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Thomas Borchert „Secularization and its implications“
DAAD-‐Summerschool vom 24. August bis 01. September 2014 in Potsdam
Dokumentation
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Das Projekt „Hochschuldialog mit der muslimischen Welt“ ist neben dem DAAD finanziert aus Mitteln des Auswärtigen Amtes (AA) .
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Thomas Borchert
„Secularization and its implications“ Tagungsbericht zur DAAD-‐Summerschool vom 24.
August bis 01. September 2014 in Potsdam Inhalt
EINLEITUNG 5
KURZZUSAMMENFASSUNGEN 9 TAG 1 9 TAG 2 12 TAG 3 18 TAG 4 21 TAG 5 25 TAG 6 & 7 27
IMPLIKATIONEN 29
PROGRAMMÜBERSICHT 33
TEILNEHMER 39
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Einleitung Vom 25. August bis 01. September 2014 fand in Potsdam die DAAD-‐Summerschool unter dem Thema „Secularization and its implications“ statt. Veranstaltungsort war der Campus Neues Palais der Universität Potsdam. Organisiert wurde die DAAD-‐Summerschool durch das Institut für Religionswissenschaft der Goethe Universität Frankfurt am Main (GUF) unter Beteiligung von Professoren und Studierenden der Universitäten Potsdam (UP), der University of Religions and Denominations in Qom (URD) sowie der Az-‐Zahra University in Teheran (AUT).
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Die Vielfältigkeit der Thematik und im Rahmen der Summerschool angesprochenen Schwierigkeiten bei der Umsetzung interdisziplinärer Zusammenarbeit/ Kooperation ließen die Entscheidung reifen, weitergehende gemeinsame Fachtagungen für die betreffenden Professionen durchzuführen. Dabei hat sich insbesondere die Universität Potsdam mit den im Rahmen des LER-‐Studiengangs fächerübergreifend arbeitenden Instituten für Religionswissenschaft, LER und Jüdische Studien als idealtypisch für die Darstellung von Religionen gezeigt. Dies sowohl im geschichtlichen Detail als auch überblickshaft (für Lehramtsstudierende).
In der Auseinandersetzung mit säkularen Lehrer-‐verbänden einerseits und konfessionell-‐jüdischem Seminar andererseits hat sich der Standort Potsdam viel Erfahrung darin erworben, wie man Außen-‐ und Innenperspektive verschränkt, d.h. wie man Religionen zum wissenschaftlichen Gegenstand macht und gleichzeitig ihre innere Logik mit vollzieht. Diese Konstellation qualifiziert den Standort Potsdam für einen interreligiösen Diskurs mit den Universitäten Frankfurt, Teheran und Qom.
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Im Rahmen der DAAD-‐Summerschool kam es nicht nur zu einem intensiven wissenschaftlichen Austausch zu der Historie, der Kulur und der reliogösen Identität zwischen den Akteuren, sondern auch zu einem interkulturellen Dialog zu den Gemeinsamkeiten und Differenzen im weiteren Sinne. Hierzu wurde für die iranischen Gäste wurde ein Programm erstellt, das neben Besichtigungen in Potsdam und Berlin auch Gespräche mit verschiedenen Religionsgemeinschaften und interreliogösen Initiativen der Stadt Potsdam ermöglicht hat.
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Kurzzusammenfassungen TAG 1 Zum Auftakt der DAAD-‐Summer School Summer wurde eine geführte Tour durch die Garnisonsstadt Potsdam, vorbei am wiedererrichteten Stadtschloss, dem heutigen Landtag des Landes Brandenburg, der Jakobskirche, dem Platz des Gedenkens hin zur katholischen Peter-‐und-‐Paul-‐Kirche organisiert. In dieser Kirche fand eine durch Johann Hafner geführte Exklusivtour statt, bei der alle Teilnehmer die Möglichkeit bekamen, die Vorbereitungsräume der Priester und des Pfarrers zu besichtigen. Nach der Mittagspause starteten kurz nach 15 Uhr die Vorträge unterschiedlicher Personen am Neuen Palais. Im ersten Beitrag referierte Stefan Gatzhammer (UP) zum Thema „State and religion according to the German constitution“ (R1.1). Er beschäftigte sich insbesondere mit der Frage, welches Verhalten durch religiöse Zugehörigkeit respektive Religion legitimiert wird und welches nicht. Dabei erörterte er die Bedingungen für und von Freiheit und dem Verhältnis von Staat und Religion in Deutschland. Immer wieder stellte er bei seinen Ausführungen Bezüge zum deutschen Grund-‐gesetz her und arbeitete damit in Zusammenhang stehende Räume für die Ausübung von Religion in Deutschland heraus (z.B. Art. 4, GG).
