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Deutsche Forschungsgemeinschaft Klinische Forschung Denkschrift 009116 Titelei_Klin. Forschung 11.02.2000 11:36 Uhr Seite 1

009116 VCH Klin. Forschung - DFG009116 VCH Klin. Forschung 11.02.2000 11:37 Uhr Seite 1 Forschung 11.02.2000 11:37 Uhr Seite 1 lungen zur klinischen Forschung in den Hochschulen“

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  • DeutscheForschungsgemeinschaft

    Klinische Forschung

    Denkschrift

    009116 Titelei_Klin. Forschung 11.02.2000 11:36 Uhr Seite 1

  • DeutscheForschungsgemeinschaft

    Klinische Forschung

    Denkschrift

    009116 Titelei_Klin. Forschung 11.02.2000 11:36 Uhr Seite 2

  • Deutsche ForschungsgemeinschaftGeschäftsstelle: Kennedyallee 40, D-53175 BonnPostanschrift: D-53170 BonnTelefon: ++49/228/885-1Telefax: ++49/228/885-2777E-Mail: [email protected]: http://www.dfg.de

    Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren,Herausgeber und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlä-gen sowie für eventuelle Druckfehler keine Haftung.

    Die Deutsche Bibliothek – CIP-EinheitsaufnahmeKlinische Forschung : Denkschrift / DeutscheForschungsgemeinschaft. Karl-Hermann Meyer ... - Weinheim ; New York ; Chichester ; Brisbane ; Singapore ; Toronto : Wiley-VCH, 1999

    ISBN 3-527-27213-5

    © WILEY-VCH Verlag GmbH,D-69469 Weinheim (Federal Republic of Germany).1999

    Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.

    Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. KeinTeil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeinerForm – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – repro-duziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen,verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Waren-bezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berech-tigt nicht zu der Annahme, daß diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Viel-mehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlichgeschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind.All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of thisbook may be reproduced in any form – by photoprinting, microfilm, or any other means– nor transmitted or translated into a machine language without written permission fromthe publishers. Registered names, trademarks, etc. used in this book, even when notspecifically marked as such, are not to be considered unprotected by law.

    Umschlaggestaltung und Typographie: Dieter Hüsken.Satz: Hagedorn Kommunikation, D-68519 Viernheim.Druck: betz-druck gmbh, D-64291 Darmstadt.Bindung: J. Schäffer GmbH & Co. KG, D-67269 Grünstadt.Printed in the Federal Republic of Germany.

    009116 VCH Klin. Forschung 11.02.2000 11:37 Uhr Seite IV

  • V

    Inhalt

    Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

    1 Ausgangslage, Anlaß und Anliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

    2 Klinische Forschung – Definition und Verständnis . . . . . . . . . 3

    3 Förderung der klinischen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53.1 Förderung durch die Länder/Grundausstattung. . . . . . . . . . . . 53.2 Fördermaßnahmen des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63.3 Fördermaßnahmen der Deutschen

    Forschungsgemeinschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73.4 Förderung durch weitere Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

    4 Defizite der klinischen Forschung und deren Ursachen . . . . 94.1 Mangelnde Institutionalisierung der klinischen Forschung . . 104.1.1 Institutionalisierung der Ausbildung zur Forschung . . . . . . . . 104.1.2 Leistungsorientierte Verteilung der Ressourcen . . . . . . . . . . . . 114.1.3 Forschungsprofile und Forschungsschwerpunkte . . . . . . . . . . 114.1.4 Personal- und Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124.1.5 „Pro forma“-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124.1.6 Primat der Wirtschaftlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134.2 Defizite der patientenorientierten Forschung am Beispiel

    der Planung und Durchführung klinischer Studien . . . . . . . . . 13

    5 Vorschläge zur Verbesserung der Voraussetzungenfür die klinische Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

    5.1 Institutionalisierung der klinischen Forschung. . . . . . . . . . . . . 155.2 Ausbildung für die klinische Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185.3 Abschied von der „pro forma“-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . 205.4 Ausweisung eigener Budgets für die klinische Forschung

    und ihre leistungsorientierte Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215.5 Maßnahmen zur Förderung der patientenorientierten

    Forschung am Beispiel klinischer Studien. . . . . . . . . . . . . . . . . 22

    009116 VCH Klin. Forschung 11.02.2000 11:37 Uhr Seite V

  • 6 Vorschläge zu den Fördermaßnahmen der DeutschenForschungsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

    6.1 Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. . . . . . . . . . . 246.2 Strukturverbessernde Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256.2.1 Klinische Forschergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266.2.2 Spezialambulanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266.2.3 Voraussetzungen für die Vergabe von Forschungsmitteln. . . . 27

    Anhang

    I Förderung der klinischen Forschung durchweitere Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

    II Maßnahmen zur Förderung der patientenorientiertenForschung – Kriterien für die Beurteilungklinischer Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

    Inhalt

    VI

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  • Vorwort

    Die klinische Forschung wird von vielen Mitmenschen mit besonderem Inter-esse verfolgt, weil sie sich von den Ergebnissen dieser Forschung Erfolge beider Vorbeugung, Diagnose und der Therapie von Krankheiten versprechen,die jeden einzelnen betreffen können. Daher ist sie, berechtigterweise odernicht, mehr als andere Disziplinen der Forschung der öffentlichen Kritik aus-gesetzt. Viele bedrohliche Krankheiten sind trotz großer Anstrengungen nochnicht heilbar, die Erwartungen und Hoffnungen der betroffenen Kranken undihrer Angehörigen sind groß.

    Derzeit erleben wir die zweite Revolution in der Medizin in diesem Jahr-hundert. Die erste betrifft die Entdeckung der Sulfonamide und des Penicillinsim Jahre 1937. Der große amerikanische Arzt Lewis Thomas, ehemals Präsi-dent des Sloan-Kettering Memorial Krankenhauses für Krebserkrankungen inNew York, schreibt hierüber in seinen Memoiren: „Es ist geradezu unglaub-lich. Schwerkranke Patienten, die ohne diese Behandlung mit Sicherheit ge-storben wären, waren bereits wenige Stunden nach der Gabe von Sulfonami-den auf dem Wege der Besserung und konnten bereits am nächsten Tag dasKrankenhaus verlassen. Die älteren Kollegen unter uns nahmen das Ganze ei-nigermaßen gelassen hin. Für die Jüngeren aber war es unfaßlich. Wir warenim Studium zu einer Art Medizin ausgebildet worden und merkten plötzlich,daß wir eine völlig andere Art zu praktizieren im Begriffe waren. Über Nachtwurde uns klar, daß plötzlich nahezu alles möglich war. Medicine was off andrunning“.

    Gegenwärtig ergeben sich aus der Genomforschung und aus der Ent-wicklung neuer bildgebender wie chirurgischer Verfahren ähnliche Perspek-tiven. Noch ein weiteres Mal erscheinen Paradigmenwechsel in der Medizinnicht nur möglich, sondern durchaus realistisch. Die Deutsche Forschungsge-meinschaft ist sich dessen bewußt und fördert diesen Bereich der Forschungmit erheblichen Mitteln und zum Teil auch mit besonderen Programmen, dieauf die Belange der klinischen Forschung zugeschnitten sind.

    Es kann und soll nicht übersehen werden, daß sich die Forschungslei-stungen der Medizinischen Fakultäten in Deutschland durchaus sehen lassenkönnen, belegt zum Beispiel durch eine große Anzahl von medizinischgeprägten Sonderforschungsbereichen, Forschergruppen, Schwerpunktpro-

    VII

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  • grammen und einem hohen Antragsaufkommen bei den Einzelprojekten. Nichtzu vergessen sind die 33 Klinischen Forschergruppen, die sich insbesondereder krankheits- und patientenorientierten Forschung widmen und in denen ei-ne schnelle Umsetzung der Erkenntnisse in den klinischen Alltag ermöglichtwird. Auch hat die Medizin in den letzten Jahren viele inter- und transdiszi-plinäre Aktivitäten entwickelt.

    All dieses soll aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, daß es weitereMöglichkeiten der Verbesserung der klinischen Forschung und der diese For-schung unterstützenden Struktur an den Medizinischen Einrichtungen gibt.Um diese Möglichkeiten zu diskutieren, hatte mein Vorgänger im Amt, Pro-fessor Wolfgang Frühwald, im Herbst 1997 zu einem Rundgespräch eingela-den, an dem Vertreter der Wissenschaft, der Politik und der Forschungsförde-rungsorganisationen teilgenommen haben. Aus den hier geführten Diskussio-nen entwickelte sich der Gedanke, eine Denkschrift zu diesem Thema durchdie DFG vorzulegen, in der Vorschläge zu einer weiteren Verbesserung der Si-tuation der klinischen Forschung in Deutschland gemacht werden.

    Vielleicht werden es einige Leser vermissen, daß in dieser Denkschriftnicht auch auf die besondere Situation der Hochschulklinika in den neuen Bun-desländern eingegangen wurde. Neben den in der Denkschrift beschriebenenDefiziten, die allgemein gültig sind, kann nicht übersehen werden, daß es inden Einrichtungen der neuen Länder zusätzliche Defizite gibt, die sich nur mitgroßen finanziellen Anstrengungen beheben lassen. Eine genaue Analyse die-ser Defizite würde aber den Rahmen dieser Denkschrift sprengen, zumal sichandere Gremien hiermit befassen. Anstrengungen, diese spezifischen Defizi-te zu beheben, werden von der DFG unterstützt.

    Diese Denkschrift richtet sich in erster Linie an die Universitäten und dieMedizinischen Fakultäten, denn die Vorschläge zu einer effizienteren Struk-tur können nur an den Hochschulen selbst umgesetzt werden. Sie richtet sichauch an alle in diesem Gebiet tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler, auf deren Engagement es bei der Umsetzung der Vorschläge an-kommt. Schließlich richtet sie sich auch an die zuständigen politischen Stellenin Bund und Ländern; denn nur mit Hilfe dieser Stellen sind die notwendigenRahmenbedingungen zu schaffen.

    Obwohl es sich um eine Denkschrift der DFG handelt, enthält sie dochzahlreiche Anregungen an die DFG selbst. Die DFG ist entschlossen, die Vor-schläge in der Denkschrift, die sich über weite Strecken auch mit denen derinternationalen, von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung undForschungsförderung eingesetzten Evaluationskommission decken, aufzu-greifen und nach besten Kräften umzusetzen.

    Ich bedanke mich bei den Autoren und den vielen anderen, die sich anden Diskussionen beteiligt und mit Anregungen geholfen haben.

    Professor Dr. Ernst-Ludwig WinnackerPräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft

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    Vorwort

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  • IX

    Die Denkschrift „Klinische Forschung“ wurde von folgenden Autorenerarbeitet:

    Karl-Hermann Meyer zum Büschenfelde, Mainz, Vorsitzender derSenatskommission für Klinische Forschung, Vizepräsident der DFG

    Johannes Dichgans, Tübingen,

    Michel Eichelbaum, Stuttgart,

    Kurt von Figura, Göttingen,

    Christian Herfarth, Heidelberg, Mitglied des Senats der DFG

    Dietrich Niethammer, Tübingen

    Clemens Sorg, Münster,

    Ralf Bernd Sterzel, Erlangen

    von der Geschäftsstelle der DFG:Beate Konze-Thomas

    Die Autoren danken den Mitgliedern der Senatskommission für KlinischeForschung sowie zahlreichen Kollegen für viele Anregungen, Diskussions-beiträge und für die kritische Durchsicht des Manuskripts.

