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Alarmsymptome einer gestörten Entwicklung des Säuglings 129 Motoskopie Im Unterschied zur Beurteilung der kindlichen Bewegung aufgrund des Einflusses einzelner Reflexe und Reak- tionen, stellt die Theorie der Motos- kopie einen bedeutsamen Forschritt dar. Gleichzeitig bietet sie eine wert- volle Hilfestellung bei der Frühdiagnose und Erstellung einer Prognose. Die Theorie geht auf Milani-Comparetti zurück. Zusammenfassend betrachtet Mi- lani-Comparetti – im Gegensatz zur klassischen Reflexologie – angeborene und instinktive Verhaltensweisen (die als Reflexe bezeichnet werden) als frühzeitigen Ausdruck der wechsel- seitigen Beziehungen zwischen äuße- ren Anforderungen und Funktion. Die motoskopische Untersuchung gründet auf dem Vorhandensein bzw. der Dominanz von spezifischen moto- rischen Mustern und auf der Eigen- schaft der Bewegung selbst. Die motoskopische Untersuchung beim Säugling: Ausgangslage: Rückenlage, Beo- bachten der Spontanmotorik, Interaktion mit dem Untersucher, • Blickkontakt, Verfolgen von Gesicht oder Gegen- ständen mit den Augen, Feinmotorik: Greifen, visuomoto- rische Koordination, Passieren von Gegenständen, Reaktion auf die Hochtonrassel, passives Drehen in die Bauchlage, Derotation beidseits, Hochziehen aus der Rückenlage zum Sitzen, Traktionsversuch, (selbst- ständiges Aufsetzen), (Cave: Kopf in Mittelstellung!), sitzend gehalten, Stellreaktionen seitlich beidseits, stehend gehalten, Stehen, • Schwebeversuch, Haltungs- und Muskeltonus prüfen, tonische Haltungsmuster(?), Lagereaktionen, Prüfung der Stell- reaktionen in allen Lagen (horizon- tal, sitzend und Hängelage, Seit- wärtsverlagerung usw.), • Fallschirmreaktionen, • Bauchlage, Arme nach hinten genommen, Ellenbogen, Armstütz, Viel Zeit benötigen wir, um das Kind bei seinen Spontanbewegungen und der Interaktion mit dem Untersucher zu be- obachten. Spielt mit den Füßen. Ideales Prechtl-Stadium. Passives Drehen in die Bauchlage: Derotation. Ergreift Gegenstände und exploriert diese visuell, taktil und oral. Verfolgt Gegenstände mit dem Blick. Prompte Reaktion auf die Hochtonrassel (außerhalb des Sehwinkels) und der Wunsch, diese zu ergreifen. Baumann, Atlas der Entwicklungsdiagnostik (ISBN 9783131250629), © 2007 Georg Thieme Verlag

9783131250629 129 131 - bücher.de · 2020-02-06 · Theorie geht auf Milani-Comparetti zurück. Zusammenfassend betrachtet Mi-lani-Comparetti – im Gegensatz zur klassischen Reflexologie

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Alarmsymptome einer gestörten Entwicklung des Säuglings 129

Motoskopie

Im Unterschied zur Beurteilung derkindlichen Bewegung aufgrund desEinflusses einzelner Reflexe und Reak-tionen, stellt die Theorie der Motos-kopie einen bedeutsamen Forschrittdar. Gleichzeitig bietet sie eine wert-volle Hilfestellung bei der Frühdiagnoseund Erstellung einer Prognose. DieTheorie geht auf Milani-Comparettizurück.

Zusammenfassend betrachtet Mi-lani-Comparetti – im Gegensatz zurklassischen Reflexologie – angeboreneund instinktive Verhaltensweisen (dieals Reflexe bezeichnet werden) alsfrühzeitigen Ausdruck der wechsel-seitigen Beziehungen zwischen äuße-ren Anforderungen und Funktion.

Die motoskopische Untersuchunggründet auf dem Vorhandensein bzw.der Dominanz von spezifischen moto-rischen Mustern und auf der Eigen-schaft der Bewegung selbst.

