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Ε Λ Λ Η Ν Ι Κ Ο Α Ν Ο Ι Χ Τ Ο Π Α Ν Ε Π Ι Σ Τ Η Μ Ι Ο
Σ Χ Ο Λ Η Α Ν Θ Ρ Ω Π Ι Σ Τ Ι Κ Ω Ν Σ Π Ο Υ ∆ Ω Ν
ΜΕΤΑΠΤΥΧΙΑΚΗ ΕΞΕΙ∆ΙΚΕΥΣΗ ΚΑΘΗΓΗΤΩΝ
ΓΕΡΜΑΝΙΚΗΣ ΓΛΩΣΣΑΣ
∆ Ι Π Λ Ω Μ Α Τ Ι Κ Η Ε Ρ Γ Α Σ Ι Α
„DIE BEDEUTUNG VON LERNSTRATEGIEN ZUR FÖRDERUNG DER
LERNERAUTONOMIE IM FREMDSPRACHENUNTERRICHT DEUTSCH“
Versuch einer Lehrwerkanalyse - beurteilung
ΓΕΩΡΓΙΑ ΚΙΟΜΟΥΡΤΖΗ
∆ρ. Χάρις - Όλγα Παπαδοπούλου
Θεσσαλονίκη Φεβρουάριος 2005
1
I N H A L T S V E R Z E I C H N I S
Einleitung …………………………………………………………………………… 3
1. Entwicklung der Lerntheorien ……………………………………………. 6
1.1 Bestimmung des Begriffs „Lerntheorie“ ……………………………. 6
1.2 Behavioristische Lerntheorien ……………………………………….. 7
1.3 Kognitive Lerntheorien ……………………………………………… 9
2. Lernerautonomie …………………………………………………………… 12
2.1 Historischer Rückblick ………………………………………………. 12
2.2 Gründe der Lernerautonomie ………………………………………... 13
2.3 Bestimmung des Begriffs Lernerautonomie ………………………… 15
2.4 Phasen und Komponenten des autonomen Lernens ………………… 17
2.4.1 Vorbereitung des eigenen Lernens …………………………... 17
2.4.2 Regulierung des Lernens …………………………………….. 20
2.4.3 Selbstevaluation ……………………………………………… 24
2.5 Zur Förderung von Lernerautonomie ………………………………… 26
3. Lernstrategien ………………………………………………………………. 28
3.1 Definition und Bestimmung des Begriffs Lernstrategien ……………. 29
3.2 Kennzeichen von Lernstrategien ……………………………………... 31
3.3. Beschreibung von Lernstrategien …………………………………….. 32
3.4 Klassifikation von Lernstrategien …………………………………….. 33
3.4.1 Zur Unterscheidung zwischen „direkten“ und „indirekten“
Strategien ……………………………………………………... 36
3.4.2 Direkte Strategien …………………………………………….. 37
3.4.2.1 Gedächtnisstrategien ………………………………….. 37
3.4.2.2 Sprachverarbeitungsstrategien ………………………… 39
3.4.2.3 Kompensationsstrategien ……………………………… 42
3.4.3 Indirekte Strategien ……………………………………………. 44
3.4.3.1 Strategien zur Regulierung des eigenen Lernens ……… 45
3.4.3.2 Affektive Strategien ………………………………….. 47
2
3.4.3.3 Soziale Strategien …………………………………….. 48
3.5 Zur Vermittlung von Lernstrategien …………………………………. 51
3.5.1 Selektion der Trainingsgegenstände …………………………. 51
3.5.2 Integriertes Training von Lernstrategien …………………….. 52
3.5.3 Explizitheitsgrad der Strategievermittlung …………………... 53
3.5.3.1 Implizite Vermittlung ……………………………....... 53
3.5.3.2 Explizite Vermittlung ………………………………... 54
3.6 Zur Funktion von Lernstrategien …………………………………..… 56
4. Konsequenzen für den Fremdsprachenunterricht Deutsch ……………… 59
4.1 Die Rolle des/der selbständigen Lerners / Lernerin ………………..… 60
4.2 Die Rolle des/der autonomiefördernden Lehrers / Lehrerin ………….. 63
4.3 Autonomiefördernde Unterrichtsformen und Arbeitsweisen …………. 65
4.4 Konsequenzen für die Lehrmaterialien ……………………………..… 66
4.4.1 Einblick in die Lehrwerkforschung und Lehrwerkkritik ……... 67
4.4.2 Kriterien autonomiefördernder Lehrwerke …………………… 69
4.4.3 Autonomiefördernde Aufgaben und Übungen ……………..… 77
5. Auswertung eines Lehrwerks für die Sekundarstufe I …………………… 81
5.1 Präsentation des Lehrwerks „Ping Pong neu“ ………….…………….. 82
5.2 Analyse des Lehrwerks „Ping Pong neu“ …….………………………. 83
5.2.1 Analyse und Beurteilung der Gliederung des Lehrwerks …….. 83
5.2.2 Analyse und Beurteilung der autonomiefördernden Materialien
des Lehrwerks …………………………………………….................... 86
5.3 Zusammenfassende Bemerkungen …………………………………… 100
6. Schlussfolgerung …………………………………………………………….. 102
7. Literaturverzeichnis ……………………………………………………….... 105
Anhang ………………………………………………………………………………. 111
3
„Jemandem einen Fisch geben, das reicht nur für eine Mahlzeit; jemanden fischen lehren, das reicht für das ganze Leben.“ Chinesisc er Ph o oph L o e h il s a ts
Einleitung
Oberstes Ziel aller Sprachen ist die Fähigkeit zur Kommunikation und zur Verständigung.
Dies gilt dementsprechend auch beim Erlernen einer Fremdsprache – in unserem Fall der
deutschen Sprache.
In den letzten Jahren ist ein großes Verlangen nach Fremdsprachenkenntnissen in fast allen
Lebensbereichen der Menschen zu bemerken und es kann gewiss behauptet werden, dass
man heutzutage ohne Fremdsprachenkenntnisse nicht auskommt. Diese Feststellung hat
durchaus auch den Fremdsprachenunterricht beeinflusst.
Es wird überwiegend versucht, die Fremdsprachenlerner in reale Kommunikations-
situationen zu versetzen und authentisches Material in den Unterricht einzusetzen. Die
Begriffe „kommunikativ“ und „Authentizität“ stehen mittlerweile im Fremdsprachen-
unterricht und in jedem Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache im Mittelpunkt.
Seit einigen Jahren jedoch erscheinen didaktische bzw. lernpsychologische Begriffe, wie
zum Beispiel „Schülerorientierung“, oder „Binnendifferenzierung1“, „Lernstrategien2“,
„Metakognition“, etc., die die starke Tendenz bemerkbar machen, die Perspektive der
Lernenden in den Fremdsprachenunterricht miteinzubeziehen (vgl. Nodari 1995, in:
Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1996:4).
Eng damit verbunden ist die „Lernerautonomie3“ (Storch 2001:23), die in der Fremd-
sprachendidaktik einen immer höheren Stellenwert einnimmt.
Es besteht kein Zweifel, dass sowohl Lehrwerkautoren, Lehrkräfte, als auch viele Bezugs-
wissenschaften, wie die Psycholinguistik4, die Fremdsprachenerwerbsforschung5, die
1 „Binnendifferenzierung ist im modernen Fremdsprachenunterricht ein konstitutives pädagogisch-andragogisches Prinzip. Indem die Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer im selben Themenrahmen unterschiedliche Aufgaben bearbeiten, liefern sie genau dadurch den Zündstoff für Vergleiche, Erörterungen und Vorschläge für Schlussfolgerungen, über die dann zu reden ist. Binnendifferenzierung setzt auf Individual-, Partner- und Gruppenarbeit und damit auf die wachsende Fähigkeit der Lernenden autonom und auf unterschiedliche Weise das zu tun, was Lehrwerk und Themendossiers anbieten“ (Häussermann/Piepho 1996:200). 2 Vgl. Kapitel 3 der vorliegenden Diplomarbeit. 3 Vgl. Kapitel 2 der vorliegenden Diplomarbeit. 4„Interdisziplinär orientierter Forschungsansatz, der die strukturellen und funktionellen Regularitäten untersucht, die dem Zusammenwirken von physischen, psychischen, kognitiven und kommunikativen Aspekten beim → Spracherwerb und Sprachgebrauch zugrunde liegen“ (aus: Bußmann 1983:418). 5 Die Fremdsprachenerwerbsforschung versucht einerseits, Ergebnisse der Bezugswissenschaften fruchtbar zu machen, und andererseits Hypothesen zu bilden und Theorien zu überprüfen, wie denn der Erwerb einer fremden Sprache vonstatten geht (vgl. Ehnert 2001:36).
4
Pädagogik6, u.a in den letzten Jahren immer stärker den Lernenden in den Mittelpunkt des
Unterrichtsgeschehens stellen und sich unter anderem mit Fragen auseinander setzen, wie
das „selbständige Lernen“ gelernt und gefördert werden kann.
Daher ist mit Sicherheit anzunehmen, dass es nicht mehr allein darum geht, eine oder zwei
Sprachen möglichst umfassend zu lernen, sondern auch die Frage, wie sie gelernt werden,
gewinnt immer mehr an Bedeutung. Demnach scheint die „prozedurale Kompetenz“ der
Schüler, d.h. „Wissen, wie man vorgehen kann, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen“
(Bimmel/Rampillon 2000:197), im heutigen Fremdsprachenunterricht eine enorm wichtige
Rolle zu spielen.
Parallel dazu wächst das Interesse an der Einführung und Vermittlung von „Lernstrategien“
(Bimmel/Rampillon 2000:51), die zur Förderung der „Lernerautonomie“ eine
unabdingliche Voraussetzung darstellen.
Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich nun genauer mit dieser engen Verknüpfung von
„Lernerautonomie“ und „Lernstrategien“.
Meine Absicht ist es, jedem Interessenten eine adäquate theoretische Ausführung des
Themas „Lernstrategien zur Förderung der Lernerautonomie“ zu bieten und gleichzeitig die
Notwendigkeit zur Geltung zu bringen, im Fremdsprachenunterricht „Lernstrategien“ von
Anfang an einzuführen, zu vermitteln und zu trainieren. Darüber hinaus liegt es in meinem
Interesse, die Notwendigkeit aufzuzeigen, Lehrbücher und jegliche Lehrmaterialien
hinsichtlich ihrer Autonomieförderung kritisch zu untersuchen, zu analysieren und
eventuell auch umzustrukturieren und anzupassen. Dies soll erreicht werden, indem ich in
dieser Arbeit den Versuch unternehme, das Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache „Ping
Pong neu“ (Hueber Hellas), das in griechischen Schulen der Sekundarstufe I Einsatz findet,
ansatzweise diesbezüglich zu analysieren und zu beurteilen.
Zur angemessenen Auslegung der Verknüpfung von „Lernerautonomie“ und
„Lernstrategien“ werden in dieser Diplomarbeit folgende Aspekte genauer untersucht:
Im ersten Teil werde ich zunächst auf die Entwicklung der „Lerntheorien“
(Bimmel/Rampillon 2000:38) eingehen, die das „Lernen“ wissenschaftlich und vollständig
zu definieren versuchen. Beschrieben werden hauptsächlich „behavioristische“ sowie
„kognitive“ Lerntheorien.
Anschließend wird im zweiten Teil auf die historische Entwicklung der Lernerautonomie
eingegangen und Begründungen für das „autonome Lernen“ angegeben. Gleich danach
ziehe ich den Begriff der „Lernerautonomie“ in Betracht, indem zuerst eine Definition des 6 „Wissenschaft von Erziehung u. Bildung: Sy Erziehungswissenschaft“ (aus: Wahrig 1994:1178).
5
Begriffs gegeben wird und danach ausführlich die einzelnen Phasen autonomen Lernens
geschildert werden. Außerdem beziehe ich mich auch auf Möglichkeiten zur Förderung der
„Lernerautonomie“.
Der folgende Teil der Diplomarbeit beschäftigt sich mit den „Lernstrategien“, die als
Voraussetzung der „Lernerautonomie“ auch der Schwerpunkt dieser Arbeit sind.
Hauptanliegen dieses Kapitels ist zuerst, den Begriff „Lernstrategien“ zu klären und
anschließend eine ausführliche, leicht erfassbare Darstellung und Klassifikation der
„Lernstrategien“ zu präsentieren. Darüber hinaus befasse ich mich mit den Vermittlungs-
möglichkeiten von „Lernstrategien“ und benenne Funktionen der Strategien bzw. Gründe
für deren Einsatz im Deutschunterricht.
Der vierte Teil der Diplomarbeit behandelt die Konsequenzen der Vermittlung von
„Lernstrategien“ zur Förderung des „autonomen Lernens“ für den Fremdsprachenunterricht
Deutsch, die sich sowohl auf die Rolle des Lernenden beziehen, als auch auf die Rolle des
Lehrers. Weiterhin werden auch die Konsequenzen für die Lehrwerke veranschaulicht,
indem Kriterien zur Gestaltung autonomiefördernder Lehr- und Lernmaterialien und
Aufgaben bzw. Übungen dargelegt werden. Schließlich werden kurz ein paar
autonomiefördernde Unterrichtsformen präsentiert und geschildert.
Im letzten Kapitel der Diplomarbeit wird anhand des in griechischen öffentlichen Schulen
einsetzbaren Lehrwerks für Deutsch als Fremdsprache „Ping Pong neu“ – Hueber Verlag
der Versuch gemacht, die Lehr-/Lernmaterialien unter dem Gesichtspunkt der im vorigen
Kapitel vorgestellten Kriterien zur Autonomieförderung zu begutachten. Dabei handelt es
sich um keinen vollständigen Vorschlag einer Beurteilung und Analyse, sondern schlicht
um einen Versuch, die Nützlichkeit und den Zweck der Kriterien zur Gestaltung
autonomiefördernder Lehrwerke aufzuzeigen und erste Einblicke darin zu gewähren, in
welchem Maße einerseits ein Lehrwerk die Autonomieförderung beschränken kann und
andererseits welche Möglichkeiten ein Lehrwerk bieten kann, um in der Sekundarstufe
Lernstrategien und Lernerautonomie zu fördern. Die Wahl dieses Lehrwerks zwischen
vielen anderen liegt hauptsächlich daran, dass dieses Lehrwerk nach Angaben des Verlags
Hueber in den meisten griechischen öffentlichen Schulen der Sekundarstufe I (in der 1sten,
2ten und 3ten Gymnasialklasse), nämlich zu 60-65%, gebraucht wird. Leider kann dies
nicht offiziell bestätigt werden, da es in Griechenland keine zuständige Behörde gibt, die
solche Angaben statistisch herausgibt und veröffentlichen kann. Auch der Versuch über das
Erziehungsministerium in Griechenland die entsprechenden Informationen zu bekommen,
hatte nicht den gewünschten Erfolg.
6
1. Entwicklung der Lerntheorien
1.1 Bestimmung des Begriffs „Lerntheorie“
Um die Bedeutung von „Lernerautonomie“ (Storch 2001:23) und „Lernstrategien“
(Bimmel/Rampillon 2000:51) richtig zu erfassen, halte ich es für angebracht, einen
Einblick in die „Lerntheorien“ (ebd.: 38) zu geben, die mit Sicherheit im Laufe der Jahre
von der jeweiligen Entwicklung im Bereich der Fremdsprachendidaktik7, Pädagogik,
Linguistik8 und anderen bezüglichen Wissenschaften geprägt wurden.
Wird der Begriff „Lerntheorie“ auseinander genommen, so ergeben sich die Wörter
„Lernen“ und „Theorie“.
Zur Definition des ersten Wortes „Lernen“ ist zu erwägen, dass sich der Mensch in einem
ständigen Prozess befindet, sich an seine Umwelt anzupassen. Für diese Fähigkeit, sein
Verhalten zu verändern, ist das „Lernen“ der Schlüsselbegriff. Demzufolge ist das Lernen
als eine dauerhafte Veränderung des Verhaltens zu erklären, die durch neue Erfahrungen
und zufällige oder bewusste Übungen hervorgerufen wird. Die Verhaltensänderungen sind
dabei die sichtbare Seite des Lernens, während sich das Lernen selbst nicht beobachten
lässt (vgl. Baumgart 2001:11).
Das zweite Wort „Theorie“ ist wissenschaftlich ein „in sich mehr oder weniger geschlossenes System von ‘Gesetzen’, die auf Beobachtung beruhen und solange wahr bleiben, als sie nicht durch neue Gegebenheiten entkräftet werden, und die somit von einem bestimmten Erkenntnisstand abhängen. Das Ziel einer Theorie ist nicht nur die Erklärung des Bekannten, sondern auch die Vorhersage des Unbekannten.“ (Arnold u.a., Lexikon der Psychologie III, 1972, Sp.549, zitiert nach Joerger 1984:18)
Laut der obigen Definitionen möchte ich erwähnen, dass mit dem Gebrauch des Begriffs
„Lerntheorie“ im Verlauf dieser Diplomarbeit die „Aussagen und Erkenntnisse der
Wissenschaft über das Fremdsprachenlernen, d.h. darüber, wie und unter welchen
Bedingungen Menschen eine oder mehrere Fremdsprachen lernen“ (Westhoff 1997:165),
gemeint werden.