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Der zweite Beitrag von Vesaghati Jamil (URD) beschäftigte sich mit dem Thema „The relationship between Muslims and non-‐Muslims in Iran“ (R1.2). Inhaltlich zeigten sich bei diesem Referat verschiedene Gemeinsamkeiten mit dem Vorhergehenden insofern, als dass die Betrachtung des Verhältnisses von Staat und Religion auf den religiösen Staat Iran übertragen wurde. Etwas spezieller wurde jedoch die Fragestellung bearbeitet, wie sich das Verhätlnis der ‚Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte’ und der iranischen Verfassung darstellt und wie diese Relation im Alltag praktiziert und umgesetzt wird. Der Fokus lag dabei auf den Konditionen für das Leben von nicht-‐muslimischen Menschen im Iran. Der dritte und letzte Beitrag des ersten Tages wurde von Seemab Asif und Kim Denise Beckemeier (GUF) zum Thema „Pollack, D.: Secularisation in Germany after 1989“ (R1.3) gestaltet. Die Referentinnen gingen dabei drei zentralen Fragen nach: 1. Was sind die Haupt-‐merkmale der religiösen Situation in den neuen Bundesländern im Vergleich zu denen in den alten Bundesländern? 2. Hängt die Diminution der Kirchen-‐gemeinden in Ostdeutschland mit der Entwicklung einer neuen Art Kirchenmitgliedschaft zusammen, die von höherem Engagement und Commitment geprägt ist?
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3. Ist die Entwicklung neuer Formen der Religiosität außerhalb der Kirche geeignet den Verlust der Kirchenmitglieder zu kompensieren? Alle drei Fragen wurden evidenzbasiert beantwortet und es wurde deutlich, dass die zunehmende Konfessionlslosigkeit sowohl in Ost-‐ als auch in Westdeutschland nach neuen Wegen des Umgangs damit verlangt. Der Abend des ersten Tages wurde im Hotel der Gäste mit letzten organisatorischen Aspekten sowie einer umfänglichen Vorstellungsrunde der einzelnen Teilnehmer beendet. Dabei wurden deutsch-‐iranische Tandems gebildet, bei denen der jeweils eine den anderen vorgestellt hat. Diese Tandems hatten auch in den folgenden Tagen bestand, sodass immer ein deutscher Ansprechpartner für die iranischen Kollegen zur Verfügung stand.
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TAG 2 Der zweite Tag startete mit Grußworten von Prof. Dr. Johannes Haag, Prodekan der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam. Er begrüßte das DAAD-‐Programm, den damit verbundenen interkulturellen und interreligiösen Austausch und honorierte das Engagement des Organisationskomitees der DAAD-‐SummerSchool. Inhaltlich startete Michael Marx (Adademie der Wissenschaften) zum Thema: „Presentation on ‚Corpus Coranicum’” (R2.1). Er erläuterte in seiner Funktion als Arbeitsstellenleiter des Forschungsprogramms ‚Corpus Coranicum’ die Arbeit der Berlin-‐Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Der Schwerpunkt seiner Ausführungen lag auf der Verbreitung des Korans in Europa im 5. und 6. Jahrhundert. Weiterhin skizzierte er die Entwicklung des Korans anhand einzelner Symbole und Zeichen, die sich in der Koranschrift wiederfinden aus wissenschafts-‐ und textgeschichtlicher Perspektive. Der zweite Vortrag wurde von Motahareh Samimi (URD) zum Thema „Religiosity among primary school students after Islamic revolution“ (R2.2) gehalten. Neben der Benennung bedeutsamer religiöser
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Festivitäten für Kinder in der Primarstufe im Iran legte sie den Schwerpunkt ihrer Ausführungen auf die Frage, welche Methoden für die Vermittlung religiösen Wissens in der Primarstufe genutzt werden. Es konnte gezeigt werden, dass die verschiedenen religiösen Aktivitäten separat vom allgemeinen Bildungs-‐ und Erziehungssystem im Iran zu betrachten sind und maßgeblich dazu beitragen, Kinder der Primarstufe dazu zu befähigen, mit den Schriften des Korans umzugehen und diese lesen zu können. Zudem erhalten sie eine umfängliche Einführung in die Verhaltensweisen der religiösen Führer und der mit ihrer Religion in Zusammenhang stehenden moralischen Aufträge. Die Beiträge von Zohreh Tavaziani (AUT) zum Thema „Religious representations in the educational system at elementary school periods“ (R2.3) Tavaziany, AUT) und Fariba Pat (AUT) zum Thema „My teaching experience and different types of religiosity“ (R2.4) widmeten sich der Frage, welche Indikatoren sich für ‚gelebte Religion in der Öffentlichkeit’ finden lassen und wie sich dies auf die Vermittlung religiöser und kultureller Wissens-‐bestände im vorschulischen und schulischen Bildungs-‐bereich niederschlägt. Dabei wurden von den Referenten jeweils sowohl iranische als auch deutsche Eigenheiten in der Vermittlung religiöser
