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„Bisher war das Ertrinken Mode gewesen, weil das Schwimmen nicht Mode war“ Die Entwicklung öffentlicher Freibäder im Usinger Land Von Wolfgang Ettig Erschienen im: Jahrbuch Hochtaunuskreis 2017

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„Bisher war das Ertrinken Mode gewesen, weil das Schwimmen nicht Mode war“

Die Entwicklung öffentlicher Freibäder im Usinger Land

Von Wolfgang Ettig

Erschienen im:

Jahrbuch Hochtaunuskreis 2017

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Wolfgang Ettig

„Bisher war das Ertrinken Mode gewesen, weil das

Schwimmen nicht Mode war“1

Die Entwicklung öffentlicher Freibäder im Usinger Land

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entstanden in den kleinen Ortschaften jenseits des Limes vermehrt kleine Freibäder. Dafür gab es diverse unterschiedliche Impulse. Nach dem ersten Weltkrieg entwickelte sich bald ein bescheidener Fremdenverkehr im Taunus und gerne wollte man diesen Sommergästen Vergnügungs- möglichkeiten bieten. In den Dreißiger Jahren war es die nationalsozialistische Ideologie, die sportliche Betätigung forderte. Und nach den Zweiten Weltkrieg sollte das Wiederaufleben der Sommerfrische im Taunus die Entstehung von kleinen Freibädern nochmals in einer letzten Welle begünstigen. Die in den Zwanziger- und Dreißiger Jahren errichteten Freibäder ähnelten sich in ihrer Gestaltung. Die Schwimmbecken waren in der Regel mit Holzplanken oder Betonwänden gegen das Erdreich gesichert. Der Grund entweder beplankt oder ebenfalls mit einer Betonplatte versehen. Die Becken umfassten üblicherweise eine mehr oder weniger große Schwimmer- und Nichtschwimmerzone. Treppen erleichterten den Zugang. Für Mutige waren gelegentlich sogar Sprungtürme ungleicher Höhe vorhanden. Liegewiesen, Umkleidekabinen und hier und da ein Kiosk vervollständigten den Charakter eines Freibades. Für die Sicherheit der Badegäste sorgte mitunter sogar ein Schwimmmeister. Sommerfrische mit Kur- und Badespaß

Den Anfang der Schwimmbadbetreiber machte in den frühen 1920er Jahren Neuweilnau. „Neuzeitliche Verkehrsmöglichkeiten, die Gastfreundschaft der Bewohner und die guten Unterkunftsmöglichkeiten, haben das herrliche Taunusdorf Neuweilnau zu einem gern besuchten Luftkurort werden lassen“, so beschreibt E.G. Steinmetz im Jahre 1925 den kleinen Ort.2 Während der Hochblüte, so erinnern sich Neuweilnauer, wurden auf dem Schwimmbadgelände mit Gästen aus nah und fern herrliche Sommernachtfeste mit Tanz und Musik veranstaltet.

Auch die Kurorte in Oberreifenberg, Arnoldshain und Schmitten konnten sich über mangelnde Gäste nicht beschweren. Die „Luftkur“ erlebte dort zwischen den beiden Weltkriegen ihre Blütezeit. Es heißt, dass ehemals jährlich zwei- bis dreitausend Kurgäste die Schmittener Region besuchten.3 Die Anregung zum Bau des Bades in Arnoldshain im Jahre 1928 erfolgte seitens des Kur- und Verkehrsvereins. Rod an der Weil folgte um 1930 zunächst mit einem privaten, hauseigenen Freibad, welches das Gasthaus/Hotel „Zum Taunus“ seinen Kurgästen anbot, die sich darin erfreuen konnten. Das nicht sonderlich große Bad mit Frischwasserzufluss aus der Weil weckte innerhalb der Roder Jugend natürlich Begehrlichkeiten, so dass der Besitzer Wilhelm Stahl schließlich sein Einverständnis gab und der (jugendlichen) Bevölkerung Zugang zur Anlage gewährte.