Hinzufügen möchte ich an dieser Stelle, dass bei meinem Versuch die einzelnen
„Lerntheorien“ zu beschreiben, die große Zahl von Theorien und Theoriensystemen
auffallend war, die alle das menschliche Lernen zu erklären suchen und sich oft auch
7 „Forschungsobjekt der → Angewandten-/Kontrastiven Sprachwissenschaft: im Unterschied zu »natürlichem« → Zweitsprachenerwerb »gesteuerte« Planung, Durchführung und Bewertung des Lernprozesses beim Erwerb einer Fremdsprache […]“ (aus: Bußmann 1983:150). 8 „[Auch: Sprachwissenschaft]. Seit F. DE SAUSSURE übliche Bezeichnung für »Sprachwissenschaft«, insb. für die moderne (systembezogene, strukturalistische) Sprachbetrachtung […]“ (aus: Bußmann 1983:302).
7
gegenseitig widersprechen. Beeindruckend war zugleich die umfangreiche
wissenschaftliche Literatur.
Im Rahmen dieser Diplomarbeit werden allerdings nur die Grundaussagen dieser Theorien
vorgestellt, ohne dass die einzelnen Theorieentwürfe der Theoretiker und die sie
begleitende wissenschaftliche Diskussion in allen Nuancen erschlossen werden. Demnach
halte ich es auch nicht dem Zweck der vorliegenden Diplomarbeit dienend, die
verschiedenen konkurrierenden Beurteilungen der Theorien darzustellen, denn in meinem
Interesse liegt es, eine allgemeine Orientierung zu bieten, damit die danach folgenden
Erläuterungen von „Lernerautonomie“ und „Lernstrategien“ besser nachzuvollziehen sind.
Bei der folgenden Schilderung der „behavioristischen“ und „kognitiven“ Lerntheorien und
dem Gebrauch fachspezifischer Ausdrücke stütze ich mich auf die Darlegungen von
Lefrancois (1994:15-49, 61-69, 91-140), Baumgart (2001:109-152, 167-225),
Bimmel/Rampillon (2000:38-41), Ehnert/Möllering (2001:17-23) und Altmayer (2002, in:
www.babylonia-ti.ch).
1.2 Behavioristische Lerntheorien
Die Grundlagen des Behaviorismus wurden vom russischen Physiologen Ivan P. Pawlow9
(1849-1936) geschaffen und später von anderen Theoretikern weiter entwickelt,
komplettiert und umgearbeitet. Zu erwähnen sind vor allem John B. Watson10 (1878-1958)
– er prägte den Ausdruck „Behaviorismus“ und gilt als der Gründer der behavioristischen
Bewegung in Nordamerika –, Edwin R. Guthrie11 (1886-1959), Edward L. Thorndike12
(1874-1949) und Burrhus F. Skinner13 (1904- ), dessen Theorie den Behaviorismus
ebenfalls stark beeinflusst hat (vgl. Baumgart 2001:109ff).
Nach Lefrancois (1994:29ff) versuchen behavioristische Lerntheorien das „Lernen“ zu
erklären, indem sie sich mit all denjenigen Komponenten des menschlichen Verhaltens
befassen, die beobachtbar und objektiv erfassbar sind. Lefrancois (ebd.) bemerkt weiterhin, 9 I.P.Pawlow führte Experimente an Tieren (Hunden) durch und entwickelte anhand des Verhaltens der Hunde das Modell der klassischen Konditionierung (vgl. Lefrancois 1994:17). 10 J.B.Watsons Theorie basiert in hohem Maße auf den Arbeiten von I.P.Pawlow, jedoch glaubt Watson fest an den Einfluss der Umwelt auf menschliches Verhalten (vgl. Lefrancois 1994:30). 11 E.R.Guthries Lerntheorie beruht auf Kontiguität und ist auch als „Ein-Schuss-Lerntheorie“ bekannt. Er vertrat die Ansicht, dass jede auf einen Reiz folgende Reaktion diesem Reiz wieder folgt, wenn er wiederholt wird (vgl. Lefrancois 1994:30). 12 E.L.Thorndike beschrieb das Lernen als Zustandekommen von Verbindungen zwischen neuralen Vorgängen, die zu Reizen und Reaktionen in Beziehung stehen (vgl. Lefrancois 1994:31). 13 B.F.Skinner entdeckte die operante Konditionierung. Sein größter Beitrag zum Verständnis des menschlichen Verhaltens besteht in seiner Beschreibung der Einflüsse der Verstärkung auf das Verhalten (vgl. Lefrancois 1994:48).
8
dass überwiegend Reize und Reaktionen solche Aspekte menschlichen Verhaltens sind, die
sich leicht beobachten und messen lassen. Infolge dessen richtet sich das Hauptinteresse
der Behavioristen auf die Suche nach und die Erklärung von Regelmäßigkeiten, die der
Beziehung zwischen Reiz und Reaktion unterliegen. Das menschliche Verhalten wird dabei
als das sichtbare Ergebnis von Reiz-Reaktions-Verbindungen angesehen, die der Mensch
im Laufe der Zeit erlernt hat, und die durch Konditionierung beeinflusst werden können.
Ehnert/Möllering (2001:17) bezeichnen als Konditionierung den Tadel negativen
Verhaltens einerseits und die Belobigung oder Belohnung positiven Verhaltens
andererseits, das dadurch auch bekräftigt wird.
Gleichermaßen wird auch Sprache als eine Form menschlichen Verhaltens angesehen und
das (Sprach-)Lernen wird demzufolge als Beziehung definiert, die festen Regeln folgt. Es
gibt einen auslösenden Impuls (=stimulus), auf den eine Reaktion (=response) folgt – der
Lehrer gibt einen Impuls (er stellt eine Frage, zeigt ein Bild oder lässt ein Tonband laufen)
und die Schüler reagieren. Die Reaktion wird verstärkt14 und automatisiert. Das Lernen
findet somit über Wiederholung, Automatisierung, Imitation und Üben statt. Eine
Bewusstmachung der Lernvorgänge wird in behavioristischen Lerntheorien nicht
angestrebt und eher als hinderlich angesehen (vgl. Bimmel/Rampillon 2000:38).
Für den Spracherwerbsprozess bedeutet dies laut Ehnert/Möllering (2001:17), dass Kinder
Sprachmuster imitieren, die sie in ihrem Umfeld hören. Durch positive Verstärkung –
entweder explizit durch direktes Lob des erwachsenen Gesprächspartners oder aber implizit
durch gelungene Kommunikation in einer bestimmten Situation – werden solche
Sprachmuster bekräftigt.
Im Laufe der Zeit wurden behavioristische Lerntheorien als zu einseitig kritisiert, zumal sie
sich hauptsächlich mit präzisen Beziehungen zwischen Reizen und spezifischen,
individuellen Reaktionen befassten, nicht imstande waren, „höhere“ geistige Probleme zu
erklären und kaum Interesse für globale Verhaltensweisen zeigten, die auch schwerer zu
erfassen sind. Demzufolge reagierten viele Wissenschaftler und Theoretiker, die nun
versuchten, das Lernen in Zusammenhang mit dem „Denken“, „Fühlen“ und „Wissen“ zu
bringen.
Dennoch ist nicht zu bestreiten, dass der Beitrag behavioristischer Lerntheorien zur
weiteren Entwicklung psychologischer Theorien, besonders zur Erklärung von
menschlichem Lernen, von großer Bedeutung ist.
14 Mit Verstärkung werden von Burrhus F. Skinner alle Reize gemeint, die die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Reaktion unter ähnlichen Umständen erhöhen (vgl. Baumgart 2001:130).
9
1.3 Kognitive Lerntheorien
Eine erste ablehnende Reaktion auf den Behaviorismus kam von Edward C. Tolman (1886-
1959), dessen Arbeit einen Übergang von streng behavioristischen Interpretationen zu
einem mehr kognitiven Ansatz bildet15 (vgl. Lefrancois 1994:92).
Der Kognitivismus hat seinen Ursprung in der deutschen Gestaltpsychologie, die sich etwa
zur gleichen Zeit wie der Behaviorismus entwickelte. Die Begründer der
Gestaltpsychologie waren Kurt Koffka (1886-1941), Wolfgang Köhler (1887-1967), Max
Wertheimer (1880-1943) und Kurt Lewin16 (1890-1947).
Die Gestaltpsychologie wird hauptsächlich wegen ihrer Beschäftigung mit Wahrnehmung,
Bewusstsein, Einsicht und Problemlösung als Vorläufer der heutigen kognitiven
Psychologie betrachtet. Gestaltpsychologen vertreten die Ansicht, dass die Menschen
Probleme durch Einsicht lösen, welche die Wahrnehmung von Beziehungen miteinbezieht.
Demnach richtet die Gestaltpsychologie ihr Interesse auf die subjektive Wahrnehmung und
Verarbeitung von Problemsituationen als mögliche Ursachen des Verhaltens. Verhalten ist
aus dieser Sicht ein zielgerichtetes Verhalten, das nicht nur aus den äußeren Bedingungen,
den Reizen der Umwelt auf den Organismus, zu erklären ist. Der Lernvorgang wird im
Gegensatz zum Behaviorismus ziemlich global und unspezifisch erklärt (vgl. Baumgart
2001:167ff; Lefrancois 1994:96ff).
Nachfolgend entstanden „kognitive Lerntheorien“, die sich ebenfalls relativ wenig mit
Reizen und Reaktionen beschäftigen. Die Kognitivisten befassen sich vorrangig mit
höheren kognitiven Prozessen, wie Wahrnehmung, Gedächtnis, Sprache, Problemlösen
durch Einsicht, Entscheidungsprozessen, Informationsverarbeitung und Verständnis. Bei all
diesen Prozessen spielt das Bewusstsein (oder die Kognition) eine zentrale Rolle (vgl.
Lefrancois 1994:95).
Nach Bimmel/Rampillon (2000:38) verstehen die einzelnen kognitiven Theorieentwürfe
den Menschen als ein „System“, das Informationen verarbeitet. Sie sind damit stark
kybernetisch17 geprägt. Genauer gesagt, wird das Gedächtnis als ein System dargestellt, in
das Informationen eingegeben (Input) werden, im sensorischen Gedächtnis registriert
15 Tolman erfand und beschrieb den „zielgerichteten“ Behaviorismus, bei dem von den Handelnden angenommen wird, dass sie ein Ziel haben. Jegliches Verhalten sei durch Kognition auf ein Ziel gerichtet (vgl. Lefrancois 1994:92). 16 Kurt Lewin formulierte die „kognitive Feldtheorie“, deren Interesse am Individuum liegt und daran, wie dieses durch seine unmittelbare Umgebung (Feld) beeinflusst wird (vgl. Lefrancois 1994:107). 17 „Kybernetik: Wissenschaft, die sich mit Steuerungs- u. Regelungsvorgängen verschiedenster Systeme natürlicher u. künstlicher Art befasst, dabei werden insb. die Aufnahme, Verarbeitung; u. Übertragung von Informationen untersucht“ (aus: Wahrig 1994:982).
10
werden, im Arbeitsgedächtnis im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gehalten und schließlich
im Langzeitgedächtnis als wieder abrufbares Wissen aufgehoben werden. Demnach,
bemerken Bimmel/Rampillon (ebd.) weiterhin, wird auch das (Sprach-) Lernen als Prozess
der Informationsverarbeitung aufgefasst, in dem sich der Lernende aktiv, unter
Einbeziehung bereits vorhandener Wissensstrukturen mit äußeren Gegebenheiten
auseinander setzt. Lernen findet dann statt, wenn der Lernende aktiv einen Wechselbezug
zwischen seinem Vorwissen und neuen Informationen herstellt und so sein Wissen
restrukturiert, d.h. verändert, erweitert, ergänzt usw.
Deutlich wird meines Erachtens, dass kognitive Lerntheorien den Menschen als aktiven
Teilhaber am Lernprozess betrachten, der Informationen gezielt auswählen und verarbeiten
kann und der bewusst lernen kann.
Die wichtigsten Beiträge zur Entwicklung der zeitgenössischen kognitiven Psychologie
leisteten Jerome Bruner18 und Jean Piaget19.
Für Jean Piaget ist nach Angaben von Lefrancois (1994:139) der Erwerb des Wissens ein
allmählicher Entwicklungsprozess, der durch die Interaktion des Kindes mit seiner Umwelt
ermöglicht wird, wobei die Art, in der das Kind die Welt erlebt und darstellt, eine Funktion
seines Entwicklungsstadiums ist. Darüber hinaus macht Jean Piaget auf die Wichtigkeit
aufmerksam, in der Schule nicht nur intellektuelle Fähigkeiten zu fördern, sondern auch
„soziales“ Lernen beizubringen und demnach auch Verhaltensregeln einzuüben. Seiner
Ansicht nach müssten Lehrer Gelegenheiten bieten, in denen die Schülerinnen und Schüler
die Bedeutung von sozialen Regeln selbständig entdecken, einüben und achten lernen.
Damit geht Jean Piaget einen Schritt weiter und betont in seiner Lerntheorie die
Individualität von Lernprozessen (vgl. dazu auch Baumgart 2001:203ff).
Auch Wolff (1994, zitiert nach Altmayer 2002, in: http://www.babylonia-
ti.ch/BABY202/PDF/altmayer.pdf ) hat angemerkt, dass das Lernen als ein vom Lerner
selbständig gesteuerter Konstruktionsprozess aufzufassen ist, der auf dem individuellen
Wissen aufbaut und deshalb zu individuell unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Ein
solcher Prozess, kann nach Wolff (ebd.) von Lehrenden nur dadurch beeinflusst werden,
18 Bruners Theorie ist als Theorie der Kategorisierung zu beschreiben. Mit dem Begriff „Kategorisierung“ beschreibt er Wahrnehmungs- und konzeptuelle Aktivitäten. Er ist Fürsprecher für einen entdeckungsorientierten Ansatz in der Schule (vgl. Lefrancois 1994:120). 19 Piagets Theorie wird überwiegend als kognitive Entwicklungstheorie bezeichnet, da sie die kognitive Entwicklung des Menschen beschreibt, die laut seiner Theorie auf vier Phasen basiert, die von keinem Menschen übersprungen werden können. (vgl. Baumgart 2001:206).
11
dass den Lernenden Lernwege gezeigt werden und ihnen dabei geholfen wird, den jeweils
für sie angemessenen auszusuchen20.
Hinzuweisen ist an dieser Stelle, dass mit dem „Konstruktivismus“ nach Wolff (ebd.) eine
theoretische Basis für einen anderen Fremdsprachenunterricht zur Verfügung steht, die
bereits in Konzepten der Reformpädagogik21 betont wurde und im „autonomen Lernen“
ebenfalls deutlich zum Ausdruck kommt.
Zusammenfassend möchte ich erwähnen, dass meines Erachtens weder behavioristische
noch kognitive Lerntheorien allein das menschliche Lernen „richtig“ oder „falsch“
beschreiben. Vielmehr bin ich der Ansicht, dass der eine Theorieentwurf jeweils einen
anderen ergänzt, komplettiert oder gar etwas umändert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass
die eine „neuere“ Lerntheorie die „ältere“ ausschließt oder als „falsch“ erklärt.
Im Gegenteil glaube ich, dass die eine auf die andere aufbaut und basiert. Zu bedenken sind
auch zusammenhängende Wissenschaften, die einen großen Einfluss auf die jeweilige
Entwicklung der Lerntheorien übten und stets neue Thesen entwickelten, die bei der
Formulierung einer Lerntheorie gewiss von den Theoretikern berücksichtigt und
einbezogen wurden.
Aus diesem Grund bin ich davon überzeugt, dass das (Sprach-)Lernen sowohl in gewisser
Weise als ein Ergebnis von Reiz-Reaktions-Verbindungen aufzunehmen ist und über
Wiederholung, Imitation, Übung und Automatisierung stattfinden kann, als auch als ein
Prozess der Informationsverarbeitung zu begreifen ist, in dem der Fremdsprachenlernende
sein bereits vorhandenes Vorwissen mit neuen Wissensstrukturen bereichert.
Wichtig erscheint für mich auf jeden Fall, dass in kognitiven Lerntheorien der Faktor der
Bewusstmachung (Kognitivierung) für den Lernprozess entscheidend ist. Ein bewusstes
Lernen ist wesentlicher Bestandteil im heutigen Fremdsprachenunterricht und wird als
Lehr- und Lernziel angestrebt, um damit die Selbständigkeit und die Mündigkeit der
Lernenden zu entwickeln.
Die eben kurz beschriebene Entwicklung der Lerntheorien zeigt, wie die „Grundsteine“
zum „autonomen Lernen“ gelegt wurden, mit dem ich mich nun im folgenden Kapitel der
Diplomarbeit beschäftige.
20 Um dies zu erreichen, müssen „Lernstrategien“ vermittelt werden, mit denen die Lernenden zu einem selbständigen Lernen befähigt werden. Deutlich wird, dass in kognitiven Lerntheorien der Begriff „Lernstrategie“ zu einem wesentlichen Bestandteil wird (vgl. dazu Kapitel 3 der vorliegenden Diplomarbeit). 21 Vgl. Kapitel 2.1 der vorliegenden Diplomarbeit.
12
2. Lernerautonomie
„Lernerautonomie“ (Storch 2001:23) ist ohne Zweifel einer der am häufigsten verwendeten
Begriffe in der derzeitigen fremdsprachendidaktischen Diskussion.
