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6 Röntgendiagnostik Kapitel 6 leitet über zum zweiten Teil der Vor- lesung, in dem diagnositische Methoden diskutiert werden. Wir beginnen mit einer kurzen Übersicht über die Methoden, welche hier diskutiert werden sollen, aber auch über einige weitere Methoden, für die im Rahmen dieser Vorlesung keine Zeit existiert. 6.1 Bildgebende Methoden 6.1.1 Kernspintomographie (MRI) In der Kernspintomographie (MRI = Magnetic Reso- nance Imaging) verwendet man resonante Anregung von Kernspin-Übergängen, um die Dichte von be- stimmten Atomen (meistens Protonen = Wasserstof- fatome) abzubilden. Sie basiert auf der Kernspinre- sonanz (NMR = Nuclear Magnetic Resonance). Abbildung 6.1: Links: Prinzip der Kernspinresonanz (NMR). Rechts: Schnittbildaufnah- me eines Kopfs mittel Kernspinto- mographie (MRI). Figur 6.1 zeigt das Prinzip: In einem Magnetfeld sind die Energien der Zustände eines Kernspins um den Betrag der Larmorfrequenz aufgespalten. Ein re- sonantes magnetisches Wechselfeld, das senkrecht zum statischen Magnetfeld orientiert ist, kann Über- gänge zwischen diesen Zuständen anregen. Die Stär- ke des Signals ist proportional zur Anzahl der Spins. Da die Aufspaltung und damit die Resonanzfrequenz proportional zur Stärke des Magnetfeldes ist, kann man die Stärke des Magnetfeldes bestimmen, in- dem man die Larmorfrequenz der Kerne misst. Ver- wendet man ein Magnetfeld, dessen Stärke über den Raum variiert, kann man somit die Verteilung der Spindichte im Raum bestimmen. Eine Darstellung dieser Spindichte ergibt damit, je nach Aufnahmeart, ein zwei- oder dreidimensionales Bild des Objektes. In der Medizin stellt man in erster Linie die Proto- nen (=Wasserstoff)-Dichte dar. Die wichtigsten Si- gnalbeiträge sind deshalb Wasser und Fett. Figur 6.1 zeigt als Beispiel einen Querschnitt durch einen Kopf: hier wird das Gehirn sehr detailliert darge- stellt, während der Schädel nur schwach erscheint. Die größte Bedeutung hat die MRI daher auch im Bereich der Erkrankungen des Gehirns und bei Tu- moren der ”weichen” Organe. Die MRI ist ein quantitatives bildgebendes Verfah- ren und bietet eine Vielzahl von Parametern, die ei- ne Kontrastverbesserung für die unterschiedlichen Untersuchungen möglich machen. Es ist außerdem möglich, eine Region des Körpers nicht nur drei- dimensional abzubilden, sondern auch spektrosko- pische Information ortsaufgelöst zu messen (MR- Spektroskopie). 6.1.2 Projektionsröntgen Abbildung 6.2: Röntgenaufnahmen. 112

6 Röntgendiagnostik

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6 Röntgendiagnostik

Kapitel 6 leitet über zum zweiten Teil der Vor-lesung, in dem diagnositische Methoden diskutiertwerden. Wir beginnen mit einer kurzen Übersichtüber die Methoden, welche hier diskutiert werdensollen, aber auch über einige weitere Methoden, fürdie im Rahmen dieser Vorlesung keine Zeit existiert.

6.1 Bildgebende Methoden

6.1.1 Kernspintomographie (MRI)

In der Kernspintomographie (MRI = Magnetic Reso-nance Imaging) verwendet man resonante Anregungvon Kernspin-Übergängen, um die Dichte von be-stimmten Atomen (meistens Protonen = Wasserstof-fatome) abzubilden. Sie basiert auf der Kernspinre-sonanz (NMR = Nuclear Magnetic Resonance).

Abbildung 6.1: Links: Prinzip der Kernspinresonanz(NMR). Rechts: Schnittbildaufnah-me eines Kopfs mittel Kernspinto-mographie (MRI).

Figur 6.1 zeigt das Prinzip: In einem Magnetfeldsind die Energien der Zustände eines Kernspins umden Betrag der Larmorfrequenz aufgespalten. Ein re-sonantes magnetisches Wechselfeld, das senkrechtzum statischen Magnetfeld orientiert ist, kann Über-gänge zwischen diesen Zuständen anregen. Die Stär-ke des Signals ist proportional zur Anzahl der Spins.

Da die Aufspaltung und damit die Resonanzfrequenzproportional zur Stärke des Magnetfeldes ist, kann

man die Stärke des Magnetfeldes bestimmen, in-dem man die Larmorfrequenz der Kerne misst. Ver-wendet man ein Magnetfeld, dessen Stärke über denRaum variiert, kann man somit die Verteilung derSpindichte im Raum bestimmen. Eine Darstellungdieser Spindichte ergibt damit, je nach Aufnahmeart,ein zwei- oder dreidimensionales Bild des Objektes.

In der Medizin stellt man in erster Linie die Proto-nen (=Wasserstoff)-Dichte dar. Die wichtigsten Si-gnalbeiträge sind deshalb Wasser und Fett. Figur6.1 zeigt als Beispiel einen Querschnitt durch einenKopf: hier wird das Gehirn sehr detailliert darge-stellt, während der Schädel nur schwach erscheint.Die größte Bedeutung hat die MRI daher auch imBereich der Erkrankungen des Gehirns und bei Tu-moren der ”weichen” Organe.

Die MRI ist ein quantitatives bildgebendes Verfah-ren und bietet eine Vielzahl von Parametern, die ei-ne Kontrastverbesserung für die unterschiedlichenUntersuchungen möglich machen. Es ist außerdemmöglich, eine Region des Körpers nicht nur drei-dimensional abzubilden, sondern auch spektrosko-pische Information ortsaufgelöst zu messen (MR-Spektroskopie).

6.1.2 Projektionsröntgen

Abbildung 6.2: Röntgenaufnahmen.

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Page 2: 6 Röntgendiagnostik

6 Röntgendiagnostik

Bei dem Projektionsröntgen wird das zu untersu-chende Körperteil mit Röntgenstrahlen beschossenund das Linienintegral über den (linearen) Rönt-genschwächungskoeffizienten entlang der Strahl-bahn gemessen. Diese Abbildungsmethode wurdeschon kurz nach der Entdeckung der Röntgenstrah-len durch Wilhelm Conrad Röntgen am 8. November1895 medizinisch benutzt. Sie ist deshalb die am be-sten etablierte der hier diskutierten Methoden.

Im Projektionsröntgen werden Objekte dann er-kannt wenn sie Röntgenstrahlung stärker oder we-niger stark absorbieren als ihre Umgebung. Da dieAbsorption von Röntgenstrahlung im Wesentlichendurch die Elektronendichte bestimmt ist, wird sie vorallem durch schwere Atome beeinflusst.

Knochen sind deshalb deutlich vor einem Hinter-grund aus Weichteilgewebe zu erkennen. Verschie-dene Weichteilgewebe (Fett, Muskeln etc.) könnenaber erst durch den Einsatz von Kontrastmitteln un-terschieden werden. Insgesamt sind die möglichenAnwendungen sehr zahlreich, zumindest für die Ab-bildung von Knochen, Organen und Gefäßen. Quan-titative Messungen sind auf Grund der Messung nureines Parameters nur sehr eingeschränkt möglich.

6.1.3 Computer Tomographie (CT)

Abbildung 6.3: Computer Tomographie

Die physikalischen Grundlagen für die CT sind diegleichen wie beim Projektionsröntgen. Bei der CTwerden jedoch viele Projektionen gemessen, indemdie Röntgenquelle und der Detektor um das Objekt(den Patienten) gedreht werden. Aus dieser Viel-zahl von Projektionen berechnet ein Computer durchRückprojektion die Elektronendichte im Objekt.

Abbildung 6.4: CT Abbildungen: Knochen einesNeandertalers.

Das Einsatzgebiet umfasst hauptsächlich Unfalldia-gnostik und Untersuchungen von Kopf, Lunge undBewegungsapparat. Die Operationsplanung in derEndoprothetik, zum Beispiel bei der künstlichenHüfte, basiert heute auf den dreidimensionalen CT-Datensätzen. Quantitative CT ist wie beim Projekti-onsröntgen nur eingeschränkt möglich. Ein Einsatz-gebiet ist zum Beispiel die Messung des Knochenzu-standes im Verlauf einer Therapie oder Erkrankung.

6.1.4 Nukleardiagnostik

Bei der Nukleardiagnostik ist nicht die Abbildungder Morphologie das Ziel, sondern es sollen funktio-nelle Abläufe sichtbar gemacht werden. Dafür wer-den dem Probanden geeignete Moleküle verabreicht,welche die zu untersuchende Funktion markieren.Um diese Testmoleküle anschließend detektieren zukönnen werden sie mit Radioisotopen markiert, wel-che mit sehr hoher Nachweiswahrscheinlichkeit de-tektiertw werden können.

Meist wird dem Probanden dafür radioaktiv markier-tes Material eingespritzt. Gemessen wird die Akti-vität des zuvor eingebrachten radioaktiven Isotops(meist Gammastrahler). Indem man die Quelle die-ser Strahlung ermittelt kann man nicht nur die Anrei-cherung in einem bestimmten Teil des Körpers ver-folgen, sondern auch den Weg durch den menschli-chen Organismus.

Bei der Planaren Szintigraphie wird die Aktivi-

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6 Röntgendiagnostik

Abbildung 6.5: Beispiel für planare Szintigraphie.

tätsaufnahme an einem Ort direkt nach der Ein-nahme des Präparats mit einer Gammakamera zeit-lich aufgelöst gemessen. Sie entspricht dem Projek-tionsröntgen. In der Abbildung 6.5 ist eine Nieren-funktionsszintigraphie zu sehen. Das Radiopharma-kon fließt normal über die Nieren in die Blase. DieDurchblutung der Niere kann seitengetrennt beur-teilt werden, ebenso wie die Reinigungsfunktion derNiere (clearance).

Abbildung 6.6: Myokard-SPECT.

Eine Abbildung wie bei der CT ist ebenfalls mög-lich: bei der Single Photon Emission ComputerTomography (SPECT) wird das Linienintegral derAktivitätsdichte mit der Gammakamera in verschie-denen Projektionen gemessen. Es können die glei-chen mathematischen Rekonstruktionsverfahren an-gewendet werden wie in der CT. In der Abbil-dung 6.6 ist das Ergebnis einer Myokardszintigra-phie (Myokard-SPECT) zu sehen. Sie liefert ex-akt reproduzierbare und nachvollziehbare Schnittedurch das Herz und wird zum Beispiel bei Verdachtauf eine koronare Herzkrankheit eingesetzt.