Hundstadt folgte 1932, als die Nassauische Brand-versicherungsanstalt der Gemeinde eine ansehnliche Summe zum Ausbau eines am Ortseingang ge-legenen Weihers gewährte. Die Umgestaltung er-laubte, das Gewässer sowohl als Brandweiher als auch als öffentliche Freizeitmöglichkeit zu nutzen. Im Sommer zum Schwimmen und im Winter als Eisfläche.4 In Oberreifenberg wurde mit Unterstützung der Erwerbslosen des „Freiwilligen Arbeitsdienstes“5 ein

Hauseigene Werbeansichtskarte Gasthaus „Zum Taunus“, Rod a.d.W. (Quelle: Kreisarchiv Hochtaunus, WRO 355 001)

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Schwimmbad gebaut und im August 1933 eingeweiht. 6 „Dem Höhenluftkurort Oberreifenberg und seiner rührigen Kurver-waltung […] darf man zu der neuen Errungenschaft dieses einzig schönen Wald-schwimmbades herzlich gratulieren und für seine weitere günstige Fortentwicklung nur Gutes wünschen“ hieß es damals in der Taunuszeitung. 7 Der Ort bewarb sein Schwimmbad in Zeitungsannoncen sogar als „Strandbad“.8

Oberreifenberger Schwimmbad um 1936 (Archiv Geschichtsverein Hochtaunus)

Für Schmitten als Kurort war eine „Freibadeanstalt“ gleichermaßen unumgänglich. Nach

langen, bereits im Jahre 1929 begonnenen und sich immer wieder verzögernden Verhandlungen, wurde schließlich eine passable, wenn auch in ihrer Bauweise kleiner als ursprünglich geplante Anlage errichtet.9 Es erschien den drei kleinen Feldberg-Gemeinden verlockend, den Kurgästen das Schwimmen und Sonnenbaden in freier Natur zu ermöglichen. Anscheinend war es das Bestreben, den Kurbädern im Vordertaunus nach-zueifern. Wenn man mit ihnen auch nicht in Konkurrenz treten konnte, so war man doch von der Notwendigkeit derartiger Kur- und Freizeitanlagen im hohen Taunus überzeugt.

Den Verantwortlichen allerorts ging es beim Bau ihrer „Freiluftschwimmbäder“ zunächst nicht um die „Stärkung der (einheimischen) Volksgesundheit“ oder gar um die Be-mühungen, der Bevölkerung den Schwimmsport näher zu bringen, sondern zentral darum, den örtlichen Fremdenverkehr zu fördern.

Ob daher der bereits 1928 in Anspach initiierte Bau eines Freibades tatsächlich der sportlichen Ertüchtigung des Schwimmens geschuldet war, darf zumindest hinterfragt werden, denn die Sportgemeinschaft 1862 Anspach e. V. hatte seit ihrer Gründung bis heute nie eine Schwimmabteilung. Zwar „planschte“ die Anspacher Jugend seinerzeit im nahegelegenen Johannisweiher, doch das Schwimmen als sportlich ernstzunehmende Betätigung wurde zu dieser Zeit in der gesamten Region noch nicht praktiziert. Nicht anders lässt sich die Drohung der Anspacher Bauern gegenüber den Schwimmbad-befürwortern begründen, in das künftige Becken Jauche abzulassen oder es mit Erde zu verfüllen.10 Vielmehr war die Bau-Entscheidung von Bürgermeister Emil Becker (Amtszeit 1918 – 1933) wohl eher sozialpolitisch ambitioniert. So bewog er in Zeiten zunehmender Erwerbslosigkeit diese Notstandsarbeit mit dem Nebenzweck, eine Sportanlage zu errichten.11 „Keine Nichtschwimmer mehr unter der Landjugend, kein Dorf mehr ohne Freibad“

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 sollte der Gedanke vom reinen Schwimmvergnügen hin zur Sport- und Körperertüchtigung gelenkt werden. Der neu gegründeten politischen Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) oblag fortan die Aufgabe, die Freizeit der deutschen Bevölkerung zu gestalten, zu überwachen und gleichzuschalten.12 In den Schulen gehörte Schwimmen nunmehr zwingend zum Lehrplan. In Ballungszentren war die Umsetzung des Leitsatzes „Jeder Deutsche ein