Bevor der Begriff der „Lernerautonomie“ genauer untersucht wird, werden kurz die
historischen Wurzeln des autonomen Lernens in Betracht gezogen, sowie die Gründe, die
zum autonomen Lernen geführt haben.
2.1 Historischer Rückblick
Wie bereits im ersten Kapitel der vorliegenden Diplomarbeit erläutert wurde, haben
erstmals kognitive Lerntheorien personeninterne Steuerungskomponenten des Verhaltens
betont, die in früheren Lerntheorien überhaupt nicht berücksichtigt und angenommen
wurden.
Allerdings ist nach Deitering (1995:13f,25f) anzumerken, dass die Idee des autonomen
Lernens bereits in den 60er Jahren – vor allem mit Beginn der Studentenbewegung 1968 –
als Reaktion auf bildungspolitische Diskussionen erscheint, die darauf zielten, mehr
Selbstverwaltung, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung in der Bildung zu erlangen.
Die gesellschaftspolitischen Aspekte von Unterricht und Bildung wurden damals besonders
heftig diskutiert und im Zusammenhang mit der Studentenbewegung wurden die
herkömmlichen und vorwiegend autoritären Formen der Erziehung und des Unterrichts
stark kritisiert.
Eng damit verbunden ist die „Reformpädagogik“22 sowie die „Humanistische Psychologie“
(z.B. Freinet23 1985; Montessori 1909). Laut zwei Vertretern der humanistischen
Psychologie, nämlich A.H.Maslow und C.R.Rogers, bemerkt Deitering (ebd.: 14) weiter,
22 „Der Begriff Reformpädagogik stellt eine zusammenfassende Kennzeichnung der vielfältigen Reformbestrebungen dar, die sich – im Kontext von Kultur-, Frauen-, Lebensreform-, Jugendbewegung u.a. stehend – gegen Ende des 19. Jhs. gegen beklagenswerte pädagogische Zustände zu wenden begannen […] Kritik wurde geübt u.a. an der autoritären staatlichen Schule als ‘Drillanstalt’, am Übergewicht kognitiver Lernprozesse, […], am lehrerzentrierten Unterricht […], an der Lebensfremdheit der Schule u.v.a.m. Zu den Forderungen gehörten u.a. Realisierung eines kindzentrierten Unterrichts; Förderung der Selbsttätigkeit, […]; […] Lebensnähe der Schule, Umwelterziehung, Friedenserziehung; […]“ (Keck/Sandfuchs 1994: 257). 23 Eines der wichtigsten Erziehungsziele war für Célestin Freinet die ‘autogestion’, eigentlich ein begrifflicher Vorläufer der Autonomie. ‘Autogestion’ wird möglich, wenn folgende Fähigkeiten gefördert werden: die Selbstverantwortung, die Selbstregulierung, die Selbstbewertung. Die Freinet-Pädagogik unterstützt die ‘Autogestion’ mit klaren, für alle Lernenden nachvollziehbaren Unterrichtsphasen wie kollektive Arbeit, persönliche Arbeit, kreative Arbeit und Sozialisierung der Ergebnisse“ (Nodari 1995, in: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1996:7).
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könne dem Lernenden durch ein verständnisvolles und akzeptierendes Erzieherverhalten
geholfen werden, sich selbst zu verwirklichen. Für einen lernerzentrierten Unterricht
bedeutete dies, dass der Lehrende die Verantwortung für den Lernprozess mit dem
Lernenden teile. Dabei sei zu beachten, dass der Lernende sein eigenes Lernprogramm
entwickeln müsse und der Lehrende ihm alle Hilfsmittel, einschließlich seiner eigenen
Person zur Verfügung stelle. Auf diese Weise sei auf gesellschaftlich-politischer Ebene das
Ideal der Demokratie anzustreben, d.h. Selbständigkeit, Selbstbestimmung, aktive
Selbstverwirklichung und Kritikfähigkeit. Lernen und Bildung seien demzufolge vom
gesellschaftlichen Kontext nicht zu trennen.
Dieser kurze Rückblick auf die Geschichte lässt erkennen, wie stark bereits in der
Vergangenheit der Wunsch nach Selbständigkeit der Lernenden war.
2.2 Gründe der Lernerautonomie
Die Gründe, warum autonomes Lernen auch im schulischen Unterricht zu fördern ist,
lassen sich meines Erachtens leicht überblicken, wenn die im vorigen Kapitel erwähnte
historische Entwicklung berücksichtigt wird.
Demnach ist mit Sicherheit zu folgen, dass vor allem lernpsychologische Gründe für die
Lernerautonomie sprechen.
Bedenken wir die Feststellung, dass Lernende verschieden sind und ihre Fähigkeit eine
Sprache zu lernen, etwas zu behalten und zu verarbeiten jeweils starke Unterschiede
aufweist, dann unterliegt es auch keinem Zweifel, dass Lernende jeweils eine verschiedene
Persönlichkeit haben, verschiedene Lernertypen24 sind und jeweils anders motiviert25 sind.
Deshalb kann kaum angenommen werden, dass ein bestimmtes Lehrwerk oder eine
bestimmte Lehrmethode ausreichen, um Sprachen zu lehren und zu lernen. Auf Grund
dessen erscheint es sinnvoll, im Unterricht möglichst mehr auf die individuellen
Bedürfnisse und Interessen der einzelnen Lernenden einzugehen bzw. sie zu beachten, so
dass die Eigenständigkeit der Lernenden und eine Individualisierung des Lernprozesses
gefördert werden kann (vgl. dazu auch Bimmel/Rampillon 2000:178; Konrad/Wagner
1999:1).
24 „Lernende planen ihren Lernprozess unterschiedlich, sie nehmen den Lernstoff unterschiedlich auf, verarbeiten und bewerten ihn unterschiedlich – dieses Wissen führt zu der Einteilung der Lernenden in verschiedene Lernertypen. Die Bezeichnungen für die einzelnen Lernertypen sind unterschiedlich. Wesentlich ist zu wissen, dass Lernende unterschiedlich lernen […] und dass kaum ein Lernender einem einzigen Lernertyp entspricht“ (Bimmel/Rampillon 2000:196; vgl. dazu Kapitel 2.4.2, S.22 der vorliegenden Arbeit). 25 Vgl. Kapitel 2.4.1 der vorliegenden Diplomarbeit.
14
An dieser Stelle ist dennoch zu erwähnen, wie Nodari (1995, in: Fremdsprache Deutsch,
Sondernummer 1996:6) ebenfalls anmerkt, dass eine solche Individualisierung des
Unterrichts nur dann angestrebt werden und einen positiven Effekt auf das Lernen haben
kann, wenn Autonomie in der entsprechenden Kultur als positiv eingeschätzt wird26.
Ein weiterer Grund, der für die Förderung der Lernerautonomie spricht und auf den
Weltner (1992, in: Nold 1992:125f) und Rampillon (1985:24) ebenfalls verweisen, betrifft
das Lernen im Hinblick auf die Zeit nach Abschluss der Schule oder des Studiums. Zumal
jeder Mensch nach Abschluss der Schule auf seine eigene Fähigkeit angewiesen ist, sein
Lernen selbständig zu planen, um etwas Neues zu lernen und da ein Weiterlernen
heutzutage auf Grund der Informationshäufungen und des starken Wissenswandels immer
häufiger zutrifft, gewinnt der Gedanke des „lifelong learning“ bzw. „lebenslangen
Lernens“ (Rampillon ebd.) immer mehr an Bedeutung und wird mittlerweile sogar als
unabdinglich angesehen.
Wie leicht nachzuvollziehen ist, wird mit dem Begriff „lebenslanges Lernen“ ein Lernen
bezeichnet, das außerhalb von organisierten Lehrveranstaltungen stattfindet. Sei es im
Berufsleben oder auch im Privatleben, die Menschen sehen sich heutzutage immer öfter vor
die Aufgabe gestellt, sich in neue Arbeitsgebiete einzuarbeiten und neue Informationen
aufnehmen und verarbeiten zu können. Voraussetzung für „lifelong learning“ ist
selbstverständlich die Fähigkeit, das Lernen selbständig planen und steuern zu können, d.h.
autonom zu lernen und dabei passende „Lernstrategien27“ zu verwenden.
Neben den lernpsychologischen Gründen sind auch gesellschaftliche Gründe zu erwägen,
die die Autonomie der Lernenden als wichtige Voraussetzung für das Leben gelten lassen.
Bimmel/Rampillon (2000:178) erwähnen dabei unter anderem die immer weniger
festgelegten und einheitlichen Lebensformen vor allem in industriellen westeuropäischen
Gesellschaften und die Tatsache, dass Jugendliche in vielen Bereichen ihres Lebens
heutzutage von Individualisierung und Unabhängigkeit geprägt sind. Auch die Beziehung
der Kinder zu ihren Eltern ist distanzierter geworden und weist unterschiedliche
Verhaltensweisen und Wertvorstellungen auf. Damit zusammenhängend lässt sich ein
Verfall von Autorität beobachten. All das muss nun, so Bimmel/Rampillon (ebd.), auch in
der Schule und von Lehrenden, die ihren Unterricht konzipieren, berücksichtigt werden.
26 Der autonome Lerner ist vorwiegend ein Konstrukt westlicher Zivilisation, die das Individuum und seine Eigenständigkeit positiv markiert. In stark auf Gemeinschaftlichkeit ausgerichtete Kulturen, wie z.B. in China, wird der Sinn und Zweck der Autonomie nicht eingesehen (vgl. Nodari 1995, zitiert in Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1996:6). 27 Vgl. Kapitel 3 der vorliegenden Diplomarbeit.
15
Nachzuvollziehen ist meiner Meinung demnach, dass es heutzutage unter anderem Pflicht
jedes Lehrers sein sollte, die Selbstbestimmung, die die Schüler in ihrem Leben außerhalb
der Schule aufzeigen, unbedingt auch in der Schule und im Unterricht zu nutzen. Dazu sind
vor allem auch stark gelenkte bzw. „strenge“ Lernformen aus dem Unterricht überwiegend
zu „entfernen“ und stattdessen offenere Lernformen einzuführen, welche ein autonomes
Lernen ermöglichen28.
Andere gesellschaftliche Gründe, die nicht außer Acht zu lassen sind, sind nach
Konrad/Wagner (1999:1) die technische und ökonomische Entwicklung, das rasant
zunehmende Wissen und der kompetente Umgang mit Medien, die ein Umdenken im Lern-
und Arbeitsprozess erfordern. Denn die Fähigkeit, als autonomes und
kommunikationsfähiges Individuum in einer Informationsgesellschaft handeln zu können,
ist in einer Zeit, die sehr schnell immer wieder neue Anforderungen stellt, unabdingbar.
2.3 Bestimmung des Begriffs Lernerautonomie
Bevor ich den Begriff „Lernerautonomie“ definiere, möchte ich kurz auf die Stellung von
Beck (1991, in: Beck et al. 1992:183) aufmerksam machen, dass in der Schule von den
Lehrkräften nicht nur Wissen und Fertigkeiten vermittelt werden, sondern auch gleichzeitig
eine bestimmte Art des Lernens. Gleichgültig welches Fach unterrichtet wird, betont Beck
(ebd.), ist durch die Art und Weise, in der gelehrt wird, auch eine Prägung der
Aneignungsweise des Lernens zu bemerken. Ob es Lehrende wollen oder nicht, ob sie es
wahrnehmen oder nicht, wird parallel zum „Was“ mehr oder weniger bewusst auch gleich
etwas über das „Wie“ des Lernens beigebracht.
Ob nun dieses „Wie“ den Lernbedürfnissen und Lerngewohnheiten der einzelnen Lerner
entspricht, ist selbstverständlich in Frage gestellt.
Von großer Bedeutung ist meines Erachtens deshalb, dass sich die Lehrenden dessen
bewusst sind, dass die Inhalte, die sie während ihres Unterrichts vermitteln, kaum so
gelernt werden, wie sie von ihnen gelehrt werden. Wird dies von Lehrkräften bei der
Unterrichtsplanung berücksichtigt, indem die Lernbedürfnisse, die Lerninteressen, die
vorhandenen Lernertypen, die Lerngewohnheiten, die Lernerfahrungen, u.Ä. im Unterricht
miteinbezogen werden, so bin ich der Ansicht, dass bereits die ersten Grundlagen für ein
autonomes Lernen geschaffen werden.
28 Vgl. Kapitel 4.3 der vorliegenden Diplomarbeit.
16
Wie vom Begriff „Lernerautonomie“ leicht abzuleiten ist, wird damit das selbständige,
autonome und unabhängige Lernen verstanden. Demzufolge bezieht sich die
Lernerautonomie auf die Art und Weise des Lernens, d.h. sie stellt eine Lernform dar.
Das Konzept der Lernerautonomie ist nach Tings (2004, in: http://www.westermann.de)
vor allem durch die Bereitschaft gekennzeichnet, die Verantwortung für den eigenen
Lernprozess zu übernehmen. Dabei sind unter anderem Entscheidungen der Lernenden
darüber zu treffen, was sie lernen (Auswahl der Lernziele), vor allem wie sie vorgehen, um
zu lernen (Lernprogression), welche Materialien und Hilfsmittel sie verwenden (Auswahl
der Lerninhalte), ob sie allein oder mit anderen zusammenarbeiten (Wahl der Sozialform),
wie sie ihren Lernprozess kontrollieren, welche Lernstrategien sie einsetzen, wie sie ihre
Lernzeit einteilen, welches Lerntempo sie einhalten, wo sie lernen (Lernort), usw.
Allerdings betont Tings (ebd.), dass es sich bei der Lernerautonomie keinesfalls um eine
absolute Freiheit im Sinne des laissez-faire handelt, sondern vielmehr um die Gewährung
eines begrenzten Freiraums.
Wird dieses Konzept akzeptiert, so steht für den Fremdsprachenunterricht laut Nodari
(1995, in: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1996:5) ein pädagogischer Ansatz zur
Diskussion, der weder als Methode noch als eine Art Modewelle betrachtet werden kann.
Für Nodari (ebd.) bezieht sich Autonomie im Fremdsprachenlernen vielmehr auf zwei
Aspekte, die im Unterricht in hohem Maße zu berücksichtigen sind und die ich nun zur
besseren Festlegung des Begriffs kurz ausführen möchte.
Als erstes, betont Nodari (ebd.), ist der lernpsychologische Aspekt zu bedenken, der die
Autonomie auf der Ebene des Lernens bezeichnet und einen persönlicheren Zugang zur
Zielsprache und damit ein spannenderes und effizienteres Lernen bezweckt. Dieser Aspekt
ist von großer Bedeutung, denn autonome Lernende einer Fremdsprache versuchen,
Fähigkeiten und Einstellungen zu entwickeln, die das Lernen anderer Sprachen auch nach
der Schule, das Selbstvertrauen im Umgang mit Sprachen und die Offenheit für neue
Sprachen maßgeblich unterstützen.
Dieser lernpsychologische Aspekt wurde bereits im vorigen Kapitel der Diplomarbeit
angesprochen und ist mit Sicherheit ein grundlegender Ausgangspunkt der
Lernerautonomie, da er sich auf die Individualität des jeweiligen Lerners bezieht.
Der zweite interkulturelle Aspekt hat nach Nodari (ebd.: 7) vor allem damit zu tun, dass die
Lernerautonomie unter anderem auch auf die Vermittlung kulturbedingter Normen und
Werte zielt, sowie auf die Einsicht von Verhaltensweisen, die in jeweils verschiedenen
Sprachgruppen, bzw. sozialen Gruppen enorme Unterschiede aufweisen können. Durch
17
diese Vermittlung, bemerkt Nodari (ebd.: 8) weiterhin, sollen Lernende im Spiegel der
fremden Verhaltensweisen, Normen, Werte, usw. die je eigenen erkennen. Dabei sind
Fragen, wie zum Beispiel „Worauf lege ich in der zwischenmenschlichen Kommunikation
besonders Wert?“, „Was erwarte ich in einer gegebenen Situation von einer Person, die mit
mir spricht?“, „Was erwartet die andere Person von mir?“, usw. durchaus im
Fremdsprachenunterricht zu reflektieren, denn sie sind für das Weiterlernen und das Leben
außerhalb der Schule wichtig.
Mit diesen zwei Aspekten verfolgt die Lernerautonomie laut Nodari (ebd.) sowohl
allgemein-erzieherische Ziele (wie soziales Verhalten, Einfühlungsvermögen, Toleranz
usw.) als auch fremdsprachspezifische Ziele (wie die rezeptiven und produktiven
Fertigkeiten, Wortschatz, Grammatik, Landeskunde, usw.).
Infolge dessen ziehe ich den Schluss, dass es beim autonomen Lernen auch um eine
analytische Sicht auf das Lernen geht, die erlernt werden muss. Die Aufgabe der
Lehrenden29 besteht also darin, dies zu initiieren und zu vermitteln, also explizit zu
machen.
2.4 Phasen und Komponenten des autonomen Lernens
In diesem Kapitel soll nun veranschaulicht werden, wie die Lernerautonomie als Prozess in
der Unterrichtspraxis zu begreifen ist, welche Phasen in diesem Prozess zu unterscheiden
sind und welche Prinzipien der Lernerautonomie sich bemerkbar machen.
