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20.01.2011

Sprachkontakte des Italienischen XIIIa

ITALIENISCHE STANDARDSPRACHE – ITALIENISCHE DIALEKTE

19. bis frühes 20. Jahrhundert

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Die Tradition vom 16. bis 19. Jh.: der sprachliche Purismus

(= Vermeidung von Sprachkontakt)

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Pietro Bembo

Florentiner Trecento-Modell

Asolani(1505)

Prose della volgar lingua(1525)

Prinzip der Imitatio = Orientierung an einem Musterkanon (insbes. Boccaccio und Petrarca)

Verbreitung des Sprachmodells

Rezeption und überregionale Akzeptanz in ganz Italien

Literarische Anwendung

TheoretischeReflexion

NORM

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Alessandro Manzoni

Sprachkontakt durch Sprachplanung

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Sprachkontakt durch Sprachplanung4

Alessandro Manzoni

Moderne Sprache der

gebildeten Florentiner

Modernisierungder bereits

existierenden trecentobasierte

n Norm(BEMBO-Modell)Ziel: eine gemeinsame italienische

Sprech- und Schriftsprache im (bald) geeinten Italien

„Update“

Promessi Sposi (1840)

Sprachtheoretische Schriften

Kommissionsarbeit

in staatlichen Institutionen

Verbreitung des Sprachmodells

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Sprachkontakt durch Sprachplanung

1827 I Promessi Sposi (ursprüngliche Version)

1840 I Promessi Sposi (neutoskanische Version)

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Trecento-Italienisch

Literarische Norm: 16. bis

19. Jh.

Florentiner Dialekt der Bildungs-

bürgertums

Sprachkontakt

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Sprachkontakt durch Sprachplanung

Alessandro Manzoni (1785-1873) und das moderne Florentinische

1827-42: Überarbeitung der Promessi Sposi

Commissione per l'unificazione della lingua

Dell'unità della lingua italiana e dei mezzi per diffonderla (1868)

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Die Literatur als Ort des Sprachkontakts

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Sprachkontakt durch Sprachplanung

Tommaso Grossi

Manzoni diskutierte mit seinem Freund, dem Dichter und Romancier Tommaso Grossi (1790-1853) über sein neues Sprachmodell.

Nach Manzonis Vorstellung sollte sich die künftige italienische Literatur- und Standardsprache nicht mehr an den Florentiner Autoren des Trecento orientieren, sondern an den gebildeten Sprechern des modernen Florenz.

Seine Sprachprogrammatik setzte er bei der Überarbeitung der Promessi sposi in die Praxis um.

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Die Literatur als Ort des Sprachwandels

Manzonis Überarbeitung seines Romans

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Sprachkontakt durch Sprachplanung10

Nach der Publikation der 1827er Ausgabe (Ventisettana) machte sich Manzoni an die Überarbeitung seines Werkes.

Die endgültige Fassung erschien zwischen 1840 und 1842.

Im Jahr der Erstveröffentlichung begab sich Manzoni mit seiner Familie nach Florenz, um seine italienischen Sprachkenntnisse zu verbessern.

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Sprachkontakt durch Sprachplanung

Come dite voi a Firenze?

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Sprachkontakt durch Sprachplanung

Ausgabe von 1840

Auszug aus Kap. III

Ma io facevo per bene, ed ero stata consigliata, e tenevo per certo... e questa mattina, ero tanto lontana da pensare... - Qui le parole furon troncate da un violento scoppio di pianto.

… e lui m'ha confessato che gli era stato proibito, pena la vita, di far questo matrimonio. Quel prepotente di don Rodrigo...

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Eine kleine Kulturrevolution

Ma io facevo per bene, ed ero stata consigliata

… e lui m'ha confessato

Diese Formen wurden zur selben Zeit in den Schulgrammatiken als FALSCH bezeichnet.

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Nur wenige Jahre nach der Ausrufung des Königreichs Italien wurde Manzoni unter Bildungsminister Emilio Broglio im Jahre 1867 zum Vorsitzenden einer Kommission berufen, die mit der sprachlichen Einigung Italiens beauftragt wurde.

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In dieser Zeit verfasste er den programmatischen Aufsatz Dell’unità della lingua italiana e dei mezzi di

diffonderla (1868) einschließlich einer

Appendice (1869), eine Lettera intorno al libro “De vulgari eloquio” di Dante Alighieri (1868)

sowie eine Lettera intorno al vocabolario (1868).

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Künftige Italienischlehrer sollten ihre Sprachausbildung in Florenz erhalten und besonders begabten Schülern sollten Stipendien für einen Florentiner Studienaufenthalt gewährt werden.

Zum ersten Mal seit dem Cinquecento wurde das Neuflorentinische wieder ernsthaft als gesamtitalienisches Sprachmodell diskutiert.

