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Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. Preis 1,50 EUR 2008 2008 KLIMA-WANDEL ALS GEFAHR ENERGIE-WENDE ALS CHANCE

2008...Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008 3 Albträume haben den Vorteil beim Auf-wachen zu verschwinden, eben weil es sich nur um Träume handelt. Verfi lmte Horror-visionen

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  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. Preis 1,50 EUR

    2008

    2008

    KLIMA-WANDEL ALS GEFAHRENERGIE-WENDE ALS CHANCE

  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 20083

    Albträume haben den Vorteil beim Auf-wachen zu verschwinden, eben weil es sich nur um Träume handelt. Verfi lmte Horror-visionen sind vielleicht Kassenschlager, in der Wirklichkeit kommen wir sehr gut ohne sie aus. Schrecken erregende Informationen schieben wir gerne beiseite, spalten ihre Bedrohung gewissermaßen von unserem eigenen Handeln ab. Klar, wir wissen, dass viele Energiequellen in absehbarer Zeit erschöpft sein werden. Aber müssen wir deshalb schon mit dem Energiesparen anfangen? Müssen wir tatsächlich soviel Geld ausgeben für ein weltweites Netz an erneuerbaren Energien anstatt mit den bis-herigen weiter zu wursteln – allen Risiken zum Trotz? Putin, Sarkozy oder Bush tun’s doch auch, warum sollen ausgerechnet wir die Atomreaktoren einmotten? Was würde mit dem geschundenen Globus passieren, wenn es uns, die Menschheit, nicht mehr gäbe? Nicht durch langsames Absterben oder regionale Katastrophen, sondern insgesamt und schlagartig. Dieses Szenario ist für den amerikanischen Autor Alan Weisman die – zugegebenermaßen – sehr fi ktive Ausgangslage seiner Zukunfts-vision. Doch belegt er seine „Was-wäre-wenn-Reise“ durch alle Kontinente immer mit gesicherten Forschungen und Aussa-gen von Wissenschaftlern verschiedener Sparten wie Geologen, Botanikern, Astro-physikern oder Statistikern. So ist es span-nend mit zu verfolgen, was von unseren Taten und Werken wie lange überdauern kann. Kurz gesagt: Dort, wo wir uns die Erde am intensivsten untertan gemacht haben, in den Dschungeln der Großstädte, wird sie am raschesten von den Naturgewalten wie-der zerstört. Die U-Bahnschächte New Yorks sind ohne elektrische Pumpen bereits nach zwei Tagen überfl utet, die Fundamente der Wolkenkratzer unterspült, durch Blitzschlag ausgelöste Brände erledigen den Rest. Ähn-lich würde es den Atomreaktoren ergehen.

    Denn schon nach 7 Tagen ohne Treibstoff-vorrat bricht deren Kühlkreislauf zusammen und die Kernschmelze fi ndet unge hindert statt. Aber es geht dem Autor bei seiner Beschreibung „Die Welt ohne uns“ gar nicht um eine Abfolge von Schreckensbildern, die den Leser nur abstumpfen lassen. Es klingt vielmehr tröstlich, dass die Natur, also das inhumane Leben, sich vielfältiger und üppi-ger gestaltet, wenn sie uns und unsere tech-nischen Errungenschaften erst mal abge-schüttelt hat wie einen lästigen Ausschlag.

    Ihre Cornelia Stadler

    EDITORIAL

    Alan Weisman. Die Welt ohne uns – Reise über eine unbevölkerte Erde 378 Seiten, Piper Verlag 2007, 19,90 €

  • Editorial ______________________________________Eine Welt ohne uns ................................................................................................................................................ 3

    Klima + Energie ________________________________Geothermie – Wärme aus der Erde ...................................................................................................................... 5EU verlangt mehr erneuerbare Energie ................................................................................................................ 7Zauberwort: Vernetzte Öko-Energie bringt Versorgungssicherheit ................................................................... 8Hartes Ringen in Bali – Bericht von der Klima-Konferenz im Dezember 07 ................................................... 10Energiekosten sind größte Preistreiber .............................................................................................................. 12Stromwechsel ja – aber wohin? Preisvergleich der Ökostrom-Anbieter ......................................................... 13Fliegen für die Umwelt – tolle Projekte am Gymnasium Gars/Inn ................................................................... 14Fördergelder für Energieeffizienz: neue Broschüre .......................................................................................... 15

    Atomkraft + Uranwaffen _________________________VGH-Urteil: längere Laufzeit für Biblis und Brunsbüttel abgelehnt ................................................................. 16Wandel eines Medienstars zum Siemens-AKW-Freund .................................................................................... 1850 Jahre Atomreaktor Garching – kein Grund zum Jubeln .............................................................................. 19TU Garching lässt Plakate abhängen ................................................................................................................. 20Bayern – ein Bollwerk der Atomwirtschaft ......................................................................................................... 21Offener Brief an Bundesumweltminister Sigmar Gabriel .................................................................................. 23Kinderspiele im tödlichen Staub ......................................................................................................................... 25Todesstaub – Impressionen zum Film ................................................................................................................ 27

    Kinder + Krebs _________________________________Wunschtraum eines Kindes ................................................................................................................................. 29Transparenz beim Spenden sammeln: Aktion Kinder von Tschernobyl ......................................................... 30Lauter gute Ideen zum Fundraising .................................................................................................................... 31Gleiche Rechte für Frauen und Männer beim Strahlenschutz? ....................................................................... 32Wie ein Fels in der Brandung: der lange Weg zur Kinder-Krebs-Studie ......................................................... 34

    Gruppen + Mitglieder + Vorstand __________________Geburtstagsgrüße an Gudrun Pausewang ........................................................................................................ 37Gruppen berichten aus:

    Fürstenfeldbruck ............................................................................................................................................ 38Petershausen .................................................................................................................................................. 39Bielefeld ........................................................................................................................................................... 40Mangfalltal ........................................................................................................................................................41Nürnberg ..........................................................................................................................................................41Neubiberg und Ottobrunn ............................................................................................................................. 42Pfaffenhofen/Ilm ............................................................................................................................................. 44Unterschleißheim und Haimhausen ............................................................................................................. 45

    Vorstands-Aktionen: Tschernobyltag in München .......................................................................................................................... 47Wir engagieren uns: Freiwilligen-Messe im Gasteig ................................................................................... 47Unser neuer Vorstand 2007/08 ..................................................................................................................... 48Veränderung im Büro: von Helga zu Sieghild.............................................................................................. 48Pressemitteilung zur KiKK-Studie von Gina Gillig ....................................................................................... 48Astrid Nielsen zum 100. Geburtstag ............................................................................................................ 50

    Impressum _____________________________________Beitrittserklärung + Spendenkonto ..................................................................................................................... 50

    INHALT

    4Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 20085Klima + Energie

    Das Innere der Erde ist heiß. Die Menschheit weiß das schon lange, insbesondere das christliche Abend-land mit seinen fantasiereichen Vor-stellungen von einem ewigen Höllen-feuer, das irgendwo unter uns brennt.Wie heiß es „da unten“ wirklich ist, das ist den wenigsten bewusst. 99 Prozent unseres Planeten sind heißer als 1000 °Celsius und das rest-liche eine Prozent unseres Erdballs ist immer noch heißer als 100 °C.Warum man diesen Umstand nicht schon lange als Energiequelle nutzt, hat viele Ursachen.Wäre man ein alternativer Verschwö-rungstheoretiker, könnte man glau-ben, dass der Teufel in den Aufsichts-räten der großen Energiekonzerne hockt. Im Verein mit den anderen Managern hat er bis jetzt verhindert, dass sein Höllenfeuer statt zur Unter-drückung von Gläubigen als ein-fache, saubere, grundlastfähige und notwendigerweise dezentrale Ener-giequelle genutzt wird.Das „Heimatland“ der geother-mischen Nutzung ist Island. Was natürlich daran liegt, dass es dort überall heiße Quellen, Geysire und Vulkane gibt.

    Trotzdem beginnt auch in Island die Geschichte der technischen Nutzung der Geothermie erst in den 1920er Jahren. Vorher wurde alles mit Kohle geheizt und entsprechend rußig war der Himmel über Reykjavik.Heute ist der Himmel blau und der Schnee weiß. Mit Ausnahme des Auto-verkehrs wird Island zu nahezu 100 Prozent mit Energie (Wärme und Strom) aus der Erde versorgt. Sogar das Schneeräumen sparen sich die Isländer: In Reykjavik werden die Stra-ßen und Gehsteige im Winter beheizt, geothermisch versteht sich.Bei uns ist die Nutzung der Geother-mie nicht ganz so einfach wie in Island. Doch gemessen am Aufwand, der für Förderung und Transport von Erdöl und Ergas getrieben wird, ist sie weder ein technisches noch ein logistisches und auch kein fi nanzielles Problem. Vom Aufwand, der schon für ein mitt-leres Atomkraftwerk notwendig ist, gar nicht zu reden.

    Die geologischen Voraussetzungen …

    Im Prinzip kann man die Erdwärme überall nutzen. Besonders günstig sind die geologischen Vorausset-zungen in Südbayern, sehr verein-

    facht stellt sich die Situation hier ungefähr so dar: Zwischen dem Alpennordrand und der Donau erstreckt sich das „Molassebecken“. Ein Absenkungs-bereich, der den Verwitterungs-schutt (Molasse) seit dem Ende der Kreidezeit (ca. 70 Mya) von den auf-steigenden Alpen aufnahm (und immer noch aufnimmt).An der Basis der Molasse liegt eine mehrere hundert Meter mächtige Schicht aus Kalk. Dieser Kalk war am Ende der Kreidzeit landfest und ist damals verkarstet, d.h. er enthält viele Hohlräume, die mit Wasser gefüllt sind.Weil das Molassebecken ein Absen-kungsbereich ist und der Kalk, der nördlich der Donau die heutige Land-oberfl äche, die Fränkische Alb, bil-det, ziemlich steil nach Süden hin abtaucht – unter München liegt er bereits über 3 km tief – ist dieses Wasser heiß.Wie heiß, das ist abhängig von der Tiefenlage des Kalkes.So ergibt sich für die Tiefengeother-mie ein günstiger Bereich mit einer Nordgrenze knapp nördlich von Mün-chen = Wasser noch nicht zu kalt und einer Südgrenze etwa südlich von Seeshaupt = Kalk noch nicht zu tief.

    GEOTHERMIE – WÄRME AUS DER ERDEvon Dr. Franz Sengl, GEO4- Gesellschaft für Geotechnik und Geophysik mbH, Landstraße 1, 82131 Oberbrunn, www.geo4.de

    Geysir auf Island – sichtbare Energie

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    Für eine wirklich sinnvolle Nutzung der Tiefengeother-mie braucht es nicht nur Investoren, sondern Stadt- oder Kommunalwerke in öffentlicher Hand, die nicht ausschließlich aufs Geld schauen, sondern wirklich dar-an interessiert sind, den Klimawandel aufzuhalten und gleichzeitig ihre Bürger mit günstiger und sauberer Energie versorgen wollen.

  • 6Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

    Klima + Energie

    … und wie man sie nutzen kann

    Bohrt man nun innerhalb dieses günstigen Bereiches bis in den Kalk, so trifft man mit großer Wahrschein-lichkeit auf heißes (85–130 °C) Was-ser, das deswegen und nach dem Prinzip der kommunizierenden Röh-ren bis fast an die Oberfl äche ansteigt.

    Ob man genug Wasser antrifft, hängt von der Verteilung der Karsthohl-räume und der tektonischen Störun-gen im Kalk ab.Um das Fündigkeitsrisiko zu minimie-ren, wertet man die vielen vorlie-genden seismischen Daten aus, die

    man aus früheren Erdölversuchsboh-rungen gewonnen hat. Das Molasse-becken ist nämlich auch für Erdöl und Erdgas ein höffi ges Gebiet und wurde daher vor allem in den 60er und 70er Jahren intensiv erkundet. Da man viel weniger gefunden hat als erhofft, las-sen sich die Erdölfi rmen wenigstens ihre alten Daten vergolden und brau-chen trotzdem oft Monate bis sie wel-che herausgeben.