Zu diesem Zweck stütze ich mich auf das „Handlungsmodell des selbstgesteuerten
Lernens30“ von Konrad/Wagner31 (1999:10) und versuche die einzelnen Funktionsphasen
autonomen Lernens angemessen darzustellen.
2.4.1 Vorbereitung des eigenen Lernens
Die erste Phase autonomen Lernens betrifft zunächst einmal die selbständige Vorbereitung
des Lernens. Eine solche Vorbereitung umfasst folgende eng miteinander verbundene
29 Vgl. Kapitel 4.2 der vorliegenden Diplomarbeit. 30 Selbstgesteuertes Lernen wird oft als Synonym autonomen Lernens verwendet, obwohl sich die Lernform des selbstgesteuerten Lernens vom autonomen Lernen darin unterscheidet, dass der Lerner normalerweise allein arbeitet, während beim autonomen Lernen die Zusammenarbeit, die Kooperation mit anderen Lernenden eine wesentliche Rolle spielt (vgl. Bimmel/Rampillon 2000:177f). In der vorliegenden Diplomarbeit wird mit selbstgesteuertem Lernen das autonome Lernen gemeint. 31 Siehe Anhang S.1 in der vorliegenden Diplomarbeit.
18
Komponenten: Die Lernzielsetzung (was möchte ich erreichen, bzw. lernen?) von Seite der
Lernenden, die selbständige Planung des Lernens (wie kann ich vorgehen, um mein Ziel
zu erreichen?), die auch nach Bimmel/Rampillon (2000:5) ein Grundprinzip autonomen
Lernens darstellt, und die Selbstmotivierung (was interessiert mich persönlich?) zum
Lernen (vgl. Konrad/Wagner 1999:10).
Beginnen möchte ich mit der Selbstmotivierung der Lernenden, da sie meines Erachtens
das Lernen in Gang setzt und die Schüler zum Lernen bewegt. Eine Auseinandersetzung
mit der Frage „was interessiert mich persönlich?“ bietet den Lernenden die Möglichkeit,
sich ihren Lernbedürfnissen und Lerninteressen bewusst zu werden und dementsprechend
ihr Lernen vorzubereiten, um schließlich diese Bedürfnisse zu befriedigen. Darüber hinaus
scheint die Motivation der wesentlichste Punkt zu sein, wo sich das Lernen außerhalb der
Schule und im Klassenzimmer am meisten unterscheiden.
Ich schließe mich völlig dem Standpunkt von Tornberg (1993, in: Fremdsprache Deutsch,
Sondernummer 1996:28) an, außerhalb der Schule könnten Lernende selbst darüber
entscheiden, was sie lernen wollen oder sogar müssen. Im Klassenzimmer dagegen sei der
Einfluss der Schüler auf den Unterrichtsinhalt viel zu begrenzt. Tornberg (ebd.) betont
weiter, man könne Schüler zum Lernen-Wollen nicht zwingen, aber man könne ihnen
Strategien zum Nachdenken zeigen und mit ihnen die Verantwortung für das Was, Warum
und Wie des Unterrichts teilen und damit eine kooperative Atmosphäre in der Klasse
etablieren.
Das Lernen-Wollen der Schüler steht damit in enger Verbindung mit ihren Interessen und
demnach auch mit dem Grad ihrer Lernmotivation.
Huneke/Steinig (2000:14) unterscheiden dabei zwei Motivationstypen, nämlich den
„instrumentell“ motivierten Lerner und den „integrativ“ motivierten Lerner. So gilt ein
Lerner, dem es grundsätzlich darum geht, eine Fremdsprache gut zu lernen, weil die
Fremdsprachenkenntnisse aus beruflichen Gründen für ihn notwendig sind, oder um gute
Noten in der Schule bzw. bessere Berufschancen zu haben, als „instrumentell“ motiviert,
während ein anderer Lerner, der sich mit der zielsprachigen Gesellschaft identifizieren
kann, sich für die fremde Kultur und ihre Menschen interessiert und allgemein eine positive
Einstellung gegenüber der Zielsprache hat, als „integrativ“ motiviert gilt.
Beide Motivationstypen gehen vom jeweiligen „Lerninteresse“ der Lernenden aus, d.h. von
einem persönlich motivierten Impuls, etwas lernen zu wollen, das die Lernmotivation
steuert. Beide können gewiss zu einem erfolgreichen Lernen führen.
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Es besteht kein Zweifel darüber, dass der Faktor Motivation eine wichtige Rolle für den
Erfolg des Fremdspracherwerbs spielt. Allerdings ist nicht klar darüber zu entscheiden, wie
auch Ehnert/Möllering (2001:47) annehmen, ob ein Lerner deshalb so erfolgreich eine
Fremdsprache lernt, weil er hoch motiviert ist, oder ob er hoch motiviert ist, weil er so
erfolgreich lernt. Mit Sicherheit ist jedenfalls davon auszugehen, dass Lernende, die sich
selbst zum Lernen motivieren können, äußerst leicht den Lernprozess bewältigen können.
Hinzuzufügen ist dennoch an dieser Stelle, dass die Lernmotivation einen Einflussfaktor
darstellt, der sich gewiss nicht von allein ergibt, sondern vielmehr von weiteren Faktoren
abhängt.
Laut Deitering (1995:87) hängt Motivation auch damit zusammen, welche subjektiven
Erwartungen Lernende mit sich bringen, wie lohnend und erfolgsversprechend die
individuellen Bemühungen voraussichtlich sein werden, d.h. wie wahrscheinlich das
Eintreten des erwünschten Lernergebnisses ist, das aufgrund der individuellen
Lernbedürfnissen einen hohen Anreizwert hat.
Darüber hinaus werden von Mißler (1999:79ff) auch Aspekte wie die Selbsteinstellung der
Lernenden (d.h. die Überzeugung, dass man es schaffen kann), die Gefühle (Angst vor
Bloßstellung vor der Klasse, Stress, Hemmungen, usw.) und individuelle
Persönlichkeitsmerkmale als ausschlaggebend für den Grad der Motivation betrachtet.
Meiner Ansicht nach steht außer Zweifel, dass ein positives Selbstbild die Lerner in die
Lage versetzt, das Fremdsprachenlernen mit Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit
anzugehen, sowie auch angenehme „Glücksgefühle“ der Zufriedenheit und des Erfolgs
ebenfalls zum erfolgreichen Lernen verleiten können. Trifft jedoch das Gegenteil zu, d.h.
hat der Lernende ein negatives Selbstbild oder lässt er sich von Angstgefühlen und Stress
hinreißen, dann wirkt dies wohl eher demotivierend auf den Lernprozess32.
Wichtig erscheint mir deshalb, dass sich die Lernenden in dieser ersten Phase autonomen
Lernens über ihre Lernbedürfnisse und Lerninteressen Gedanken machen und sich darüber
ein klares Bild verschaffen, was sie persönlich interessiert und was sie lernen wollen, denn
dies wirkt sich dementsprechend auch darauf aus, welche Lernziele sie sich setzen und wie
sie ihr Lernen planen (d.h. sie machen sich in dieser Phase bereits mental Gedanken
darüber, wie das Lernen vorgehen soll), um ihre Erwartungen und Bedürfnisse zu
befriedigen. 32 Um negative Einstellungen zu beseitigen, können Fragebögen zur Selbsteinschätzung mit den Schülern bearbeitet werden (z.B. von Rampillon 1995:29, siehe Anhang S.2 in der vorliegenden Diplomarbeit).
20
Die Lernzielsetzung ist ein weiterer Aspekt der selbständigen Lernvorbereitung, der nicht
außer Acht zu lassen ist. Wie Bimmel (1995, in: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer
1995:18) anmerkt, haben die Lernenden ein Recht dazu, darüber Bescheid zu wissen, was
sie obligatorisch lernen müssen, d.h. welche Lernziele im Unterricht von Lehrkräften
anhand des Lehrplans gesetzt werden. Andererseits jedoch sollte ihnen auch immer
regelmäßiger die Gelegenheit gegeben werden, sich eigene Lernziele zu setzen, die genau
so anerkannt werden wie die offiziell vorgeschriebenen.
Betonen möchte ich zu diesem Punkt, dass Lernziele so unterschiedlich sein können, wie
auch die Erwartungen und Bedürfnisse der einzelnen Lernenden. Auf jeden Fall zeichnet
sich autonomes Lernen durch eine Zielsetzung aus, die von den Lernenden als interessant
und motivierend eingeschätzt wird.
Zur Befähigung einer bewussten, selbständigen Lernzielsetzung und Lernplanung ist der
Einsatz von bestimmten Lernstrategien unabdinglich. Solche Strategien sind zum Beispiel
die in Kapitel 3.4.3.1, S.45 der vorliegenden Arbeit beschriebenen Strategien „sich auf das
Lernen konzentrieren“, indem Störfaktoren ausgeschaltet werden; „das eigene Lernen
einrichten und planen“, indem Lernziele gesetzt werden, usw. Auch der Einsatz „affektiver
Lernstrategien“ (Kapitel 3.4.3.2, S.47 der vorliegenden Arbeit) kann sich in dieser Phase
als nützlich erweisen.
2.4.2 Regulierung des Lernens
Die zweite Phase autonomen Lernens zielt nach Konrad/Wagner (1999:10f) vor allem auf
Selbststeuerung und eigenständige Regulierung des Lernprozesses.
Nachdem in der ersten Phase die Lernziele festgelegt und ein mentaler Lernplan entworfen
wurde, geht es nun darum, diesen Lernplan durchzuführen, d.h. in die Praxis umzusetzen.
Hinweisen möchte ich an dieser Stelle, dass ich mit „Steuerung“ das Lenken und Leiten des
Lernens bezeichne, wobei ich beispielsweise auch das Vermeiden von internen und
externen Störfaktoren (Konflikte, Lärm, usw.), das Einlegen von Pausen oder das
Aufrechterhalten der Aufmerksamkeit und der Motivation miteinbeziehe, während mit
„Regulierung“ das Regeln und Ordnen der Lernvorgänge gemeint ist.
Zur eigenständigen Regulierung des Lernens betonen Schneider/Wertenschlag (1989, in:
Müller et al. 1989:66) die Wichtigkeit, die Lernenden dazu zu befähigen, ihr Lernen
erstmals selbständig zu organisieren.
21
Im Vergleich zum selbständigen (mentalen) Planen der ersten Phase beziehe ich mich nun
mit dem selbständigen Organisieren der zweiten Phase auf die zielorientierte Gestaltung
und Durchführung des Planes. Dazu gehören unter anderem auch die bewusste
eigenständige Auswahl der Lerngegenstände bzw. Lernmaterialien, die Wiederholung des
Lernstoffs, etc.
Zur Lernorganisation gehört auch nach Bimmel/Rampillon (2000:20) die Entscheidung
über den Lernort, also darüber, wo der Schüler oder die Schülerin am günstigsten Deutsch
lernt. Die Wahl des Lernortes sollte nicht dem Zufall überlassen bleiben, sondern überlegt
ausgewählt werden. Seine Lage und seine Ausstattung können den Erfolg der Lernenden
im Positiven wie auch im Negativen beeinflussen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass
sich Lernende darüber bewusst sind, wo sie am effektivsten lernen können33.
Im Rahmen der Lernorganisation wird von Schneider/Wertenschlag (1989, in: Müller et al.
1989:68) unter anderem auch die Frage nach der günstigen Lernzeit34 gestellt.
Ich bin davon überzeugt, dass Schüler davon in Kenntnis gesetzt werden sollten, dass es je
nach individuellen Lerngewohnheiten auch unterschiedlich günstige bzw. ungünstige
Lernzeiten gibt. Manche Schüler zählen zu den Morgentypen, die am Morgen und am
Vormittag ihre intensive Lernphase haben. Andere sind dagegen Abendtypen, die oft bis in
die Nacht hinein noch munter sind.
Mit der Art und Weise der Steuerung des Lernens sind demnach auch die jeweiligen
Lerntypen verbunden, die nun etwas genauer beschrieben werden sollen.
Novak (2004:66) unterscheidet vier Lerntypen, nämlich den visuellen, den auditiven, den
haptischen und den kinästhetischen Lerner, wobei darauf hingewiesen wird, dass eine
absolute Abgrenzung der einzelnen Lerntypen voneinander beinahe unmöglich ist, denn
kein Mensch ist nur auf eine Weise in der Lage zu lernen.
Der visuelle Lerntyp, so Novak (ebd.: 67), verlässt sich auf all das, was er sieht. Solche
Lerntypen bringen die aufzunehmenden Informationen in Verbindung mit Bildern – auch
mentale Bilder (Bilder im Kopf) –, Skizzen oder angefertigte Notizen.
So sind zum Beispiel auch „signalgrammatische Regeln“ (Storch 2001:84), d.h.
„Anweisungen, die Elemente der sprachlichen Äußerung mit grammatischen Strukturen
verbinden“ (Storch ebd.) besonders vorteilhaft für visuelle Lerntypen. Signalgrammatische
33 Dazu wurden von vielen Autoren Fragebögen angefertigt, die Lernende dazu verhelfen sollen, den für sie geeigneten Lernort zu entdecken (z.B. von Rampillon 1995:41 siehe Anhang S.3 in der vorliegenden Diplomarbeit). 34 Zur Erkenntnis der günstigen Lernzeit können Schüler ebenfalls Fragebögen bearbeiten, wie z.B. von Rampillon (1995:37,39); siehe Anhang S.4f in der vorliegenden Diplomarbeit.
22
Regeln haben die Form … X … → … Y… und fördern in hohem Maße die
Gedächtnisleistung (vgl. ausführlich Storch 2001:84f).
Da visuelle Lerntypen besonders von einer schönen Lernumgebung profitieren, ist im
Unterricht darauf zu achten, dass häufig Lernplakate an den Wänden hängen, mit
Farbstiften gearbeitet wird, themenbezogene Videofilme gezeigt werden, Skizzen und
Mind-Maps erstellt werden, usw.
Die Vermittlung entsprechender Lernstrategien, wie zum Beispiel „direkter
Gedächtnisstrategien“ (vgl. Kapitel 3.4.2.1, S.37f der vorliegenden Arbeit) bieten sich
ebenfalls als nützliche Lernhilfen für visuelle Lerntypen an.
Der auditive Lerntyp, bemerkt Novak (ebd.: 68), nimmt besonders gehörte Informationen
gut auf, denn er kennzeichnet sich durch eine gute und schnelle Auffassungsgabe und eine
hohe Aufmerksamkeitsfähigkeit. Auditive Lerner empfinden andere Geräusche in ihrer
Lernumgebung (z.B. Musik) oder auch begleitende visuelle Angebote manchmal als
störend.
Haptische35 und kinästhetische36 Lerntypen lassen sich nach Novak (ebd.: 68f) nicht leicht
voneinander abgrenzen. Beide Lerntypen prägen sich die Lerninhalte dann besonders gut
ein, wenn sie selbst während des Lernens tätig sind und etwas tun, da sie das Lernen als
aktiven Vorgang begreifen. Für beide Lerner ist die Umsetzung des Lernstoffs in geeignete
Lern- und Übungsformen äußerst wichtig. Vor allem für den kinästhetischen Lerner,
bemerkt Novak (ebd.: 69), ist der Hang zu Gesten und der Drang zu Bewegungen typisch,
sowie auch die Tatsache, dass er sich vielmehr von seinen Gefühlen leiten lässt und
Impulse sofort in Aktionen umsetzt.
Für diese Lerntypen ist demnach die Vermittlung von „direkten Sprachverarbeitungs-
strategien“ (vgl. Kapitel 3.4.2.2, S.39ff der vorliegenden Diplomarbeit) von Vorteil.
Außer diesen vier klassischen Lerntypen werden von Novak (ebd.: 66) auch noch drei
weitere „jüngere“ beschrieben, nämlich der kommunikative, der personenorientierte und
der medienorientierte Lerntyp.
Der kommunikative Lerner lernt gerne und gut im Austausch mit anderen
Gesprächspartnern und ist durchaus dafür geeignet in einer Lerngruppe zu lernen und sich
mit anderen über den Lernstoff auszutauschen. Er ist ein guter Redner und ein ziemlich
guter Zuhörer. Für ihn ist deshalb der Einsatz „indirekter sozialer Lernstrategien“ (vgl.
Kapitel 3.4.3.3, S.48f der vorliegenden Diplomarbeit) lernfördernd. 35 „Haptisch: den Tastsinn betreffend, auf ihm beruhend […] [zu grch. haptein „fassen“] (aus: Wahrig 1994:741). 36 „Kinästhetisch: auf Kinästhesie beruhend, bewegungsempfindlich […]“ (aus: Wahrig 1994:902).
23
Der personenorientierte Lerntyp ist nach Novak (ebd.: 71) dagegen stark auf den Lehrer
angewiesen und bevorzugt, wenn möglich, sogar den Einzelunterricht. Ist das Verhältnis
zum Lehrer gut, so lernt er auch gut. Andernfalls kann es zu Problemen und
Leistungsschwankungen kommen. Für solche Lerntypen schlage ich unter anderem auch
die Vermittlung von „indirekten affektiven Lernstrategien“ (vgl. Kapitel 3.4.3.2, S. 47f der
vorliegenden Arbeit) vor, um vor allem diese „Personenorientierung“ abzubauen.