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Texte und Bücher herausgearbeitet. Schlussfolgernd ließ sich festhalten, dass in beiden Ländern jeweils spezifische methodisch-‐didaktische Vermittlungswege beschritten werden, die insbesondere durch das unterschiedliche Verhältnis von Religion und Staat geprägt sind. Der letzte inhaltliche Beitrag im Vormittagsband des zweiten Tages kam von Johann Hafner (UP) zum Thema „LER – Lifeorientation-‐Ethics-‐Religious Science“ (R2.5), der damit den an der Universität Potsdam grundständigen Lehramtsstudiengang vorstellte. Er skizzierte in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit den Werdegang des Faches (von ersten Überlegungen und Modellversuchen bis hin zur Integration in den Fächerkanon und der Erarbeitung entsprechender Rahmenlehrpläne), den geschicht-‐lichen und curricularen Hintergrund sowie dessen grundlegende Ziele. Im Anschluss an den Beitrag Johann Hafners wurden fünf internationale Diskussionsgruppen gebildet, die sich mit den Themen „I am religious..., I am secular...“ auseinandersetzten und Unterschiede im Iran und Deutschland herausarbeiteten. Im Ergebnis dieser Diskussion konnte festgehalten werden, dass Religion und die fortschreitende Säkularisierung keineswegs als
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konkurrierende Entwicklungen zu betrachten sind, sondern als ineinandergreifende Trends. In den verschiedenen Arbeitskreisen waren sich die deutschen und iranischen Teilnehmer einig, dass es eine gesellschaftliche Aufgabe ist, diesem Trend Rechnung zu tragen. Johann Hafner fasste die Arbeitsergebnisse metaphorisch mit den Worten zusammen, dass Religion als Sprache zu verstehen sei, bei der es eine Grammatik und eine bestimmte Semantik gibt. So lassen sich bestimmte Fragen (z.B. Warum leben wir? Wie viele Leben haben wir?) nicht beantworten, wenn man die Sprache nicht beherrscht bzw. lassen sich diese Fragen gar nicht erst stellen. Nach dem Mittagessen und der Möglichkeit zu beten folgte im Nachmittagsband des zweiten Tages der Vortrag von Helena Zawal (UP) zum Thema: „State and Religion an contemporary germany“ (R2.6), die sich mit dem Kopftuch in Deutschland beschäftigte. Dabei bezog sie sich auf die Ende der 1990er Jahre in Europa beginnende Kopftuchdebatte, die seit dem in Medien, Wissenschaft und Öffentlichkeit geführt wird und die Diskussion zum Verhältnis von Staat und Religion befeuert. Sie fokussierte insbesondere die Trennung von Religion und Staat in Deutschland mit den sich daraus ergebenen Schwierigkeiten religiöser
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Menschen, ihre Religion auch tatsächlich frei ausüben zu können, ohne in rechtliche Konflikte zu geraten (z.B. Tragen des Kopftuches im öffentlichen Dienst). Die folgenden Beiträge von Mohsen Mohassel Yazdi (Qom) zum Thema „The impacts of new media on the religiosity of the youth in Qom“ (R2.7) und Seyed Amin Shamaei (URD) zum Thema „The role of religion in social life of youth in contemporary Iran“ (R2.8) lagen inhaltlich dicht beieinander und zielten auf die Bedeutung neuer Medien und die Religionsausübung von Kindern und Jugendlichen in Qom. Dabei wurde auch die im Iran bestehende Zensur thematisiert, die dem real existierenden interkulturellen Austausch ent-‐gegensteht. Auf den ersten Blick schien es schwierig, einen gemeinsamen Nenner zwischen den Themen ‚Jugend’, ‚Medien’ und ‚Religion’ herzustellen. Jedoch zeigte sich in der Diskussion, dass sich sehr wohl Verbindungen zwischen Jugend, Medien und transzendenten Themen erkennen lassen. Diese beziehen sich nicht nur auf widersprüchliche Phänomene, sondern sind im Iran nach Meinung der Referenten und des Plenums fest in der Alltagswelt verankert. Der Abend wurde zu Gesprächen mit interreligiösen Initiativen der Stadt Potsdam genutzt (Bedito, Arbeits-‐
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gemeinschaft Christlicher Kirchen, Bahai, Gesellschaft für Christlich-‐Jüdische Zusammenarbeit, Salaam-‐Schalom e.V.), bei denen die Teilnehmer der Möglichkeit erhielten, einen tieferen Einblick in das interreligiöse Leben der Stadt zu bekommen. Die Vertreter der jeweiligen Initiative stellten kurz deren Programm vor, sodass im Anschluss sowohl die iranischen als auch deutschen Teilnehmer in einen Diskussions-‐ und Austauschprozess übergingen.
