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Analytische Zahlentheorie Sommersemester 2013

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Analytische Zahlentheorie

Sommersemester 2013

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Inhaltsverzeichnis

1 Erzeugende Funktionen 11.1 Einleitende Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Exkurs uber unendliche Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2 Partitionen 102.1 Grundlagen uber Partitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.2 Asymptotisches Verhalten von

(p(n)

)n∈N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3 Primzahlen 253.1 Der Primzahlensatz und sein Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253.2 Zum Zusammenhang zwischen der Zetafunktion und den Primzahlen . . . . . . . . . . 433.3 Zur Fortsetzbarkeit der riemannschen Zetafunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Stichwortverzeichnis 61

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1 ERZEUGENDE FUNKTIONEN

1 Erzeugende Funktionen

1.1 Einleitende Beispiele

1.1.1 Beispiel (Fibonacci-Folge)Die Fibonacci-Folge (Fn)n∈N0 ist rekursiv definiert durch F0 := 0, F1 := 1 sowie Fn := Fn−1 + Fn−2

fur alle n ∈ N≥2. Sei ferner r ∈ R≥0 ∪ {∞} der Konvergenzradius der Potenzreihe f(z) :=∞∑n=0

Fnzn.

Dann gilt r ≥ 12 , denn:

Mittels vollstandiger Induktion kann gezeigt werden, dass die Folge (Fn)n∈N0 monoton steigend

ist. Damit gilt∣∣ FnFn−1

∣∣∣ ≤ ∣∣2Fn−1

Fn−1

∣∣∣ = 2 fur alle n ∈ N. Fur alle z ∈ BC0,5(0) konvergiert somit die Reihe

∞∑n=0

Fnzn absolut nach dem Quotientenkriterium. Also gilt

r := sup{ε ∈ R>0

∣∣ ∀z ∈BCε (0)

( ∞∑n=0

Fnzn ist konvergent

)}≥ 1

2.

Damit ist

f : BCr (0) −→ C, z 7−→

∞∑n=0

Fnzn

eine wohldefinierte, holomorphe Funktion. Ferner folgt fur alle z ∈ BCr (0) mit den Rechenregeln fur

Potenzreihen, dass zf(z) =∞∑n=0

Fnzn+1 =

∞∑n=1

Fn−1zn, z2f(z) =

∞∑n=0

Fnzn+2 =

∞∑n=2

Fn−2zn und somit

(1− z − z2)f(z) = f(z)− zf(z)− z2f(z) =∞∑n=0

Fnzn −

∞∑n=1

Fn−1zn −

∞∑n=2

Fn−2zn

= F0 + F1z − F0z +∞∑n=2

(Fn − Fn−1 − Fn−2︸ ︷︷ ︸

= 0

)zn = z.

gilt. Also gilt f(z) = z1−z−z2 fur alle z ∈ BC

r (0).Es soll nun eine weitere Formel zur direkten Berechnung der n-ten Fibonacci-Zahl, welche nach Moivreund Binet benannt worden ist, hergeleitet werden:

Fur alle z ∈ BC1 (0) gilt

1− z − z2 = −(z − a)(z − b)

mit a := −1+√

52 und mit b := −1−

√5

2 . Damit hat f eine Partialbruchzerlegung der Form

f(z) =α

z − a+

β

z − b

fur alle z ∈ BC1 (0) mit α, β ∈ C. Damit folgt, dass fur alle z ∈ BC

min{ |a| , |b| }(0)

f(z) = −αa· 1

1− za

− β

b· 1

1− zb

= −αa·∞∑k=0

(za

)n− β

b·∞∑k=0

(zb

)n=∞∑k=0

(− α

an+1− β

bn+1

)zn.

Damit folgt nach dem Identitatssatz fur Potenzreihen, dass

Fn = − α

an+1− β

bn+1

fur alle n ∈ N0 gilt. Ferner gilt fur α und β:

1

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1 ERZEUGENDE FUNKTIONEN

1. Es gilt

α = limz→a

(z − a)f(z) = limz→a

((z − a)

z

−(z − a)(z − b))

= limz→a

z

−(z − b)=

a

−(a− b)

= − a√5

und somit folgt αa = − 1√

5.

2. Es gilt

β = limz→b

(z − b)f(z) = limz→b

((z − b) z

−(z − a)(z − b))

= limz→a

z

−(z − a)=

b

−(b− a)

= − b√5

und somit folgt βb = 1√

5.

Außerdem gilt 1a = 1+

√5

2 und 1b = 1−

√5

2 . Somit folgt insgesamt die Formel von Moivre und Binet:Fur alle n ∈ N0 gilt

Fn = − α

an+1− β

bn+1= −α

a· 1

an− β

b· 1

bn=

1√5·((1 +

√5

2

)n−(1−

√5

2

)n). (1)

Bemerkungen:

1. Interessant ist bei dieser Formel fur die Fibonacci-Zahlen, dass zur Berechnung der ganzen ZahlFn mit n ∈ N die irrationale Zahl

√5 benotigt wird.

2. Eine alternative Methode zur Berechnung der Fibonacci-Zahlen ist durch(FnFn−1

)=

(1 11 0

)︸ ︷︷ ︸

=:A

(Fn−1

Fn−2

)

mit n ∈ N gegeben. Also gilt (FnFn−1

)= An−1

(F1

F0

)fur alle n ∈ N. Dabei ist die Matrix A diagonalisierbar. Das heißt, es existieren a, b ∈ R und

T ∈ GL2(R), so dass A = T−1

(a 00 b

)T gilt. Damit folgt

(FnFn−1

)= T−1

(an−1 0

0 bn−1

)T

(F1

F0

)fur alle n ∈ N.

Ist eine rekursive Formel fur eine Zahlenfolge bekannt, so kann diese leicht mittels vollstandiger In-duktion bewiesen werden. Jedoch kann eine solche Formel schwerlich ohne analytische Hilfsmittel uberdie Funktion, die uber von der Folge erzeugte Potenzreihe definiert ist, gefunden werden.

1.1.2 DefinitionSei K ∈ {R,C} und sei

(an)n∈N0

∈ KN0 eine Folge. Dann heißt die Potenzreihe

f(x) :=

∞∑n=0

anxn

2

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1 ERZEUGENDE FUNKTIONEN

die erzeugende Funktion von der Folge (an)n∈N0 .

Die Strategie ist, aus den analytischen Eigenschaften einer erzeugenden Funktion f von einer Folge(an)n∈N0

∈ KN0 Informationen uber die Folge zu gewinnen. Im Allgemeinen ist es nicht moglich, eine

explizite Formel zur Berechnung von an fur ein n ∈ N0 wie im Fall der Fibonacci-Folge (vgl. 1.1.1)zu erhalten. Jedoch konnen haufig Informationen uber das asymptotische Verhalten der Folgegliedergewonnen werden. Im Fall der Fibonacci-Folge gilt zum Beispiel: fur den Konvergenzradius r derPotenzreihe der erzeugenden Funktion f von

(Fn)n∈N:

Sei r ∈ R≥0 ∪ {∞} der Konvergenzradius der Potenzreihe∞∑n=0

Fnzn. Nach der Formel von Cauchy

und Hadamard gilt dann1

r= lim sup

n→∞n√|Fn| = lim sup

n→∞

n√Fn.

Ferner ist g : C\{a, b} −→ C, z 7−→ αz−a + β

z−b mit a und b definiert wie in 1.1.1 holomorph und

ist somit auf BCs (0) mit s := min{|a|, |b|} = |a| > 1

2 als Potenzreihe darstellbar. Außerdem gilt∞∑n=0

Fnzn = g(z) fur alle z ∈ BC

12

(0) nach obigen Rechnungen. Damit sind die Koeffizienten der

Potenzreihe, die g auf BCs (0) darstellt, nach dem Identitatssatz fur Potenzreihen die Fibonacci-

Zahlen. Also folgt r = |a| =√

5−12 nach der Definition des Konvergenzradius einer Potenzreihe.1

Somit existiert fur alle ε ∈ R>0 ein n0 ∈ N, so dass

Fn ≤(1

r+ ε)n

=(√5 + 1

2+ ε)n

fur alle n ∈ N mit n ≥ n0 gilt.

Es sollen nun noch weitere Beispiele fur erzeugende Funktionen betrachtet werden:

1.1.3 Beispiel

Sei m ∈ N und sei f(z) := (6∑

n=1zn)m =

6m∑n=m

pn,mzn fur alle z ∈ C mit {pn,m | m ≤ n ≤ 6m} geeignet.

Dann gilt

f(z) =m∏k=1

( 6∑nk=1

znk)

=6∑

n1 , ... , nm=1

zn1 + ...+nm

fur alle z ∈ C. Also folgt

pn,m =∣∣∣{(n1 , . . . , nm) ∈ 6m

∣∣ m∑k=1

nk = n}∣∣∣

fur alle n ∈ N mit m ≤ n ≤ 6m. Das heißt, fur alle n ∈ N mit m ≤ n ≤ 6m ist pn,m genau die Anzahlder Moglichkeiten, bei m-maligen Wurfeln als Summe der Augenzahlen die Zahl n zu erreichen.Es soll nun außerdem eine etwas kuriose Anwendung dieser Idee betrachtet werden:

Es gilt6∑

n=1

zn = z(z + 1)(z2 + z + 1)(z2 − z + 1)

und damit

( 6∑n=1

zn)2

=(z(z + 1)(z2 + z + 1)

)·(z(z + 1)(z2 + z + 1)(z2 − z + 1)2

)1Konvergenzradius ist der maximale Radius um den Entwicklungspunkt der Potenzreihe, so dass die Reihe fur alle

Werte aus dem Konvergenzkreis konvergiert.

3

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1 ERZEUGENDE FUNKTIONEN

fur alle z ∈ C. Die Interpretation der letzten Gleichung ist dabei die Folgende: Zwei sechsseitigeWurfel seien einmal mit den Zahlen 1, zweimal 2, zweimal 3 und 4 beschriftet und einmal mitden Zahlen 1, 3, 4, 5, 6 und 8 beschriftet. Dann ist die Anzahl der Moglichkeiten und damit dieWahrscheinlichkeit, mit diesen beiden Wurfeln die Augensumme n mit n ∈ N zu erzielen, genausogroß wie bei einem Paar gewohnlicher sechsseitiger Wurfel, und zwar fur jedes n ∈ N.

Bemerkungen:1. Allgemein gilt fur zwei Wurfel mit den Augenzahlen a1, . . . , a6 ∈ N bzw. b1, . . . , b6 ∈ N, dass die

erzeugende Funktion der Folge(qn)n∈N, wobei fur alle n ∈ N qn die Anzahl der Moglichkeiten,

mit diesen beiden Wurfeln die Augensumme n zu erzielen, sei,

f : BCr (0) −→ C, z 7−→

( 6∑k=1

zak)·( 6∑k=1

zbk)

mit r ∈ R≥0 ∪ {∞} geeignet ist.

1.1.4 BeispielSei cn :=

∣∣{(k, l,m) ∈ (N0)3 | k + 2l + 3m = n}∣∣ fur alle n ∈ N und sei c0 := 1.2 Sei ferner f die

erzeugende Funktion von(cn)n∈N0

und sei r der Konvergenzradius der Potenzreihe von f um 0.3

Dann gilt fur alle z ∈ C mit |z| < min{r, 1}:∞∑n=0

cnzn =

∞∑n=0

( ∞∑k,l,m∈N0k+l+m=n

zk+2l+3m)

=∞∑

k,l,m=0

zk+2l+3m

=( ∞∑k=0

zk)·( ∞∑k=0

z2l)·( ∞∑m=0

z3m)

=( ∞∑k=0

zk)·( ∞∑k=0

(z2)l)·( ∞∑m=0

(z3)m)

=1

1− z· 1

1− z2· 1

1− z3=

1

(1− z)(1− z2)(1− z3)=

1

(1− z)3(1 + z)(1 + z + z2).

Somit folgt r = 1. Durch Partialbruchzerlegung und geeigneter Zusammenfassung der Terme miteinfachen Polen folgt

f(z) =1

6· 1

(1− z)3+

1

4· 1

(1− z)2+

1

4· 1

(1− z2)+

1

3· 1

(1− z3)

fur alle z ∈ C mit |z| < min{r, 1}. Wegen

1

(1− z)2=

d

dz

( 1

1− z

)=

d

dz

( ∞∑n=0

zn)

=∞∑n=0

(n+ 1)zn

und1

(1− z)3=

1

2· ddz

( 1

(1− z)2

)=

d

dz

( ∞∑n=0

(n+ 1)zn)

=∞∑n=0

(n+ 1)(n+ 2)

2zn

fur alle z ∈ C mit |z| < 1 folgt somit

cn =(n+ 1)(n+ 2)

12+n+ 1

4+

14 , falls 2|n und 3 - n13 , falls 2 - n und 3|n712 , falls 2|n und 3|n0 sonst

bzw. ⌈n2

12+n

2+

5

12

⌉= cn =

⌊n2

12+n

2+ 1⌋

wegen (n+1)(n+2)12 + n+1

4 = n2

12 + n2 + 5

12 fur alle n ∈ N, wobei dxe := min{y ∈ Z | y ≥ x} undbxc := max{y ∈ Z | y ≤ x} die obere bzw. untere Gaußklammer fur x ∈ R bezeichnen.

2Fur n ∈ N ist cn die Anzahl der Moglichkeiten, den Geldbetrag der Hohe n in Munzen mit den Werten 1, 2 und 3zu zerteilen.

3Da die Reihe∞∑n=0

cn divergent ist, gilt r ≤ 1.

4

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1 ERZEUGENDE FUNKTIONEN

Bemerkungen:

1. Werden allgemein n ∈ N Munzen mit den Werten w1, . . . , wn ∈ N betrachtet, so wird anstellevon

f : BC1 (0) −→ C, z 7−→ 1

(1− z)(1− z2)(1− z3)

die Funktion

g : BC1 (0) −→ C, z 7−→

n∏k=1

1

1− zwk.

Dann ist g holomorph und somit existiert(cm)m∈N0

, so dass g die erzeugende Funktion dieserFolge ist.Sei w1 = 1. Es ist dann im Allgemeinen hoffnungslos bzw. kompliziert, eine explizite Formel furdie Folge

(cm)m∈N0

durch Partialbruchzerlegung zu erlangen. Jedoch existiert eine Partialbruch-zerlegung. Seien z1, . . . , zt mit t ∈ N die Nullstellen des Nenners, die moglicherweise komplexsind, so erhalt man eine Darstellung der folgenden Form:

Fur alle z ∈ C\{w ∈ C | ∃k∈ n (wwk

= 1)} gilt

g(z) =

n∑k=1

β1k

(1− z)k+

t∑k=2

( mk∑l=1

βkl(1− z

zk)l

), (2)

wobei mk die Vielfachheit der Nullstelle zk im Nenner der Partialbruchzerlegung fur alle k ∈ n(m1 = n also) sei, und wobei βlk ∈ C fur alle k ∈ t und fur alle l ∈ mk sei. Dabei gilt mk < nfur alle 2 ≤ k ≤ t.

Es gilt nun fur alle z ∈ BC1 (0) und fur alle k ∈ N

1

(1− z)k=

dk−1

dzk−1

( 1

1− z)

=1

(k − 1)!

∞∑m=0

( k−1∏l=1

(m+ l) · zm). (3)

Die Strategie zur Berechnung der Folge(cm)m∈N0

ist nun Folgende:

Fur alle m ∈ N0 kann cm wegen der Gleichungen (2) und (3) in der Form

cm =β1n

(n− 1)!·m−1∏l=1

(m+ l) + dm,

wobei dm eine Summe von Thermen der Form βkl(l−1)! · zmk

·l−1∏j=1

(m + j) mit k ∈ t , l ∈ mk und

mit (k, l) 6= (1, n) ist.

Wegen z1, . . . , zt ∈ ∂BC1 (0) existiert eine Konstante A ∈ R>0, so dass |dm| ≤ Amn−2 fur alle

m ∈ N0 gilt. Also folgt, dass eine Konstante B ∈ R>0 und eine Folge(em)m∈N0

∈ CN0 existiert,

so dass cm = β1n(n−1)!m

n−1 + em mit |em| ≤ Bmn−2 fur alle m ∈ N0 gilt. Mit den Landausymbolenkann dies auch in der Form

cm =β1n

(n− 1)!mn−1 +O(mn−2)

fur m −→∞ geschrieben werden.Ferner gilt

β1n = limz→1

(1− z)ng(z) = limz→1

( n∏k=1

1− z1− zwk

)sowie lim

z→1

1−z1−zwk

= 1wk

fur alle k ∈ n nach L’Hospital. Also gilt β1n =n∏k=1

1wk

und somit folgt

cm =

n∏k=1

1

wk·mn−1 +O(mn−2)

5

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1 ERZEUGENDE FUNKTIONEN

fur m −→∞. Insbesondere folgt damit

cm ∼n∏k=1

1

wk·mn−1

fur m −→∞.

1.1.5 BeispielIn diesem Beispiel soll folgende Frage beantwortet werden:

Frage: Existiert eine Zerlegung von N0 in disjunkte Teilmengen A und B, so dass fur alle n ∈ N0∣∣∣{(a, a′) ∈ A2∣∣ a+ a′ = n, a 6= a′

}∣∣∣ =∣∣∣{(b, b′) ∈ B2

∣∣ b+ b′ = n, b 6= b′}∣∣∣

gilt.Zur Klarung dieser Frage sei zunachst einmal angenommen, dass A,B ⊆ N0 mit obigen Eigenschaftenexistieren. Dann gilt:

O.B.d.A. gelte 0 ∈ A. Dann gilt 1 ∈ B, da ansonsten in A einer Zerlegung der 1 enthalten ist, aberin B keine Zerlegung der 1 wegen A ∩ B = ∅ existiert. Ebenso folgt 2 ∈ B, 3 ∈ A, 4 ∈ B, 5, 6 ∈ Ausw. Jedoch ist unklar, wie diese Aufteilung weitergeht. Zur genaueren Untersuchung seien dazu

f : BC1 (0) −→ C, z 7−→

∑n∈A

zn

undg : BC

1 (0) −→ C, z 7−→∑n∈B

zn.

Dann sind f und g wohldefinierte, holomorphe Funktionen, da die geometrische Reihe fur beideReihen stets eine lokale Majorante ist. Ferner gilt

f(z) + g(z) =

∞∑n=0

zn =1

1− z

fur alle z ∈ BC1 (0). Mit

cn :=∣∣{(a, a′) ∈ A2 | a+ a′ = n, a 6= a′}

∣∣fur alle n ∈ N und mit A =: {ak | k ∈ N0} mit ak < ak+1 fur alle k ∈ N0 folgt dann fur allez ∈ BC

1 (0):Es gilt

f(z)2 =( ∞∑k=0

xak)2

=

∞∑n=0

( n∑k=0

xak+an−k)

=∑

(k,l)∈N20

xak+al =∑

(a,a′)∈A2

xa+a′

und somit f(z)2 − f(z2) =∞∑n=0

cnxn. Analog folgt g(z)2 − g(z2) =

∞∑n=0

cnxn. Dies liefert

f(z2)− g(z2) = f(z)2 − g(z)2 =(f(z)− g(z)

)(f(z) + g(z)

)=(f(z)− g(z)

)· 1

1− z,

das heißt, es gilt(f(z) − g(z)

)= (1 − z) ·

(f(z2) − g(z2)

). Induktiv folgt damit, dass fur alle

n ∈ N (f(z)− g(z)

)=( n∏k=0

(1− z2k))·(f(z2n+1

)− g(z2n+1)

6

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1 ERZEUGENDE FUNKTIONEN

gilt. Wegen |z| < 1 und wegen der Stetigkeit von f und g gilt limn→∞

f(z2n+1) = f(0) = 1, da

0 ∈ A gilt, sowie limn→∞

g(z2n+1) = g(0) = 0, da 0 /∈ B, 1 ∈ B gilt. Somit folgt

(f(z)− g(z)

)= lim

n→∞

( n∏k=0

(1− z2k)).

Ferner besitzt jedes n ∈ N eine eindeutige Darstellung (dyadische Darstellung genannt) der Form

n =mn∑k=1

2pn,k mit pn,1, . . . , pn,mn ∈ N0 paarweise verschieden und mit mn ∈ N, wobei der Beweis

von dieser Aussage hier nicht vollfuhrt werden soll. Im Folgenden seien fur n ∈ N die Zah-len pn,1, . . . , pn,mn ,mn vermoge der eben genannten Eigenschaften definiert.4 Ausmultiplizierenliefert nun, dass

n∏k=0

(1− z2k) =2n+1−1∑k=0

(−1)mkzk =∑k∈An

zk −∑k∈Bn

zk

mit m0 := 0, mit An := {k ∈ 2n+1 − 1 0 |mk ≡2 0} und mit Bn := {k ∈ 2n+1 − 1 0 |mk ≡2 1}fur alle n ∈ N gilt. Sei A∞ := {k ∈ N0 |mk ≡2 0} und sei B∞ := {k ∈ N0 |mk ≡2 1}. Insgesamtfolgt dann damit∑

n∈Azn −

∑n∈B

zn = f(z)− g(z) = limn→∞

( ∑k∈An

zk −∑k∈Bn

zk)

=∑

n∈A∞

zn −∑

n∈B∞

zn.

Nach dem Identitatssatz fur Potenzreihen folgt nun A = A∞ und B = B∞ bzw. A = B∞ undB = A∞.

Damit sind A∞ und B∞ zwei wie in obiger Fragestellung gesuchte Mengen. Ferner zeigen dievorangegangenen Rechungen, dass dies bis auf Vertauschung die einzigen Mengen mit diesen Ei-genschaften sind.

1.2 Exkurs uber unendliche Produkte

MotivationIn 1.1.5 wurde fur eine Zahlenfolge

(pn)n∈N ∈ KN mit K ∈ {R,C} der Grenzwert

limn→∞

n∏k=1

pk

betrachtet. Es ware somit naheliegend, in Analogie mit unendlichen Reihen unendliche Produkte durch

∞∏k=1

pk := limn→∞

n∏k=1

pk

zu definieren, falls dieser Grenzwert existiert. Gilt zum Beispiel aber pn := 12 fur alle n ∈ N, so folgt

limn→∞

n∏k=1

pk = limn→∞

n∏k=1

1

2= lim

n→∞

1

2n+1= 0.

Das Produkt ware 0, wobei jedoch keiner der Faktoren 0 ist. Daher wird wie folgt vorgegangen:

Sei im Folgenden stets(pn)n∈N ∈ KN mit K ∈ {R,C} eine Zahlenfolge.

4Die Zahl mn fur n ∈ N ist die Anzahl der Einsen in der Binardarstellung von n.

7

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1 ERZEUGENDE FUNKTIONEN

1.2.1 Definition

Das (unendliche) Produkt∞∏k=1

pk heißt konvergent, falls ein N ∈ N existiert, so dass der Grenzwert

limn→∞n≥N

n∏k=N

pk

existiert und ungleich 0 ist. Im Fall der Konvergenz sei

∞∏k=1

pk :=(N−1∏k=1

pk)·(

limn→∞n≥N

n∏k=N

pk).