Der medienorientierte Lerntyp lernt anhand technischer Hilfsmittel besonders gut und
braucht im Grunde keine Lehrer, da er sich die Lerninhalte, so Novak (ebd.: 71), selbst
vermitteln kann. Für einen solchen Lerner sind audiovisuelle Medien (Fernsehen, Radio,
Video, u.a.) und der Computer nicht nur ein Spiel, sondern er profitiert von diesen Medien,
so dass das erwünschte Lernziel erreicht wird.
Durch die kurze Beschreibung der verschiedenen Lerntypen wird meiner Meinung nach
deutlich, wie wichtig es ist, den Lernenden die Möglichkeit zu geben, ihren eigenen
Lerntyp herauszufinden37. Durch diese Erkenntnis werden sich Lernende über ihre
Schwächen und Stärken bewusst und können dementsprechend mit der Fremdsprache
umgehen und Schwierigkeiten bewältigen.
Anschließend ist noch in Betracht zu ziehen, dass die Selbststeuerung des Lernens nicht
nur von den eben erwähnten Faktoren der selbständigen Lernorganisation (Lernort,
Lernzeit, Auswahl von Lernmaterialien, usw.) und des Lerntyps geprägt ist, sondern auch
nach Konrad/Wagner (1999:11) Prozesse des Überwachens, Testens, Revidierens und
Bewertens miteinschließt. So bezieht sich beispielsweise die Überwachung des
Lernprozesses nach Konrad/Wagner (ebd.) auf die kontinuierliche Beobachtung und
Interpretation des Lerngeschehens im Lichte der anvisierten Ziele, während Testen damit
zu tun hat, dass der Lernende überprüft, ob er noch auf dem Weg der Zielerreichung ist.
Das Revidieren bezeichnet weiterhin den Prozess der eventuellen Korrektur, die ein Lerner
vorzunehmen hat, während das Bewerten die Beurteilung des Lernprozesses und des
Gelernten betrifft.
Konrad/Wagner (ebd.: 2) betonen darüber hinaus die Wichtigkeit der Selbststeuerung nicht
nur für die Schule, da ein fremdgeleiteter Unterricht den hohen Differenzierungs-
anforderungen der Schüler nicht gerecht werden kann, sondern auch für zu Hause, um
unabhängig von den Eltern den Lernweg zu meistern und allgemein für das weitere Leben
nach der Schule.
37 Dazu wurden ebenfalls mehrere Fragebögen herausgegeben (z.B. von Rampillon 2000:44f, siehe Anhang S.6f in der vorliegenden Diplomarbeit).
24
Zu folgern ist jedenfalls, dass bei der selbständigen Regulierung und Steuerung des
Lernens, die Lernenden in der Lage sein müssen, je nach den jeweiligen Lernzielen und
Aufgabenanforderungen zwischen verschiedenen Lernaktivitäten zu wechseln und die
entsprechenden Lernstrategien einzusetzen.
Solche Strategien sind zum Beispiel die „Strategien zur Regulierung des eigenen Lernens“,
die in Kapitel 3.4.3.1, S.45ff der vorliegenden Diplomarbeit beschrieben werden, und die
sich vor allem auf das Organisieren, das Ermitteln, das Überwachen und Auswerten des
eigenen Lernens beziehen (vgl. Kapitel 3.4.3.1, S.46f der vorliegenden Arbeit).
In dieser Phase können von den Lernenden je nach Unterrichtssituation, den gesetzten
Lernzielen und Lerntypen entsprechend sowohl „direkte“ als auch „indirekte“ Strategien
(vgl. Kapitel 3.4.2, 3.4.3, S.37ff der vorliegenden Arbeit) angewendet werden. Betonen
möchte ich an dieser Stelle, dass der Vermittlung „affektiver“ und „sozialer“ Strategien in
dieser Phase eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist, zumal sie positiv auf das
Selbstbild und das soziale Verhalten der Lernenden wirken können (vgl. Kapitel 3.4.3.2,
3.4.3.3., S. 47ff in der vorliegenden Diplomarbeit).
2.4.3 Selbstevaluation
Die letzte Phase autonomen Lernens ist ebenfalls von enormer Bedeutung und betrifft die
selbständige Beurteilung bzw. Evaluation des Lernens, welche nach Bimmel/Rampillon
(2000:5) auch ein Prinzip autonomen Lernens darstellt.
Nachdem die Phasen der selbständigen Vorbereitung und Regulierung des Lernens
dargelegt wurden, lässt sich leicht nachvollziehen, wie wichtig es für die Förderung der
Lernerautonomie ist, den Lernenden auch die Gelegenheit zur selbständigen Beurteilung
ihres Könnens und Lernens zu geben, bzw. ihnen die selbständige Beurteilung
beizubringen.
Schneider (1996, in: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1996:16) erwähnt in diesem
Zusammenhang, dass, immer wenn den Lernenden Gelegenheit zur Selbstbeurteilung
gegeben wird und ihnen Instrumente zur Selbstevaluation vorgeschlagen werden, sich
damit signalisieren lässt, dass ihnen zugetraut wird, sich selbst zu beurteilen. Dabei ist nach
Schneider (ebd.) zu beachten, dass die Selbstevaluation so wie jede andere Form der
Evaluation gelernt werden kann und gelernt werden muss, da manche Lernende dazu
tendieren, sich selbst zu überschätzen oder auch zu unterschätzen.
25
Diese Tatsache, dass Lernende sich nicht immer realistisch einschätzen, ist mit Sicherheit
jedoch kein Grund, Selbstbeurteilungen generell zu misstrauen oder zu vermeiden.
Plausible Selbsteinschätzungen kommen laut Schneider (ebd.: 17) am ehesten zustande,
wenn sich die Selbstevaluation auf konkrete Situationen und Aufgaben bezieht, wenn die
Kompetenzbeschreibungen sprachlich einfach, verständlich und ohne didaktische
Fachausdrücke formuliert sind und wenn die Lernenden mit den Beurteilungskriterien
vertraut sind – ganz besonders dann, wenn es sich um ihre eigenen Kriterien handelt, d.h.
um Kriterien, die die Lernenden sich zu eigen machen konnten oder die sie selbst
entwickelt haben. Andererseits meint Schneider (ebd.) sind Selbstbeurteilungen weniger
zuverlässig, wenn eher globale Einschätzungen verlangt werden oder wenn die
Selbstbeurteilungen irgendwie mit Noten oder Zeugnissen in Zusammenhang stehen, also
immer dann, wenn es für die Lernenden einen Vorteil bringen kann, nicht ehrlich zu sein.
Aus diesem Grund sollte man nach Schneider (ebd.) – zumindest beim Einstieg in die
Selbstevaluation – möglichst jede Verbindung mit Prüfungssituationen und Notengebung
vermeiden. Es geht nicht darum, dass die Lernenden sich selbst benoten, denn nicht die auf
eine abschließende Bewertung zielende Beurteilung steht im Vordergrund.
Selbstbeurteilung soll vielmehr im Sinne einer kontinuierlichen Evaluation den Schülern
helfen, den eigenen Lernprozess zu steuern und Entscheidungen zu treffen, die für ihr
weiteres Lernen nützlich sind.
Festzustellen ist jedenfalls laut Tönshoff (1995, in: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer
1995:47), dass die Lernenden durch die Selbstevaluation selbständiger werden und mehr
Eigenverantwortung übernehmen können. Tönshoff (ebd.) betont dabei, dass
Selbstevaluations-Aktivitäten sich unter anderem auch darauf beziehen können, ob ein
bestimmtes Lernziel erreicht ist, ob die Anforderungen einer bestimmten Lernaufgabe
erfüllt sind, welche Fortschritte in den verschiedenen Lernbereichen (z.B. kommunikative
Fertigkeiten, Grammatik, Wortschatz) erreicht worden sind, wo besondere
Lernschwierigkeiten liegen und häufig Fehler gemacht werden, inwieweit die individuelle
Lernplanung angemessen und realistisch ist, usw.
Demnach ziehe ich den Schluss, dass sich die Selbstevaluation nicht nur auf die Produkte
bzw. die Ergebnisse des Lernens bezieht, sondern auch die Reflexion, d.h. ein prüfendes
und vergleichendes Nachdenken über die eigenen Handlungen während des Lernprozesses
miteinbezieht.
26
Damit Lernende ihr Lernen überprüfen können, erweist es sich als nützlich, wenn ihnen
entsprechende Arbeitsblätter bzw. Fragebögen zur Bearbeitung gegeben werden38.
Zu erkennen ist wieder, dass auch in dieser Phase autonomen Lernens, d.h. für die
Befähigung einer realistischen Selbstbeurteilung, die Übung und Bewusstmachung
bestimmter Lernstrategien notwendig ist. Solche Lernstrategien sind zum Beispiel die in
Kapitel 3.4.3.1, S.46f der vorliegenden Arbeit beschriebenen Strategien zum Überwachen
und Auswerten des eigenen Lernens (vgl. Kapitel 3.4.3.1, S.46f der vorliegenden Arbeit).
Hinweisen möchte ich an dieser Stelle, dass all die beschriebenen Phasen von
Lernerautonomie eng miteinander verflochten sind und sogar in hohem Maße voneinander
abhängen. Außerdem ist zu bemerken, dass die eben dargestellte Reihenfolge der Phasen
keineswegs obligatorisch ist. Es kann durchaus der Fall sein, dass ein Lernender
beispielsweise die Selbstmotivierung auslässt und direkt zur selbständigen Regulierung des
Lernens springt usw. Festzustellen ist jedoch, dass je mehr die einzelnen Komponenten der
jeweiligen Phase von den Lernenden selbst geregelt und gesteuert werden, desto größer ist
auch der Grad der Autonomie.
Schlussfolgernd kommt meines Erachtens deutlich zum Ausdruck, wie stark der
Lernprozess in allen drei Phasen des autonomen Lernens von einem sehr wichtigen
Grundprinzip der Lernerautonomie ausgeht, nämlich dem Prinzip „die Verantwortung für
sein eigenes Lernen übernehmen zu dürfen und zu können“.
2.5 Zur Förderung von Lernerautonomie
Dieses Kapitel setzt sich nun mit einem für die Unterrichtspraxis sehr wichtigen Aspekt
auseinander, nämlich mit der Förderung der Lernerautonomie im Fremdsprachenunterricht.
Es ist bestimmt ein Irrtum zu glauben, Selbständigkeit stelle sich irgendwann von selbst
ein, indem der Lehrer schlicht die in Lehrplänen dargestellten Grundkompetenzen mit den
Lernenden differenziert aufbaut.
Im Gegenteil sollte Selbständigkeit im Fremdsprachenunterricht ein Ziel sein, das in jeder
Unterrichtsstunde angestrebt wird und das in kleinen Schritten mit der Zeit erreicht wird.
Das heißt, dass Lernerautonomie keineswegs eine Voraussetzung ist, die die Lernenden in
den Unterricht mitbringen müssen, und dass sie nicht damit erreicht wird, indem den
38 Ein Exemplar dazu von Rampillon (1995:46) lege ich dem Anhang S.8 in der vorliegenden Diplomarbeit bei.
27
Lernenden einfach ein Freiraum fürs Lernen geschaffen wird oder eine Reihe von
Selbstmaterialien zur Verfügung gestellt wird.
Um die Lernerautonomie gezielt im Unterricht zu fördern, müssen sehr stark die bereits
erwähnten Komponenten der einzelnen Phasen autonomen Lernens beachtet werden, in den
Unterricht miteinbezogen und in die Praxis umgesetzt werden.
Laut Nodari (1995, in: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1996:8) lässt sich die
Selbständigkeit fördern, wenn im Unterricht eine optimale Orientierung im Lehr-
/Lerngeschehen geboten wird, z.B. durch einfache Lektions- und Wochenpläne, explizite
Lehrziele, explizite Minimalanforderungen, genaue Kenntnis der Lehrmaterialien usw. Die
Lernenden sollten darüber Bescheid wissen, welchen Stoff sie jedes Mal zu behandeln, zu
verarbeiten und aufzunehmen haben und was, d.h. welche Fähigkeiten und Kenntnisse, von
ihnen erwartet wird.
Eine weitere Möglichkeit zur Förderung der Lernerautonomie bezieht sich nach Nodari
(ebd.) auf die bewusste Übernahme von Verantwortungen für das eigene Lernen, z.B.
durch Wahlmöglichkeiten in Bezug auf Texte, Übungen, Aktivitäten,
Unterrichtsmaterialien, durch Selbstkorrektur und Selbstevaluation, durch explizite
Lernziele, usw. Lernende sollten selbst darüber entscheiden, welches Lernziel anhand
welcher Texte bzw. Unterrichtsmaterialien sie zu erreichen bezwecken, ob sie gern allein
oder mit anderen zusammen eine Aufgabe bewältigen wollen, usw.
Die Reflexion über das eigene Lernen und die Optimierung des Lernverhaltens, z.B.
anhand von Fragebögen zum Lerntyp, durch Diskussionen über den Unterricht, durch
Selbsteinschätzung, durch Lehrpersonenbeurteilung, durch Austausch von Erfahrungen mit
Lernstrategien, usw. ist nach Nodari (ebd.: 6ff) für die Förderung der Lernerautonomie
ebenfalls sehr bedeutsam. Hinzu kommt die Reflexion über fremde und eigene kulturelle
Prägungen, z.B. über spezifische Verhaltensweisen, über individuelle und soziale Werte,
über Rituale, usw.
Darüber hinaus, ergänzt Nodari (ebd.: 6) können auch die einzelnen Unterrichtsformen39
wie zum Beispiel Projektunterricht, Wochenplanarbeit, u.a. wichtige Beiträge zur
Autonomieförderung leisten. Auch diese aber funktionieren nicht per se, sondern müssen
sorgfältig eingeführt und eingeübt werden. Das Vorgehen und die Regeln in der
Gruppenarbeit oder bei der Arbeit im Internet muss von den Lernenden genauso gelernt
werden wie der Einsatz von spezifischen Lernstrategien, Lern- und Arbeitstechniken40.
39 Vgl. Kapitel 4.3 der vorliegenden Diplomarbeit. 40 Vgl. Kapitel 3.1 der vorliegenden Diplomarbeit.
28
Wie zu verstehen ist, ist die Förderung der Selbständigkeit keine vorgefertigte
Unterrichtsmethode, die die Lehrenden zu lernen und schlicht in ihrem Unterricht
anzuwenden haben. Sie beginnt vielmehr mit einer Reihe von Entscheidungen, die
Lehrende in der Unterrichtsplanung und –vorbereitung treffen und die vor allem die Inhalte
und die Vorgehensweisen betreffen.
Die Frage, wie die Selbständigkeit bei allen Schülern innerhalb des schulischen
Fremdsprachenunterrichts gefördert werden kann, ist eine zentrale Frage der Methodik.
Nodari (ebd.: 10) macht dabei auf die Gefahr aufmerksam, dass der Autonomiegedanke
unzulässigerweise auf Selbstlernen und damit auf Isolation des Lernenden, Antagonismus
und asoziales Verhalten reduziert wird. Dieser Gefahr müsse entgegengewirkt werden,
indem Autonomie nicht nur mit effizienterem Lernen, sondern auch mit der Entfaltung der
Persönlichkeit und mit Lernen im sozialen und kulturellen Austausch in Verbindung
gebracht werde, denn autonomes Lernen heiße auf keinen Fall isoliertes Lernen.
Zum Abschluss ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die Förderung der Lernerautonomie im
Unterricht – in unserem Fall im Fremdsprachenunterricht Deutsch – in höchstem Maße von
den eingesetzten Lehr-/Lernmaterialien abhängt und mit der Vermittlung und dem Training
von Lernstrategien in Verbindung steht. Diese Feststellung lässt sich nachweisen, wenn
berücksichtigt wird, dass bei den einzelnen Phasen (selbständige Vorbereitung – Steuerung
– Evaluation) autonomen Lernens die Vermittlung und der Einsatz entsprechender
Lernstrategien die zentrale Rolle spielen.
Aufgrund dessen ist mit Überzeugung davon auszugehen, dass autonomes Lernen im
Fremdsprachenunterricht ohne die Vermittlung und Anwendung von Lernstrategien nicht
erreichbar und nicht realisierbar ist.
Wie Lernstrategien vermittelt und geübt werden können, wird im folgenden Kapitel
ausführlich dargelegt.
3. Lernstrategien
Dieses Kapitel der Diplomarbeit ist den Lernstrategien gewidmet, die zur Förderung der
Lernerautonomie eine äußerst wichtige Rolle spielen, zumal, wie bereits im vorigen Kapitel
zu erkennen war, die Anwendung von Strategien vorausgesetzt wird, damit die Lernenden
29
zur selbständigen Vorbereitung, Regulierung und Bewertung ihres Lernens befähigt
werden.
3.1 Definition und Bestimmung des Begriffs Lernstrategien
Bevor ich den Begriff „Lernstrategien“ erläutere und genauer bestimme, halte ich es für
angebracht zuvor eine Definition des Begriffs „Strategie“ zu geben.
Nach Lompscher (1991, in: Nold 1992:95) handelt es sich bei den Strategien um
allgemeine Entscheidungsregeln oder allgemeine Vorgehensweisen, deren Ziel es ist, die
Methoden und Mittel auszuwählen und anzuwenden, die geeignet erscheinen, bestimmte
Ziele zu erreichen. Solche Strategien, bemerkt Lompscher (ebd.) weiter, bestimmen den
Verlauf und die Ergebnisse von konkreten Handlungen in Problemlösesituationen und
anderen Situationen. Sie können auf sehr verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichem
Ausmaß mehr oder weniger bewusst sein; aber in jedem Fall gründen sie subjektiv auf
Erfahrung, Vorstellungen, Vorurteilen, etc.