Abbildung 6.7: SPECT/Spiral-CT-Gerät (oben) undKombination (rechts) zweier Auf-nahmen (links: CT, mitte: SPECT).

Es gibt auch Kombinationsgeräte, mit denen SPECT-und CT-Untersuchungen gleichzeitig durchgeführtwerden können. In der Abbildung 6.7 ist ein Ge-rät von Siemens abgebildet, darunter eine CT-und SPECT-Aufnahme eines Schilddrüsentumors(links, mitte) und das zugehörige Kombinationsbild(rechts). Die Diagnose von Tumor- und Herzerkran-kungen wird so genauer und zuverlässiger.

Abbildung 6.8: Links: PET eines gesunden Men-schen (oben) und eines Alzheimer-Patienten (unten). Rechts: Überein-anderstellung der Informationen ausMRI und PET.

Bei der Positronen Emissions Tomographie (PET)wird ein Positronenmarker eingesetzt zur Molekül-verfolgung und die Gammaquanten der Annihilati-onsstrahlung von Positronen mit Elektronen über ei-ne Koinzidenz-Detektion gemessen. PET wird häu-fig für die Untersuchung von Gehirnfunktionen ver-wendet.

Auch hier gibt es Kombinationsgeräte für PET-und CT-Aufnahmen. Die Verwendung von MRI-Schnittbildern zusammen mit PET-Bildern wird ins-besondere bei Untersuchungen am Gehirn benutzt.

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6 Röntgendiagnostik

Abbildung 6.9: Kombinationsgerät für PET und CT.

6.1.5 Ultraschall

Ein praktisch ebenfalls sehr wichtiges bildgeben-des Verfahren ist die Sonographie (Ultraschall-Diagnostik). Dort wird die Reflexion, Streuung undAbsorption von Ultraschall in Gewebe ausgenutzt.Ein Ultraschallwandler erzeugt die Ultraschallwelleund detektiert das zurückkommende Schallecho.

Abbildung 6.10: Beispiele für Ultraschallbilder.Links: 3D-Bild, rechts: konven-tionelles Ultraschallbild einesBabys.

Die Ultraschall-Diagnostik hat ebenfalls ein sehrweites Anwendungsgebiet; es erstreckt sich von derSchwangerschaft über Gynäkologie und Blutgefäßebis hin zur Herzuntersuchung.

6.1.6 Sonstige Verfahren

Weiter gibt es die exotischeren Verfahren Thermo-graphie, Impedanztomographie oder optische Tomo-graphie. Die Endoskopie kann ebenfalls zu den bild-gebenden Verfahren gerechnet werden.

Die Abbildung bioelektrischer Quellen des Körperswird vorwiegend für die Untersuchung von Herz und

“InversesProblem”

EventRelatedPotentials

sourcedipolemodel

“InversesProblem”

EventRelatedPotentials

sourcedipolemodel

Abbildung 6.11: Messung von Event Related Poten-tials (ERP) mit Hilfe eines EEG-Geräts und der Rückschluß auf diezugrunde liegenden Stromdipol-Verteilung.

Hirn benutzt. Die Zielsetzung ist vergleichbar mitder von SPECT oder funktioneller MRI, nämlich dieAbbildung funktioneller Abläufe im Körper. Wäh-rend bei diesen Verfahren Stoffwechsel-Prozesse ab-gebildet werden, werden elektrophysiologische Ab-läufe durch die Abbildung der elektrischen Poten-tiale und Magnetfelder gemessen. So kann man amHerzen zusätzliche Leitungsbahnen, die zu Herz-rhytmusstörungen führen, lokalisieren. Diese kön-nen dann mit einer RF-Ablation unterbrochen undder Patient so vollständig geheilt werden. Seit kurz-em können auch die elektrophysiologischen Auswir-kungen eines Herzinfarkts abgebildet werden.

Für die Bewertung und den Vergleich der einzelnenMethoden gibt es eine Reihe von unterschiedlichenKriterien, wie z.B. räumliche und zeitliche Auflö-sung oder die Invasivität. Einige davon sind in Figur6.12 zusammengefasst.

6.2 Grundlagen derRöntgendiagnostik

6.2.1 Historische Entwicklung

Unmittelbar nach der Enteckung der ”neuen Art vonStrahlung” durch Wilhelm Conrad Röntgen am 8.November 1895 wurde die Bedeutung der Röntgen-

115

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6 Röntgendiagnostik

Abbildung 6.12: Vergleich von räumlicher und zeit-licher Auflösung unterschiedlicherMethoden und ihrer Invasivität.

strahlen für die Medizin erkannt. Sehr kurze Zeitnach den ersten Veröffentlichungen setzte die prakti-sche Anwendung der Röntgenstrahlung in der Med-zin ein.

Die technische Ent-

Abbildung 6.13: WilhelmRöntgen

wicklung der Röntgen-diagnostik ist durchmarkante Neuerungenin größeren zeitlichenAbständen gekenn-zeichnet. 1917 wurdedie Hochvakuumröhremit geheizter Kathodevon W.D.Coolidgeeingeführt, und um1925 wurde die be-nötige Hochspannungin Röntgengenera-toren durch Wechselstromtransformatoren undGleichrichterröhren erzeugt. Um 1950 wurdenelektronenoptische Röntgenbildverstärker in Kom-bination mit einem Fernsehsystem eingesetzt. Dernächste große Schritt wurde 1973 getan mit der Ein-führung der Computer Tomographie von Hounsfield.Um 1980 wurden digitale Techniken eingeführt,die digitale Subtraktions-Angiographie und die di-gitale Lumineszenzradiographie. Seit 2000 werdenzunehmend digitale Festkörper-Flächendetektorenfür Röntgenaufnahmen und Röntgendurchleuchtung

eingesetzt.

6.2.2 Begriffe

Eine Röntgeneinrichtung Diagnostik umfasst dieGesamtheit aller technischen Mittel, die zur Unter-suchung eines Patienten mit Röntgenstrahlung ein-gesetzt werden. Die wesentlichen Komponenten sind

• ein Röntgengenerator, der die Hochspannungvon etwa 30 bis 150 kV erzeugt, schaltet undregelt, bei bis zu 1.5 A Röhrenstrom;

• der Röntgenstrahler, der die Röntgenstrah-lung erzeugt und Filter sowie Blenden enthält;

• das Röntgenanwendungsgerät, das zur Lage-rung des Patienten dient und die Einstellung derRöntgenstrahlung und des Röntgenbildwand-lers möglich macht;

• der Röntgenbildwandler, der die Umwand-lung des Strahlungsbildes in ein sichtbares Bilddurchführt.

Als Röntgenbilderzeugungssystem fasst man al-le Komponenten zusammen, die unmittelbar an derEntstehung des sichtbaren Röntgenbildes beteiligtsind. Es gibt zwei Typen von Bilderzeugungssyste-men. Der Projektionsradiographie liegt die Zen-tralprojektion zu Grunde, das Bild wird durch direk-te Wandlung der Messdaten gewonnen. Der ande-re Typ sind rekonstruktive Bilderzeugungssyste-me (siehe CT), in der die Bildinformation verschlüs-selt in den Messdaten enthalten ist und deshalb re-konstruiert werden muss.

6.2.3 Projektionsradiographie

Die Projektionsradiographie nutzt die Zentralprojek-tion als Abbildungsprinzip (Abbildung 6.14).

Dafür benötigt man eine Röntgenquelle, welche imIdealfall eine Punktlichtquelle darstellt. Die davonausgehende Strahlung durchdringt das abzubildendeObjekt und dahinter wird für jeden Strahl die auftref-fende Intensität gemessen.

116

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6 Röntgendiagnostik

Abbildung 6.14: Röntgenbilderzeugungssystem derProjektionsradiographie.

dxI

I + dI

σ

A

dx

Abbildung 6.15: Zur Ableitung des Schwächungs-gesetzes.

Die Abnahme der Intensität I der Strahlung ist dI =−w · I , wobei w die Wahrscheinlichkeit für die Ab-sorption eines Photons bei der Teilchendichte n desAbsorbers ist. Jedem Absorber wird eine Fläche zu-geordnet, der Wirkungsquerschnitt σ mit der Ein-heit barn: 1b = 10−24 cm2. Trifft ein einfallendesPhoton eine solche Fläche, dann wird es absorbiert,ansonsten dringt es durch das Material der Dicke dx.Diese Dicke sei so gewählt, dass sich die Flächen σnicht überdecken. Für die Wahrscheinlichkeit w giltdann:

w =Flaeche der Absorber

Gesamtflaeche=N · σA

=nV · σA

=nAdx · σ

A= ndxσ .

Für die Intensitätsabnahme gilt also

dI = − nσ︸︷︷︸µ

I dx .

µ ist der (lineare) Schwächungskoeffizient. DieAbnahme der Intensität erfolgt also exponentiell:

I = I0 e−µd ,

wobei d die Absorberdicke ist. Der Schwächungsko-effizient entspricht der inversen Eindringtiefe:

〈x〉 =

∫∞0 dxx I0e

−µx∫∞0 dx I0e−µx

=− d

∫∞0 dx e−µx∫∞

0 dx e−µx

=1/µ2

1/µ=

1µ.

Die Wechselwirkung der Röntgenstrahlen mit demGewebe erfolgt über die Elektronendichte. In ersterNäherung ist der Schwächungskoeffizient deshalbproportional zur Dichte ρ des Materials:

µ = nσ =NA ρ

mmolσ .

Als Dosis wird die von der ionisierenden Strahlungpro Masseneinheit deponierte Energie bezeichnet.Die Einheit ist Gray Gy:=J/kg.

Abbildung 6.16: Entstehung des Dosisprofils.

Die auf dem Röntgendetektor auftretenffende Ener-gie ist im Idealfall die Differenz zwischen der ab-gestrahlten und der im Objekt deponierten Energie.Das Bild stellt somit die zweidimensionale Dosisver-teilung dar.

6.3 Röntgenquellen

6.3.1 Aufbau einer Röntgenröhre

Der Aufbau einer Röntgenröhre ist in Abbildung(6.17) zu sehen:

117

Page 7: 6 Röntgendiagnostik

6 Röntgendiagnostik

Abbildung 6.17: Schema einer Röntgenröhre.

Sie besteht aus einer Hochvakuumröhre, in der sicheine beheizbare Kathode und eine Anode befinden.Zwischen Kathode und Anode liegt eine Spannungvon etwa 10 bis 150 kV an und es fließt ein Stromvon 1 bis 2000 mA.