    Wo keine Daten vorliegen, macht man auch neue Messungen, wie kürzlich die Stadt München auf der Panzer-wiese.Man benötigt aber nicht nur eine Bohrung zum Fördern des Wassers, sondern auch eine 2. zum Wieder-

    einleiten in den Kalk. Beide Boh-rungen müssen fündig sein.Die Bohransatzpunkte legt man so nahe wie möglich zusammen, die Leitungen vom und zum Wärmetau-scher sollen ja so kurz wie möglich sein. Damit man nicht das eigene, abgekühlte Wasser wieder fördert, lenkt man die Bohrungen dann in einer Tiefe von mehreren hundert Metern so ab, dass die Endpunkte mindestens zwei Kilometer ausein-ander liegen.Hört sich einfach an, ist aber schwie-rig und es gibt auf der Welt nur eine Handvoll Bohrfi rmen die so tiefe Löcher überhaupt bohren können. Und die sind im Moment alle auf lange Zeit ausgebucht und entspre-chend teuer, weil überall wie wild nach Erdöl gebohrt wird. Beim momentanen Marktpreis lohnt es sich sogar, Öl mit kochendem Was-ser aus den Ölschiefern in Alberta/Canada auszutreiben. Als gäbe es kein Morgen.

    Tiefenwärme nicht sinnlos verschleudern

    Die beiden Bohrungen (geother-mische Dublette) kosten im Moment zwischen 8 und 12 Millionen Euro. Und die Preise steigen (siehe oben).Aber es ist nicht nur so, dass nur ganz wenige so was können, man darf überhaupt nur bohren, wenn man das Bergrecht besitzt. Das Bergrecht wird vom Wirtschaftsmi-nisterium auf Zeit vergeben. Man muss dazu einen Antrag einreichen, in dem man glaubwürdig nachweist, über die notwendigen technischen und fi nanziellen Mittel und das Fach-wissen zu verfügen.Die Bergrechte in dem oben beschriebenen, günstigen Bereich zwischen München und Seeshaupt sind (fast) alle vergeben. Nur ein paar Gemeinden haben sich die

    Aufbau–Schema unseres Erdballs

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    Alle lieben Wärme

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  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 20087Klima + Energie

    Nach den Klimaschutzplänen der EU-Kommission soll Deutschland bis 2020 den Anteil erneuerbarer Ener-gien verdreifachen. Kernforderung des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso: Künftig sollen 18 Prozent der gesamten deutschen Energieversorgung aus Öko-Quellen stammen. Gleichzeitig soll die Bun-desrepublik ihre Treibhausgas-Emis-sionen erheblich senken. Die Pläne sehen vor allem für Kraftwerke und Fabriken Verschärfungen vor. Sie sol-len zwischen 2013 und 2020 ihre Emissionen um 21 Prozent mindern. Im übrigen Energieverbrauch, also im Verkehr, in Gebäuden, in der Abfall- und Landwirtschaft sollen die deut-schen Emissionen gegenüber 2005 um 14 Prozent zurückgehen.

    Mit den Vorgaben will die EU erstmals ihre Klimaziele mit Zahlen unterlegen, aufgeschlüsselt für jeden Mitglieds-staat. „Das ist das weitestreichende Klimaschutzpaket, das in der Welt existiert“, sagte Barroso. Die Kosten blieben überschaubar, jeder Bürger

    müsse wöchentlich drei Euro aufbrin-gen. Die Kosten des Nichtstuns wür-den weitaus höher liegen. Die EU hatte sich vor gut einem Jahr ver-pfl ichtet, ihre Treibhausgas-Emissi-onen bis 2020 um ein Fünftel zu sen-ken. Sollten andere Industriestaaten mitziehen, will die Union den Ausstoß um 30 Prozent mindern. Der Anteil erneuerbarer Energien soll EU-weit auf ein Fünftel steigen. Vor allem für die Industrie dürften die neuen Vor-gaben Folgen haben. Von 2013 an erlaubt die EU ihnen weit weniger Treibhausgas-Emissionen als bisher, Brüssel wird die Menge der Emissi-onsrechte entsprechend verknap-pen. Auch sollen Kraftwerke die Rechte nicht mehr kostenlos erhal-ten; sie müssen sie ersteigern. Die deutsche Industrie warnte vor Milliar-denkosten, vor allem durch höhere Strompreise. Auf Drängen unter anderem Deutschlands sollen einzig energieintensive Industrien die Zerti-fi kate weiter kostenlos erhalten. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach in Berlin von

    einem „ambitionierten und mutigen“ Paket. Die Vorgaben entsprächen weitgehend den Zielen, die sich Deutschland selbst mit seinem eige-nen Klimapaket gegeben habe. Allerdings dürften die Verhand-lungen „angesichts der vielen Ver-teilungsfragen und etlicher Zaude-rer“ nicht einfach werden. Sowohl unter den Mitgliedsstaaten als auch im Europa-Parlament braucht das Paket eine Mehrheit.

    Kritik kam dagegen von Umweltver-bänden und Grünen. Umweltver-bände kritisierten, dass die EU nicht gleich die ehrgeizigere Zielmarke von minus 30 Prozent angepeilt habe. Auch fehlten Sanktionen, soll-ten Staaten die Ziele verfehlen.Quelle: SZ vom 24.1.2008

    EU verlangt:

    DEUTSCHLAND MUSS ÖKO-ENERGIE STEIGERNBarroso: Anteil erneuerbarer Energien verdreifachen

    Rechte auf ihren Gebieten gesichert, der Rest ging, von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, an irgendwelche Investoren und natürlich an islän-dische Firmen.Ein Investor ist darauf aus, sein Geld zu vermehren und das kann er am besten durch geothermische Strom-erzeugung. Da braucht man nur die Dublette und eine Dampfturbine und

    bekommt über das EEG sehr gute Preise. Das Kraftwerk läuft Tag und Nacht (Geothermie ist im Gegensatz zu anderen alternativen Energien grundlastfähig) und kostet gerade mal ca. 30 Millionen Euro, wenn der Eigentümer sich den langwierigen und teuren Aufbau eines Fernwärme-netzes spart. Das Wasser muss zwar für die Wiedereinspeisung unbedingt

    gekühlt werden und dafür wäre eigentlich ein Fernwärmenetz der ideale Abnehmer, aber ein Kühlturm tut‘s auch und den kriegt man in Bay-ern auch im Außenbereich geneh-migt. Dass man dabei die Atmo-sphäre direkt aufheizt (statt über CO2-Umweg) ist zwar irgendwie unangenehm, aber nicht für den „return on invest“.

    José Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission

  • 8Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

    Klima + Energie

    Dafür haben Wissenschaftler des Instituts für solare Energieversor-gungstechnik (Iset) in Kassel meh-rere regenerative Energie-Anlagen zusammengeschlossen. Mit Erfolg. Jetzt sind weitere Projekte geplant. Auslöser des Versuchs war der Ener-giegipfel von Bundeskanzlerin Angela Merkel im April 2006. „Die meisten Teilnehmer sagten, erneu-erbare Energien hätten nicht ausrei-chend Potential und ließen sich nicht für Vollleistung miteinander verbin-den“, erinnert sich Ulrich Schmack, Vorstandsvorsitzender von Schmack Biogas. Es hieß, das Netz brauche herkömmliche Kraftwerke, um Aus-fallzeiten insbesondere bei der Windkraft auszugleichen. Für die Vertreter der Unternehmen Solar-world (Sonne) Enercon (Windkraft) und Schmack (Biogas) war klar: Sie mussten beweisen, dass sie rund um die Uhr ausreichend Strom pro-duzieren können. Sie holten Kurt Rohrig, Bereichsleiter des For-schungsbereichs Information- und Energiewirtschaft am Iset, ins Boot. Bei ihm liefen alle Fäden und Daten-leitungen zusammen. Das gemein-same Ziel war, die ständige Versor-gung eines Zehntausendstels des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien zu garantieren. Das ent-spricht dem Bedarf einer Kleinstadt mit 12000 Haushalten.

    Kombikraftwerk über große Distanzen

    Das Team aus Wissenschaft und Praxis vernetzte Kraftwerke aus den Bereichen Wind, Sonne, Biogas und Wasser zu einer Einheit mit einer installierten Leistung von 23,1 Mega-watt. „Wir waren überrascht, dass es mit der vorhandenen Kommunikati-onsstruktur relativ einfach ging“, sagt Rohrig. Denn die Anlagen ste-hen weit voneinander entfernt. Das Kombikraftwerk erstreckt sich von der Nordseeküste bis Donaueschin-gen. Es besteht aus drei Windparks,

    20 Photovoltaik- und vier Biogasan-lagen. In Kassel berechnet ein Com-puter, welches Kraftwerk wie viel Strom beisteuert. Um planen zu kön-nen, erhalten die Wissenschaftler Prognosen über den benötigten Strom und das Wetter. Auf dieser Basis kalkulieren sie, welchen Ertrag Wind- und Solarkraftwerke liefern werden. „Wir erstellen daraus einen Fahrplan für die Biogasanlagen, denn die springen ein, wenn der Strom aus Wind- und Sonnenener-gie nicht ausreicht“, erklärt Rohrig das Prinzip. Die Betreiber bekom-men damit Richtwerte, wie stark sie ihre Anlage auslasten. Der tatsäch-liche Wert kann um ein paar Prozent abweichen, falls die Prognosen nicht voll zutreffen. Aber das sei kein Pro-blem. Dieses System reagiert inner-halb von Sekunden und fordert bei Bedarf zusätzlichen Strom von den Biogas-Kraftwerken an. Immer dann, wenn Wind und Sonne nicht genug liefern. Manchmal liefern die aber eher zu viel Energie. Für diesen Fall hat das Iset ein Pumpspeicherkraft-werk simuliert.

    ZAUBERWORT: VERNETZTE ÖKO-ENERGIE

    Ein angeblich unschlagbares Argument der Kraftwerksgiganten ist seit Herbst 2007 endgültig widerlegt: Die Stromversorgung in Deutschland sei abhängig von einer „zuverlässigen“ Erzeugung durch fossile oder atomare Kraftwerke. Ein Modellversuch beweist, auch hierzulande lässt sich der Strombedarf einer Kleinstadt Tag und Nacht mit alternativer Energie decken.

    Gemeinsam sind wir stark – auch als weltweite Energieverbraucher.

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  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 20089Klima + Energie

    Wasserspeicher als zusätzliche Reserve

    Dabei wird mit dem überschüssigen Strom Wasser in einen Stausee gepumpt und so diese Energie gespeichert. Bei Bedarf können die Energieversorger daraus wieder Strom gewinnen. Die Initiatoren ach-teten nicht nur darauf, ständig Strom zu erzeugen, sondern auch auf des-sen Wirtschaftlichkeit. Da Wind-strom derzeit noch günstiger ist als Sonnenstrom machen die Windanla-gen mit einer installierten Leistung von 12,6 Megawatt mehr als die Hälfte im vernetzten Kraftwerk aus. „Die Produktion von einer Kilowatt-stunde Strom kostet im Kombikraft-werk acht bis neun Cent, bei einem Kohlekraftwerk mit CO²-Abschei-dung sind es acht Cent“, sagt Rohrig. Damit ist das Kombikraft-werk konkurrenzfähig. Für eine fl ächendeckende Versorgung ist es dennoch zu früh. Das Problem: Es fehlen Speicher. Zehn Gigawatt wären nötig, sechs sind vorhanden. Platz für weitere Stauseen gibt es nicht. Die Branche setzt daher auf andere Techniken. Eine Möglichkeit ist, Druckluft in unterirdische Kaver-

    nen zu pressen, und bei Bedarf Strom daraus zu gewinnen. Auch Pumpspeicherkraftwerke im Aus-land, zum Beispiel in Norwegen, sol-len ins System integriert werden. Misstrauisch reagierten die Betrei-ber der Großkraftwerke wie Vatten-fall auf den Modellversuch. Dennoch wird weiter experimentiert, auch von großen Energiekonzernen. So betei-ligt sich Vattenfall am Projekt Rege-neratives Kombikraftwerk Harz. Dieses will die gesamte Region mit Strom aus erneuerbarer Energie ver-sorgen. Die Politik braucht For-schungsprojekte. Immerhin will die Bundesregierung bis zum Jahr 2020 ein Fünftel des Bedarfs aus regene-rativen Quellen decken. Rohrig denkt noch weiter: „Bis 2050 sollte ganz Deutschland mit dem sauberen Strom versorgt werden.“ Unrealis-tisch ist das nicht, zumal eine Ener-giequelle bei diesem Projekt noch gar keine Rolle gespielt hat – die Geothermie. Vor allem in der Erde schlummert ein riesiges Potential, insbesondere um die Grund last sicherzustellen.