Obwohl ich der Erläuterung von Lompscher (ebd.) entsprechend auch die „Lernstrategien“
definieren könnte, so stoß ich dennoch bei meinem Versuch, den Begriff „Lernstrategien“
angemessen zu klären, auf eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe, wie zum Beispiel
„Prozeduren“, „Techniken“, „Taktiken“, „Operationen“, „Prozesse“ oder „Pläne“ (vgl.
Stöferle 1999, in: www.fb10.uni-bremen.de/inform/ strategielit.htm), die alle zur
Kennzeichnung und Beschreibung von „Lernstrategien“ von vielen Autoren in der
Fachliteratur unterschiedlich verwendet werden.
So gebrauchen beispielsweise Storch (2001:21) und Tönshoff (1992, in:
http://www.hueber.de/lehrer/daf/materialien/index.asp) den Begriff „Lernerstrategien41“ als
Oberbegriff, der sowohl „Lernstrategien“ als auch „Sprachverwendungsstrategien“
(Kommunikationsstrategien) umfasst.
Rampillon (1985:12ff) dagegen ist der Auffassung, der Terminus „Lernstrategien“ habe
sich zunehmend in der fachlichen Umgangssprache durchgesetzt und bevorzugt
vorwiegend den Begriff „Lerntechniken“. Unter Lerntechniken versteht Rampillon (ebd.:
17ff) Verfahren, die vom Lernenden absichtlich und planvoll angewandt werden, um sein
fremdsprachliches Lernen vorzubereiten, zu steuern und zu kontrollieren, während sie mit
41 „Inzwischen hat sich der Begriff ‘Lernstrategien’ (learning strategies) gegenüber dem von einigen Autoren nach wie vor bevorzugten Begriff ‘Lernerstrategien’, der auf die Unterscheidung von Tarone (1980) zurückgeht, durchgesetzt. Kommunikations- (Kompensations-)strategien werden als eine Gruppe von Lernstrategien betrachtet“ (Mißler 1999:118).
30
Lernstrategien allgemein formulierte (mentale) Pläne bezeichnet, die verschiedene
Lernschritte und Lerntechniken enthalten und die für die Realisierung komplexer
Lernprozesse eingesetzt werden.
Ehnert/Möllering (2001:49) verwenden den Begriff „Sprachlernstrategien“ und bezeichnen
damit die Methoden und Techniken, die Lerner anwenden, um den Spracherwerbsprozess
für sich möglichst effektiv zu gestalten.
Nold (1992, in: Nold 1992: 10) begreift wiederum Lernstrategien nicht vorwiegend als
technisch-praktische Hilfen zur Organisation von Lernprozessen, sondern als kognitive und
metakognitive Strategien, mit deren Hilfe der Lerner sein eigenes Lernen kontrolliert.
Andere Autoren verstehen unter einer Lernstrategie eine Lernmethode, die als Schrittfolge
für die Lösung komplexer Aufgaben dargestellt wird (vgl. Autorenkollektiv 1986, zitiert
nach Stöferle 1999, in: www.fb10.uni-bremen.de/inform/ strategielit.htm).
An dieser Stelle möchte ich klar stellen und darauf hinweisen, dass in der vorliegenden
Arbeit der Begriff „Lernstrategien“ verwendet wird – und nicht etwa „Lerntechniken“ – ,
und teile damit die Ansicht von Bimmel (1993, in: Fremdsprache Deutsch, 1/1993:51), dass
dieser Begriff im Unterschied zu „Lerntechniken“ den Vorteil hat, dass er fest in der
kognitiven Lerntheorie verankert ist. Der Begriff Lerntechniken hat demgegenüber den
Nachteil, dass er sich häufig nur auf Listeninventare mit „Tipps und Tricks“ bezieht.
Bemerkbar macht sich zudem in diesem Zusammenhang laut Bimmel (ebd.), dass in der
Fachliteratur öfters Versuche unternommen werden, „Lernstrategien“ von „Lerntechniken“
scharf voneinander abzugrenzen, indem meistens einfache Handlungen (wie der Gebrauch
eines Wörterbuchs) als „Lerntechniken“ bezeichnet werden, während für komplexere
Handlungen der Begriff „Lernstrategien“ vorgeschlagen wird. Solche Abgrenzungs-
versuche scheitern allerdings, wie auch Bimmel (ebd.) anmerkt, an Definitionsproblemen.
Zweifellos bestehen noch mehrere Definitionen, die sich allerdings im Rahmen dieser
Diplomarbeit nicht alle erwägen lassen. Auffallend ist jedenfalls, dass viele
Bedeutungsvarianten des Begriffs „Lernstrategien“ in der Literatur zu finden sind.
In der vorliegenden Diplomarbeit schließe ich mich der Auffassung von Bimmel (1993, in:
Fremdsprache Deutsch, 1/1993:5f) und Mißler (1999:121f) an und definiere
dementsprechend „Lernstrategien“ als mentale42 Handlungspläne, die im Hinblick auf die
Lernerautonomie darauf zielen, etwas selbständig lernen zu können.
42 „Der Begriff mental bezieht sich auf einen Kernpunkt der kognitiven Theorie, nämlich, dass der Mensch einen erkennenden Geist besitzt, der aktiv und bewusst Ideen, Pläne usw. konstruiert“ (Bimmel 1993, in: Fremdsprache Deutsch, 1/1993:51).
31
Dabei handelt es sich nach Mißler (ebd.) zweifellos um ein multidimensionales Konstrukt,
das kognitive, metakognitive, affektive und soziale Aspekte miteinbezieht. Die Lernenden
müssen aus ihrem Repertoire an Lernstrategien diejenigen aussuchen können, die für das
Erreichen eines bestimmten Zieles am geeignetsten erscheinen.
Zu erwähnen ist zudem, dass in dieser Definition die Pläne als bewusst begriffen werden,
und daher auch unterrichtet werden können, denn, „wenn wir Strategien unterrichten
wollen, dann geht das im Grundegenommen ja nur unter der Voraussetzung, dass es sich
dabei (zumindest am Anfang des Lernens) um bewußte Kenntnisse handelt: Was
‘unbewusst’ oder ‘automatisch’ abläuft, läßt sich schwer unterrichten“ (Bimmel 1993, in:
Fremdsprache Deutsch, 1/1993:6). Ein weiterer Punkt, der in der Definition angesprochen
wird, ist die Unterscheidung zwischen einer Strategie und der Ausführung der Strategie,
d.h. „Lernstrategie = Strategie + Ausführung der Strategie“. Auf diese Weise lässt sich das
strategische Handeln der Lernenden möglichst genau beschreiben und in Schritte
unterscheiden. Die folgenden zwei Kapitel befassen sich nun mit diesen zwei Faktoren der
Definition, nämlich der Strategie und anschließend der Ausführung der Strategie.
3.2 Kennzeichen von Lernstrategien
Zuerst möchte ich auf die allgemeinen Merkmale von Lernstrategien eingehen, die für die
in Kapitel 3.4 der vorliegenden Arbeit dargestellten Strategien ebenfalls zutreffen.
Nach Tönshoff (1992, in: http://www.hueber.de/lehrer/daf/materialien/index.asp) und
Krapp (1993:292, zitiert in: Mißler 1999:119) liegt das Definitionsproblem von
„Lernstrategien“ unter anderem daran, dass aufgrund der zahlreichen verschiedenen
theoretischen Ausrichtungen auch unterschiedliche Definitionsansätze formuliert wurden.
Diese Schwierigkeit, „Lernstrategien“ zu definieren, hat laut Mißler (ebd.) viele Autoren
dazu geführt, Kriterienlisten mit den Kennzeichen von Lernstrategien anzufertigen.
Zur Veranschaulichung möchte ich im Folgenden sechs gemeinsame Kriterien von Wenden
(1987a:7-8, zitiert in: Mißler 1999:119) und Oxford (1990a:9) erwähnen und im Anschluss
sechs weitere von Oxford (1990a:9f) formulierte Kriterien.
Die von Wenden und Oxford aufgelisteten Eigenschaften von „Lernstrategien“ lauten: (1)
Spezifität, d.h. dass es sich bei Lernstrategien um vom Lerner ausgewählte spezifische
Handlungen handelt; (2) Beobachtbarkeit, d.h. dass einige Lernstrategien beobachtbar sind
und andere nicht; (3) Problemorientierung, d.h. dass Lernstrategien problemorientiert sind;
Sie werden oft gezielt zur Bewältigung von Problemen beim Lernen und Kommunizieren
32
angewendet; (4) Direktheit, d.h. Lernstrategien sind Verhaltensweisen, die das Lernen
direkt oder indirekt unterstützen; (5) Bewusstheit, d.h. Lernstrategien werden oft bewusst
vom Lerner eingesetzt; und schließlich (6) Vermittelbarkeit, d.h. dass sich Lernstrategien
vermitteln lassen.
Oxford nennt sechs weitere Kriterien, nämlich (7) Förderung kommunikativer Kompetenz,
d.h. dass Lernstrategien einen Beitrag zum Hauptziel des Lernens leisten, dem Erreichen
kommunikativer Kompetenz; (8) Förderung von Selbstbestimmtheit, d.h. Lernstrategien
erlauben den Lernenden, in stärkerem Maße selbstbestimmt zu handeln; (9) veränderte
Lehrerrolle; (10) Multidimensionalität, d.h. dass Lernstrategien viele Aspekte des Lernens
umfassen und nicht nur die kognitiven, sondern auch die metakognitiven und die
affektiven; (11) Flexibilität, d.h. Lernstrategien können, was die Auswahl, Kombination
und Sequenzierung angeht, flexibel eingesetzt werden; und (12) Einbettung in komplexes
Faktorengebilde, d.h. dass der Einsatz von Lernstrategien durch eine Reihe von Faktoren
beeinflusst wird (z.B. Alter, Motivation, Persönlichkeit, Lernziel, usw.).
Trotz der unterschiedlichen Erklärungsansätze lässt sich doch ein relativ gemeinsamer
Punkt zwischen den verschiedenen Definitionsansätzen finden, auf den Raabe aufmerksam
machte, und der als wesentlichstes Merkmal von Lernstrategien gilt: „größter gemeinsamer
Nenner bei der Definition von Lernerstrategie (und damit auch von Lernstrategie) ist:
Strategien sind problem-orientiert, zielgerichtet und (potentiell) bewußt“ (Raabe 1989, in:
Königs/Szulc 1989:196f).
3.3 Beschreibung von Lernstrategien
In diesem Teil wird nun der zweite Aspekt der Definition von Lernstrategien in Erwägung
gezogen, nämlich die Ausführung der Strategie. Demzufolge befasse ich mich damit, das
strategische Handeln der Lernenden genau zu beschreiben und in Schritte zu unterscheiden.
Nach Bimmel (1993, in: Fremdsprache Deutsch, 1/1993:6) verfolgen Lernende vor allem
vier Schritte, die sich deutlich zu erkennen geben und die ich nun kurz erläutern möchte.
Der erste betrifft die genaue Bestimmung der Lernziele, die, wie bereits in vorigen Kapiteln
der Arbeit veranschaulicht wurde, ein grundlegender Faktor für die Lernerautonomie ist
und sich dementsprechend auch auf ein effektives strategisches Handeln auswirkt.
Nachdem das Lernziel von den Lernenden festgelegt wird, ist nach Bimmel (ebd.) ein
Handlungsplan, eine Strategie zu entwickeln, die entweder fix und fertig im Gedächtnis der
Lernenden vorhanden sein kann, oder die an Ort und Stelle ausgedacht werden muss. Wenn
33
es um eine vorhandene Strategie geht, bemerkt Bimmel (ebd.), muss die Strategie vielleicht
adaptiert oder transformiert werden, damit sie zum vorher gesetzten Ziel führt. Der dritte
Schritt bezieht sich nun auf die Ausführung des Handlungsplans, der Strategie. Dabei
müssen Lernende überwachen43, ob ihre Aktivitäten weiterhin zielgerichtet sind und somit
auch den gewünschten Effekt bewirken. Falls nötig, müssen Lernende in der Lage sein,
unterwegs eine andere Strategie zu wählen oder die angewandte Strategie zu verändern.
Nach der Ausführung sollen die Lernenden auf ihr eigenes strategisches Handeln zurück-
blicken und ihre Vorgehensweise selbständig evaluieren bzw. bewerten – im Hinblick auf
das am Anfang gesetzte Lernziel (vgl. Bimmel ebd.).
Die obige Darstellung der Schritte strategischen Handelns lässt Lernstrategien, wie Bimmel
(ebd.: 7) weiter bemerkt, in einer WENN-DANN Bedingungs-Handlungskombination
beschreiben, z.B. „wenn es mein Ziel ist, einen neuen Ausdruck zu lernen, dann analysiere
ich den Ausdruck und suche mir die passende Grammatikregel.“ Diese Beschreibungsform
hat laut Bimmel (ebd.) den Vorteil, dass sie flexibel ist, denn Strategien, die in dieser Form
gelernt worden sind, können je nach Bedarf adaptiert und verändert werden und relativ
leicht auf neue Aufgaben übertragen werden. Die gleiche Handlung kann unter Umständen
zu einem anderen Ziel passen oder bei einem leicht veränderten Ziel kann die Handlung
ebenfalls leicht verändert und dem neuen Ziel angepasst werden. Da der Lernende genau
weiß, wann die Strategie anwendbar ist und demnach über so genannte konditionale
Kenntnisse verfügt, ist er in der Lage die gelernte Strategie jedes Mal flexibel anzuwenden,
wenn er ein bestimmtes Ziel anstrebt, zu dem diese Strategie passt (vgl. Bimmel ebd.).
Diese Beschreibung von Lernstrategien ist meines Erachtens leicht zu erfassen und sollte
deshalb auch auf diese Weise den Schülern vermittelt werden. Werden die Lernenden mit
diesem Schema „wenn – dann“ vertraut gemacht, kann angenommen werden, dass sie zu
einem bewussten Umgang mit Lernstrategien und folglich auch schrittweise zum
autonomen Lernen befähigt werden.
3.4 Klassifikation von Lernstrategien
In diesem Kapitel beabsichtige ich nun, die verschiedenen Lernstrategien nach Kategorien
zu ordnen und somit einen leicht erfassbaren Überblick zu bieten.
43 „Die amerikanische Literatur verwendet den Begriff ‘monitoring’“ (Bimmel 1993, in: Fremdsprache Deutsch, 1/1993:6)
34
Bemerken möchte ich zu diesem Punkt, dass mir die Wahl einer Taxonomie durchaus nicht
leicht gefallen ist, zumal in der Fachliteratur zahlreiche unterschiedliche
Klassifikationsversuche verschiedener Autoren existieren. Begründen lässt sich dies, wenn
man bedenkt, dass als Folge der bereits erwähnten unterschiedlichen Definitionsansätze
viele Autoren versuchten, die Lernstrategien auch dementsprechend auf verschiedene Art
und Weise zu kategorisieren. Im Folgenden gewähre ich nur einen kurzen Einblick in
manche Klassifikationsschemata von Lernstrategien, da es kaum möglich ist, in dieser
Arbeit alle ausführlich zu präsentieren.
Anschließend beschreibe ich die für diese Diplomarbeit gewählte Taxonomie.
Als erstes beziehe ich mich auf die Klassifikation von Rampillon44 (2000:15), die von den
einzelnen Sprachfertigkeiten (Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben), von der Grammatik und
vom Wortschatz ausgeht, um Lernstrategien zu kategorisieren. Zu bemerken ist nochmals,
dass Rampillon (ebd.) den Begriff „Lerntechniken“ verwendet und nicht Lernstrategien.
Dabei unterscheidet sie Lerntechniken, die das Lernen vorbereiten und steuern.
Beeindruckend scheint für mich, dass das Schema von Rampillon weniger ein theoretischer
Ansatz zur Klassifizierung von Lernstrategien darstellt, sondern vielmehr direkt im
Unterricht (von den Schülern und von den Lehrern) benutzt werden kann, d.h. die
Klassifizierung hat eine didaktische Dimension (vgl. dazu ausführlich Rampillon 2000:15).
Ähnlich wie das Klassifikationsschema von Rampillon (ebd.) scheint auch das
Klassifikationsschema von Prokop (1989, in: Fremdsprache Deutsch, 1/1993:13ff) sich auf
die Komponenten des Spracherwerbs zu beziehen (Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben; die
Aneignung von Wortschatz; Erwerb interkultureller Kompetenz; Herausbildung einer
grammatischen Metasprache) und unterscheidet zwischen Lernstrategien, die (1) zur
Beachtung der Details einer Lernaufgabe eingesetzt werden; (2) zur kreativen Verwendung
von Sprache dienen; (3) zur Verknüpfung von Unbekanntem mit Bekanntem gebraucht
werden; (4) vermittelnde Strategien; (5) Strategien zum globalen und (6) zum linearen
Lernansatz (vgl. dazu ausführlich Prokop 1989, in: Fremdsprache Deutsch, 1/1993:13ff).