Wenn die Kathode aufgeheizt wird setzt die ther-mische Elektronenemission ein. Die dadurch emit-tierte Stromdichte wird beschrieben durch dieRichardson-Formel:

je = A0T2e−W/kT .

A0 ist eine Materialkonstante (Richardson-Konstante), T die Temperatur und W die Aus-trittsarbeit, die geleistet werden muss. Durch dieHochspannung werden die herausgelösten Elek-tronen beschleunigt und an der Anode wird dieRöntgenstrahlung erzeugt (Bremsstrahlung undcharakteristische Strahlung, siehe später).

Die Strahlungsleistung einer Röntgenröhre läßtsich aus der spektralen Leistungsdichte Jν := dJ

dν(6.3.3) berechnen: Jges =

∫∞0 dν Jν . Der Wir-

kungsgrad η einer Röntgenröhre ist definiert alsdas Verhältnis von ausgehender Röntgenleistung undaufgewendeter elektrischer Leistung (IA: Anoden-strom, UA: Anodenspannung):

η =Jges

IA UA.

Experimentell hat sich herausgestellt, dass der Wir-kungsgrad einer Röntgenröhre linear mit der An-odenspannung UA und mit der Ordnungszahl Z desAnodenmaterials zunimmt:

η = α · UAZ mit α ≈ 10−9V−1 .

Die Strahlungsleistung einer Röntgenröhre ist nachobigen Gleichungen proportional zur Kernladungs-zahl Z des Anodenmaterials, zum Röhrenstrom Iund zum Quadrat der Röhrenspannung,

Jges = α · Z IA U2A.

6.3.2 Elektrodenmaterial

Bei Wolfram (Z = 74) als Anodenmaterial und ei-ner Spannung von 100 kV ist η < 1%, mehr als99% der Energie wird in Wärme umgewandelt. Da-her sind die Kriterien für das Anodenmaterial:

• hohe Ordnungszahl,

• hohe Schmelztemperatur,

• hohe Wärmeleitfähigkeit.

Für das Kathodenmaterial gilt ähnliches, aber hierist die Ordnungszahl des Materials nicht wichtig,sondern die Austrittsarbeit wegen der Richardson-Formel. Das Kathodenmaterial sollte eine

• kleine Austrittsarbeit,

• hohe Schmelztemperatur,

• hohe Wärmeleitfähigkeit

besitzen. Das bevorzugte Anoden- und Kathodenma-terial ist wegen dieser Kriterien Wolfram (Z = 74).Es besitzt die höchste Schmelztemperatur aller Me-talle (3680K), eine relativ hohe Wärmeleitfähigkeitvon 1.3 W

cm K und eine relativ geringe Austrittsarbeitvon 4.5 eV. Die Materialkonstante A0 beträgt fürWolfram 60 A

cm2K2 .

6.3.3 Bremsstrahlung

Die Röntgenstrahlung entsteht durch das Auftref-fen der beschleunigten Elektronen auf die Anode.Der überwiegende Teil der eintreffenden Elektronenüberträgt Energie durch die Wechselwirkung mit denHüllenelektronen auf das Gitter des Anodenmateri-als, das sich in Folge dessen erwärmt. Ein geringer

118

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6 Röntgendiagnostik

Abbildung 6.18: Entstehung der Röntgenstrahlung

Teil der Elektronen wird im Feld der Atomkerne desAnodenmaterials abgebremst. Dies führt zur Brems-strahlung. Die größtmögliche Frequenz bei gegebe-ner Anodenspannung UA erhält man, wenn die ge-samte kinetische Energie Ekin = eUA in die Ener-gie eines Photons umgewandelt wird:

νmax =eUA

h.

Bei einem Wechselwirkungsprozess wird die räum-liche Intensitätsverteilung durch die beiden Strah-lungskeulen eines Hertzschen Dipols beschrieben,die durch relativistische Effekte ”nach vorne” gebo-gen sind (Abbildung 6.19).

Abbildung 6.19: Winkelabhängigkeit der Brems-strahlung.

Die Elektronen werden dabei jedoch stark abge-lenkt, so dass die Flugrichtung stark von der Ein-fallsrichtung des Strahls abweicht. Insgesamt ergibtsich so eine weitgehend isotrope Winkelverteilungder Bremsstrahlung.

Abbildung 6.20: Winkelverteilung der Röntgen-strahlung.

Nur in dem Winkelbereich, in dem die Strahlung,fast parallel zur Anodenoberfläche austritt, wird siedurch Selbstabsorption geschwächt (Heel-Effekt).

6.3.4 Spektrale Verteilung

ννmax

ννmax

Eine WW

Viele WW

Abbildung 6.21: Bremsstrahlungsspektrum. Links:Eine Wechselwirkung; rechts: vie-le Wechselwirkungen in Folge.

Die spektrale Verteilung der Bremsstrahlung kannman anhand eines sehr einfachen Modells ableiten:Man nimmt an, dass jeder Energieverlust für das auf-treffende Elektron gleich wahrscheinlich ist. Dannerhält man für den einzelnen Streuprozess ein Spek-trum, das bis zur maximalen Frequenz νmax konstantist und oberhalb verschwindet. Die Energie des Elek-trons wird dabei um den Betrag der Photonenenergiereduziert. Beim nächsten Streuprozess ist entspre-chend die maximale Frequenz geringer. Summiertman über alle aufeinanderfolgenden Streuprozesse,so erhält man ein Spektrum, bei dem die Leistungs-dichte mit zunehmender Frequenz abfällt: siehe Ab-bildung 6.21.

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Abbildung 6.22: Spektrale Intensität der Brems-strahlung.

Die Bremsstrahlung besitzt ein kontinuierlichesSpektrum, das in der Abbildung 6.22 zu sehen ist.Daraus erhält man auch die Spektraldichte als Funk-tion der Wellenlänge indem man dν = − c

λ2dλ ver-wendet.

6.3.5 Charakteristische Strahlung

Es gibt einen weiteren Wechselwirkungsmechanis-mus, der zu Röntgenstrahlung führt. Erfolgt eineIonisation eines Hüllenelektrons des Anodenmate-rials aus einer inneren Schale beim Auftreffen derbeschleunigten Elektronen, dann entsteht charakte-ristische Röntgenstrahlung durch Übergänge deräußeren Hüllenelektronen auf den vakanten Platz.Wenn ein Elektron aus der K-Schale entfernt wurde,dann wird die nachfolgende charakteristische Strah-lung K-Strahlung genannt. Je nach Übergang ausder N-, M- oder L-Schale wird dann noch Kα, Kβ ,Kγ , ... -Strahlung unterschieden. In der Abbildung(6.23) ist dies für Wolfram in das Energieniveau-Diagramm eingezeichnet. Damit die Kα-Strahlungmit etwa 58 keV emittiert werden kann, muß dasauftreffende Elektron mindestens eine Energie vonungefähr 70 keV besitzen.

Für die Energie der Kα-Strahlung gilt in einem wei-ten Bereich das Mosleysche Gesetz

νKα =3R∞

4· (Z − 1)2 .

Hier ist R∞ = 3.29 · 1015 s−1ist die Rydberg-Konstante; Z die Ordnungszahl).

Abbildung 6.23: Charakteristische Strahlung amBeispiel des Energieniveau-Diagramms von Wolfram.

Im Bereich des harten Röntgenstrahlung liegennur die Kα-Linien. Die charakteristische Strahlungspielt in der Röntgendiagnostik eine untergeordneteRolle. Sie wird eigentlich nur in der Mammographieeingesetzt. Dort wird als Anodenmaterial Molybdänverwendet, da die 20 keV −Kα-Strahlung einen gu-ten Bildkontrast zeigt für die Mikrokalzifizierungen,die diagnostisch wichtig sind.

Ein typisches Spektrum einer diagnostischen Rönt-genröhre ist in der Abbildung 6.25 zu sehen.

Der Abfall der Leistungsdichte bei niedrigen Photo-nenenergien gegenüber dem Bremsstrahlungsspek-trum im Vakuum kommt daher, dass in der Rönt-gendiagnostik immer Aluminiumscheiben als Filtervor die Röntgenröhre gestellt werden. Die weicheRöntgenstrahlung wird auf diese Weise absorbiert.Sie würde im Körper vollständig absorbiert werdenund trüge daher nichts zum Röntgenbild bei, würdeallerdings die Strahlenbelastung des Patienten erhö-hen. Als Gesamtfilterung ist gesetzlich vorgeschrie-ben: bis 60 kV: 2 mm Aluminium; bis 80 kV: 3 mmAluminium; bis 120 kV: 4 mm Aluminium.

120

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6 Röntgendiagnostik

Abbildung 6.24: Übersicht über die Lage der K-, L-,M-Linien und -absorptionskanten.

α2

α1

β1

β2

K-charakteristische Strahlung

Bremsstrahlung

Ungefiltert im Vakuum

0 50 100 150 Photonenenergie [keV]

Abbildung 6.25: Typisches Spektrum einer diagno-stischen Röntgenröhre.

6.3.6 Absorption und Streuung

Da der Schwächungskoeffizient bei Röntgenstrahlenproportional zur Dichte des Materials ist, wird häufigder Massenschwächungskoeffizient µ/ρ von Ma-terialien betrachtet. Es können verschiedene Me-chanismen unterschieden werden, die zur Abschwä-chung beitragen, und die von der Photonenenergieund dem Material abhängen.

In dem diagnostischen Energiebereich um etwa 0,1MeV überwiegt bei Blei die Photoabsorption, ins-besondere nach Überschreiten der K-Kante. WeitereBeiträge sind bei niedrigen Energien die Rayleigh-Streuung, bei mittleren Energien die Compzon

Abbildung 6.26: Massenschwächungskoeffizientvon Blei.

Streuung, und bei hohen Energien Paarbildung.

Bei Wasser sind die Beiträge anders gewichtet.Im diagnostisch relevanten Bereich überweigt dieCompton Streuung. Dies ist auch für medizinischeAnwendungen relevant, da weiches Körpergewebein erster Linie aus Wasser besteht. Photonen, diedurch Compton-Streuung abgelenkt wurden ergebenStreustrahlung, welche bei der Bildgebung stört.

6.3.7 Einige Konsequenzen für Bildgebungmit Photonen

Bei der Bildgebung stellt sich die Frage, welche Pho-tonenenergien am besten geeignet sind. FolgendeForderungen für eine hohe Qualität eines Transmis-sionsbildes sind zu berücksichtigen:

• Signalhöhe. Betrachtet man die Transmissionvon Photonen durch eine 10 cm dicke Wasser-und Knochenschicht, dann liegt die Transmissi-on bei Energien bis 25 keV bei unter einem Pro-zent. Strahlung in diesem Energiebereich trägtsomit stark zur Dosisbelastung bei, aber kaum

121

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6 Röntgendiagnostik

Abbildung 6.27: Massenschwächungskoeffizientvon Wasser.

zum Signal. Daher werden nur Energien E >25 keV benutzt, daher sind nur der Photoeffektund der Compton-Effekt wichtig.