Bemerkungen:

1. Fur alle k ∈ N mit k ≥ N gilt pk 6= 0.

2. Es gilt∞∏k=1

pk = 0 genau dann, wenn ein∞∏k=1

pk konvergent ist und ein k ∈ N mit pk = 0 existiert.

In Analogie zu konvergenten Reihen gilt:

1.2.2 Lemma

Ist∞∏k=1

pk konvergent, so gilt limn→∞

pk = 1.

Beweis: Analog zum entsprechenden Beweis fur konvergente Reihen. �

Bemerkungen:

1. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht, denn fur die Folgen(ak)k∈N :=

(k−1k

)k∈N und(

bk)k∈N :=

(k+1k

)k∈N gilt lim

n→∞ak = 1 = lim

n→∞bk. Aber mit 1.2.4 und mit 1.2.5 folgt, dass

die unendlichen Produkte dieser Folgen nicht existieren.

2. Wegen limn→∞

pk = 1 im Konvergenzfall des unendlichen Produktes wird fur alle k ∈ N das

Folgeglied pk oft in der Form pk =: 1 + qk geschrieben und das Produkt∞∏k=1

(1 + qk) statt∞∏k=1

pk

betrachtet.

1.2.3 Definition

Ein unendliches Produkt∞∏k=1

(1 + pk) heißt absolut konvergent, falls∞∏k=1

(1 + |pk|) konvergiert.

1.2.4 Satz

Sei∞∏k=1

(1 + pk) absolut konvergent. Dann ist∞∏k=1

(1 + pk) konvergent.

Beweisskizze: Da∞∏k=1

(1 + |pk|) konvergent ist, existiert N ∈ N, so dass limn→∞

∏nk=N (1 + |pk|) existiert

und ungleich 0 ist. Damit gilt fur alle m,n ∈ N mit N < m < n

∣∣∣ n∏k=N

(1 + pk)−m∏

k=N

(1 + pk)∣∣∣ =

∣∣∣ ∑k1,...,kl ∈X

( l∏i=1

pki)∣∣∣ =

∑k1,...,kl ∈X

( l∏i=1

|pki |)

=n∏

k=N

(1 + |pk|)−m∏

k=N

(1 + |pk|)

fur eine gewisse Menge X von Multiindizes. Die Behauptung folgt nun aus dem Cauchykriterium. �

8

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1 ERZEUGENDE FUNKTIONEN

1.2.5 Satz

Das unendliches Produkt∞∏k=1

(1 + pk) konvergiert genau dann absolut, wenn die Reihe∞∑k=1

pk absolut

konvergiert.Beweis: O.B.d.A. gelte pk ∈ R≥0 fur alle k ∈ N. Ferner gelte o.B.d.A. lim

n→∞pk = 0, denn:

1. Ist∞∏k=1

(1 + pk) absolut konvergent, so gilt limn→∞

(1 + pk) = 1 nach 1.2.2 und somit limn→∞

pk = 0

nach den Limesrechenregeln.

2. Ist∞∑k=1

pk absolut konvergent, so gilt limn→∞

pk = 0.

Also existiert ein N ∈ N mit 0 ≤ pk ≤ 12 fur alle k ≥ N . Setze c := 1

2 · ln(

32

). Dann gilt

cx ≤ ln(1 + x) ≤ x

fur alle x ∈ [0, 12 ]. Damit folgt fur alle n ≥ N :

c

n∑k=N

pk ≤n∑

k=N

ln(1 + pk) = ln( n∏k=N

(1 + pk))≤

n∑k=N

pk.

Damit folgt die Behauptung aus dem Majorantenkriterium. �

1.2.6 SatzAbsolut konvergente unendliche Produkte konvergieren auch bei Umordnung der Faktoren, und zwargegen denselben Grenzwert.Beweis: Analog zum entsprechenden Beweis fur Reihen. �

9

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2 PARTITIONEN

2 Partitionen

2.1 Grundlagen uber Partitionen

Fur alle n,N ∈ N sei cNn die Anzahl der Moglichkeiten, die Zahl n als Summe mit Summanden aus Nzu schreiben. Das heißt, es gilt

cNn =∣∣∣{(x1, . . . , xN ) ∈ (N0)N

∣∣ N∑k=1

kxk = n}∣∣∣

fur alle n,N ∈ N. Ferner sei cN0 := 1 fur alle N ∈ N. In 1.1.4 wurde gezeigt, dass

P3 : BC1 (0) −→ C, z 7−→ 1

(1− z)(1− z2)(1− z3)

die erzeugende Funktion der Folge (c3n)n∈N ist. Mit analoger Beweisfuhrung folgt, dass fur alle N ∈ N

PN : BC1 (0) −→ C, z 7−→

N∏k=1

1

1− zk.

die erzeugende Funktion der Folge (cNn )n∈N ist. Werden nun beliebige Summanden aus N zugelassen,so folgt:

2.1.1 Satz / DefinitionFur alle n ∈ N sei ferner cNn die Anzahl der Moglichkeiten, die Zahl n als Summe mit Summanden ausN zu schreiben und sei cN0 := 1. Dann ist

P : BC1 (0) −→ C, z 7−→

∞∏k=1

1

1− zk

die erzeugende Funktion der Folge (cNn)n∈N0 und P ist eine nullstellenfreie, holomorphe Funktion.

Beweis: Fur alle n ∈ N sei fn : BC1 (0) −→ C, z 7−→ −zn. Dann konvergiert

∞∑k=1

fk absolut lokal

gleichmaßig und somit konvergiert∞∏k=1

1 + fk absolut lokal gleichmaßig.5 Damit folgt:

1. Wegen 11−zk 6= 0 fur alle z ∈ BC

1 (0) und fur alle k ∈ N konvergiert∞∏k=1

11−zk fur alle z ∈ BC

1 (0).

Somit ist P eine wohldefinierte Abbildung mit 0 /∈ Im(F ).

2. Da∞∏n=1

1 + fn absolut lokal gleichmaßig konvergiert, konvergiert das Produkt gegen eine holo-

morphe Grenzfunktion, und zwar gegen 1P . Somit ist P holomorph.

Damit ist P um 0 in eine Potenzreihe entwickelbar, wobei der Konvergenzradius dieser Potenzreihe 1

ist, da wegen cNn ≥ 1 die Reihe∞∑n=1

cNn divergent ist. Sei also (an)n∈N0 eine Folge in C mit

P (z) =∞∑n=0

anzn

fur alle z ∈ BC1 (0). Sei fur alle n ∈ N die holomorphe Funktion Pn definiert wie oben. Da

∞∏n=0

1 + fn

absolut lokal gleichmaßig konvergiert, und da 11−zn 6= 0 fur alle z ∈ BC

1 (0) und fur alle n ∈ N gilt,konvergiert die Folge (PN )N ∈N lokal gleichmaßig gegen auch P . Daher folgt fur alle n ∈ N0 mit demSatz von Weierstraß, dass

an =P (n)(0)

n!= lim

N→∞

P(n)N (0)

n!= lim

N→∞cNn = lim

N→∞cNn = cNn

gilt, da fur alle N ∈ N0 die Folge (cNn )n∈N≥N konstant ist. Somit ist die Behauptung gezeigt. �

5Vergleiche Fischer, Funktionentheorie, S.195.

10

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2 PARTITIONEN

2.1.2 Definition

Sei n ∈ N. Dann heißen n1, . . . , nk ∈ N mit k ∈ N eine Partition von n, fallsk∑i=1

ni = n sowie

nk ≤ nk−1 ≤ . . . n1 gilt. Fur alle n ∈ N sei p(n) die Anzahl der Partitionen der Zahl n. Ferner heißt

p : N0 −→ N0, n 7−→ p(n)

mit p(0) := 1 Partitionsfunktion.Bemerkungen:

1. Fur n ∈ N gibt p(n) die Anzahl der Partitionen ohne Berucksichtigung der Ordnung an, dennzum Beispiel ist durch die Gleichung 5 = 3 + 1 + 1 = 1 + 3 + 1 = 1 + 1 + 3 nur eine Partition der5 gegeben.

2. In 2.2.14 wird gezeigt, dass p(n) ∼exp(π·√

2n3

)4√

3nfur n −→∞ gilt.6

Die obige Voruberlegung liefert nun das folgende Lemma:

2.1.3 Lemma

P ist die erzeugende Funktion der Folge(p(n)

)n∈N. Das heißt, es gilt

∞∏n=1

11−zn =

∞∑n=0

p(n)zn fur alle

z ∈ BC1 (0).

Beweis: Wegen

cNn = cnn =∣∣∣{(x1, . . . , xn) ∈ (N0)n

∣∣ n∑k=1

kxk = n}∣∣∣

fur alle n ∈ N folgt die Behauptung sofort. �

2.1.4 DefinitionFur n ∈ N bezeichne pu(n) die Anzahl der Partitionen von n in ungerade Summanden und pv(n)bezeichne die Anzahl der Partitionen von n in paarweise verschiedene Summanden. Ferner seienpu(0) := 1 =: pv(0).Beispiele:

1. Es gilt z.B. pu(4) = 2, denn die einzigen Partitionen von 4 in ungerade Summanden sind 1 + 3und 1 + 1 + 1 + 1.

2.1.5 LemmaSei M ⊆ N0 und seien an die Anzahl der Partitionen von n mit Summanden aus M und bn die Anzahlder Partitionen von n mit paarweise verschiedenen Summanden aus M fur alle n ∈ N. Seinen fernera0 := 1 =: b0. Dann gilt:

a. Die erzeugende Funktion der Folge (an)n∈N0 ist F1 : BC1 (0) −→ C, z 7−→

∏m∈M

11−zm .

b. Die erzeugende Funktion der Folge (bn)n∈N0 ist F2 : BC1 (0) −→ C, z 7−→

∏m∈M

(1 + zm).

Beweisskizze: Sei N ∈ N und sei M ⊆ N eine N -elementige Menge. Dann gilt∏m∈M

(1 + zm) =∑A⊆N

z

∑a∈A

a

fur alle z ∈ C. Dabei sei∑a∈∅

a := 0. Es folgt, dass∏

m∈M(1 + zm) =

∞∑n=1

cnzn fur alle z ∈ C gilt, wobei

fur alle n ∈ N cn die Anzahl der Partitionen mit paarweise verschiedenen Elementen aus M sei. Diesgilt analog auch, falls die Menge M unendlich ist.Ferner kann Aussage a. wie in 2.1.1 gezeigt werden. �

6Zur Definition von ∼ siehe 2.2.5.

11

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2 PARTITIONEN

Bemerkungen:

1. Sei M := {n ∈ N |n ≡2 1}. Dann gilt somit fur alle z ∈ BC1 (0)

∞∑k=0

pu(n)zk =∏m∈M

1

1− zm=∏n∈N

1

1− z2n−1.

2. Es gilt∞∑n=0

pv(n)zn =∏n∈N

(1 + zn) fur alle z ∈ BC1 (0).

2.1.6 SatzFur alle n ∈ N gilt pu(n) = pv(n).Beweis: Aufgrund der Bemerkungen zu Lemma 2.1.5 reicht es zu zeigen, dass∏

k∈N

1

1− z2k−1=∏k∈N

(1 + zk)

fur alle z ∈ BC1 (0) gilt, denn dann folgt die Behauptung aus dem Identitatssatz fur Potenzreihen.7 Sei

ferner

δ(n) :=

{0, falls n ≡2 1

1, falls n ≡2 0

fur alle n ∈ N. Damit folgt dann fur alle z ∈ BC1 (0), dass

∏k∈N

(1 + zk) = limn→∞

( n∏k=1

(1 + zk)) |z| < 1

= limn→∞

( n∏k=1

1− z2k

1− zk)

=(

limn→∞

n∏k=1

(1− z2k))·(

limn→∞

n∏k=1

1

1− zk)

=(

limn→∞

2n∏k=1

(1− δ(k)zk))·(

limn→∞

2n∏k=1

1

1− zk)

= limn→∞

( 2n∏k=1

(1− δ(k)zk)

1− zk)

= limn→∞

( n∏k=1

1

1− z2k−1

)=∏k∈N

1

1− z2k−1

gilt. Fur alle z ∈ BC1 (0) existieren dabei alle uneigentlichen Produkte bzw. alle Grenzwerte wegen der

absoluten Konvergenz von∞∑n=0

zn nach 1.2.5. Insbsondere sind dabei die Reihenfolgen der Multiplika-

tion irrelevant nach 1.2.6. �

2.2 Asymptotisches Verhalten von(p(n)

)n∈N

In diesem Paragraphen soll das asymptotische Verhalten der Folge (p(n))n∈N genauer untersuchtwerden und eine Formel dafur gefunden werden. Dazu wird nun mit den Vorbereitungen begonnen.

2.2.1 LemmaFur alle x ∈ R mit |x| < 1 gilt

ln(P (x)

)=∞∑k=1

(1

k· xk

1− xk).

Beweis: Sei x ∈ R. Fur alle k ∈ N gilt

ln((1− xk)−1

)= − ln(1− xk) = −

∞∑l=1

((−1)l+1

l· (−xk)l

)=

∞∑l=1

xkl

l,

7Vergleiche Vorlesung”Analysis II“.

12

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2 PARTITIONEN

wobei die Reihe∞∑l=1

xkl

l absolut konvergent ist8, sowie ferner

∣∣∣ ∞∑l=1

xkl

l

∣∣∣ ≤ ∞∑l=1

|x|kl

l≤ 1

1− |x|k− 1 =

|x|k

1− |x|k≤ |x|k

1− |x|.

Somit konvergiert∞∑k=1

( ∞∑l=1

xkl

l

)absolut. Es folgt somit, dass

ln(P (x)) = ln( ∞∏k=1

(1− xk)−1)

= ln(

limN→∞

N∏k=1

(1− xk)−1)

= limN→∞

(ln( N∏k=1

(1− xk)−1))

= limN→∞

( N∑k=1

ln((1− xk)−1

))= lim

N→∞

( N∑k=1

∞∑l=1

xkl

k

)=∞∑k=1

( ∞∑l=1

xkl

l

)=∞∑l=1

( ∞∑k=1

xkl

l

)=∞∑l=1

(1

l

∞∑k=1

xkl).

Wegen |x| < 1 gilt dabei∞∑k=1

xkl = xl

1−xl fur alle l ∈ N und somit folgt die Behauptung. �

2.2.2 LemmaFur alle x ∈ R mit 0 < x < 1 gilt

ln(P (x)

)≤ π2

6· x

1− x.

Beweis: Sei x ∈ R mit 0 < x < 1. Nach der bernoullischen Ungleichung gilt yk − 1 ≥ k(y− 1) fur alley ∈ R≥0 und fur alle k ∈ N.9 Damit gilt

xk

1− xk=

1

( 1x)k − 1

≤ 1

k( 1x − 1)

=x

k(1− x)

fur alle k ∈ N und somit folgt

ln(P (x)

) 2.2.1=

∞∑k=1

(1

k· xk

1− xk)≤∞∑k=1

(1

k· x

k(1− x)

)=

x

1− x·∞∑k=1

1

k2=π2

6· x

1− x. �

Mithilfe von 2.2.2 folgt eine Abschatzung von p(n) fur n ∈ N nach oben, die sich jedoch als schwacherals die asymptotische Formel, die spater bewiesen wird, erweist.

2.2.3 SatzFur alle n ∈ N gilt

p(n) ≤ exp(π ·√

2n

3

).

Beweis: Sei n ∈ N. Mit 2.1.3 gilt p(n)xn ≤ P (x) fur alle x ∈ R mit 0 < x < 1 und somit folgt

ln(p(n)) ≤ ln(P (x)

xn

)= ln

(P (x)

)+ n ln

(1

x

)= ln

(P (x)

)+ n ln

(1 +

1− xx

)2.2.2

≤ π2

6· x

1− x+ n ln

(1 +

1− xx

)≤ 10 π

2

6· x

1− x+ n

1− xx

(4)

8Fur alle k, l ∈ N gilt∣∣∣xkl

l

∣∣∣ ≤ |x|kl = |xl|k.9Bernoullische Ungleichung: Fur alle y ∈ R≥−1 und fur alle k ∈ N0 gilt (1 + y)k ≥ 1 + ky.

13

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2 PARTITIONEN

fur alle x ∈ R mit 0 < x < 1. Um nun die gewunschte Abschatzung fur p(n) zu erhalten, sollx ∈ (0, 1) derart gewahlt werden, dass die rechte Seite der Gleichung (4) minimal wird. Sei dazu

g : R>0 −→ R, y 7−→ π2

61y + ny. Dann nimmt g in y0 := π√

6nsein Minimum an. Damit folgt

ln(p(n)

)≤ g(y0) = π ·

√2n

3.

Da die Exponentialfunktion streng monoton wachsend und bijektiv ist, folgt die Behauptung. �

Bemerkungen:

1. Sei yn := π√6n

und sei xn definiert vermoge yn =: 1−xnxn

fur alle n ∈ N. Dann gilt limn→∞

xn = 1

und 1− xn = xnyn ∼ π√6n

fur →∞.

2. Mit etwas mehr Aufwand kann diese Abschatzung nach oben von p(n) fur n ∈ N verbessertwerden und ferner kann auch eine Abschatzung nach unten aufgestellt werden.

Um die genaue Asymptotik von p(n) mit n ∈ N zu bestimmen, werden komplexe Kurvenintegralebenutzt. Grundlegend ist dabei das folgende Resultat, das eine direkte Folgerung aus der Integralformelvon Cauchy ist.

2.2.4 LemmaSei (an)n∈N0 ∈ CN0 und sei R ∈ R>0∪{∞} der Konvergenzradius der durch (an)n∈N0 um 0 definierten

Potenzreihe. Sei ferner f : BCR(0) −→ C, z 7−→

∞∑n=0

anzn. Dann gilt

an =1

2πi

∫|z|=r

f(z)

zn+1dz

fur alle n ∈ N0 mit r < R.Beweis: Siehe Vorlesung

”Analysis IV“. �

Bemerkungen:

1. Dabei sei fur eine stetige Abbildung g : U −→ C mit BCr (0) ⊂ U ⊆ C mit r ∈ R>0 das Integral∫

|z|=rg(z) dz interpretiert als ∫

|z|=r

g(z) dz =

∫γ

g(z) dz

mit γ : [−π, π] −→ C, t 7−→ reit. Das heißt, es gilt

∫|z|=r

g(z) dz =

π∫−π

g(γ(t))γ′(t) dt = i

π∫−π

g(reit)reit dt.

Also folgt

an =1

2πi

∫|z|=r

f(z)

zn+1dz =

1

π∫−π

f(reit)

rneintdt =

1

2πrn

π∫−π

f(reit)

eintdt

fur alle n ∈ N mit r < R.

2. Die Reihe f(z) =∞∑n=0

anzn kann auch in der Form f(reit) =

∞∑n=0

anrneint geschrieben werden,

das heißt, die Reihe kann als Fourierreihe mit Forierkoeffizientenfolge (anrn)n∈N0 geschrieben

werden. Mit anderen Worten: Die obige Formel zur Berechnung der Koeffizienten der Potenz-reihe ist nichts anderes als die Formel zur Berechnung der Forierkoeffizienten einer periodischenFunktion.

14

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2 PARTITIONEN

2.2.5 DefinitionSeien (an)n∈N und (bn)n∈N Folgen in (C\{0})N. Dann werden die Folgen asymptotisch gleich genannt,in falls lim

n→∞anbn

= 1 gilt. In diesem Fall wird auch an ∼ bn fur n −→∞ geschrieben.

2.2.6 DefinitionSeien f, g : U −→ C\{0} mit U ⊆ C zwei Funktionen und sei außerdem z0 ∈ U ∪ {∞}. Dann heißen f

und g asymptotisch gleich fur z −→ z0, falls limz→z0

f(z)g(z) existiert und falls lim

z→z0f(z)g(z) = 1 gilt. In diesem

Fall wird auch f(z) ∼ g(z) fur z −→ z0 geschrieben.

2.2.7 Lemma (Stirlingsche Formel)

Es gilt n! ∼√

2πn(ne

)nfur n −→∞.

Beweis: Fur alle z ∈ C gilt ez =∞∑n=0

zn

n! , wobei der Konvergenzradius dieser Potenzreihe gleich ∞ ist.

Damit folgt mit 2.2.4 und der Bemerkung dazu, dass

1

n!=

1

2πi

∫|z|=r

ez

zn+1dz =

1

2πi

π∫−π

ereit

(reit)n+1· ireit dt =

1

2πrn

π∫−π

exp(reit − int) dt

fur alle n ∈ N und fur alle r ∈ R>0 gilt. Im Folgenden wird es sich als sinnvoll erweisen, fur alle n ∈ Nzur Berechnung von 1

n! fur das Integral r = n zu wahlen.11 Sei

T : C −→ C, z 7−→∞∑n=0

in+3

(n+ 3)!zn.

Sei R der Konvergenzradius dieser Potenzreihe. Dann gilt

R−1 = lim supn→∞

n

√∣∣∣ in+3

(n+ 3)!

∣∣∣ = supn∈N

(infk≥n

n

√∣∣∣ in+3

(n+ 3)!

∣∣∣ ) = 0

nach der Formel von Cauchy-Hadamard wegen limn→∞

n

√1

(n+3)! = 0, und somit ist der Konvergenzradius

gleich∞. Also ist T holomorph12 und somit existiert ein δ ∈ (0, 54) ⊆ R>0 mit T (BC

δ (0)) ⊆ BC130

(T (0)).

Das heißt, fur alle z ∈ BCδ (0) gilt

|T (z)| ≤ |T (z)− T (0)|+ |T (0)| < 1

30+∣∣∣− i

6

∣∣∣ =1

5.

Ferner gilt fur alle t ∈ Reit = 1 + it− 1

2t2 + T (t)t3

und somit

reit = r(1 + it− 1

2t2 + T (t)t3

)− int = r + (r − n)it− r

2t2 + rT (t)t3 (5)

fur alle r ∈ R>0 nach Konstruktion von T . Diese Gleichung legt nun nahe, fur alle n ∈ N zur Berech-

nung von 1n! das Integral 1

2πnn

π∫−π

exp(neit − int) dt zu betrachten. Dabei folgt dann mit Vorherigem

fur alle n ∈ N, dass

1

n!=

1

2πnn

π∫−π

exp(neit − int) dt =1

2πnn

π∫−π

exp(n− n

2t2 + nT (t)t3

)dt

=en

2πnn

π∫−π

exp(− n

2t2 + nT (t)t3

)dt =

en

2πnn(In1 + In2 )

11Siehe Gleichung (5) dazu.12Auf jedem Kompaktum des Konvergenzkreises liegt gleichmaßige Konvergenz vor.

