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2.1

Rechnungslegung und Kapitalmarkt

www.uni-graz.at/iufwww/EUwww.wiwi.uni-frankfurt.de/Professoren/Ewert/EU

Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten.

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2.2Ziele

Einführung in die Konzeption informationseffizienter Kapitalmärkte

Implikationen der Informationseffizienz für die Rechnungslegung

Empirische Tests der Informationseffizienz Konzeption der value relevance Anwendungen und kritische Diskussion der value

relevance

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2.3Intention der Informationseffizienz

Erwartungen der Anleger über künftige Überschüsse und Risiken

Marktpreise Kapitalkosten

Allokations- und Distributionswirkungen

Verfügbare Informationen

Informationeffizienz (IE) eines Kapitalmarktes bezeichnet dessen Fähigkeit,Informationen zu verarbeiten und in die Preise einfließen zu lassen!

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2.4

Grundlegendes Konzept der Informationseffizienz

Definition von Fama (1970):

„A market in which prices always ´fully reflect´ available information is called ´efficient´.“

Problem: Was heißt ´fully reflect´?

Präzisierung von Fama (1976):

„Market efficiency requires that in setting the prices of securities at any time t-1, the market correctly uses

all available information“

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2.5Formale Präzisierung (1)

Vom Markt genutzte Informationen

1m

tY

Verteilung des Marktes für die in t geltenden Marktpreise

1m

m tf Y

1 1m

t m tf Y f Y

(Bedingung für Informationseffizienz)

Aber: Diese Bedingung ist empirisch nicht testbar!

Alle verfügbaren Informationen

1tY

„Wahre“ Verteilung der in t geltenden Marktpreise

1tf Y

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2.6Formale Präzisierung (2) Ausrichtung auf empirische Tests erfordert

Orientierung an beobachtbaren Größen Dies sind die Marktpreise, die wiederum von der

Verteilungen abhängen

1 1Rendite t t t tP P P

Dann resultiert für den Preis Pt-1 folgender Ausdruck:

1

1

11

mm t t

t mm t t

P YP

Y

Für die erwartete Rendite am Kapitalmarkt wird ein Modell desKapitalmarkts benötigt (zB CAPM, etc)

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2.7Formale Präzisierung (3)

Die Preise in t treffen nun gemäß der „wahren“ Verteilung f(Yt-1) ein

Bei Gültigkeit der Effizienzbedingung folgt aber:

1 1

1 1

mt t m t t

mt t m t t

P Y P Y

Y Y

Interpretation (Fama (1976)):

„In an efficient market, the true expected return on any security is equal to its equilibrium expected value, which is, of course, also

the market´s assessment of its expected value.“

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2.8Implikationen für empirische Tests Angenommen, jemand wertet die Informationen

Yt-1 aus Anschließend bestimmt er die Anteile ai, die er von

seinen Mitteln in den Titel i anlegen möchte Seine erwartete Rendite beträgt bei einem

informationseffizienten Markt dann:

1 1 1 11 1

n nm

i t t t i t m t ti i

a Y Y a Y Y

Im Durchschnitt können keine „Überrenditen“ erzielt werden Lässt sich am Markt eine Handelsstrategie finden, die unter Ver- wendung bestimmter Informationen Überrenditen beschert, kann der Markt bezüglich dieser Informationen nicht effizient sein Messung von Überrenditen setzt Kapitalmarktmodell voraus!!

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2.9Probleme der Definition

Was ist die Verteilung fm „des Marktes“ bei heterogenen Erwartungen der Anleger?

Alternativdefinition von Beaver (1981)Markt ist bezüglich einer bestimmten Information effizient,

wenn sich die Marktpreise so einstellen, als hätte jeder Anleger die Information

Die Anleger können dabei verschiedene Informationsstände, Präferenzen etc haben.