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Schwimmer“ eher unproblematisch, während sich in den ländlichen Regionen die politische Order „Schwimmen ist vaterländische Pflicht“ anfänglich mühevoller realisieren ließ. Die Obrigkeit bemühte sich, den Mangel an passablen Schwimmgelegenheiten rasch zu beseitigen. Teiche und die allerorts vorhandenen Brandweiher wurden nach Möglichkeit in Rekordzeit zu Freibädern umfunktioniert. Ferner entstanden Badestätten an Bächen, deren Wassermengen geeignet waren, ein Bassin zu versorgen. Bereits vorhandene Bäder unterstützen diese Entwicklung. Fortan bot der Verband„ Kraft durch Freude“ in den Bädern des Usinger Landes, unterstützt durch örtliche „Ortssportwarte“, Schwimmkurse für die Bevölkerung an. Mit dem Appell „Wer schwimmt, härtet sich ab, vermehrt seine Kraft und Körpergewandtheit und erhöht zudem seine Lebensfreude“ sollte die Begeisterung für das Schwimmen geweckt werden. Dies sei nicht nur zum eigenen, sondern auch zum Wohle für Volk und Vaterland! Dergestalt waren denn auch Dörfer, die zu jener Zeit keinen Zugang zum Fremdenverkehr besaßen, angehalten, Schwimmsport-stätten zu errichten.

Im Herbst 1933 begann die Gemeinde Wehrheim, ihren Brandweiher an den Riedwiesen als „Schwimmbad“ auszubauen, der bereits zuvor der Jugend als inoffizielle Badestätte diente. Die Einweihung fand im Sommer 1934 statt. Im Luftkurort Kransberg wurde im gleichen Jahr, von den Bürgern in freiwilliger Arbeit, ein dorfeigenes Schwimmbad in der Nähe der Herrenmühle unterhalb des Holzberges13 gebaut.

Kurz nach dem Ersten Weltkrieg hatten gewerkschaftsnahe Organisationen die Gebäude der Emmershäuser Mühle im Weiltal erworben und das Anwesen zu einem Schulungs- und Erholungszentrum umgebaut. 14 Bis zur NS-Machtübernahme nutzte auch die Sozialistische Arbeiterwohlfahrt das Anwesen als Ferienheim der Kindererholungsfürsorge. Ob zu diesem Zeitpunkt der dortige Mühlenteich bereits als (öffentliches) Freibad ausgebaut war, ist unklar. Im Jahre 1933 übernahm dann die „Deutsche Arbeiterfront“ das Areal und nutzte es u.a. als Jugendherberge. Spätestens ab diesem Zeitpunkt diente der umfunktionierte Teich im Sommer als körperertüchtigendes Freibad und im Winter, bei abgelassenem Wasser, als „Fußballplatz“.

Das Schwimmbecken der Emmershäuser Mühle als winterlicher Fußballplatz. (Foto: Archiv Geschichtsverein Weilrod)

Die Brandweiher der Dörfer Riedelbach (um 1930) und Eschbach (um 1936) erfuhren

ebenfalls ihre „Adelung“ als Bade- und Schwimmanstalten. Für Eschbach ist dem Kreis-Blatt aus jener Zeit patriotisch zu entnehmen: „Unermüdlich wurde an den Verbesser-ungen gearbeitet. […] Handwerker hatten ihre Arbeit unentgeltlich ausgeführt, Bauern umsonst ihre Fuhrwerke zur Verfügung gestellt und wer kein Fuhrwerk besaß, der hatte selbst mit Hand angelegt. […] Eschbach darf mit Recht stolz auf sein neues, der Volksgesundheit dienendes Werk sein!“ 15 Die Badeanlage in Riedelbach entsprach damals allen sportlichen Vorschriften. Anwohner und Gäste aus den umliegenden Ortschaften nutzten diese Möglichkeit der aktiven, erfrischenden Freizeitgestaltung. Bis kurz vor Kriegsende war die Anlage bei freiem Eintritt in Betrieb. Selbst in den Gemeinden

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Dorfweil und Brombach keimte seinerzeit der Gedanke, in Kooperation ein Schwimmbad zu errichten. Als eventueller Standort wurde die Mündung des Aubachs in die Weil ins Auge gefasst. Der Plan wurde aber nie realisiert.