    Quelle: SZ-Erneuerbare Energien vom 5.3.2008

    Die Kraft der Sonne genutzt!

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  • 10Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

    Eingeladen von der holländischen NGO Women in Europe for a Com-mon Future (WECF) hat das Umwelt-institut München an der Konferenz mit einer Ausstellung teilgenommen. Unser Thema: “Nuclear energy is not a solution for climate change”. Mit Postern, unserem Flyer “Klimaretter Atomkraft? Mit Volldampf in die Katastrophe“, der auch in Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch zur Verfügung stand, und ausführ-lichen Infos (factsheets) zu speziellen Themenbereichen vom Uranabbau bis zur End lagerung von Atommüll haben wir die Delegierten, die Medien und andere interessierte Teil-nehmer/innen darüber informiert, dass die Atomenergienutzung das Klima nicht retten kann, im Gegen-teil. In vielen Gesprächen, Fernseh- und Radiointerviews konnten wir unsere Positionen darlegen und kon-trovers diskutieren.

    Kritisch eingemischt haben wir uns in mehreren so genannten side-events, u.a. von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA oder der World Nuclear Association WNA. Allerdings versuchten die Veranstal-ter, unsere Beiträge abzuwürgen oder uns gar nicht erst zu Wort kom-men zu lassen. Vor allem nach den

    side-events kam es in der Regel zu heftigen Wortwechseln und Ausein-andersetzungen zwischen Befürwor-tern und Kritikern. Oftmals knüpften Zuhörer/innen im Anschluss Kon-takte mit uns und waren sehr an unseren Infos interessiert.

    Großes InteresseDas Interesse an unserem Infostand war groß, da wir die einzigen waren, die Atomkraftnutzung im Zusam-menhang mit dem Klimawandel kri-tisch beleuchtet haben. Unter ande-rem gaben wir auch Interviews für

    Fernsehteams, wie z. B. den Nach-richtensender Al Jazeera Network und für ein kanadisches Filmteam, das mit einem Video Jugendliche an das Thema kritisch heranführen will.

    Indonesischer WiderstandAls „anti-nuclear experts“ wurden wir von einer Gruppe indonesischer Atomkritiker MANUSIA zu einem Treffen eingeladen: Sie waren inter-essiert an unserer Erfahrung, denn Deutschland wird als “Ausstiegs-land“ ein gewisser Respekt gezollt.

    HARTES RINGEN UM DIE GLOBALE ZUKUNFT UN-Klimakonferenz 2007 in Bali von Christina Hacker

    Vom 3. bis zum 14. Dezember 2007 hat die Welt-klimakonferenz in Bali, Indonesien, getagt. Circa 12.000 Vertreter/innen aus der ganzen Welt haben sich in dieser Zeit mehr oder weniger bemüht, das Weltklima zu retten. Lange sah es so aus, als würde die Konferenz scheitern, nicht zuletzt am nachhal-tigen Blockieren vor allem der USA. Schließlich endete die Konferenz doch noch mit einem Erfolg:

    Im allerletzten Moment, am Verlängerungstag der Konferenz, lenkten die USA ein und es kam wenigs-tens noch zu einem Kompromiss.

    Das Umweltinstitut München e.V. hat an dieser UN-Konferenz mit den Mitarbeiterinnen Karin Wurzbacher und Christina Hacker teilgenommen. Nachfolgend ein Bericht ihrer Aktivitäten vor Ort:

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    Wurzelverästelung des exotischen Baumes – auch ein Sinnbild weltweite ökologische Beziehungen.

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    Im Gegenzug haben sie von ihrer Arbeit und ihren Aktivitäten erzählt, da ihr Land als aufstrebende Wirt-schaftskraft auf Atomenergie setzt. Es sei sehr schwierig, die Bevölke-rung davon zu überzeugen, dass Atomkraft nicht die Lösung der Ener-gieprobleme sein kann. Mit allen Mitteln werde versucht, sie als sau-beren Klimaretter zu verkaufen. Wir haben gerne unsere Unterstützung zugesagt und werden ihnen weiter-hin mit Fachinformationen zur Seite stehen.

    Unser Side-EventIm Vorfeld der Konferenz hatte WECF neben der Ausstellung auch ein side-event zum Thema Sicher-heit in Atomkraftwerken beantragt, das aber wegen der Fülle der Bewer-bungen nicht bewilligt wurde. Um so mehr freuten wir uns, als es uns schließlich vor Ort doch noch gelang, ein side-event mit dem Thema „Regio nal experience and informa-tion on nuclear energy – scientists, witnesses and activists speak out“ zu organisieren. Neben unserer Phy-sikerin Karin Wurzbacher referierten Natalia Manzurowa, Radiobiologin und Liquidatorin in Tschernobyl, Svitlana Slesarenok, ehemals An-woh nerin eines Uranabbaugebietes in der Ukraine und Claire Greens-felder, energiepolitische Aktivistin aus den USA.

    Spontan-DemoWährend der Diskussion des side-events kam die Idee auf, kurzfristig eine Demonstration zu organisieren, um öffentlichkeitswirksam auf Atom-kraft und Klimawandel aufmerksam zu machen. Vertreter/innen verschie-dener NGOs trafen sich am folgen-den Tag und verfassten eine gemein-same Presseerklärung zur Aktion, die Organisation WISE Amsterdam stellte uns ihre Banner „Don't nuke

    the climate“ zur Verfügung. Für die Presse war die Spontan-Aktion offenbar eine willkommene Abwechs-lung: Das Medieninteresse war enorm, unzählige Kamerateams drängten sich um uns, viele Inter-views wurden gegeben, u. a. zeich-

    nete auch ein französischer Radio-sender ein Interview auf. Die Aktion fand sogar Eingang auf den offi zi-ellen Web-Seiten der UNFCCC. (http://unfccc.int/meetings/cop_13/items/4231.php)

    Das steil aufragende Thermometer hat die Delegation von Greenpeace aufs Gelände der Klimakonferenz gestellt.

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    Beim Side-Event saßen auf dem Podium: Karin Wurzbacher von den Müttern gegen Atomkraft e.V., Christina Hacker vom Umweltinstitut München und Natalia Manzurova, Radiobiologin und Zeitzeugin für die Opfer von Tschernobyl, daneben ein Übersetzer (v. links)

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  • 12Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

    Japanische MogelpackungAls im Laufe der Verhandlungen bekannt wurde, dass Japan die Atomkraft als „Clean Development Mechanism“ (CDM) anerkannt haben will, wiesen wir auf die Unsinnigkeit des Ansinnens hin: In der die Konfe-renzbegleitenden, täglich erschei-nenden NGO-Zeitung eco news letter konnten wir einen Artikel dazu plat-zieren, in dem wir die Delegierten der Konferenz aufforderten, dies keines-falls zuzulassen. Nicht nur vor Ort, auch zuhause thematisierten wir dies in einer Pressemitteilung.

    Einbringen konnten wir diese Forde-rung auch in einem Beitrag der Gender-Aktivistinnen women for climate justice: Zusammen haben wir einen Appell gegen die Atom-kraftnutzung an den Präsidenten der

    Konferenz und die Delegierten ver-fasst. Darin haben wir Japans Vor-stoß, Atomkraft als CDM anzuerken-nen, als schädliches Signal an die Welt kritisierten.

    Beeindruckende ErfahrungOb man die Konferenz nun als „Erfolg“ oder als „Kompromiss auf kleinstem gemeinsamen Nenner“ einstuft, für uns Anwesende war sie bis zuletzt spannend. Am vorletzten Abend kam Al Gore und hielt eine fl ammende Rede für den Klima-schutz – und gegen seine eigene Regierung. Sein Beitrag war viel beachtet, hatte er doch unmittelbar zuvor zusammen mit Rajendra Pachauri, Leiter der IPCC-Klimastu-dien (International Panel on Climate Change), den Friedensnobelpreis in Oslo entgegengenommen. Einen

    Tag zuvor hatte sich Dr. Pachauri von Oslo aus per Video mit einem drin-genden Appell an die Delegierten gewandt, der Konferenz zum Erfolg zu verhelfen. Um die Ernsthaftigkeit zu unterstreichen, kam auch er über-raschend persönlich nach Bali und bekräftigte Al Gore‘s Engagement. Vielleicht haben sie damit dazu bei-getragen, die Konferenz zumindest nicht scheitern zu lassen.

    Das Interesse an unseren Beiträgen hat uns bestätigt, dass das Thema Atomkraft und Klima top-aktuell ist. Deshalb werden wir auch weiterhin die falschen Argumente der Atom-lobby entlarven und uns dafür ein-setzen, die riskante Atomenergie-nutzung weltweit zu stoppen.

    Weiteres Info-Material zur Bali-Konferenz fi nden Sie unter: http://umweltinstitut.org/weltklimakonferenz-2007/allgemeines/factsheets_deutsch-549.html

    Die Ergebnisse der Konferenz fi nden Sie auf der Website des UN-Klimasekretariats UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change):http://unfccc.int/meetings/cop_13/items/4049.php

    Klima + Energie

    Die Verbraucherpreise steigen wei-ter an. Die jährliche Teuerungsrate lag im Februar bei 2,8 Prozent und war damit ebenso hoch wie im Januar 2008.

    Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren vor allem die Energiekosten Preistreiber. Sie waren deutlich höher als ein Jahr zuvor. Obwohl die Ausgaben für Energie nur rund zehn Prozent der

    Ausgaben der Deutschen ausma-chen, sind sie für rund ein Drittel der Preissteigerungen verantwortlich. Auch die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke erhöhten sich im Februar gegenüber dem Vor-jahresmonat überdurchschnittlich, nämlich um 7,4 Prozent.

    Quelle: tagesschau.de

    ENERGIEKOSTEN sind die größten Preistreiber

    …und steigt und steigt und steigt: der Preis für Sprit und sonstige Energie

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  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 200813

    Jeder dritte Stromkunde in Deutsch-land will einer Umfrage zufolge bei der nächsten Strompreiserhöhung den Anbieter wechseln. 36 Prozent der Befragten hätten sich in diesem Fall wechselwillig gezeigt, erklärte das Marktforschungsinstituts Mind-line Energy und der Energie Informa-tionsdienst (EID). Über 60 Prozent der Deutschen ist demnach beim

    Wechsel der Preis wichtiger als die Umweltfreundlichkeit. Nur bei rund 30 Prozent der Befragten steht der Ökostrom an erster Stelle, ergab die Umfrage.Besonders unzufrieden mit den Preiserhöhungen sind die Menschen in Ostdeutschland, hier wollen 45 Prozent eine weitere Preiserhö-hung nicht mehr tatenlos hinneh-

    men. Rund 57 Prozent der wechsel-willigen Verbraucher vertrauen bei Ökostrom eher neuen und kleineren Anbietern. Die großen, etablierten Stromkonzerne halten nur 32 Pro-zent für vertrauenswürdig. Nach einer Studie des unabhängigen Branchendienstes Verivox vom Dienstag sind die Strompreise in Deutschland seit 2005 um 16,6 Pro-zent gestiegen. Besonders teuer ist der Strom demnach in Ostdeutsch-land.“

    STROMWECHSEL JA – ABER WOHIN?