15

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2 PARTITIONEN

mit In1 :=δ∫−δ

exp(− n

2 t2 + nT (t)t3

)dt sowie mit In2 :=

∫δ≤|t|≤π

exp(− n

2 t2 + nT (t)t3

)dt gilt. Es folgt:

1. Es gilt mit an :=√

0, 5n

In1 =

δ∫−δ

exp(− a2

nt2 + nT (t)t3

)dt

Subst.=√

2n−1

anδ∫−anδ

e−s2+√

6n−1·T(√

2n−1s)·s3 ds

fur alle n ∈ N. Somit folgt

limn→∞

an In1 = lim

n→∞

√n

2In1 =

∞∫−∞

exp(−s2) dsUbungsserie 1

=√π

nach dem Satz von Lebesque uber majorisierende Konvergenz, denn es gilt fur alle n ∈ N undfur alle s ∈ (−an δ, an δ) gilt |

√6n−1 · T

(√2n−1s

)· s3 ≤ 1

2s2 und somit haben die Integranten

jeweils eine integrierbare Majorante.

2. Fur alle n ∈ N gilt

|In2 | = e−n|enIn2 | ≤ e−n∫

δ≤|t|≤π

∣∣ exp(neit − int)∣∣ dt ≤ 2e−n(π − δ) · max

δ≤|t|≤π| exp(neit − int)|

= 2e−n(π − δ) · maxδ≤|t|≤π

eRe(neit−int) = 2e−n(π − δ) · maxδ≤|t|≤π

en cos(t) δ ∈ (0, 54

)= 2(π − δ) · e(cos(δ)−1)n

mit cos(δ) ∈ (0, 1) und somit folgt wegen limx→∞

xe−x = 0

0 ≤∣∣∣ limn→∞

√n

2πIn2

∣∣∣ ≤ 2(π − δ)√2π · (1− cos(δ))

·(

limn→∞

(1− cos(δ))n

exp((1− cos(δ))n)

)= 0.

Also gilt limn→∞

√2πn(n

e)n

n! = 1 und damit folgt die Behauptung aus den Limesrechenregeln. �

Bemerkungen:

1. Sei n ∈ N. Analog zum Beweis von 2.2.3 gilt xn

n! ≤∞∑k=0

xk

k! = ex und somit 1n! ≤ exp(x− n ln(x))

fur alle x ∈ R≥0. Auch in diesem Fall soll nun die rechte Seite dieser Ungleichung minimiert

werden. Wegen ddy

∣∣∣y=x

(y−n ln(y)) = 1− ny fur alle x ∈ R≥0 folgt, dass das Minimum in x0 := n

angenommen wird. Damit folgt 1n! ≤

en

nn und somit gilt n! ≥(ne

)n.

Exkurs zur SattelpunktmethodeSei R ∈ R>0 ∪ {∞} und sei f : BC

R(0) −→ C eine holomorphe Funktion. Sei ferner r < R und sein ∈ N. Bei der Berechnung des Integrales

1

2πi

∫|z|=r

f(z)

zn+1dz =

1

2πrn

π∫−π

f(reit)

eintdt

ist es oft sinnvoll, r als kritischen Punkt der Funktion h : BCR(0)\{0} −→ C, z 7−→ f(z)

zn zu wahlen,sofern dies moglich ist. Das heißt, r wird derart gewahlt, dass h′(r) = 0 gilt. Dann ist r ein Sattelpunktder Funktion |h|.Im Beweis von 2.2.7 wurde diese Methode fur f = exp durchgefuhrt und heißt Sattelpunktmethode.Es existiere nun eine holomorphe Funktion g : BC

R(0) −→ C, so dass f(z) = eg(z) fur alle z ∈ BCR(0)

16

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2 PARTITIONEN

gilt. Ferner existiere r < R, so dass h′(r) = 0 fur die oben definierte Funktion h gilt. Es folgt dann,dass

0 = h′(r) =rng′(r)eg(r) − nrn−1eg(r)

r2n= eg(r) ·

(g′(r)rn− n

rn+1

)=eg(r)

rn·(g′(r)− n

r

)gilt. Also gilt g′(r) = n

r . Sei nun ε ∈ R>0 derart gewahlt, dass BCε (r) ⊆ BC

R(0) gilt. Da

eit =∞∑k=0

(it)k

k!=: 1 + it− t2

2+ S(t)

fur alle t ∈ R gilt, gilt dann

g(reit) =

∞∑k=0

g(k)(r)

k!(reit − r)k

= g(r) + g′(r) · (reit − r) +g′′(r)

2· (reit − r)2 +

∞∑k=3

g(k)(r)

k!(reit − r)k︸ ︷︷ ︸

=:T (t)

= g(r) +n

r· r ·

(it− t2

2+ S(t)

)+r2g′′(r)

2·(it− t2

2+ S(t)

)2+ T (t)

= g(r) + nit− 1

2

(n+ r2g′′(r)

)t2 + U(t)

fur alle t ∈ [−π, π] mit reit ∈ BCε (r), wobei U geeignete auf BC

ε (r) definierte holomorphe Funktion sei.Damit folgt

1

2πi

∫|z|=r

f(z)

zn+1dz =

1

2πrn

π∫−π

f(reit)

eintdt =

1

2πrn

π∫−π

exp(g(reit)− int

)dt

=1

2πrn

π∫−π

exp(g(r) + nit− 1

2

(n+ r2g′′(r)

)t2 + U(t)− int

)dt

=eg(r)

2πrn

π∫−π

exp(− 1

2

(n+ r2g′′(r)

)t2 + U(t)

)dt,

wobeiπ∫−π

exp(− 1

2

(n+ r2g′′(r)

)t2 + U(t)

)dt ∼

√2π

n+ r2g′′(r)

gilt, falls der eU(t)-Term gut abgeschatzt werden kann.

NotationenEs seien D := BC

1 (0) = {z ∈ C | |z| < 1} sowie H0 := {z ∈ C |Re(z) > 0}. Außerdem sei

Log : C\R≤0 −→ {w ∈ C | Im ∈ (−π, π)}, z 7−→ ln(|z|) + i · arg(z),

das heißt, Log ist also derjenige Hauptzweig des komplexen Logarithmus mit Log∣∣R>0

= ln.

Um die Asymptotik von(p(n)

)n∈N besser bestimmen zu konnen, muss P genauer als bisher (vergleiche

2.2.2) abgeschatzt werden. Dazu sei zunachst bemerkt, dass sich Lemma 2.2.1 wie folgt verallgemeinernlasst:

17

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2 PARTITIONEN

2.2.8 LemmaFur alle z ∈ D\P−1(R≤0) gilt

Log(P (z)) =∞∑k=1

zk

k(1− zk).

Beweis: Fur alle ε ∈ R>0 gilt∣∣ zk

1−zk∣∣ ≤ |z|k

1−|z|k ≤εk

1−εk fur alle z ∈ BCε (0) und fur alle k ∈ N, und

die Reihe∞∑k=1

εk

k(1−εk)konvergiert fur alle ε ∈ R>0 nach Lemma 2.2.1 absolut.Damit konvergiert die

Folge (SN )N ∈N mit SN : D −→ C, z 7−→N∑k=1

zk

k(1−zk)fur alle N ∈ N lokal gleichmaßig auf D gegen die

Funktion S : D −→ C, z 7−→∞∑k=1

zk

k(1−zk). Da SN fur alle N ∈ N holomorph ist, ist somit S nach dem

Satz von Weierstraß holomorph. Damit folgt mit 2.2.1 und mit Log|R>0 = ln die Behauptung nachdem Identitatssatz. �

Es soll nun das Verhalten von P (z) fur z −→ 1 untersucht werden. Wegen |e−w| = e−Re(w) fur allew ∈ C ist die Abbildung T : H0 −→ D\(−1, 0], w 7−→ e−w wohldefiniert und holomorph, die fernersurjektiv ist. Dann gilt nach Lemma 2.2.8

Log(P (e−w)) =∞∑k=1

e−kw

k(1− e−kw)=∞∑k=1

1

k(ewk − 1)

fur alle w ∈ H0 mit P (e−w) /∈ R≤0. Da P ((−1, 1)) ⊆ R>0 gilt, und da P holomorph ist, existiertU ⊆ D offen, so dass (−1, 1) ⊆ U und P (U) ⊆ C\P−1(R≤0) gilt. Somit existiert V ⊆ H0 offen mit0 ∈ ∂V , so dass P (e−w) /∈ R≤0 fur alle w ∈ V gilt.Damit entspricht die Betrachtung von P (z) mit z −→ 1 in U einer Betrachtung von P (e−1) mitw −→ 0 in V .

ErinnerungSei δ ∈ R>0 und sei N ∈ N. Sei ferner g : U −→ C eine holomorphe Funktion, wobei U ⊆ H0 einGebiet mit (0, Nδ) ⊆ U sei. Dann ist

N∑k=1

g(kδ)

k=

N∑k=1

δ · g(kδ)

kδ= δ ·

N∑k=1

g(kδ)

eine riemannsche Summe fur das IntegralNδ∫0

g(t)t dt.

Die Idee ist nun, eine geeignete Funktion g : H0 −→ C zu finden, so dass das uneigentliche Integral∞∫0

g(t)t dt existiert, und so dass fur alle w ∈ H0 mit P (e−w) /∈ R≤0 die Summe

∞∑k=1

1k(ewk−1)

durch

dieses Integral in Abhangigkeit von |w| gut approximiert werden kann. Jedoch kann g nicht einfach

vermoge g(t) = 1exp(t)−1 fur alle t ∈ H0 gewahlt werden, da die Folge

( n∫0

g(t)t dt

)n∈N divergent ist. Das

entspricht auch der Tatsache, dass P (z) −→ ∞ fur z −→ 1 erwartet werden kann. Damit wird wiefolgt verfahren:

Idee: Sei g : H0 −→ C, t 7−→ 1exp(t)−1 . Sei dann h : H0 −→ C derart gewahlt, dass

∞∫0

g(t)−h(t)t dt

konvergiert, und dass∞∑k=1

h(kw)k fur alle w ∈ H0 mit P (e−w) /∈ R≤0 berechnet werden kann.

Es gilt g(z) = 1z −

12ez +O(z) fur z −→ 0, denn:

Sei

f : C −→ C, z 7−→

{ez−1z , falls z 6= 0

1 sonst.

18

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2 PARTITIONEN

Dabei ist 0 wegen limz→0

zf(z) = 0 eine hebbare Singularitat von f∣∣C\{0}

mit limz→0

f(z) = 1 nach

L’Hospital. Damit sind f und f := 1f holomorph. Nach der Integralsatz von Cauchy gilt somit

f(z) = f(0) + f ′(0)t+∞∑k=2

f (k)(0)

k!zk = 1− t

2+O(z2)

fur z −→ 0. Also gilt wegen limt→0

e−t = 1

g(z) =f(z)

z=

1

z− 1

2+O(z) =

1

z− 1

2ez+O(z)

fur z −→ 0.Dies legt nahe, die Funktion h folgender Maßen zu wahlen: Sei

h : H0 −→ C, w 7−→ 1

w− 1

2ew.

Dann gilt:

a. Das uneigentliche Integral∞∫0

g(t)−h(t)t dt existiert nach Lemma 2.2.9.

b. Wegen Log(1 + z) =∞∑k=1

(−1)k+1zk

k fur alle z ∈ D folgt

−Log(1− e−w) =∞∑k=1

(−1)k+2(−e−w)k

k=∞∑k=1

1

kekw

fur alle w ∈ H0. Damit gilt

1

w· π

2

6+

1

2Log(1− e−w) =

∞∑k=1

1

wk2−∞∑k=1

1

2kekw=∞∑k=1

h(kw)

k

fur alle w ∈ H0.

Damit folgt fur alle w ∈ H0 mit P (e−w) /∈ R≤0, dass

Log(P (e−w)) =∞∑k=1

1

k(ekw − 1)=∞∑k=1

( 1

k(ekw − 1)− h(kw)

k

)+∞∑k=1

h(kw)

k

=∞∑k=1

(1

k

( 1

ekw − 1− 1

kw+

1

2ekw

))+π2

6w+

Log(1− e−w)

2

(6)

gilt.

2.2.9 Lemma

Es gilt∞∫0

1t

(1

et−1 −1t + 1

2et

)dt = ln

(1√2π

)= −1

2 ln(2π).

Beweis: Sei

S : R>0 −→ R, t 7−→ 1

t

( 1

et − 1− 1

t+

1

2et

).

Es wurde bereits im Vorherigen gezeigt, dass g(z) = 1z −

12ez + O(z) fur z −→ 0 gilt. Also existieren

ε,K ∈ R>0, so dass ∣∣∣1t

( 1

et − 1− 1

t+

1

2et

∣∣∣ =∣∣∣g(t)− h(t)

t

∣∣∣ ≤ K

19

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2 PARTITIONEN

fur alle t ∈ (0, ε] gilt. Somit die stetige Funktion S nach dem Satz uber majorisierende Konvergenz

integrierbar, wobei wegen der Stetigkeit I :=∞∫0

S(t) dt =∫

R>0

S(t) dt gilt. Sei ferner

Sn : R>0 −→ R, t 7−→ 1− e−nt

t

( 1

et − 1− 1

t+

1

2et

)fur alle n ∈ N. Dann existiert

∞∫0

Sn(t)dt fur alle n ∈ N analog zu oben nach dem Satz uber majorisie-

rende Konvergenz. Insbesondere liefert der Satz uber majorisierende Konvergenz

I =

∞∫0

(limn→∞

Sn(t))dt = lim

n→∞

∞∫0

Sn(t) dt = limn→∞

(An +Bn

)mit

An :=

∞∫0

1− e−nt

t

( 1

et − 1− 1

t

)dt

und

Bn :=

∞∫0

1− e−nt

2tetdt

fur alle n ∈ N.13 Damit folgt:

1. Fur alle t ∈ R>0 und fur alle n ∈ N gilt

1− e−nt

et − 1=

1

et· 1− e−nt

1− e−t=

1

et·n−1∑k=0

1

ekt=

n∑k=1

1

ekt

und somit

(1− e−nt)( 1

et − 1− 1

t

)=

n∑k=1

1

ekt− 1− e−nt

t=

n∑k=1

1

ekt− 1

t·n∑k=1

(e−(k−1)t − 1

ekt

)=

n∑k=1

1

ekt−

n∑k=1

( 1

ekt· e

t − 1

t

)=

n∑k=1

( 1

ekt

(1− et − 1

t

))=

n∑k=1

( 1

ekt· 1 + t− et

t

).

Also gilt wegen 1+t−ettekt

> 0 fur alle t ∈ R>0 An =n∑k=1

( ∞∫0

1+t−ett2ekt

dt)

fur alle n ∈ N. Mittels

partieller Integration gilt ferner

1 + t− et

t2=[xe(1−x)t

t

]1

0−

1∫0

e(1−x)t

tdx = −

1∫0

xe(1−x)t dx

fur alle t ∈ R>0. Damit folgt

An = −n∑k=1

( 1∫0

∞∫0

e−ktxe(1−x)t dt dx)

= −n∑k=1

( 1∫0

x

k + x− 1dx)

= −1 +

n∑k=2

((k − 1) ln

( k

k − 1

)− 1)

= −n+

n∑k=2

((k − 1) ln(k)− (k − 1) ln(k − 1)

)= −n+

n∑k=2

(k − 1) ln(k) +n−1∑k=1

k ln(k) = −n+ (n− 1) ln(n)−n−1∑k=2

ln(k)

= −n+ n ln(n)−n∑k=2

ln(k) = −n+ n ln(n)− ln(n!)

13Existenz der Integral kann analog zu oben bewiesen werden.

20

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2 PARTITIONEN

mit dem Satz von Fubini fur alle n ∈ N.

2. Desweiteren gilt

1− e−nt

2tet=

1

2· e−1 − e−(n+1)t

t=

1

2

n+1∫1

e−tx dx

fur alle t ∈ R>0 und somit folgt mit Fubini

Bn =1

2

n+1∫1

∞∫0

e−tx dt dx =1

2

n+1∫1

1

xdx =

ln(n+ 1)

2

Insgesamt folgt mit der stirlingschen Formel (siehe 2.2.7) und mit der Stetigkeit von ln somit

I = limn→∞

(An +Bn

)= lim

n→∞ln(nn√n+ 1

en · n!

)= lim

n→∞ln(√nn!

(ne

)n)+ limn→∞

ln(√n+ 1

n

)= lim

n→∞ln(√nn!

(ne

)n)+ limn→∞

ln(√n+ 1

n

)= ln

(limn→∞

(√nn!

(ne

)n))+ ln

(limn→∞

(√n+ 1

n

))= ln

( 1√2π

)+ ln(1) = ln

( 1√2π

)mit den Limesrechenregeln. �

2.2.10 LemmaFur alle α ∈ (0, π2 ) existiert Mα ∈ R>0, so dass

∣∣∣ ∞∑k=1

(1

k

( 1

ekw − 1− 1

kw+

1

2ekw

))−∞∫

0

1

t

( 1

et − 1− 1

t+

1

2et

)dt∣∣∣ ≤Mα|w|

fur alle w ∈ D mit |arg(w)| ≤ α gilt.Beweis: Siehe S.21. �

Sei im Folgenden Mα mit α ∈ (0, π2 ) stets mit den Eigenschaften aus dem vorherigen Lemma gewahlt.

Zum Beweis von Lemma 2.2.10 wird das folgende Lemma benotigt:

2.2.11 LemmaSei f : [0,∞) −→ C stetig differenzierbar. Seien ferner N ∈ N und δ ∈ R>0. Dann gilt

∣∣∣ Nδ∫0

f(t)dt− δN∑k=1

f(kδ)∣∣∣ ≤ δ Nδ∫

0

|f ′(t)| dt.

Beweis: Siehe Ubungsserie 5, Aufgabe 1. �

Bemerkungen:

1. Es gilt sogar die Behauptung fur N =∞ (mit nδ =∞ dann), falls die uneigentlichen Integraleexistieren.

Beweisidee von Lemma 2.2.10:Sei α ∈ (0, π2 ) und sei fur alle v ∈ ∂BC

1 (0) die differenzierbare Abbildung fv : [0,∞) −→ C definiertvermoge

fv(t) :=

∞∫0

1

t

( 1

evt − 1− 1

vt+

1

2evt

)dt

21

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2 PARTITIONEN

fur alle t ∈ [0,∞). Dann existiert nach 2.2.9 das uneigentliche Integral∞∫0

f1(t) dt und mit der Substi-

tutionsregel folgt fur alle v ∈ ∂BC1 (0), dass

∞∫0

fv(t) dt =

∞∫0

f1(t) dt

gilt. Ferner kann gezeigt werden, dass∞∫0

|f ′v(t)| dt fur alle v ∈ ∂BC1 (0) existiert, und dass ferner ein

Mα ∈ R>0 mit∞∫0

|f ′v(t)| dt ≤ Mα fur alle v ∈ ∂BC1 (0) mit |arg(v)| ≤ α existiert. Damit liefert 2.2.11

zusammen mit der dazugehorigen Bemerkung, dass

∣∣∣ ∞∑k=1

(1

k

( 1

ekw − 1− 1

kw+

1

2ekw

))−∞∫

0

1

t

( 1

et − 1− 1

t+

1

2et

)dt∣∣∣

=∣∣∣ ∞∑k=1

(1

k

( 1

ek|w|v − 1− 1

k|w|v+

1

2ek|w|v

))−∞∫

0

f1(t) dt∣∣∣

=∣∣∣ ∞∫

0

fv(t)dt− |w|∞∑k=1

fv(k|w|)∣∣∣ ≤ |w| ∞∫

0

|f ′v(t)| dt ≤Mα|w|

mit v := eiarg(w) fur alle w ∈ D mit |arg(w)| ≤ α gilt. �

Fur alle α ∈ (0, π2 ) sei im Folgenden Mα ∈ R>0 gewahlt nach 2.2.10. Mit (6) und mit 2.2.9 gilt dann

Log(P (e−w)) =π2

6w+

Log(1− e−w)

2− 1

2ln(2π) +R0(w) (7)

fur alle w ∈ U := {w ∈ D ∩H0 | P (e−w) /∈ R≤0},14 wobei

R0 : U −→ C, w 7−→∞∑k=1

(1

k

( 1

ekw − 1− 1

kw+

1

2ekw

))−∞∫

0

1

t

( 1

et − 1− 1

t+

1

2et

)dt (8)

sei.15 Dann folgt also fur alle α ∈ (0, π2 ), dass |R0(w)| ≤Mα|w| fur alle w ∈ U mit |arg(w)| ≤ α gilt.Es soll nun untersucht werden, wie fur α ∈ (0, π2 ) die Bedingung |arg(w)| ≤ α fur w ∈ U als eine Be-dingung fur e−w ausgedruckt werden kann, damit (??) in eine entsprechende Gleichung fur Log(P (z))umgeschrieben werden kann.Fur alle α ∈ (0, π2 ) und fur alle w ∈ U gilt

|w| =√

(Re(w))2 + (Im(w))2 =√

(Re(w))2 + tan(arg(w))2(Re(w))2

= |Re(w)| ·√

1 + tan(arg(w))2 =|Re(w)|

cos(arg(w))

und somit gilt wegen arg(w) ∈ (−π2 ,

π2 ) die folgenden Aquivalenz:

|arg(w)| ≤ α⇐⇒ cos(arg(w)) ≥ cos(α)⇐⇒ |w| ≤ |Re(w)|cos(α)

⇐⇒ |w||Re(w)|

≤ 1

cos(α).

Ferner gilt |1− e−w| ∼ |w| und 1− |e−w| ∼ Re(w) fur w −→ 0 in H0. Also gilt

|1− e−w|1− |e−w|

∼ |w||Re(w)|

14Da P holomorph mit P ((−1, 1)) ⊆ H0 ist, existiert ein ε ∈ R>0, so dass BCε (0) ∩H0 ⊆ U gilt.

15Dabei ist U ⊆ C offen, da P holomorph ist.

22

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2 PARTITIONEN

fur w −→ 0 in H0. Sei nun

Sβ :={z ∈ D

∣∣ |1− z|1− |z|

≤ β, |z| ≥ 1

2

} ∖P−1(R≤0) (9)

fur alle β ∈ R>1. Dann gilt fur alle β ∈ R>1 , r ∈ [12 , 1) und fur alle t ∈ [−π, π]:

reit ∈ Sβ ⇐⇒|1− reit|

1− r≤ β

⇐⇒ β2(1− r)2 ≥ |1− reit|2 = 1− 2r cos(t) + r2

⇐⇒ cos(t) ≥ 1 + r2 − β2(1− r)2

2r= 1− (β2 − 1)(1− r)2

2r︸ ︷︷ ︸> 0

.

Also gilt insbesondere Sβ 6= ∅ fur alle β ∈ R≥1. Insgesamt folgt nun:

2.2.12 LemmaFur alle β ∈ R≥1 existieren außerdem δ ∈ R>0 und α ∈ (0, π2 ), so dass fur alle z ∈ Sβ∩BC

δ (1) Folgendesgilt:

a. Es existiert w ∈ U mit e−w = z.

b. Fur alle w ∈ U mit e−w = z gilt |w||Re(w)| ≤

1cos(α) .