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  • 009116 VCH Klin. Forschung 11.02.2000 11:37 Uhr Seite X

  • 1 Ausgangslage, Anlaß und Anliegen

    Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die klinische Forschung in al-len Förderverfahren (Sachbeihilfen und Stipendien im Normalverfahren,Schwerpunktprogramme, Forschergruppen, insbesondere Klinische Forscher-gruppen, Sonderforschungsbereiche u.a.). Unterstützung erhält die klinischeForschung auch durch die Gesundheitsprogramme der Bundesregierung,durch die Rahmenprogramme der Europäischen Union, durch Stiftungen,durch die Pharmaindustrie und – aus den Zuführungsbeträgen der Länder fürForschung und Lehre – durch die Hochschulen. Dennoch wird trotz unbe-streitbarer Erfolge die Situation und die Qualität der klinischen Forschung inDeutschland von vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Institu-tionen und politischen Stellen als zum Teil unbefriedigend erachtet. Immer wie-der werden in knapper zeitlicher Abfolge Vorschläge zur Verbesserung der kli-nischen Forschung vorgelegt und diskutiert.

    Diese Vorschläge umfassen neben der Einrichtung spezifischer Förder-programme, zum Beispiel dem vom Wissenschaftsrat 1987 empfohlenen Pro-gramm Klinische Forschergruppen und den vom Bundesministerium für Bildungund Forschung (BMBF) geförderten Interdisziplinären Zentren für Klinische For-schung an den Hochschulen, auch Ausbildungsaspekte (Studienordnung und-inhalte), Weiterbildungsaspekte (MD/PhD-Programme), Forderungen nachEntlastung wissenschaftlich arbeitender Ärzte von klinischen Tätigkeiten undnach engerer Kooperation zwischen Klinikern und Grundlagenwissenschaft-lern. Sie umfassen aber auch grundsätzliche Aspekte der Struktur der Univer-sitätsklinika (Ausgliederung der Universitätsklinika aus den Hochschulen) undGedanken zur Sicherung der Förderung der klinischen Forschung aus Mittelnder Grundausstattung (Zuführungsbeträge der Länder als Träger der Hoch-schulen) und durch Drittmittel (DFG, BMBF, Stiftungen, Industrie).

    Bereits im Jahre 1979 hat der damalige Vizepräsident der Deutschen For-schungsgemeinschaft, Wolfgang Gerok, in einer Denkschrift1) auf die unbe-friedigende Situation der klinischen Forschung aufmerksam gemacht und Vor-schläge zur Verbesserung unterbreitet. In der Vorbemerkung der „Empfeh-

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    1) Wolfgang Gerok, Zur Lage und Verbesserung der klinischen Forschung in der BundesrepublikDeutschland. 1979, DFG, Boppard, Boldt.

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  • lungen zur klinischen Forschung in den Hochschulen“ des Wissenschaftsratsaus dem Jahre 1986 heißt es: „Anlaß für die vorliegenden Empfehlungen istdie Tatsache, daß der Leistungsstand der klinischen Forschung in der Bun-desrepublik Deutschland trotz zahlreicher Vorschläge und Bemühungen zu sei-ner Verbesserung – und unbeschadet mancher hervorragender Einzelleistun-gen – insgesamt unbefriedigend ist.“

    Es sind seit dieser Zeit durchaus einige der Empfehlungen des Wissen-schaftsrats durch die Förderprogramme der Bundesregierung, der DeutschenForschungsgemeinschaft, von Stiftungen und auch von den Hochschulen um-gesetzt worden. Diese Maßnahmen haben an vielen Stellen zu einer deutli-chen Verbesserung der klinischen Forschung geführt und ermutigen, in denBemühungen zur weiteren Verbesserung der klinischen Forschung, insbeson-dere der patientenorientierten Forschung und ihrer Struktur, nicht nachzulas-sen. Um die Ursachen noch bestehender Defizite zu untersuchen und zu klären,in welcher Form die DFG, nicht zuletzt unter dem Aspekt einer sich wandeln-den medizinischen Forschungslandschaft, einen Beitrag zur weiteren Verbes-serung der klinischen Forschung und einer effizienten Forschungsförderungleisten kann, veranstaltete die DFG im Herbst 1997 ein Rundgespräch, aus demsich diese Denkschrift entwickelt hat.

    Ein Anliegen dieser Denkschrift ist es, die bestehenden Förderinstru-mente weiterzuentwickeln und darüber hinaus allgemeine Vorschläge zur wei-teren Verbesserung der Situation der klinischen Forschung zu machen.

    1 Ausgangslage, Anlaß und Anliegen

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  • 2 Klinische Forschung –Definition und Verständnis

    Der Wissenschaftsrat hat in seinen Empfehlungen zur klinischen Forschung inden Hochschulen (1986) die klinische Forschung wie folgt definiert: Sie „um-faßt in einem weiten Sinne alle Formen der Erforschung von Ursachen, Ent-stehung und Verlauf von Krankheiten sowie die wissenschaftliche Beschäfti-gung mit ihrer Erkennung und Behandlung“.

    Es gibt unterschiedliche Aspekte der klinischen Forschung, die isoliert für sich bearbeitet werden, aber auch in einem Projekt miteinander vernetzt seinkönnen. Dabei ist es nicht untypisch, daß ein und derselbe Wissenschaft-ler in einander folgenden Abschnitten der wissenschaftlichen Laufbahn die unterschiedlichen Formen klinischer Forschung praktiziert. Diese unterschiedlichen, aber voneinander untrennbaren Aspekte der klinischen Forschung sind:• die grundlagenorientierte Forschung, in deren Mittelpunkt der Erkennt-

    nisgewinn in biologischen Systemen (Molekularbiologie, Genetik, Bioche-mie, Immunologie, Physiologie usw.) steht, der in der Folge zur Erforschungkrankheitsrelevanter Fragestellungen beiträgt;

    • die krankheitsorientierte Forschung, die an Modellsystemen, zum Beispielim Tierversuch oder in in vitro-Systemen, mit den Methoden der modernenBiologie einen Einblick in die Pathophysiologie und die genetischen Ursa-chen von Krankheiten zu gewinnen versucht und Ansätze für mögliche the-rapeutische Maßnahmen erprobt. Krankheitsorientierte Forschung hat zumZiel, die Pathogenese und die Behandlung von Krankheiten zu verstehen,benötigt dazu aber nicht den direkten Kontakt mit dem Patienten;

    • die patientenorientierte Forschung, die direkt am und mit dem Patientenoder Probanden durchgeführt wird. Hierunter fallen vor allem klinische Stu-dien aller Phasen, und auch epidemiologische und Fall-Kontroll-Studien so-wie weite Bereiche der Versorgungsforschung. Patientenorientierte For-schung erfordert den direkten Kontakt zwischen den Wissenschaftlern undden Patienten/Probanden.

    Der Begriff „klinische Forschung“ wird in dieser Denkschrift als integrie-rende Bezeichnung für die methodisch unterschiedlichen, jedoch in der Ziel-

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  • setzung konvergenten Ansätze der grundlagenorientierten, der krankheits-orientierten und der patientenorientierten Forschung verwendet.

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    2 Klinische Forschung – Definition und Verständnis

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  • 3 Förderung der klinischen Forschung

    Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte insgesamt lagen im Jahre 1996 fürAusbildung und Forschung in der Medizin bei 8,76 Milliarden DM, davon fürAusbildung von medizinischem Personal und Forschung an den Hochschulenbei 8,03 Milliarden DM und für die Ausbildung und Forschung außerhalb derHochschule bei 731 Millionen DM2).

    3.1 Förderung durch die Länder/Grundausstattung

    Die Finanzierung der Hochschulen ist primär Aufgabe der Länder. Die Uni-versitäten stellen die Grundausstattung für Forschung zur Verfügung. Für die36 Universitätsklinika der Bundesrepublik Deutschland belief sich der Zu-führungsbetrag der Länder für Forschung und Lehre im Jahre 1996 auf ca. fünfMilliarden DM, ohne die Mittel für Baumaßnahmen. Dieser Betrag ist ausge-wiesen für die Aufwendungen für Forschung und Lehre in den MedizinischenFakultäten, wurde aber auch als Ausgleich des durch die Krankenversorgungentstandenen Defizits eingesetzt. Es ist strittig, ob die Zuführungsbeträge dieKrankenversorgung oder die Einnahmen aus der Krankenversorgung die For-schung und Lehre subventionieren.

    Viele Universitätsklinika haben in den letzten Jahren begonnen, für ei-nen zunächst kleinen Teil der Zuführungsbeträge der Länder (ca. 3 bis 10 Pro-zent) leistungsabhängige Vergabekriterien und Infrastrukturen zu schaffenund das Prinzip der gleichmäßigen Verteilung des gesamten Zuführungsbe-trags auf alle beteiligten Kliniken und Institute nach Defiziten oder nach fest-gelegten Verteilungsschlüsseln aufzugeben. In einem Erlaß des zuständigenMinisteriums des Landes Baden-Württemberg aus dem Jahre 1998 wird dar-auf hingewiesen, daß schrittweise eine leistungsabhängige Vergabe der Mit-tel aus dem Zuführungsbetrag in Höhe von bis zu 30 Prozent angestrebt wird.Einige Förderprogramme des Bundes (zum Beispiel die Einrichtung der Inter-

    5

    2) Gesundheitswesen, Reihe S. 2, Ausgaben für Gesundheit 1970-1996, Januar 1999, Fachserie 12,Statistisches Bundesamt, Wiesbaden.

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  • disziplinären Zentren für Klinischen Forschung) und der Deutschen For-schungsgemeinschaft (Programm „Klinische Forschergruppen“) fördern dieEntwicklung einer leistungsorientierten Umsteuerung der Zuführungsbeträge,indem zur Bedingung gemacht wird, daß sukzessive oder nach Auslaufen derDrittmittelförderung die Unterstützung eines Teils der Forschungsarbeiten ausden Mitteln der Grundausstattung weitergeführt wird.

    3.2 Fördermaßnahmen des Bundes

    Der Bund fördert die klinische Forschung in vielfältiger Weise, insbesonderedurch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bun-desministerium für Gesundheit (BMG). Im Rahmen des Regierungsprogramms„Gesundheitsforschung 2000“3) wird eine Vielzahl von Projekten gefördert, dieder klinischen und der Public Health-Forschung zuzuordnen sind. Die Ausga-ben für dieses Programm beliefen sich im Jahre 1996 auf ca. 820 Millionen DM.

    Neben der Projektförderung in der klinischen Forschung leistet der Bundim Rahmen dieses Programms einen erheblichen Beitrag zur institutionellenaußeruniversitären Forschungsförderung. Hier sind – bei unterschiedlicherLandesbeteiligung – die Großforschungseinrichtungen in der Hermann vonHelmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF), die Instituteder Max-Planck-Gesellschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft und der Wissen-schaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (ehemals „Blaue Liste“) sowiedie Bundesforschungsanstalten zu nennen.

    Der Verbund „Klinisch-biomedizinische Forschung“, der 1992 durch ei-nige Forschungszentren (DKFZ, GBF, GSF, KFA und MDC)4) eingerichtet wur-de und der auch für andere Forschungseinrichtungen offen ist, hat das Ziel, dieGesundheitsforschung in diesen Einrichtungen unter klinisch-biomedizini-schen Gesichtspunkten zu bündeln. Im Vordergrund stehen die Koordinierungder laufenden Forschungsvorhaben der Mitgliedseinrichtungen, gemeinsameBegutachtungen und Berufungen sowie insbesondere die Verbesserung derKooperation außeruniversitärer Einrichtungen mit Hochschulkliniken5). DieProjekte dieses Verbundes werden im Rahmen des Programms zu einem Teilaus Projektmitteln, zum überwiegenden Teil aber aus den Etatmitteln der be-teiligten Einrichtungen finanziert.