• Hoher Kontrast. Der größte Unterschied derMassenschwächungskoeffizienten von Kno-chen, Fett und Muskeln ist bei kleinen Energi-en wegen dem dann dominierenden Photoeffektauf Grund der stärksten Abhängigkeit des Wir-kungsquerschnitts von Z von σPh ∼ Z3..5 (sie-he Kapitel ”Ionisierende Strahlung”).

• Hohe räumliche Auflösung. (-> Detektoren)

• Möglichst wenig Streustrahlung. Wie schonerwähnt entsteht diese durch Compton-Streuung.

In dem Kapitel ”Ionisierende Strahlung” werdennoch weitere Konsequenzen diskutiert, die sich auseiner Begrenzung der Strahlenbelastung ergeben.

6.3.8 Drehanode

In der Abbildung 6.29 sind eine klassische Röntgen-röhre, eine Drehanoden-Röntgenröhre und eine mo-derne Röntgenstrahlereinheit abgebildet.

Absorptionskoeffizientµ/σ[cm2 /g]

Transmission(10cmWasser)

Photonenenergie [MeV]0,01 0,1 1 10

0,01 0,1 1 10

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

0,0

Wasser

Knochen

100

10

1

0,1

0,01

Knochen

Fett

Muskel

Abbildung 6.28: Oben: Transmission von Rönt-genstrahlen durch 10 cm Wasseroder äquivalenter Knochenmasse.Unten: Massenschwächungskoeffi-zient von Knochen, Muskeln undFett.

Für besonders hohe Strahlungsleistung verwendetman Drehanoden. Ein solches System ist in Abbil-dung (6.3.8) zu sehen.

Die Röntgenröhre ist in ein Röhrenschutzgehäuseeingebaut. Es schirmt die in den Halbraum der An-ode austretende Röntgenstrahlung ab und läßt nurdas Nutzstrahlungsbündel aus dem Fenster treten.Die Ölfüllung zwischen Schutzgehäuse und Röhredient dem Hochspannungsschutz und der Wärme-abfuhr. Durch das Drehen der Anode wird die imRöntgenfokus entstehende Wärme auf ein möglichstgroßes Volumen verteilt. Typische Drehzahlen fürdie Drehanode sind 3000 Umdrehungen pro Minu-te.

6.3.9 Filter und Blenden

Häufig verwendet man auch ein Strahlungsfilter,der die niederenergetischen Anteile des Bremsspek-trums schwächt. Damit verschiebt sich das Maxi-mum und die mittlere Energie zu höheren Werten;man sagt die Strahlung wird härter. Das wird ge-macht, weil bei dicken Objekten die niederenergeti-

122

Page 12: 6 Röntgendiagnostik

6 Röntgendiagnostik

Klassische Röntgenröhre: Drehanoden-Röntgenröhre:

Röntgenstrahler-Einheit (Siemens)

Nennspg.: 150 kVLeistung: 30/50 kWAnoden-Neigungsw.: 16ºEigenfilterung:2,5 mm Al / 80 kV

Abbildung 6.29: Röntgenröhren.

Anschluß Hochspannungskabel

Stator zum Antrieb der Anode

Abbildung 6.30: Bauform eines typischen Röntgen-strahlers.

schen Teile des Spektrums so stark geschwächt wer-den, dass sie praktisch keinen Beitrag zum Strah-lungsbild leisten, sondern nur die Strahlenbelastungdes Patienten erhöht.

Um das Nutzstrahlenbündel auf die gewünschte Grö-ße zu begrenzen sind Blenden im Röntgenstrahlereingebaut. Um die Größe und Lage des Strahlungs-feldes vor der Anwendung erkennen zu können, wirddurch einen Spiegel eine virtuelle Lichtquelle in diePosition des Röntgenfokus gebracht, die ein Licht-feld auf dem Objekt erzeugt, die dem Strahlungsfeldentspricht (Abbildung 6.31).

6.4 Kontrast und Streustrahlung

6.4.1 Das Problem

Bei der Wechselwirkung der Röntgenstrahlung mitdem Objekt wird die Strahlung nicht nur ge-

Abbildung 6.31: Lichtvisiertiefenblende.

schwächt, sondern es entsteht auch eine diffuseStreustrahlung. Bei den üblicherweise verwende-ten Röntgenenergien entsteht diese Streustrahlunghauptsächlich durch den Comptoneffekt, also dieStreuung eines einfallenden Röntgenphotons an ei-nem freien (schwach gebundenen) Elektron.

Da die Streustrahlung nicht zur Abbildung beiträgt,wird der Kontrast des Bildes reduziert. Das geschiehtallerdings nicht etwa durch eine Verschmierung derStrukturen, sondern die Gesamtintensität wird an-gehoben, der Kontrast wird also kleiner. Außerdemsteigt das Rauschen des Bildes mit der Wurzel ausder Anzahl der Röntgenquanten pro Bildpunkt an.Daher ist die einzig wirksame Maßnahme eine Re-duzierung der Streustrahlung im Bild.

Neben der Reduktion des Kontrastes trägt die Streu-strahlung auch zur Strahlenbelastung bei: sie gelangtin andere Bereiche des Patienten, die gar nicht im di-rekten Röntgenstrahl lagen. Das Personal wird durchBleifenster und -schürzen vor der Streustrahlung ge-schützt. Blenden werden in erster Linie verwendet,um die Entstehung der Streustrahlung zu reduzieren.Um die Auswirkung der Streustrahlung auf den Kon-trast des Bildes zu reduzieren, werden Streustrah-lenraster eingesetzt.

6.4.2 Kontrast

Die Charakterisierung der Qualität eines Strahlungs-bildes wird im Wesentlichen durch den Kontrastdurchgeführt. Wenn D1,2 zwei benachbarte Dosis-werte im Dosisprofil sind, dann ist der Kontrast

K :=|D1 −D2|D1 +D2

.

123

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6 Röntgendiagnostik

Abbildung 6.32: Wirkungsweise eines Streustrah-lenrasters.

Man kann nun den Gesamtstrahlungskontrast KG

ausrechnen, der durch die Nutzstrahlung (DosisDN )und die Streustrahlung (Dosis DS) entsteht. In guterNäherung ist diese gleichförmig über das gesamteBild verteilt. Es ergibt sich:

KG =|(D1N +DS)− (D2N +DS)|D1N +DS +D2N +DS

=1

1 + αKN ,

wobei KN der Kontrast ist, der ohne Streustrahlung,also nur auf Grund von Schwächungsunterschieden,entstehen würde. Der Parameter

α :=2DS

D1,N +D2,N

quantifiziert das Verhältnis von Streustrahlung zuNutzstrahlung. Er hat im Thoraxbereich für die übli-chen Feldgrößen einen Wert von etwa α ≈ 2, im Ab-domen typischerweise α ≈ 7. Die Strahlung hinterdem Objekt enthält also wesentlich mehr Streustrah-lung als bildwirksame Nutzstrahlung und der Kon-trast wird erheblich reduziert. Wegen dieser Kon-trastminderung ist der Einsatz eines Streustrahlenra-sters unumgänglich.

6.4.3 Streustrahlunterdrückung

Ein Streustrahlenraster (Abbildung 6.33) wird durchgeometrische Kenngrößen wie den Fokussierungs-abstand, die Anzahl der Lamellen pro Längenein-heit und das Schachtverhältnis charakterisiert. Typi-sche Werte für ein Lamellen-Raster: Die Höhe der

Abbildung 6.33: Form und geometrische Kenngrö-ßen eines Streustrahlenrasters.

Bleilamellen ist h = 1, 4mm bei einer Dicke vond = 0, 07mm. Die Dicke des Schachtmediums zwi-schen den Lamellen ist D = 0, 18mm bei einer An-zahl von 4 Bleilinien pro mm. Die weißen Linienauf Grund des Rasters verschlechtern die Ortsauflö-sung kaum; sie können ganz vermieden werden in-dem man das Raster während der Aufnahme schnellhin- und herbewegt.

Die wichtigste physikalische Kenngröße ist die Se-lektivität S := TN/TS , das Verhältnis der Nutz-strahlungstransparenz TN und der Streustrah-lungstransparenz TS . Als Transparenz wird indiesem Zusammenhang das Verhältnis von Dosis(oder Strahlungsintensität) mit Raster zu der Dosisohne Raster für die jeweilige Strahlungsart genannt.

Durch den Einsatz eines Streustrahlenrasters wirdder Parameter α, der das Verhältnis von Streustrah-lung zu Nutzstrahlung angibt, um den Faktor 1/S re-duziert. Für den Gesamtstrahlungkontrast ergibt sichnun

KG =1

1 + αS

KN .

S kann Werte von 5 bis 15 annehmen, abhängig vonder verwendeten Strahlungsenergie.

6.5 Bilderzeugung

6.5.1 Röntgenfilm

Die klassische Methode zum Aufnehmen von Rönt-genstrahlung ist der Röntgenfilm. Er besteht auseiner Trägerfolie mit Emulsionsschichten vorneund hinten. Eine Emulsionsschicht enthält kleineSilberbromid-Kristalle. Wenn ein Röntgenquant auf

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6 Röntgendiagnostik

den Kristall trifft, dann werden viele Bromionen oxi-diert und es entstehen freie Elektronen. Diese Elek-tronen werden an ”Keimen” eingefangen und die be-nachbarten Silberionen werden angezogen und re-duziert. Dadurch entstehen an den belichteten Stel-len Silberkeime. An diesen Keimen werden durchdas Entwickeln Millionen weitere Silberionen re-duziert und es entstehen Silberkörner. Das Fixie-ren löst überschüssiges Silberbromid aus der Emul-sionsschicht heraus. Dadurch verliert der Film seineLichtempfindlichkeit.

Der Vorteil von Röntgenfilmen ist die sehr gute Orts-auflösung von etwa 0.025 mm beim Einsatz vonSilberbromid, da die Kristalle sehr klein sind. DerNachteil ist, dass eine hohe Strahlungsdosis benö-tigt wird, denn nur 1% aller Röntgenquanten werdendurch den Röntgenfilm absorbiert. Das hat zum Ein-satz von Verstärkerfolien geführt. Röntgenfilme oh-ne Verstärkerfolien werden nur noch im Zahnrönt-gen eingesetzt.