Im Jahre 1938 entschloss sich Grävenwiesbach zum Bau eines eigenen Freibades. Das Areal lag zwischen der heutigen „Saarstraße“ und dem „Wiesbach“ mit dessen frischem, klarem Wasser es auch gespeist wurde. Aus der Grävenwiesbacher Schulchronik geht hervor, dass das Bad durchaus alle Anforderungen erfüllte, die man an eine derartige zeitgemäße Sportanlage stellte. Den Anstoß zum Bau gab Richard Schirrmann (*1864-†1961), der Gründer des Deutschen Jugendherbergswerkes.16

Das ehemalige Grävenwiesbacher Freibad (Foto: Lisel Garth / Grävenwiesbach)

Der Fremdenverkehr steigt

Nicht nur die Gemeinden, die - dem Fremdenverkehr geschuldet - Freibäder errichtet hatten, sondern auch diejenigen Dörfer, in denen aufgrund nationalsozialistischer Direktive Schwimmbäder gebaut wurden, partizipierten unversehens von einem zunehmenden Fremdenverkehr. Das „Amt für Reisen, Wandern und Urlaub“17 war bemüht, Deutschen aus allen Teilen des Reiches, die sonst nicht in den Genuss von Urlaub kamen, Erholung zu ermöglichen. So war auch insbesondere der Taunus das Ziel zahlreicher Erholungs-suchender. Im Jahre 1934 wurde Schmitten an der Spitze mit rund 1.300 Übernachtungs-gästen ausgemacht. Die Zahl der Besucher im ortseigenen Schwimmbad wird für das Jahr 1934 mit ca. 10.000 beziffert; 2.500 Badende zählte man in der Neuweilnauer Badeanstalt. Kransberg konnte, so hieß es, die Zahl seiner Gäste um 100 Prozent erhöhen.18

Das Kransberger Freibad um 1935 (Foto: Hildegunde Trier / Kransberg)

Im Rahmen der mannigfaltigen Aktionen von „Kraft durch Freude“ kamen noch bis

Anfang der 1940er Jahre viele Erholungsuchende in die Region. Ihnen standen als Über-nachtungsmöglichkeiten nicht nur die Hotels und Pensionen zur Verfügung, auch boten Hausbesitzer private Unterkünfte an, um sich zusätzlich ein kleines Nebeneinkommen zu ermöglichen.19

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So lässt sich zusammenfassen, dass die Gründungswelle ländlicher Freibäder im Usinger Land zunächst der Förderung des Fremdenverkehrs galt. In den Jahren des Nationalsozialismus erwartete die NS-Ideologie „einer athletischen Jugend“ verstärkt den Bau von Schwimmanstalten und befeuerte im Rahmen der vielschichtigen Aktionen von „Kraft durch Freude“ den Besucherstrom in der Region. Was enthusiastisch begann, sollte aber schon bald seinen Niedergang finden. An den Schwimmbädern nagt der Zahn der Zeit

Die Freibäder in Oberreifenberg und Arnoldshain wurden wohl während des Zweiten Weltkriegs oder unmittelbar danach aufgegeben. In Kransberg scheint das Bad bereits während des Krieges nicht mehr in Betrieb gewesen zu sein. Ein Wiederaufbau kam nicht mehr in Betracht. Spätestens nach den Kriegswirren war auch das kleine Freibad in Rod an der Weil seinem Schicksal überlassen und nicht mehr für den Badebetrieb geeignet. Zu jener Zeit wurde das Riedelbacher Freibad durch einen Flugzeugabsturz teilweise zerstört und war nur noch bedingt nutzbar. Auch das Anspacher Schwimmbad befand sich in einem desolaten Zustand. Gut gemeinte Reparaturarbeiten in den Jahren 1946 und 1947 konnten dem endgültigen Verfall keinen Einhalt gebieten. Ebenso war der Wehrheimer Brandweiher als Badeanstalt nicht mehr nutzbar. Im Jahre 1949 wurde das Gräven-wiesbacher Schwimmbad zwar noch gründlich renoviert, doch Mitte/Ende der 1950er Jahre musste der Badebetrieb - wohl durch industrielle Abwasserverschmutzung des Wiesbachs - eingestellt werden. Die Zahl der Urlauber steigt wieder