Beweis: Hier nicht. �

SeiT : D\R≥0 −→ H0, z 7−→ −Log(z)

und seiR1 : T−1(U)\P−1(R≤0) −→ C, z 7−→ R0(T (z)). (10)

Dann gilt fur alle β ∈ R>1 mit α und δ gewahlt mit obigen Eigenschaften:

a. Sei z ∈ Sβ ∩ BCδ (1) und sei w ∈ H0 ∩ D mit e−w = z. Dann folgt wegen |w|

|Re(w)| ≤1

cos(α) nach

obigen Rechnungen, dass |arg(w)| ≤ α und somit |R1(z)| = |R0(w)| ≤Mα|w| gilt.

b. Da Sβ\BCδ (1) = {z ∈ Sβ | |z− 1| ≥ δ} kompakt ist,16 ist die holomorphe Funktion R1 auf dieser

Menge beschrankt.

Ferner kann nun Gleichung (7) fur alle z ∈ D(R1) in der folgenden Form geschrieben werden:

Log(P (z)) = − π2

6Log(z)+

1

2Log(1− z)− 1

2 ln(√

2π)+R1(z).

Die restliche Vorgehensweise zum Bewei, dass p(n) ∼exp(π·√

2n3

)4√

3nfur n −→ ∞ gilt, wird im

Folgenden lediglich skizziert:

BeweisskizzeEs gilt w = −Log(z) = −Log(1 + (z − 1)) und somit folgt |w| = |z − 1|+O(|z − 1|2) fur z −→ 1. DieAbschatzung |R0(w)| ≤Mα|w| ubersetzt sich in |R1(z)| ≤M |z − 1|. Also gilt

Log(P (z)) = − π2

6Log(z)+

1

2Log(1− z)− 1

2 ln(√

2π)+R1(z)

mit |R1(z)| ≤ M |z − 1| fur alle z ∈ Sβ und fur alle β ∈ R≥1. Da ex − 1 = x+ O(x2) fur x −→ 0 gilt,folgt

| exp(R1(z))− 1| ≤ Kβ|z − 1|fur alle z ∈ Sβ mit Kβ ∈ R>0 fur alle β ∈ R≥1. Sei nun η(z) := exp(R1(z))− 1. Es folgt:

16Da P−1(R≤0) = P−1(R<0) gilt, ist Sβ abgeschlossen als Schnitt von abgeschlossenen Mengen und ferner ist Sβ auchbeschrankt. Somit ist Sβ nach Heine-Borell kompakt.

23

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2 PARTITIONEN

2.2.13 LemmaFur alle β ∈ R≥1 existiert Kβ ∈ R>0, so dass

P (z) =

√1− z

2· exp

(− π2

6Log(z)

)·(1 + η(z)

)fur alle z ∈ Sβ gilt. Dabei gilt |η(z)| ≤ Kβ|z − 1| fur alle z ∈ Sβ.

Fur alle n ∈ R und fur alle r ∈ (0, 1) gilt

p(n) =1

2πi

∫|z|=r

P (z)

zn+1dz.

Setze nun rn := exp(− π√

6n

)fur alle n ∈ N. Dann gilt 1− rn ∼ π√

6nfur n −→∞. Ferner gilt fur alle

β ∈ R≥1, fur alle n ∈ N und fur alle θ ∈ [−π, π]:

rneiθ ∈ Sβ ⇐⇒ |θ| ≤ θn(β) := arccos

(1− (β2 − 1)(1− rn)2

2rn

).

Ferner gilt arccos(1− x2) =√

2x+√

2x3

12 + . . .. Es folgt, dass

θn(β) =

√2(β2 − 1)

2rn· (1− rn) +O

((1− rn)3

) !=

√π(β2 − 1)

6n·(1 +O(n−0.5)

)fur alle β ∈ R≥1 und fur alle n ∈ N gilt. Sei γβ :=

√β2−1

6 fur alle β ∈ R≥1.Sei

G : C\R≤1 −→ C, z 7−→√

1− z2π

· exp(− π2

6Log(z))

und fur alle n ∈ N sowie fur alle β ∈ R≥1 seien

pβ1 (n) :=1

2πi

∫|z|=rn

|arg(z)|≤θn(β)

G(z)

zn+1dz

pβ3 (n) :=1

2πi

∫|z|=rn

θn(β)≤|arg(z)|

G(z)

zn+1dz

pβ2 (n) :=1

2πi

∫|z|=rn

|arg(z)|≤θn(β)

F (z)−G(z)

zn+1dz

Damit gilt p(n) =3∑

k=1

pβk fur alle n ∈ N und fur alle β ∈ R≥1. Außerdem sei

q(n) :=exp

(√2n3

)4√

3n

fur alle n ∈ N. Es folgt:

2.2.14 SatzEs gilt p(n) ∼ q(n) fur n −→∞.

Beweisidee: Bei geschickter Wahl von β ∈ R≥1 kann geweigt werden, dass pβ1 (n) ∼ q(n) und

pβ2 (n), pβ3 (n) = o(q(n)

)fur n −→∞ gilt. �

24

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3 PRIMZAHLEN

3 Primzahlen

3.1 Der Primzahlensatz und sein Beweis

NotationMit P sei die Menge der Primzahlen bezeichnet.

3.1.1 SatzEs gilt |P| =∞.Beweis: Angenommen es gilt |P| < ∞. Dann existiert ein N ∈ N mit P =: {pk | k ∈ N }. Sei

m :=N∏k=1

pk + 1. Dann gilt pk - m fur alle k ∈ N und somit folgt m ∈ P. Ferner gilt m 6= pk fur alle

k ∈ N . Also gilt |P| =∞. �

Im Folgenden sei P =: {pk | k ∈ N} mit pk < pk+1 fur alle k ∈ N. Ferner wird des Ofteren bei Sum-mationen der Zusatz p ∈ P ausgelassen, wobei die Variable p ausschließlich fur Primzahlen verwendetwird.

3.1.2 DefinitionFur alle x ∈ R≥0 sei π(x) :=

∣∣P ∩ [0, x]∣∣.

3.1.3 Satz (Primzahlensatz)Es gilt π(x) ∼ x

ln(x) fur x −→∞.Beweis: Siehe Seite 38. �

Dieses Ergebnis wurde bereits um 1800 von Gauß und anderen Mathematikern vermutet und 1896 vonHadamard und de la Vallee-Poussin unabhangig voneinander mit Methoden der (komplexen) Analysisbewiesen. Der Primzahlsatz soll auch nun bewiesen werden, wobei aber auf diverse, von verschiedenenMathematikern gefundene Vereinfachungen des ursprunglichen Beweises zuruckgegriffen werden kann.Zunachst sollen einige elementare Abschatzungen aufgestellt werden. Dazu ist es sinnvoll, fur x ∈ R>0

neben π(x) auch den folgenden Wert zu betrachten:

3.1.4 DefinitionFur alle x ∈ R≥0 sei θ(x) :=

( ∑p≤x

ln(p))∈ R≥0.17

Bemerkungen:

1. Fur alle x ∈ R≥2 gilt offensichtlich

θ(x) =∑p≤x

ln(p) ≤∑p≤x

ln(x) = ln(x) ·∑p≤x

1 = π(x) ln(x)

und somit θ(x)ln(x) ≤ π(x). Spater liefert Gleichung (15) mit ε −→ 0, dass π(x) ≤

(1 + o(1)

) θ(x)ln(x)

fur x −→∞ gilt.

3.1.5 LemmaEs gilt π(x) ∼ θ(x)

ln(x) fur x −→∞.Beweis: Siehe Seite 29. �

17Dabei gilt θ(x) =∑p∈∅

ln(p) = 0 fur alle x ∈ [0, 2).

25

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3 PRIMZAHLEN

Erinnerung zur Definition der Landau-SymboleSei a ∈ R und seinen f, g : (a,∞) −→ R zwei Funktionen.

a. Es gilt f(x) = o(g(x)) fur x −→ ∞, falls fur alle ε ∈ R>0 ein R ∈ R>a existiert, so dass|f(x)| ≤ ε|g(x)| fur alle x ∈ (R,∞) gilt. Falls 0 /∈ Im(g

∣∣(b,∞)

) fur ein b ∈ R>a gilt, so ist dies

aquivalent zu limx→∞x>b

f(x)g(x) = 0.

b. Es gilt f(x) = O(g(x)) fur x −→∞, falls Konstanten K ∈ R>0 und R ∈ R>a existieren, so dass|f(x)| ≤ K|g(x)| fur alle x ∈ (R,∞) gilt. Falls 0 /∈ Im(g

∣∣(b,∞)

) fur ein b ∈ R>a gilt, so ist dies

aquivalent zu lim supx→∞x>b

∣∣∣f(x)g(x)

∣∣∣ <∞.

Analog werden die Landau-Symbole fur Grenzubergange fur x −→ x0 ∈ R definiert.

3.1.6 LemmaSei

f : R>0 7−→ R, x 7−→∑p≤x

ln(p)

p.

Dann gilt f(x) = ln(x) +O(1) fur x −→∞. Außerdem existieren a, b ∈ R>0, so dass

ax ≤ θ(x) ≤ bx

fur alle x ∈ R≥2 gilt.Beweis: Siehe unten. �

Bevor diese beiden Aussagen bewiesen werden, soll eine Folgerung aus den beiden vorherigen Lemmatabewiesen werden:

3.1.7 KorollarEs existieren c, d ∈ R>0, so dass c x

ln(x) ≤ π(x) ≤ d xln(x) fur alle x ∈ R≥2 gilt.

Beweis: Wegen π(x) ∼ θ(x)ln(x) fur x −→ ∞ gilt lim

x→∞ln(x)π(x)θ(x) = 1. Also existiert δ ∈ R>0, so dass∣∣ θ(x)

ln(x)π(x) − 1∣∣ < 1

2 fur alle x ∈ (1δ ,∞) gilt. Damit gilt fur alle x ∈ (1

δ ,∞) mit a, b ∈ R>0 nach 3.1.5gewahlt:

a

2· x

ln(x)≤ 1

2· θ(x)

ln(x)≤ π(x) ≤ 3

2· θ(x)

ln(x)≤ 3b

2· x

ln(x).

Ferner ist die Abbildung f : [2, δ−1] −→ R>0, x 7−→ xln(x) stetig und somit existierenM1 := max

x∈ [2,δ−1]f(x)

und M1 := minx∈ [2,δ−1]

f(x). Damit folgt fur alle x ∈ [2, δ−1]:

1

M1· x

ln(x)≤ 1 = π(2) ≤ π(x) ≤ π

(⌊δ−1⌋

+ 1)≤π(⌊δ−1⌋

+ 1)

M2· x

ln(x).

Dann erfullen c := min{ 1M1, a2} und d := max{3b

2 ,π(bδ−1c+1)

M2} die Behauptung. �

Beweis von Lemma 3.1.6:Der Beweis des ersten Teils der Behauptung erfolgt in vier Schritten, und zwar:

a. Sei n ∈ N und sei e(p) := max{k ∈ N0 | pk|(n!)} fur alle p ∈ P. Dann gilt n! =∏p≤n

pe(p) (Prim-

faktorzerlegung18). Ferner gilt |{m ∈ n | pk|m}| =⌊npk

⌋fur alle k ∈ N, denn fur alle k ∈ N gilt

18Da n! =n∏k=1

k gilt, sind alle Primzahlen in der Faktorisierung von n! kleiner oder gleich n, denn jede dieser Primzahlen

muss einen Faktor aus dem Produktn∏k=1

k teilen.

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3 PRIMZAHLEN

{m ∈ n | pk|m} = ([0, npk

] ∩ N) · pk. Also gilt

e(p) =∞∑k=1

|{m ∈ n | pk|m}| =∞∑k=1

⌊ npk

⌋fur alle p ∈ P mit p ≤ n!, wobei die Summe wegen b n

pkc = 0 fur alle p ∈ P und fur alle k ∈ N mit

pk > n endlich ist. Wegen der Endlichkeit der Summe folgt damit

ln(n!) = ln( ∏p≤n

pe(p))

=∑p≤n

e(p) ln(p) =∑p≤n

( ∞∑k=1

⌊ npk

⌋ln(p)

)=∑p≤n

(⌊np

⌋ln(p)

)+∑p≤n

( ∞∑k=2

⌊ npk

⌋ln(p)

).

Dabei gilt fur alle p ∈ P mit p ≤ n:

∞∑k=2

⌊ npk

⌋≤∞∑k=2

n

pk=

n

p2

∞∑k=0

1

pk=

n

p2· 1

1− 1p

=n

p(p− 1).

Es folgt daher ∑p≤n

( ∞∑k=2

⌊ npk

⌋ln(p)

)≤∑p≤n

n ln(p)

p(p− 1)≤ n ·

∑p∈P

ln(p)

p(p− 1)= O(n),

fur n −→∞, denn:

Fur alle k ∈ N>2 gilt 0 < k−2k2(k−1)

= 2k2− 1

k(k−1) . Da limx→∞

ln(x)√x

= 0, existiert ein k0 ∈ N, so

dass fur alle k ≥ k0 dann ln(k)√k< 1 gilt. Da die Reihe

∞∑k=1

1kα fur alle α ∈ R>1 konvergiert.

folgt wegen ∑p∈P

ln(p)

p(p− 1)≤∞∑k=2

ln(k)

k(k − 1)≤ 2 ·

∞∑k=2

ln(k)

k2≤ 2 ·

∞∑k=2

1

k1,5<∞

die Konvergenz von∑p∈P

ln(p)p(p−1) . Somit folgt die Behauptung nach Definition des Landausym-

bols O.

Ferner gilt nach der stirlingschen Formel (vergleiche 2.2.7)

ln(n!) = ln(

(1 + o(1))(ne

)n√2πn

)= n ln

(ne

)+

ln(2πn)

2+ o(1) = n ln(n)− n+

ln(n)

2+O(1)

= n ln(n) +O(n).

fur n −→∞. Insgesamt gilt also∑p≤n

(⌊np

⌋ln(p)

)= n ln(n) +O(n) (11)

fur n −→∞ wegen∑p≤n

( ∞∑k=2

⌊npk

⌋ln(p)

)∈ R>0 fur alle n ∈ N.

b. Mit Gleichung (11)∑p≤ 2n

(⌊2n

p

⌋− 2⌊np

⌋)ln(p) =

∑p≤ 2n

(⌊2n

p

⌋ln(p)

)− 2 ·

∑p≤n

(⌊np

⌋ln(p)

)= 2n ln(2n) +O(n)− 2n ln(n) +O(n) = 4n ln(n) +O(n) = O(n).

27

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3 PRIMZAHLEN

fur n −→∞. Ferner gilt

b2xc − 2bxc =

{0, x < bxc+ 1

2

1 sonst

fur alle x ∈ R>0 und somit insbesondere b2xc − 2bxc = 1 fur alle x ∈ [12 , 1). Also gilt⌊2n

p

⌋− 2⌊np

⌋= 1

fur alle n ∈ N und fur alle p ∈ P ∩ (n, 2n] wegen p 6= 2n. Dies liefert dann∑p≤ 2n

(b2npc − 2bn

pc)

ln(p) ≥∑

p∈ (n,2n]

ln(p) = θ(2n)− θ(n)

fur alle n ∈ N. Damit gilt insgesamt

θ(2n)− θ(n) = O(n). (12)

fur n −→∞.

c. Fur alle x ∈ R≥1 gilt |P ∩ (2bxc, b2xc)| ≤ 1 wegen N ∩ (2bxc, b2xc) ⊆ {2bxc + 1}. Somit folgt,dass

θ(2x)− θ(2bxc) =∑

2bxc<p≤2x

ln(p) = ln(2x) = ln(2) + ln(x) ≤ (1 + ln(2))x = O(x)

fur x −→∞ sowieθ(x)− θ(bxc) ≤ ln(x) = O(x).

fur x −→∞ gilt. Damit folgt mit Gleichung (12), dass

θ(2x)− θ(x) = −θ(2bxc) + θ(bxc) +O(x) = O(x)

fur x −→ ∞ gilt. Also existieren ε, K ∈ R>0, so dass fur alle x ∈ R≥ε dann θ(2x) − θ(x) ≤ Kxgilt, da θ monoton steigen ist. Wegen θ|(0,ε) ≤ θ(ε) und wegen Im(θ) ⊆ R≤0 existiert somit ∈ R>0

mitθ(2x)− θ(x) ≤ Kx

fur alle x ∈ R>0. Damit folgt fur alle x ∈ R>0

θ(x) = θ(x)− θ(2−1x) + θ(2−1x) ≤ Kx+ θ(2−1x)− θ(2−2x) + θ(2−2x)

≤ Kx+Kx

2+ θ(2−2x)

und somit induktiv

θ(x) ≤ Kx ·n−1∑k=0

1

2k+ θ(2−nx) ≤ Kx ·

∞∑k=0

1

2k+ θ(2−nx) = 2Kx+ θ(2−nx)

fur alle n ∈ N. Fur alle x ∈ R>0 sei nun kx ∈ N mit x2kx

< 2 minimal gewahlt. Dann folgt wegenθ(x) = 0 fur alle x ∈ (0, 2) damit

θ(x) = O(x) (13)

fur x −→∞.

d. Mit Gleichung (11) folgt nun

0 ≤ nf(n) = n ·∑p≤n

ln(p)

p≤∑p≤n

(⌊np

⌋+ 1)

ln(p) ≤ θ(n) +∑p≤n

(⌊np

⌋ln(p)

)= θ(n) + n ln(n) +O(n) = n ln(n) +O(n)

fur alle n −→∞.Da zwischen zwei naturlichen Zahlen keine Primzahl liegt, gilt f(x) = f(n) fur alle x ∈ [n, n+1)fur alle n ∈ N gilt, und somit folgt der erste Teil der Behauptung.

28

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3 PRIMZAHLEN

Es verbleibt, die Existenz einer oberen und unteren Schranke fur θ(x) fur alle x ∈ R≥2 zu zeigen. MitGleichung (13) und mit der Monotonie von θ folgt die Existenz der oberen Schranke fur θ

∣∣R≥2

. Ferner

existiert auch die untere Schranke, denn es gilt:Da f(x) = ln(x) +O(1) fur x −→∞ gilt, existieren Konstanten K,R ∈ R>0, so dass∣∣f(x)− ln(x)

∣∣ ≤ Kfur alle x ∈ (R,∞) gilt. Damit folgt fur alle α ∈ (0, 1) und fur alle x ∈ R>0 mit x > R

α > R, dass∣∣f(x)− f(αx)− ln(α−1)∣∣ =

∣∣f(x)− f(αx)−(

ln(x)− ln(αx))∣∣

=∣∣f(x)− ln(x)− f(αx) + ln(αx)

∣∣ ≤ ∣∣f(x)− ln(x)∣∣+∣∣f(αx) + ln(αx)

∣∣ ≤ 2K(14)

gilt. Sei nun α ∈ (0, 1) derart gewahlt, dass ln(α−1)− 2K > 1 gilt, und sei

fα : R>0 7−→ R, x 7−→ f(x)− f(αx).

Dann folgt mit Gleichung (14), dass

fα(x) ∈(

ln(α−1 − 2K , ln(α−1 + 2K)⊆ R>1

fur alle x ∈ R>α−1R gilt.Andererseits gilt

fα(x) =∑

αx<p≤x

ln(p)

p≤ 1

αx

∑αx<p≤x

ln(p) ≤ θ(x)

αx

fur alle x ∈ R≥1. Somit folgt αx ≤ θ(x) fur alle x ∈ R>α−1R und mit der Beschranktheit von θ auf(0, α−1R] folgt insgesamt die Behauptung. �

Beweis von Lemma 3.1.5:Es gilt

θ(x) =∑p≤x

ln(p) ≤∑p≤x

ln(x) = ln(x) ·∑p≤x

1 = π(x) ln(x)

und somit π(x) ln(x)θ(x) ≥ 1 fur alle x ∈ R≥2. Ferner gilt fur alle ε ∈ R>0:

Es gilt

θ(x) ≥∑

x1−ε<p≤x

ln(p) ≥∑

x1−ε<p≤x

ln(x1−ε) = (1− ε) ·∑

x1−ε<p≤x

ln(x)

= (1− ε) · ln(x) ·(π(x)− π(x1−ε)

)fur alle x ∈ R>0. Sei a ∈ R>0 gewahlt nach Lemma 3.1.6. Dann folgt fur alle x ∈ R>2

π(x) ≤ 1

1− ε· θ(x)

ln(x)+ π(x1−ε) ≤ 1

1− ε· θ(x)

ln(x)+ bx1−εc ≤ 1

1− ε· θ(x)

ln(x)+ x1−ε

≤ 1

1− ε· θ(x)

ln(x)+

1

a

θ(x)

und somitπ(x) ln(x)

θ(x)≤ 1

1− ε+

1

a

ln(x)

xε.

Wegen limy→∞

y−ε ln(y) = 0 gilt somit

1 ≤ π(x) ln(x)

θ(x)≤ 1

1− ε+ ε, (15)

falls x ∈ R>2 groß genug ist.Damit gilt fur alle ε ∈ R>0:

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3 PRIMZAHLEN

Wegen limy→∞

2y−y21−y = 0 existiert δ ∈ R>0 mit 2δ−δ2

1−δ < ε. Dann existiert nach Obigen ein x0 ∈ R≥2,

so dassπ(x) ln(x)

θ(x)≤ 1

1− δ+ δ

fur alle x ∈ R>x0 gilt. Dann gilt fur alle x ∈ R>x0 :∣∣∣π(x) ln(x)

θ(x)− 1∣∣∣ =

π(x) ln(x)

θ(x)− 1 ≤ 1

1− δ+ δ − 1 =

2δ − δ2

1− δ< ε.

Also folgt limx→∞

π(x) ln(x)θ(x) = 1 und somit gilt π(x) ∼ θ(x)

ln(x) fur x −→∞. �

Ein wesentliches Hilfsmittel bei der Untersuchung der Primzahlen und insbesondere auch beim Beweisdes Primzahlensatzes ist die im Folgenden definierte riemannsche Zetafunktion. Zunachst jedoch eineErinnerung:

ErinnerungFur alle a ∈ R>0 und fur alle z ∈ C sei az := exp(ln(a)z). Die Funktion fa : C −→ C, z 7−→ az ist furalle a ∈ R>0 ganz. Ferner gilt fur alle a ∈ R>0 und fur alle z ∈ C:

|az| = exp(

ln(a) Re(z))·∣∣ exp

(i ln(a) Im(z)

)∣∣ = aRe(z).

NotationFur alle t ∈ R>0 sei Ht := {z ∈ C |Re(z) > t}.

3.1.8 Definition / Satz

Die Funktion ζ : H1 −→ C, z 7−→∞∑n=1

1nz heißt riemannsche Zetafunktion und ist holomorph.

Beweis: Sei ζN : H1 −→ C, z 7−→N∑n=1

1nz fur alle N ∈ N. Dann ist (ζN )N ∈N eine Folge holomorpher

Funktionen. Dabei gilt fur alle ε ∈ R>0:Es gilt ∣∣∣ 1

nz

∣∣∣ =1

nRe(z)≤ 1

n1+ε

fur alle z ∈ H1+ε und fur alle n ∈ N. Damit folgt fur alle z ∈ H1+ε und fur alle N ∈ N:

|ζN (z)− ζ(z)| ≤∞∑

n=N+1

∣∣∣ 1

n1+ε

∣∣∣ =∞∑

n=N+1

1

n1+ε.

Da 1 + ε > 1 gilt, konvergiert∞∑n=1

1n1+ε absolut und somit konvergiert (ζN

∣∣H1+ε

)N ∈N gleichmaßig

gegen ζ∣∣H1+ε

.

