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25.11.2016 1
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Interaktionen alternativer Therapien mit Medikamenten
Jens PeuckerFachapotheker für Klinische Pharmazie
-Onkologische Pharmazie-Zentralapotheke
Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum GmbHMeesmannstr. 103
44807 Bochum
Ausblick
(Viscum album; Weißbeerige Mistel)
1. Was sind Interaktionen und in welcher Form treten sie zwischen Arzneistoffen auf ?2. Welche Arzneistoffgruppen werden in der Alternativen Krebstherapie verwendet ? 3. Welche dieser Arzneistoffgruppen erzeugen klinisch relevante Interaktionen ?4. Valide Informationsquellen für Laien
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1. Was sind Interaktionen?
interagieren, interaktiv (lat.). --> umgangssprachlich: Kontakt haben, in Kontakt treten, kommunizieren
Bedeutung im pharmazeutischen Sinne:„Wechselwirkungen“ ( gegenseitige Beeinflussung)(schauen Sie mal in den Beipackzettel eines Ihrer Medikamente)
Beeinflussung der Wirkungen (Verstärkung oder Abschwächung) eines Arzneimittels durch ein anderes Medikament hauptsächlich im Bereich der
- Resorption (Aufnahme im Magen-Darm-Trakt)- Metabolisierung (Verstoffwechselung in der Leber; Beeinflussung von Leberenzymen)
Warum ist dies überhaupt ein Thema????
Problem der „Polypharmakotherapie“ (definitionsgemäß mehr als 5 Medikamente gleichzeitig) Gegenseitige Wirkungsbeeinflussungen immer schlechter vorhersehbar Teilweise Kompensation von Wechselwirkungen/Nebenwirkungen durch weitere Medikamente Risiko für arzneimittelinduzierte Krankenhausaufenthalte durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen steigt
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2. Welche Arzneistoffgruppen werden in der Alternativen Krebstherapie verwendet ?
Große Heterogenität (Vielgestaltigkeit) in den Anwendungsrichtungen der Alternativen Krebstherapie:
Nicht-pharmazeutisch: Akupunktur, Entspannungstechniken, Autogenes Training, Yoga, Physikalische Therapie,Lymphdrainage, Balneotherapie (Bädertherapie), Osteopathie, Chiropraktik etc.
Pharmazeutisch: Homöopathie, Anthroposophie, Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) ( Besondere Therapie-Richtungen laut Arzneimittelgesetz)),Therapie mit/Supplementierung von Mineralstoffen
Warum beschäftige ich mich hier und heute mit Phytotherapeutika und Mineralstoffen? Hömöopathika und Anthroposophika ohne klinisch bekannte Interaktionen!
Insgesamt: Keine Heilungsversprechen! (Stand heute) Komplementäre (= ergänzende und begleitende) Therapie in Krebstherapie
Ziel: Lebensqualität des Patienten verbessern, Unterstützung der eigentlichen Chemotherapie,Abmilderung von Nebenwirkungen
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2. Welche Arzneistoffgruppen werden in der Alternativen Krebstherapie verwendet ?
Querschnittsstudie der Uni Freiburg, 170 Brustkrebspatientinnen (European Journal of Cancer 2012; 48: 3133)
– 63 % nutzen Alternative Therapien, in fortgeschrittenen Stadien 80 % – Klinik kein Ort für Thema Alternative Therapie
– Vitamine und Mineralstoffe: 66 % – Mistelpräparate: 51 % – Yoga u. Entspannungstechniken: 43 % – Phytopräparate: 33 % – Physikalische Therapie: 33 % – Homöopathie: 29 % – Manuelle Medizin: 14 % – Akupunktur: 10 %
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2. Welche Arzneistoffgruppen werden in der Alternativen Krebstherapie verwendet ?
- Außer den schon genannten Homöopathika und Anthroposophika sind dies:
1. Mistelpräparate (Mistellektin)2. Mineralstoff-Therapie (Selen); zusätzliche Mineralstoff-Gabe (Eisen, Calcium, Magnesium)3. Laxantien (Abführmittel) (Quellstoffe wie Leinsamen oder Flohsamen)4. Magen-Darm-Mittel (Fenchel, Kümmel)5. Mittel bei grippalen Infekten (Thymian, ätherische Öle)6. Beruhigungsmittel (Angst- und Schlafstörungen) (Baldrian, Hopfen)7. Entzündungshemmende Mittel zur lokalen Anwendung (Salbei, Myrrhe)8. Antidepressiva (Johanniskraut)9. Mittel gegen Fatigue-Syndrom (Ginseng-Extrakte)
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3. Welche dieser Arzneistoffgruppen erzeugen klinisch relevante Interaktionen ?
Quellen: -pharmazeutische Datenbanken (ABDA-Datenbank, ArzneimittelInformationsDienst (AID))-Arbeitsgemeinschaft für Prävention und Integrative Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft-Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO)
1. Mistelextrakte (Mistellektin; hochmolekulare Polypeptide)in-vitro-Wirkungen:
asdf immunmodulierend, zytotoxische Wirkung auf Krebszellen
aber: Beurteilung der Wirksamkeit inbezug auf den Verlauf einer Tumor-Erkrankung und als unterstützende Therapie sehr uneinheitlich!
Interaktionen im pharmazeutischen Sinne:Keine
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3. Welche dieser Arzneistoffgruppen erzeugen klinisch relevante Interaktionen ?
2. Mineralstoff-Therapie (Selen-Präparate)
Essentielles Spurenelement; Bestandteil von etwa 25 Proteinsystemen im menschlichen Körper Teil des sog. antioxidativen Schutzsytems der menschlichen Zelle
(chemisch reaktionsfreudige und schädliche sog. Radikale werden abgefangen) Tumorprävention:
Selenmangel und Selen-Überversorgung können die Häufigkeit von Tumorerkrankungen erhöhen.