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TAG 3 Der dritte Tag startete mit dem Beitrag von Leila Houshangi (AUT) zum Thema „Coincidence between National and Religious. Ceremonies In Iran: Norooz & Fatemiyya as a Case Study“ (R3.1), die sich mit Fragen der kreativen und individuellen Religiosität im Iran auseinandersetzte. Dabei argumentierte sie entlang verschiedener religiöser Zeremonien, dass eben diese kreativen Prozesse in der Interpretation und Ausübung von Religion in weiten Teilen nicht mit den Entwicklungen des Lebens von Muslimen (Beispiel Shi^i Muslim) in einer modernen Welt korrespondiert. Hier identifizierte sie dringlichen Forschungsbedarf. Im Anschluss an den Beitrag von Leila Houshangi folgte Catherina Wenzel (GUF) mit dem Thema „Presentation about traditions and the connection between ‚Abendland’ and ‚Morgenland’ using the example of the three Magi“ (R3.2). Anhand von Darstellungen der Geburt Christi zeichnete sie die Entstehungs-‐geschichte des Weihnachtesfestes nach, bevor sie ausführlich dessen religiöse und politische Bedeutsamkeit im historischen Kontext erörtert. Sie rekkurierte dabei auf christologische Deutungen, die Zuordnungen der abgebildeten Protagonisten unterschiedlich vornehmen.
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Von Juanita Villamor (GUF) wurde das Thema „Christmas on national, regional, familial level“ (R3.3) vorgestellt. Anhand der weihnachtlichen Traditionen, Bräuche und Gepflogenheiten der Menschen in Deutschland zeigte sie auf, dass sich diese im Dezember etwas abnormal verhalten. Die dahinter stehende Fragestellung lautete, welche Bedeutung Weihnachten für die Menschen in Deutschland hat und warum sie Weihnachten auf eine bestimmte Art und Weise zelebrieren. Im Ergebnis kommt sie zu dem Schluss, dass Weihnachten auf bei nicht religiösen Menschen durchaus eine religiöse Bedeutung im Sinne einer (Familien-‐)Tradition einnehmen kann, dies jedoch nicht der Fall sein muss. Es ist mehr die Zeit um den heiligen Abend, die für die Familie von Bedeutung ist und die genutzt wird, um zusammen zu sein. Vera Blöhmer (GUF) sprach zu „Max Weber‘s thesis on rationalization, in: Science as a Vocation“ (R3.4) und diskutierte, welche Bedeutung Max Webers These der universalen Rationalisierung der Welt für die zunehmende Säkularisierung hat. Dabei stellte sie Bezüge zu anderen Beiträgen der DAAD-‐SummerSchool her und schaffte es, den sehr theoretischen Diskurs auf das Thema der Veranstaltung abzustellen. Im Fazit kam sie zu dem Ergebnis, dass die These Max Webers
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durchaus übertragbar auf die in der modernen Zivilgesellschaft stattfindenden Säkularisierungs-‐prozesse ist. In dem Beitrag von Birke Fanger (UP) zum Thema „Olivier Roy’s thesis on the divide of religion and culture in ‚Holy Ignorance’“ (R3.5) wurde gezeigt, dass Religion Kultur braucht und das eine entwurzelte Religion mit bestimmten Gefahren einhergeht. Birke Fanger diskutierte zudem, dass alle Religionen, insbesondere die monotheistischen Offenbarungs-‐religionen, sich früher in eine Kultur integriert oder sich mit ihr identifiziert haben. Dies ist in der modernen Gesellschaft nicht der Fall, wobei nach Roy eine religiöse Gesellschaft ohnehin unmöglich sei. Der Beitrag von Hans-‐Michael Haußig zum Thema „Distinctions between the religious and secular traditions? Individualization of liturgy“ (R3.6) bildete den inhaltlichen Abschluss des dritten Tages und entließ die Teilnehmer mit der Position, dass das Säkularisierungskonzept von dem Begriff der Religion anhängt, weshalb die Unterscheidung zwischen religiösem und säkularem aus interreligiöser Perspektive problematisch ist. Religionen haben unterschiedliche Vorstellungen von der je eigenen Säkularisierung, die jedoch nicht zu einem
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Verschwinden einer bestimmten Religion im Speziellen und der Religionen im Allgemeinen führt. Bestimmte Arten von Religionen können auch das Ergebnis des Säkularisierungsprozesses sein.