Wegen H1 =⋃n∈N

H1+ 1n

folgt nach dem Satz von Weierstraß, dass ζ holomorph ist. �

3.1.9 SatzSei η : H1 −→ C, z 7−→ ζ(z)− 1

z−1 . Dann besitzt η eine holomorphe Fortsetzung auf H0.Beweis: Es gilt fur alle z ∈ H1:

Wegen Re(z) > 1 gilt limn→∞

|n1−z| = limn→∞

n1−Re(z) = 0 und daher gilt

n∫1+ 1

n

1

xzdx =

[ x1−z

1− z

]n1+ 1

n

=1

1− z(n1−z − (1 + n−1)1−z).

30

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3 PRIMZAHLEN

fur alle n ∈ N. Also gilt∞∫1

1xz dx = 1

z−1 und somit folgt

η(z) = ζ(z)− 1

1− z=∞∑n=1

1

nz−∞∫

1

1

xzdx =

∞∑n=1

( 1

nz−

n+1∫n

1

xzdx)

=∞∑n=1

n+1∫n

( 1

nz− 1

xz

)dx.

Da fz : C\{0} −→ C, t 7−→ t−z fur alle z ∈ C holomorph ist, gilt außerdem

∣∣∣ 1

nz− 1

xz

∣∣∣ =∣∣∣ x∫n

( ddt

∣∣∣t=s

1

tz)ds∣∣∣ =

∣∣∣ x∫n

−ztz+1

dt∣∣∣ ≤ x∫

n

∣∣∣ z

tz+1

∣∣∣ dt ≤ (x− n) maxt∈ [n,x]

∣∣∣ z

tz+1

∣∣∣= (x− n)|z| max

t∈ [n,x]t−Re(z)−1 =

(x− n)|z|nRe(z)+1

≤ |z|nRe(z)+1

fur alle n ∈ N, fur alle x ∈ [n, n+ 1] und fur alle z ∈ H0 und somit folgt, dass

∣∣∣ n+1∫n

( 1

nz− 1

tz)dt∣∣∣ ≤ |z|

nRe(z)+1≤ |z|n1+ε

fur alle z ∈ H1+ε und fur alle ε ∈ R>0 gilt. Damit konvergiert die Folge (ηN )N ∈N mit

ηN : H0 −→ C, z 7−→N∑n=1

n+1∫n

( 1

nz− 1

xz)dx

fur alle N ∈ N lokal gleichmaßig auf H0 gegen eine Funktion η∗ : H0 −→ C mit η∗∣∣H1

= η. Da ηN fur

alle N ∈ N holomorph ist, ist auch η∗ nach dem Satz von Weierstraß holomorph. �

Bemerkungen:

1. Tatsachlich ist η auf ganz C holomorph fortsetzbar (vergleiche 3.2.1).

2. Mit der voherigen Bemerkung ist ζ holomorph auf H0\{1} fortsetzbar und besitzt wegen

limz→1

(z − 1)ζ(z) = limz→1

((z − 1)η(z) + 1) = limz→1

(z − 1)η(z) + 1 = 1

einen einfachen Pol in 1.

KonventionSei G ⊆ C ein Gebiet und sei f : G −→ C eine holomorph. Sei ferner H ⊆ C ein Gebiet mit G ⊆ H, sodass f nach H holomorph fortsetzbar ist. Dann sei die holomorphe Fortsetzung von f nach H wiedermit f bezeichnet.

Dieser Konvention folgend sei nun im Folgenden mit ζ die entsprechende holomorphe Fortsetzung derin 3.1.8 definierten Funktion ζ auf H0\{1} gemeint.Der Zusammenhang zwischen der riemannschen Zetafunktion ζ und den Primzahlen wird durch fol-genden Satz deutlich:

3.1.10 SatzFur alle z ∈ H1 gilt ζ(z) =

∏p∈P

11−p−z .

Beweis: Es gilt fur alle z ∈ H1:

Wegen Re(z) > 1 konvergiert∞∑k=1

1pzk

absolut, da∞∑n=1

1nz eine absolut konvergente Majorante ist.

Damit ist∞∏k=1

(1− 1pz ) ebenfalls absolut konvergent nach 1.2.5 und somit konvergent nach 1.2.4. das

31

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3 PRIMZAHLEN

uneigentliche Produkt∏p∈P

11−p−z . Dabei ist die Reihenfolge der Multiplikation bei der Berechnung

von∏p∈P

11−p−z wegen

( ∏p∈P

11−p−z

)−1=

∞∏k=1

(1 − p−z) und wegen der absoluten Konvergenz des

rechten unendlichen Produktes irrelevant.

Sei MN := {n ∈ N | ∃ k∈N∃ α1 , ... , αN ∈N0(N∏k=1

pαkk = n)} fur alle N ∈ N.19 Dann gilt

N∏k=1

1

1− p−z=

∑n∈MN

1

nz

fur alle N ∈ N und fur alle z ∈ H1, denn per Induktion folgt fur alle z ∈ H1:

IA: Es gilt2∏

n=1

1

1− p−zn=

2∏n=1

( ∞∑m=0

1

pmzn

)=

∞∑n=0

( ∞∑m=0

1

pmz1 p(n−m)z2

),

mit der Cauchy-Produktformel, wobei{(pk1p

(n−m)2 )−z

∣∣m ∈ n 0, n ∈ N0

}={

(pk1pl2)−z

∣∣ k, l ∈ N0

}={n−z

∣∣n ∈M2

}gilt. Damit folgt mit der absoluten Konvergenz der Reihe

∞∑n=0

( ∞∑m=0

1

pmz1 p(n−m)z2

)die Behauptung fur N = 2, da die Reihenfolge der Summation ohne Anderung des Reihenwertesvertauscht werden kann.

IS: Der Induktionsschritt erfolgt analog zur Beweisfuhrung beim Induktionsanfang.

Da 11−p−z 6= 0 fur alle p ∈ P und fur alle z ∈ H1 gilt, folgt somit

∞∏k=1

1

1− p−z= lim

N→∞

( N∏k=1

1

1− p−z)

= limN→∞

( ∑n∈MN

1

nz

)=∑n∈N

1

nz= ζ(z)

fur alle z ∈ H1. �

3.1.11 KorollarFur alle z ∈ H1 gilt ζ(z) 6= 0.Beweis: Folgt sofort mit 3.1.10, da 1

1−p−z 6= 0 fur alle p ∈ P und fur alle z ∈ H1 gilt. �

Eines der beruhmtesten ungelosten Probleme der Mathematik ist das Folgende:

Riemannsche VermutungFur alle z ∈ H0 mit ζ(z) = 0 gilt Re(z) = 1

2 .

Dabei heißt G : R −→ C, t 7−→ 12 + it die kritische Gerade. Damit besagt die obige Vermutung, dass

{z ∈ H0 | ζ(z) = 0} ⊆ G gilt. Ein Beweis der riemannschen Vermutung wurde sehr gute Abschatzungendes Fehlerverhaltens im Primzahlensatz liefern. Genauer: Das Restglied wurde

π(x) =

x∫2

1

ln(t)dt+R(x)

19MN ist also die Menge aller naturlichen Zahlen, fur deren Primfaktorzerlegung nur Primzahlen aus {p1, . . . , pn}benotigt werden.

32

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3 PRIMZAHLEN

mit |R(x)| ≤ x12

+ε fur x −→∞ und fur ε −→ 0 erfullen (vergleiche dazu Abschnitt 3.2).

Fur den Beweis des Primzahlensatz in dessen hier angegebener Form reicht jedoch eine schwache-re Aussage:

3.1.12 SatzFur alle z ∈ C mit Re(z) = 1 gilt ζ(z) 6= 0.Beweis: Siehe S. 36. �

Fur den Beweis dieses Satzes wie auch im weiteren Beweis des Primzahlensatzes ist es gunstig, eineweitere Funktionen zu betrachten, die an die in Lemma 3.1.6 betrachtete Summe erinnert:

3.1.13 Definition / Satz

Sei φ : H1 −→ C, z 7−→∑p∈P

ln(p)pz . Dann ist φ holomorph, wobei die Reihe lokal gleichmaßig auf H1

konvergiert.

Beweis: Sei φN : H1 −→ C, z 7−→N∑n=1

ln(pk)pzk

fur alleN ∈ N. Dann ist (φN )N ∈N eine Folge holomorpher

Funktionen. Dabei gilt fur alle ε ∈ R>0:

Wegen limx→∞

ln(x)xα = 0 fur alle α ∈ R>0 existiert ein k0 ∈ N, so dass ln(pk) ≤ p

ε2k fur alle k ∈ N mit

k ≥ k0 gilt. Damit gilt ∣∣∣ ln(pk)

pzk

∣∣∣ =ln(pk)

pRe(z)k

≤ ln(pk)

p1+εk

≤ p1+ ε2

k

fur alle k ∈ N mit k ≥ k0 und fur alle z ∈ H1+ε

Analog zu 3.1.8 folgt damit die Behauptung. �

Erinnerung20

Sei G ⊆ C ein Gebiet und sei(fn)n∈N eine Folge holomorpher Funktionen von G nach C. Falls

∞∑n=1

fn

absolut (lokal) gleichmaßig konvergiert, so heißt∞∏n=1

(1 + fn) absolut (lokal) gleichmaßig konvergent.

In diesem Fall ist f : G −→ C, z 7−→∞∏n=1

(1 + fn(z)) eine wohldefinierte holomorphe Funktion.

3.1.14 LemmaFur alle z ∈ H1 gilt

−ζ′(z)

ζ(z)= φ(z) +

∑p∈P

ln(p)

pz(pz − 1),

wobei die rechte Reihe sogar lokal gleichmaßig auf H 12

konvergiert.

Beweis: Zuerst sollen zwei fur den Beweis der Behauptung notwendige Hilfsaussagen bewiesen werden:Hilfsaussage: Sei G ⊆ C ein Gebiet und sei

(fn)n∈N eine Folge holomorpher, nullstellenfreier

Funktionen von G nach C. Sei ferner Fn :=n∏k=1

fk fur alle n ∈ N sowie sei F :=∞∏k=1

fk. Dann gilt:

a. Fur alle n ∈ N gilt F ′nFn

=n∑k=1

f ′kfk

.

b. Konvergiert das unendliche Produkt∞∏k=1

fk absolut lokal gleichmaßig, so gilt F ′

F =∞∑k=1

f ′kfk

.

Beweis:

a. Die erste Aussage folgt sofort aus der Quotientenregel mittels vollstandiger Induktion ubern ∈ N.

20Vergleiche Fischer, Funktionentheorie, S.195 und S.196.

33

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3 PRIMZAHLEN

b. Da∞∏k=1

fk absolut lokal gleichmaßig konvergiert, ist F nach obiger Erinnerung holomorph und(Fn)n∈N konvergiert lokal gleichmaßig gegen F . Damit konvergiert

(F ′n)n∈N lokal gleichmaßig

gegen F ′ nach dem Satz von Weierstraß. Damit folgt

F ′

F(z) = lim

n→∞

F ′nFn

(z) = limn→∞

( n∑k=1

f ′kfk

(z))

=

∞∑k=1

f ′kfk

(z)

fur alle z ∈ G mit den Limesrechenregeln und der erste Aussage. �

Sei fk : H1 −→ C, z 7−→ p−zk fur alle k ∈ N. Dann gilt fur alle ε ∈ R>0:Fur alle z ∈ H1+ε und fur alle k ∈ N gilt

|fk(z)| =1

pRe(z)k

≤ 1

p1+εk

.

Also konvergiert∞∑k=1

fk absolut gleichmaßig auf H1+ε.

Damit konvergiert nach obiger Erinnerung∞∏k=1

(1− fk) absolut lokal gleichmaßig und mit Satz 3.1.10

sowie mit der obigen Hilfsaussage gilt fur alle z ∈ H1

−ζ′(z)

ζ(z)=

(1ζ

)′(z)(

)(z)

=

∞∑k=1

−f ′k(z)(1− fk)(z)

=

∞∑k=1

ln(pk)p−zk

1− p−zk=

∞∑k=1

ln(pk)

pzk − 1

und somit dann

−ζ′(z)

ζ(z)− φ(z) =

∞∑k=1

(ln(pk)

( 1

pzk − 1− 1

pzk

))=∞∑k=1

ln(pk)

pzk(pzk − 1)

.

Außerdem gilt fur alle ε ∈ R>0 und fur alle z ∈ H 12

+ε:

Wegen limx→∞

ln(x)xα = 0 fur alle α ∈ R>0 existiert ein k0 ∈ N, so dass ln(pk) ≤ p

ε2k fur alle k ∈ N

mit k ≥ k0 gilt. Da limn→∞

2

nε2

= 0 gilt, gelte o.B.d.A. 2 < pε2k fur alle k ∈ N mit k ≥ k0. Damit gilt

insbesondere p− ε

2k < 1 fur alle k ∈ N mit k ≥ k0. Somit gilt fur alle k ∈ N mit k ≥ k0

p12

k > 2p12

+ ε2

k > p12

+ ε2

k + 1

und somit ∣∣∣ ln(pk)

pzk(pzk − 1)

∣∣∣ ≤ ln(pk)

pRe(z)k (|pk|z − 1)

≤ ln(pk)

pRe(z)k (p

Re(z)k − 1)

≤ ln(pk)

p12

k (p12

k − 1)

<pε2k

p12

+ ε2

k · p12

+ ε2

k

=1

p1+ ε

2k

.

Damit konvergiert die Folge(fn)n∈N mit fn : H 1

2−→ C, z 7−→

n∑k=1

ln(pk)pzk(pzk−1) fur alle n ∈ N lokal

gleichmaßig gegen die Funktion fn : H 12−→ C, z 7−→

∞∑k=1

ln(pk)pzk(pzk−1) fur alle n ∈ N. Ferner konvergiert

die Reihe∞∑k=1

ln(pk)pzk(pzk−1) fur alle z ∈ H 1

2absolut und damit konvergiert auch jede Umorndnung dieser

Reihe gegen denselben Wert, das heißt, fur alle z ∈ H 12

gilt∞∑k=1

ln(pk)pzk(pzk−1) =

∑p∈P

ln(p)pz(pz−1) . �

34

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3 PRIMZAHLEN

Nach 3.1.9 besitzt η : H1 −→ C, z 7−→ ζ(z) − 1z−1 eine holomorphe Fortsetzung auf H0 und so-

mit ist die riemannsche Zetafunktion ζ meromorph auf H0 derart fortsetzbar, dass die Fortsetzungeinen einfachen Pol in 1 besitzt, und dass ζ

∣∣H0\{0}

holomorph ist. Dabei gilt ferner limz→1

(z−1)ζ(z) = 1.

Damit ist die Funktion

g : H0 −→ C, z 7−→

{(z − 1)ζ(z), falls z ∈ H0\{0}

1 sonst

nach dem riemannschen Hebbarkeitssatz holomorph, da diese Funktion stetig in 1 ist. Damit folgt

ζ ′(z)

ζ(z)=

(z − 1)ζ ′(z)

(z − 1)ζ(z)=g′(z)− ζ(z)

(z − 1)ζ(z)= − 1

z − 1+g′(z)

g(z)

fur alle z ∈ H0\(ζ−1(0) ∪ {1}), wobei nach 3.1.11 H1 ⊆ H0\(ζ−1(0) ∪ {1}) gilt. Ferner gilt mit 3.1.14

φ(z)− 1

z − 1= −ζ

′(z)

ζ(z)−∑p∈P

ln(p)

pz(pz − 1)− 1

z − 1= −g

′(z)

g(z)−∑p∈P

ln(p)

pz(pz − 1)(16)

fur alle z ∈ H1. Damit folgt:

3.1.15 LemmaFur alle z ∈ C mit Re(z) = 1 gilt ζ(z) 6= 0 genau dann, wenn die holomorphe Funktionen

f : H1 −→ C, z 7−→ φ(z)− 1

z − 1

eine holomorphe Fortsetzung auf ein Gebiet G ⊆ C mit H1 ⊆ G besitzt.Beweis: Sei die Funktion g definiert wie oben.

“⇒”

Es gelte ζ(z) 6= 0 fur alle z ∈ C mit Re(z) = 1. Sei G := H0\(ζ−1(0) ∪ {1}). Dann gilt H1 ⊆ Gnach Implikationsannahme und mit 3.1.11. Sei ferner g definiert wie auf der vorherigen Seite undsei

h : G −→ C, z 7−→ g′(z)

g(z).

Dann ist h eine wohldefinierte, holomorphe Funktion. Nach 3.1.14 ist außerdem die Funktion

S : H 12−→ C, z 7−→

∑p∈P

ln(p)

pz(pz − 1)

holomorph. Mit Gleichung (16) folgt dann, dass f auf G ∩H 12

holomorph fortsetzbar ist.

“⇐”

Sei G ⊆ C ein Gebiet mit H1 ⊆ G derart, dass f : H1 −→ C, z 7−→ φ(z) − 1z−1 holomorph auf

G fortsetzbar ist. Da

S : H 12−→ C, z 7−→

∑p∈P

ln(p)

pz(pz − 1)

eine holomorphe Funktion ist, gilt fur alle z0 ∈ C mit Re(z) = 1 mit Gleichung (16), dass

limz→z0

g′(z)

g(z)= lim

z→z0

(− S(z)− f(z)

)= − lim

z→z0S(z)− lim

z→z0f(z) ∈ C

gilt. Also gilt ζ(z) 6= 0 fur alle z ∈ C mit Re(z) = 1. �

Es soll nun der Beweis von 3.1.12 nachgetragen werden:

35

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3 PRIMZAHLEN

Beweis von Satz 3.1.12:Angenommen es existiert ein z1 ∈ C mit Re(z1) = 1, so dass ζ(z1) = 0 gilt. Da ζ in 1 einen einfachenPol besitzt, gilt z1 6= 1. Somit existiert ein α ∈ R\{0} mit α = Im(z1).Da nach 3.1.11 ζ keine Nullstellen besitzt, die in H1 liegen, ist z1 eine Nullstelle endlicher Ordnungvon ζ.21 Somit existieren m ∈ N, eine Umgebung U von z1 in H0\{1} sowie eine holomorphe Funktionf1 : U −→ C mit f1(z1) 6= 0, so dass

ζ(z) = (z − z1)f1(z)

fur alle z ∈ U gilt, denn:

Wegen z1 6= 1 existiert ein r ∈ R>0, so dass BCr (z1) ⊆ H0\{1} gilt. Sei U := BC

r (z1) ⊆ H0\{1}.Dann ist ζ

∣∣U

holomorph und es existiert eine Folge(an)n∈N0

∈ CN0 , so dass

ζ(z) =∞∑n=0

an(z − z1)n

fur alle z ∈ U gilt. Da die Nullstelle z1 Ordnung m hat, gilt an = 0 fur alle n ∈ m− 1 0 undam 6= 0. Sei nun

f1 : U −→ C, z 7−→∞∑n=m

an(z − z1)n−m.

Dann hat diese Potenzreihe nach Cauchy-Hadamard denselben Konvergenzradius wie die Potenz-

reihe∞∑n=0

an(z−z1)n, das heißt, der Konvergenzradius der Potenzreihe∞∑n=m

an(z−z1)n−m ist großer

bzw. gleich r. Da Potenzreihen auf jeden Kompaktum ihres Konvergenzkreises gleichmaßig konver-gieren, ist f1 nach dem Satz von Weierstraß holomorph, wobei wegen am 6= 0 offenbar f1(z1) 6= 0gilt.Ferner gilt ζ(z) = (z − z1)f1(z) fur alle z ∈ U nach Konstruktion von f1.

Dann gilt mit der Kettenregelζ ′(z)

ζ(z)=

m

z − z1+f ′1(z)

f1(z)

fur alle z ∈ U\{z1} und somit folgt

limz→z1

((z − z1)

ζ ′(z)

ζ(z)

)= m+ lim

z→z1

((z − z1)

f ′1(z)

f1(z)

)= m

nach den Limesrechenregeln.Außerdem gilt ζ(x) ∈ R fur alle x ∈ R>1 und damit gilt ζ(z) = ζ(z) fur alle z ∈ H0\{1} nach demIdentitatssatz. Also ist auch z1 eine Nullstelle von ζ der Ordnung m. Damit gilt

limz→z1

((z − z1)

ζ ′(z)

ζ(z)

)= m

analog zu oben. Sei ferner

S : H 12−→ C, z 7−→

∑p∈P

ln(p)

pz(pz − 1).

Dann ist S nach 3.1.14 holomorph und somit ist φ nach 3.1.14 holomorph auf G := H 12\{1} fortsetzbar.

Da z1 ∈ G gilt, folgt mit 3.1.14

limz→z1z 6=z1

(z − z1)φ(z) = − limz→z1z 6=z1

(ζ ′(z)ζ(z)

+ S(z))

= −m

und analoglimz→z1z 6=z1

(z − z1)φ(z) = −m.

21Vergleiche Fischer, Funktionalanalysis, S.85.

36

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3 PRIMZAHLEN

Also gilt insbesondere wegen

limε→0ε6=0

(ε · φ(1 + iα+ ε)

)= lim

ε→0ε6=0

((1 + iα+ ε− z1)φ(1 + iα+ ε)

)= −m

= limε→0ε6=0

((1− iα+ ε− z1)φ(1 + iα+ ε)

)= lim

ε→0ε6=0

(ε · φ(1− iα+ ε)

).

Sei z2 := 1 + 2iα. Analog zu oben existieren dann eine holomorphe Funktion f2 : V −→ C mit VUmgebung von z2 in H0\{1} und ein n ∈ N0, so dass

ζ(z) = (z − z2)f2(z)

fur alle z ∈ V gilt. Dabei ist n = 0 moglich, da ζ(z2) 6= 0 gelten kann. Analog zu oben folgt dann

limε→0ε6=0

(ε · φ(1 + 2iα+ ε)

)= −n = lim

ε→0ε6=0

(ε · φ(1− 2iα+ ε)

).