6.5.2 Kontrast und Kennlinie

Die Schwärzung eines Röntgenfilms (oder Film-(Verstärker-)Folien-Systems) ist ein logarithmischesMaß für die Transparenz T (= transmittiertedurch auftreffende Lichtintensität), also der relativenDurchlässigkeit des geschwärzten Films für Licht:

S = − log10 T.

Dieses logarithmische Maß ist dem Helligkeitsemp-finden des menschlichen Auges angepaßt, die pro-portional zum Logarithmus der einfallenden Lichtin-tensität ist. Außerdem ist der Logarithmus der übereine Zeit t belichtenden Dosis ein Maß für denSchwächungskoeffizienten:

ln(D0

D

)= ln

(I0t

It

)= ln

(I0I

)= µd .

Abbildung (6.34) zeigt eine typische Kennlinie eines(Film-) Folien-Systems (Schwärzungskurve). Dermittlere Anstieg der Schwärzungskurve, die Grada-tion

G :=S2 − S1

log10(D2/D1)

Abbildung 6.34: Kennlinie eines (Film-) Folien-Systems.

gibt an, wie kleine Unterschiede in der Dosis insichtbaren Kontrast umgesetzt werden. Bei Röntgen-filmen liegt G bei 2.4 bis 2.6. Die Filmschwärzungohne Belichtung wird als Schleier bezeichnet.

Der Bildkontrast läßt sich durch die Gradation beein-flussen: eine höhere Gradation ergibt auch einen hö-heren Kontrast. Da gleichzeitig der Belichtungsum-fang verringert wird, steigt die Gefahr von Fehlbe-lichtungen. Die meisten Objekte in der Röntgendia-gnostik schöpfen den verfügbaren Belichtungsum-fang weitgehend aus wegen ihrer Transparenzunter-schiede, und daher tritt schon bei geringen Über- undUnterbelichtungen ein Informationsverlust ein. Dasist der größte Nachteil dieses Bildwandlersystems.

Im nutzbaren Bereich entsteht ein negatives Bild,das heißt ein großer linearer Schwächungskoeffizi-ent führt zu einer kleinen Schwärzung, Knochen er-scheinen daher auf dem Röntgenfilm transparent.

Als Empfindlichkeit wird die erforderliche Do-sis DB genannt für eine Schwärzung S = 1.Es gibt mehrere Empfindlichkeitsklassen EK :=1000µGy/DB . Ein System der Klasse 200 benö-tigt 5µ Gy für die Schwärzung S = 1. Gebräuch-liche Empfindlichkeitsklassen bewegen sich im Be-reich EK = 100..800.

6.5.3 Film-Folien-System

Bei einem Film-Folien-System wird die Emulsionvon einer Verstärkerfolie mit Leuchtstoffschicht um-geben.

In dieser Leuchtstoffschicht erzeugt ein einfallen-des Röntgenquant eine Vielzahl von freien Elektro-

125

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6 Röntgendiagnostik

Kassette

Verstärkerfolie mit LeuchtstoffschichtEmulsionTrägermaterial

Abbildung 6.35: Film-Folien-System (schematisch).

nen, die wieder eingefangen werden und dann inden Grundzustand relaxieren. Das dabei ausgesandteLumineszenzlicht belichtet den Film.

Der Vorteil dieses Systems ist der größere Röntgen-schwächungskoeffizient, da bei der Lumineszenz-schicht Elemtente hoher Dichte und mit hohem Zeingesetzt werden können. Weiterhin kann man dieLeuchtstoffschicht wesentlich dicker machen, da sienicht entwickelt werden muss, und so die Ausbeuteerhöhen.

Abbildung 6.36: Wirkungsgrade der Röntgenab-sorption und Lichtemission

Da ein Röntgenquant viele sichtbare Photonen er-zeugt, ist eine Dosisverstärkung mit einem Faktorvon 10 bis 20 möglich. Wie die Tabelle zeigt, hängtder genaue Wert von der Röntgenenergie und demLeuchtstoff ab. Der Nachteil ist eine schlechtereBildschärfe, da das Fluoreszenzlicht in alle Richtun-gen gestreut wird, in der Emulsion also ein Lichtke-gel wirksam ist.

Abbildung 6.37: Bildschärfe bei Film-Folien-Systemen.

6.5.4 Speicherfolien

Speicherfolien haben eine ähnliche Funktionsweisewie Verstärkerfolien. Der Unterschied besteht dar-in, dass der Übergang vom Leuchtzentrum in denGrundzustand, der das Lumineszenzlicht zur Folgehat, nun optisch verboten ist. Die Leuchtzentren blei-ben also angeregt. Um das Bild abzutasten wird einLaserscanner mit kleinem Fokus benutzt, der das Zu-rückfallen in den Grundzustand möglich macht. Dasdabei entstehende Licht wird mit Photomultipliernregistriert und insgesamt das Bild zeilenweise digi-talisiert. Nach dem Auslesen muss die Verstärkerfo-lie gelöscht werden, dann kann sie wieder eingesetztwerden. Abgesehen von dem Vorteil, ein digitalesBild zu erhalten, haben Speicherfolien auch einengroßen Dynamikbereich, Fehlbelichtungen sind da-her selten.

Abbildung 6.38: Prinzip von Speicherfolien.

6.5.5 Selen-Filme

Selen-Filme wurden ursprünglich als Ersatz fürRöntgenfilme entwickelt um das Entwickeln undFixieren zu vermeiden. Neuerdings werden Selen-Filme in der digitalen Radiographie eingesetzt.Das Verfahren ist weitgehend identisch mit derFotokopier-Technik.

Der Selen-Film ist auf einem Träger aufgebrachtund wird positiv aufgeladen. Ein einfallendes Rönt-genquant erzeugt freie Elektronen und die positive

126

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6 Röntgendiagnostik

Abbildung 6.39: Selen-Filme (schematisch).

Raumladung wird abgebaut. Wenn nun eine Auf-schlämmung mit Toner erfolgt, bleibt dieser überallda haften, wo noch eine positive Raumladung vor-handen ist.

Neuerdings wird die Raumladung als Alternative miteinem Kondensatorkamm abgefragt. Auch hier kannman nach dem Auslesen eine Löschung durchfüh-ren, wodurch eine Wiederverwendung möglich ist.Vorteil ist auch hier der große Dynamikbereich.

6.5.6 Festkörperdetektoren

Bei Festkörperdetektoren wird die Röntgenstrah-lung in einer Szintillatorschicht in sichtbares Lichtumgewandelt. Übliche Szintillatormaterialien sindGadoliniumoxysulfid und Thallium-dotiertes Cäsiu-miodid (CsI:Tl), das eine hohe Umwandlungseffek-tivität besitzt. Der größte Vorteil von CsI ist, dass esso hergestellt werden kann, dass sich eine Säulen-struktur auf den Kristallisationskeimen an der Un-terlage bildet. Auf diese Weise sind relativ dickeLeuchtschichten von ungefähr 0.4mm möglich, ohnedass die räumliche Auflösung darunter leidet.

Das Szintillationslicht, das im CsI gebildet wird,breitet sich entlang dieser Säulen aus, welche alsLichtleiter wirken. Dadurch ist die Auflösung nichtdurch die Dicke der Schicht, sondern lediglich durchden Durchmesser der Säulen beschränkt.

Zur Detektion werden Photodioden aus amorphenSelen mit Dünnfilm-Dioden oder Transistoren ein-gesetzt. Eine andere Möglichkeit ist wieder die Aus-nutzung der lokalen Ladungsreduktion einer aufge-

Abbildung 6.40: Nadelförmige CsI-Kristalle.

ladenen Selenschicht mit der Speicherung der po-sitiven Ladungen auf Kondensatoren, die zyklischdurch Dünnfilmtransistoren ausgelesen werden. Dieerhaltenen elektrischen Signale sind direkt propor-tional zur eingefallenen Dosis. Da kein Steulicht auf-tritt ist das Auflösungsvermögen besser als bei derersten Varianten der Festkörperdetektoren.

Eine dritte Bauform ist die Verwendung von CCD(charge coupled devices) chips.

6.5.7 Röntgenbildverstärker

Häufig möchte der Arzt Bewegungsabläufe oder dieAusbreitung eines Kontrastmittels im Körper konti-nuierlich beobachten. Früher stand der Arzt bei ein-geschalteter Röntgenstrahlung vor einem Fluores-zenzschirm, was zu einer extrem großen Strahlenbe-lastung von Patient und Arzt führte. Heute wandelnRöntgenbildverstärker die einfallende Röntgenstrah-lung in sichtbares Licht um.

Abbildung 6.41: Schema einer Röntgenbildanlage(unten) und des Röntgenbildver-stärkers (oben).

In der Abbildung 6.41 ist eine Röntgenbildanlage zu

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6 Röntgendiagnostik

sehen, bei der zwischen drei Aufnahmearten umge-schaltet werden kann. Stehende Bilder können zumBeispiel mit einer Kamera abfotographiert werden,oder der Leuchtschirm kann mit einer Videokameraaufgenommen und auf einem Monitor wiedergege-ben werden.

Das Eingangsfenster des Röntgenbildverstärkers isttypischerweise aus Aluminium. Es besitzt für dia-gnostische Röntgenstrahlung eine 90%-ige Trans-mission und hält dem Atmosphärendruck stand. AmEingang des Röntgenbildwandlers wird die einfal-lende Röntgenstrahlung in sichtbare Photonen um-gewandelt. Dies geschieht mit einem Leuchtschirmaus Na-dotiertem CsI . Diese Photonen treffen aufeine Photokathode, wo Elektronen herausgelöst wer-den. Diese werden in einem Vakuumgefäß mit 25−30 kV beschleunigt und auf dem Ausgangsleucht-schirm abgebildet. Dieser wiederum kann direkt be-obachtet werden oder wie eben beschrieben abge-filmt werden.

6.6 Abbildungsqualität

6.6.1 Abbildungsgüte

Die Bildgüte wird letztendlich gemessen an derQualtität der diagnostischen Aussage. Sie wird be-einflusst von

• Eigenschaften des Bilderzeugungssystems,

• Eigenschaften des abzubildenden Objekts,

• Bedingungen bei der Bildbetrachtung,

• und nicht zu vergessen den Leistungen des Aus-werters!

Die physikalische Abbildungsgüte kann quantifiziertwerden durch

• Bildschärfe

• Kontrast

• Rauschen

• Artefakte

Eine objektive Beschreibung ist möglich durch dieModulationsübertragungsfunktion (MÜF oder eng-lisch MTF), die Übertragungskennlinie und dasWiener-Spektrum. Trotzdem ist der Einfluss auf dia-gnostische Aussagen schwer abzuschätzen, und sowerden Auswerteexperimente gemacht, die die Er-fahrung der Auswerter mit berücksichtigt. Das Er-gebnis wird durch eine ROC-Kurve (ROC: ReceiverOperating Characteristic) dargestellt.