    Ein wichtiger Bestandteil des Programms der Bundesregierung ist der Bei-trag zur Strukturförderung in der klinischen Forschung. In den Interdiszi-

    3 Förderung der klinischen Forschung

    6

    3) Gesundheitsforschung 2000, Programm der Bundesregierung, Herausgeber: Bundes-ministerium für Forschung und Technologie, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Bonn, Mai 1993.

    4) Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ), Gesellschaft für Biotechnologische ForschungBraunschweig (GBF), Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit Neuherberg (GSF), Forschungs-zentrum Jülich (KFA), Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin Berlin-Buch (MDC).

    5) Siehe dazu auch: Empfehlungen zur Zusammenarbeit von Großforschungseinrichtungen undHochschulen, 1991, Wissenschaftsrat, Köln.

    009116 VCH Klin. Forschung 11.02.2000 11:37 Uhr Seite 6

  • plinären Zentren für Klinische Forschung, die in den letzten Jahren an achtUniversitätsklinika eingerichtet wurden, sollen Strategien für die optimale Zu-sammenarbeit von Wissenschaft, Krankenversorgung und Lehre erarbeitetwerden. Dabei sollen die Aufwendungen für klinische Forschung transparentgemacht und von den Kosten der Krankenversorgung abgegrenzt werden. Vor-aussetzung für die Einrichtung dieser Interdisziplinären Zentren ist ein von ex-ternen Gutachtern positiv bewertetes Forschungsprogramm und die Bereit-schaft der Hochschule, durch leistungsorientierte Umverteilung erheblicheMittel der Grundausstattung im Sinne der Schwerpunktsetzung für das jewei-lige Zentrum einzusetzen.

    Neben den Interdisziplinären Zentren dienen auch Klinische Forscher-gruppen (in Anlehnung an das DFG-Programm) in einigen thematischenSchwerpunkten sowie lokale oder regionale Forschungsverbünde der Struk-turverbesserung klinischer Forschung. 1998 wurden Kompetenznetzwerke fürdie Medizin („MedNet“) sowie Koordinierungszentren für Klinische Studienan den Hochschulen6) eingerichtet.

    3.3 Fördermaßnahmen der DeutschenForschungsgemeinschaft

    Die Deutsche Forschungsgemeinschaft dient satzungsgemäß der Wissenschaftin allen ihren Zweigen. Im Jahre 1998 standen der DFG insgesamt 2,025 Mil-liarden DM für die Förderung aller Wissenschaftsbereiche zur Verfügung, da-von entfielen auf die Biowissenschaften 725,7 Millionen DM, von denen 369,8Millionen DM für den Bereich der Medizin bewilligt werden konnten.

    Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stehen durch unter-schiedliche Förderverfahren der DFG die Möglichkeiten offen, zum BeispielEinzelprojekte (Normalverfahren), kooperative Projekte (Forschergruppen;Schwerpunktprogramme) und schwerpunktbildende interdisziplinäre Projek-te an den Hochschulen (Sonderforschungsbereiche) durchzuführen. Die Sti-pendienprogramme erlauben es insbesondere dem wissenschaftlichen Nach-wuchs, im In- oder Ausland Projekte durchzuführen oder in laufenden Projek-ten mitzuarbeiten, um neue wissenschaftliche Gebiete zu erschließen und diemethodischen Kenntnisse zu erweitern. Diese Förderverfahren wurden bislangüberwiegend für Projekte aus dem grundlagen- und krankheitsorientierten Be-reich der klinischen Forschung in Anspruch genommen.

    Die DFG gibt im Gegensatz zum BMBF keine Forschungsthemen vor. DieWissenschaftler können zu jedem Thema – und für das Normalverfahren auchzu jeder Zeit – einen Antrag auf Förderung vorlegen, der durch fachlich kom-

    3.2 Fördermaßnahmen des Bundes

    7

    6) Ausschreibung des BMBF, Bekanntmachung der Förderrichtlinien zur Errichtung vonKompetenznetzwerken für die Medizin, Bundesanzeiger vom 18. September 1997 undAusschreibung des BMBF, Förderrichtlinien zur Einrichtung von „Koordinierungszentren fürKlinische Studien“ an Hochschulen, Bundesanzeiger vom 31. Mai 1997.

    009116 VCH Klin. Forschung 11.02.2000 11:37 Uhr Seite 7

  • petente Gutachter bewertet wird. Insbesondere zur Förderung der klinischenForschung ausgelegt ist das Programm der DFG „Klinische Forschergrup-pen“7). Dieses Programm wurde 1987 vom Wissenschaftsrat empfohlen undwird seither mit finanzieller Unterstützung des BMBF von der DFG gefördert.Die Ziele und die Intention des Programms zur Verbesserung der Struktur derklinischen Forschung sind in einem Bericht8), den die DFG 1997 vorgelegt hat,und – in kurzer Form – in einer Publikation9) beschrieben.

    3.4 Förderung durch weitere Institutionen

    Weiterhin wird die klinische Forschung, insbesondere auch die patientenori-entierte Forschung, durch andere Organisationen, Stiftungen und die Industriegefördert, deren Fördermaßnahmen im Anhang I detailliert beschrieben sind.Die hier insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel sind erheblich. Sie bewe-gen sich in einer Größenordnung von ca. 2,5 Milliarden DM pro Jahr.

    8

    7) Empfehlungen zur Förderung klinischer Forschergruppen in den Hochschulen, 1987,Wissenschaftsrat, Köln.

    8) Bericht „Klinische Forschergruppen“, 1997, DFG, Bonn.

    9) B. Konze-Thomas, Clinical Research in Germany. 1997, Alexander von Humboldt-Stiftung,Mitteilungen, 68.

    3 Förderung der klinischen Forschung

    009116 VCH Klin. Forschung 11.02.2000 11:37 Uhr Seite 8

  • 4 Defizite der klinischen Forschungund deren Ursachen

    Klagen über die mangelnde Leistungsfähigkeit klinischer Forschung sindweltweit verbreitet10) 11). Die Erwartungen der Menschen an diese Forschungsind hoch, das heißt nicht nur die Erwartungen an die Qualität der For-schungsergebnisse, sondern auch an ihre schnelle Umsetzung in medizinisch-diagnostische und -therapeutische Anwendung. In den letzten Jahrzehnten ha-ben deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in vielen Bereichenklinischer Forschung zwar den internationalen Standard erreicht, doch wärees vermessen anzunehmen, daß an jeder universitären und außeruniversitärenEinrichtung ständig wissenschaftliche Spitzenleistungen produziert werden.Es bleibt Raum für Verbesserungen: Im internationalen Vergleich sind die Er-gebnisse der klinischen Forschung in Deutschland in einigen Bereichen zwarerstklassig, aber insbesondere bei der patientenorientierten Forschung den-noch nicht zufriedenstellend12) 13) 14), auch im Hinblick auf das Finanzvolumen,das während der letzten 20 Jahre in die klinische Forschung investiert wurde.

    Welche Ursachen lassen sich für die Diskrepanz zwischen Bedarf und Lei-stung in der klinischen Forschung in Deutschland anführen?

    9

    10) Edward H. Ahrens, The Crisis in Clinical Research. 1992, Oxford University Press.

    11) Goldstein, J. L. & Brown, M. S., The Clinical Investigator: Bewitched, bothered, and bewildered –but still beloved. 1997, J. Clin. Invest. 99, 2803-2812.

    12) Adams,J., Benchmarking international research. 1998, Nature 396, 615-618.

    13) Rothmund,M., Die Stellung der klinischen Forschung in Deutschland im internationalenVergleich. 1997, Dtsch. Med. Wschr. 122, 1358-1362.

    14) Van Gijn,J., Randomized trials. 1996, Lancet 347, 1234-1235.

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  • 4.1 Mangelnde Institutionalisierungder klinischen Forschung

    Nur an wenigen Kliniken und klinischen Instituten der Medizinischen Fakultä-ten ist die Forschung institutionalisiert. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, daßan einigen Universitätsklinika Forschungsflächen nicht in ausreichendem Um-fang zur Verfügung stehen oder gar bei der Bauplanung vergessen wurden. Inden meisten Universitätskliniken gibt es keine definierten Einheiten, die, vonkompetenten klinischen Forschern (Medizinern oder Naturwissenschaftlern) ge-leitet, sich ausschließlich der klinischen Forschung auf fachspezifischem Gebietwidmen können und als Ausbildungs- und Anlaufstelle für die wissenschaftlichtätigen Ärztinnen und Ärzte in der Klinik wirksam werden. Attraktive – zeitlichbegrenzte oder permanente – Hochschullehrerpositionen für Forscher in der Kli-nik, verbunden mit der Einrichtung von selbständigen Forschungseinheiten, wiesie das erfolgreiche Programm Klinische Forschergruppen durch die DFG 1988initiiert hat, sind nur vereinzelt vorhanden.

    4.1.1 Institutionalisierung der Ausbildung zur Forschung

    Zur Institutionalisierung der Forschung an den Medizinischen Fakultätengehört auch die Institutionalisierung der Ausbildung zur Forschung. Das Me-dizinstudium wurde bei der letzten Reform inhaltlich ganz wesentlich von Stan-desorganisationen definiert und orientiert sich an dem für die Ausbildung zumArzt Notwendigen. Eine fachspezifische und strukturierte Ausbildung und För-derung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist nur an wenigen Medizini-schen Fakultäten etabliert. Curricula für die Ausbildung klinischer Nach-wuchsforscher an Universitätskliniken in Koordination mit der Weiterbildungzum Facharzt fehlen. Dies hat bei den Nachwuchsforschern an deutschen Uni-versitätskliniken zu einer verwirrenden Heterogenität der Ausbildungszeiten,-erfahrungen, -fähigkeiten und -erfolge geführt.

    Die fehlende Institutionalisierung der Ausbildung zur klinischen Forschungist an der vielerorts noch nicht etablierten Freistellung klinischer Wissenschaft-ler von der Krankenversorgung zugunsten der Forschung zu erkennen. ZwischenÄrzten, die überwiegend in der Forschung und solchen, die überwiegend in derKrankenversorgung tätig sind, wird nicht unterschieden. Solche Organisations-formen sind eine der Voraussetzungen für qualifizierte klinische Forschung. Siesind weder im Personalschlüssel transparent ausgewiesen, noch im Bewußtseinder ärztlichen Direktoren bzw. der Klinikverwaltung verankert. Forschung wirdmehrheitlich immer noch als Freizeittätigkeit verstanden, zumal in vielen Ar-beitsverträgen zwar die Lehre, nicht aber die Forschung erwähnt ist.

    Zu den wichtigsten Aufgaben von Hochschullehrerinnen und -lehrerngehört die Förderung von Studierenden der Medizin und Naturwissenschaf-ten, die sich für klinische Forschung interessieren und dafür begabt sind. Vie-

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  • les ist hier dem Zufall beziehungsweise der Eigeninitiative überlassen. Dage-gen erfordern diese Aufgaben spezifische Förderkonzepte, Betreuungspro-gramme, Leitfiguren/Vorbilder und Mentoren, die neben ihrer beruflichenQualifikation ein ausreichendes Maß an Zeit hierfür mitbringen. Die wenig-sten akademischen Lehrer haben angesichts ihrer umfangreichen Aufgabenin der Krankenversorgung, der Verwaltung/Selbstverwaltung und der Lehreausreichend Zeit für die Anleitung des wissenschaftlichen Nachwuchses in derklinischen Forschung. Ausbildungsprogramme, Förderstrukturen und For-schungsseminare als Orientierungshilfen für den interessierten studentischenNachwuchs fehlen an unseren Universitätskliniken in aller Regel.