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    Die Hotline zur Beratung über Stromwechsel von Atomausstieg-selber-machen lautet: 0800-7 62 68 52 (werktags 9.00 – 17.00 Uhr)

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    Stand: 05.01.2008 – Zusammenstellung Doris Stadler.

    MÜTTER GEGEN ATOMKRAFT e. V.Frohschammer Str. 14, 80807 München, Tel./Fax 089/355653, www.MuetterGegenAtomkraft.de

    Klima + Energie

  • 14Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

    Klima + Energie

    Begonnen hat alles mit einem Artikel in der Zeitschrift „Schrot und Korn“. Dort wurde die Firma Atmosfair vor-gestellt, die wie viele andere Instituti-onen „CO2-Zertifi kate“ für Flugrei-sen verkauft (siehe www.atmosfair.de). Das Ziel, CO2- bzw. klimaneu-trale Flugreisen zu ermöglichen wird über eine Berechnung der Flugstre-cke, Flughöhe und der Anzahl der Zwischenlandungen erreicht. Der Käufer eines für seine Flugreise indi-viduell angepassten Zertifi kats kann davon ausgehen, dass die von ihm durch die Flugreise produzierte Menge CO2 anderswo in der Welt eingespart wird. Kritiker dieser angeblich klimaneutralen Reisemög-lichkeit gibt es natürlich ebenso viele wie Befürworter. In diesem Artikel jedenfalls wurde erwähnt, dass „atmosfair“ seit einem Jahr auch Schulen bei ihren Bemühungen, CO2

    einzusparen, fi nanziell unterstützt.Dies hat mich als AK-Umwelt Betreuer natürlich auf den Plan geru-fen und nach ein paar E-Mails und Telefonaten war klar, unsere Schule wird die erste in Bayern geförderte sein. Zunächst musste sich der AK in meh-reren Sitzungen klar werden, wie mit einem vertretbaren Einsatz möglichst viel erreicht werden kann. Somit ent-stand eine lange Liste mit Aktionen, die eher nach zwei als nach einem Schuljahr aussah. Im Folgenden sol-len die wesentlichsten Punkte dieser Liste vorgestellt werden.

    • An einem Pädagogischen Tag in der Schule, bei dem Lehrer, Schü-ler und auch Eltern teilnehmen konnten, wurde unter anderem das Thema „Energiesparen am Gymnasium“ diskutiert. Dazu

    wurde auch eine Kollegin aus München, die bereits erfolgreich an ihrer Schule Energiesparmaß-nahmen durchgeführt hat, einge-laden, um von ihren Erfahrungen zu berichten.

    • Am Weihnachtsbazar der Schule konnte der AK-Umwelt einen Info-Stand organisieren, an dem Lose mit Energiespartips verkauft wurden.

    • Um die Temperaturen in den Räu-men festzustellen wurden von dem zugesagten Geld Thermome-ter angeschafft, mit denen alle Klassen Messungen durchgeführt haben.

    • Ein Umwelt-Logo wurde von einem Mädchen des AK-Umwelt entwor-fen, das auf allen Schreiben an die Schüler und Lehrer zu fi nden ist. Dieses Logo wird demnächst im Schulhaus auf jeden Lichtschalter

    „FLIEGEN FÜR DIE UMWELT“Ein Paradoxon, das für unsere Schule stimmt von Martin Kern, Gymnasium Gars am Inn

    Der Umwelt-Arbeitskreis des Gymnasiums Gars/Inn bekommt die E-Spar-Box. (von links) Alexandra Finke (11. Klasse), gestaltete das Logo, Umweltberater Kaltenhauser-Barth, Andrea Heimann (11. Klasse), Hans Putzer von E.ON, Susanna Mittermair (10.Klasse), AK-Leitung, Oberstudiendirektor Gunter Fuchs (Schulleiter), Julia Dotzauer (11. Klasse), AK-Leitung Michael Bader (10. Klasse), Betreuungslehrer Martin Kern ist selbst nicht auf dem Foto.

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  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 200815

    angebracht, der nicht eindeutig einer Lampe zuzuordnen ist. Damit soll unnötiges und energieinten-sives Ein- und Ausschalten der Raumbeleuchtungen vermieden werden.

    • Professionelle Unterstützung konn-ten zwei Energieberater geben, die unser Gymnasium besucht und die Heizungsanlagen überprüft haben. Im Moment wird – sofern eine Hei-zungssanierung notwendig wird - eine Umstellung auf erneuerbare Energiequellen geprüft.

    • Während einer vom Landkreis ins Leben gerufenen „1. Bayerischen Klimawoche“ im Juni 2008 wird einer der beiden Energieberater

    durch die einzelnen Klassen gehen und Themen wie „Energiespa-rendes Lüften der Klassenzim-mer“ ansprechen. In dieser Woche fi ndet außerdem ein Vortrag des Bund Naturschutz zum Thema „Klima und Energie“ an unserer Schule statt. Zeitgleich konnte eine Ausstellung zur Klimaerwär-mung ebenfalls vom Bund Natur-schutz organisiert werden. Und zu guter letzt soll in dieser Woche allen Schülerinnen und Schülern der Film „An inconvenient truth“ von Al Gore gezeigt werden.

    Unabhängig davon, ob der AK-Umwelt es schafft, am Gymna-sium viel Energie und damit CO2 einzusparen, eigentlich geht es um eine Grundhaltung bei den MitschülerInnen und Lehrkräften, eine Bewusstwer-dung, dass wir mit der Energie verantwortungsbewusst um-gehen müssen. Im Idealfall sol-len gute Vorsätze entstehen, die aus dem Gymnasium her-aus getragen werden und Ent-scheidungen sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft beeinfl ussen.

    Klima + Energie

    Eine neu überarbeite und aktuali-sierte Aufl age über Förderpro-gramme für Energieeffi zienz und erneuerbare Energien hat das Bundesumweltministerium zusam-men mit dem BINE Informations-dienst herausgegeben. Darin wer-den ca. 900 Förderprogramme der EU, von Bund, Ländern und Kommu-nen und Energieversorgern vorge-

    stellt. Verbesserte Wärmedämmung, energieeffi ziente Heizungsanlagen und die Nutzung von erneuerbaren Energien lassen erhebliche Ressour-cen sparen und entlasten den Geld-beutel. Des Weiteren können Folge-schäden des Klimawandels verrin-gert werden. Diese Broschüre ermöglicht einen schnellen Über-blick über die angebotenen Förder-

    programme für Energiesparmaßnah-men. Interessierte können mit ihrer Hilfe eine ganz individuelle Förde-rung für ihren persönlichen Bedarf und ihre Möglichkeiten zusammen-stellen.

    FÖRDERGELD für Energie-Effizienz und erneuerbare Energien

    von Gina Gillig

    Die Broschüre „Fördergeld für Energie-Effi zienz und erneuerbare Energien“ (Bestellnummer 2108) ist kostenlos erhält lich beim Bun desum weltministerium, Postfach 300361, 53183 Bonn, Fax 0228 / 99 305-3356, E-Mail: [email protected].

    Die Broschüre kann auch im Internet abgerufen werden: www.bmu.de/energie-effi zienz/downloads/doc/36207.php

    Der BINE Informationsdienst informiert Privatpersonen unter der Förderhotline Tel. 0228 / 92379-14 sowie im Internet unter http://www.energiefoerderung.info.

    Hier werden auch aktuelle Änderungen angezeigt.

  • 16Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

    RWE hatte die Reststrommengen-Übertragung von Mülheim-Kärlich auf Biblis A im September 2006 bean-tragt. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) lehnte dies aber im Mai vergangenen Jahres mit dem Hinweis ab, die Übertragung stehe im Wider-spruch zum Atomkompromiss und zum Atomgesetz. Zur Restlaufzeit von Biblis A sagte der Leiter des AKW Biblis, Hartmut Lauer, nach der Urteilsverkündung, die ur-sprünglich für 2008 vorgesehene Still-legung sei durch den einjährigen Still-stand ab Herbst 2007 hinfällig gewor-den. Auch ohne neue Kontingente dürfe RWE mit Biblis A noch 13 Milli-arden Kilowattstunden produzieren. Das reiche „bis Ende nächsten Jah-res oder sogar noch darüber hinaus“. Der gleichzeitige Betrieb der Kraft-werksblöcke Biblis A und B führe zu großen wirtschaftlichen Vorteilen.

    Noch bis 2009 am Netz ?

    Ob Joschka Fischer, Iris Blaul oder Margarethe Nimsch - alle grünen Umweltminister in Hessen schei-terten beim Versuch, den Reaktor stillzulegen am Einspruch der jewei-ligen Bundesumweltminister. Nach den Regierungswechseln in Wiesba-den und Berlin ging das Spiel mit

    vertauschten Rollen weiter. Im Jahr 2006 wurden beide Reaktorblöcke abgeschaltet. Der Grund waren untaugliche Deckendübel. Die Sanie-rung dauerte über eineinhalb Jahre. Reaktor B liefert ab Dezember 2007 wieder Strom. Seit Februar 2008 läuft auch Block A wieder.

    Das Atomgesetz sieht vor, dass die Energiekonzerne für ein Atomkraft-werk vereinbarte Strommengen auf neuere Kraftwerke übertragen kön-nen. Biblis A ist das älteste noch lau-fende Atomkraftwerk in Deutsch-land. Das Kraftwerk Mülheim-Kärlich in Rheinland-Pfalz ging nach dem Probelauf nie richtig in Betrieb. Eine Fußnote zum Atomgesetz zählt sie-ben Atomkraftwerke auf, auf die Reststromkontingente von Mülheim-Kärlich übertragen werden können.

    Biblis A ist nicht darunter. RWE hatte argumentiert, dass dennoch eine Übertragung zumindest mit Geneh-migung des Bundesumweltministeri-ums zulässig sei.

    Dafür gebe es im Gesetz jedoch kei-nerlei Anzeichen, erklärte nun der VGH zur Begründung seines Urteils. Auch aus dem Atomkonsens selbst gehe die Begrenzung der Übertra-gungsmöglichkeiten auf die genann-ten sechs Kraftwerke „eindeutig her-vor“. Danach komme eine Übertra-gung lediglich auf die Atomkraft-werke Emsland, Neckarwestheim 2, Isar 2, Brokdorf, Grundremmingen B und C sowie bis zu einer Elektrizi-tätsmenge von 21,45 Terawattstun-den auf das Kraftwerk Biblis Block B in Betracht. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließen die Kasseler Rich-ter aber die Revision beim Bundes-verwaltungsgericht in Leipzig zu. Der stellvertretende Grünen-Frak-tionsvorsitzende und frühere Bun-des umweltminister Jürgen Trittin bezeichnete Biblis A als „Schrott-meiler“. Die Ablehnung des „dreis-ten RWE-Antrags“ sei „so begrü-ßenswert wie selbstverständlich“, erklärte Trittin in Berlin. Auch die Energiekonzerne müssten sich an die Gesetze halten.

    Der damalige Umweltminister Joschka Fischer bei einem Besuch des Kernkraftwerks

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    Atomkraft + Uranwaffen

    Kassel (AFP) - Der Hessische Verwaltungs-gerichtshof (VGH) hat eine Verlängerung der Laufzeit für das Atomkraftwerk Biblis A abgelehnt. Die vom Betreiber RWE geforderte Übertragung von 30 Milliarden Kilowattstunden des so genannten Rest-strommengen-Kontingents des Atomkraft-

    werks Mülheim-Kärlich auf Biblis A sei gesetzlich nicht vorgesehen, urteilte das Gericht am Mittwoch in Kassel. Wann Biblis A stillgelegt werden müsste, ist nach RWE-Angaben noch offen. Zudem kündigte RWE eine Revision beim Bundes-verwaltungsgericht an.