In den Wirtschaftswunderjahren träumten die Bürgermeister, insbesondere in jenen Regionen, in denen man sich erneut den Anschluss an die ehemaligen Besucherströme erhoffte, abermals von einem Freibad. Im Usinger Land überlebten die Schwimmbäder in Neuweilnau, Riedelbach, Schmitten, Emmershausen und Grävenwiesbach die Kriegs-wirren mehr oder minder unbeschadet, so dass in den Rathäusern der Gedanke keimte, die ehemaligen Badeanstalten modernisiert wieder in Betrieb zu nehmen. Der zu jener Zeit in der Taunusregion tatsächlich wiedererstarkte Fremdenverkehr befeuerte dieses Bestreben.20 So war es nicht verwunderlich, dass man sich in den Gemeinden anschickte, die Badeanstalten zu renovieren.

Bereits 1952 erneuerte man erwartungsvoll das Freibad in Riedelbach. Mit dem Slogan „Luftkurort in schönster Wald- und Heidelandschaft“ verwies die Gemeinde in ihrer überregionalen Werbung auch auf das ortseigene Schwimmbad. Ende der 60er Jahre musste der Badebetrieb jedoch aus Kostengründen eingestellt werden. In Anspach er-möglichte ein im Jahre 1955 getroffener Gemeindevertreterbeschluss, das desolate Bad zu retten und von Grund auf zu erneuern. Bis heute erfreut sich das Waldschwimmbad bei sommerlichen Temperaturen großer Beliebtheit. Auch für die Wehrheimer Verantwort-lichen war der Gedanke an ein neues Schwimmbad an geeigneter Stelle nach wie vor verlockend. Bei der Umsetzung des Vorhabens kam ihnen, wenn man so will, der „Zufall“ zu Hilfe. Die Pioniereinheit der US-Armee, die in den Nachkriegsjahren in der Nähe der Kapersburg ein Munitionslager errichtete, übernahm für die Gemeinde den Aushub des geplanten Schwimmbeckens. Die Einweihung des Ludwig-Bender-Bades21 erfolgte im Juli 1956. Ebenso konnten sich die Emmershäuser wieder über ein Freibad freuen. Nach dem Krieg fiel der Besitz der Emmershäuser Mühle zurück an die neu gegründete Gewerkschaft „IG Bau-Steine-Erden“, die auf dem Areal ein Schulungs- und Erholungsheim errichtete. Im Zuge dessen entstand in den Jahren 1952/53 ein modernes Bad. Laut Emmershäuser Zeitzeugen war das Baden dort bis in die Mitte der 1960er Jahre für die Öffentlichkeit möglich. Die Gemeinde Neuweilnau vermarktete sich und ihr Freiluftbad mittels Annoncen in Werbezentralen und Reisebüros bis Ende der 1960er

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Jahre.22 Der Usinger Anzeiger vermeldete im heißen Sommer 1965, dass der Ort 2890 Kurgäste beherbergte und das Schwimmbad an manchen Tagen 400 Besucher verbuchte.23 Bis in die Mitte der 1970er Jahre war das Bad noch in Betrieb.