    4.1.2 Leistungsorientierte Verteilung der Ressourcen

    Eine leistungsorientierte Verteilung der Ressourcen aus den Zuführungs-beträgen der Länder für die klinische Forschung innerhalb der Medizini-schen Fakultäten ist bisher nicht oder nur ansatzweise realisiert worden.Sie fällt in der Regel dem Gleichbehandlungsanspruch der Hochschulleh-rer oder dem undifferenzierten Bezug auf die Bettenzahl zum Opfer. Dar-über hinaus führt die mangelnde Ergebniskontrolle zu einem inadäquatenEinsatz der Ressourcen mit Nachteilen für die klinische Forschung.Anspruchsvolle und nicht nur konsensfähige Kriterien für die Qualitätsbe-urteilung der klinischen Forschung sind noch nicht erarbeitet, allerdingsderzeit Gegenstand intensiver Bemühungen in vielen MedizinischenFakultäten.

    4.1.3 Forschungsprofile und Forschungsschwerpunkte

    Forschungsprofile und gezielt gesetzte Forschungsschwerpunkte in den Kli-niken, den Medizinischen Fakultäten und fakultätsübergreifend zeichnensich nur an wenigen Universitätskliniken ab. Sie werden zur Zeit bei der Be-rufungspolitik und einer entsprechenden Forschungsplanung der Medizini-schen Fakultäten und der Universitäten insgesamt noch nicht hinreichendberücksichtigt. Ohne die Bildung fächerübergreifender Schwerpunkte aberkönnen weder die eigenen Ressourcen adäquat genutzt werden, noch kön-nen die Angebote der Forschungsförderer erfolgreich und zielführend einge-setzt werden. Der Mangel an leistungsstarken Vorbildern und an lebendigerTradition und Kultur für hochrangige klinische Forschung schafft vielerortsein wenig attraktives Klima für die Entwicklung des talentierten klinischenNachwuchses.

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  • 4.1.4 Personal- und Organisationsstruktur

    Die Personal- und Organisationsstruktur der Universitätskliniken in Deutsch-land hat in ihren Grundzügen bisher nahezu allen Reformversuchen wider-standen, obgleich die Anforderungen an den Arzt und Forscher qualitativund quantitativ stark angewachsen sind. Der rasch zunehmende Umfangund die Komplexität neuer Forschungsinformationen aus den Natur- undBiowissenschaften haben ihre Übertragung in die klinische Forschung auf-wendiger, anspruchsvoller und schwieriger gestaltet. Die grundlegende wis-senschaftliche Ausbildung von Klinikern und die permanente, den Entwick-lungen angepaßte Weiterbildung in der Forschung sind daher wichtige Vor-aussetzungen für die Tätigkeit an der Hochschule. Die intensive Vernetzungvon problemorientierter Kompetenz und ein permanenter Dialog zwischenklinischen Forschern und Grundlagenwissenschaftlern sind unentbehrlichgeworden.

    Allein die Aufgaben der Krankenversorgung durch den Status der Uni-versitätskliniken als Krankenhaus der „Maximalversorgung“, ergeben eineübermäßige Beanspruchung von Personal und Ausstattung. Die für die For-schung vorgesehene Personalkapazität ist in der Regel nicht gesondert aus-gewiesen und so nicht vor mißbräuchlichem Einsatz im klinischen Betriebgeschützt. Innerhalb der Kliniken und der Abteilungen gibt es bisher nurwenige klinische Forschungsprofessuren und nur in Ausnahmefällen (wiezum Beispiel im DFG-Programm „Klinische Forschergruppen“) Aufstiegs-möglichkeiten für Grundlagenforscher. Eine entscheidende Voraussetzungfür den beruflichen Erfolg innerhalb und außerhalb der Universitäten ist einemöglichst umfassende klinische Erfahrung. Spezialisierung in der Kranken-versorgung oder in der klinischen Forschung hat sich häufig als ein Karriere-risiko erwiesen.

    4.1.5 „Pro forma“-Forschung

    Medizinische Dissertationen und Habilitationen erreichen häufig nicht das inanderen Fächern übliche wissenschaftliche Niveau. Die Verschwendung derRessourcen Geld, Zeit und Personal für nicht-qualitätskontrollierte „pro for-ma“-Forschung in den Medizinischen Fakultäten ohne wissenschaftlichen Er-kenntnisgewinn und ohne weiterführende akademische Zielsetzung wider-spricht dem Geist des geltenden Hochschulrechts. Danach ist die Promotionder „Nachweis zum eigenständigen wissenschaftlichen Arbeiten“ und die Ha-bilitation die „Anerkennung einer besonderen Befähigung für Forschung undLehre in einem bestimmten Fach oder Fachgebiet“ und eben kein Vehikel fürdas primäre Ziel der außeruniversitären Laufbahn (zum Beispiel einer Chef-arztstelle).

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  • 4.1.6 Primat der Wirtschaftlichkeit

    Das Primat der Wirtschaftlichkeit schränkt vielerorts die Gestaltungsmöglich-keiten der Medizinischen Fakultäten in der Forschung erheblich ein. Unter derVorgabe der Wirtschaftlichkeit hat die Verwaltung vielfach eine entscheiden-de Mitsprache in Angelegenheiten der Forschung und Lehre. Die zunehmen-de Forderung nach Wirtschaftlichkeit und Erlösoptimierung führt dazu, daßnach der Besetzung von Leitungspositionen das Gewicht der Krankenversor-gung gegenüber dem der Forschung überwiegt. Damit zusammenhängendwerden auch die persönlichen Einnahmen durch Leistung in der Krankenver-sorgung und nicht durch Leistung in der Forschung bestimmt. Leistung in derForschung wird in der Regel dann nicht mehr belohnt. So trifft die Feststellungdes Wissenschaftsrates vielerorts immer noch zu, „daß die Privatpraxis Ener-gien beansprucht, die der wissenschaftlichen Arbeit verloren gehen“15).

    4.2 Defizite der patientenorientierten Forschungam Beispiel der Planung und Durchführungklinischer Studien

    Gravierend sind die Defizite bei der patientenorientierten klinischen For-schung und bei klinischen Studien16), obgleich in Deutschland ähnliche Res-sourcen für hochwertige klinische Forschungsstudien zur Verfügung stehenwie im europäischen Ausland. Die Durchführung klinischer Studien verlangtein hohes Maß an Professionalität, das derzeit an den Kliniken nur ausnahms-weise vorhanden ist. Den meisten Universitätskliniken und anderen Kranken-häusern der Maximalversorgung fehlen entsprechende Strukturen oder Pro-gramme, welche die Durchführung von Studien nach „guter klinischer Praxis“(Good Clinical Practice (GCP)) ermöglichen.

    Die Defizite sind daran erkennbar, daß Deutschland in der Länderrang-folge der Anzahl der Publikationen, die über klinische Studien berichten – be-zogen auf die Bevölkerungszahl –, einen der letzten Plätze einnimmt17). Im ein-zelnen sind folgende Defizite herauszustellen:

    • Es fehlen Ausbildungsprogramme für Studienleiter, Prüfärzte sowie für Pfle-gepersonal (Study Nurses).

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    15) Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Struktur und zum Ausbau medizinischer Forschungs- undAusbildungsstätten, 1968, S.75ff. und Empfehlungen zu Aufgaben, Organisation und Ausbau dermedizinischen Forschungs- und Ausbildungsstätten, 1976, S. 147ff.

    16) Vgl. dazu: Köbberling. J., Medizinische Klinik 1999, 94:IV (Nr. 1) Die methodische Qualität vonStudien und Publikationen (Editorial) sowie Mihan, L. und Windeler, J., Medizinische Klinik,1999,94: 1-8 (Nr. 1): Die methodische Qualität kontrollierter Studien in der „Medizinischen Klinik“.

    17) Van Gijn,J., Randomized trials. 1996, Lancet 347, 1234-1235.

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  • • In den klinischen Institutionen gibt es in der Regel keine Einheiten, die sichhauptamtlich mit klinischen Studien befassen.

    • Die Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung im deutschenGesundheitssystem stellt ein gravierendes Hindernis dar, da sie den Zugriffauf ambulante Patienten in den Hochschulkliniken erschwert. Viele PhaseIII- und die Mehrzahl der Phase IV-Studien finden aber an ambulanten Pa-tienten statt.

    • Es fehlen gemeinsame Bemühungen von Forschungsförderern und Indu-strie, Politik, Standes- und Fachvertretern sowie Krankenkassen und Zu-lassungsbehörden um die Planung, Finanzierung und Durchführung klini-scher Studien.

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    4 Defizite der klinischen Forschung und deren Ursachen

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  • 5 Vorschläge zur Verbesserung der Voraus-setzungen für die klinische Forschung

    Die klinische Forschung kann verbessert werden, wenn die dafür notwendi-gen Voraussetzungen geschaffen werden. Dies bedeutet, daß die klinische For-schung institutionalisiert werden muß, so daß

    • sie auch innerhalb der Kliniken zu einer hauptamtlichen Tätigkeit wird,• Professorenstellen zunächst zeitlich befristet und erst nach Evaluation in

    eine Dauerstelle überführt werden,• die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses für klinische For-

    schung verbessert wird,• die Budgets für klinische Forschung überschaubar ausgewiesen und nach

    leistungsbezogenen Kriterien verteilt werden,• das Flächenangebot für Forschungslaboratorien und deren zeitgemäße Aus-

    stattung verbessert wird.

    5.1 Institutionalisierung der klinischen Forschung

    Das Bewußtsein, daß die Forschung neben der Lehre und der Krankenver-sorgung (als Mittel zu diesem Zweck)18) an den Universitätskliniken bezie-hungsweise den Medizinischen Fakultäten eine zumindest gleichberechtigteRolle zu spielen hat, muß bei allen Beteiligten (in Politik und Öffentlichkeit,bei den Ärzteverbänden und Kassen, in der Wissenschaft, Klinik und Ver-waltung) geschärft werden. Forschung muß in diesem Sinne institutionalisiertwerden.

    In Deutschland sind die Universitätskliniken in die Versorgung der Be-völkerung eingebunden. Sie sind vielfach die einzigen Kliniken der Maximal-versorgung in einem größeren Umkreis oder sogar in einem ganzen Bundes-land. Hohe klinische Qualifikation ist daher unerläßlich. Sie kann heute nurdurch arbeitsteilige Spezialisierung der Krankenversorgung einerseits und der

    15

    18) Vgl. verschiedene Stellungnahmen des Wissenschaftsrats, erstmals: Empfehlungen zur Strukturund zum Aufbau der medizinischen Forschungs- und Ausbildungsstätten, 1968, S. 70, 71.

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  • Forschung andererseits erreicht werden. Dabei sollte das Ideal der Einheit vonForschung und Lehre als jeweilige Gesamtleistung der universitären Instituti-on bewahrt werden.

    Für die Institutionalisierung der Forschung ist eine Forschungskommissionder Medizinischen Fakultät hilfreich. Sie hat die Aufgabe, über thematischeSchwerpunkte zu entscheiden, einen Rahmenplan zu erarbeiten, Nachwuchs-gruppen, Forschergruppen und Forschungsverbände zu initiieren, Anschubfi-nanzierungen zu späteren Drittmittelprojekten zu vergeben und die struktu-rierte Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu fördern.