6.6.2 Bildschärfe,Modulationsübertragungsfunktion

Die Bildschärfe ist verbunden mit der Wiedergabevon Konturen. Eine scharfe Kante wird nicht zu ei-nem Sprung im Schwärzungsverlauf führen, sonderneine Unschärfe im Übergangsbereich besitzen. Ge-messen wird dies durch die Abbildung von Rastern,das visuelle Auflösungsvermögen wird als AnzahlLinienpaare pro Milimeter angegeben (lp/mm).

Um den Begriff der räumlichen Auflösung zu präzi-sieren dient die Modulationsübertragungsfunkti-on (MÜF, MTF). Angenommen wird, dass ein Ob-jekt im Röntgenstrahlengang ist, das am Ausgang zueiner sinusförmig modulierten Intensitätsverteilungführt. Ein ideales Bild (das ”Original”) hätte einenGrauwert (in einer Dimension) von

g(x) = 〈g〉+A0 sin(2πxu) ,

wobei 〈g〉 der mittlere Grauwert des Originals ist,A0 die Amplitude der Grauwertmodulation und u :=1/λ die räumliche Frequenz der Grauwertmodula-tion darstellt.

Bei einem linearen Übertragungssystem wird dasBild zu

b(x′) = 〈g〉+A0 sin(2πx′u) · η(u) ,

und η(u) ist die Modulationsübertragungsfunktion,mit 0 ≤ η(u) ≤ 1. Die Benutzung der MÜF hat denVorteil, dass die MÜF eines Gesamtsystems gegebenist durch das Produkt der MÜFs der Einzelkompo-nenten.

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6 Röntgendiagnostik

Abbildung 6.42: Abbildung von Rastern mit unter-schiedlicher Anzahl von Linien promm.

Wenn die Wellenlänge des abzubildenden Rasters zuklein ist, dann geht η → 0, der Bildinhalt geht verlo-ren da nur noch der Mittelwert des Bildes bleibt. Istdie Wellenlänge der Modulation groß genug, dannist η ≈ 1 und das Bild entspricht dem Original. Stattdie MÜF mit vielen Sinus-Rastern unterschiedlicherFrequenz zu messen wird ein rechteckförmiges Blei-strichraster mit zunehmender Frequenz benutzt.

Formal ist ein lineares Übertragungsystem charakte-risiert durch die Impulsantwort (point spread func-tion) h(x, y) des Systems. Dessen (zweidimensio-nale) Fourier-Transformierte nennt man die komple-xe ÜbertragungsfunktionH(u, v). Die Modulations-übertragungsfunktion ist der Betrag der normiertenkomplexen Übertragungsfunktion:

MTF (u, v) = |H(u, v) | / |H(0, 0) |

mit H(0, 0) = 1.

6.6.3 Bildunschärfe

Ursachen für Bildunschärfen sind:

• Geometrische Unschärfe durch die endlicheGröße des Röntgenfokus;

• Bildwandlerunschärfe durch Lichtstreueffekte(siehe vorher);

• Bewegungsunschärfe;

• Objektunschärfe (Absorptionsunschärfe), dasich die Strahlungsschwächung nicht sprung-haft ändern kann wegen der Form der Objekt-strukturen.

Abbildung 6.43: Bildwandlerunschärfe durch Licht-streuung.

Abbildung 6.44: Objektunschärfe.

6.7 Computer Tomographie

Während normale Röntgenbilder eine zweidimen-sionale Projektion ergeben ist es auch möglich, mitHilfe vieler solcher Aufnahmen ein dreidimensiona-les Objekt zu rekonstruieren. Da dafür ein Compu-ter benötigt wird bezeichnet man das Verfahren alsComputer Tomographie.

6.7.1 Prinzip

Die Computer Tomographie (CT) verwendet dasgleiche physikalische Prinzip wie das Projektions-röntgen. Bei der CT werden jedoch viele einzelneProjektionsbilder augenommen, indem die Röntgen-quelle und der Detektor um das Objekt (den Patien-ten) gedreht werden. Aus dieser Vielzahl von Projek-tionen berechnet ein Computer durch Rückprojek-tion die dreidimensionale Elektronendichte im Ob-jekt.

Das Einsatzgebiet umfasst hauptsächlich Unfalldia-gnostik und Untersuchungen von Kopf, Lunge undBewegungsapparat. Die Operationsplanung in derEndoprothetik, zum Beispiel bei der künstlichenHüfte, basiert heute auf den dreidimensionalen CT-Datensätzen. Quantitative CT ist wie bei dem Pro-jektionsröntgen nur eingeschränkt möglich. Ein Ein-

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6 Röntgendiagnostik

satzgebiet ist zum Beispiel die Messung des Kno-chenzustandes im Verlauf einer Therapie oder Er-krankung.

Die Computer Tomographie (CT) wird manchmalauch als TCT, als Transmissions-CT bezeichnet, umsie von der Emissions-CT (ECT) zu unterscheiden,die in der Nukleardiagnostik behandelt wird. DieCT ist ein rekonstruktives Bilderzeugungssystem,das bedeutet die Bildinformation ist in den Messda-ten verschlüsselt. Zusätzlich zu der reinen bildli-chen Darstellung ist quantitative CT möglich, al-so zum Beispiel die Knochendichtebestimmung, dieBestimmung von Lungendichte und -struktur sowieGewebeperfusion.

Die grundlegende Idee ist, das Objekt aus un-terschiedlichen Projektionswinkeln abzutasten unddurch anschließende Rekonstruktion das Bild zu er-halten. Es gibt zwei Konstruktionsverfahren: die ite-rative Rekonstruktion und die Rekonstruktion ba-sierend auf Integraltransformationen, die Radon-Transformation. Die iterative Rekonstruktion war hi-storisch wichtig, sie wurde in den Anfängen der CTbenutzt. Heutzutage wird sie nur noch in der Nu-kleardiagnostik verwendet.

6.7.2 Iterative (CT-) Rekonstruktion

Um die iterative Rekonstruktion zu verdeutlichen,wird ein einfaches Objektmodell betrachtet (Abbil-dung 6.45).

Abbildung 6.45: Einfaches Objektmodell.

Die Schwächung der Röntgenstrahlung erfolgt nachdem Schwächungsgesetz. Für D1 erhält man

D1 = D0e−(µ11+µ12)∆x

oder

1∆x

· ln(D0/D1) = µ11 + µ12 .

Die einfallende Dosis D0 ist bekannt, die Dicke ∆xeines Pixels ebenso. Gemessen wird D1„ also erhältman mit dem Messwert die Summe der auf dem Pro-jektionsstrahl liegenden linearen Schwächungskoef-fizienten. Allgemeiner ist der Messwert die Projek-tion der zweidimensionalen Verteilung der linearenSchwächungskoeffizienten µij .

Um ein Bild des Objektes selber zu erhalten mussdiese Projektion invertiert werden: aus den gemes-senen Projektionswerten Di soll die Verteilung derSchwächungskoeffizienten µij berechnet werden.

Abbildung 6.46: Schema der iterativen Rekonstruk-tion.

Das prinzipielle Vorgehen ist in der Figur skizziert.Ausgehend von einer beliebigen Anfangsverteilungwerden die Pixel in einer Projektionsrichtung so kor-rigiert, dass die Messwerte herauskommen. Das gan-ze wird iterativ für alle gemessenen Projektionsrich-tungen durchgeführt (Abbildung 6.46).

6.7.3 Radon-Transformation

1917 wurde von J. Radon die Arbeit mit dem Titel”Über die Bestimmung von Funktionen durch ihreIntegrale längs gewisser Mannigfaltigkeiten” veröf-fentlicht, und erst über 50 Jahre später hat sie in derCT ihre Anwendung durch G.N. Hounsfield gefun-den. 1979 bekamen G.N. Hounsfield und A.N. Cor-

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6 Röntgendiagnostik

mack den Nobelpreis für ihre Arbeiten auf dem Ge-biet der CT.

Die Idee ist, eine beliebig integrierbare Funktiong(x, y) durch alle geraden Linienintegrale über dasDefinitionsgebiet von g zu beschreiben. Wegen red-undanter Information benötigt man für die Rekon-struktion nicht alle Linienintegrale.

Die Gesamtheit aller Projektionen

pΘ(ξ) :=∫ ∞

−∞dη g(x, y)

wird als Radontransformierte bezeichnet. Hier be-zeichnen η und ξ die Koordinaten des (um θ) gedreh-ten Systems (siehe Fig. 6.47).

Abbildung 6.47: Projektion einer zweidimensiona-len Funktion.

Ein quantitatives Beispiel ist die Projektion derFunktion f(x, y), die in einem kreisförmigen Ge-biet (Radius R0) den Wert a besitzt und ansonstenNull ist. Die Projektion zum Winkel Θ = 0◦ ergibtp0(x) = 2a

√R2

0 − x2 für |x| ≤ R0 und verschwin-det für andere Werte. Die Projektion p0(x) stellt so-mit eine Ellipsen-Hälfte dar.

6.7.4 Zentralschnitt-Theorem

Das Zentralschnitt-Theorem (auch als Fourier-Scheiben-Theorem bekannt) sagt Folgendes aus:

Die bei einem Schnitt durch die zweidimensio-nale Fourier-Transformierte G(kx, ky) von g(x, y)unter dem Winkel Θ sich ergebende FunktionGΘ(k) ist gleich der eindimensionalen Fourier-Transformierten der Projektion pΘ(ξ): PΘ(k) =GΘ(k).

Abbildung 6.48: Veranschaulichung desZentralschnitt-Theorems.

Die Rekonstruktion des Bildes kann also wiefolgt durchgeführt werden: Durch eindimensionaleFourier-Transformation aller gemessenen Projektio-nen kann die zweidimensionale Fouriertransformier-te G(k,Θ) von g(x, y) zusammengesetzt werden.Die gesuchte Bildfunktion g(x, y) erhält man durchdie inverse Fourier-Transformation von G(k,Θ).

6.7.5 Gefilterte Rückprojektion

Die Radontransformation beziehungsweise dasZentralschnitt-Theorem kann auch so gedeutetwerden, dass das Spektrum P (k,Θ) mit der Fil-terfunktion |k| gefiltert worden ist. Denn für dieBildfunktion

g(x, y) =12π

∫ ∫ +∞

−∞dkxdky G(kx, ky) ei2π(xkx+yky)

kann man zeigen, dass

g(x, y) =12π

∫ π

0dΘ

{∫ ∞

−∞dk P (k,Θ) |k| ei2πkξ

}=

12π

∫ π

0dΘ

{p(ξ,Θ) ∗ F−1 {|k|}

}gilt. Der Faltungskern F−1 {|k|} ist unabhängigvom Projektionswinkel, das heißt alle Projektionenwerden mit dem gleichen Kern gefaltet. Das eröff-net die Möglichkeit, statt des ”richtigen” Kerns ei-ne modifizierte Filterfunktion zu verwenden, die

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6 Röntgendiagnostik

die hohen und mittleren Ortsfrequenzen unterschied-lich stark anheben. Verwendet werden glättende undhochauflösende Filter beziehungsweise Faltungsker-ne.