    VGH-URTEIL: LÄNGERE LAUFZEIT FÜR BIBLIS ABGELEHNT

    Verivox vom 28.02.2008

  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 200817

    Ein Prozess kostet GeldUnterstützen Sie die Klage mit einer Spende!

    Aber für die Umweltorganisationen IPPNW (Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges), dem hessischen BUND und Eurosolar geht es nicht mehr nur um die Stilllegung von Biblis A. Denn für sie ist auch das „neuere“ AKW Biblis B (seit 1977 in Betrieb) ein fehlerhaft konstruierter

    Reaktor mit über 150 Sicherheits-mängeln. Deshalb haben sie eine Klage zur Abschaltung des Reaktors eingeleitet. Die Klage vor dem Ver-waltungsgerichtshof Kassel auf Still-legung von Biblis B ist ein großer Schritt auf dem Weg, die Nutzung der Atomenergie insgesamt zu been-den. Wer die Klage und die beglei-tende Aufklärung der Öffentlichkeit unterstützen will, kann dies durch eine Spende tun:

    Atomkraft + Uranwaffen

    Kraftwerk Biblis – gesehen von Süden. Im Vordergrund die Veloroute Rhein (04-2007).

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    Das Atomkraftwerk Brunsbüttel darf seine im Atomausstieg vereinbarte Laufzeit nicht verlängern. Das Ober-verwaltungsgericht in Schleswig wies die Klage der Betreibergesell-schaft Vattenfall ab, mit der sie die Übertragung von Reststrom-Mengen des stillgelegten Meilers Mülheim-Kärlich auf Brunsbüttel

    durchsetzen wollte. Das Atomgesetz lasse eine derartige Übertragung nicht zu, erklärten die Richter und bestätigten damit die Auffassung des Bundesumweltministeriums. Der Konzern will in Revision gehen.

    Quelle: SZ vom 17.Jan. 08/AP

    Spendenkonto: Kontoinhaber: IPPNW e.V.Konto-Nr.: 600 14 859Kreditinstitut: Sparkasse Rastatt-GernsbachBLZ: 66 55 00 70Stichwort: „Biblis-Klage“

    Gericht verbietet längere Laufzeit von Brunsbüttel

  • 18Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

    Ich war am 18.7.07 im Siemens-Forum Erlangen zu einem Vortrag des Münchener Astro-Physikers Prof. Harald Lesch – bekannt aus der Sat3 Sendung Alpha Centauri –, nachdem er sich zuerst über AKW-Gegner lustig machte: „Die Sonne produziert soviel Energie, die auf die Erde strahlt. Die Kernkraftgegner leben also auch von Kernkraft“ und dann später resümierte, dass wir Einiges ändern müssten, meldete ich mich vor ca. 600 Siemensianern zu Wort und bat um seine Meinung zu AKWs. Da kamen prompt die bekannten Statements „CO2-schäd-liche Kohlekraftwerke“, wie sollen wir unseren enor men Energiebedarf decken und dann kam‘s dicke: Unsere AKWs seien die Besten wir sollen kräftig bauen und sie ins Aus-land verkaufen. Tosender Beifall der Siemesianer. Ein paar Takte später sagte ein junger Mann dann – wahr-scheinlich meinte er mich damit, – dass er keine Angst vor Kernkraft hätte. Da ruderte der Professor ein bisschen zurück und sprach von der moralischen Verantwortung für kom-mende Genera tionen.

    Zuhause setzte ich mich sofort an den PC und schrieb an Professor Lesch – nachstehend seine Antwort. Schade, dass so ein Medienmogul, der übers Fernsehen Tausende erreicht, solch eine Meinung hat. Was kann man/Frau da machen – sollen wir ihm mal das Buch von Frau Pause-wang „Die Wolke“ schicken – was meint ihr?

    „Sehr geehrte Frau Klier,es tut mir sehr leid, dass Sie meine Antwort als fl apsig und sogar men-schenverachtend empfunden haben. Es war überhaupt nicht meine Ansicht, hier irgendjemanden zu ver-spotten, um Gottes Willen. Ich hatte gehofft, meine Probleme mit der Kernkraft hinreichend deutlich gemacht zu haben, aber auch das Dilemma indem wir stecken: Der Klimawandel ist nämlich ein Faktum, das enorme Herausforderungen an uns stellt. Wie wir diesen Herausfor-derungen auf dem Wohlstands niveau begegnen wollen ohne Kernkraft-werke ist mir völlig unklar. Ich war genau wie Sie erschüttert über den Gau in Tschernobyl und lange Zeit ein völliger Gegner der Kernenergie, aber die Gefahr einer massiven Erderwärmung lässt mich heute zumindest in Teilen anders denken.

    Harald Lesch“

    WANDEL EINES MEDIENSTARS ZUM SIEMENS-AKW-FREUND von Sabine Klier

    Chinon, das älteste Atomkraftwerk Frankreichs steht an der Loire. Im Sommer 2007 kam es gehäuft zu Selbstmorden von Mitarbeitern.

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    Bestelladresse Broschüre Nr. 2621Herausgeber: Bundes ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Referat Öffentlichkeitsarbeit D-11055 BerlinStand: März 2007 – 0der als PdF:http://www.bmu.de/fi les/pdfs/allgemein/application/pdf/broschuere_atomkraft_irrweg.pdf

    Atomkraft + Uranwaffen

  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 200819

    Im Jahr 2007 spielte die Zahl 50 eine ganz besondere Rolle. Denn in diesem Jahr gab es heraus-ragende, in der Öffentlichkeit nicht so bekannte 50-jährige Jubiläen in der Atomgeschichte:MajakIm September 1957 ereignete sich östlich des Urals das erste schlimme Atomunglück. In der Plutoniumfabrik Majak, wo der Stoff für die erste sowje tische Atombombe ausgebrü-tet wurde, explodierte ein Tank radio-aktiven Inhalts. Die Strahlung, die sich damals ausbreitete, entspricht mindestens dem radioaktiven Mate-rial, das der geborstene Reaktor-block von Tschernobyl drei Jahr-zehnte später in die Welt setzte. Nur, dass sich die Spur nach Nordosten zog und nicht in den Westen. Die Öffentlichkeit erfuhr davon allerdings erst am Ende des Kalten Krieges. Zur Zeit läuft dazu ein wissenschaftliches von der EU fi nanziertes Projekt über die gesundheitlichen Auswirkungen. Sellafi eld / WindscaleIm Oktober 1957 kam es im britischen Atomreaktor Windscale – der dortige Atomkomplex wurde mittlerweile um -be nannt und heißt heute Sellafi eld – zu einem sehr schweren Atomun-fall. Es kam zur Freisetzung von Radioakti vität, die sich über England und Nordeuropa legte. Erst jetzt, nach 50 Jahren, wurde bekannt dass doppelt so viel radioak-tives Material freigesetzt wurde als bisher ge-schätzt (Atmos pheric Environment 2007; 41:3904ff). Auch die Zahl der Krebsfälle, die

    das Unglück auslöste, ist deutlich höher als bisher angenommen.Fazit: Sowohl im Osten als auch im Westen kam es vor 50 Jahren zu ein-schneidenden Ereignissen. Damit kann Garching glücklicherweise nicht glänzen.GarchingDoch die Zahl 50 und Garching spie-len im Zusammenhang mit der nukle-aren Zukunft Deutschlands eine ent-scheidende Rolle:Am 31. Oktober 1957 wurde mit dem Münchner Atomforschungsre-aktor – dem „Atomei“ – der Start-punkt gesetzt für das nukleare Zeit-alter in Deutschland. Das Atomei war der erste Atomreaktor in Deutschland überhaupt und führte zur Errichtung der ersten Leistungs-reaktoren, die ab den 60er-Jahren Strom erzeugten. Das „Atomei“ aus den 1950er Jah-ren erfüllte die Wünsche der Betrei-ber (Technische Universität Mün-chen TUM) nicht mehr. Es wurde im Jahr 2000 außer Dienst gestellt. Sein Nachfolger, der Münchner Atom forschungsreaktor 2 (FRM 2), ging imJahr 2004 inBetrieb.

    Der FRM 2 ist der erste Atomreaktor-Neubau in Deutschland seit der Reak-torkatastrophe von Tschernobyl.Die MÜTTER GEGEN ATOMKRAFT e. V. führten zusammen mit weiteren Umweltorganisationen anlässlich des 50-jährigen Jubiläums sowohl eine Vortragsveranstaltung im Bür-gerhaus in Garching durch als auch eine Protestveranstaltung vor dem neuen Atomreaktor auf dem For-schungsgelände.Die Nerven der TU München lagen offensichtlich blank. Der gemeinnüt-zige Verein „Bürger gegen Atomre-aktor Garching e. V.“ hatte auf dem Forschungsgelände ordnungsge-mäß mit behördlicher Genehmigung auf Plakatständern die Veranstal-tungshinweise plakatiert. Die TU München ließ alle Plakatständer ent-fernen. Eine kritische Auseinander-setzung mit den Garchinger Atomre-aktoren ist bei dieser sogenannten Exzellenzuniversität anscheinend nicht erwünscht. Die Bürgerinitiative erstattete Strafanzeige.

    50 JAHRE ATOMREAKTOR GARCHING – KEIN GRUND ZUM JUBELN von Gina Gillig

    Atomkraft + Uranwaffen

  • 20Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

    Garching: „50 Jahre Atomreaktor – kein Grund zum Jubeln“. Mit diesem Slogan macht der Verein „ Bürger gegen Atomreaktor Garching“ ge-rade gegen die Feiern zum „Atom ei“-Jubiläum mobil. Überall in Garching wurden die Plakate aufgehängt. Auch an der TU, die dieser Tage ja das 50-jährige Bestehen des For-schungsgeländes feiert.

    Nicht schlecht staunten die Verant-wortlichen des Vereins, als die schwarz-gelben Poster im Laufe der vergangenen Woche genau dort wie-der abmontiert wurden. Vorstands-mitglied Ingrid Wundrak war mächtig sauer: „ Das ist eine Unverschämt-heit. Die Plakate standen auf öffent-lichem Grund.“ Sie habe sich bei der Stadt erkundigt, weil dort am 31. Okto ber auch eine Demonstra-

    tion gegen die Feierlichkeiten statt-fi nden werde. Ferner sei auf den Pla-katen eine Telefonnummer angege-ben. Bevor man sie also wegräumt, könne man durchaus vorher das Gespräch suchen, fi ndet die Grünen-Stadträtin und Reaktorgegnerin.

    Völlig anderer Meinung ist Ulrich Marsch, TU-Pressesprecher. „Wir sind eine wissenschaftliche Einrich-tung, die auf dem Grund des Frei-staates Bayern und nicht etwa auf städtischem Grund steht. Die Pla-kate hätten einer Genehmigung bedurft und die lag nicht vor.“ Die Negativ-Werbung sei weder im Sinne der TU noch in dem des Freistaates, zumal der Slogan sachlich nicht zutreffend , ja irreführend sei. „Wir betreiben keinen Atomreaktor, son-dern eine Forschungseinrichtung“, sagte Marsch. Dies sei richtig zu stellen und „Da müssen wir nicht anrufen“. Der Verein habe einen Brief bekommen, wann und wo die Plakate abgeholt werden können. Wundrak fordert jetzt, dass die Pla-kate sofort wieder aufgestellt wer-den. Sie sei der Meinung gewesen, eine TU, die um internationale Aner-kennung bemüht sei, habe ein solch „Kindisches Gehabe“ nicht nötig. Schließlich lebe man hier nicht in einer Diktatur und müsse das Län-dern, in denen eine freie Meinungs-äußerung nicht erlaubt sei, zeigen. Wer falsch liegt, wird sich wohl erst nach der Veranstaltung am Dienstag zeigen. Der TU-Hausmeister jeden-falls nicht, obwohl er es war, der die Plakate letztlich abschraubte und auch den Brief an die Reaktorgeg-ner unterzeichnete. Er selber war sich da gestern nicht so sicher: „Habe ich da wirklich so einen großen Fehler gemacht?“

    maz in SZ_LKN vom23. Okt. 2007

    TU LÄSST PROTEST-PLAKATE ABHÄNGENSprecher: Einrichtung des Freistaats muss „irreführenden Slogan“ auf eigenem Grund nicht dulden

    Atomkraft + Uranwaffen

  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 200821Atomkraft + Uranwaffen

    Bayern ist und bleibt das Zentrum der deutschen Atomwirtschaft. In keinem anderen Bundesland lau-fen mehr Atomkraftwerke als in Bayern. Fünf der noch 17 laufenden Reaktoren stehen in Bayern: Isar 1 und 2, Gundremmingen B und C, Grafenrheinfeld.

