1.7x)
7. Arbeitstempo hängt von externen Faktoren ab (1.7x)
8. Fehlende Entscheidungsfreiheit über Ferien und arbeitsfreie Tage (1.6x)
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 14
zunehmendes MSD-Risiko bei Kombination der Risikofaktoren! Quelle: Seco, Kostenstudie Bewegungsapparat, 2009
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page15
Ergonomie – Physische/psychische Grenzen
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Belastung und Beanspruchung Quelle: Skript Prof. Krüger / Th. Läubli IAH
Belastung
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Gleiche Belastung ist nicht gleiche Beanspruchung!
Anthropometrie
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Funktionelle Ergonomie: Physische Grenzen beim Heben/Tragen
Quelle: Vortrag Ch. Hitzke
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Gewichtslimiten abhängig von Alter Geschlecht
Funktionelle Ergonomie: Physischae Grenzen beim Heben/Tragen
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Hebelgesetz!
Quelle: Vortrag Ch. Hitzke 15.10.2008
Funktionelle Ergonomie – Folgen von ungeeigneten Handgriffen
Sehnenscheiden-entzündung
Tennisellbogen
Karpal-Tunnel Syndrom
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0802
0 25 50 75 100Anteil Personen mit Beschwerden [ % ]
Tätig
keits
zeit
[ W
oche
n ]
02468
1012
02468
1012
Einfluss von (mentalem) Stress
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Risikofaktoren für Entwicklung muskuloskelettaler Beschwerden (MSDs) SECO, Kostenstudie Bewegungsapparat 2009
1. Koordinationsprobleme zwischen Präsenz am Arbeitsplatz und sozialen Verpflichtungen (3.5x)
2. Tragen/Bewegen schwerer Lasten (2.9x)
3. Vibration von Werkzeugen/Maschinen (2.8x)
4. Störende Unterbrechungen bei der Arbeit (2.3x)
5. Unzufriedenheit mit Arbeitsbedingungen (2.0x)
6. Fehlende Unterstützung durch Vorgesetzte (1.7x)
7. Arbeitstempo hängt von externen Faktoren ab (1.7x)
8. Fehlende Entscheidungsfreiheit über Ferien und arbeitsfreie Tage (1.6x)
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 23
Warnzeichen einer Stresserkrankung Änderung der Arbeitsleistung: mehr Fehler
reduziertes Arbeitstempo
weniger effizient
evtl. unpünktlich
hektisch, agitiert, angespannt, ärgerlich
sorgenvoll, grüblerisch
mehr Fehltage bei der Arbeit
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Anforderungs-Kontrollmodell (Karasek R. 1979, 1982)
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 25
http://www.iloencyclopaedia.org/component/k2/58-theories-of-job-stress/12
Ungleichgewicht zwischen hohen psychologischen
Anforderungen und tiefer Entscheidungsfreiheit (Kontrolle) über Arbeits- bedingungen ...
... Führt zu erhöhtem Risiko für psychische Belastung und körperliche Erkrankung.
Gratifikationskrisenmodell (Siegrist 1996)
11.12.2018 Page 26
„Effort“
„Belohnung“
- Salär - Ansehen - Förderung, Sicherheit - Anforderungen
- Pflichten
Erwartungen („overcommitment“)
Erwartungen („overcommitment“)
Verletzung der sozialen Balance
EXTR
INSI
SCH
E KO
MPO
NEN
TE
INTR
INSI
SCH
E K
OM
PON
ENTE
IHK Tagung Vortrag A Nydegger
Ungleichgewicht bleibt wenn ... keine alternative Wahl möglich Akzeptiert aus Strategiegründen Motivationales Muster
Arbeit hält gesund! – die Fakten!
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 27
Salutogenetische Aspekte der Arbeit
wichtiger Taktgeber (Tagesstruktur, Wochenablauf)
wichtiger Ort für Sozialkontakte
Existenzsicherung (sozioökonomischer Status)
Sinnstiftung (v.a. wenn Arbeit auch als sinnvoll erlebt!)