Ansichtskarte der Badeanstalt Neuweilnau (Quelle: Herrmann Türk / Neuweilnau)

Die Kostenfalle

Aber auch gänzlich neue Bäder kamen hinzu. So baute beispielsweise Hasselbach, das vor dem Krieg noch ohne „richtiges“ Schwimmbad war, im Jahre 1956 seinen Brandweiher zum Freibad aus. Kritische Stimmen spotteten seinerzeit: „In Hasselbach ist dreiviertel des Jahres Winter und der Rest des Jahres ist es kalt“. Doch die Gemeindekasse war zu diesem Zeitpunkt gut gefüllt,24 und im Rathaus war man der Meinung, eine derartige Investition durchaus vertreten zu können. Doch nach Jahren des Badebetriebes zwangen erhöhte Sicherheitsauflagen und die damit einhergehenden Kosten die Verantwortlichen zur Schließung. Zu Beginn der 1970er Jahre war das Hasselbacher Freibad dann Geschichte.

Spiel-Sportanlage und Schwimmbad in Hasselbach um 1960 (Quelle: Ortsarchiv Treisberg)

Während in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg die Gemeindevertreter kostenver-ursachende Annehmlichkeiten - wie es Schwimmbäder nun einmal sind - als Investition an ihrem Standort befürworteten, umsetzten und langfristig zu erhalten suchten, änderte sich das Denken Ende der 1960er, Anfang der 70er Jahre - wohl nicht zuletzt auch im Zuge der hessischen Gebietsreform - und die Klein- und Kleinstbäder fielen unumgänglichen Spar-maßnahmen zum Opfer. Heute finden sich im Usinger Land lediglich noch in Schmitten, Neu-Anspach und Wehrheim Freibäder, deren Bereitstellung und Unterhaltung die kommunalen Kassen nicht unerheblich belasten. Dessen ungeachtet sieht man sich in der Pflicht, diese Anlagen regelmäßig zu modernisieren, nicht nur um die Attraktivität der Region zu fördern, sondern in erster Linie, um den Anwohnern lohnende Sport- und Freizeitmöglichkeiten zu bieten.

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~ 8 ~ Literaturverzeichnis

Berg Ingrid, u.a (Hrg.): Heimat Hochtaunus. Frankfurt 1988. Diverse Ausgaben der Taunus Zeitung der Jahrgänge 1930 bis 1935. Diverse Ausgaben des Usinger Anzeigers der Jahrgänge 1928 bis 1965. Diverse Ausgaben des Kreis-Blattes der Jahrgänge. Ernst, Eugen: Neu-Anspach, Werden und Wirken, S. 232-239. Neu-Anspach 1974. GutsMuths, Johann Christoph Friedrich: Kleines Lehrbuch der Schwimmkunst , Weimar 1798. Hafeneger, Benno: Jugendarbeit als Beruf – Geschichte einer Profession in Deutschland. Opladen 1992. Kärtner, Bernhard: Das ehemalige Schwimmbad von Oberreifenberg. Oberursel 2011. Kraus, Eva: Das Deutsche Jugendherbergswerk. Berlin 2013. Magistrat der Stadt Usingen (Hrg.): 1200 Jahre Usingen 2001. Spode, Hasso: Die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ – ein Volk auf Reisen? In: Hasso Spode (Hrsg.): Zur Sonne, zur Freiheit! Beiträge zur Tourismusgeschichte. Berlin 1991. Träger, Béatrice: Geschichte und Geschichten aus der Großgemeinde Schmitten. Schmitten 1998. Usinger Land – Ein Heimatbuch des Kreises Usingen. Düsseldorf 1925. Walsh, Gerta: Schwimmbäder für die Volksgesundheit. In: Das Jahrhundert im Taunus, S. 95-97. Frankfurt/M. 2000.

Anmerkungen

1 GutsMuths S.7. Johann Christoph Friedrich (1759-1839) galt als namhafter deutscher Pädagoge und Verfechter der

körperlichen Bildung und Erziehung. 2 Usinger Land, S. 105.

3 Träger: Geschichte und Geschichten aus der Großgemeinde Schmitten, S. 83.

4 Kreis-Blatt Nr. 203, vom 28. Dezember 1932.

5 Der Freiwillige Arbeitsdienst (FAD) war ein 1931 eingeführtes, öffentlich gefördertes Beschäftigungsprogramm der

Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung der Weimarer Republik. Da das NS-Regime im Arbeitsdienst eine Teilantwort auf die Wirtschaftskrise sah, löste es den FAD nach der Machtübernahme nicht auf, sondern gestaltete ihn nach seinen Vorstellungen sukzessive zu einem Instrument der bewussten Erziehung zur „Volksgemeinschaft“ um. 6 Taunuszeitung vom 12.06.1933.