Weinstein und Mayer (1986, in: Mißler 1999:126) dagegen führen acht Kategorien von
Lernstrategien an, die nach ihrer Funktion für den Informationsverarbeitungsprozess
geordnet sind. Sie unterscheiden zwischen (1) einfachen Wiederholungsstrategien; (2)
komplexen Wiederholungsstrategien; (3) einfachen Elaborationsstrategien; (4) komplexen
Elaborationsstrategien; (5) einfachen Organisationsstrategien; (6) komplexen
44 Siehe Anhang S.9 in der vorliegenden Diplomarbeit.
35
Organisationsstrategien; (7) Verstehensüberwachungsstrategien und (8) affektiven
Strategien (vgl. dazu ausführlich Mißler 1999:126f).
Wolff (1998, in: Timm 1998:70ff) unterscheidet wiederum sechs Strategiegruppen anhand
ihrer Ausrichtung auf bestimmte Ziele. Die erste Gruppe bezieht sich auf den Erwerb
sprachlicher Mittel, die zweite Gruppe auf die sprachlichen Fertigkeiten, eine weitere auf
die fremdsprachliche Kommunikation, während die anderen Strategien auf die
Sprachreflexion und auf das Lernen bezogen sind und die letzte Gruppe soziale Strategien
umfasst (vgl. dazu ausführlich Wolff 1998 in: Timm 1998:70ff).
O´Malley & Chamot45 (1990:119ff) dagegen unterscheiden zwischen „kognitiven“,
„metakognitiven“ und „sozialen“ Strategien.
Trotz dieser knappen Schilderung einiger Klassifizierungen kommt meines Erachtens
deutlich zum Ausdruck, dass viele Autoren Lernstrategien jeweils auf eine unterschiedliche
Ebene (Sprachebene, Formebene, Kommunikationsebene, usw.) zu kategorisieren
versuchen. Wie ich bereits erwähnt habe und nochmals betonen möchte, lässt sich die
Existenz dieser zahlreichen Klassifizierungen auch dadurch erklären, dass in der
Sprachwissenschaft und demnach auch in der Fremdsprachendidaktik keine Einigkeit
darüber herrscht, wie eigentlich Lernstrategien wissenschaftlich angemessen zu definieren
sind und wie sie als einzusetzende „Lernhilfen“ im Unterrichtsprozess zu begreifen und zu
realisieren sind. Demzufolge fehlt ein einheitlicher wissenschaftlicher Rahmen, der alle
Lernstrategien veranschaulicht und deren Funktion und Ziele deutlich abgrenzt.
In der vorliegenden Arbeit werden die Lernstrategien mit Hilfe des Klassifikationsschemas
von Oxford46 (1990a:17ff) und O´Malley & Chamot (1990:119ff) nach Kategorien
geordnet. Meine Entscheidung diese Klassifizierungen zu wählen, liegt hauptsächlich
daran, dass diese Schemata meiner Ansicht nach am ausführlichsten und am leichtesten zu
erfassen sind. Außerdem umfassen sie im Vergleich zu anderen Klassifizierungen eine
große Anzahl von Strategien, und versuchen diese in einer verständnisvollen Ordnung
darzustellen.
Wie ich bereits erwähnt habe, fokussiert das Schema von O´Malley & Chamot
(1990:119ff) grundsätzlich auf „kognitive“ und „metakognitive“ Strategien, wobei auch
zwei „soziale“ Strategien angegeben werden.
45 Siehe Anhang S.10f in der vorliegenden Diplomarbeit. 46 Siehe Anhang S.12 in der vorliegenden Diplomarbeit.
36
Oxford (1990a:14ff) dagegen wählt die Kategorisierung in „direkte“ und „indirekte“
Strategien.
Trotz des Gebrauchs unterschiedlicher Begriffe für die Klassifizierung von Lernstrategien
wird im Weiteren veranschaulicht, dass die Untergliederung jedes Strategietyps in mehrere
grundlegende Strategien und die verschiedenen Realisationen, die O´Malley & Chamot
(1990:119ff) und Oxford (1990a: 14ff) diesen Strategien zuordnen sich mehrmals in beiden
Schemata überschneiden.
In der vorliegenden Arbeit präsentiere ich die Klassifizierung der Lernstrategien
einheitlich, indem das Schema von O´Malley & Chamot (1990:119ff) in das von Oxford
(1990a:14ff) sozusagen integriert wird, zumal letzteres die Lernstrategien ausführlicher und
genauer darstellt (vgl. das einheitliche Klassifikationsschema S.50 der vorliegenden
Diplomarbeit). Da Bimmel/Rampillon (2000:65f) ebenfalls eine einheitliche
Klassifizierung der Lernstrategien (von O´Malley & Chamot und Oxford) verwenden,
beziehe ich mich im Folgenden bei der Beschreibung der einzelnen Lernstrategien auch
teilweise auf die Darlegungen von Bimmel/Rampillon (2000:65ff).
3.4.1 Zur Unterscheidung zwischen „direkten“ und „indirekten“ Strategien
Die Hauptkategorien von Lernstrategien, die sich nach den Klassifikationsschemata von
O´Malley & Chamot (1990:119ff) und Oxford (1990a:14ff) ergeben sind zwei
Lernstrategiegruppen, nämlich die „direkten“ bzw. „kognitiven“ und die „indirekten“ bzw.
„metakognitiven“ Lernstrategien, die jeweils weitere Kategorien umfassen.
Allerdings ist an dieser Stelle zu sagen, dass im Klassifizierungsschema von Oxford (ebd.)
„kognitive“ Strategien eine Kategorie „direkter“ Strategien und „metakognitive“ Strategien
eine Kategorie „indirekter“ Strategien darstellen. Zur einheitlichen Übersicht wird in dieser
Arbeit die Hauptkategorie der „kognitiven“ Strategien von O´Malley & Chamot
(1990:119ff) in die Kategorie „direkter“ Strategien von Oxford (1990a:14ff) aufgenommen
und dementsprechend auch die „metakognitiven“ Strategien in die Kategorie „indirekter“
Strategien. Im Verlauf der Diplomarbeit werden deshalb mit „direkten“ Strategien
gleichzeitig auch „kognitive“ Strategien gemeint und mit „indirekten“ die
„metakognitiven“ Strategien.
Die Unterscheidung zwischen „direkten“ und „indirekten“ Strategien wurde auch von
anderen Autoren bevorzugt, jedoch beziehen sich verschiedene Autoren mit diesen
Begriffen auf unterschiedliche Strategietypen.
37
So bezeichnen zum Beispiel Friedrich&Mandl (1992:8) „direkte“ Strategien auch als
Primärstrategien und definieren diese als „[…] jene Strategien, die direkt auf die zu
erwerbende bzw. zu verarbeitende Information so einwirken, dass diese besser verstanden,
behalten, wieder abgerufen und transferiert werden kann, und dadurch zur Veränderung
kognitiver Strukturen und Prozessen führen“ (Friedrich&Mandl 1992:8). „Indirekte“
Strategien dagegen, die sie auch „Stützstrategien“ nennen, haben nur einen indirekten
Einfluss und zielen „[…] auf die Beeinflussung jener motivationalen und exekutiven
Funktionen, die auf den Prozess der Informationsverarbeitung indirekt einwirken, indem
sie ihn in Gang setzen, aufrechterhalten und steuern“ (Friedrich&Mandl ebd.).
Rubin (1981, 1987, in: Mißler 1999:131) andererseits begreift als „direkte“ Strategien
sowohl „kognitive“ als auch „metakognitive“ Strategien, während mit „indirekten“
Strategien vorwiegend „soziale“ und „Kommunikationsstrategien“ gemeint sind.
Oxford (1990a: 14ff) und O´Malley & Chamot (1990:119ff) sind in ihrer Bezeichnung von
„direkten“ bzw. „kognitiven“ und „indirekten“ bzw. „metakognitiven“ Strategien präziser
und ermöglichen einen guten Überblick und ein leichtes Verständnis.
3.4.2 Direkte Strategien
Bevor ich auf die einzelnen Strategiegruppen eingehe, die zu den „direkten“ Strategien
gehören, möchte ich kurz erläutern, was unter „direkten“ Strategien zu verstehen ist und
wie dieser Begriff im Verlauf der Diplomarbeit aufzufassen ist.
Mit „direkten“ Strategien werden von Oxford (1990a:14ff) solche Lernstrategien
bezeichnet, bei denen der Lerner sich bei spezifischen Aufgaben und Situationen direkt mit
dem Lernstoff, d.h. der Zielsprache – in unserem Fall der deutschen Sprache – auseinander
setzt und dabei die Zielsprache mental verarbeitet. Diese Strategien, die sich direkt auf den
Lernstoff beziehen, werden von O´Malley & Chamot (1990:119ff) als „kognitive“
Strategien bezeichnet. Zu den „direkten“ Strategien gehören:
3.4.2.1 Gedächtnisstrategien
Diese Strategien dienen nach Oxford (1990a: 14ff) dem besseren Behalten und Abrufen
neuer Informationen, d.h. dass die Lerner solche Lernstrategien anwenden, um neue
Informationen so im Gedächtnis zu speichern, dass sie sowohl gut behalten als auch leicht
wieder aus dem Gedächtnis abgerufen werden können. Gedächtnisstrategien umfassen:
38
- Herstellen mentaler Verbindungen:
Laut Bimmel/Rampillon (2000:66) lassen sich neue Informationen besser behalten und
leicht abrufen, wenn sie nicht isoliert gespeichert werden, sondern miteinander und mit
bereits vorhandenen Kenntnissen in Bezug gebracht werden.
Bimmel/Rampillon (2000:66f) erwähnen dazu folgende Lernstrategien:
Wortgruppen bilden: Der Lernende ordnet bedeutungsverwandte Wörter, die er in den
Texten oder in Wörterlisten kennen lernt, zu Wortgruppen. Auf diese Weise werden
sprachliche Informationen, die der Lernende aufnehmen möchte, so gesammelt, dass sie
durch Ordnungssysteme gebündelt werden.
Assoziationen mit dem Vorwissen verknüpfen: Jede Assoziation – vor allem die
ungewöhnlichste und überraschendste – ist gut, vorausgesetzt, dass sie für den Lernenden
Bedeutung hat.
Kontexte erfinden: Der Lernende kann zum Beispiel eine kurze Geschichte erfinden, um
eine Reihe von Verben, die keine Bedeutungsverwandtschaft haben, zu speichern.
Kombinieren: Der Lernende verbindet bekannte Sprachelemente in einer neuen Weise
(mündlich oder schriftlich).
- Einsatz von Bildern und Klängen:
Bei dieser Strategiegruppe geht es darum, Bilder und Klänge zu verwenden, um das Lernen
zu unterstützen. Lernstrategien, bei denen Bilder und Klänge eingesetzt werden, sind nach
Bimmel/Rampillon (2000:67f) folgende:
Bilder verwenden: Der Lernende verbindet ein Wort oder einen Ausdruck mit einem Bild
in seiner Vorstellung. Selbst erfundene Phantasiebilder gelten dabei als besonders kräftig.
Wortigel herstellen: Bei dieser Strategie verbindet der Lernende Wörter bildlich
miteinander, indem er im Zentrum einen Schlüsselbegriff schreibt, mit dem
bedeutungsverwandte Wörter verbunden werden. Bei der Anwendung dieser Strategie
werden gleichzeitig auch Wortgruppen gebildet und Assoziationen hergestellt47.
Zwischenwörter verwenden: Diese Strategie kombiniert Laute und Bilder und wird
ausgeführt, indem der Lernende das neue Wort mit einem bekannten Zwischenwort
assoziiert, das ungefähr gleich klingt (etwa aus der Muttersprache oder aus einer anderen
47 „Aus der Erforschung des Gehirns weiß man, dass offensichtlich nicht Einzelinformationen, sondern Sinneinheiten (chunks) im Gedächtnis gespeichert werden. Das Behalten von einzelnen Wörtern fällt sehr viel schwerer als das Behalten von Wörtern in einem Sinnzusammenhang. Für die Didaktik hat man daraus bestimmte Konsequenzen gezogen: Wörter werden nicht mehr nebeneinander oder untereinander notiert, sondern entsprechend in ihrem Zusammenhang“ (Bimmel/Rampillon 2000:106).
39
Fremdsprache) und indem der Lernende ein Bild erfindet, wo beide Wörter miteinander
verbunden werden.
Lautverwandtschaften nutzen: Bei dieser Strategie verbindet der Lernende neue Wörter
mit bereits bekannten. Die Verbindung kann durch die Lautverwandtschaft zwischen zwei
Sprachen hergestellt werden – etwa das deutsche Wort Haus mit dem englischen Wort
house. Zu bemerken ist allerdings, dass Ähnlichkeiten in der Aussprache von Wörtern nicht
immer auf eine gleiche oder ähnliche Bedeutung schließen lassen.
- „Gute“ Wiederholung:
Diese Strategie ist gewiss von enormer Bedeutung, zumal, wie auch Ebbinghaus (1966, in:
Bimmel/Rampillon 2000:68) darauf hinweist, von neuen Informationen, die nicht
wiederholt werden, innerhalb von einer Stunde die Hälfte vergessen wird und in den darauf
folgenden 48 Stunden wieder die Hälfte usw.
Aus diesem Grund scheint ein geplantes und regelmäßiges Wiederholen von Wörtern und
allgemein sprachlichen Mitteln unabdinglich. Eine „gute“ Wiederholung kann auch mit
Hilfe einer Vokabelkartei erreicht werden.
- Einsatz von offenen Verhalten / Handeln:
Nach Bimmel/Rampillon (2000:68) haben die Lernenden bei dieser Strategie unter
anderem die Möglichkeit, Wörter und Ausdrücke besser zu speichern, indem sie sich
„offen“ – je nach Wunsch und der jeweiligen Situation und Lernzielsetzung angemessen –
verhalten und auf diese Weise in Aktion treten, z.B Wörter und Ausdrücke unter anderem
auch schauspielerisch bzw. pantomimisch in der Klasse allein oder auch in Partnerarbeit
darstellen usw. Ein offenes Verhalten/Handeln wird stark in offenen Unterrichtsformen48
gefördert.
3.4.2.2 Sprachverarbeitungsstrategien
Wie bereits erwähnt wurde, bezeichnet Oxford (1990a:14ff) die zweite Kategorie
„direkter“ Strategien als „kognitive“ Strategien, während für O´Malley & Chamot
(1990:119ff) „kognitive“ Strategien der Oberbegriff für die Kategorisierung ist. Da alle
„direkten“ Strategien in dieser Arbeit auch gleichzeitig als „kognitive“ Strategien
bezeichnet werden, verwende ich, um Missverständnissen vorzubeugen, den Begriff 48 Vgl. Kapitel 4.3 der vorliegenden Diplomarbeit.
40
„Sprachverarbeitungsstrategien“ (Bimmel/Rampillon 2000:65) als zweite Kategorie der
direkten Strategien.
Wie aus dem Begriff „Sprachverarbeitungsstrategien“ leicht abzuleiten ist, handelt es sich
um Lernstrategien, die darauf gerichtet sind, die Fremdsprache in den unterschiedlichsten
Zugangsweisen zu verarbeiten. Zu diesen Lernstrategien gehören laut Bimmel/Rampillon
(2000:69) folgende:
- Strukturieren von Input49 und Output50:
Die Fähigkeit schriftliche bzw. mündliche Texte zu strukturieren, ist ohne Zweifel für
Lernende auch nach Abschluss der Schule eine große Lern- und Verstehenshilfe.
Dazu erwähnen Bimmel/Rampillon (ebd.) folgende Strategien:
Markieren: Bei dieser Strategie strukturiert der Lernende einen Text, indem er die für ihn
wichtigen Stellen (Namen, Zahlen, Daten, Schlüsselbegriffe, Schlüsselwörter, etc.) durch
Unterstreichungen, Umkreisungen, Einfügen von Symbolen, Verwendung von Farbstiften
(Leuchtstiften), usw. im Text markiert. Diese Strukturierungsstrategie wird meistens in
Kombination mit anderen, z.B. Zusammenfassen, ausgeführt.
Sich Notizen machen: Diese Strategie kann der Lernende sowohl rezeptiv (beim Lesen
oder Hören) als auch produktiv (als erster Schritt beim Schreiben oder zur Vorbereitung
eines Gesprächs) mit Hilfe von Assoziogrammen, Raster, u.Ä. einsetzen. Diese Strategie
geschieht nicht nur zur Unterstützung des Gedächtnisses, sondern auch, um sich besser auf
den Gedankengang des Gesprächs oder des Textes einstellen und sich auf das Wesentliche
konzentrieren zu können. Zu beachten ist, dass es nicht darum geht, ob die Notizen richtig
geschrieben sind, denn sie dienen ausdrücklich zur Bedeutung und zum Verstehen.
Gliederungen machen: Bei dieser Strategie konzentriert sich der Lernende auf das
Wesentlichste in einem Text, verarbeitet dies und bringt die Hauptinformationen in eine
angemessene Reihenfolge. Dabei spielen Markierungen, Überschriften usw. eine wichtige
Rolle. Gliederungen eignen sich auch sehr gut für das Schreiben eines Textes, da die
Gedanken zu einem Thema geordnet werden können, ehe sie nieder geschrieben werden.