    In Bayern wurde mit dem FRM II der erste

    und einzige Neubau eines Reaktors nach

    der Katastrophe von Tschernobyl durch-

    gesetzt – mit gewaltigem politischen

    Druck und einem enorme fi nanziellen

    Aufwand angesichts einer saftigen Kos-

    tenexplosion. In Bayern sitzt die ehema-

    lige Siemens-KWU – jetzt als Teil des

    französischen AREVA-Konzerns und ver-

    sucht verzweifelt den neuen Europä-

    ischen Druckwasserreaktor EPR auf den

    Markt zu bringen. Dazu hilft die Baye-

    rische Landesbank mit einem zinsgünsti-

    gen Kredit, damit nach jahrelanger Ent-

    wicklungsarbeit wenigstens in Finnland

    hoch subventioniert ein Exemplar des

    neuen Wunderwerks gebaut werden

    kann. Und politisch wird dieses Bollwerk

    der Atomwirtschaft von einer Staatsregie-

    rung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im

    Landtag abgesichert.

    Für mich als Abgeordnete der Grünen im

    Bayerischen Landtag erinnert es ein biss-

    chen an die Situation eines kleinen gal-

    lischen Dorfes am Rande eines römischen

    Weltreichs. Nur der Druide mit dem Zau-

    bertrank fehlt uns leider.

    Ein RückblickAm Ende einer insgesamt 18-jährigen

    Zeit als Umweltpolitikerin im bayeri schen

    Landtag blicke ich auf wechselhafte

    Zeiten zurück. Noch in der ersten Legis-

    laturperiode haben wir als „parlamenta-

    rischer Arm“ einer ungewöhnlich breiten

    Bewegung – nicht zuletzt durch den

    Sachverstand von Prof. Dr. Armin Weiß –

    unseren Beitrag zur Verhinderung der

    WAA Wackersdorf beigetragen. Die Plu-

    toniumwirtschaft war damit noch nicht

    beendet. Die Stromkonzerne zogen sich

    zur Wiederaufarbeitung ins Ausland

    zurück und das Plutonium kam in Form

    von MOX-Brennelementen und der Abfall

    in Form von Castortransporten nach

    Gorleben wieder zurück. Den Einsatz von

    MOX-Brennelementen in Gundremmin-

    gen konnten wir nicht verhindern – doch

    die heftige Debatte hat wenigstens dazu

    geführt, dass das MOX-Genehmigungs-

    verfahren für Isar 1 klammheimlich einge-

    stellt wurde. Mit der Beteiligung an der

    Bundesregierung ab 1998 wurden im

    Bereich der Plutoniumwirtschaft zwar

    langsame aber deutliche Erfolge erreicht.

    Die Transporte in die ausländische Wie-

    deraufarbeitung sind seit einigen Jahren

    verboten. Der Einsatz der MOX-Brennele-

    mente ist zwar noch nicht beendet, aber

    dessen Ende ist auch in wenigen Jahren

    absehbar. Ungelöst – wie seit 50 Jahren

    ist das Problem der Entsorgung des radi-

    oaktiven Mülls. Der von der rot-grünen

    Bundesregierung angeregte AK-End-Pro-

    zess zur Standortfi ndung wird von der

    Bundeskanzlerin und ihrer Partei konse-

    quent blockiert und man versucht krampf-

    haft an dem politisch motivierten Stand-

    ort Gorleben auf Teufel komm raus fest-

    zuhalten.

    Weniger erfreulich ist die Bilanz bei den

    laufenden Atomkraftwerken. Auch 8 Jah-

    re nach dem politisch schwer umstritte-

    nen Atomkonsens ist in Bayern noch kei-

    nes der fünf großen Atomkraftwerke

    abgeschaltet. Der Druck der Betreiber

    den Ausstieg rückgängig zu machen

    steigt beständig. Kein Wunder: mit jeder

    dieser alten, längst abgeschriebenen

    Anlage ist jährlich ein Gewinn von ca.

    300 Mio. Euro zu machen.

    Da legen sich die Betreiber mächtig ins

    Zeug. Ganze Bataillone von Juristen wer-

    den aufgefahren um Strommengenüber-

    tragungen auf alte Atom kraftwerke vor

    Gericht zu erstreiten. Die laut Gesetz zur

    Abschaltung fälligen AKW’s Biblis A,

    Brunsbüttel und Neckarwestheim wer-

    den mit allerhand Tricks so lange repa-

    riert und mit gedrosselter Leistung

    gefahren, dass sie sich noch über die

    Bundestagswahl 2009 hinüberretten kön-

    nen. Und seit Beginn dieses Jahres haben

    die Propagandisten der Stromwirtschaft

    ein neues Schreckgespenst in die Welt

    gesetzt: die drohende „Stromlücke“.

    Sicherheitsinteressen gegen KonzerninteressenIn dem Spagat zwischen erwarteter Still-

    legung und dem Kampf um längere Lauf-

    zeiten bleiben die Sicherheitsfragen auf

    der Strecke. Bestes Beispiel ist hier das

    Atomkraftwerk Isar 1, dessen Abschal-

    tung „laut Plan“ im Sommer 2011 auf der

    Tagesordnung steht.

    ATOMDEBATTEN MIT DER CSU IM BAYERISCHEN LANDTAG

    von Ruth Paulig, MdL

    Umweltpolitikerin Ruth Paulig bei der Gegen-feier zur Eröffnung des FRMII am 9. Juni 2004

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  • 22Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

    Schon vor Jahren wurde durch eine

    Geheimstudie der GRS (Gesellschaft für

    Reaktor- und Anlagensicherheit) bekannt,

    dass Isar 1 zu den Reaktoren gehört, die

    am schlechtesten gegen Flugzeugab-

    sturz oder gegen andere terroristische

    Auswirkungen geschützt ist. Bekannt ist,

    dass die Außenwände teilweise nur 40

    bis 60 cm dick sind, und das Kompakt-

    lager mit dem geballten Radioaktivitätsin-

    ventar direkt unter der Decke des Reak-

    torgebäudes gelagert ist. Der Antrag der

    Grünen-Fraktion im Landtag „Bericht

    über Auswirkungen terroristischer Angrif-

    fe auf Isar 1“ wird von der CSU abgelehnt.

    Im Protokoll wird der zuständige CSU-

    Abgeordneter zitiert: „Abg. Christian

    Meißner (CSU) erklärt, das Umweltminis-

    terium habe im Arbeitskreis der CSU

    überzeugend dargelegt, warum eine

    eigene Studie, wie im Antrag gefordert,

    nicht sinnvoll sei.“

    Nach den Bränden in den Atomkraftwer-

    ken Brunsbüttel und Krümmel forderten

    die Grünen öffentliche Information über

    die Periodische Sicherheitsüberprüfung

    von Isar 1 und die meldepfl ichtigen Ereig-

    nisse. Der Kommentar des CSU-Abge-

    ordneten Christian Meißner beginnt: „Auf

    Regen folgt Sonnenschein, sagt der

    Chinese. Dass nach den Meldungen aus

    Krümmel und Brunsbüttel ein Dring-

    lichkeitsantrag der Kollegin Paulig folgen

    würde, ist genauso klar wie die Tatsache,

    dass auf Regen Sonnenschein folgt.“

    Zu unserem Antrag „Atomkraft behindert

    den Klimaschutz“ fi el dem Experten

    Meißner von der CSU der Satz ein: „Wir

    werden Ihre Anträge geradezu inbrünstig

    ablehnen“.

    Die genannten Zitate zeigen deutlich.

    Eine ernsthafte Debatte um die Sicher-

    heit der Atomkraftwerke fi ndet nicht statt.

    Die CSU wirft der Opposition regelmäßig

    vor, nur aus ideologischen Gründen auf

    „angebliche“ Sicherheitsmängel hinzu-

    weisen und verweigert damit jede kon-

    krete Diskussion – selbst wenn die ange-

    sprochenen Bedenken von Organisati-

    onen wie der GRS (Gesellschaft für Reak-

    tor und Anlagensicherheit) oder dem TÜV

    kommen.

    Eine wirkliche Meinungsbildung fi ndet im

    Landtag nicht statt. Auch wenn sich

    einige CSU-Landtagsabgeordnete zu

    Hause in Ihrer Region als Atomkraft-

    kritiker geben: So wie der schwäbische

    CSU-Abgeordnete Georg Winter in

    Dillingen in einer Wahlkampfanzeige sich

    für sein Engagement in Sachen Kinder-

    krebs und atomares Zwischenlager hat

    loben lassen. Im Landtag ist er dazu

    durch keine einzige Aktivität aufgefallen.

    Unsere Debatten im Landtag wirken also

    nur indirekt. In dem wir das kontroverse

    Thema auf die Tagesordnung setzen,

    schaffen wir ein Stück Öffentlichkeit und

    setzen der Betreiberpropaganda unsere

    Argumente entgegen. Auch wenn die

    Debatten im Landtag manchmal auf

    einem unsäglich dümmlichen Niveau von

    Seiten der CSU ablaufen, so wissen wir

    doch, dass die Atomlobby unsere Initiati-

    ven nicht auf die leichte Schulter nimmt.

    Aktuell beschäftigen uns im Landtag eine

    ganze Reihe sehr unterschiedliche The-

    men im Atombereich. Da ist die drohende

    Leistungserhöhung für die beiden Reak-

    toren in Gundremmingen, deren Geneh-

    migung kurz bevorsteht. Beim Garchin-

    ger Forschungsreaktor versucht die

    Staatsregierung und die TU gerade die

    Umrüstung vom hoch angereicherten

    Uran auf mittel angereichertes Uran um

    mehrere Jahre hinauszuzögern. Das

    AKW Isar 1 hat eine Genehmigung erhal-

    ten, die Isar im Sommer um weit mehr als

    25 °C aufzuheizen. Und die geplante

    dritte Startbahn des Erdinger Flughafens

    würde den äußerst dünnhäutigen Reak-

    tor noch mehr gefährden.

    Vor kurzem veröffentlichte die Bundesre-

    gierung einen Bericht über die radioak-

    tive Umweltbelastung, die deutlich macht,

    dass die Siedewasserreaktoren in Bayern

    in Isar und Gundremmingen zu den

    größten Verschmutzern mit radioaktiven

    Stoffen in Deutschland gehören. Dies ist

    nicht zuletzt auch wichtig, seit wir von

    offi zieller Stelle wissen, dass in der unmit-

    telbaren Umgebung der Atomkraftwerke

    mehr als doppelt so viele Kinder an Leu-

    kämie erkranken als normal. Auch dies

    ein Thema, das uns sicher noch weiter

    beschäftigen wird.

    2009 wird das Jahr des EntscheidungDas Atomthema wird Hochkonjunktur

    haben. Die Betreiber werden sämtliche

    Stilllegungen vor der Bundestagswahl

    2009 vermeiden und den Wahlkampf

    2009 zu einem Plebiszit für oder gegen

    den Atom ausstieg machen. Wenige

    Monate nach der Wahl 2009 stehen

    dann die drei Atomkraftwerke Biblis A,

    Brunsbüttel und Neckarwestheim zur

    Abschaltung an. Da werden die Betreiber

    mit allen Mitteln für Ihre Milliarden-

    gewinne kämpfen.