Künftige Preise Pt und „wahre“ Verteilung f Im Zeitpunkt t hängen die Preise erneut von den Handlungen

und Erwartungen der Akteure ab Intertemporale Gleichgewichtsaspekte

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2.10Grade der Informationseffizienz Schwache Informationseffizienz

Die Menge Yt-1 beinhaltet sämtliche bis zum Zeitpunkt t-1 beobachtbaren Marktpreise

Mittelstrenge Informationseffizienz (der für die Rechnungslegung relevante Fall)

Die Menge Yt-1 beinhaltet sämtliche Informationen, die bis zum Zeitpunkt t-1 öffentlich verfügbar sind

Dazu gehören auch die Marktpreise, so dass schwache Effizienz eingeschlossen ist

Problem: Abgrenzung dessen, was öffentlich verfügbar ist (was ist mit Kosten der Informationsbeschaffung, etc.)

Strenge InformationeffizienzDie Menge Yt-1 umfasst sämtliche Informationen, die sich bei

irgend jemandem befindenAuch durch Insiderinformationen keine Überrenditen

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2.11

Wie könnte Informationseffizienz zustande kommen?

Hinreichende Bedingungen (Fama (1970)):Keine Transaktionskosten beim Handel Informationen sind für alle Anleger kostenlos verfügbarAlle Anleger interpretieren Informationen einheitlich

Diese Bedingungen sind aber nicht notwendig Auch die Unterstellung allseits rationalen

Handelns ist nicht notwendigAuch „noise trading“ muss nicht zwingend einen

verzerrenden Einfluss ausüben, falls die Zufallseinflüsse nicht systematisch sind

Selbst bei systematischem Einfluss sichert die Arbitrage rationaler Anleger die unverzerrte Preissetzung am Kapitalmarkt

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2.12

Implikationen für die Rechnungslegung (1)

Recognition versus disclosureDie Form der Publikation einer Information im

Jahresabschluss (Bilanzierung, Anhang, Fußnote, etc) spielt grundsätzlich keine Rolle

Unterschiede nur dann, wenn die Art der Erfassung ihrerseits andere Informationseigenschaften aufweisen kann (zB weil Angaben in der Bilanz einer anderen Prüfung unterliegen)

Basischutz „naiver“ und unkundiger AnlegerDie Preise an einem informationseffizienzen Markt

gewährleisten ein „faires Spiel“ für jeden AnlegerNicht jeder Investor muss dazu die Implikationen

komplizierter Rechenwerke durchschauen könnenExistenz professioneller Akteure (Analysten etc) ist

ausreichend, um „price protection“ zu gewähren

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2.13

Implikationen für die Rechnungslegung (2)

Konkurrenz der InformationsquellenRechnungslegung ist nur ein Teil aller öffentlich verfügbaren

InformationenAuch Aspekte, die nicht in der Rechnungslegung enthalten

sind, finden über andere Quellen Eingang in die MarktpreiseSo kann zB der zusätzliche Informationsgehalt eines inflation

accounting gering sein, weil viele Aspekte auch über allgemeine Preisindizes abgeschätzt werden können

Weitere Quellen: Freiwillige Unternehmenspublizität, ad-hoc-Mitteilungen, Analystenauswertungen, etc

Dadurch permanente Anpassung der ErwartungenAuch empirische Studien zeigen, dass die Marktpreise

Erfolgsänderungen typischerweise vorwegnehmen (siehe Schaubild nächste Folie)

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2.14Kursentwicklungen und Gewinne

(Quelle: Ball/Brown (1968))

Portfolios von Unternehmen mitunerwartet positiven Gewinnen

Portfolios von Unternehmen mitunerwartet negativen Gewinnen

Portfolio aller untersuchtenUnternehmen

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2.15Regulative Implikationen

Orientierung an „naiven“ Investoren ist nicht erforderlich

Relevante Frage: Wirkungen zusätzlicher Informationen im Rahmen der Rechnungslegung

Bei mittelstrenger Effizienz kein Preiseinfluss, wenn eine Information auch über andere Quellen erfasst würde

Frage dann: Warum günstiger via Rechnungslegung?Echte Insiderinformationen sind alleine aus der