Da ζ einen einfachen Pol in 1 besitzt, gilt limz→1

(z − 1)ζ(z) = 1 (vergleiche die zweite Bemerkung zu

3.1.9). Damit ist ist die Funktion

g : H0 −→ C, z 7−→

{(z − 1)ζ(z), falls z 6= 1

1, falls z = 1

nach dem riemannschen Hebbarkeitssatz holomorph. Also existiert ein r ∈ R>0, so dass g(z) 6= 0 furalle z ∈ B := BC

r (1) gilt. Ferner gilt fur alle z ∈ B\{1}

ζ ′(z)

ζ(z)=

(z − 1)ζ ′(z)

(z − 1)ζ(z)=g′(z)− ζ(z)

(z − 1)ζ(z)= − 1

z − 1+g′(z)

g(z)

und somit folgt ζ′(z)ζ(z) = − 1

z−1 + O(1) fur z −→ 1, dag′∣∣B

g∣∣B

eine wohldefinierte und holomorphe - also

insbesondere stetige - Abbildung ist. Daher folgt

1 = limε→0ε6=0

ε

1 + ε− 1= lim

ε→0ε6=0

(− ε · ζ

′(1 + ε)

ζ(1 + ε)

)und somit

1 = limε→0ε6=0

(− ε · ζ

′(1 + ε)

ζ(1 + ε)

)+ lim

ε→0ε6=0

(εS(1 + ε)

)= lim

ε→0ε6=0

εφ(1 + ε)

mit 3.1.14. Insgesamt folgt aus den obigen Formeln dann

limε→0ε6=0

(ε ·

2∑k=−2

(4

k + 2

)φ(1 + ε+ kiα)

)= −2n+ 6− 8m = −2 < 0

mit den Limesrechenregeln.Andererseits gilt aber mit der binomischen Formel fur alle p ∈ P

(p−iα2 + p

iα2)4

=

4∑k=0

((4

k

)p−ikα

2 · pi(4−k)α

2

)=

4∑k=0

((4

k

)pi(2−k)α

)=

2∑k=−2

(( 4

k + 2

)p−ikα

)und damit gilt fur alle fur alle ε ∈ R>0

2∑k=−2

(4

k + 2

)φ(1 + ε+ kiα) =

2∑k=−2

(( 4

k + 2

)·∑p∈P

ln(p)

p1+ε+kiα

)

=∑p∈P

( ln(p)

p1+ε·

2∑k=−2

(( 4

k + 2

)p−ikα

)=∑p∈P

( ln(p)

p1+ε·(p−iα2 + p

iα2)4)

=∑p∈P

( ln(p)

p1+ε·(2Re(p

iα2 ))4) ≥ 0.

37

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3 PRIMZAHLEN

Damit gilt insgesamt

0 > limε→0ε6=0

(ε ·

2∑k=−2

(4

k + 2

)φ(1 + ε+ kiα)

)≤ 0.

Also gilt ζ(z) = 0 fur alle z ∈ C mit Re(z) = 1. �

Fur den Beweis des Primzahlensatzes wird nun zuletzt noch die folgende Aussage benotigt, derenBeweis spater nachgetragen und dabei in einen Kontext eingeordnet wird.

3.1.16 Definition / SatzSei f : R≥0 −→ C eine beschrankte und messbare Funktion. Sei ferner

g : H0 −→ C, z 7−→∞∫

0

f(t)e−zt dt.

Dann heißt g die Laplace-Transformierte von f . Falls g eine holomorphe Fortsetzung auf ein Gebiet

G ⊆ C mit H0 ⊆ G besitzt, so existiert das uneigentliche Integral∞∫0

f(t) dt := limT→∞

( T∫0

f(t) dt)

und

es gilt∞∫

0

f(t) dt = g(0) = limz→0

g(z).

Beweis: Siehe S. 41. �

Bemerkungen:

1. Fur alle z ∈ H0 existiert∞∫0

f(t)e−zt dt, denn fur z ∈ H0 gilt:

Da f beschrankt ist, existiert ein M ∈ R>0, so dass |f(t)| ≤ M fur alle t ∈ R≥0 gilt. Damitgilt

|f(t)e−zt| ≤Me−Re(z)t

fur alle t ∈ R≥0. Da h : R≥0 −→ C, t 7−→ Me−Re(z)t integrierbar ist, folgt die Existenz des

uneigentliches Integrals∞∫0

f(t)e−zt dt mit dem Satz von Lebesque uber majorisierte Konver-

genz22.

Also ist g eine wohldefinierte Abbildung und nach dem Holomorphiesatz uber parameterabhangi-ge Integrale23 ist g auf H1+ε fur alle ε ∈ R>0 holomorph. Somit ist g wegen H0 =

⋃n∈N

H1+ 1n

holomorph.

2. Entscheidende Voraussetzung ist die holomorphe Fortsetzbarkeit von g.

Bevor der Beweis des Primzahlensatzes nun erbracht wird, soll noch einmal an zwei Bezeichnungenerinnert werden: Zum einen sei P =: {pk | k ∈ N} mit pk < pk+1 fur alle k ∈ N und zum anderen seimit Log derjenige Hauptzweig des komplexen Logarithmus bezeichnet, fur den Log|R>0 = ln gilt.

Beweis des Primzahlensatzes (siehe 3.1.3):

Nach 3.1.5 gilt π(x) ∼ θ(x)ln(x) fur x −→ ∞. Damit ist es ausreichend, θ(x) ∼ x fur x −→ ∞ zu zeigen,

denn dann folgt

1 =(

limx→∞

θ(x)

x

)·(

limx→∞

π(x) ln(x)

θ(x)

)= lim

x→∞

π(x) ln(x)

x

22Vergleiche Konigsberger, Analysis 2, S.278.23Vergleiche Konigsberger, Analysis 2, S.286.

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3 PRIMZAHLEN

mit den Limesrechenregeln und somit ist dann der Primzahlensatz bewiesen.Sei p0 := 1 und sei ferner

fz : H0 −→ C, t 7−→ − 1

tz

fur alle z ∈ H0. Dann ist fur alle z ∈ H0 die Abbildung fz wegen fz(t) = exp(zLog(t)

)als Komposition

holomorpher Abbildung holomorph. Damit folgt fur alle n ∈ N und fur alle z ∈ H0

1− 1

pzn= fz(pn)− fz(p0) =

pn∫p0

f ′t dt =

pn∫p0

z

tz+1dt

nach Eigenschaften des komplexen Kurvenintegrals bezuglich Stammfunktionen und daher gilt dann

n∑k=1

ln(pk)

pzk=

n∑k=1

ln(pk)(−

pk∫p0

z

tz+1dt+ 1

)=

n∑k=1

ln(pk)(

1−n∑l=1

( pl∫pl−1

z

tz+1dt))

=

n∑k=1

ln(pk)− zn∑k=1

( n∑l=1

(ln(pk)

pl∫pl−1

1

tz+1dt))

= θ(pn)− zn∑l=1

( n∑k=l

(ln(pk)

pl∫pl−1

1

tz+1dt))

= θ(pn)− zn∑l=1

( pl∫pl−1

1

tz+1dt ·

n∑k=l

ln(pk))

= θ(pn)− zn∑l=1

( pl∫pl−1

1

tz+1dt ·

(θ(pn)− θ(pl−1)

)). (∆)

Da θ auf dem Intervall [pk−1, pk) fur alle k ∈ N konstant ist, und da einelementige Mengen Nullmengensind, folgt fur alle n ∈ N und fur alle z ∈ H0

(∆) = θ(pn)− zθ(pn) ·pn∫p0

1

tz+1dt+ z ·

n∑l=1

( pl∫pl−1

θ(t)

tz+1dt)

= θ(pn)− θ(pn)(1− 1

pzn

)+ z ·

pn∫p0

θ(t)

tz+1dt =

θ(pn)

pzn+ z ·

pn∫p0

θ(t)

tz+1dt.

Nach 3.1.6 gilt θ(x) = O(x) fur x −→∞ mit θ∣∣(0, 2)

≡ 0. Damit folgt fur alle z ∈ H1:

Sei b ∈ R>0 gewahlt nach 3.1.6. Dann gilt

0 ≤ limn→∞

∣∣∣θ(pn)

pzn

∣∣∣ = limn→∞

θ(pn)

pRe(z)n

≤ limn→∞

bpn

pRe(z)n

= limn→∞

b

pRe(z)−1n

= 0

wegen Re(z) > 1 und damit folgt limn→∞

θ(pn)pzn

= 0.

Also gilt

φ(z) =∑p∈P

ln(p)

pz=∞∑k=1

ln(p)

pz= lim

n→∞

θ(pn)

pzn+ limn→∞

(z ·

pn∫p0

θ(t)

tz+1dt)

= z ·∞∫

1

θ(t)

tz+1dt

fur alle z ∈ H1, wobei benutzt wurde, dass die φ definierende Reihe absolut konvergent ist, und somitjede Umordnung dieser gegen denselben Grenzwert konvergiert. Ferner existiert das uneigentliche

39

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3 PRIMZAHLEN

Integral∞∫1

θ(t)tz+1 dt fur alle z ∈ H1, da φ eine wohldefinierte Funktion ist, und da lim

n→∞θ(pn)pzn

existiert.

Damit gilt mit der Substitutionsregel

φ(z) = z ·∞∫

1

θ(t)

tz+1dt = z ·

∞∫0

θ(es)

e(z+1)s· es ds = z ·

∞∫0

θ(es)

eszds

fur alle z ∈ H1 und ferner gilt

1

z= lim

n→∞

(1

z− 1

z exp(sn)

)= lim

n→∞

[− 1

z exp(sz)

]n0

= limn→∞

n∫0

e−sz ds =

∞∫0

e−sz ds

fur alle z ∈ H0. Somit folgt fur alle z ∈ H0, dass

∞∫0

(θ(es)es− 1)e−sz ds =

∞∫1

θ(es)

es(z+1)ds−

∞∫0

e−sz ds =φ(z + 1)

z + 1− 1

z=

1

z + 1

(φ(z + 1)− 1

z− 1)

gilt. Nach 3.1.15 und 3.1.12 existiert ein Gebiet G ⊆ C mit H0 ⊆ G, so dass

f : H1 −→ C, z 7−→ 1

z + 1

(φ(z + 1)− 1

z− 1)

eine holomorphe auf G besitzt. Damit existiert nach 3.1.16 das uneigentliche Integral∞∫0

θ(es)es − 1 ds,

wobei mit der Substitutionsregel

∞∫0

θ(es)

es− 1 ds =

∞∫1

1

t

(θ(t)t− 1)dt =

∞∫1

θ(t)− tt2

dt

folgt. Außerdem gilt fur alle ε ∈ R>0:

1. Fur alle x ∈ R≥1 mit θ(x) ≥ (1 + ε)x gilt, da θ monoton steigend ist:

(1+ε)x∫x

θ(t)− tt2

dt ≥(1+ε)x∫x

(1 + ε)x− tt2

dt =

1+ε∫1

(1 + ε)x− xu(xu)2

· x du =

1+ε∫1

1 + ε− uu2

du > 0

Also existiert αε ∈ R>0 mit(1+ε)x∫x

(θ(t)− t)t−2 dt ≥ αε > 0 fur alle x ∈ R≥1 mit θ(x) ≥ (1 + ε)x.

Da das uneigentliche Integral∞∫1

(θ(t)− t)t−2 dt konvergiert, ist also {x ∈ R≥1 | θ(x) ≥ (1 + ε)x}

beschrankt.

2. Analog ist {x ∈ R≥1 | θ(x) ≤ (1− ε)x} beschrankt, da fur alle x aus dieser Menge analog zu 1.x∫

(1−ε)x(θ(t)− t)t−2 dt < 0 gezeigt werden kann.

Damit existiert fur alle ε ∈ R>0 ein x0 ∈ R≥1, so dass θ(x) ∈((1 − ε)x, (1 + ε)x

)fur alle x ∈ R≥x0

gilt. Insgesamt folgt damit θ(x) ∼ x fur x −→∞. �

Damit ist der Primzahlensatz bewiesen. Es ist somit lediglich der Beweis von Satz 3.1.16 nachzutragen:

40

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3 PRIMZAHLEN

Beweis von Satz 3.1.16:Fur alle T ∈ R>0 sei

gT : C −→ C, z 7−→T∫

0

f(t)e−tz dt.

Dann ist fur alle T ∈ R>0 die Funktion gT nach dem Holomorphiesatz uber parameterabhangigeIntegrale fur alle ε ∈ R auf Hε holomorph (Beweis verlauft analog zum Beweis der Holomorphie vong auf S.38) und somit ist gT fur alle T ∈ R>0 ganz.Falls lim

T→∞gT (0) = g(0) gilt, folgt somit nach Konstruktion der Menge {gT | T ∈ R>0} die Behauptung

des Satzes.Sei ferner G ⊆ C ein Gebiet mit H0 ⊆ G, so dass g auf G holomorph fortgesetzt werden kann.Außerdem sei fur alle T ∈ R>0

hT : G −→ C, z 7−→(g(z)− gT (z)

)eTz(1 +

z2

R2

).

Damit gilt hT (0) = g(0) − gT (0) fur alle T ∈ R>0 und somit folgt die Behauptung des Satzes,falls lim

T→∞hT (0) = 0 gilt. Fur alle T ∈ R>0 gilt dabei, da hT holomorph ist, nach dem allgemeinen

Integralsatz von Cauchy24

hT (0) =1

2πi

∫γ

hT (z)

zdz

fur alle Integrationswege γ, die ganz in G verlaufen, und die 0 im positiven Sinne umlaufen (das heißt,fur die Windungszahl n(γ, 0) gilt n(γ, 0) = 1). Durch eine geeignete Wahl des Integrationsweges mitden eben beschriebenen Eigenschaften soll nun lim

T→∞hT (0) = 0 gezeigt werden:

Seien δ,R ∈ R>0 mit BCR(0) ∩ H−δ ⊆ G. Sei D := BC

R(0) ∩ H−δ und sei γ derart gewahlt, dassIm(γ) = ∂D gilt, und dass 0 im positiven Sinne von γ umlaufen wird. Zur weiteren Untersuchung vonhT (0) mit T ∈ R>0 sei der Integrationsweg γ aufgespalten in denjenigen Teil, der in H0 verlauft, unddenjenigen, der in C\H0 verlauft. Diese seien mit γ+ bzw. γ− bezeichnet.Da f beschrankt ist, existiert M ∈ R≤0 mit M = supt∈R≤0

|f(t)|. Dann folgt fur alle T ∈ R>0:

1. Um fur∣∣∣ ∫γ+

hT (z)z dz

∣∣∣ eine Abschatzung zu erhalten, sei Folgendes bemerkt:

i) Fur alle x+ iy =: z ∈ H0 gilt

|g(z)− gT (z)| =∣∣∣ ∞∫T

f(t)e−tz dt∣∣∣ ≤ ∞∫

T

|f(t)|e−tx dt ≤M ·∞∫T

e−tx dt

= M · limε→∞

( ε∫T

e−tx dt)

= M · limε→∞

[− e−tx

x

]εT

=Me−Tx

x.

ii) Fur alle x+ iy =: z ∈ C mit |z| = R gilt∣∣∣eTzz

(1 +

z2

R2

)∣∣∣ =∣∣∣eTzz

(1 +

z2

|z|2)∣∣∣ =

∣∣∣eTzz

(1 +

z

z

)∣∣∣ = eTx∣∣∣1z

+1

z

∣∣∣= eTx

∣∣∣z + z

zz

∣∣∣ = eTx · 2x

R2

fur alle T ∈ R>0.

24Vergleiche Skript zur Vorlesung”Analysis IV“, Satz (2.3.6).

41

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3 PRIMZAHLEN

Also gilt

|hT (z)| = |g(z)− gT (z)| ·∣∣∣eTz(1 +

z2

R2

)∣∣∣ = |g(z)− gT (z)| · |z| ·∣∣∣eTzz

(1 +

z2

R2

)∣∣∣≤ Me−Tx

x·R · eTx · 2x

R2=

2M

R

fur alle x+ iy =: z ∈ H0 mit |z| = R und fur alle T ∈ R>0. Damit folgt

∣∣∣ ∫γ+

hT (z)

zdz∣∣∣ =

∣∣∣π2∫

−π2

hT (Reit)

Reit· iReit dt

∣∣∣ ≤π2∫

−π2

∣∣∣hT (Reit)

Reit· iReit

∣∣∣ dt

=

π2∫

−π2

∣∣∣hT (Reit)∣∣∣ dt ≤

π2∫

−π2

2M

Rdt =

2πM

R.

2. Somit verbleibt es,∣∣∣ ∫γ−

hT (z)z dz

∣∣∣ abzuschatzen. Dazu seien

uT : G −→ C, z 7−→ g(z)eTz(1 +

z2

R2

)sowie

vT : C −→ C, z 7−→ gT (z)eTz(1 +

z2

R2

),

das heißt, fur alle z ∈ G gilt hT (z) = uT (z)− vT (z). Also gilt∫γ−

hT (z)

zdz =

∫γ−

uT (z)

zdz +

∫γ−

vT (z)

zdz,

das heißt, im Folgenden werden zunachst die Integrale auf der rechten Seite der Gleichung separatbetrachtet:

i) Da gT holomorph ist, ist vT auf C\{0} holomorph. Damit gilt nach dem allgemeinen Inte-gralsatz von Cauchy ∫

γ−

vT (z)

zdz =

∫γ

vT (z)

zdz

fur alle Integrationswege γ mit Im(γ) ⊆ C\{0} und mit denselben Anfangs- und Endpunk-ten wie γ−, die in C\{0} homotop zu γ− sind. Sei also

γ :[− π

2,π

2

]−→ C\{0}, t 7−→ −Reit.

Dann gilt also∫γ−

vT (z)z dz =

∫γ

vT (z)z dz insbesondere. Ferner gilt fur alle x + ix =: z ∈ C

mit Re(z) < 0 und mit |z| = R

|gT (z)| ≤M ·T∫

0

e−tx dt = M(e−Tx|x|− 1

|x|

)≤ Me−Tx

|x|

und somit ∣∣∣vt(z)z

∣∣∣ ≤ Me−Tx

|x|· eTx · 2|x|

R2=

2M

R2

analog zu oben. Also gilt

∣∣∣ ∫γ−

vT (z)

zdz∣∣∣ =

∣∣∣ ∫γ

vT (z)

zdz∣∣∣ ≤

π2∫

−π2

2M

Rdt =

2πM

R.

42

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3 PRIMZAHLEN

ii) Da ∂D kompakt ist, existiert eine Konstante K ∈ R>0 mit∣∣∣g(z)

z·(1 +

z2

R2

)∣∣∣ ≤ Kfur alle z ∈ ∂D. Damit folgt∣∣∣ ∫

γ−

uT (z)

zdz∣∣∣ ≤ ∫

γ−

∣∣∣uT (z)

z

∣∣∣ dz ≤ ∫γ−

KeRe(z)T dz.

Da eRe(z)T ≤ 1 sowie limS→∞

eRe(z)S = 0 fur alle z ∈ C mit Re(z) < 0 gelten, folgt mit dem

Satz von Lebesque uber majorisierende Konvergenz, dass

limS→∞

(∫γ−

vS(z)

zdz)

= 0

gilt. Also existiert ein TR ∈ R>0 mit∣∣∣ ∫γ−

uS(z)

zdz∣∣∣ ≤ 2π

R

fur alle S ∈ R>TR .

Damit folgt mit 1. und 2.

|hT (0)| =∣∣∣ 1

2πi

∫γ

hT (z)

zdz∣∣∣ ≤ 1

(∣∣∣ ∫γ+

hT (z)

zdz∣∣∣+∣∣∣ ∫γ−

uT (z)

zdz∣∣∣+∣∣∣ ∫γ−

vT (z)

zdz∣∣∣)

≤ 1

(2πM

R+

R+

2πM

R

)=

2M + 1

R

fur alle T ∈ R>TR mit TR ∈ R>0 gewahlt nach 2. und somit gilt limT→∞

|hT (0)| ≤ 2M+1R .

Da R ∈ R>0 beliebig gewahlt war, folgt mit R −→∞ wegen H0 ⊆ G die Behauptung. �

Bemerkungen:

1. Sei f(x) :=∞∑n=0

anxn eine Potenzreihe mit Koeffizienten aus C und mit Konvergenzradius 1. Der

abelsche Grenzwertsatz besagt, dass∞∑n=0

an = limx→1

f(x) bei Konvergenz der Reihe∞∑n=0

an gilt.

Alfred Tauben zeigte 1897, dass die Reihe∞∑n=0

an konvergiert, falls der Grenzwert limx→1

f(x) exis-

tiert, und falls an = o(

1n

)fur n −→∞ gilt. Die Bedingung an = o

(1n

)fur n −→∞ wurde dabei

spater von Littlewood zu an = O(

1n

)fur n −→∞ abgeschwacht.

Weitere Verallgemeinerungen dieses Satzes wurden wurden von Hardey und Littlewood gege-ben, auf die auch der Name

”tauberscher Satz“ fur Resultate dieses Typs zuruckgeht. Anstelle

von Reihen konnen auch dabei durch Integrale definierte Funktionen betrachtet werden. Eintauberscher Satz ist also eine Aussage folgenden Typs:

Sei f in einem Gebiet G ⊆ C durch eine Reihe (oder durch ein Integral definiert). Die Funktionf besitze eine stetige (oder holomorphe) Fortsetzung in einem Punkt z ∈ ∂G. Außerdem geltenoch . . . .Dann konvergiert der f definierende Ausdruck auch in z.

Insbesondere ist somit 3.1.16 ein tauberscher Satz.

3.2 Zum Zusammenhang zwischen der Zetafunktion und den Primzahlen

In diesem Paragraphen werden einige Bemerkungen gemacht, in denen der Zusammenhang zwischender riemannschen Zetafunktion und der Verteilung von den Primzahlen deutlich wird. Ferner wirdinsbesondere auch die Relevanz der riemannschen Vermutung deutlich.

Ohne Beweis sei zunachst festgehalten:

43

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3 PRIMZAHLEN

3.2.1 SatzDie Funktion η (fur Definition siehe 3.1.9) ist auf ganz C holomorph fortsetzbar.Bemerkungen:

1. Somit ist die riemannsche Zetafunktion ζ holomorph auf C\{1} mit einem einfachen Pol in 1fortsetzbar.

Ferner wird die folgende Aussage benotigt, die als die Formel von Perron bekannt ist.

3.2.2 Satz (Perrons Formel)Sei a ∈ R>0 mit a 6= 1 und sei c ∈ R>0. Dann gilt

1

2πi

∫Re(z)=c

az

zdz =

{0, falls a ∈ (0, 1)

1, falls a ∈ R>1

.

Beweis: Fur den Beweis werden zwei Falle unterschieden:

1. Fall: Sei a ∈ (0, 1). Fur alle S ∈ R>c =: I und fur alle T ∈ R>0 =: J seien die AbbildungenσS, T1 , . . . , σS, T4 folgender Maßen definiert:

σS, T1 : [−T, T ] −→ C, t 7−→ c+ it

σS, T2 : [c, S] −→ C, t 7−→ c+ iT

σS, T3 : [−T, T ] −→ C, t 7−→ S − it

σS, T4 : [c, S] −→ C, t 7−→ t− iT

Sei ferner σS, T :=3∑

k=1

σS, Tk −σS, T4 fur alle (S, T ) ∈ I×J , wobei dieser Integrationsweg in der

folgenden Abbildung nochmals skizziert ist:

6

-

Im

Re

σS, T3?

σS, T2-

σS, T16

−σS, T4

uc uSiT

−iT

Fur alle (S, T ) ∈ I × J gilt

1

2πi·( 3∑k=1

( ∫σS, Tk

az

zdz)−∫

σS, T4

az

zdz)

=1

2πi

∫σS, T

az

zdz = 0,

da die Funktion f : H0 −→ C, z 7−→ azz−1 holomorph ist. Ferner gilt:

1. Fur alle (S, T ) ∈ I × J gilt

∣∣∣ ∫σS, T3

az

zdz∣∣∣ =

∣∣∣ T∫−T

−iaS−it

S − itdt∣∣∣ ≤ T∫−T

∣∣∣−iaS−itS − it

∣∣∣ dt =

T∫−T

aRe(S−it)

|S − it|dt ≤

T∫−T

aS

Sdt

=2TaS

S

und somit folgt limS→∞

( ∫σS, T3

azz−1 dz)

= 0 fur alle T ∈ R>0 wegen a ∈ (0, 1).