    Um den heutigen Anforderungen, die an Universitätskliniken gestelltwerden, zu entsprechen, sollten Departments, die sich aus mehreren speziali-sierten und selbständigen Einheiten zusammensetzen, gebildet werden, in de-nen unter der Leitung eines integrierenden Vorsitzenden (analog einem Chair-man) die Aufgaben der Krankenversorgung, der Lehre, der Forschung und derVerwaltung wahrgenommen werden. Der/die Vorsitzende(r) bereitet mit demKollegium des Departments die Strukturentscheidungen zur akademischenund klinischen Entwicklung vor und vertritt diese gegenüber Fakultät und Kli-nik. Um die Entwicklungsfähigkeit des Departments und die Gestaltungs-möglichkeiten des/der Vorsitzenden zu sichern, sollte dieser Verteilungsvoll-macht über den Großteil der Ressourcen besitzen. Dies schließt die leistungs-bezogene Umbesetzung der Leitung der Einheiten und die Änderung von Auf-gabenprofilen der Mitarbeiter ein.

    Die Binnenstruktur des Departments sollte fachspezifisch neben den kli-nischen und wissenschaftlichen Ausbildungsstellen und Stellen für erfahreneKliniker auch Positionen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (ca. 25Prozent) aufweisen, die individuell leistungsbezogen und auf Zeit – aber ver-längerbar – besetzt werden. Um die Zahl der „hauptamtlichen“ klinischen For-scher zu vergrößern, ist die Finanzierung ihrer Gehälter und der Ausstattungfür ihre Forschungsprojekte zum Teil durch eingeworbene Drittmittel anzu-streben. Das Hausberufungsverbot kann entfallen, wenn die Leistungen nachUmfang und Qualität in objektiven Meßverfahren und nach externer Begut-achtung dieses rechtfertigen. Es ist in diesem Zusammenhang daran zu erin-nern, daß die Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten mit Teilgebietsaner-kennung nicht die Primäraufgabe einer Universitätsklinik ist.

    Als Alternative für das Departmentmodell einer Universitätsklinik ist aucheine Leitungsstruktur im Sinne einer Tandem-Führung denkbar: Ein Klinikermit Forschungserfahrung und -verständnis und ein Wissenschaftler mit Ver-ständnis für die Belange der Klinik übernehmen die kollegiale Leitung einerInstitution, die sich durch wechselseitige Rotation von Mitarbeitern zur besse-ren Verknüpfung von Forschung und Krankenversorgung und schnelleremTransfer der Ergebnisse in die angewandte Medizin verpflichtet. Dieses Mo-dell könnte sich insbesondere für die operativen Fächer eignen. Zum Erfolgdieser Leitungsstruktur ist der Synergismus des Tandems von „Kliniker“ und„Forscher“ essentiell. Er bedarf der internen und externen Evaluation. Auchdieses Modell bedingt eine Umorientierung der bisherigen Strukturen an deut-schen Hochschulkliniken. Annäherungen an dieses Modell gibt es zum Bei-

    5 Vorschläge zur Verbesserung der Voraussetzungen für die klinische Forschung

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  • spiel in den Klinischen Forschergruppen und den Stiftungsprofessuren derSchilling-Stiftung.

    Die Schaffung von kleinen selbständigen, hochspezialisierten Einheiteninnerhalb eines Departments ist ein weiteres Element des anzustrebendenStrukturwandels. Diese Einheiten haben die Aufgabe, sowohl wissenschaft-lich als auch klinisch ein Krankheitsbild oder eine Gruppe von Krankheits-bildern langfristig zu bearbeiten, ohne den Zwang zur klinischen Breite. DieFinanzierung derartiger Spezialeinheiten sollte anteilig durch Krankenver-sorgung und durch eingeworbene Forschungsmittel erfolgen. Abhängig vonihrer Leistung könnten sie längerfristig zu Dauerpositionen führen. SolcheEinheiten sind auch der geeignete Platz, um einen Teil der Spezialambulan-zen anzusiedeln, die für die klinische Forschung, aber oft auch für die Ver-sorgung von Patienten, von größter Bedeutung sind. Die ambulant erbrach-ten Versorgungsleistungen sind von den Krankenkassen angemessen zu ho-norieren.

    Dies sind einige Modellvorschläge, für die gemeinsam gilt, daß sie dengestiegenen Anforderungen und Chancen in Forschung, Lehre und Kranken-versorgung gerecht werden können. Es ist wichtig, verschiedene Modelle zuerproben und die Hochschulen und ihre Klinika keinesfalls erneut in zwar an-dere, aber wiederum starre Einheitsstrukturen zu pressen.

    Um erfolgreiche klinische Forschung zu ermöglichen, darf der klinischeVerantwortungsbereich nicht zu groß sein, so daß auch die Leiterin oder derLeiter einer Arbeitsgruppe in der Lage ist, einen erheblichen Teil ihrer/seinerArbeitszeit der Forschung und Forschungsausbildung zu widmen. Dies be-deutet aber auch, sich von dem Gedanken zu trennen, daß ein hervorragen-der klinischer Forscher gleichzeitig ein voll engagierter und in der gesamtenBreite seines Faches kompetenter Kliniker sein muß. Diese Doppelqualifikati-on ist nur wenigen Persönlichkeiten gegeben und entspricht in der Regel auchnicht den Interessen der einzelnen. Klinische Breite verlangt anhaltendes undnahezu ausschließliches Engagement für klinische Aufgaben. Auch die aus-schließlich in der Patientenversorgung tätigen Mediziner müssen wegen ihrerdie Patientenversorgung integrierenden, die Forschenden entlastenden unddie Qualität von klinischer Lehre befruchtenden Bedeutung eine korporati-onsrechtlich befriedigende Position innerhalb der Universitätskliniken findenkönnen.

    Es gibt Bereiche der klinischen Forschung, die von den verantwortlichenWissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern große klinische Erfahrung verlan-gen. Hier sind in erster Linie die patientenorientierte klinische Forschung (zumBeispiel in den operativen Fächern), epidemiologische Studien, Versorgungs-forschung und Untersuchungen zur Qualitätssicherung (zum Beispiel zur Evi-dence Based Medicine) zu nennen. Andere Untersuchungen, bei denen eineunmittelbare Patientenbetreuung nicht nötig ist, erfordern zwar Verständnisfür die klinische Fragestellung, nicht aber eigene, jahrelange Erfahrung amKrankenbett.

    Aus den genannten Gründen ist es notwendig, daß Medizinern, aber auchNaturwissenschaftlern, in den Kliniken eine ausschließlich wissenschaftliche

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  • Hochschulkarriere ermöglicht wird. Ansätze dazu gibt es bereits (Habilitatio-nen für Molekulare Medizin, Experimentelle Chirurgie u. ä.). Um diese Ent-wicklung voranzutreiben, müssen entsprechende Positionen geschaffen wer-den, so daß für diejenigen Medizinerinnen und Mediziner, die sich primär derWissenschaft zugewandt haben, auch innerhalb einer Klinik oder eines ent-sprechenden Verbundes (Sektion, Abteilung oder Institut an der Klinik) in Ko-operation mit den forschungsinteressierten Klinikern Karrieremöglichkeitenentstehen und nicht nur in theoretischen Instituten innerhalb und außerhalbder Medizinischen Fakultät.

    Eine neue Struktur muß der wachsenden Komplexität von klinischen undwissenschaftlichen Aufgaben Rechnung tragen. Eine Änderung der Struktursollte die Eigenverantwortlichkeit einer größeren Gruppe von Funktionsträ-gern in kleineren Verantwortungsbereichen stärken, ohne den Gesamtorga-nismus einer Klinik oder eines Klinikums zu desintegrieren. Um die leistungs-bezogene Besetzung und Ausstattung von Hochschullehrerpositionen zu er-reichen, sollten diese zunächst zeitlich limitiert sein und erst nach Evaluationin Dauerstellen überführt werden. Die Einkommen sollen durch die Leistun-gen in Forschung, Lehre und Krankenversorgung bestimmt werden. DieseStrukturveränderungen erfordern politische und gesetzliche Maßnahmen aufLandes- und Bundesebene. Ohne sie ist die notwendige Leistungsorientierungund die Institutionalisierung der klinischen Forschung nicht zu erreichen.

    5.2 Ausbildung für die klinische Forschung

    Für die Qualität und die Stabilität der klinischen Forschung und der Lehre isteine eingehende wissenschaftliche Ausbildung unerläßlich. Nur wissen-schaftlich fundiert ausgebildete Klinikerinnen und Kliniker sind in der Lage,selbst Forschungsprojekte zu entwickeln, Nachwuchswissenschaftlerinnenund -wissenschaftler anzuleiten und fruchtbare Kooperationen zu initiieren.

    Die kleine Zahl der Studierenden der Medizin, die nach demAbschlußexamen Interesse an einer weiteren wissenschaftlichen Laufbahnhat und versucht, sich entsprechend zu qualifizieren, muß besonders geför-dert werden. Dazu bedarf es eines in verläßliche Strukturen eingebettetenAusbildungsweges, der insbesondere ausreichenden zeitlichen Freiraum fürdie Mitarbeit in der Forschung und – in einem späteren Stadium – für dieDurchführung selbständiger Forschungsarbeiten ermöglicht. Der klinischeNachwuchswissenschaftler muß über eine straffe klinische Grundausbildungverfügen. Er wird auch später den Bezug zum Patienten nicht gänzlich mis-sen wollen und danach streben, in die Krankenversorgung angemessen ein-gebunden zu sein. Dieses sollte jedoch zeitlich festgelegt und planbar sein.Voraussetzung für adäquate Ausbildung zur und Freistellung für die For-schung ist eine klare Trennung der Finanzströme in einem Universitätsklini-kum in Mittel für Krankenversorgung beziehungsweise für Forschung undLehre. Dadurch wird es möglich, ärztliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

    5 Vorschläge zur Verbesserung der Voraussetzungen für die klinische Forschung

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  • die überwiegend wissenschaftlich tätig sind, von den rein klinisch arbeiten-den Kollegen zu unterscheiden. Die (wenigen) Positionen für Mitarbeiter inder klinischen Forschung müssen gezielt dem am besten qualifiziertenNachwuchs vorbehalten sein, also leistungsabhängig vergeben werden. DieNachwuchswissenschaftler sollten nach Einarbeitung in die laufenden For-schungsarbeiten an der Klinik baldmöglichst in die Lage versetzt werden,eigene Vorhaben durchzuführen und dafür Drittmittel zu beantragen. Dazumuß ihnen eine angemessene Grundausstattung zur Verfügung stehen.

    Um den besonderen Einsatz und den Erfolg der wissenschaftlichen Mit-arbeiter in der Forschung zu honorieren, sollte eine leistungsbezogene Zu-lage zur Regelvergütung gewährt werden. Diese Zulage sollte zeitlich be-grenzt vergeben werden und kann sich zum Beispiel an den eingeworbenenDrittmitteln für begutachtete Projekte und an Leistungen in der Nach-wuchsförderung orientieren. Hiermit würde eine auch persönlich attraktiveAlternative zu den vergütbaren ärztlichen Zusatzdiensten geschaffen. ZurVerwirklichung der genannten Vorschläge zur Ausbildung für die klinischeForschung sind folgende strukturelle Maßnahmen eine wesentliche Voraus-setzung:

    1. Die Ausbildung in der klinischen Forschung muß mit der fachspezifischenWeiterbildung durch Einrichtung eines zeitlich und inhaltlich straffen Cur-riculums koordiniert werden. Wie viele Jahre den wissenschaftlichen Assi-stenten in der klinischen Forschung für die Facharztausbildung anzurech-nen sind, ist in Abstimmung mit den Ärztekammern zu regeln.

    2. Für geeignete Assistenzärztinnen und -ärzte sind bestimmte Zeiten für dieAusbildung und Tätigkeit in der Forschung festzulegen, gestützt auf eineAusweisung im Budget der Universitätsklinika beziehungsweise in den Zu-führungsbeträgen der Länder für Lehre und Forschung.