TAG 4 Am Tag vier der DAAD-‐SummerSchool startete Anna Wunderlich mit dem Thema „Jose Casanova: Secularization, Enlightenment, and Modern Religion“ (R4.1) und stellte die Theorie der Säkularisierung als ein mehrdimensionales und Teilen widersprüchliches Konstrukt dar, dass praktisch nicht operationalisierbar ist. Analog zu Hans-‐Michael Haußig kommt sie zu dem Schluss, dass es für den Niedergang von einzelnen Religionen durch Säkularisierungsprozesse keine empirischen Belege gibt und das (sensu Casanova) die Religion in der Öffentlichkeit eine mögliche legitime Form der "öffentlichen" Religion in der modernen Welt zu sein scheint. Hojjatollah Javani (AUT) stellte in seinem Beitrag zum Thema „Manifestation s of religion in public life in Iran“ (R4.2) Fragen zur Situation der Religion im Iran und wie sich das Zusammenspiel der bürgerlichen Religion und des Staates Iran darstellt? Dabei besprach er
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Forschungsergebnisse eigener Untersuchungen und kam zu dem Schluss, dass das religiöse Leben und Gemeinschaft nicht mit den staatlichen Interessen vermischt sind. Religion und Staat stehe zwar im Einklang, die Ausübung der Religion findet jedoch überwiegend im privaten Bereich statt. Razieh Hashemi (URD) besprach in ihrem Beitrag „Women’s household religious ceremonies in Iran: Form, content, personal and social functions, and their development in the last decade“ (R4.3) die soziale Funktion verschiedener Bräuche im Iran vor, die ausschließlich den Frauen vorbehalten sind. So sind mit der Religion verschiedene Zusammenkünfte und religiöse Treffen verbunden, die von den Gläubigen dafür genutzt werden, um sich über das religiöse, kulturelle, moralische und wirtschaftliche Leben auszutauschen und dieses zu reflektieren. Sie kommt zu dem Schluss, dass religiöse Versammlungen der iranischen Frauen eine spezielle Erscheinungsform von Religiosität ist, die regelmäßig und periodisch aber auch unregelmäßig und gelegentlich an unterschiedlichen Orten (meist in Häusern von Beteiligten) stattfindet. Diese Versammlungen sind offen für Frauen jeden Alters und haben die zentrale Funktion, den Frauen ein Gefühl der Akzeptanz und
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sozialen Identität zu geben. Sie dienen als Anlaufpunkt bzw. Plattform bei Problemen, die die Frauen im sozialen, religiösen aber auch wirtschaftlichen Bereich haben. Der letzte Beirag folgte von Mahmoud Nazari (URD) zum Thema „Religion: to relieve & help the sick in Iran“ (R4.4) und bildete den inhaltlichen Abschluss des vierten Tages. Er zeigte sehr eindringlich, wie sehr der Besuch und die Versorgung von Kranken in der iranischen Kultur verankert und weitestgehend ritualisiert ist. Es wurde deutlich, dass dieses humanitäre Verhalten jedoch auch religiös motiviert ist und die Einhaltung von Religion die Gläubigen dazu ermutigt, diesen Brauch zu pflegen. Aus diesem Grund ist der Ausdruck der Prämien und Segen Gottes für das Praktizieren sehr wichtig, weil die Anhänger der islamischen Religion glauben, dass sie Allah dafür belohnen wird. Damit erhält der Besuch von Kranken im Iran eine gewisse Janusköpfigkeit, weil man unterstellen muss, dass diese Besuch nicht um ihrer selbst willen stattfinden, sondern um sich religiös konform zu verhalten. Mahmoud Nazari kommt jedoch im Ergebnis seiner Untersuchungen zu dem Schluss, dass der Aspekt der sozialen bzw. religiösen Erwünschtheit bei den Gläubigen eine eher
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untergeordnete Rolle spielt und humanitäre Gedanken überwiegen. Nach der Mittagspause wurde das spätsommerliche Wetter für eine von Ulrike Kollodzeiski (GUF) geführte Tour durch den Park Sanssouci genutzt. Es zeigte sich, dass es in den vergangenen Tagen bereits regen Austausch zwischen den deutschen und iranischen Teilnehmern gegeben hat, sodass sich bei der Tour interkulturelle Gesprächsgruppen bildeten und gemeinsam durch den Park wandelten. Vorbei am Neuen Palais, dem in 2014 neu eingerichteten Sommertheater, dem Springbrunnen am Lustgarten und dem Teehaus ging es zur Moschee bzw. dem Pumpwerk in der breiten Straße. Hier gab es insbesondere bei den iranischen Teilnehmern etwas Irritation hinsichtlich der Nutzung dieses augenscheinlich religiösen Gebäudes. Ulrike Kollodzeiski konnte dieses Missverständnis jedoch souverän aufklären und so ging es weiter durch die Stadt. Zum Abendessen kehrten die Teilnehmer in Kleingruppen in verschiedene Lokalitäten der Stadt ein und trafen sich 19 Uhr wieder am Campus der Universität. Dort wurde der Film „Scenes from Iranian and German workers, imams, priests“ gezeigt.