44

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3 PRIMZAHLEN

2. Fur alle (S, T ) ∈ I × J gilt

∣∣∣ ∫σS, T2

az

zdz∣∣∣ =

∣∣∣ S∫c

ac+iT

c+ iTdt∣∣∣ ≤ S∫

c

∣∣∣ ac+iTc+ iT

∣∣∣ dt =

S∫c

at

Tdt

a < 1=

aS

T ln(a)+

ac

T | ln(a)|

und somit folgt

limS→∞

( ∫σS, T2

azz−1 dz)

=ac

T | ln(a)|

fur alle T ∈ R>0. Ferner gilt fur alle (S, T ) ∈ I × J wegen aS

T ln(a) < 0, dass ac

T | ln(a)| eine

obere Schranke fur∣∣∣ ∫σS, T2

azz−1 dz∣∣∣ ist.

3. Ebenso gilt ∣∣∣ ∫σS, T4

az

zdz∣∣∣ ≤ aS

T ln(a)+

ac

T | ln(a)|

fur alle (S, T ) ∈ I × J und somit folgt

limS→∞

∫σS, T4

azz−1 dz =ac

T | ln(a)|

fur alle T ∈ R>0.

Insgesamt gilt damit

limS→∞

∣∣∣ ∫σS, T1

az

zdz∣∣∣ ≤ 2ac

T | ln(a)|

fur alle T ∈ R>0. Damit folgt die Behauptung mit T −→∞.

2. Fall: Sei a ∈ R>1. Fur alle S, T ∈ R>0 =: I seien die Abbildungen σS, T1 , . . . , σS, T4 folgender Maßendefiniert:

σS, T1 : [−T, T ] −→ C, t 7−→ c+ it

σS, T2 : [−S, c] −→ C, t 7−→ t+ iT

σS, T3 : [−T, T ] −→ C, t 7−→ −S − it

σS, T4 : [−S, c] −→ C, t 7−→ t− iT

Sei ferner σS, T := σS, T1 −σS, T2 +σS, T3 +σS, T4 fur alle (S, T ) ∈ I2, wobei dieser Integrationswegin der folgenden Abbildung nochmals skizziert ist:

6

-

Im

Re

6

σS, T1

�σS, T2

?σS, T3

-

σS, T4

ucu−S

uiT

u−iT

Da f : C −→ C, z 7−→ azz−1 ganz ist, und da fur alle (S, T ) ∈ I2 der Integrationsweg σS, T

0 umlauft, folgt mit der cauchyschen Integralformal, dass

1 = f(0) =1

2πi

∫σS, T

az

zdz

45

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3 PRIMZAHLEN

fur alle (S, T ) ∈ I2 gilt. Ferner gilt:

1. Es gilt

∣∣∣ ∫σS, T3

az

zdz∣∣∣ =

∣∣∣ T∫−T

− a−S−it

−S − itdt∣∣∣ ≤ T∫−T

a−S

|S + it|dt ≤

T∫−T

a−S

Sdt ≤ 2acT

S

fur alle (S, T ) ∈ I2 und somit folgt

limS→∞

( ∫σS, T3

az

zdz)

= 0

fur alle T ∈ I.

2. Wie im ersten Fall folgt, dass∣∣∣ ∫σS, T2

az

z dz∣∣∣ ≤ ac

T ln(a) und∣∣∣ ∫σS, T4

az

z dz∣∣∣ ≤ ac

T ln(a) fur alle

(S, T ) ∈ I2 gilt.

Insgesamt gilt damit ∣∣∣ 1

2πi

∫σS, T1

az

zdz − 1

∣∣∣ ≤ ac

πT ln(a)

fur alle (S, T ) ∈ I2 und damit gilt

1

2πi

∫Re(z)=c

az

zdz = lim

S, T→∞

( 1

2πi

∫σS, T1

az

zdz)

= 1. �

Bemerkungen:

1. Analog zur Bemerkung zu 2.2.4 gilt fur alle a ∈ R>0 mit a 6= 1 und fur alle c ∈ R>0

∫Re(z)=c

az

zdz = lim

δ1,2→∞

(i ·

δ2∫−δ1

ac+it

c+ itdt)

= i ·(

limδ1→∞

0∫−δ1

ac+it

c+ itdt+ lim

δ2→∞

δ2∫0

ac+it

c+ itdt).

3.2.3 SatzSei c ∈ R>0. Dann gilt

1

2πi

∫Re(z)=c

1

zdz =

1

2.

Beweis: Fur alle T ∈ R>0 sei γT : [−T, T ] −→ C, t 7−→ c+ it. Dann gilt

1

2πi

∫γT

1

zdz =

1

2πi

T∫−T

i

c+ itdt =

1

T∫−T

1

c+ itdt =

1

T∫−T

( c− tc2 + t2

)dt

=1

( T∫−T

c

c2 + t2dt−

T∫−T

t

c2 + t2dt

︸ ︷︷ ︸= 0

) Subst.=

1

Tc∫

−Tc

c

c2 + (cs)2ds =

1

2

Tc∫

0

1

1 + s2ds

=1

π

[arctan(s)

]Tc0

=arctan

(Tc

fur alle T ∈ R>0. Mit T −→∞ folgt die Behauptung. �

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3 PRIMZAHLEN

3.2.4 DefinitionSei Λ : N −→ R definiert vermoge

Λ(n) :=

{ln(p), falls n = pk fur (p, k) ∈ P× N geeignet

0 sonst

fur alle n ∈ N. Dann heißt diese Funktion Mangoldt-Funktion.

3.2.5 DefinitionSei ψ : R>0 −→ R, x 7−→

∑(p,k)∈ P×Npk ≤ x

ln(p).

Bemerkungen:1. Fur alle x ∈ R>0 gilt

ψ(x) =∑n∈Nn≤x

Λ(n).

2. Sei x ∈ R≥2. Dann gilt

ψ(x)Def.=

∑(p,k)∈ P×Npk ≤ x

ln(p)3.1.4=

∞∑k=1

( ∑p∈ Ppk ≤ x

ln(p)),

da die Menge {pk ≤ x | (p, k) ∈ P × N} endlich ist. Fur alle p ∈ P und fur alle n ∈ N gilt dabei

pk ≤ x genau dann, wenn p ≤ k√x = x

1k gilt. Also folgt

ψ(x) =∞∑k=1

( ∑p∈ Ppk ≤ x

ln(p))

=∞∑k=1

θ(x1k ).

Dabei ist die letzte Reihe endlich, da θ(x1k ) = 0 fur alle k ∈ N mit x

1k < 2, das heißt, mit

ln(x)ln(2) < k, gilt. Da θ monoton steigend ist, folgt mit Kx := ln(x)

ln(2) und mit b ∈ R>0 gewahlt nach3.1.6, dass

ψ(x)− θ(x) =

bKxc∑k=2

θ(x1k ) ≤ bKxc · θ(x

12 ) ≤ ln(x)θ(

√x)

ln(2)≤ b

ln(2)· ln(x)

√x

gilt. Daher gilt ψ(x) = θ(x) +O(

ln(x)√x)

fur x −→∞.

3.2.6 SatzSei c ∈ R>1. Dann gilt

ψ(x) = − 1

2πi

∫Re(z)=c

ζ ′(z)

ζ(z)· x

z

zdz

fur alle x ∈ R>1 mit x 6= pk fur alle p ∈ P und fur alle n ∈ N.

Beweis: Nach Serie 7, Aufgabe 1 gilt − ζ′(z)ζ(z) =

∞∑n=1

Λ(n)nz fur alle z ∈ H1. Dann folgt mit 3.2.2, dass fur

alle x ∈ R>1\{pk | (p, k) ∈ P× N}

− 1

2πi

∫Re(z)=c

ζ ′(z)

ζ(z)· x

z

zdz =

1

2πi

∫Re(z)=c

−ζ′(z)

ζ(z)· x

z

zdz

=1

2πi

∫Re(z)=c

xz

z·∞∑n=1

Λ(n)

nzdz =

1

2πi·∞∑n=1

( ∫Re(z)=c

Λ(n)xz

znzdz)

=∑

(p,k)∈P×N

(Λ(pk)

2πi

∫Re(z)=c

( xpk

)z· 1

zdz)

=∑

(p,k)∈ P×Npk ≤ x

Λ(pk) = ψ(x)

47

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3 PRIMZAHLEN

gilt. Dabei kann die Vertauschung von Integration und Summation durch die lokal gleichmaßigen

Konvergenz der Reihe∞∑n=1

Λ(n)xz

znz auf H1 gerechtfertig werden. Zur gleichmaßigen Konvergenz dieser

Reihe sei bemerkt, dass fur alle γ, δ, ε ∈ R>0 wegen limy→∞

ln(y)yα = 0 fur alle α ∈ R>0

∣∣∣Λ(n)xz

znz

∣∣∣ ≤ ln(n) · |xz||z| · |nz|

=ln(n) · xRe(z)

|z| · nRe(z)≤ ln(n) · xγ

δ · n1+ε≤ xγ

δ · n1+ ε2

fur alle x ∈ R>1, fur alle z ∈(H1+ε ∩BC

γ (1))\BC

δ (1) und fur alle n ∈ N groß genug gilt. �

Mit dem Residuensatz folgt mit dem vorherigen Satz:

3.2.7 SatzFur alle x ∈ R>1 mit x 6= pk fur alle p ∈ P und fur alle n ∈ N gilt

ψ(x) = x−∑z ∈Cζ(z)=0

xz

z− ζ ′(0)

ζ(0).

Beweis: Sei x ∈ R>1 mit x 6= pk fur alle p ∈ P und fur alle n ∈ N und sei

f : G −→ C, z 7−→ −ζ′(z)

ζ(z)· x

z

z

mit G := C\S mit S := ζ−1(0) ∪ {0, 1}. Dann ist f holomorph und S ist diskret.25

Sei c ∈ R>1 und sei fur alle T ∈ R>0 der Zyklus γT : [0, 1] −→ C\{0} vermoge γT :=4∑

k=1

γTk mit

γTk : [0, 1] −→ C\{0} fur alle k ∈ 4 , wobei γT1 (t) := (c − (1 − 2t)i)T , γT2 (t) := c + iT − (c + T )t,γT3 (t) := (1 + (1 − 2t)i)T sowie γT4 (t) := −T − iT + (c + T )t fur alle t ∈ [0, 1] seien, definiert. Damitergibt sich die folgende Situation:

6

-

Im

Re

6

γT1

�γT2

?γT3

-γT4

ucu−TuiT

u−iT

Dann gilt

limT→∞

(− 1

2πi

∫γT1

ζ ′(z)

ζ(z)· x

z

zdz)

= ψ(x) (17)

und

limT→∞

(− 1

2πi

∫γTk

ζ ′(z)

ζ(z)· x

z

zdz)

= 0 (18)

25Da jede Nullstelle von ζ von endlicher Ordnung ist (Vergleiche Fischer, Funktionalanalysis, S.85.), ist jedes Elementaus S\{1} eine Polstelle von f . Somit ist S\{1} diskret. Ferner ist ζ nahe 1 stets ungleich 0, da 1 eine Polstelle von ζist. Somit ist S diskret.

48

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3 PRIMZAHLEN

fur alle k ∈ {2, 3, 4}, wobei bei den letzteren Rechnungen Abschatzungen der Form∣∣∣ζ ′(z)ζ(z)

∣∣∣ ≤ d( ln(|z|))2

fur alle z ∈ C außerhalb einer gewissen Umgebung der Nullstelen von ζ mit d ∈ R>0 benotigt werden.Ferner gilt fur alle T ∈ R>0 mit Im(γT ) ∩ S = ∅:

Da das Innere des Zyklus γT ganz in C liegt, ist γT nullhomolog. Somit folgt nach dem Residuensatz

1

2πi

∫γT

f(z) dz =∑z ∈ET

n(γT , z)res(f, z) (19)

mit ET := {z ∈ S |n(γT , z) 6= 0}, wobei n(γT , z) von γT bezuglich z fur alle z ∈ C\Im(γT )bezeichne.

Ferner gilt fur die Polstellen von f :

1. Nach der zweiten Bemerkung zu 3.1.9 ist 1 ein einfacher Pol von f und somit gilt

res(f, 1) = limz→1

(z − 1)f(z) =(

limz→1

xz

z

)·(

limz→1

(z − 1)ζ ′(z)

ζ(z)

)= x · (−1) = −x

nach den Limesrechenregeln, Satz (2.5.4) aus der Vorlesung”Analysis IV“ und der zweiten

Bemerkung zu 3.1.9.

2. Analog zu 1. ist wegen

limz→0

zf(z) = limz→0

xzζ ′(z)

ζ(z)=ζ ′(0)

ζ(0)

nach den Limesrechenregeln 0 ein einfacher Pol von f mit res(f, 1) = ζ′(0)ζ(0) .

3. Sei w ∈ ζ−1(0). Da ζ 6≡ 0, ist w Nullstelle endlicher Ordnung.26 Also existiert ein m ∈ N undeine auf einer Umgebung U ⊆ C von w definierte holomorphe Funktion g, so dass g(w) 6= 0 undf(z) = (z − w)mg(z) fur alle z ∈ U gilt. Damit gilt

ζ ′(z)

ζ(z)=

m

z − w+g′(z)

g(z)

fur alle z ∈ U . Somit gilt limz→w

(z − w)f(z) = mxw

w nach den Limesrechenregeln und daher ist w

ein einfacher Pol von f mit res(f, w) = mxw

w .

Insgesamt folgt nun somit mit 3.2.6 und mit den Gleichungen (17) bis (19)

ψ(x) = − 1

2πi

∫Re(z)=c

ζ ′(z)

ζ(z)· x

z

zdz = lim

T→∞

( 1

2πi

∫γT

f(z) dz)

= − limT→∞

( ∑z ∈ET

n(γT , z)res(f, z))

= − limT→∞

( ∑z ∈ET

n(γ2·Im(z), z)res(f, z))

= −∑z ∈S

n(γ2·Im(z), z)res(f, z))

= x−∑z ∈Cζ(z)=0

xz

z− ζ ′(0)

ζ(0),

wobei eine m-fache Nullstele in der letzten Summe auch m-mal gezahlt wird. Außerdem sei dabeibemerkt, dass wegen 3.1.11

( ⋃T ∈R>0

ET)⊆ C\Hc gilt, und dass die Windungszahl nicht von der Wahl

der umschließenden Kurve abhangt. �

26Vergleiche Fischer, Funktionalanalysis, S.85.

49

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3 PRIMZAHLEN

Die Punkte aus {−2k | k ∈ N} sind die sogenannten trivialen Nullstellen der riemannschen Zetafunktion

ζ. Da ln(1 + x) = −∞∑k=0

(−x)k+1

k+1 fur alle x ∈ (−1, 1) gilt, gilt∞∑k=1

x−2k

2k = −ln(

1− 1x2

)2 fur alle x ∈ R≥1.

Also folgt

limx→∞

( ∞∑k=1

x−2k

2k

)= − lim

x→∞x≥1

ln(1− 1

x2

)2

= 0. (20)

Somit reicht es zur Bestimmung der Asymptotik von ψ(x) fur x −→∞ die sogenannten nicht-trivialenNullstellen von ζ, das heißt, die Nullstellen von ζ, die im

”kritischen“ Streifen {z ∈ C |Re(z) ∈ (0, 1)}

liegen, zu betrachten. Damit folgt:

3.2.8 KorollarEs gilt

ψ(x) = x−∑z ∈Sxζ(z)=0

xz

z+O(x ln(x)2)

fur x −→∞, wobeiSx := {z ∈ C |Re(z) ∈ (0, 1), |Im(z)| ∈ [0, x) }

fur alle x ∈ R>1 sei.Beweis: Folgt mit (20). �

Ferner kann gezeigt werden, dass∑z ∈Sxζ(z)=0

xz

z = O((ln(x)2) fur x −→∞ gilt. Konnte nun gezeigt werden,

dass ein α ∈ [12 , 1) mit Re(z) < α fur alle z ∈ C mit ζ(z) = 0 existiert, so galte dann

∣∣∣ ∑z∈Sxζ(z)=0

xz

z

∣∣∣ ≤ ∑z∈Sxζ(z)=0

xRe(z)

|z|= O(xα ln(x)2)

fur x −→∞. In diesem Fall galte dann ψ(x) = x+O(xα ln(x)2) fur x −→∞ mit 3.2.8.Falls also die riemannsche Vermutung wahr ist, so folgt dies fur α := 1

2 und fur die Funktion π folgt

dann π(x) =x∫2

1ln(t) dt+O(x

12 ln(x)) fur x −→∞. Dabei sei bemerkt, dass

x∫2

1

ln(t)∼ x

ln(x)

fur x −→∞ gilt.27

3.3 Zur Fortsetzbarkeit der riemannschen Zetafunktion

Nach 3.1.8 ist die riemannsche Zetafunktion ζ vermoge ζ(z) :=∞∑n=1

n−z fur alle z ∈ H1 definiert. Dabei

wurde in der zweiten Bemerkung zu 3.1.9 gezeigt, dass ζ holomorph auf H0\{0} mit einem einfachenPol in 1 fortgesetzt werden kann. Es soll nun gezeigt werden, dass ζ sogar auf ganz C meromorphfortgesetzt werden kann.Fur den Beweis der Fortsetzbarkeit wird die sogenannte Gammafunktion benotigt, die im Folgendennach einer Erinnerung an Resultate bezuglich der Existenz gewisser uneigentlicher Integrale definiertwird.

27Dies kann leicht mit der Regel von L’Hospital bewiesen werden.

50

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3 PRIMZAHLEN

Erinnerung28

Es gilt fur s ∈ R:

a. Das uneigentliche Integral1∫0

x−s dx existiert genau dann, wenn s < 1 gilt.

b. Das uneigentliche Integral∞∫1

x−s dx existiert genau dann, wenn s > 1 gilt.

3.3.1 Definition

Die Funktion Γ : H0 −→ C, z 7−→∞∫0

tz−1e−t dt heißt Gammafunktion.

Bemerkungen:

1. Sei z ∈ H0 und sei x := Re(z) > 0. Dann ist Γ(z) wohldefiniert, denn es gilt mit obigerErinnerung:

i) Wegen limt→∞

tke−t = 0 fur alle k ∈ N0 gilt limt→∞

t2xe−t = 0 nach dem Sandwich-Theorem.

Also existiert ein t0 ∈ R≥1 mit t2xe−t ≤ 1 fur alle t ∈ R≥t0 . Damit ist

f : R≥1 −→ R, t 7−→

{tx−1e−t, falls t ∈ [1, t0]

t−(1+x), falls t ≥ t0

eine uber R≥1 eine integrierbare Funktion. Nach dem Satz von Lebesque uber majorisierende

Konvergenz ist existiert damit∞∫1

tz−1e−t dt.

ii) Fur alle t ∈ [0, 1] gilt ∣∣∣ tz−1

et

∣∣∣ = tx−1e−t ≤ tx−1 =1

t1−x

Da x > 0 gilt, existiert1∫0

t−(1−x) dt und somit existiert1∫0

tz−1e−t dt nach dem Satz von

Lebesque uber majorisierende Konvergenz.

2. Fur alle ε ∈ R>0 gilt:

Analog zu i) existiert ein t0 ∈ R>0 mit tε−1e−t ≤ t−2 fur alle t ∈ R>t0 . Damit ist mit obigerErinnerung analog zu i)

f : R>0 → R, t 7−→

tε−1, falls t ∈ (0, 1)

tx−1e−t, falls t ∈ [1, t0]

t−2, falls t ≥ t0

eine uber R>0 eine integrierbare Funktion. Dabei gilt

|Γ(z)| = tRe(z)−1e−t ≤ f(t)

fur alle z ∈ H0 mit Re(z) < ε und fur alle t ∈ R>0. Nach dem Holomorphiesatz fur parame-terabhangige Integrale29 ist damit Γ

∣∣Uε

mit Uε := {z ∈ H0 | Re(z) < ε} holomorph.

Da⋃

ε∈R>0

Uε = H0 gilt, ist Γ holomorph.

Alternativ kann die Holomorphie von Γ auch mit dem Satz von Morera gezeigt werden.

28Vergleiche Forster, Analysis 1, S.219 und S.220.29Vergleiche Konigsberger, Analysis II, S. 286.

51

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3 PRIMZAHLEN

3.3.2 LemmaFur alle z ∈ H0 gilt Γ(z + 1) = zΓ(z).Beweis: Sei z ∈ H0. Wegen lim

t→∞tke−t = 0 fur alle k ∈ N0 und wegen

0 ≤ tRe(z)−1e−t ≤ tbRe(z)ce−t

fur alle t ∈ R≥0 folgt limt→∞

tRe(z)−1e−t = 0 und somit gilt limt→∞

tz−1e−t = 0. Ferner folgt fur alle

a, b ∈ R≥0 mit a < b mittels partieller Integration, dass

b∫a

tz−1e−t dt =[ tze−t

z

]ba

+1

b∫a

tze−t dt

gilt. Also gilt

Γ(z) = lima→0b→∞

b∫a

tz−1e−t dt = lima→0b→∞

([ tze−tz

]ba

+1

b∫a

tze−t dt)

=1

z·∞∫

0

tze−t dt

1

zΓ(z + 1)

mit den Limesrechenregeln und somit folgt Γ(z + 1) = zΓ(z). �

Bemerkungen:

1. Induktiv folgt

Γ(z) =( n−1∏k=0

1

z + k

)· Γ(z + n) (21)

fur alle z ∈ H0 und fur alle n ∈ N.

2. Es gilt

Γ(1) =

∞∫0

e−t dt = lima→0b→∞

[− e−t

]= − lim

b→∞

(− e−t

)+ lima→0

(− e−t

)= 1

und somit folgt nach Gleichung (21), dass Γ(n) = (n− 1)! fur alle n ∈ N gilt.

3.3.3 SatzDie Gammafunktion ist zu einer auf ganz C meromorphen Funktion fortsetzbar, deren Menge derPolstelle −N0 entspricht. Ferner gilt Γ(z + 1) = zΓ(z) fur alle z ∈ C\ − N0.Beweis: Fur alle n ∈ N ist die rechte Seite der Gleichung (21) fur alle z ∈ H−n\−N0 definiert. Damitist fur alle n ∈ N

Γn : H−n −→ C, z 7−→

( n−1∏k=0

1z+k

)· Γ(z + n), falls z ∈ H−n\ − N0

∞, falls z ∈ H−n ∩ −N0

eine meromorphe Funktion, deren Polstellen 0,−1, . . . ,−n + 1 sind. Ferner folgt aus Gleichung (21),dass fur alle n ∈ N

i) Γn∣∣H0

= Γ, sowie

ii) Γn+1∣∣H−n\ − N0

= Γn

gilt. Somit ist

Γ∗ : C −→ C, z 7−→

{ΓbRe(z)c−1(z), falls z ∈ C\ − N0

∞, falls z ∈ −N0

52

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3 PRIMZAHLEN

eine wohldefinierte, meromorphe Funktion, die Γ auf C meromorph fortsetzt, wobei die Menge derPolstelle von Γ∗ die Menge −N0 ist.Wegen Γ∗

∣∣H0

= Γ folgt mit 3.3.2 und mit dem Identitatssatz fur holomorphe Funktionen, dass

Γ∗(z + 1) = zΓ∗(z)

fur alle z ∈ C fur alle z ∈ C\ − N0 gilt. �

3.3.4 Satz

Fur alle z ∈ H1 gilt ζ(z)Γ(z) =∞∫0

tz−1

et−1 dt.