7 Taunuszeitung vom 14.08.1933.

8 Vgl. Kärtner: Das ehemalige Schwimmbad von Oberreifenberg, S. 13.

9 Kreisblatt Nr. 65, vom 24. April 1933.

10 Ernst: Neu-Anspach – Werden und Wirken, S. 232.

11 Emil Becker war es auch, der den ersten sozialen Wohnungsbau in Anspach initiierte.

12 Am 28. November 1933 verkündeten die Zeitungen den Zusammenschluss der Organisation „Kraft durch Freude“ als

Unterorganisation der „Deutschen Arbeiterfront“ (DAF). 13

Im Bereich der heutigen Kläranlage des Abwasserverbandes Oberes Usatal. 14

Ob es sich hierbei um die ehemalige „Bauarbeitergewerkschaft“, den „Deutschen Baugewerksbund“ oder gewerkschaftsnahe Verbände handelte, konnte bis Redaktionsschluss nicht ermittelt werden. 15

Kreis-Blatt Nr. 68, vom 2. April 1936. 16

Offiziell trat Schirrmann, der zu jener Zeit in Grävenwiesbach wohnte, in dieser Sache jedoch nicht in Erscheinung, sondern hat den Bau durch die „Jugendpflege“ anregen lassen. Es heißt, er habe mit den Nazis auf „Kriegsfuß“ gestanden. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er im September 1933 Unterbannführer in der Hitlerjugend (HJ), ab März 1934 auch Mitglied des NS-Lehrerbunds. Im Juli 1936 wurde er wegen „schwerer Disziplinlosigkeit und HJ-schädigenden Verhaltens“ aus der HJ ausgeschlossen und in die „Warnkartei“ der NSDAP aufgenommen. Dennoch wird Schirrmanns Ablehnung des NS-Regimes zwischenzeitlich skeptisch gesehen. [Vgl. Kraus, Das Deutsche Jugendherbergswerk, S. 301 ff.] 17

Das „Amt für Reisen, Wandern und Urlaub“ (RWU) war eine Abteilung der Behörde „Kraft durch Freude“. Ihre Aufgabe war die Organisation von Ferienreisen für Mitglieder (sogenannte „KdF-Reisen“) zu Land und zur See. 18

Kreis-Blatt 1934. 19

Spode: Die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ – ein Volk auf Reisen?, S. 83. 20

Insbesondere die Gemeinden Schmitten, Arnoldshain, Neuweilnau/Altweilnau konnten Anfang der 1960er Jahre stark steigende Urlauberzahlen verzeichnen. Usinger Anzeiger Nr. 66, vom 4. Juni 1965. 21

Benannt nach dem ehemaligen Bürgermeister, in dessen Amtszeit [1946–1959] das Projekt umgesetzt wurde. 22

Heimat-Adressbuch Kreis Usingen, 1962. 23

Usinger Anzeiger Nr. 91 vom 1. August 1965. 24

Mitte der 1950er Jahre fegte ein starker Sturm durch die Gemarkung Hasselbach. Und auch Gemeinden wie beispielsweise Treisberg oder Cratzenbach konnten das durch den Windbruch gefallene Holz gewinnbringend verkaufen.

© Wolfgang Ettig/Treisberg [Erschienen im „Jahrbuch des Hochtaunuskreis 2017“. S.131-138. Frankfurt 2016] Für wissenschaftliche Zwecke der Heimatforschung, unter Angabe der Urheberschaft frei nutzbar, nicht jedoch kommerziell. Autor: Wolfgang Ettig, Leiweg 22, 61389 Schmitten-Treisberg, Tel. 06084-959899. Email: [email protected], Treisberg im Web: www.mein-treisberg.de