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TAG 5 Der fünfte Tag stand im Zeichen der kulturellen Möglichkeiten, die der Raum Berlin Brandenburg bietet. Um 09.00 Uhr startete die gesamte Gruppe am Anleger in Wannsee zu einer fünfstündigen Bootstour nach Berlin (Westermann, UP). An Board setzte sich das fort, was bereits am Vortag im Park Sanssouci zu beobachten war, der interkulturelle Austausch zwischen den deutschen und iranischen Teilnehmern. Vorbei an historischen Stätten und Gebäuden bot die Kulisse Anlass zu allerlei Diskussionen und Gesprächen. Ziel war der Anleger am Berliner Dom, von wo aus sich die Teilnehmer ab 13 Uhr in verschiedene Gruppen aufteilten. Zwischen folgenden Angeboten konnten die Teilnehmer wählen:
1. „Classic Berlin“ (Reichstag, Unter den Linden etc.) 2. „Berlin: East and West“ 3. „Modern Berlin“ 4. „Jüdisches Berlin“ (Synagoge)
Einmal in Berlin, konnten die Teilnehmer die Stadt ab 17 Uhr frei erkunden und die Rückmeldungen zeigten, dass dies nach den doch auch anstrengenden Tagen zuvor rege genutzt wurde.
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TAG 6 & 7 Die beiden letzten Tage waren jeweils nur vormittags inhaltlich ausgefüllt, sodass die Teilnehmer Raum hatten, die Zeit am Nachmittag selbst zu gestalten. Im Vormittagsband des sechsten Tages teilte sich die Gruppe in zwei kleinere Gruppen auf, die jeweils an unterschiedlichen Workshopangeboten teilnahmen. Zum einen der PhD-‐Workshop (Leitung: Schmidt, GUF) und zum anderen der Student-‐Workshop (Leitung: Westermann, UP). Beide Workshops fanden parallel in den Räumlichkeiten des Campusgeländes am Neues Palais der Universität Potsdam statt und boten Raum, einzelne Forschungsprojekte und -‐schwerpunkte zu präsentieren. Im PhD-‐Workshop sprach Karsten Schmidt (GUF) als erstes zum Thema „Configurations of Positioning and Dialogue in the Dynamics of European-‐Asian Encounters in the 17th/18th Century“. Ihr folgten Kobra Goudarzvand (URD) zum Thema „The role and effect of the religious dialogue – centred programs in Iran’s media“, Alireza Farhang (URD) mit dem Thema „Religious enlightenment in Iran: history, famous intellectuals, doctrines“ sowie Bernadett Bigalke mit der
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Vorstellung eines Forschungsprojekts der Universität Leipzig zur Thematik „Multiple Secularities“. Die einzelnen Beiträge wurden als Ausgangspunkt für die Diskussion genutzt. Im Mittelpunkt standen Fragen des interkulturellen Dialogs und deren Anschlussfähigkeit an die Entwicklungen der modernen Zivilgesellschaft. Der parallel laufenden Student-‐Workshop wurde mit einem Input-‐Statement von Julian Koch begonnen bevor Eli Reich (UP) zum Thema „School of Jewish Theology in Potsdam” gesprochen hat. Im Rahmen des Workshops hatten die Studierenden die Möglichkeit sich über aktuell laufende oder bevorstehende Qualifikationsvorhaben auszutauschen. Der letzte Abend der SummerSchool ging als ‘Bunter Abend’ auf dem Campusgelände am Neuen Palais mit ausreichendem kulinarischen Input sowie kulturellen Einlagen, sowohl von iranischer als auch deutscher Seite, zu Ende. Trotz der bevorstehenden Rückreise der iranischen Teilnehmer am frühen Morgen des nächsten Tages fanden bis in die Dunkelheit Gespräche über die zurückliegenden Tage statt. In der Rückschau wurden die Tage in Potsdam als sehr gelungen eingeschätzt und eine weitere Kooperation zwischen den beteiligten Institutionen sehr begrüßt.