    3. Die Bildung interdisziplinärer und fachbereichsübergreifender Schwer-punkte sowie Forschungszentren in den Universitätskliniken und Hoch-schulen muß verstärkt werden zur Verbesserung der Grundausstattung, zurAnschubfinanzierung für junge, förderungswürdige Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftler und als Voraussetzung zur Einwerbung von Drittmit-teln von der DFG (zum Beispiel Rotationsstellen, Stipendien), vom BMBF,den Stiftungen und der Industrie.

    Grundsätzlich sollten die Medizinischen Fakultäten zusammen mit den Na-turwissenschaftlichen Fakultäten ein MD/PhD-Programm anbieten, wie es aneinigen Universitäten nach amerikanischem Vorbild bereits realisiert ist.

    5.2 Ausbildung für die klinische Forschung

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  • 5.3 Abschied von der „pro forma“-Forschung

    Forschung ist eine Investition in die Zukunft. Die dafür zur Verfügung stehen-den Mittel sind limitiert. Um so mehr muß mit den verfügbaren Ressourcen ge-zielt und effizient umgegangen werden. Dazu gehört auch, daß eine Ver-schwendung von Ressourcen an Geld, Zeit und Personal durch pseudowis-senschaftliche Dissertationen und Habilitationen sowie Publikationen ohneweitreichende wissenschaftliche Relevanz und Wirkung (sogenannte Lauf-bahnforschung) vermieden wird.

    Die ärztliche Ausbildung wird durch eine medizinische Promotion traditio-nellen Zuschnitts nicht gefördert. Die für jeden Medizinstudierenden wichtige for-male Auseinandersetzung mit einer umschriebenen wissenschaftlichen Fra-gestellung könnte, bei angemessener Betreuung, innerhalb weniger Monate zueinem wertvollen Einblick in die klinische Forschung und zu einer wissenschaft-lichen Arbeit (analog einer Diplom- oder Staatsexamensarbeit) führen. Umfas-sende, wissenschaftlich anspruchsvolle Projekte von forschungsorientierten Me-dizinstudierenden erfordern kontinuierliche, ganztägige Forschungsarbeit fürlängere Zeit. Sie sollten analog der Dissertation von Biologen in Graduiertenkol-legs oder ähnlich strukturierten wissenschaftlichen Ausbildungsprogrammen be-treut werden und vergleichbaren wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.

    Die Kompetenz von Chefärzten ist nicht von ihrer Habilitation abhängig.Durch die Tatsache, daß viele kommunale Krankenhäuser heute Wert auf denProfessorentitel für ihre Chefärzte legen (im besonderen Maße akademischeLehrkrankenhäuser wegen ihrer Aufgaben in der medizinischen Ausbildungim Praktischen Jahr und für den Arzt im Praktikum und der damit verbunde-nen zusätzlichen finanziellen Unterstützung), hat sich die Habilitation auf brei-ter Ebene zu einer Grundvoraussetzung für klinische Karrieren außerhalb derakademischen Umgebung entwickelt. Deshalb erscheint es notwendig, dieärztliche Weiterbildung zur Erlangung herausragender klinischer Kompetenzvon der Weiterbildung der klinischen Forscher und späteren Hochschullehrerlaufbahnmäßig zu trennen. Der Übergang vom einen zum andern Weg solltedabei prinzipiell möglich sein. Die universitäre Laufbahn der klinischen For-scher mit dem Ziel, wissenschaftlicher Dozent oder Professor zu werden, soll-te erkennbar von derjenigen der „reinen“ Kliniker (zum Beispiel mit dem Ti-tel Klinikdozent oder Klinikprofessor) differenziert werden. Nur für die wis-senschaftliche Laufbahn sollte weiterhin eine Promotion verlangt werden, diedann allerdings wissenschaftlichen Qualitätsansprüchen genügen muß. DieVertreter beider Laufbahnen sollten in die Lehre eingebunden sein. Die Tren-nung der Laufbahnen ermöglicht den zweckmäßigeren Einsatz und Nutzenvon Talenten und Ressourcen, entlastet die Akteure und verbessert dadurchdie Attraktivität beider Laufbahntypen für universitäre und außeruniversitä-re Aufgaben und Tätigkeiten. Chefärztinnen und -ärzte außerhalb der Uni-versität werden in der Regel durch langjährige klinische Tätigkeit besser aufihre Aufgabe vorbereitet als durch jahrelangen Spagat zwischen Forschungund Klinik.

    5 Vorschläge zur Verbesserung der Voraussetzungen für die klinische Forschung

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  • Das Instrument der Habilitation, wie es in Deutschland gehandhabt wird,hat sich insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern und der Medi-zin überlebt und sollte abgeschafft werden.

    5.4 Ausweisung eigener Budgets für die klinischeForschung und ihre leistungsorientierte Verteilung

    Bereits seit Ende der achtziger Jahre sind an einigen Medizinischen Fakultä-ten Verfahren entwickelt worden, mit denen Forschung aus den Mitteln derGrundausstattung nach Leistungskriterien unterstützt wird. Beispiele sind dieEinrichtung von Forschungsfonds oder die Vergabe von Forschungsflächen.Seit Mitte der neunziger Jahre werden im Rahmen der vom BMBF etabliertenacht Interdisziplinären Zentren für Klinische Forschung zwischen 5 und 10 Pro-zent des Zuführungsbetrages der Länder nach externer wissenschaftlicher Be-gutachtung verteilt. Dies entspricht in der Summe ca. 100 Millionen DM proJahr. Außerhalb dieser acht Zentren haben sich mehrere Medizinische Fakul-täten zur Einrichtung von entsprechenden Forschungszentren entschlossenund verteilen ebenfalls namhafte Anteile ihres Zuführungsbetrages nach wis-senschaftlichen Leistungskriterien. Zielvorgabe ist, diese Mittel auf ca. 30 Pro-zent des jeweiligen Zuführungsbetrages ansteigen zu lassen. Die bisherigenErfahrungen sind insgesamt sehr positiv.

    In diesem Zusammenhang sei auf die Empfehlungen des Wissenschafts-rates19) im Rahmen seiner Stellungnahme zur Entwicklung des Programms derSonderforschungsbereiche der DFG verwiesen. Die DFG wird zukünftig imRahmen ihrer Programme (Sonderforschungsbereiche, Forschergruppen,Schwerpunktprogramme) verstärkt den Gesichtspunkt des strukturellen An-reizes und des Bonus für erbrachte Leistungen berücksichtigen.

    Um der Forschung in den Universitätskliniken den gleichen Stellenwertwie der Krankenversorgung zu geben, muß die Vergabe von Forschungsmit-teln aus den Zuführungsbeträgen der Länder in die Hände der MedizinischenFakultäten gelegt werden. In diesem Sinne kann die Verselbständigung derUniversitätsklinika in manchen Bundesländern mit der daraus folgenden Tren-nung der Haushalte für Forschung und Lehre einerseits und der den Pflege-satz bestimmenden Aufwendungen für Krankenversorgung andererseits alsChance begriffen werden. Die für die Vergabe der Mittel für Forschung undLehre verantwortlichen Hochschullehrer im Fakultätsvorstand und in diesemzuarbeitenden Forschungskommissionen sollten international angeseheneForscher sein. Die leistungsbezogene Verteilung der Mittel muß nach unpar-teiischer Evaluation kompetitiv erfolgen. Zutreffende Kriterien für die Lei-stungsbemessung sind vor allem die fachbezogene Qualität und nicht dieQuantität der Publikationen, die Einwerbung begutachteter Drittmittel, die

    5.4 Ausweisung eigener Budgets für die klinische Forschung

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    19) Wissenschaftsrat: Stellungnahme zur Entwicklung des Programms der Sonderforschungsbereiche,DRS. 3346/98 vom 23.1.98.

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  • Leistungen in der Ausbildung von klinischen Nachwuchsforschern sowie dieEntwicklung neuer Verfahren, Patente u.ä., wobei auch die Breitenwirkungjenseits der Fachgrenzen zu beachten ist.

    5.5 Maßnahmen zur Förderung der patientenorientiertenForschung am Beispiel klinischer Studien

    Patientenorientierte Forschung kann ohne die grundlagen- und krankheits-orientierte Forschung nicht gedeihen, daher werden alle bisherigen Verbesse-rungsvorschläge auch Auswirkungen auf die patientenorientierte Forschunghaben. Wie bereits unter Abschnitt 4.2 beschrieben, bedarf die patientenori-entierte Forschung dennoch einer gesonderten Betrachtung, da sie sich in man-chen Aspekten von grundlagen- und krankheitsorientierter Forschung unter-scheidet.

    Während die grundlagen- und krankheitsorientierte Forschung in der Re-gel nur an Universitäten und entsprechenden außeruniversitären Forschungs-einrichtungen möglich ist, ist die patientenorientierte Forschung im Sinne vonStudien und epidemiologischen Forschungen in jeder gut geführten Klinik miteinem wissenschaftlich orientierten Leiter möglich. Klinische Studien sind miteinem hohen Aufwand intellektueller, zeitlicher und materieller Art verbun-den und erfordern umfassende Planungen und große Disziplin der Teilnehmer.Daneben bedarf es der Zusammenführung aller Beteiligten (vgl. Abschnitt 4.2).

    Die Kriterien der Qualitätsbeurteilung von Studien unterscheiden sichprinzipiell von denen, die bei der Beurteilung von grundlagen- und krank-heitsorientierten Arbeiten anzuwenden sind. Publikationswürdige Ergebnissesind in der Regel erst nach Jahren zu erwarten, am Erfolg sind meist viele Wis-senschaftler verschiedener Institutionen – insbesondere bei Multicenterstudi-en – beteiligt. Die genannten Tatsachen stimmen viele klinisch interessierteWissenschaftler mit Blick auch auf eine Hochschulkarriere nachdenklich underzeugen oft mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit. Es ist daher von zentralerBedeutung, Medizinern, die sich mit klinischen Studien befassen, in Deutsch-land eine bessere Perspektive für eine berufliche Karriere in der Medizin zuermöglichen.

    Es ist von ebenfalls großer Bedeutung, daß die Förderer, die klinische Stu-dien unterstützen, die besondere Problematik und insbesondere die Langfri-stigkeit dieser Art der klinischen Forschung bei der Beurteilung entsprechendbewerten. Unter Berücksichtigung der unter Abschnitt 4.2 angeführten Pro-bleme muß das primäre Anliegen der Forschungsförderungseinrichtungen dieVerbesserung der Voraussetzungen zur Durchführung klinischer Studien sein.Diese Maßnahmen beziehen sich auf Ausbildungsprogramme für die Leitervon klinischen und epidemiologischen Studien, von Prüfärzten und Pflege-personal analog den Anforderungen von GCP.

    Dieses ist Voraussetzung für die Etablierung von Einheiten in Kliniken,die sich mit klinischen Studien befassen. Die Initiative des BMBF zur Etablie-

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    5 Vorschläge zur Verbesserung der Voraussetzungen für die klinische Forschung

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  • rung von Koordinationszentren für klinische Studien unterstützt diese Ent-wicklung. Diesen Koordinationszentren obliegt die Beurteilung der wissen-schaftlichen Qualität einer Fragestellung, die Bewertung der klinischen Rele-vanz und der Machbarkeit sowie die Planung und Überwachung. Die Rah-menbedingungen hierfür sind ausführlich beschrieben20) 21) und in kurzer Formim Anhang II aufgeführt.