Beweis: Sei z ∈ H1. Dann existiert das uneigentliche Integral∞∫0

tz−1

et−1 dt (siehe unten). Ferner gilt fur

alle n ∈ NΓ(z)

nz=

∞∫0

tz−1

nzetdt

Subst.=

∞∫0

(ns)z−1

nzens· n ds =

∞∫0

sz−1

ensds. (22)

und somit existiertN∑n=1

∞∫0

tz−1

entdt =

∞∫0

( N∑n=1

tz−1

entdt)

fur alle fur alle N ∈ N. Somit folgt wegen

1

et − 1=

e−t

1− e−t=

∞∑n=1

(e−t)n =

∞∑n=1

e−nt

fur alle t ∈ R>0 mit dem Satz von Lebesque uber majorisierte Konvergenz, dass

∞∫0

tz−1

et − 1dt = lim

N→∞

( ∞∫0

( N∑n=1

tz−1

entdt))

= limN→∞

( N∑n=1

( ∞∫0

tz−1

entdt))

=∞∑n=1

( ∞∫0

tz−1

entdt)

gilt. Dabei gilt∞∑n=1

( ∞∫0

tz−1

entdt)

=

∞∑n=1

Γ(z)

nz= Γ(z) ·

∞∑n=1

1

nz= Γ(z)ζ(z).

mit Gleichung (22). �

Da die Gammafunktion und die riemannsche Zetafunktion auf H0\{1} beide holomorph sind, ist esnun wunschenswert, auch fur alle z ∈ {w ∈ C | Re(w) ∈ (0, 1)} eine geschlossene Darstellung vonΓ(z)ζ(z) zu gewinnen.

Das uneigentliche Integral∞∫1

tz−1

et−1 dt existiert fur alle z ∈ C, denn fur z ∈ C gilt:

Sei x := Re(z).

1. Sei x ≥ 0. Fur alle t ∈ R≥1 gilt

et − 1 =

∞∑k=1

tk

k!≥ tbxc+2

(bxc+ 2)!

und wegen x− 1 = bxc+ (x− bxc)− 1︸ ︷︷ ︸< 0

folgt somit

∣∣∣ tz−1

et − 1

∣∣∣ =tx−1

et − 1≤ (bxc+ 2) · tbxc)

tbxc+2=

(bxc+ 2)

t2.

53

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3 PRIMZAHLEN

Da f : R≥1 −→ R, t 7−→ (bxc+2)t2

nach obiger Erinnerung uber R≥1 integrierbar ist, folgt somit

nach dem Satz von Lebesque uber majorisierende Konvergenz die Existenz von∞∫1

tz−1

et−1 dt.

2. Sei x < 0. Dann ist f : R≥1 −→ R, t 7−→ 1t2−x eine uber R≥1 integrierbare Funktion, fur die∣∣∣ tz−1

et−1

∣∣∣ ≤ f(t) fur alle t ∈ R≥1 gilt. Analog zum ersten Fall folgt die Existenz des uneigentlichen

Integrals.

In 3.3.4 wird die Einschrankung auf Werte aus H1 allein fur die Konvergenz des Integrals bei 0 benotigt.Um nun eine geschlossene Darstellung von Γ(z)ζ(z) fur z ∈ {w ∈ C | Re(w) ∈ (0, 1)} zu erhalten, wird

daher fur z ∈ H1 das Integral∞∫0

tz−1

et−1 dt aus 3.3.4 wie folgt umgeschrieben:

Sei z ∈ H1. Dann gilt:

1. Es gilt 1et−1 = 1

t −12 +O(t) fur t −→ 0 (siehe S.19). Damit existiert ε,M ∈ R>0, so dass∣∣∣ 1

et − 1− 1

t

∣∣∣ ≤ 1

2+M |t| = 1

2+Mt

und somit ∣∣∣( 1

et − 1− 1

t

)tz−1

∣∣∣ ≤ tRe(z)−1(1

2+Mt

)=tRe(z)−1

2+MtRe(z)

fur alle t ∈ BCε (0) gilt. Damit existiert

1∫0

(1

et−1 −1t

)tz−1 dt nach dem Satz von Lebesque uber

majorisierende Konvergenz, da wegen 1− Re(z) < 1 und wegen −Re(z) < 1

h1 : (0, 1) −→ R, t 7−→

tRe(z)−1

2 +MtRe(z), falls t ∈ (0, ε]

tRe(z)−1(

1et−1 −

1t

)sonst

eine nach obiger Erinnerung uber (0, 1) integrierbare Majorante ist.

2. Wegen Re(z) > 1 gilt 2 − Re(z) < 1 und somit existiert1∫0

1

t2−Re(z) dt nach obiger Erinnerung.

Somit existiert1∫0

tz−2 dt nach dem Satz von Lebesque uber majorisierende Konvergenz, da

h2 : (0, 1) −→ R, t 7−→ tRe(z)−2 eine uber (0, 1) integrierbare Majorante ist.

Also gilt

1∫0

tz−1

et − 1dt =

1∫0

tz−1( 1

et − 1+

1

t− 1

t

)dt =

1∫0

( 1

et − 1− 1

t

)tz−1 dt+

1∫0

tz−2 dt,

wobei1∫

0

tz−2 dt = limε→0

( 1∫ε

tz−2 dt)

= limε→0

[ tz−1

z − 1

]1

ε=

1

z − 1− limε→0

εz−1

z − 1=

1

z − 1

gilt. Damit gilt insgesamt

Γ(z)ζ(z) =

1∫0

( 1

et − 1− 1

t

)tz−1 dt+

1

z − 1+

∞∫1

tz−1

et − 1dt. (23)

Es kann gezeigt werden, dass die uneigentlichen Integrale, die in Gleichung (23) auftauchen, fur allez ∈ H0 existieren. Damit folgt mit dem Identitatssatz, da Γζ auf H0\{1} holomorph ist:

54

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3 PRIMZAHLEN

3.3.5 LemmaFur alle z ∈ H0\{1} gilt

Γ(z)ζ(z) =

1∫0

( 1

et − 1− 1

t

)tz−1 dt+

1

z − 1+

∞∫1

tz−1

et − 1dt.

Beweis: Nach Obigem ist h : H0\{1} −→ C mit

h(z) :=

1∫0

( 1

et − 1− 1

t

)tz−1 dt+

1

z − 1+

∞∫1

tz−1

et − 1dt

eine wohldefinierte Abbildung. Ferner ist h nach dem Holomorphiesatz fur parameterabhangige Inte-grale holomorph, denn es gilt:

Sei

f : H0\{1} × (0, 1) −→ C, (z, t) 7−→( 1

et − 1− 1

t

)tz−1

und sei

g : H0\{1} × R≥1 −→ C, (z, t) 7−→ tz−1

et − 1.

Seien ferner F : H0\{1} −→ C, z 7−→1∫0

f(z, t) dt und G : H0\{1} −→ C, z 7−→1∫0

g(z, t). Dann gilt

fur alle ε ∈ R>0 mit Uε := {z ∈ C | Re(z) ∈ (0, ε)}:

1. Es existieren δ,M ∈ R>0, so dass∣∣∣ 1

et − 1− 1

t

∣∣∣ ≤ 1

2+M |t| = 1

2+Mt

fur alle t ∈ BCδ (0) gilt30. Sei

hε : (0, 1) −→ R, t 7−→

{tε−1

2 +Mtε, falls t ∈ (0,min{δ, 1}]tε−1

(1

et−1 −1t

), falls t ∈ (min{δ, 1}, 1)

.

Dann gilt |f((z, t))| ≤ hε(t) fur alle (z, t) ∈ D(f). Da hε uber (0, 1) integrierbar ist, ist somitF∣∣Uε

holomorph.

2. Analog zur Konstruktion einer Majorante fur∞∫1

tz−1

et−1 dt mit z ∈ C auf S.54 kann eine Majorante

fur g auf Uε gefunden werden. Damit ist G auf Uε holomorph.

Somit ist h auf Uε\{1} fur alle ε ∈ R>0 holomorph und insgesamt holomorph daher.Da h und Γζ auf H1 nach Gleichung 23 ubereinstimmen, folgt die Behauptung mit dem Identitatssatzfur holomorphe Funktionen. �

Mittels geschicktem Umschreibens des Integral∞∫1

tz−1

et−1 dt fur z ∈ C mit Re(z) ∈ (0, 1) kann das

vorherige Lemma spezifiziert werden:

30Vergleiche S.54.

55

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3 PRIMZAHLEN

3.3.6 SatzFur alle z ∈ C mit Re(z) ∈ (0, 1) gilt

Γ(z)ζ(z) =

∞∫0

( 1

et − 1− 1

t

)tz−1 dt.

Beweis: Es existiert∞∫1

tz−2 dt nach dem Satz von Lebesque uber majorisierende Konvergenz, da

∞∫1

tRe(z)−2 dt nach obiger Erinnerung wegen Re(z) ∈ (0, 1) existiert. Dabei gilt

∞∫1

tz−2 dt = limε→∞

( ε∫1

tz−2 dt)

= limε→∞

( ε∫1

e−Log(t)(2−z) dt)

= limε→∞

[ tz−1

z − 1

]ε1

= − 1

z − 1.

Sei z ∈ C mit Re(z) ∈ (0, 1). Mit 3.3.5 gilt dann zusammen mit den vorherigen Rechnungen

Γ(z)ζ(z) =

1∫0

( 1

et − 1− 1

t

)tz−1 dt+

1

z − 1+

∞∫1

tz−1

et − 1dt

=

1∫0

( 1

et − 1− 1

t

)tz−1 dt+

1

z − 1+

∞∫1

tz−1

et − 1dt+

∞∫1

tz−2 dt−∞∫

1

tz−2 dt

=

1∫0

( 1

et − 1− 1

t

)tz−1 dt+

∞∫1

tz−1

et − 1dt−

∞∫1

tz−1

tdt

=

1∫0

( 1

et − 1− 1

t

)tz−1 dt+

∞∫1

( 1

et − 1− 1

t

)tz−1 dt =

∞∫0

( 1

et − 1− 1

t

)tz−1 dt

Da z beliebig aus C mit Re(z) ∈ (0, 1) gewahlt war, folgt die Behauptung. �

Mit derselben Methode kann Γζ auch meromorph auf ganz C fortgesetzt werden:

3.3.7 SatzΓζ ist zu einer auf C meromorphen Funktion fortsetzbar.Beweis: Die meromorphe Funktion f : C −→ C, z 7−→ 1

ez−1 ist auf C\{0} holomorph und besitzt

eine Laurentreihenentwicklung auf Bε(0)\{0} fur ein ε ∈ R>0 geeignet. Dabei ist 0 ein einfacher Pol.31

Genauer gilt: Es existiert (an)n∈N0 ∈ CN0 , so dass fur alle z ∈ B2π(0)\{0}

1

ez − 1=

1

z+

∞∑k=0

akzk

gilt. Wegen

1

ez − 1− 1

z−

n∑k=0

akzk ∼ an+1z

n+1

fur z −→ 0 fur alle n ∈ N, existiert fur alle n ∈ N und fur alle z ∈ H−n−1 das Integral

1∫0

( 1

et − 1− 1

t−

n∑k=0

aktk)tz−1 dt.

31Siehe S. 19.

56

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3 PRIMZAHLEN

Somit gilt

1∫0

( 1

et − 1− 1

t−

n∑k=0

aktk)tz−1 dt+

1

z − 1+

n∑k=0

akz + k

=

1∫0

( 1

et − 1− 1

t−

n∑k=0

aktk)tz−1 dt+

1

z − 1+

n∑k=0

(ak ·

1∫0

tk+z−1 dt)

=

1∫0

( 1

et − 1− 1

t−

n∑k=0

aktk +

1

t+

n∑k=0

aktk)tz−1 dt =

1∫0

tz−1

et − 1dt

fur alle n ∈ N und fur alle z ∈ H−n−1\{k ∈ Z | k ≤ 1}. Mit n −→ ∞ und mit 3.3.4 folgt dann dieBehauptung. �

Bemerkungen:1. Die Koeffizienten obiger Laurentreihenentwicklung hangen eng mit den Bernoullizahlen zusam-

men.

2. Der Beweis zeigt, dass die meromorphe Fortsetzung von Γζ einfache Pole an den Stellen −k ∈ N0

mit ak 6= 0 besitzt. Da Γ an diesen Stellen Pole besitzt, ist ζ dort holomorph. Damit folgt Satz3.2.1.

Somit folgt:

3.3.8 SatzDie riemannsche Zetafunktion ζ ist meromorph auf C fortsetzbar.Beweis: Dies folgt sofort mit 3.3.3 und 3.3.7. �

Ein anderer Weg, um die meromorphe Fortsetzbarkeit von Γζ auf ganz C zu zeigen, liefert zusatzlichnoch eine weitere Funktionalgleichung.

Um die eben erwahnte Funktionalgleichung aufstellen zu konnen, werden zunachst einige Hilfsaussagenbenotigt, und zwar:

3.3.9 LemmaFur alle z ∈ C mit iz

2 6= kπ fur alle k ∈ Z gilt

1

ez − 1− 1

z+

1

2=i

cos( iz2 )

sin( iz2 )− 1

z=i

2cot( iz

2

)− 1

z.

Beweis: Sei z ∈ C mit iz2 6= kπ fur alle k ∈ Z. Dann gilt

i

2cot( iz

2

)=i

cos( iz2 )

sin( iz2 )=i

12

(exp( i

2z2 ) + exp(−i

2z2 ))

12i

(exp( i

2z2 )− exp(−i

2z2 )) = −1

exp(− z2) + exp( z2)

exp(− z2)− exp( z2)

= −1

2· 1 + ez

1− ez=

1

2· 1 + ez

ez − 1=

1

2· 2 + ez − 1

ez − 1=

1

ez − 1+

1

2. �

3.3.10 Lemma (Mittag-Leffler)Fur alle z ∈ C\Z gilt

π · cot(πz) =1

z+

∞∑k=1

2z

z2 − k2.

Beweis: Hier nicht. (Die Idee besteht darin zu zeigen, dass die Differenz zwischen linker und rechterSeite eine ganze und beschrankte Funktion definiert, welche dann nach dem Satz von Liouville konstantist.) �

57

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3 PRIMZAHLEN

3.3.11 KorollarFur alle z ∈ C mit iz

2π /∈ Z gilt

1

ez − 1− 1

z+

1

2= 2z ·

∞∑k=1

1

z2 + 4π2k2.

Beweis: Die Behauptung folgt sofort mit 3.3.9 und mit 3.3.10. �

Damit kann nun Γζ auf H−1 folgender Maßen fortgesetzt werden:

Beginnend mit der Darstellung Γ(z)ζ(z) =∞∫0

(1

et−1 −1t

)tz−1 dt fur alle z ∈ C mit Re(z) ∈ (0, 1)

aus Satz 3.3.6 folgt mit 3.3.11 fur alle z ∈ C mit Re(z) ∈ (0, 1):Es gilt

Γ(z)ζ(z) =

∞∫0

( 1

et − 1− 1

t

)tz−1 dt

=

1∫0

( 1

et − 1− 1

t+

1

2

)tz−1 dt−

∞∫0

tz−1

2dt+

∞∫1

( 1

et − 1− 1

t+

1

2

)tz−1 dt.

(24)

Dabei existiert∞∫0

tz−1

2 dt nach der Erinnerung zu Beginn dieses Paragraphen, da nach dieser

∞∫0

tRe(z)−1

2 dt existiert.

Fur alle z ∈ C mit Re(z) ∈ (−1, 1) existieren dabei drei Integrale aus Gleichung (24). Dabei giltfur alle z ∈ C mit Re(z) ∈ (−1, 0):

−∞∫

0

tz−1

2dt = lim

ε→0

[− tz

2z

]1

ε= − 1

2z=

1

2·∞∫

1

tz−1 dt.

Somit folgt:

3.3.12 SatzFur alle z ∈ C mit Re(z) ∈ (−1, 0) gilt

Γ(z)ζ(z) =

∞∫0

( 1

et − 1− 1

t+

1

2

)tz−1 dt.

Beweis: Der Beweis erfolgt analog zu dem von 3.3.6. �

Mittels 3.3.11 kann die eben gewonnene Darstellung von Γ(z)ζ(z) mit z ∈ C mit Re(z) ∈ (−1, 1) soumgeformt werden, dass man dadurch eine meromorphe Fortsetzung von ζ auf ganz C erhalt. Nacheiner Erinnerung an eine Folgerung aus dem Residuensatz wird dieses dann explizit gezeigt:

ErinnerungSei R : R −→ R eine rationale Abbildung und sei z ∈ C\Z. Ferner existiere das uneigentliche Integral∞∫0

R(t)tz dt. Dann liefert der Residuensatz, dass

(1− e2πiz

) ∞∫0

R(t)tz dt = 2πi∑w∈S

res(f, w)

gilt. Dabei sei f : C −→ C die meromorphe Fortsetzung der durch t 7−→ R(t)tz auf R definiertenAbbildung und S sei die Menge der isolierten Singularitaten von f .

58

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3 PRIMZAHLEN

3.3.13 Satz / DefinitionFur alle z ∈ C mit Re(z) ∈ (−1, 0) gilt

Γ(z)ζ(z) =2z−1πz

cos(πz2

)ζ(1− z).

Dabei heißt wird die Gleichung die Funktionalgleichung der ζ-Funktion genannt.Beweis: Sei z ∈ C mit Re(z) ∈ (−1, 0). Dann folgt wegen it

2π ∈ C\R fur alle t ∈ R>0

Γ(z)ζ(z)3.3.12

=

∞∫0

( 1

et − 1− 1

t+

1

2

)tz−1 dt

3.3.11=

∞∫0

(2t ·

∞∑k=1

1

tz2 + 4π2k2

)tz−1 dt

= 2 ·∞∫

0

( ∞∑k=1

1

t2 + 4π2k2

)tz dt = 2 ·

∞∑k=1

( ∞∫0

tz

t2 + 4π2k2dt)

= 2 ·∞∑k=1

( ∞∫0

(2πks)z

(2πks)2 + 4π2k2· (2πk) ds

)= 2 ·

∞∑k=1

((2πk)z−1

∞∫0

sz

s2 + 1ds)

= 2 ·( ∞∫

0

sz

s2 + 1ds)· (2π)z−1 ·

∞∑k=1

1

k1−z

= 2zπz−1ζ(1− z) ·∞∫

0

sz

s2 + 1ds.

Sei f : C\{±i} −→ C, w 7−→ wz

w2+1. Diese Funktion ist meromorph auf C fortsetzbar, wobei diese

Fortsetzung wieder mit f bezeichnet sei. Ferner gilt

f(w) =exp(zLog(w)

w2 + 1

fur alle w ∈ C\{±i}. Damit folgt fur das Integral∞∫0

sz

s2+1ds nach vorangegangener Erinnerung:

∞∫0

sz

s2 + 1ds =

2πi

1− exp(2πiz)

(res(f, i) + res(f,−i)

)=

2πi

1− exp(2πiz)

(limw→i

(w − i)f(w) + limw→−i

(w + i)f(w))

=2πi

1− exp(2πiz)

(limw→i

exp(zLog(w))

w + i+ limw→−i

exp(zLog(w))

w − i

)=

2πi

1− exp(2πiz)

(exp(zLog(i))

2i+

exp(zLog(−i))−2i

)=

2πi

1− exp(2πiz)

(exp(z iπ2 )

2i+

exp(z−iπ2 )

−2i

)=

2πi

1− exp(2πiz)

(exp(z iπ2 )

2i+

exp(z 3iπ2 )

−2i

)=

π

1− exp(2πiz)· exp

(πiz2

)· (1− eπiz)

2 cos(piz

2

) .Insgesamt folgt

Γ(z)ζ(z) = 2(2π)z−1ζ(1− z) · π

2 cos(piz

2

)59

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3 PRIMZAHLEN

und folgt die Behauptung. �

Bemerkungen:

1. Da ζ meromorph auf H0 ist, ist

f : C\H1 −→ C ∩ {∞}, z 7−→ 2z−1πz

cos(πz2

)ζ(1− z)

eine meromorphe Funktion mit Γ(z)ζ(z) = f(z) fur alle z ∈ C mit Re(z) ∈ (−1, 0). Damit kannΓζ meromorph auf C fortgesetzt werden.

2. Die Funktionalgleichung

Γ(z)ζ(z) =2z−1πz

cos(πz2

)ζ(1− z).

mit z ∈ C mit Re(z) ∈ (−1, 0) wird auch oft in anderer Form geschrieben. Es kann gezeigtwerden, dass

Γ(z) · 21−z · cos(πz

2

)=√π

Γ(z2

)Γ(

1−z2

) ,und dass damit √

π · Γ(z

2

)ζ(z) = πz · Γ

(1− z2

)ζ(1− z)

sowie

π−z2 · Γ

(z2

)ζ(z) = π−

1−z2 · Γ

(1− z2

)ζ(1− z) (25)

fur alle z ∈ C mit Re(z) ∈ (0, 1) gilt. Dabei heißt Gleichung (25) die symmetrische Form derFunktionalgleichung der ζ-Funktion.

3.3.14 DefinitionDie Funktion

ξ : C −→ C ∪ {∞}, z 7−→ z(z − 1) · π−z2 · Γ

(z2

)ζ(z)

heißt riemannsche ξ- Funktion.

3.3.15 SatzEs gilt ξ(z) = ζ(1 − z) fur alle z ∈ C. Ferner ist ξ eine ganze Funktion und die Nullstellen dieserFunktion sind genau diejenigen von ζ im

”kritischen Streifen“ {z ∈ C |Re(z) ∈ (0, 1)}.

Beweis: Hier nicht. �

60

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Stichwortverzeichnis

P -Funktion, 10Γ-Funktion, 51π-Funktion, 25ψ-Funktion, 47θ-Funktion, 25ξ- Funktion, 60ζ-Funktion, 30p(n), 11

asymptotisch gleichfur Folgen, 15fur Funktionen, 15

erzeugende Funktion, 2

Fibonacci-Folge, 1Formel von Perron, 44Funktionalgleichung

ζ-Funktion, 59symmetrische Form, 60

Gammafunktion, 51

Konvergenzabsolut, 8unendliches Produkt, 8

Laplace-Transformierte, 38

Mangoldt-Funktion, 47

Partition, 11ungerade Summanden, 11verschiedene Summanden, 11

Partitionsfunktion, 11Perron

Formel, 44Primzahlensatz, 25

riemannsche Zetafunktion, 30

Sattelpunktmethode, 16Stirlingsche Formel, 15

tauberscher Satz, 43