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Implikationen Im Rahmen der Veranstaltung wurde herausgearbeitet, dass Religion und die fortschreitende Säkularisierung keineswegs als konkurrierende Entwicklungen zu betrachten sind, sondern als ineinandergreifende Trends. In den verschiedenen Arbeitskreisen waren sich sowohl die deutschen als auch iranischen Teilnehmer einig, dass es eine gesellschaftliche Aufgabe ist, diesem Trend Rechnung zu tragen. Der Metapher Prof. Hafners folgend, ist Religion dabei als Sprache zu verstehen, die mit einer eigenen Grammatik und speziellen Semantik hinterlegt ist. So lassen sich bestimmte Fragen (z.B. Warum leben wir? Wie viele Leben haben wir?) nicht beantworten, wenn man die Sprache nicht beherrscht bzw. lasen sich diese gar nicht erst stellen. Im Zuge dieses interkulturellen und interreligiösen Diskurses wurden verschiedene Desiderata identifiziert, die es auf der Folie interdisziplinärer Projekte zu bearbeiten gilt. Hierbei ist es von Vorteil, dass die Wissenschaftler aus Qom überwiegend religions-‐philosophisch arbeiten, während die Kollegen in Potsdam darüber hinaus religionsgeschichtlich und historisch-‐kritisch vorgehen. Folgende Leitthemen wurden durch die Teilnehmer benannt, die jeweils
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sowohl die deutsche als auch iranische Perspektive implizieren:
1. Das Verhältnis von Erziehung, Bildung und Religion in Deutschland und dem Iran.
2. Das Verhältnis von Religion und Staat. 3. Das Verhältnis von Religion und
Menschenrechten. 4. Das Verhältnis von Religion und nicht religiösen
Menschen sowie deren Koexistenz. 5. Das Verhältnis von Religion und Identität.
Es wurde zudem deutlich, dass die Thematik Religion einer differenzierten Betrachtung bedarf. Zum einen die Religion, die von den Teilnehmern als „Reine Religion“ identifiziert wurde und in den religiösen Schriften wiederzufinden ist. Zum andere die gelebte Religion, die sich in vielerlei Hinsicht von der reinen Religion unterschiedet und in de Straßen zu finden ist. Dabei sei es zielführender und nutzbringender den interkulturellen Diskurs weniger additiv über Religion und dessen Bedeutung anhand ausgewählter Schriften zu führen, sondern Religion vielmehr im jeweiligen Kontext zu betrachten um somit der Komplexität dieser als Forschungsgegenstand gerecht zu werden.
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In diesem Zusammenhang wurden in den Tagen der Begegnung in Potsdam auch erhebliche Unterschiede zwischen den beteiligten Wissenschaftlern, insbesondere in Bezug auf deren forschungs-‐methodische Herangehensweise, deutlich. Während sich bei den iranischen Kollegen nur in Ansätzen empirisch-‐basierte Methoden im Umgang mit wissenschaftlichen und religiösen Texten zeigen und sie ihre religiösen Normative bzw. eigene Objektivitätsansprüche aus einer weitestgehend hermeneutisch-‐verstehenden Arbeitsweise ableiten, lassen sich bei den Kollegen deutscher Universitäten vorwiegend Methoden der komparatistischen Religionsforschung und insbesondere evidenzbasierte Betrachtungen beobachten, die in entsprechend wissenschaftlich legitimierte Ergebnisdarstellungen münden. Die beteiligten Wissenschaftler beider Länder identifizieren in diesem Bereich jedoch noch erheblich Defizite, die einer kohärenten und den Gütekriterien der Science Community entsprechenden Betrachtung wissenschaftlicher Texte und religiöser Schriften entgegenstehen. Dieses Desiderat soll in Folgeveranstaltungen aufgegriffen und bearbeitet werden.
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Programmübersicht
Konstitutionelle Aspekte Montag, 25. August 2014 10.00 -‐ 13.00 Uhr
Exkursion in Potsdam (Meixner)
15.00 -‐ 17.00 Uhr
R1.1 „State and religion according to the German constitution“ (Gatzhammer, UP) R1.2 „The relationship between Muslims and non-‐Muslims in Iran“ (Jamil, URD) R1.3 „Pollack, D.: Secularisation in Germany after 1945“ (Beckemeier & Asif, GUF)
19.00 -‐ 21.00 Uhr
Vorstellung der Teilnehmer, des Programms und des Steuerungskomitees
Konstitutionelle Aspekte Dienstag, 26. August 2014 9.00 -‐ 13.00 Uhr