Die gefilterte Rückprojektion muss für die Pra-xis diskretisiert werden. Ein Vorteil der gefiltertenRückprojektion besteht darin, dass direkt nach demErfassen der ersten Projektion schon mit der Faltungund Rückprojektion begonnen werden kann.

Abschließend noch ein Beispiel wie sich eine Filte-rung auf ein punktförmiges Objekt auswirken kann(Abbildung 6.49).

Abbildung 6.49: Vergleich einer gefilterten und ei-ner ungefilterten Rückprojektion.

6.7.6 Hounsfield-Einheit

Auch in der CT werden ”Schattenbilder” aufgenom-men, wobei die transmittierte Röntgenintensität I =I0e

−R

dl µ(l) maßgebend ist. Daraus werden Schicht-bilder rekonstruiert, die die Verteilung der linea-ren Schwächungskoeffizienten in der Objektschichtdarstellen. Für die praktische Darstellung werdenstatt der Schwächungskoeffizienten relative Schwä-chungswerte benutzt, die in Hounsfield-EinheitenHU gemessen werden.

Die Hounsfield-Einheit ist definiert realtiv zum li-nearen Schwächungskoeffizienten von Wasser, µW :

H := 1000 · µ− µW

µW

Abbildung 6.50: Schema der Hounsfield-Skala.

Die Röntgenschwächungskoeffizienten von Körper-gewebe in Hounsfield-Einheiten reicht von +3000für Knochen bis zu -1000 für Luft. Die meistenWeichteilgewebe überlappen in einem Bereich vonetwa -200 bis +100. Da dies häufig keinen ausrei-chenden Kontrast ergibt werden Kontrastmittel ver-wendet um den Konstrast zu erhöhen.

Abbildung 6.51: Röntgenschwächungskoeffizientenverschiedener Körpergewebe inHounsfield-Einheiten.

6.8 Technik der CT Scanner

6.8.1 1. Generation

Für die ersten CT-Aufnahmen um 1970 benutz-te G.N. Hounsfield als Strahlenquelle (γ-Strahlung)24195 Am (Americium). Röntgenröhre und Detektorbewegten sich für jede Projektion am Objekt vorbei.Für die Aufnahme wurden 28000 Einzelpunkte ge-messen und die Messdauer betrug 9 Tage.

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6 Röntgendiagnostik

Abbildung 6.52: CT-Scanner der 1. Generation.

Wie in der Figur gezeigt kann man mit jedem ein-zelnen Positionswert von Quelle und Detektor einLinienintegral messen, d.h. einen Punkt der Radon-transformierten bestimmen. Um die weiteren Punktezu messen werden Quelle und Detektor verschobenund danach um den Körper gedreht. Durch diesesschrittweise Aufnahmeverfahren wurde die Messzeitrelativ lang.

Für die iterative Rekonstruktion des ersten Bildes be-nötigte Hounsfield 2.5 Stunden. Für die ersten Test-messungen wurden Aufnahmen von (toten) Gehirn-en gemacht, danach wurden auch Messungen an le-benden Probanden (z.B. Hounsfield) durchgeführt.

Die ersten Erweiterungen betrafen die Quelle: siewurde durch eine Röntgenröhre ersetzt. Dadurchwurde die Dosis ergeblich gesteigert und die Mess-zeit auf wenige Stunden reduziert. Das Systemwurde auch vergrößert, so dass auch Ganzkörper-Messungen möglich wurden.

6.8.2 2. Generation

Beim CT-Scanner der 2. Generation wird durch einDetektor-Array gleichzeitig ein ganzer flacher Strah-lenfächer genutzt.

In der Anfangsphase 1975 betrug der Öffnungs-winkel 10◦, und es waren etwa 30 Detektoren inReihe angebracht. Die Aufnahmezeit konnte da-durch, und durch den Einsatz einer Hochleistungs-Röntgenröhre, auf 20 Sekunden reduziert werden.

Wie in der Figur gezeigt muss in diesem Systemdas System aus Quelle und Detektor seitlich verfah-ren und gedreht werden, um den gesamten Raumabzudecken. Jeder Datenpunkt entspricht einer inte-grierten Absorption. Für eine gegebene Schnittebene

Abbildung 6.53: CT-Scanner der 2. Generation:Funktionsweise (links) und Da-tenaufnahme im Radon-Raum(rechts).

werden die Datenpunkte als Funktion des Winkelsunter dem der Röntgenstrahl läuft und der Projekti-onsebene und der Position s auf dem Detektor ge-messen. Wie aus der Figur hervorgeht sind die bei-den Parameter nicht unabhängig voneinander.

Für die Rücktransformation sollten die Daten in ei-nem gleichmäßigen, rechteckigen Raster angeordnetsein. Da die Daten nicht direkt in dieser Form anfal-len verwendet man ein Interpolationsverfahren.

6.8.3 3. Generation

Wenig später wurden CT-Scanner der 3. Generationeingesetzt, und noch heute sind viele der hergestell-ten Geräte CT-Scanner der 3. Generation.

Es werden 500 bis 800 Detektoren pro Array be-nutzt, und pro Sekunde können 1000 Projektionenaufgenommen werden. Wie im s− θ Diagramm ge-zeigt werden hier alle Werte von s gleichzeitig aufge-nommen. Sie experimentellen Punkte im s − θ Dia-gramm liegen auf einer geneigten Geraden. Das Sy-stem muss jetzt nur noch gedreht werden, d.h. ims − θ Diagramm wandern die Messpunkte horizon-tal.

Prinzipiell sind die Messungen unter einer Drehungum π invariant. Es kann sich aber trotzdem loh-

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6 Röntgendiagnostik

Abbildung 6.54: CT-Scanner der 3. Generation undDatenaufnahme im Radon-Raum(rechts).

nen, die Messungen über den ganzen 2π Bereichdurchzuführen: indem man in der Röntgenröhre denBrennfleck durch elektrische Felder etwas verschiebtgelingt es einem, zusätzliche Messpunkte aufzuneh-men, welche zwischen den Punkten der ersten Halb-runde liegen.

6.8.4 4. Generation

CT-Scanner der 4. Generation benutzen einen ste-henden geschlossenen Detektorring mit 5000 Detek-toren auf dem Kreis. Auch hier können 1000 Projek-tionen pro Sekunde aufgenommen werden.

Abbildung 6.55: CT-Scanner der 4. Generation undDatenaufnahme im Radon-Raum(rechts).

Damit die Detektoren den Röntgenstrahl nicht störenist der Detktorring leicht geneigt.

Um den Schnittbereich einstellen zu können werdenzum einen Lichtvisiertiefenblenden eingesetzt (sie-he vorher), und für die Feineinstellung kann ein Sca-nogramm des Patienten aufgenommen werden, beider die Röhre und der Detektor ortsfest bleiben, und

der Patient in einem kleinen Bereich durch den CT-Scanner geschoben wird.

Abbildung 6.56: Scanogramm.

6.8.5 Röntgendetektoren in der CT

Da die Daten für die CT digital weiter verarbeitetwerden müssen sie digital aufgenommen werden.Als Detektoren kommen deshalb nur elektronischeDetektoren in Frage, keine Filme. Die Detektorensollten außerdem möglichste empfindlich sein, umdie Messzeit möglichst kurz und die Strahlenbela-stung möglichst gering zu halten. Man verwendetdeshalb überwiegend zwei Typen von Röntgendetek-toren: Xenon-Hochdruckionisationskammern undSzintillationskristalle mit Photodioden.

Abbildung 6.57: Schematischer Aufbau von Xenon-Hochdruckionisationskammern(links) und Szintillatorkristallenmit Photodetektoren (rechts).

Die Ionisationskammer ist ein Kreissegment mit ei-ner Länge von typischerweise 10 cm und einigen Mi-

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6 Röntgendiagnostik

limetern Höhe. Sie ist mit Xenon-Gas bei 20 bar ge-füllt und besitzt eine Quanteneffizienz (DQC: Detec-tive Quantum Efficiency) von bis zu 60%. Gemessenwird der Strom zwischen Anode und Kathode, derproportiaonal zur einfallenden Röntgenleistung ist.Die Abklingzeit beträgt etwa 1µs, so dass Messwer-te relatic schnell aufgenommen werden können.

Beim Szintillations-Detektor werden, wie schon vor-her beschrieben, etwa 10 mm lange nadelförmigeCsI-Kristalle verwendet. Im Gegensatz zum Einsatzbei Röntgenbildverstärkern verwendet man völligtransparente Einkristalle, die an den Seiten verspie-gelt sind. Auf diese Art und Weise treffen alle entste-henden Lumineszenz-Photonen irgendwann auf derUnterseite auf, wo sie mit Photodioden gemessenwerden. Die Lumineszenz-Abklingdauer liegt unter1µs.

6.8.6 Auflösung

Die Auflösung der CT ist (wie beim Projektions-röntgen) durch die endliche Größe der Detektorenund des Fokus auf der Anode der Röntgenröhrebestimmt. Beide liefern jeweils einen Beitrag zurModulations-Transferfunktion.

Abbildung 6.58: Auflösungsgrenzen auf Grund end-licher Größe von Detktor und Quel-le

Für einen Fokusdurchmesser F beträgt der effektiveFokusdurchmesser in der Probe

bF = FA−R

A

und für den Detektor entsprechend

bD = DR

A.

Diese Auflösungen beziehen sich zunächst auf ein-zelne Projektionen. Soll sie auf die gesamte CT Mes-sung übertragen werden, so benötigt man entspre-chend viele Projektionen in unterschiedliche Rich-tungen.

Um die Bilder korrekt rekonstruieren zu können be-nötigt man prinzipiell Detektoren, deren Messköp-fe größer sind als die Abstände zwischen den Zel-len - sonst wird das Abtasttheorem veletzt. Dies ge-lingt bei den Scannern der dritten Generation, da indiesem Fall eine elektrische Verschiebung des Fokusverwendet werden kann, um die Anzahl der gemes-senen Bildpunkte zu verdoppeln.