    Viele klinische Studien werden regelgerecht und professionell von derpharmazeutischen Industrie geplant und die Durchführung überprüft. Ähnli-che Expertise muß aber auch an den Kliniken vorhanden sein, um Studien pro-fessionell zu planen und durchzuführen, die nicht von der pharmazeutischenIndustrie gefördert werden können, aber auch, um der Tendenz der pharma-zeutischen Industrie entgegenzuwirken, wegen mangelnder Expertise inDeutschland die notwendigen Studien in das Ausland zu vergeben.

    5.5 Maßnahmen zur Förderung der patientenorientierten Forschung

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    20) Vgl. MRC Guidelines for Good Clinical Practice in Clinical Trials, März 1998, MRC Clinical TrialsSeries, MRC, London, UK.

    21) Labs,R.; Staehr,C.; Zahlten,R., Klinische Forschung (3) Therapiestudien. 1999, DMW 124, Nr. 20,A21-A23.

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  • 6 Vorschläge zu den Fördermaßnahmen derDeutschen Forschungsgemeinschaft

    6.1 Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

    Eine der satzungsgemäßen Aufgaben der Deutschen Forschungsgemeinschaftist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Speziell auf dieseGruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zielen die Stipen-dienprogramme (Forschungs-, Habilitations- und Heisenbergstipendien). Die-se werden von jungen Medizinern gut angenommen und vor allem für län-gerfristige Auslandsaufenthalte, vorwiegend in den USA, verwendet.

    Die DFG stellt seit Jahren Rotationsstellen im Normalverfahren (soge-nannte Gerokstipendien), aber auch in Forschergruppen und Sonderfor-schungsbereichen zur Verfügung. Durch diese Rotationsstellen wird die Fi-nanzierung für einen Vertreter, der die Aufgaben der Krankenversorgungübernimmt, bereitgestellt. Dieses Instrument ermöglicht dem wissenschaftlichinteressierten ärztlichen Mitarbeiter, gestützt durch die Gruppe und basierendauf den Fragestellungen der Klinik, Forschungsansätzen ohne Belastung durchdie täglichen klinischen Aufgaben nachzugehen.

    Um einen Beitrag zur Institutionalisierung der Forschung – und der Aus-bildung zur Forschung – zu leisten, wird die DFG das Programm zur Förderungvon Graduiertenkollegs den spezifischen Bedürfnissen der klinischen Medizinanpassen. Stipendien (oder Stellen) sollten im Rahmen eines solchen Graduier-tenkollegs überwiegend an medizinische Nachwuchswissenschaftlerinnen und-wissenschaftler vergeben werden, die diese Zeit nutzen, um unter Anleitungoder, bei entsprechender Erfahrung, selbständig Forschungsprojekte durchzu-führen. Gegebenenfalls kann auch die Erlangung des Titels eines Dr. rer. nat.(im Sinne eines MD/PhD-Programms) ermöglicht werden. Falls gewünscht, soll-te auch die Gelegenheit zur klinischen Weiterbildung gegeben werden, zum Bei-spiel durch die Vergabe von Teilstipendien und von Teilstellen.

    Neben den Stipendienprogrammen bietet die DFG zahlreiche Möglich-keiten der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses innerhalb der För-derprogramme des Normalverfahrens, des Schwerpunktprogramms, in denForschergruppen und den Sonderforschungsbereichen. Jüngere Wissen-schaftler haben hier die Möglichkeit, an attraktiven Forschungsthemen in ei-

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  • nem wissenschaftlich aktiven Umfeld mitzuarbeiten und sich zu qualifizieren.Nachteilig wirkt sich aus, daß die Arbeiten in der Regel unselbständig durch-geführt werden, das heißt, das Forschungsprojekt ist vorgegeben. Für dieseWissenschaftler müssen Möglichkeiten geschaffen werden, früh in der Karrie-re als klinische Forscher selbständig zu arbeiten. Die DFG unterstützt seit Jah-ren im Rahmen der Sonderforschungsbereiche selbständige Nachwuchsgrup-pen, bei denen auch der Projektleiter durch DFG-Mittel finanziert wird. DieLaufzeit dieser Gruppen beträgt fünf Jahre. Es wird erwartet, daß der Projekt-leiter in dieser Zeit die Voraussetzungen für eine Berufung erfüllt.

    Um die Selbständigkeit junger Wissenschaftler weiter zu fördern, hat dieDFG ein neues Programm, das den Namen der Mathematikerin Emmy Noetherträgt, eingerichtet, in dem junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler füreinen Zeitraum von fünf Jahren, davon zwei Jahre im Ausland, neben den not-wendigen Projektmitteln auch die eigene Stelle einwerben können. Die DFGstellt für dieses Programm Mittel ab Sommer 1999 zur Verfügung. Es ist anzu-streben, daß erfolgreiche klinische Nachwuchsforscher diese Förderungspro-gramme der DFG in Zukunft stärker nutzen.

    Um die Ausbildung zur Forschung zu institutionalisieren, sollten die me-dizinischen Fakultäten spezielle Fördermaßnahmen entwickeln, die in Analo-gie zum NIH-Programm: „Institutional Research Training Grants for Post-Doc-toral Medical Research Fellows“ Kliniken unterstützen, die ein Ausbildungs-programm für klinische Nachwuchsforscher anbieten. Diese Ausbildungspro-gramme wenden sich an wissenschaftliche Assistentinnen und Assistenten, diebereits mehrjährige Erfahrungen haben. Solche Fördermaßnahmen könntenvon der DFG durch die Bereitstellung von Stellen für Forschungsassistentenunterstützt werden.

    6.2 Strukturverbessernde Maßnahmen

    Die wissenschaftliche Qualität ist das oberste Kriterium für die Vergabe vonFördermitteln der DFG. Die DFG gibt keine Forschungsthemen vor und prüftin der Regel auch nicht die strukturellen Voraussetzungen oder Auswirkungeneiner Fördermaßnahme. Dies hat zur Folge, daß bei Fördermaßnahmen wie Ein-zelförderung, Forschergruppen, Schwerpunkt- und Stipendienprogrammenstrukturbildenden Aspekten nur nachgeordnete Bedeutung zukommt. Bei denKlinischen Forschergruppen und den Sonderforschungsbereichen spielen die-se Aspekte allerdings seit jeher eine bestimmende Rolle.

    6.1 Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

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  • 6.2.1 Klinische Forschergruppen

    Seit 1987 fördert die DFG die klinische Forschung durch das Programm der„Klinischen Forschergruppen“ auf Initiative des Wissenschaftsrates und ausSondermitteln des BMBF. Die strukturpolitische Innovation dieses Programmsbesteht darin, daß die aufnehmende Hochschule sich verpflichten muß, die For-schergruppe nach Ablauf von sechs Jahren zu institutionalisieren und in ihrenHaushalt zu übernehmen. In ihrem Zwischenbericht vom Sommer 1997 stelltdie Senatskommission für Klinische Forschung fest: „Zusammenfassend kanndaher bereits zum jetzigen Zeitpunkt festgestellt werden, daß die wissen-schaftlichen Ergebnisse eine Förderung rechtfertigen und daß nach Einschät-zung der Gutachter und der Senatskommission mit dem Programm eine Ver-besserung der klinischen Forschung in Deutschland erreicht wurde“.

    Somit stellen die Klinischen Forschergruppen und die InterdisziplinärenZentren für Klinische Forschung (BMBF) die strukturwirksamsten Maßnahmenzur Verbesserung der klinischen Forschung in den vergangenen Jahren dar.Den Universitätsklinika sollten daher die Erfahrungen aus dem bisherigen Ver-lauf des Programms Anlaß geben, aus eigenen Mitteln klinische Forscher-gruppen zu schaffen. Um die Motivation zu stärken, würde die DFG eine aufsechs Jahre befristete Supplement-Finanzierung übernehmen. Die DFG wirddie entsprechenden Anträge der Medizinischen Fakultäten begutachten, fi-nanziert aber von den zur Bewilligung vorgeschlagenen Mitteln nur einen An-teil von einem Drittel. Zwei Drittel müßten aus dem Zuführungsbetrag des Lan-des für die jeweilige Medizinische Fakultät übernommen werden. Ein solchesVerfahren sichert eine leistungsabhängige Vergabe von Mitteln des Zu-führungsbetrages in Verbindung mit einem schwerpunkt- und strukturbilden-den Anreiz.

    6.2.2 Spezialambulanzen

    Bei der patientenorientierten Forschung ist es notwendig, über universitäre Po-likliniken und Spezialambulanzen zu verfügen, um auch mit nichtstationärenPatienten arbeiten zu können. Diese Ambulanzen bieten die Möglichkeit, Pa-tienten mit einem spezifischen Krankheitsbild, das in der Gruppe wissen-schaftlich bearbeitet wird, zur Mitarbeit zu gewinnen und eine schnelle Über-führung der gewonnenen Erkenntnisse in die klinische Praxis zu erreichen.Neben dem wichtigen Versorgungscharakter dieser Ambulanzen, der zumeistnur an Universitätskliniken geboten werden kann, und der leistungsgemäßdurch die Krankenkassen zu vergüten ist (vgl. dazu aber § 117 SGB V), sindSpezialambulanzen wichtige Einrichtungen auch für die Forschung. Dahermuß deutlich gemacht werden, daß die zusätzlichen Kosten, die diese Ambu-lanzen verursachen, aus dem Forschungsetat der Hochschule oder aus For-schungsmitteln zu tragen sind. Im Rahmen der oben erwähnten Klinischen For-

    6 Vorschläge zu den Fördermaßnahmen der Deutschen Forschungsgemeinschaft

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    009116 VCH Klin. Forschung 11.02.2000 11:37 Uhr Seite 26

  • schergruppen oder in Sonderforschungsbereichen würde eine Teilfinanzie-rung von wissenschaftlich begründeten und in ein entsprechendes Umfeld ein-gebetteten Spezialambulanzen durch die DFG möglich werden. In diesem Rah-men lassen sich auch klinische Studien fördern.

    6.2.3 Voraussetzungen für die Vergabe von Forschungsmitteln

    Der Erfolg des Programms Klinische Forschergruppen ist für die DFG Anlaß zuÜberlegungen, künftig bei der Vergabe von Forschungsmitteln neben dem Pri-mat der wissenschaftlichen Qualität auch verstärkt die Beurteilung von struk-turellen Aspekten einzubeziehen. In die Bewertung von Anträgen in den ver-schiedenen Förderprogrammen der DFG werden in Zukunft als Kriterien ein-fließen:

    • welche Anstrengungen eine Medizinische Fakultät zur Verbesserung derklinischen Forschung auch im Sinne einer wissenschaftlichen Profilbildungunternimmt;

    • inwieweit das Forschungsprofil (zum Beispiel die am Ort befindlichen Son-derforschungsbereiche) bei Neuberufungen berücksichtigt wird;

    • ob es eine interne Qualitätskontrolle (zum Beispiel Forschungskommission)zur Verteilung der Mittel aus dem Zuführungsbetrag gibt;

    • welchen Stellenwert die Krankenversorgung relativ zur Forschung einer In-stitution hat;

    • welchen Stellenwert die Forschung in einer Institution hat, belegbar durchFreistellungs- und Rotationsprogramme für junge Wissenschaftler, durchdas Vorhandensein von Laborflächen und deren Ausstattung, durch Ent-sendung und Rückkehr von Stipendiaten in das und aus dem Ausland, unddurch ein wissenschaftliches Profil ausgewiesen durch langfristig verfolgteForschungsziele und originelle Forschungsergebnisse.

    Die DFG wird hierzu einen geeigneten Fragenkatalog entwickeln.