R2.1 Vorstellung der „Corpus Coranicum“ (Marx, Akademie der Wissenschaften) R2.2 „Religiosity among primary school students after Islamic revolution“ (Samimi, URD) R2.3 „Religious representations in the educational system at elementary school periods“ (Tavaziany, AUT)
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R2.4 „My teaching experience and
different types of religiosity“ (Pat, AUT) R2.5 Vorstellung des Studienganges „Lebens-‐gestaltung-‐Ethik-‐Religionskunde (LER)“ an der Universität Potsdam (Hafner, UP) Diskussion
14.00 -‐ 17.00 Uhr Offene Diskussion in Arbeitsgruppen zu persönlichen Erfahrungen mit den Statements „I am religious..., I am secular...“ in Deutschland und im Iran (alle Teilnehmer) R2.6 „Religions in mass media in Germany“ (Zawal, UP) R2.7 „The impacts of new media on the religiosity of the youth in Qom“ (Yazdi, URD) R2.8 „The role of religion in social life of youth in contemporary Iran“ (Shamai, URD)
19.00 -‐ 21.00 Uhr Gespräch mit interreligiösen Initiativen der Stadt Potsdam: Bedito, Arbeits-‐gemeinschaft Christlicher Kirchen, Bahai, Gesellschaft für Christlich-‐Jüdische Zusammenarbeit, Salaam-‐Schalom e.V. (Haußig & Nowak, UP)
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Rituelle Aspekte Mittwoch, 27. August 2014 9.00 -‐ 12.00 Uhr
R3.1 „Coincidence between National and Religious. Ceremonies In Iran: Norooz & Fatemiyya as a Case Study“ (Hooshangi, AUT)
R3.2 „Presentation about traditions and the connection between ‚Abendland’ and ‚Morgenland’ using the example of the three Magi“ (Wenzel, GUF) R3.3 „Christmas on national, regional, familial level“ (Villamor, GUF)
14.00 -‐ 17.00 Uhr
R3.4 „Max Weber‘s thesis on rationalization, in: Science as a Vocation“ (Blöhmer, GUF)
R3.5 „Olivier Roy’s thesis on the divide of religion and culture in ‚Holy Ignorance’“ (Fanger, UP) R3.6 „Distinctions between the religious and secular traditions? Individualization of liturgy“ (Haußig, UP)
Abend frei Donnerstag, 28. August 2014 9.00 -‐ 12.00 Uhr
R4.1 „Jose Casanova: Secularization, Enlightenment, and Modern Religion“ (Wunderlich, GUF) R4.2 „Manifestation s of religion in public life in Iran“ (Javani, AUT)
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R4.3 „Women’s household religious
ceremonies in Iran: Form, content, personal and social functions, and their development in the last decade“ (Hashimi, URD) R4.4 „Religion: to relieve & help the sick in Iran“ (Nazari, URD)
14.00 -‐ 17.00 Uhr Geführte Tour durch den Park Sanssouci (Drachenhaus, Moschee/Pumpwerk, Teehaus) (Kollodzeiski, GUF)
ab 19.00 Uhr Film: „Scenes from Iranian and German workers, imams, priests“ (GUF)
Freitag, 29. August 2014 9.00 -‐ 14.00 Uhr Bootstour von Wannsee nach Berlin
(Westermann, UP)
14.00 -‐ 17.00 Uhr „Visit Berlin“ „Classic Berlin“ (Reichstag, Unter den Linden etc.) „Berlin: East and West“ „Modern Berlin“ (Schaab) „Jüdisches Berlin“ (Synagoge, Nowak)
Abend frei Samstag, 30. August 2014 9.00 -‐ 12.00 Uhr PhD-‐Workshop (Schmidt, GUF)
Student-‐Workshop (Westermann, UP) Nachmittag frei Abend frei
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Sonntag, 31. August 2014 9.00 -‐ 12.00 Uhr
Reflektionen zur DAAD-‐Summerschool in Potsdam und weitere Planungen (alle Teilnehmer)
Nachmittag frei Abend „Bunter Abend“ im Fakultätsclub
(Fanger & Borchert, UP)
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Teilnehmer University of Religion and Denominations Qom (URD) Dr. Mohammad Sadegh Aboutalebi Dr. Bagher Talebi Darabi Prof. Reza Elahi Manesh Khalil Ghanbari Doustkouhi Allah Karam Karami Pour Mahdi Salehi Kobra Goudarzvand Alireza Farhang Mohsen Mohassel Yazdi Razieh Hashemi Mehrab Sadeghnia Masoumeh Vesaghati Jamil Mahmoud Nazari Seyed Amin Shamaei Motahareh Samimi Saida Mirsadri Az-‐Zahra University Teheran (AUT) Dr. Hojjatollah Javani Dr. Zohreh Tavaziani Dr. Fariba Pat Ala Turani Dr. Leila Houshangi
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Goethe-‐Univerity Frankfurt (GUF) Prof. Catherina Wenzel Dr. Karsten Schmidt Ulrike Kollodzeiski Seemab Asif Kim Denise Beckemeier Anna Wunderlich Sarah Nina Marzouk Vera Blöhmer Juanita Villamor Lena Borchardt
Univerity of Potsdam (UP) Prof. Hans Hafner Dr. Hans-‐Michael Haußig Dr. des. Bernadett Bigalke Zofia Nowak Juri Westermann Dr. Thomas Borchert Birke Fanger Julian Koch Eduard Schaab Helena Zawal
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