Eine positive Beeinflussung des Tumorverlaufs durch Selen-Supplementierung ist nicht bewiesen!
Patienten mit optimal eingestellten Selen-Spiegeln scheinen ohne Verschlechterung desprimären Therapieansprechens tendenziell eine bessere Therapieverträglichkeit zu haben!
Interaktionen im pharmazeutischen Sinne:Bei gleichzeitiger peroraler Aufnahme von Selenpräparaten und Vitamin C wird Selen wirkungslos.(Vitamin C-Brausetabletten, Multivitamin-Brausetabletten, Brausetabletten mit Vitamin C- Zusatz)
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3. Welche dieser Arzneistoffgruppen erzeugen klinisch relevante Interaktionen ?
2. Zusätzliche Mineralstoff-Gabe (Eisen, Calcium, Magnesium) Bildung schwerlöslicher, schlecht aufzunehmender chemischer Verbindungen im
Magen-Darm-Trakt mit verschiedenen anderen Arzneistoffen
Interaktionen:- mit bestimmten Antibiotika (z.B. Ciprofloxacin) bis zu 80% Wirkstoffverlust und damit
Therapie-Versagen möglich,- mit Schilddrüsen-Hormonen (z.B. L-Thyroxin®) Schilddrüsen-Unterfunktion kann entstehen,- mit Osteoporose-Mitteln (sog. Bisphosphonate Alendronsäure) Knochendichte kann weiter
abnehmen.
Empfehlung: Einen zeitlichen Abstand von mindestens 4 Stunden zwischen den Gaben der beiden Arzneimittel lassen!
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3. Welche dieser Arzneistoffgruppen erzeugen klinisch relevante Interaktionen ?
3. Laxantien (Abführmittel): Quellstoffe wie Leinsamen oder Flohsamen binden Wasser milde Darmregulierung bei Durchfällen, aber auch VerstopfungInteraktionen:Resorption von Mineralstoffen und Arzneistoffen kann gestört sein mind. 1 h zeitl. Abstandzwischen den beiden Arzneistoff-Gaben lassen!
4. Magen-Darm-Mittel(Ätherisch Öl-Zubereitungen aus Fenchel, Kümmel, Pfefferminz entkrampfende, blähungstreibende Wirkung bei Krämpfen, Oberbauchbeschwerden)Interaktionen: keine
5. Mittel bei grippalen Infekten (Thymian, Eukalyptus-Öl, Primelwurzel sekret-lösende und sekret-steigernde, sog. expektorierende Wirkung; entzündungshemmend)Interaktionen: keine
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3. Welche dieser Arzneistoffgruppen erzeugen klinisch relevante Interaktionen ?
6. Beruhigungsmittel (Angst- und Schlafstörungen) (Baldrian, Hopfen, Lavendel)Interaktionen: keine
7. Entzündungshemmende Mittel zur lokalen Anwendung (Salbei, Myrrhe) antibakterielle, antivirale, anti-Pilz-Wirksamkeit auf Schleimhäuten Einsatz bei Läsionen der Mundschleimhaut (sog. Stomatitis)Interaktionen: keine
8. Antidepressiva (Johanniskraut) Zulassung bei leichten bis mittelschweren Depressionen komplexe Beeinflussung des Haushalts an Botenstoffen (Neurotransmitter) im Gehirn
Interaktionen: zahlreiche und starke: Beschleunigung der Verstoffwechselung vieler Arzneistoffe in der LeberWirkungsabschwächung von einigen oralen Zytostatika (sog. Tyrosinkinase-
Inhibitoren (-nibs), von Marcumar®, von Immunsuppresiva und von oralen Empfängnisverhütungsmitteln nur nach ärztlicher Rücksprache nehmen!
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3. Welche dieser Arzneistoffgruppen erzeugen klinisch relevante Interaktionen ?
9. Mittel gegen tumorassoziiertes Fatigue-Syndrom ((franz.) fatigue = müde)(Ginseng-Extrakte)Ginseng-Extrakte: vielfältige, nicht klar definierbare Wirkungen: Beschreibung immunmodulierender, wachstumshemmender, entzündungshemmender Eigenschaften;auch östrogenartige Wirkungen sind beschrieben
keine Anwendung bei östrogenabhängigen Brust- oder Eierstock-Tumoren!
Interaktionen: nur aus dem Laborversuch bekannt, nicht aus der Anwendung beim Menschen Beeinflussung der Blutungszeit keine gleichzeitige Anwendung mit Aspirin® und Marcumar®, die selbst
Blutungsrisiken besitzen
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4. Valide Informationsquellen für Laienwww.kokoninfo.de
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4. Valide Informationsquellen für Laienwww.kokoninfo.de
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4. Valide Informationsquellen für Laienwww.kokoninfo.de
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4. Valide Informationsquellen für Laienwww.kokoninfo.de
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4. Valide Informationsquellen für Laien
Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!
Grundvoraussetzung: Bekanntgabe bzw. Bekanntsein sämtlicher eingenommener Arzneimittel, auch aller derer in Selbstmedikation
Überprüfung von Wechselwirkungen der Gesamtmedikation!(Elektronische Datenbanken: öffentliche Apotheken, viele Kliniken)
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JENS PEUCKERFACHAPOTHEKER FÜR KLINISCHE PHARMAZIE
-ONKOLOGISCHE PHARMAZIE-ZENTRALAPOTHEKE
UNIVERSITÄTSKLINIKUM KNAPPSCHAFTSKRANKENHAUS BOCHUM GMBHMEESMANNSTR. 103
44807 BOCHUM
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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