Die motoskopische Untersuchungbeim Säugling:• Ausgangslage: Rückenlage, Beo-

bachten der Spontanmotorik,• Interaktion mit dem Untersucher,• Blickkontakt,• Verfolgen von Gesicht oder Gegen-

ständen mit den Augen,• Feinmotorik: Greifen, visuomoto-

rische Koordination, Passieren vonGegenständen,

• Reaktion auf die Hochtonrassel,• passives Drehen in die Bauchlage,

Derotation beidseits,• Hochziehen aus der Rückenlage zum

Sitzen, Traktionsversuch, (selbst-ständiges Aufsetzen), (Cave: Kopf inMittelstellung!),

• sitzend gehalten,• Stellreaktionen seitlich beidseits,• stehend gehalten, Stehen,• Schwebeversuch,• Haltungs- und Muskeltonus prüfen,• tonische Haltungsmuster(?),• Lagereaktionen, Prüfung der Stell-

reaktionen in allen Lagen (horizon-tal, sitzend und Hängelage, Seit-wärtsverlagerung usw.),

• Fallschirmreaktionen,• Bauchlage,• Arme nach hinten genommen,• Ellenbogen, Armstütz,

Viel Zeit benötigen wir, um das Kind beiseinen Spontanbewegungen und derInteraktion mit dem Untersucher zu be-obachten. Spielt mit den Füßen. IdealesPrechtl-Stadium.

Passives Drehen in die Bauchlage:Derotation.

Ergreift Gegenstände und exploriert diesevisuell, taktil und oral.

Verfolgt Gegenstände mit dem Blick.

Prompte Reaktion auf die Hochtonrassel(außerhalb des Sehwinkels) und derWunsch, diese zu ergreifen.

Baumann, Atlas der Entwicklungsdiagnostik (ISBN 9783131250629), © 2007 Georg Thieme Verlag

Page 2: 9783131250629 129 131 - bücher.de · 2020-02-06 · Theorie geht auf Milani-Comparetti zurück. Zusammenfassend betrachtet Mi-lani-Comparetti – im Gegensatz zur klassischen Reflexologie

130 Entwicklungsuntersuchung oder „Die Kunst der Auswahl“

• evtl. Placing-Reaktion (v. a. bei beobachteten Asymmetrien der Extremitätenmuster),

• evtl. Pivotieren, Rollen, Kriechen,Aufstehen …,

• Haltungs- bzw. Muskeltonus(spüren),

• Symmetrie, (tonische Haltemusterund Reflexe).

Die Bewegungen werden langsam, inZeitlupentempo und ohne Stress durch-geführt. Es muss genügend Zeit für dieReaktion des Kindes, aber auch für dieBeobachtung gegeben werden. Dieprovozierten, plötzlichen Bewegungenund verängstigenden Testuntersuchun-gen nach Voijta, Collis usw. geben nichtmehr Auskunft über Bewegungs- undEntwicklungsstörungen eines Säug-lings, sie stressen diesen nur unnötigund sind deshalb obsolet!

Aufziehen aus der Mittelstellung desKopfes zum Sitzen: Beobachten Sie auchdie Flexion im Flankenbereich!

Landau-Reaktion und Lagereaktionenschwebend.

Sitzend gehalten: Kopf- und Rumpf-kontrolle.

Auslösen der Gleichgewichtsreaktionen. Fallschirmreaktion vorwärts: EinseitigeVerspätung oder Fäustchenhaltung?

In der Bauchlage werden die Arme nach hinten genommen: Kommen die Arme von selbstnach vorn? Asymmetrie?

Stehend gehalten: Fußstellung beobachten!

Baumann, Atlas der Entwicklungsdiagnostik (ISBN 9783131250629), © 2007 Georg Thieme Verlag

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Synopsis der motorischen Entwicklung der ersten 24 Lebensmonate 131

Synopsis der motorischen Entwicklung der ersten 24 Lebensmonate

(50%-Regel, d.h. 50% der Kinder erfüllen die Aufgabe)R

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Baumann, Atlas der Entwicklungsdiagnostik (ISBN 9783131250629), © 2007 Georg Thieme Verlag