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Das von Manzoni immer wieder postulierte Wörterbuch des lebendigen Sprachgebrauchs wurde unter der Schirmherrschaft von Emilio Broglio zwischen 1877 und 1897 realisiert.

Es erschien unter dem Titel Novo vocabolario della lingua italiana secondo l'uso di Firenze / ordinato dal Ministero della pubblica istruzione in Florenz.

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Ab ca. 1870 Es kommt zur Herausbildung einer sogenannten prosa

borghese. Manzonis Sprachmodell findet Anhänger bei

Schriftstellern, Lexikographen, Grammatikographen sowie bei literarischen Übersetzern.

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1870-1897 Nach den Vorgaben Manzonis geben Giorgini und Broglio

ein vierbändiges Novo vocabolario della lingua italiana secondo l’uso di Firenze heraus.

1871 Giuseppe Pucciantis in Florenz erschienene Antologia

della prosa italiana moderna bietet den Schulen einen Kanon, der sich nicht nur am traditionell-puristischen Sprachmodell orientiert.

1875 Rigutini und Fanfani veröffentlichen in Florenz ihr

Vocabolario italiano della lingua parlata, das sich am Sprachmodell Manzonis orientiert.

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Die gesprochene Sprache in der Lexikographie

Giuseppe Rigutini &

Pietro Fanfani

Vocabolario italiano della lingua parlata (1875)

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Manzonis Einfluss auf die Didaktik

Die Betonung des Florentiner Usus in den Schul-grammatiken und Wörterbüchern

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Schulgrammatiken - Sekundarbereich

LEOPOLDO RODINÒ

Grammatica novissima della lingua italiana

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Schulgrammatiken - Sekundarbereich

LEOPOLDO RODINÒ

Grammatica novissima della lingua italiana

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LEOPOLDO RODINÒ

Grammatica novissima della lingua italiana

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Das Modell des modernen Florentinischen im schulischen Italienischunterricht

Raffaello FornaciariGrammatica

italiana dell’uso moderno (1879)

Sintassi italiana dell'uso moderno (1881)

Policarpo PetrocchiGrammatica della

Lingua italiana per le scuole elementari superiori (1887)

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Raffaello Fornaciari (1837 – 1917)

Ausgaben

1879

1881

1882

1897

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Raffaello Fornaciari

Auszug aus dem Vorwort

Hinweis auf Manzoni

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Raffaello Fornaciari

Schulgrammatik

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Raffaello Fornaciari

Schulausgabe

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Raffaello Fornaciari

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Theoretische Einleitung

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R. Fornaciari

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten 34

Ein wichtiges Instrument zur Verbreitung des Italienischen in einer weitgehend dialektal geprägten Gesellschaft war die Einführung der allgemeinen Schulpflicht.

Die italienische Schulgesetzgebung nahm ihren Anfang mit der Legge Casati am 13 November 1859 (im Königreich Sardinien-Piemont).

Die Verantwortung für die Grundschulausbildung wurde erstmals dem Staat zugesprochen, wobei die Einführung der Schulpflicht noch fast zwei Jahrzehnte auf sich warten lassen sollte.

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Dennoch setzte sich die Legge Casati zum erstenmal mit dem Analphabetentum in Italien auseinander, von der seinerzeit 78% der Bevölkerung betroffen waren.

Im Jahre 1877 wurde unter dem damaligen Bildungsminister Michele Coppino die allgemeine Schulpflicht für Kinder von sechs bis neuen Jahren eingeführt.

Im Rahmen der Legge Orlando von 1904 wurde die Schulpflicht bis zum 12. Lebensjahr ausgedehnt.

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M. Coppino

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

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Da kaum Maßnahmen zur Überwachung und Durchsetzung der Schulpflicht existierten, blieb die Zahl der Analphabeten und damit der Anteil der reinen Dialektsprecher zunächst unverändert hoch.

In der Schulpolitik des Einheitsstaates überwog eine gewisse Dialektfeindlichkeit, insbesondere in der Grundschule.

(Ital. Schule um 1870)

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

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Der Dialekt wurde als Hauptursache für das weit verbreitete Analphabetentum betrachtet und sollte den Kindern daher ausgetrieben werden.

(Schule im Jahre 1875)

http://cronologia.leonardo.it/storia/tabello/tabe1530.htm

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten38

Zur Verbreitung der italienischen Sprache sollten auch Dialektwörterbücher beitragen. Antonino Traina z.B. schreibt im Vorwort

zu seinem Vocabolario siciliano-italiano (1868): „Desiderando io pure [...] concorrere al diffondimento della lingua italiana, mi sono studiato compilare questo Vocabolario...“

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Eine positive Einstellung gegenüber der dialektalen Wirklichkeit gab es ausgerechnet zu Beginn der faschistischen Herrschaft (1922).