(mittelstrengen) Informationseffzienz kaum beurteilbar Informationseffizienz impliziert kein WerturteilZielerreichung der Anleger bei Änderung der öffentlich

verfügbaren Informationsmenge kann aus der Informationseffizienz nicht abgeleitet werden

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2.16

Weitere Implikationen für die Rechnungslegung

Aus Sicht des Managements:Kapitalkosten entsprechen öffentlich verfügbaren InfosFreiwillige Publizität kann vorteilhaft seinVorbehalte gegenüber Bilanzpolitik, weil der Markt in der

Lage ist, die Implikationen der Rechnungslegung und Infos aus anderen Quellen korrekt zu verarbeiten

Aus Sicht der AnlegerNutzen einer individuellen Bilanzanalyse fraglich, soweit die

Erzielung von Überrenditen angestrebt wirdBilanzanalyse dennoch wichtig zur Portefeuillepolitik

Fehlinterpretationen Informationseffizienter Markt ist kein HellseherEr liegt im Durchschnitt richtig, ex post können sich aber

durchaus Fehleinschätzungen herausstellen

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2.17Empirische Tests und Marktmodell

Sofern der Erfolg von Handelsstrategien untersicht wird, müssen Überrenditen gemessen werden

Dazu wird ein Kapitalmarktmodell benötigt Welches aber ist das richtige?

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2.18

Empirische Tests und Rechnungslegung (1)

Empirische Tests setzen eine Präzisierung von „fully reflect“ oder „correctly uses all available information“ voraus

Dazu sind Theorien der Rechnungslegung zwingend erforderlich

Darstellung an folgendem Beispiel:Unternehmen wechselt Bewertungsmethode im Abschluss (zB

lineare statt degressiver Abschreibung, FIFO statt LIFO)Positiver Erfolgseffekt in der betrachteten Periode„Abnormale“ Kapitalmarktrendite (bei Kontrolle um andere

Einflussfaktoren) ist nicht signifikant verschieden von Null Ist der Markt mittelstreng informationseffizient?

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2.19

Empirische Tests und Rechnungslegung (2)

Variante 1: Methodenänderung nur in Handelsbilanz

Keine steuerlichen EffekteFalls auch keine sonstigen Änderungen in

Unternehmenspolitik, keine Konsequenzen für Cash FlowsDann sollte man tatsächlich keine Kursänderung beobachten

(Siehe dazu zB Archibald (1972) und Ball (1972))

Variante 2: Methodenänderung in beiden BilanzenCeteris paribus höherer Barwert der Steuerzahlungen wegen

positivem Erfolgseffekt im BetrachtungszeitpunktGeringerer Netto-Ertragswert des UnternehmensKurssenkung sollte resultierenMarkt wäre im Beispiel nicht informationseffizient

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2.20

Empirische Tests und Rechnungslegung (3)

Variante 3: Methodenänderung in beiden Bilanzen und asymmetrische Information

Management maximiert Marktwert des EigenkapitalsAsymmetrische Information impliziert Unterbewertung am

Markt für gute UnternehmenManagement guter Unternehmen möchte Lage der

Unternehmung signalisierenKosten des Signalisierens könnten in höherem Barwert der

Steuerzahlungen liegenGute Unternehmen können sich das eher leisten als schlechteBei dieser Hypothese sollte positive Kursreaktion eintretenMarkt wäre im Beispiel erneut nicht informationseffizient

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2.21

Empirische Tests und Rechnungslegung (4)

Variante 4: Methodenänderung nur in Handelsbilanz, aber Existenz von Covenants

Gläubiger haben bei Verletzung sofortiges KündigungsrechtSituation des Unternehmens so, dass Verletzung nahezu

sicher erwartet wurdeDurch Methodenänderung wird sie vermieden, auch die

erwarteten Kosten fallen nicht anDaher sollte man positive Kursreaktion erwartenMarkt wäre wieder nicht informationseffizient

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2.22

Empirische Tests und Rechnungslegung (5)

Variante 5: Wie Variante 4, doch kannte der Markt die schwierige Lage des Unternehmens nicht

Methodenwechsel verhindert erneut Verletzung der Covenants und die damit verbundenen Kosten

Diese wurden bisher aber nicht in die Bewertung einbezogenAber: Methodenwechsel offenbart dem Markt auch die

problematische LageNegativer Informationseffekt, Kurssenkung sollte resultierenMarkt wäre auch jetzt nicht informationseffizient

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2.23

Empirische Evidenz zur Informationseffizienz (1)

Frage: Geben die vorhandenen Ergebnisse guten Grund zur Annahme, dass der Markt informationseffizienz ist?