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    6.2 Strukturverbessernde Maßnahmen

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  • 28

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  • Anhang

    I Förderung der klinischen Forschungdurch weitere Organisationen

    1 Max-Planck-Gesellschaft

    27 der 76 Institute und Forschungsstellen der Max-Planck-Gesellschaft (MPG)zählen zur biologisch-medizinischen Sektion, von denen wiederum 13 Institu-te ihre Forschungsthemen der medizinischen Grundlagenforschung im enge-ren Sinne zuordnen. Rund 8 Prozent der Gesamtausgaben der MPG (ca. 143Millionen DM) werden jährlich für medizinisch orientierte Forschung aufge-wandt. Diese ist gekennzeichnet durch eine Vielfalt von Forschungsaktivitä-ten. Direkt der klinischen Forschung verpflichtet sind:

    • das Max-Planck-Institut für physiologische und klinische Forschung in BadNauheim,

    • das Max-Planck-Institut für Psychiatrie – Klinisches Institut – zusammen mitder Psychiatrischen Klinik, München,

    • das Max-Planck-Institut für neurologische Forschung zusammen mit derNeurologischen Universitätsklinik (Personalunion), Köln,

    • das Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung zusammen mitder neuropsychologischen Tagesklinik der Universität, Leipzig,

    • das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie zusammen mit Universitäts-kliniken, Berlin.

    Eine interne Umfrage der Max-Planck-Gesellschaft bei den 124 Mitgliedernder biologisch-medizinischen Sektion im Jahr 1998 ergab, daß mehr als dieHälfte (54 Prozent) aller Abteilungen/Arbeitsgruppen klinische Forschung be-treiben. Diese Arbeiten erfolgen in der Regel in Kooperation mit Klinikern –vorwiegend an den Universitätskliniken – oder mit Wirtschaftsunternehmenim In- und Ausland.

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  • 2 Stiftungen

    Im Vergleich zu anderen Ländern, zum Beispiel Großbritannien oder den USA,spielen Stiftungen in Deutschland bei der Förderung der medizinischen For-schung eine deutlich geringere Rolle. In Großbritannien vergibt zum Beispielder Wellcome-Trust jährlich Mittel für die medizinische Forschung in Höhe vonca. 300 Millionen Pfund. Die staatlich finanzierte Forschungsförderung durchden Medical Research Council bewegt sich etwa in derselben Größenordnung.In Deutschland gibt es zahlreiche kleine Stiftungen, die unter anderem auchdie medizinische Forschung unterstützen, zum Beispiel durch die Vergabe vonReisemitteln zu Kongressen oder von Stipendien an junge Wissenschaftler. Ei-nige größere Stiftungen finanzieren auch Forschungsvorhaben an den Hoch-schulen, teilweise fachspezifisch. Als Beispiele – ohne den Anspruch auf Voll-ständigkeit – seien genannt:

    • Deutsche Krebshilfe/Dr. Mildred Scheel Stiftung/Stiftung Deutsche Kinder-Krebshilfe1)

    Die Deutsche Krebshilfe als größte private Organisation zur Krebsbekämpfungin Deutschland spielt mit ihrer Dr. Mildred Scheel Stiftung für Krebsforschungeine wichtige Rolle bei der Vergabe von Drittmitteln. So vergab die Stiftung imJahr 1997 für 58 Projekte Mittel in einem Volumen von 29 Millionen DM. DieStiftung fördert innovative Forschungsvorhaben zur Krebsentstehung, -verhü-tung, -verbreitung, -erkennung und -bekämpfung sowie klinisch orientierte,experimentell-theoretische Forschungsprojekte, vergibt Stipendien für Nach-wuchswissenschaftler und fördert den internationalen Erfahrungsaustausch.Die Projekte beziehen sich im wesentlichen auf die Gebiete Zell- und Mole-kularbiologie, Grundlagen der Gentherapie, Metastasenforschung, Anwen-dung monoklonaler Antikörper, Therapieforschung und Entwicklung neuarti-ger Substanzen sowie zellbiologische und klinische Grundlagen autologerTransplantationen in der Behandlung maligner Wachstumsprozesse. Die Deut-sche Krebshilfe engagiert sich auf dem Gebiet der multizentrischen Therapie-studien bei Krebserkrankungen im Erwachsenenalter (seit 1987 49 Therapie-studien mit einem Volumen von 53 Millionen DM), sie fördert fast alle inDeutschland laufenden Therapiestudien in der pädiatrischen Onkologie undunterstützt Tumorzentren, onkologische Schwerpunkte und das Deutsche Re-gister zur zentralen Erfassung von Krebstherapiestudien. Durch die Vergabevon Stiftungsprofessuren fördert sie insbesondere die Zusammenarbeit vonGrundlagenwissenschaftlern mit Klinikern in der Onkologie.

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    1) Deutsche Krebshilfe, Bonn, Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1997.

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  • • Hermann und Lilly Schilling-Stiftung für medizinische Forschung2)

    Die Mittel dieser Stiftung sind ab 1995 überwiegend für die Förderung der Neu-rowissenschaften bestimmt. In den Jahren 1987 bis 1995 bildete ein Stiftungs-professuren-Programm auf dem Gebiet der theoretischen und klinischen Medi-zin den Förderschwerpunkt. Die auf fünf Jahre befristeten Stiftungsprofessurenwurden wissenschaftlichen Hochschulen und außeruniversitären Forschungs-einrichtungen personengebunden für Nachwuchswissenschaftler verliehen, diesich durch außergewöhnliche Forschungsleistungen ausgewiesen hatten. Mitder Stiftungsprofessur, sie entspricht einer C3-Professur, sollte einerseits der be-antragenden Institution Gelegenheit gegeben werden, besonders qualifiziertejüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für sich zu gewinnen, denGeförderten andererseits bessere Chancen für die Berufung auf eine Lebens-zeitstelle eröffnet werden. Die Stiftung verband mit der Förderung die Bedin-gung, daß sich die Inhaber der Professur mit mindestens der Hälfte ihrer Ar-beitszeit der Forschung widmen können. Darüber hinaus erhielten die Inhaberder Professur die Möglichkeit, zur Verbesserung ihrer Arbeitsmöglichkeiten füreine befristete Zeit an eine auswärtige Forschungseinrichtung im In- oder Aus-land zu gehen. Die Hermann und Lilly Schilling-Stiftung verlieh ihre Stiftungs-professur an 48 habilitierte Nachwuchswissenschaftler, von denen 1998 noch 21gefördert wurden. 30 Inhaber der Stiftungsprofessur gehörten einem Fach dertheoretischen Medizin an, 18 Inhaber waren klinische Mediziner. 21 Inhaber derProfessur nahmen bisher während der Förderung durch die Stiftung Rufe aufLebenszeitprofessuren an.

    Im Jahre 1995 schrieb die Stiftung erstmalig die Einrichtungen von ins-gesamt fünf C4-Abteilungen für Neurowissenschaften an Neurologischen Uni-versitätskliniken aus. Mit diesem Förderprogramm soll in der Klinik eine Lauf-bahn für Grundlagenwissenschaftler geschaffen werden, die als Leiter einerAbteilung für Neurowissenschaft gleichberechtigt mit dem Leiter der Neuro-logischen Universitätsklinik zusammenarbeiten. Die mit einer C4-Professurausgestattete Stelle des Leiters der Abteilung wird durch je zwei Stellen fürwissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter sowie laufendeSachmittel in Höhe von 100.000 DM und Mittel für die Erstausstattung mitGeräten in Höhe von 500.000 DM ergänzt. Die Stiftung übernimmt die Finan-zierung der jeweiligen Abteilung für zehn Jahre. 1996 konnten zwei dieser Ab-teilungen an der Neurologischen Universitätsklinik in Heidelberg und an derNeurologischen Klinik der Universität München bewilligt werden. Drei weite-re Abteilungen wurden im Sommer 1998 aus Mitteln der Stiftung bewilligt, undzwar an den Universitätskliniken in Tübingen, Würzburg und Berlin (Hum-boldt-Universität, Charité). Mit der Förderung von fünf Abteilungen sind dieMittel der Stiftung während der Förderzeit gebunden.

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    2) Persönliche Mitteilung, Peter Beck, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V., Essen.

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  • • Wilhelm Sander-Stiftung3)

    Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert die medizinische Forschung durch finan-zielle Unterstützung von Projekten, insbesondere auf dem Gebiet der Krebs-forschung. Projekte aus der reinen Grundlagenforschung werden nicht geför-dert. In den Jahren 1994 bis 1996 konnten 199 Projekte mit einer Summe vonca. 37 Millionen DM bewilligt werden. Der Stiftungszweck ist es, nicht nur wis-senschaftliche Projekte zu fördern, sondern darüber hinaus besonderes Au-genmerk auf die Anwendung der wissenschaftlichen Ergebnisse am Patientenzu richten. Zu diesem Zweck richtete die Stiftung an der Medizinischen KlinikInnenstadt der Universität München eine „Wilhelm Sander-Therapieeinheit“ein, die sich der Behandlung von Patienten mit malignen Lymphomen und Neu-roblastomen durch autologe Stammzelltransplantation nach Hochdosis-Che-motherapie widmet.

    • Fritz Thyssen-Stiftung4)

    Die Stiftung fördert wissenschaftliche Vorhaben insbesondere auf dem Gebietder Geistes- und Sozialwissenschaften und ausgewählter biomedizinischerThemen. Weiterhin vergibt die Stiftung Stipendien für Nachwuchswissen-schaftlerinnen und -wissenschaftler und unterstützt die Durchführung vonSymposien. Die Förderaktivitäten im biomedizinischen Bereich konzentrier-ten sich bisher auf klinisch relevante Vorhaben auf dem Gebiet der moleku-largenetischen und zellbiologischen Analyse der Krankheitsentstehung.

    Mit dem Programm der Stiftung soll die Forschungsarbeit mit den mo-dernen Methoden der Zell- und Molekularbiologie in ihrer engen Verflech-tung und besonders in ihrer Anwendung auf klinisch relevante Probleme ge-fördert werden. Die Schwerpunktförderung war folgenden Themenkreisen ge-widmet: genetische Grundlagen von Krankheiten; molekulare Rezeptorbiolo-gie und intrazelluläre Signaltransduktion; Molekular- und Zellbiologie auf demGebiet der Immunpathologie, der Neurobiologie und Neuropathologie. Dabeisollen vor allem jüngere Forscher an Instituten der theoretischen Medizin undan (Universitäts-) Kliniken gefördert werden. Dieses Programm wurde 1998von einem Förderschwerpunkt „Mono- und polygene Krankheiten des Men-schen: Definition und molekulare Pathogenese mit den besonderen Schwer-punkten; Identifizierung von Genen für monogene Erbkrankheiten und derenfunktionelle Analyse (auch in Tiermodellen)“ sowie Analyse von prädisponie-renden oder die Krankheit modifizierenden Genen abgelöst. Im Jahr 1996 hatdie Stiftung für biomedizinische Projekte ca. 2 Millionen DM, für Stipendienin diesem Bereich ca. 192.000 DM ausgeben können.

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    3) Wilhelm Sander-Stiftung, Bericht 1996/1997.

    4) Fritz Thyssen-Stiftung, Köln, Jahresbericht 1996/97 und Homepage:www.fritz-thyssen-stiftung.de.

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  • • Volkswagen-Stiftung5)

    Der Zweck der Volkswagen-Stiftung ist die Förderung von Wissenschaft undTechnik in Forschung und Lehre. Die Stiftung definiert Schwerpunkte, in de-nen sie themen- und problemorientierte Grundlagenforschung unterstützt. ImBereich der Biowissenschaften sind dieses zur Zeit die Schwerpunkte: Neuro-immuno