    Die ersten Anzeichen sind schon sicht-

    bar, wie etwa das Gerede von der „Strom-

    lücke“ das seit Beginn des Jahres in die

    Welt gesetzt wird. Auch wenn das Argu-

    ment an den Haaren herbeigezogen ist:

    schließlich sind im letzten Jahr fünf

    AKW’s über Monate gleichzeitig vom

    Netz genommen worden, ohne dass auch

    nur ansatzweise an der Leipziger Strom-

    börse die Strompreise gestiegen wären

    oder gar Strommangel zu spüren gewe-

    sen wäre. Wir können uns auf eine

    geballte Medienkampagne der Atom-

    wirtschaft gefasst machen.

    Schließlich wird die Entscheidung des

    Jahres 2009 auch über die erste Abschal-

    tung eines bayerischen Atomkraftwerks

    entscheiden. Die im Sommer 2011 vor-

    gesehene Stilllegung des AKW Isar 1 wird

    uns nicht einfach in den Schoß fallen. Sie

    muss erkämpft werden.

    Atomkraft + Uranwaffen

  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 200823Atomkraft + Uranwaffen

    Sehr geehrter Herr Minister Gabriel,

    was lernen die marktbeherrschen-den Energiebetreiber daraus, wenn sich in einem Atomreaktor ein Unfall ereignet, wie jetzt kurz hintereinan-der in Brunsbüttel und Krümmel? Dass sie ihre Krisen-PR verbessern müssen, damit sich der Imagescha-den für die Kernenergie nicht zum Desaster auswächst. Dabei machen die Pannen im schwedischen Fors-mark wie hier in Deutschland über-deutlich: Bei einem Störfall kann das Zusammenspiel von menschlichem und technischem Versagen ebenso in einer Katastrophe enden wie wir sie im Unglücksreaktor von Tscher-nobyl erlebt haben. Da die Betreiber jedoch gemeinsam mit den poli-tischen Atomkraftbefürworten die Gefahren leugnen und hartnäckig

    behaupten, „saubere“ Atomenergie werde uns vor dem Klimakollaps bewahren, stellen sie das eigentliche Sicherheitsrisiko dar. Deren Argu-ment, man benötige die Atomenergie nur noch übergangsweise, bis die erneuerbaren Energien einen größe-ren Anteil am Strommix übernehmen können, klingt unglaubwürdig.

    Denn die vier Energieerzeuger E.ON, EnBW, Vattenfall und RWE hätten seit dem GAU in Tscherno-byl über 20 Jahre Zeit gehabt, den Auf- und Ausbau eines umwelt-verträglichen Energiemarktes voranzutreiben. Mindestens mit der gleichen Investitionskraft, die sie in den Bau der Atommeiler gesteckt haben. Das Geld dafür haben sie – dank riesiger Gewinne als Strommonopolisten.

    Wenn E.ON nach der geplatzten Übernahme der spanischen Endesa ankündigt, das Unternehmen werde 60 Milliarden Euro neu investieren, wird nichts darüber gesagt, wohin diese riesige Geldmenge wandern soll: in den Neubau von Kernkraft-werken in Osteuropa oder China, in klimabelastende Kohlekraftwerke oder in zukunftsfähige Energien wie Solartechnik, Biogas oder Geo-thermie?

    Statt sich Übernahmeschlachten zu liefern oder an der Energiekosten-schraube bei Privathaushalten zu drehen, hätten die europäischen Energieproduzenten die Mittel und die Pfl icht, Techno logien zu fördern, die dazu beit ragen Strom, Gas oder Treibstoff sparsamer und wirkungs-voller zu verwenden. Daran sind die Monopolisten ebenso wenig inter-essiert wie an der Stilllegung ihrer längst ab-geschriebenen atomaren Altreaktoren.

    Offenbar hat auch CSU-Wirtschafts-minister Michael Glos noch nicht erkannt, welches wirtschaftliche Potential im Bereich der Energieeffi -zienz steckt. Warum sonst blockiert er zukunftsfähige Energietechnik und unterstützt die hiesige Atom-lobby mit der Beschwichtigungsfor-mel, „unsere Kernkraftwerke“ seien die sichersten der Welt – bis zum nächsten Störfall, der vielleicht nicht mehr beherrschbar ist!

    Offener Brief

    ZU DEN REAKTOR UNFÄLLEN IN BRUNSBÜTTEL UND KRÜMMEL an Bundesumweltminister Sigmar Gabriel

    „Lassen Sie sich auf keine fragwürdigen Geschäfte mit der Atomindustrie ein!“, appellierte Cornelia Stadler für die „Mütter gegen Atomkraft“ e.V. an den Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Sie übergab auf der Münchner SPD-Konferenz am 17. Juli 2007 einen Offenen Brief zu den Reaktor unfällen in Brunsbüttel und Krümmel. (von links: Minister Sigmar Gabriel, Münchens OB Christian Ude, Cornelia Stadler und Sven Thanheiser, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion)

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  • 24Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

    Atomkraft + Uranwaffen

    Deshalb, Herr Minister, bitten wir Sie als „Mütter gegen Atomkraft“ e.V.: – Bleiben Sie stark in Ihrem Widerstand gegen Laufzeitverlängerungen der deutschen Atomkraftwerke!– Lassen Sie sich auf keine fragwürdigen Geschäfte mit der Atomindustrie ein!– Sorgen Sie für eine sofortige und dauerhafte Stillegung der Pannenreaktoren!– Denn: Nicht nur Umwelt organisationen sondern zwei Drittel der Deutschen wollen am beschlos senen

    Atomausstieg festhalten, ihn sogar beschleunigen, wie neue Studien belegen.Diese breite Unterstützung müsste als Bollwerk genügen!

    Mit freundlichen GrüßenCornelia Stadler, im Namen von über tausend Mitgliedern der „Mütter gegen Atomkraft e.V.“

  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 200825Atomkraft + Uranwaffen

    Nein, die Bilder sind nicht schön. Kleine Kinderkörper, übersät mit blu-tenden Geschwüren. Ein dünner Junge, der mit sehr ernsten Augen in die Kamera schaut. Zwei Tage nach den Filmaufnahme wird er tot sein, sagt der Sprecher aus dem Off. Wer will sich so einen uner -quicklichen Steifen in Spielfi lmlänge schon ansehen? Das Münchner Kino Atelier, in dem der Film „Todesstaub“ als Matinee gezeigt wurde, war voll besetzt, und die Mehrheit der Besu-cher blieb auch bei der anschließen-den Diskussion sitzen. Mitveranstal-ter dieser Vorführung waren unter anderem die Mütter gegen Atom-kraft e.V. und Bürger gegen den Atomreaktor Garching e.V.

    Als Alternative zur sogenannten Sicherheitskonferenz 2008, die wie immer im Hochsicherheits-Hotel Bayerischer Hof stattfi ndet, zeigte die Dokumentation „Todesstaub“ eindrucksvolle Aufnahmen von glü-henden Feuerbällen am nächtlichen Himmel, von schwarzen Rauchwol-ken nach einem Volltreffer und im Gegenschnitt fröhliche Buben, die auf einem Panzerwrack herum tur-nen. Während die Kriegsbilder aus Archivmaterial der Golfkriege von 1991 und 2003 stammen, sind die Aufnahmen von den spielenden Kin-dern erst vor Kurzem in Basra und anderen irakischen Regionen ent-standen. Denn überall liegt unge-schützt die massenhafte Hinterlas-senschaft der letzten Kriege, in denen über tausend Tonnen mit

    Uran ausgerüstete Munition zum Einsatz kam. Obwohl die Nato-Trup-pen nach geltendem Völkerrecht verpfl ichtet wäre, die Überreste zu beseitigen, um die dort lebenden Menschen nicht länger tödlichen Gefahren auszusetzen. Doch das Gegenteil ist der Fall, wie mehrere Wissenschaftler, darunter der deut-sche Arzt Professor Siegwart-Horst Günter, vor Ort nachweisen. Unter Gefährdung der eigenen Gesund-heit messen sie mit dem Geigerzäh-ler die Strahlung, die heute, Jahre nach der kriegerischen Zerstörung von den zerschossenen Panzern ausgeht. Sie nehmen Proben von Sand und Abwasser und lassen es in einem unabhängigen Labor in Deutschland prüfen. Denn Proben,

    die in die USA geschickt wurden, erreichten nie ihren Institutsem-pfänger.

    Opfer sind nicht nur die Menschen im Irak, Kinder, die zum Zeitpunkt der Kriege oft noch gar nicht gebo-ren waren und heute mit Missbil-dungen und angeborenen Krank-heiten zur Welt kommen. Opfer sind auch die Soldaten, vor allem ameri-kanische und britische, die man völ-lig im Unklaren gelassen hatte, wel-cher gesundheitlichen Gefahr sie sich aussetzen, wenn sie ohne Schutzkleidung monatelang mit die-ser Munition hantieren. Der Film, den der Regisseur Frieder Wagner unter hohem persönlichem und fi nanziellem Engagement gedreht hat, zeigt unter anderem eine junge Soldatin. Lächelnd hält sie eine die-ser babygroßen Raketen im Arm. Ein paar Jahre später erwartet sie Zwil-linge und sie erzählt, wie eines der beiden Mädchen schwer geschädigt und nicht lebensfähig auf die Welt kam.

    Nein, nichts haben die militärischen Befehlshaber ihren Soldaten gesagt über die besondere Gefährlichkeit dieser Uranwaffen. Aber weil sie ver-gleichsweise billig in der Produktion sind und sehr wirkungsvoll („Sie durchschneiden Stahl und Beton wie Butter“, schwärmt ein Offi zier), werden sie von vielen Militärmäch-ten der Welt gebunkert und im Ernst-fall ohne Skrupel verwendet.

    So wie einst die Tefl onpfanne aus der Raumfahrt in irdische Küchen ein-zog, so ist die Uranmunition als Abfallprodukt aus der Herstellung von Brennelementen für „friedliche“ Atomkraftwerke entstanden. Statt das abgereicherte Uran 238 mit einer radioaktiven Halbwertzeit von 4,5 Mil-liarden Jahren kostspielig entsorgen

    KINDERSPIELE IM TÖDLICHEN STAUBDie schonungslose Dokumentation wird von den Medien kaltgestellt

    von Cornelia Stadler

    TODESSTAUB: Eine Film-Matinee anläßlich der Sicherheits konferenz 2008 in München mit anschließender Diskussion.

  • 26Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

    zu müssen (ohne Endlager sowieso ein ungelöstes Rätsel), wird es nun weiter verarbeitet und damit zu einer hochtoxischen, endlos haltbaren Waffe. Die metallischen Nanoparti-kel, die solch eine Munition nach Gebrauch freisetzt, sind aufgrund ihrer mikroskopischen Winzigkeit deshalb so gefährlich, weil sie – ein-mal eingeatmet – direkt ins Gehirn dringen können. Auf diese doppelte Wirkung – die radioaktive und die der Nanopartikel – weist Prof. Edmund Lengfelder als Strahlenmediziner besonders hin. Aber da Nanotechno-logie als Forschung der Zukunft auf-gefasst werde und viel Geld dort hin-einfl ießt, würden diese Risiken vor der Öffentlichkeit verheimlicht, kriti-siert Lengfelder seine wissenschaft-lichen Kollegen. Auch der frühere Spiegel-Redakteur Siegesmund von Ilsemann und die Medienpädagogin Sabine Schiffer von der Universität Erlangen nehmen kein Blatt vor den Mund, wenn es um das Verschwei-gen brisanter Wahrheiten in der Medienöffentlichkeit geht. „Eine

    Debatte über die Kriegsfolgen fi ndet praktisch nicht statt“, beschreibt Schiffer die derzeitige Situation in Deutschland. Um darauf stärker Ein-fl uss zu nehmen, hat sie 2005 das Institut für Medienverantwortung gegründet. Gerade bei den öffent-lich-rechtlichen Sendern müsse man den demokratischen Auftrag der Information einfordern. Dass ein der-artiges Desinteresse fast existenzver-nichtend sein kann, hat der Doku-mentarfi lmer Frieder Wagner selbst erlebt. Nachdem sein Beitrag „Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra“ beim WDR im Jahr 2004 noch gesendet wurde und er eine feste Zusage für einen längeren Film hatte, wurde diese Zusage dann nach Fer-tigstellung mit fadenscheinigen Begründungen zurückgezogen. Für seine Recherchen an den Brenn-punkten der Welt, Interviews mit Wis-senschaftlern und Opfern und der Herstellung des Streifens wurde er mit 300 Euro Entschädigung abge-speist.