Erster Bildungsminister (Ministro di pubblica istruzione) unter der Regierung Mussolinis wurde der Philosoph Giovanni Gentile (1875-1944).

Seine Amtszeit dauerte allerdings nur von 1922 bis 1924.

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Die Riforma Gentile

Der Dialekt im Schulunterricht

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Gentile führte eine allgemeine Schulreform durch.

Der Dialekt wurde fester Bestandteil des Grundschulunterrichts.

Es wurden Übersetzungsübungen aus dem Dialekt mit Hilfe von Dialektwörterbüchern gemacht.

Die Behandlung von regionaler Tradition und Folklore spielte eine wichtige Rolle im Schulunterricht.

Die Lehrer sollten davon überzeugt werden, das Italienische mithilfe des Dialekts zu vermitteln.

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Der Pädagoge, der am stärksten in dieser Richtung wirkte, war Giuseppe Lombardo Radice (1879-1938), der 1923 im Rahmen der Riforma Gentile, die Lehrpläne für die Grundschule entwarf.

Seine Entwürfe enthielten genaue Angaben in Bezug auf den Gebrauch des Dialektes beim Erlernen der italienischen Sprache.

Er empfahl im Rahmen seines Programms Dal dialetto alla lingua Übersetzungsübungen aus der Mundart ins Italienische auf der Grundlage von Gedichten, Erzählungen und Volksliedern.

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http://www.dubladidattica.it/lomradice.html

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten43

Zum ersten Mal seit der Schaffung des Einheitsstaates waren sie nicht nur Gegenstand einfacher Verurteilung, sondern Studienobjekt für die Schüler.

Der aus Catania stammende Radice unterrichtete Pädagogik an der Universität seiner Heimatstadt, bevor er von Giovanni Gentile zum Leiter für Grundschulangelegenheiten ernannt wurde.

Giuseppe Lombardo Radice, der vom Neoidealismus Gentiles beeinflusst war, sympathisierte allerdings nicht mit dem Faschismus, sondern mit dem Sozialismus und zog sich 1924 aus der Politik zurück.

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

In den 30er Jahren jedoch vollzog die faschistische Regierung eine radikale Kehrtwende gegenüber den Dialekten.

Im Jahre 1935 wurden die Experimente mit den Mundarten im Grundschulunterricht unter dem Bildungsminister Cesare Maria De Vecchi (1884-1959) beendet.

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SPRACHKONTAKT ITALIENISCH - DIALEKT

Dialektale Elemente im Italienischen

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Dialektale Entlehnungen im Italienischen

Aus dem Piemontesischen hat das Italienische u.a. folgende Wörter entlehnt: grissino ‘Knabberstäbchen’, fonduta ‘Käsefondue’, fontina ‘Weichkäse’, gianduia ‘Nussschokolade’, gianduiotto ‘Nusspraline’, bocciare ‘durchfallen’, pelandrone ‘Faulpelz’, valanga ‘Lawine’.

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Dialektale Entlehnungen im Italienischen

Aus dem Ligurischen stammen acciuga ‘Sardelle’ lavagna ‘Tafel’.

Dem Lombardischen stammen risotto, stracchino ‘Käse’, panettone ‘Weihnachtsgebäck’, grappa, secchione ‘Streber’, barbone ‘Penner’ sberla ‘Ohrfeige’.

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Dialektale Entlehnungen im Italienischen

Aus dem Venezianischen stammen ciao ‘hallo’, ‘tschüss’, ditta ‘Firma’, gazzetta ‘Zeitung’ vestaglia ‘Morgenmantel’.

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Dialektale Entlehnungen im Italienischen

Aus dem Romanesco kommen abbacchio ‘Lammfleischgericht’, pignolo ‘pingelich’, intrufolarsi ‘sich einschleichen’, bustarella ‘Bestechungsgeld’, tintarella ‘Sonnenbräune’, pupazzo ‘Hampelmann’, a sbafo ‘auf Kosten anderer’, sbafare ‘schnorren’, fasullo ‘falsch’, borgata ‘Vorstadt’, iella ‘Unglück’ netturbino ‘Straßenkehrer’.

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Dialektale Entlehnungen im Italienischen

Dem Neapolitanischen wurden folgende Wörter entlehnt: pizza, pizzeria, mozzarella, lava, carosello, arrangiarsi ‘sich durchschlagen’, malocchio ‘böser Blick’, scippo ‘Taschendiebstahl vom

Motorrad aus’, cafone ‘Prolet’.

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Dialektale Entlehnungen im Italienischen

Das Sizilianische hat u.a. folgende Ausdrücke zum Italienischen beigesteuert: cassata ‘Quarkkuchen’, tarocco ‘Orangensorte’, intrallazzo ‘Machenschaften’, mafia, picciotto ‘junger Mann’, ‘niedrigster Rang innerhalb der

Mafia’

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