Bis Ende der 1990er Jahre wurde dies weitgehend bejahtViele empirische Studien konnten zeigen, dass der Markt

Rasch auf neue Informationen reagiert Auch komplizierte und im Abschluss „verborgene“

Informationen verarbeitet Gewinnentwicklungen teilweise vorwegnimmt und daher

zahlreiche andere Informationsquellen erfasst Auch in der Lage zu sein scheint, bilanzpolitische

Maßnahmen zu durchschauen und nicht „naiv“ bzw „mechanisch“ auf Erfolgszahlen zum reagieren

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2.24

Empirische Evidenz zur Informationseffizienz (2)

In neuerer Zeit aber gewichtige Zweifel Post Earnings Announcement Drift

Nach Veröffentlichung unerwarteter Gewinnänderungen bestehen noch für einige Zeit abnormale Renditeentwicklungen

Dies lässt sich zur Erzielung von Überrenditen ausnutzen

Return-Momentum-EffekteTitel, die in den vergangenen 3 bis 12 Monaten hohe

(niedrige) Renditen erbracht haben, entwickeln sich auch in den folgenden 3 bis 12 Monaten günstig (ungünstig)

Markt wäre noch nicht mal schwach informationseffizient

Beide Effekte sind vielfach und international gut bestätigt

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2.25

Empirische Evidenz und Informationseffizienz (3)

Derzeit also sehr differenziertes Bild Vertrauen in die Informationseffizienz jedenfalls

nicht mehr so stark wie vor 10 Jahren Entwicklungen in neuerer Literatur, um die

beobachteten Abweichungen zu erklären (zB im Bereich Behavioral Finance)

Fazit: Implikationen der Informationseffizienz für die Rechnungslegung mit Vorsicht betrachten!

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2.26Value relevance – IntentionEntscheidungsnützlichkeitEntscheidungsnützlichkeit

Relevanz- Prognoseeignung- Rechtzeitigkeit

Zuverlässigkeit

Value relevance als Operationalisierung empirische Assoziation zwischen Größen der Rechnungslegung und Marktpreisen

- Investoren werden nur solche Größen beachten, denen sie eine Relevanz und Zuverlässigkeit beimessen- Kann direkt nicht beobachtet werden, aber indirekt durch Marktpreise- Preise sind komprimiertes Gesamtresultat der Handlungen und der verborgenen Informationsprozesse

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2.27

Value relevance - Formale Präzisierung (1)

Höhe der Korrelation zwischen Kapitalmarktrenditenund Gewinnen wird zum Beurteilungskriterium für

die Güte der Rechnungslegung

Betrachtet sei ein Titel mit normalverteilten Cash-Flow-Barwerten:

20,x N

Marktpreis bei risikoneutraler Bewertung:

P x

Anleger erhalten Information y :

20, , , 0y x N Cov

2, , 0Cov x y Cov

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2.28

Value relevance – Formale Präzisierung (2)

Der Preis P(y) nach Empfang der Information lautet:

2

2

2 2

,

y

Cov x yP y x y y y

y

Daraus ergibt sich eine informationsinduzierte Preisänderung von:

2 2

2 2 2 2P P y P y y y

ERK y y

Proportional zum unerwarteten Gewinn

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2.29

Value relevance – Formale Präzisierung (3)

Korrelationskoeffizient zwischen Rendite und unerwartetem Gewinn:

,,

PCov y

Cov P yP

P P yy

P

2,Cov P y ERK y P ERK y Es ist: und:

Nach Einsetzen ergibt sich für den Korrelationskoeffizienten:

2 2

2

,1

Cov P y ERK y ERK y

ERK y y ERK yP y

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2.30Erste Implikationen

Ungenauigkeit des Gewinns y spielt keine Rolle für Korrelation

Grund: Im Modell ist Gewinn die einzige Größe, die zu Preisänderungen Anlass geben kann

Gewinn „erklärt“ daher gesamte Preisänderung, empirisch sollte man R2 = 1 beobachten

Zeitpunkt der Publikation von Gewinnen muss bekannt seinBei Querschnittsuntersuchungen müssten ERK´s der

einbezogenen Unternehmen gleich sein

Einbeziehung von Informationswirkungen der Rechnungslegung in Korrelation erfordert Ergänzung um weitere Unsicherheiten

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2.31Weitere Unsicherheiten (1) Idee: Anleger „bereinigen“ den ausgewiesenen

Gewinn, ehe sie ihre Handlungen vornehmenzB rechnen sie Größen heraus, die sie für wenig verlässlich

haltenoder sie rechnen „Scheingewinne“ (basierend zB auf

Konzepten des inflation accounting) heraus etc

Für den empirischen Forscher sind diese Aspekte indes nicht direkt beobachtbar

Ausgewiesener Gewinn ya wird jetzt als Summe von Komponenten mit unterschiedlicher Bedeutung für die Anleger modelliert:

ay x

2mit 0, , , , , 0N Cov Cov Cov

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2.32Weitere Unsicherheiten (2)

Für den ausgewiesenen Gewinn gilt daher:

2 2 2unda ay y y y

(Die Komponente wird wegen mangelnder Relevanz und/oder Verlässlichkeit von den Anlegern herausgerechnet)

Für Erwartungsänderung der Anleger nach wie vor nur y relevant

Korrelationskoeffizient zwischen Renditen und ausgewiesenen Erfolgen:

, a

a

a

Cov P y

P y

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2.33Weitere Unsicherheiten (3)

Einsetzen der Zusammenhänge für ya erbringt für diese Korrelation:

2, a ya

y aa

Cov P y ERK y

ERK y yP y

1 22

2 2a

y y y

y yy

- Korrelationskoeffizient jetzt kleiner als 1- Um so niedriger, je größer die Varianz der zusätzlichen Risiken ist- Entscheidungsnützlichkeit zeigt sich darin, dass möglichst wenige Um- interpretationen des ausgewiesenen Erfolgs durch Anleger nötig sind- Dies führt zu höherer beobachteter Korrelation und daher zu höherer value relevance

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2.34Clean-Surplus-Accounting (1) Bislang unterstellte Beziehungen zwischen

Barwerten und Gewinnen lassen sich auch konzeptionell fundieren

Hat große Bedeutung für empirische Literatur in der externen Unternehmensrechnung

Basis ist die Clean-Surplus-Relation (CSR), die besagt, dass sämtliche Eigenkapitaländerungen, die nicht auf direkten Eigenkapitalzahlungen basieren, durch die GuV gehen müssen:

1t t t tEK EK G AU

(In vielen Rechnungssystemen gibt es Abweichungen von CSR (zB bei der Bilanzierung der available-for-sale-Wertpapiere bei US-GAAP); in diesen Fällen spricht man von dirty-surplus-accounting)

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2.35Clean-Surplus-Accounting (2)

Wert der Anteile entspricht dem Barwert künftiger Ausschüttungen:

1

Ε 1t

tt

W AU i

Bei Gültigkeit von CSR folgt dafür:

11

1 11

11 1

11

1

1

1 1

1 1 1

1

1

t

tt

t

t

t t t

t t t

t

tt

t

tt

W G EK EK i

G i EK i EK EK i

G i EK i EK i EK i

EK G i EK i

EK RG i

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2.36Clean-Surplus-Accounting (3)

Zentral daher folgende Beziehung:

1

1t

t tt

W EK RG i

1mit = Residualgewinn der Periode t t tRG G i EK t

Problem:

Form der Erwartungen über künftige Residualgewinne ist noch völlig offen

Präzisierung dieser Erwartungen oftmals in linearer Form, zB wie folgt:

1 1 1Ε 0, , 0t t t t t tRG RG Cov t

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2.37Clean-Surplus-Accounting (4)

Mit dieser Erwartungsbildung folgt für den Wert der Anteile:

1 1

Ε 1 1t

t t t tt

W EK RG i EK RG i

Unterstellt man < 1 (Konkurrenzeffekte führen zum Verschwinden vonpositiven Residualgewinnen) folgt:

1t t tW EK RG i

Folgt Marktpreis ebenfalls diesen fundamentalen Beziehungen, erhält man:

0t t tP EK RG

• Marktpreis hängt nur noch von Größen der Rechnungslegung ab• Lineare Beziehung bezüglich des Residualgewinns der laufenden Periode• Aber: Residualgewinne werden nicht direkt ausgewiesen (weil Kosten des Eigenkapitals nicht angesetzt werden dürfen!)

Page 38: 2.1 Rechnungslegung und Kapitalmarkt   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.38Clean-Surplus-Accounting (5)

Einsetzen des Residualgewinns in den Ausdruck für den Preis erbringt:

1t t t tP EK G i EK

Verwendung von CSR führt auf:

1 1t t t t t tP EK G AU G i EK

Umstellung und Zusammenfassung erbringt schließlich:

1 1 1 2ˆ ˆ1 1t t t t t tP AU i EK G EK G

• Cum-Dividenden-Preis in t als Funktion von (beobachtbaren) Größen der Rechnungslegung• Lineare Funktion von Buchwert des Eigenkapitals der Vorperiode und Gewinn der laufenden Periode• In t faktisch lineare Funktion des Gewinns der laufenden Periode

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2.39Value relevance Anwendungen (1) Fragestellung 1: Welches System (HGB, IAS, etc)

liefert eher entscheidungsnützliche Informationen?

„Traditionelle“ Vorgehensweise:Betrachtungen der jeweiligen Zielsetzungen und Regeln Im Rahmen des HGB:

Orientierung am Gläubigerschutz Vorsichts- und Imparitätsprinzip Verzerrungen durch Maßgeblichkeit

Bei US-GAAP als Alternative: Explizite Ausrichtung an Informationsvermittlung Weniger Verzerrungen durch Vorsicht, fast keine auf Grund

steuerlicher AspekteFolgerung scheint klar: US-GAAP schlägt HGB bei der

Entscheidungsnützlichkeit

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2.40Value relevance Anwendungen (2) Bei value relevance zählt dagegen alleine die

empirische Assoziation zwischen Marktrenditen und Größen der Rechnungslegung

ZB in der Arbeit von Harris/Lang/Möller (1994):230 deutsche Unternehmen von 1982-1991 verglichen mit 230

amerikanischen KontrollunternehmenJährliche Gewinne und Gewinnänderungen wurden der

Marktrendite (18-Monats-Zeitraum) gegenüber gestellt R2-Werte der konsolidierten HGB-Größen nicht schlechter

als bei US-GAAP (sogar höher, aber nicht signifikant) R2-Werte nicht konsolidierter HGB-Größen schlechter als

bei US-GAAP Die Autoren melden daher Vorbehalte gegenüber der

Vorstellung an, dass die HGB-Rechnungslegung weniger entscheidunsnützlich als die US-GAAP-Variante sei

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2.41Value relevance Anwendungen (3) Fragestellung 2: Sollten immaterielle

Vermögensgegenstände aktiviert werden? „Traditionelle“ Argumentation:

Pro Aktivierung: Immaterielle VG sind wichtig für künftige Marktstellung

eines Unternehmens Sie sind daher grundsätzlich relevant für eine Beurteilung

künftiger ÜberschüsseContra Aktivierung:

Immaterielle VG sind schwer zu bewerten Es existieren große Ermessensspielräume, daher geringe

Objektivierung und geringe ZuverlässigkeitFazit: Es gibt bei dieser Vorgehensweise keine zwingende

Folgerung, man müsste subjektiv gewichten

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2.42Value relevance Anwendungen (4)