    Darum überlegte das Kinopublikum in der Diskussion, welche Mittel wir, die Mediennutzer haben, um ein so unbeliebtes Thema an die Öffent-lichkeit zu bringen. Beispielsweise kann jeder sich per Mail oder per Post direkt an eine Sendeanstalt wie den Bayerischen Rundfunk wenden und auf den Film „Todesstaub“ auf-merksam machen. Die hauseigenen PR-Abteilungen würden einen ent-sprechenden Nachfragedruck durch-aus registrieren, glaubt Schiffer.

    An diesem Sonntagvormittag sind die DVDs im Nu ausverkauft. Man kann den Dokumtarfi lm „Deadly-Dust – Todesstaub“ aber auch direkt beim Vertrieb bestellen:

    Ochoa-Wagner Produktion in Köln, Tel/Fax 0221-322518 oder per E-Mail: ochowa-fi [email protected] zum Preis von Euro 25,- auf das Konto VR-Bank Kto. 234 0011, BLZ 371 612 89.

    Atomkraft + Uranwaffen

    Gewalt der Atomkraft

    © Illustration von Sergej23www.pixelio.de

  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 200827Atomkraft + Uranwaffen

    Damals, vor fast 22 Jahren, nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl, hat-ten wir uns spontan zusammenge-schlossen, um gegen die sogenannte „friedliche“ Nutzung der Kernenergie anzukämpfen, dass wir gegen den „militärischen“ Einsatz waren und sind, verstand sich ja wohl von selbst. Vielleicht war uns allen damals gar nicht so sehr bewusst, dass es eine „friedliche Nutzung“ dieser tod-bringenden Technologie überhaupt nicht gibt, dies wird erst in dem Film deutlich.

    Ich möchte mich aber jetzt nicht darin verlieren, die grausigen Einzelheiten des Films noch einmal zu schildern. Eine Sache erscheint mir aber sehr berichtenswert: Bevor der Film gezeigt wurde, wurden unter den anwesenden Zuschauern mehrere Kopien verschie-dener Zeitungsausschnitte aus dem Jahr 2001 herumgereicht, ebenso wie Flyer eines ‚Aktionsforums Frieden’ aus Neuburg/Donau. Die Aussage war überall gleichlautend und sehr erschüt-ternd: Es waren deutsche Firmen, die bei der Entwicklung dieser schreckli-chen Munition mitgewirkt haben. Fakt ist jedenfalls, dass die Düsseldorfer Firma Rheinmetall Detec AG in einem Waldstück im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, das zum Test-Gelände des früheren Messerschmitt-

    Bölkow-Blohm-Werkes gehörte (heu-te der Raumfahrt- und Rüstungskon-zern EADS), im Jahr 1979 heimlich Schießversuche gemacht hat. Viel-leicht ist es so erklärlich, dass der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen nach dem „Lebensqualitätenatlas“ die höchste Krebsrate Bayerns und die zweithöchste in der Bundes-republik Deutschland aufweist.

    Eigene Erinnerungen werden wachZum Schluss meines Artikels möchte ich mir noch ein ganz persönliches Erlebnis quasi „von der Seele“ schrei-ben, das ich in den tiefen Abgründen meiner „Emotionsschub laden“ ver-wahrt habe. Es ist schon sehr lange her, denn auch ich bin heute schon eher im Großmutter- als im Mutteral-ter. Zur Zeit von Tschernobyl war ich jedenfalls gerade mit meinem zwei-ten Kind schwanger, inzwischen sind es drei. Wie ihr alle wisst, hat seither ein Kriegsschauplatz (Irak, Ex-Jugos-lawien, Afghanistan, wieder Irak) den anderen abgelöst, von den kleineren Krisenherden einmal abgesehen, und die Nachrichten waren täglich voll davon. In unserer Familie wird ja nicht sehr viel ferngesehen, aber die täglichen Abend-Nachrichten lassen wir uns selten entgehen. Auch war es nie unsere Art, unsere Kinder dabei

    aus dem Wohnzimmer zu verbannen, schließlich handelte es sich ja nicht um einen jener berüchtigten Gräuel- und Metzel-Filme, sondern um das sogenannte „wirkliche Leben“ mit dem sie eines Tages fertig werden müssten, außerdem zeigten unsere kleinen Mädchen an Politik und Tagesschau kaum Interesse. Soweit die Vorgeschichte.Eines Tages ergab es sich so, dass meine Jüngste von einer ziemlichen Schnupfennase geplagt und deshalb nicht im Kindergarten war, ich aber unbedingt ein paar Dinge einkaufen musste. Ich hatte mich damals wirk-lich sehr beeilt, doch als ich nach weniger als einer Stunde heimkam, fand ich mein Kind blass, zitternd und verängstigt hinter dem Sofa kauernd. „Um Himmels Willen, was ist denn passiert?!“, war meine erste Frage. Nach einigen Minuten in mei-nen Armen hatte sich meine Tochter soweit gefasst, dass sie sprechen konnte: „Ich hab mir nur gedacht, wenn jetzt ein Krieg kommt und du bist nicht da, Mama! …….“

    In meiner Hilfl osigkeit als Mutter habe ich damals genauso reagiert, wie so mancher Politiker, ich habe beschwichtigt, verharmlost und gelogen…. „Ja, Kind, der Krieg ist eine ganz, ganz schlimme Sache für die Menschen in dem Land, aber das ist ganz weit weg von uns, so weit, dass man mit dem Flugzeug hinfl iegen muss. Deutschland wird nie wieder …“Unsere Kinder, die damals bei Tschernobyl noch ganz klein oder noch ungeboren waren, sind jetzt gerade im „wehrfähigen“ Alter, und Deutschland wird immer stärker bedrängt, sein militärisches Kontin-gent in Afghanistan zu verstärken.

    Also, Mütter, Courage!....

    Ja, ich hab ihn auch gesehen, den Film von Frieder Wagner. Kurz bevor der Grimme-Preis träger nach München kam, zeigte er seinen Film, auf Einladung des Vereins „Freundschaft mit Valjevo, e.V.“, hier in Pfaffenhofen. Unter den etwa 60 Zuschauern war ich wohl die einzige von der Pfaffenhofener Müttergruppe, deshalb ist es mir auch ein Anliegen, meine Ein drücke in der „Mütter Courage“ wiederzugeben. Allerdings muss ich gestehen, dass mir die „Courage“ – ebenso wie allen anderen Anwesenden – recht bald vergangen ist und einem Gefühl tiefer Betroffenheit und Beklem-mung Platz gemacht hat.

    TODESSTAUB – Impressionen einer dreifachen Mutter von Lissy Fischer

  • 28Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

    Kinder + Krebs

    Übersetzung

    Übersetzung

  • Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 200829

    Mit einer Einzelspende in Höhe von 2500 Euro von Familie Ebermann bekam die zwölfjähriges Margarita Kravja eine Endoprothese. Seitdem man im Juni 2006 bei ihr einen Tumor festgestellt hat, wird sie regelmäßig in der Kinderonkologie in Kiew behandelt. Tapfer erträgt sie auch das Heimweh nach ihrer Mutter und den Großeltern, die weit ent-fernt im Gebiet Poltawa wohnen. „Während dieser Zeit, wo ich mich nun in der Kinderonkologie befi nde, habe ich tiefe Freundschaften mit anderen Kindern geschlossen. Es ist mein größter Wunsch-traum, dass die Operation gut verläuft und ich wie-der werde gehen können,“ schreibt sie.

    DER WUNSCHTRAUM EINES KINDES

    Die Trauerspenden aus Anlaß des Todes von Irene konnten nun für ein konkretes Hilfsprojekt eingesetzt werden. Am 18. September 2007 übergab Olha Tkaczenko in Kiev die Geldspende an die Familie eines 12-jährigen Mädchens. Sie wird daraus die Kosten für eine Endo prothese bestreiten. Meine Familie und ich freuen uns, dass in diesem Fall, durch die Hilfe der MgA und Olha, ganz im Sinne von Irene geholfen werden konnte.

    Hans Ebermann

    Olha Tkaczenko, Vorstandsmitglied und Organisatorin der KvT-Hilfsakti-onen, überbrachte das Geld persön-lich und erfüllte so einen Auftrag im Sinne von Irene Ebermann, die viele in Erinnerung haben als eine der aktivsten Mitglieder aus dem Mang-falltal. Der Dank geht darum auch an Hans Ebermann, der die Arbeit seiner verstorbenen Frau weiter begleitet.

    Olha Tkaczenko übergibt im September das Spendengeld an die erkrankte Margerita und ihre Mutter.

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    tGEDICHTNur Leute, die nie dabei waren, wenn eine Miß geburt ins Dasein trat,nie ihr Wimmern hörten, nie Zeugen des Entsetzens der armen Mutter waren, Leute, die kein Herz haben, vermögen den Wahnsinn der Atomspaltung zu befürworten.

    Albert SchweitzerArzt, Philosoph, Theologe und

    Friedensnobelpreisträger

    Diesen Denk-Satz schickte uns Sabine Klier von den Müttern gegen Atomkraft aus Erlangen.

    Kinder + Krebs

  • 30Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V. 2008

    Jedes Jahr im November sind wir erleichtert und ein bisschen stolz, wenn wir wieder einen mit vie-len großen und kleinen Paketen beladenen Sat-telschlepper von Mün-chen-Riem auf die Reise in die Ukraine schicken können. Bis er gefüllt ist, bedarf es einer ganzen Menge Werbung und vie-ler Helferinnen aus den Reihen der „Mütter gegen Atomkraft“, die sich um das Einsammeln der Geschenk-päckchen und der Sachspenden kümmern. Gleichzeitig mit dieser Aktion – 1100 Pakete waren es im vergangenen Jahr – weisen unsere Mitglieder immer darauf hin, wie not-wendig zusätzliche Geldspenden sind. Mit Erfolg, wie Erika Bräunlings Buchhaltung belegt: 50 Prozent aller Spenden gehen in den Monaten November und Dezember ein. Und das trotz der großen Konkurrenz in der Vorweihnachtszeit durch andere gemeinnützige Organisationen!

    Die beispiellos negativen Schlagzei-len, die die größte (und bis dahin renommierteste) dieser Organisati-onen – Unicef Deutschland – verurs-acht hat, warfen einen schweren Schatten auf alle übrigen. Nur allzu verständlich, dass Spendenwillige verunsichert reagierten, manche sogar ein Pauschalurteil („Wer weiß, ob die nicht alle so mit unserem Geld umgehen?“) fällten.

    Unsere Mitglieder und die Leser der Mütter Courage kennen seit langem die Höhe des Spendenaufkommens

    und den jährlichen Verwendungs-zweck für die Aktion „Kinder von Tschernobyl“. Doch die öffentliche Diskussion, die Unicef ausgelöst hat, ist für uns Ansporn, noch genauer über die Verwendung aller Mittel zu informieren.

    Laut Kassenbericht für 2007 gingen Spenden für KvT in Höhe von 22.563,90 Euro ein. Davon beteiligten wir uns mit 18.329 Euro an einem Narkose-gerät für die