6.8.7 Artefakte

Die Verletzung der Bedingungen für die Bildrekon-struktion führt zu Artefakten. Artefake sind künstli-che Strukturen im Bild, für die es in dem abgebilde-ten Objekt keine Entsprechung gibt. Mögliche Arte-fakte sind:

• Bewegungsartefakte führen zu Streifenarte-fakten im Bild.

• Aufhärtungsartefakte führen zu sogenanntenHounsfield-Balken. Wegen der spektralen Ver-teilung der Bremsstrahlung wird die Strahlungmit zunehmender Länge des Absorptionswegesaufgehärtet. Volumenelemente gleichen Mate-rials haben einen scheinbar geringeren Schwä-chungskoeffizienten in größerer Objekttiefe.

• Metallartefakte entstehen durch Totalabsorp-tion der Strahlung und führen zu inkonsisten-ten Messwerten und daraus bedingt Streifenar-tefakten im Bild.

• Partialvolumenartefakte entstehen durchnicht homogene Voxel (wie in der MRI auch).Läuft ein Teil des Strahls durch einen Bereichmit Röntgenschwächungskoeffizienten µ1,und

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6 Röntgendiagnostik

ein anderer Teil des Strahls durch einen Bereichµ2,. Treffen diese beien Teilstrahlen auf dengleichen Detektor, so registriert dieser dieIntensität

J = J012

[e−µ1∆x + e−µ2∆x

]6= J0e

−µ1+µ22

∆x .

Mögliche Folgen sind eine nichtlineare Mitte-lung über die Schichtdicke, sowie Verfälschungvon dünnen Objekten, die schräg durch dieSchicht verlaufen (Blutgefäße!).

• Streustrahlartefakte wurden bereits disku-tiert.

• Kopplungsartefakte: zwei getrennte Struktu-ren laufen ineinander.

Abbildung 6.59: Artefakte bei der CT.

6.9 Phasenkontrast-Mikrotomographie

6.9.1 Mikrotomographie

Röntgentomographie wird nicht nur im klinischenBereich verwendet, sondern auch für andere For-schungszwecke. So kann man mit Hilfe von sehrhoch aufgelösten Aufnahmen die Struktur von Kno-chen, Nerven und anderen Geweben im Detail un-tersuchen. Wenn man Geräte baut, welche nicht fürMenschen ausgelegt sind, so wird es möglich, sehrhohe Auflösungen zu erreichen. Pionierarbeit fürdiese Anwendungen hat Prof. Bonse (E1) geleistet.

In der Micro-CT (µ-CT) werden Proben abgebildetmit einer hohen räumlichen Auflösung in der Grö-ßenordnung µm. In der Figur ist ein Knochen ei-nes Osteoporose Patienten gezeigt. Anhand solcher

Abbildung 6.60: Knochen eines Osteoporose Patien-ten

Aufnahmen werden z.B. die Wirkungen von Medi-kamenten überprüft.

6.9.2 Phasenkontrast

Bei Röntgenaufnahmen wird normalerweise die Ab-sorption des Gewebes gemessen. Eine Alternativedazu ist die Messung einer Phasenänderung. Dabeiwird die Phasenänderung von Röntgenstrahlen in ei-nem Medium mit dem Brechungsindex n, im Ver-gleich zu der Ausbreitung im Vakuum, ausgenutzt.

Vakuum

Medium

Abbildung 6.61: Phasen- und Amplitudenänderungeines (monochromatischen) Rönt-genstrahls beim Durchqueren einesMediums mit dem Brechungsindexn.

Die in der Abbildung 6.61 gezeigte Phasenänderungist in der Realität etwa 106 mal kleiner. Außer derPhasenänderung tritt auch eine Schwächung auf, dieden Phasenkontrast beeinträchtigen kann. Der Pha-senkontrast erlaubt insbesondere auch, bei Weichtei-

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6 Röntgendiagnostik

len einen guten Kontrast zu erzielen, wo die Absorp-tion üblicherweise nur wenig Kontrast ergibt.

Eine Phasenänderung kann nicht direkt nachgewie-sen werden: Das Signal eines Röntgendetektors istproportional zur Intensität und damit unabhängigvon der Phase. Um die Phase messen zu können, be-nötigt man eine interferometrische Messmethode -ähnlich wie bei der Holographie.

6.9.3 Röntgen-Interferometrie

Der typische Aufbau ist in der Abbildung 6.62 zu se-hen. Für die Messung benötigt man kohärentes Rönt-genlicht.

Synchrotronstrahlung

NaJ-DetektorInterferometerProbe

Flüssigkeitszelle

( ρMedium ≈ ρProbe )=> Probengeometrie hat keinenEinfluß auf Interferenzmuster)

“beam stop”Phasenschieber

Monochromator

Abbildung 6.62: Röntgen-Interferometer.

Als Quelle dient Synchrotronstrahlung, die durcheinen Monochromator schmalbandig gemacht wird.Der Röntgenstrahl wird durch Bragg-Reflexion aneinem Kristall in zwei Teilstrahlen aufgeteilt. Der ei-ne Teilstrahl durchstrahlt die Probe, der andere dientals Referenzstrahl. Diese beiden Strahlen werden zurInterferenz gebracht und das Interferenzmuster wirdmit dem Detektor aufgenommen.

Wenn man den Referenzstrahl mit dem beam stopausblendet, dann erhält man das sogenannte Attenua-tion Phase Contrast Image, das dem Vergleich die-nen soll.

Die Probe befindet sich in einer Flüssigkeitszelle,deren mittlere Dichte auf die der Probe angepasstist, um Einflüsse der Probengeometrie auf das Inter-ferenzmuster zu vermeiden. Die Einstellung des In-terferometers auf maximale Intensität der interferie-renden Strahlen wird mit dem NaI-Detektor durch-geführt.

Bei der Attenuation-µ-CT (AµCT) sind die Projek-tionen normierte Intensitätsprofile:

In(x, z) :=I(x, z)I0(x, z)

= e−µ(x,z) ,

mit µ(x, z) =∫dy τ(x, y, z), wenn τ der ortsab-

hängige Abschwächungskoeffizient und y die Ein-fallsrichtung der Röntgenstrahlung ist.

Bei der PµCT werden Phasenverschiebungsprofileφ(x, z) aufgenommen:

φ(x, z) = 2π∫dy n(x, y, z) ,

hier ist n der ortsabhängige Brechungsindex, der dieProbenstruktur wiederspiegelt. Die Phasenverschie-bungsprofile werden im Rechner aus den Interfe-renzmustern gewonnen.

6.9.4 Anwendung: Nervengewebe

Abbildung 6.63: Interferenzmuster. Oben mit Probe,in der Mitte ohne Probe und untenist die Summe der Projektionen miteiner Phasenverschiebung um π zusehen.

In der Abbildung 6.63 sind oben Interferenzmustermit Probe zu sehen, darunter ohne Probe. Aufnah-mebedingungen: Trigeminus Nervs einer Ratte; Mes-sung bei 12 keV. Die vier unterschiedlichen Aufnah-men entsprechen unterschiedlichen Phasenverschie-bungen ϕ, welche durch die Einstellung des Phasen-schiebers im Aufbau erzeugt werden. Unten sind dieSummen der Projektionen mit einem Phasenunter-schied von π zu sehen, die als Test dazu dienen, wie

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6 Röntgendiagnostik

konsistent die Phasenmessung ist. Die übrig geblie-bene leichte Modulation kommt durch die Abschwä-chung des Signals zustande.

Abbildung 6.64: Kontrastvergleich AµCT undPµCT.

In der Abbildung 6.64 wird der Kontrast zweier Bil-der, gewonnen mit AµCT und PµCT, verglichen. Beider PµCT kann man quantitative Strukturmessungendurchführen. Es kann die Elektronendichte und dieMassendichte bestimmt werden.

Abschließend ein repräsentativer Vergleich eines To-mogramms vom Trigemonius-Nerv einer Ratte miteinem histologischen Schnitt (Abbildung 6.65).

Histologischer Schnitt Tomogramm (12keV)

Gelb: Nervengewebe

Blau: Gehirn

Histologischer Schnitt Tomogramm (12keV)

Gelb: Nervengewebe

Blau: Gehirn

Abbildung 6.65: Vergleich zwischen einem histolo-gischem Schnitt und einer PµCT-Aufnahme.

Der Übergang vom Nervengewebe (gelb) zum Ge-hirn (blau) ist in der PµCT-Aufnahme deutlich zu

erkennen.

6.9.5 Vergleich Phasenkontrast -Amplitudenkontrast

Eine mögliche Basis für den Vergleich der beidenTechniken ist die Bestimmung der Gewebedicke,welche notwendig ist, um das maximale Signal um1% abzuschwächen. Diese ist bei einer Phasenkon-trastmessung deutlich kleiner als bei einer Ampli-tudenkontrastmessung (Abbildung 6.66: Messung inWasser).

Abbildung 6.66: Vergleich der 1%-Schichtdickenbei AµCT und PµCT.

Der Phasenkontrast hat andere Abhängigkeiten alsder Amplitudenkontrast: Der Schwächungskoeffizi-ent ist

µ ∝ Z

(Z

E

)m

ρ(x, y, z) ,

mit m≈ 2.5 .. 3.5. Der entsprechende Koeffizient fürdie Amplitudenmessungen ist

P ∝ Z

EN.

Wie in der Figur gezeigt ist die Empfindlichkeitim Falle der Phasenkontrasttomographie um mehrals drei Größenordnungen höher als bei Amplitu-denmessungen. Aufgrund der wesentlich geringerenAbhängigkeit von der Ordnungszahl (linear statt ca.4te Potenz) ist die Phasentomographie vor allem fürleichte Elemente (also Weichteile) sehr attraktiv.

In der Abbildung 6.67 links sind 4 Schichten an un-terschiedlichen Positionen (Zahlen in µm) gezeigt.

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6 Röntgendiagnostik

Dichteänderung relativ zurZellflüssigkeit (Zuckerlösung)

Räumliche Auflösung:

x-,y-Richtung:7,8µm (64 lp/mm)

z-Richtung:15µm (33 lp/mm)

Abbildung 6.67: Zur Sensitivität (links) und Auflö-sung (rechts) von PµCT.

Die Farbskala gibt den Dichteunterschied ∆ρ ge-genüber der Dichte der Zellflüssigkeit (Zuckerlö-sung) an. Man erkennt die hohe Sensitivität gegen-über relativen Dichteschwankungen von der Größen-ordnung 10−3.

Rechts in der Abbildung ist die Modulationsüber-tragungsfunktion (MTF) entlang der Drehachse (z-Richtung) und senkrecht dazu gemessen worden.Man sieht, dass die räumliche Auflösung in x- undy-Richtung mit 64 lp/mm (7.8 µm) besser ist als inz-Richtung 33 lp/mm bezw. 15 µm.

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