Erleben von Selbstwirksamkeit / Kompetenz => schafft Selbstsicherheit / Selbstvertrauen
Wer krank ist wird häufiger arbeitslos und geht öfter vorzeitig in Rente.“
Und auch: Arbeitslose und Ausgesteuerte haben schlechteren Gesundheitszustand als Arbeitende
„Wer krank ist kann nicht arbeiten.“
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 28
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 29
0102030405060 Rückenschmerzen
Schwäche, Müdigkeit
Schlafstörungen
Kopfschmerz,GesichtsschmerzGelenkschmerzen
Gelenkschmerzen wgArbeitHand/Arm-Schmerzen
Hand/Arm-Schmerzenwg Arbeit
Einige Gesundheitsprobleme werden mit dem Alter häufiger, andere werden seltener bei den Beschäftigten, teils weil einzelne Personen mit Beschwerden aus der Berufstätigkeit ausgeschieden sind! Beschäftigte = Positivselektion!
Healthy worker Effekt in der Belegschaft!
Wer droht frühzeitig auszuscheiden? - Fazit
Körperliche Arbeit (hohe physische Anforderungen)
Ungelernte (mehr physisch, tiefer sozioökonomischer Status)
Arme (tiefer sozioökonomischer Status
Migranten (mehr Ungelernte, physisch, tiefer sozök. Status)
Suchtkranke (Alkohol, Drogen, ...)
Psychisch Kranke
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Was können Sie als Arbeitgeber tun?
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Warum scheitert Eingliederung manchmal? Während die Meisten nach Krankheitsphasen ohne Weiteres
zurückkehren zur Arbeit geschieht das bei Einzelnen nicht.
Meistens kein Unterschied bezüglich Gesundheitsproblem!
Hindernisse bei Erholung und Teilhabe
Psychologische Flaggen (flags) biopsychosoziales Model im Alltag
helfen zu verstehen warum Personen sich nicht wie erwartet erholen
Methode um Eingliederungshindernisse zu erkennen und anzugehen
weisen auf Handlungsfelder hin
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 32
Nicht beeinflussbare Faktoren Krankheit ist menschliches Schicksal und wird es immer
geben. Ein gewisser Prozentsatz an Langzeitabsenzen (> 1 Monat) in der Belegschaft ist unvermeidlich:
Büro („white collar workers“): 1-2%
Industrie („blue collar workers“): 3-4%
Mischbetriebe (z.B. Spital): 2-3%
75-80% aller Absenzen haben keinen Bezug zur Arbeit!
Jeder Betrieb sollte auf Langzeitabsenzen vorbereitet sein!
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 33
Beeinflussbare Faktoren Rekrutierung: Passt der Bewerber / die Bewerberin zu den
Anforderungen der Stelle? Hinweise auf kritische Probleme in Bezug auf Arbeitsanforderungen?
Arbeitsplatz / Arbeitsorganisation: Passt die Gestaltung des Arbeitsplatzes / der Arbeitsabläufe zu den Menschen die dort arbeiten? – Ergonomische Risiken? Stressoren?
Monitoring: Gibt es Häufungen von Absenzen bei einer Person? / in einem Team? => Hinweise auf individuelles Problem und/oder dysfunktionales Team – Hinschauen!
Begleitung: je früher und genauer man hinschaut desto besser – im Gespräch bleiben!
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 34
Was tun mit Arztzeugnissen? (in der Regel) kein Arbeitsverbot sondern Expertenmeinung
Auf zeitliche Befristung pochen!
Ggf. Prognose einfordern – ist Besserung absehbar?
Kontakt suchen (ACHTUNG – Arzt ist an Berufsgeheimnis gebunden, keine Diagnosen etc. verlangen) – Situation bei der Arbeit schildern, Rückkehrmöglichkeiten besprechen.
Ggf. Vertrauensarzt beiziehen
Versicherungen einschalten (IV, UVG-, Taggeldversicherer)
11.12.2018 IHK Tagung Vortrag A Nydegger Page 35
FAZIT – Take home message
Arbeitsausfälle lassen sich nie ganz vermeiden, bei einer ungewöhnlichen Häufung sollte man genau hinschauen!
Wer passt zum Betrieb? – Passt der Betrieb zu den Personen die dort arbeiten? (Arbeitsplatz / Organisation).
Es lohnt sich die Mitarbeiter zu kennen bevor sie ausfallen.
Es baucht ein Konzept wie man mit Langzeitkranken umgeht bevor der erste Fall auftritt.
Eingliederung beginnt vor der Anstellung und ist ein fortlaufender Prozess während der ganzen Anstellung!
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Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Haben Sie noch Fragen?
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