Gemäß value relevance zählt wieder alleine die empirische Korrelation zwischen Renditen und dem Ansatz immaterieller Aktiva

Dazu müssen jedoch Fälle gegeben sein, wo immaterielle VG angesetzt werden müssen bzw dürfen

Gibt es zB bei Aktivierung von Software in den USA (Lev/Sougiannis (1996)) und bei anderen Fällen (Neubewertungen) in Australien (Barth/Clinch (1998))

Beide Arbeiten finden signifikante Zusammenhänge zwischen dem Ansatz bzw der Neubewertung immaterieller VG und den Kapitalmarktrenditen

Basierend darauf fordern zB Lev/Zarowin (1999) umfassender eine Aktivierung immaterieller VG

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2.43Kritische Diskussion (1)

Impliziert die Orientierung an der Korrelation die Wahl eines präzisen Rechnungssystems?

Dazu werden zwei Systeme miteinander verglichen:

1 1 1ay x y 2 2 2ay x y 2 21 2mit

Für die Korrelationskoeffizienten folgt dann:

1 2 1 22 21 2

1 22 2 2 21 2

a a

y y

y y

• Ungenaueres System weist höhere Korrelation auf• Grund: Basisstörgröße treibt mit höherer Varianz die Erfolgsvariabilität, was zu höherer Korrelation und höherer value relevance führt• Kann daher zu Empfehlung für ein ungenaueres System führen

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2.44Kritische Diskussion (2) Andere Informationsquellen

Bisherige Annahme: Gewinn Erwartungsänderung PreisWirkungsrichtung ist für empirische Studien nicht notwendigEs kommt eigentlich nur auf eine Assoziation anUrsächlichkeit des Erfolgs für die Preisänderung unbeachtlich

Diskussion der Informationseffizienz hat Bedeutung anderer Informationsquellen aufgezeigt

Preisänderungen können vornehmlich darauf basieren, weil diese Informationen verlässlicher, relevanter und/oder rechtzeitiger sind

Gewinn der Rechnungslegung vollzieht dies ggf nur nachWas hat Korrelation dann noch mit „Qualität“ der

Rechnungslegung zu tun?Problematisch, daraus einen Bedarf nach Rechnungslegung

abzuleiten (siehe auch Ausspruch auf folgender Folie)

Page 45: 2.1 Rechnungslegung und Kapitalmarkt   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.45Kritische Diskussion (3)

Page 46: 2.1 Rechnungslegung und Kapitalmarkt   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.46Kritische Diskussion (4)

Value relevance und InformationseffizienzFür reinen Korrelationstest ist die Annahme der

Informationseffizienz nicht notwendigEs zählt alleine die empirische AssoziationOb die in den Preisen enthaltenen Erwartungen „richtig“

sind, spielt keine Rolle„Qualität“ einer Rechnungslegung wird ggf an Beziehungen

gemessen, die nichts mit den tatsächlichen Fundamentaldaten zu tun haben

Weil mittlerweile Zweifel an Informationseffizienz bestehen, hat dieser Aspekt grundsätzliche Bedeutung

Informationseffizienz ist für solche Untersuchungen wichtig, in denen es um die Prüfung der Größenordnung bestimmter Regressionskoeffizienten geht

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2.47Kritische Diskussion (5) Noise Trading

Preise beinhalten auch Einflüsse von liquidity trading und reinem noise trading

Beeinträchtigung der Fähigkeit von Preisen, die tatsächliche Unternehmensentwicklung gut zu repräsentieren

Orientierung der Rechnungslegung daran problematisch

Informationsinduzierte DistributionseffekteValue relevance präferiert tendenziell eine Rechnungslegung

mit möglichst starken PreiseffektenDiese dürfte aber auch die größten Distributionseffekte habenWie soll dieser Aspekt gewichtet werden?

Dieses Problem wird auch von Vertretern der value relevance-Richtung eingeräumt

Die value relevance wird daher eher als einer von vielen möglichen Aspekten im Rahmen des Standardsetting gesehen