49 Fremdsprachlicher Input sind die „Sprachdaten“, zu denen der Lerner Zugang hat und die auf der Grundlage des jeweils vorhandenen lernersprachlichen Wissens basieren. Parallel muss der Input den Lernzuwachs ermöglichen, indem er auch solche Elemente enthält, die der Lerner in ihrer Bedeutung bzw. Funktion noch erschließen muss (vgl. dazu ausführlich Tönshoff 1992, in Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1995:10). 50 Fremdsprachlicher Output bezeichnet die „Sprachproduktion“ der Lernenden, bei der sie versuchen, mit begrenzten und zum Teil noch unsicheren Mitteln ihr kommunikatives Ziel zu erreichen (vgl. dazu ausführlich Tönshoff 1992, in Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1995:10).
41
Zusammenfassen: Mit dieser Strategie erarbeitet der Lernende wieder die Haupt-
informationen aus einem Text, reduziert die wichtigsten Informationen auf Weniges und
fasst schließlich diese Informationen in einer dem Ausgangstext entsprechenden sinnvollen
Reihenfolge zu einem (kürzeren) Text zusammen.
- Analysieren und Regeln anwenden:
Diese Strategien zielen darauf, die Fremdsprache logisch zu analysieren und die Regeln
richtig anzuwenden. Bimmel/Rampillon (ebd.) erwähnen dabei folgende Strategien:
Wörter und Ausdrücke analysieren: Die Analyse von Wörtern und Ausdrücken hilft den
Lernenden bei der Bedeutungserschließung unbekannter und neuer Wörter und hat
zweifellos mit der Wortbildung zu tun, d.h. der Lernende findet die Bedeutung neuer
Wörter oder Ausdrücke, indem er sie zerlegt. Dabei ist es wichtig, dass Lernende über die
Wortbildung im Deutschen Bescheid wissen (zusammengesetzte Wörter – Komposita;
Ableitungen – Präfixe und Suffixe verraten meistens, um was für ein Wort es sich handelt,
z.B. Adjektive mit der Endung -los, Adjektive mit dem Präfix un- usw.).
Sprachen miteinander vergleichen: Diese Strategie wenden die meisten Lernenden von
sich aus an. Sie analysieren dabei Elemente (Laute, Wörter, Syntax) der Fremdsprache, um
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur Muttersprache oder auch anderen bereits erlernten
Fremdsprachen festzustellen. Die Strategie ist nicht ohne Risiko, da es leicht zu falschen
Schlussfolgerungen kommen kann.
Regelmäßigkeiten entdecken: Der Lernende sammelt und vergleicht Beispiele aus der
Fremdsprache, um grammatische oder andere Regelmäßigkeiten zu entdecken.
Anschließend werden diese Beispiele nach Merkmalen geordnet und schließlich in
verständlicher Form systematisiert. Das selbständige Entdecken der Merkmale sowie die
selbständige Regelformulierung ermöglicht ein besseres Behalten.
Regeln anwenden: Der Lernende wendet bewusst Regeln an, um die Fremdsprache zu
verstehen oder um selbst Äußerungen in der Fremdsprache zu produzieren. Ein potentielles
Risiko beim Gebrauch dieser Strategie ist das „Übergeneralisieren“ (Tönshoff 1992, in:
Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1995:5) d.h. die Anwendung von Regeln der
Fremdsprache auf sprachliche Kontexte, in denen sie nicht gelten.
- Üben:
Formelhafte Wendungen erkennen und verwenden: Da Wendungen, wie in jeder Sprache,
auch in der deutschen Sprache häufig zu treffen sind, jedoch oft ohne weitere Analyse als
42
lexikalische Einheiten von den Lernenden gelernt werden, ist es notwendig, den Lernenden
die Möglichkeit zu geben, solche Wendungen in beliebigen Texten zu erkennen und auch
selbständig in anderen Situationen (beim Sprechen oder beim selbständigen Schreiben)
verwenden zu können. Ein Transfer der erlernten Wendungen auf andere Lern- und
Kommunikationssituationen ist demnach von Bedeutung.
Satzmuster erkennen und verwenden: Auf gleicher Art sollten die Lernenden mit den
verschiedenen variierbaren Satzmustern im Deutschen vertraut gemacht werden. Lernende
können sich darin üben, selbstständig solche praktisch brauchbaren Muster in Texten (z.B.
in Dialogen oder Briefen) zu erkennen – und sie dann in Gesprächen oder in Briefen in
anderen Kontexten verwenden.
Die Fremdsprache kommunikativ gebrauchen: Mit dieser Strategie sucht der Lernende
nach Möglichkeiten, die Fremdsprache zu echten, kommunikativen Zwecken zu
verwenden. Dazu eignen sich zum Beispiel Brieffreundschaften, Kassettenaustausch oder
E-mails, Fernsehen, das Lesen ausländischer Zeitschriften, usw.
- Hilfsmittel anwenden:
Bei dieser Strategie versucht der Lernende, sein Lernen zu erleichtern und zu
unterstützen, indem er Hilfsmittel verwendet, wie zum Beispiel ein Wörterbuch, eine
Wörterliste, ein Grammatikheft, eine Grammatikübersicht, Briefmodelle usw.
3.4.2.3 Kompensationsstrategien
Die dritte Gruppe direkter Strategien umfasst nach dem Klassifikationsschema von Oxford
(1990a:14ff) Kompensationsstrategien, die vielmehr zur Verwendung der Zielsprache
eingesetzt werden und weniger wie die zuvor erwähnten Lernstrategien für das Erlernen
der Fremdsprache gebraucht werden. Mit dem Begriff „Kompensation“ bezeichnen
Bimmel/Rampillon (2000:196) demnach die Anwendung von Strategien, um Mängel in der
Beherrschung der Fremdsprache durch Gestik, Mimik, durch Umschreibungen usw.
auszugleichen und abzusichern, so dass die Kommunikation nicht abbricht. Demzufolge
werden Kompensationsstrategien von den Lernenden verwendet, um auch dann
kommunizieren zu können, wenn Wissenslücken zum Vorschein kommen und
Sprachkenntnisse oder Sprachgebrauch versagen.
Andere Autoren, darunter auch Tönshoff (1992, in: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer
1995:5), bezeichnen diese Strategien auch als „Kommunikationsstrategien“, zumal ihr
43
Einsatz grundsätzlich der Kommunikation in der Fremdsprache dient und der Bewältigung
von Kommunikationsproblemen.
Dazu werden von Bimmel/Rampillon (2000:75) folgende Strategien vorgeschlagen:
- Vorwissen nutzen:
Hypothesen bilden und überprüfen: Bei dieser Strategie setzt der Lernende sein
vorhandenes Wissen (Muttersprache, eine oder mehrere Fremdsprache, Weltwissen, Logik)
ein, um Hypothesen über die Bedeutung von Texten zu bilden. Dabei können der Kontext,
die Gliederung von Texten durch Überschriften oder durch Bilder usw. eine Hilfeleistung
sein. Im Text sucht der Lernende dann nach Hinweisen, um seine Hypothesen zu
überprüfen und, wenn nötig, zu korrigieren. Diese Lernstrategie setzt zunehmend
Aktivitäten in Gang, die zur Vorentlastung dienen. Dennoch können sie auch in Aktivitäten
zum gezielten Fertigkeitstraining (Leseverstehen, Hörverstehen) verwandelt werden.
Bedeutungen aufgrund sprachlicher Hinweise erraten: Der Lernende errät die Bedeutung
schriftlicher oder mündlicher Sprachäußerungen aufgrund sprachlicher Hinweise im Text.
Vor allem verwandte Wörter oder Internationalismen51 sind hier hilfreich.
Bedeutungen aus dem Kontext ableiten: Der Lernende verwendet Informationen und
Hinweise im Kontext, um die Bedeutung unbekannter Wörter abzuleiten.
- Mit allen Mitteln wuchern:
Nach Bimmel/Rampillon (ebd.) ist diese Gruppe von Strategien besonders wirksam, wenn
die Lernenden die Fremdsprache produktiv (Schreiben, Sprechen) gebrauchen. Die
Lernenden versuchen anhand solcher Strategien die Kommunikation aufrecht zu erhalten,
obwohl zu beachten ist, dass nicht alle Strategien dabei positiv zu bewerten sind.
Zur Muttersprache wechseln: Der Lernende verwendet Wörter aus der Muttersprache,
wenn er ein Wort in der Fremdsprache nicht kennt. Diese Strategie ist in der Regel wenig
erfolgreich, weil der Gesprächspartner meistens nicht verstehen kann, was der Lernende
meint, ausgenommen wenn der Lernende ein verwandtes Wort oder einen
Internationalismus gebraucht – aber oft kann der Lernende aufgrund seiner mangelnden
Sprachkenntnisse gar nicht wissen, ob dies der Fall ist.
51 Internationalismen sind „1. Wörter, die aus anderen Sprachen unverändert in Schreibung und Aussprache übernommen wurden (Computer, Internet, Jazz) 2. Wörter, die aus anderen Sprachen in der Schreibung unverändert übernommen, in der Aussprache jedoch der eigenen Sprache angepasst wurden (Balkon – balkon) und 3. Wörter, die aus anderen Sprachen übernommen, in Aussprache und Schreibung jedoch der eigenen Sprache angepasst wurden (Zigaretten – Cigarette)“ (vgl. dazu Theisen 2000:45).
44
Um Hilfe bitten: Der Lernende macht klar, dass er Hilfe braucht, z.B. indem er zögernd
oder in fragendem Ton spricht oder indem er explizit darum bittet (Wie sagt man das auf
Deutsch?)
Mimik und Gestik einsetzen: Der Lernende versucht durch Mimik und Gestik klar zu
machen, was er meint.
Gesprächsthemen vermeiden: „Vermeidungsstrategien“ (Bimmel/Rampillon 2000:197)
werden von Lernenden dann eingesetzt, wenn sie zu viele Probleme in bestimmten
Gesprächssituationen oder Gesprächsthemen erwarten und aus diesem Grund diese
vermeiden wollen.
Oft hat dies zur Folge, wie Bimmel/Rampillon (ebd.) anmerken, dass die Kommunikation
mit einer Sprachäußerung abgebrochen wird. In diesem Fall sei von den Lernenden
zumindest darauf zu achten, dass ein solcher Kommunikationsabbruch geschickt ist.
Deutlich wird, dass solche Strategien gebraucht werden, um Mängel in der Beherrschung
der Fremdsprache nicht bemerkbar werden zu lassen. Das geht von der Vermeidung eines
Wortes, das man nicht kennt, und das man umschreibt oder durch ein anderes ersetzt, bis
hin zum Themenwechsel.
Annähernd sagen, was man meint: Der Lernende wählt für ein Wort, das er nicht kennt,
einen Oberbegriff (z.B Baum statt Eiche) oder ein anderes Wort (Stift statt
Kugelschreiber).
Wörter erfinden: Der Lernende erfindet selbst ein Wort, wenn er das Wort, das er braucht,
nicht kennt. Zum Beispiel: Schneideding für Messer.
Diese Strategie scheint allerdings weniger erfolgreich zu sein, zumal der Gesprächspartner
eventuell nicht verstehen kann, was der andere meint.
Leere Wörter einsetzen: Der Lernende deutet an, was er meint, indem er Wörter wie
Dingsda oder Dingsbums verwendet. Bei informellen Gesprächen, wo dazu noch der
Kontext Anhaltspunkte bietet, kann diese Strategie ab und zu angewandt werden, ohne dass
es den Gesprächspartner stört.
Umschreibungen und Synonyme: Der Lernende umschreibt, was er meint (z.B. was man
braucht, um die Haare zu waschen), oder gebraucht ein Synonym.
3.4.3 Indirekte Strategien
Bevor die einzelnen Strategiegruppen, die zu den „indirekten“ Strategien gehören, genauer
dargestellt werden, möchte ich kurz auf den Begriff „indirekte“ Strategien eingehen.
45
Mit „indirekten“ Strategien werden von Oxford (1990a:14ff) solche Lernstrategien
bezeichnet, die das Sprachlernen unterstützen und leiten, wobei in vielen Fällen die
Zielsprache selbst gar nicht involviert zu sein braucht. „Indirekte Strategien sind in nahezu
allen Sprachlernsituationen und bei allen vier Sprachfertigkeiten (Hören, Lesen,
Schreiben, Sprechen) nützlich und entfalten ihre Wirkung am besten, wenn sie zusammen
mit den direkten Strategien eingesetzt werden“ (Mißler 1999:132). Da indirekte
Lernstrategien keinen direkten Bezug zum Lernstoff haben und sich eher mit der Art und
Weise des Lernens befassen, tragen sie indirekt dazu bei, Voraussetzungen für ein
effektives Lernen zu schaffen.
Diese Strategien, die sich indirekt auf den Lernstoff beziehen, werden von O´Malley &
Chamot (1990:119ff) als „metakognitive“ Strategien bezeichnet. Da für Oxford
(1990a:14ff) jedoch „metakognitive“ Strategien eine Strategiegruppe „indirekter“
Strategien darstellen, bezeichne ich, um Missverständnissen vorzubeugen, diese erste
Kategorie indirekter Strategien von Oxford (ebd.) als „Strategien zur Regulierung des
eigenen Lernens“ (Bimmel/Rampillon 2000:65).
Zu den „indirekten“ Strategien erwähnen (Bimmel/Rampillon 2000:71ff) folgende:
3.4.3.1 Strategien zur Regulierung des eigenen Lernens
Diese erste Kategorie indirekter Strategien bezieht sich auf die Planung, Überwachung und
Evaluation des eigenen Lernens und der Sprachverwendung.
- Sich auf das eigene Lernen konzentrieren:
Bei Anwendung dieser Strategie versucht der Lernende nach Bimmel/Rampillon (ebd.)
sich zu orientieren: Der Lernende orientiert sich auf eine Aufgabe, indem er zunächst
feststellt, welches Ziel mit der Aufgabe erreicht werden soll und anschließend sein bereits
vorhandenes Wissen aktiviert, das ihm zur Durchführung der Aufgabe behilflich sein wird.
Störfaktoren auszuschalten: Bei dieser Strategie sorgt der Lernende dafür, dass er von
anderen Faktoren, wie zum Beispiel Fernseher, Musik, Lärm usw. nicht abgelenkt wird.
Welche Faktoren als störend empfunden werden, hängt vom jeweiligen Lerntyp52 ab.
Wichtig ist, dass der Lernende zielorientiert an der Aufgabe arbeitet. Er richtet seine
Aufmerksamkeit ausschließlich auf spezifische Aspekte einer Aufgabe.
52 Vgl. Kapitel 2.4.2 der vorliegenden Diplomarbeit.
46
- Das eigene Lernen einrichten und planen:
Eigene Lernziele bestimmen: Bei dieser Strategie, bemerken Bimmel/Rampillon (ebd.:
126), bestimmt der Lernende seine persönlichen Lernziele, wobei der Ausgangspunkt seine
Lernabsichten und sein Lerninteresse (Lernmotivation) sind. Die eigene Motivation und
das Interesse an der Sache stehen im Vordergrund und weniger die vorgegebene Planung
vom Lehrer oder des Lehrwerks. Der Lernende bestimmt sowohl langfristige Lernziele
(z.B. was er gern am Ende eines Schuljahrs gelernt haben möchte) als auch mittel- und
kurzfristige (z.B. was er am nächsten Tag oder in einer Woche usw. fertig haben möchte).
Bei der Lernzielbestimmung und Lernplanung können Wochenpläne (vgl. dazu Kapitel 4.3
der vorliegenden Arbeit) hilfreich sein.
Eigene Intentionen klären: Bei dieser Strategie versucht der Lernende zu klären, was er
mit dem Gebrauch der Fremdsprache jeweils erreichen möchte.
Ermitteln, wie gelernt werden kann: Der Lernende ermittelt, wie Fremdsprachen gelernt
werden können und welche Lernstrategien er selbst bevorzugt, indem er darüber liest, mit
anderen Lernenden spricht oder im Fremdsprachenunterricht neue Lernstrategien kennen
lernt, einübt und mit ihrer Anwendung experimentiert.
Organisieren: Der Lernende organisiert sein Lernen, indem er die für ihn geeigneten
Lernzeiten bestimmt, seinen Arbeitsplatz so gestaltet, wie er für ihn am angenehmsten und
lernfördernd ist und sorgt dafür, dass die erforderlichen Materialien und Hilfsmittel
vorhanden sind. Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Strategien zur Organisation des
eigenen Lernens. Als eine Möglichkeit ist das Lerntagebuch zu erwähnen, das unter
anderem auch dazu benutzt werden kann, um Gefühle zu registrieren (vgl. Kapitel 3.4.3.2;
4.4.2 der vorliegenden Diplomarbeit).
- Das eigene Lernen überwachen und auswerten:
Zu dieser Lernstrategie gehören nach Bimmel/Rampillon (ebd.:130f) folgende Strategien:
Den Lernprozess überwachen: Der Lernende überwacht während des Lernens oder der
Ausführung einer Aufgabe, ob die Anwendung der gewählte(n) Strategie(n) tatsächlich
dazu führt, dass das Lernen effektiv ist oder die Aufgabe erfolgreich erledigt wird. So
können eigene Fehler festgestellt und korrigiert werden und Defizite erkannt werden.
Das Erreichen der Lernziele kontrollieren: Der Lernende kontrolliert, ob er die Kriterien
erfüllt hat, um eine Aufgabe als „erledigt“ ansehen zu können. Solche Kriterien werden bei
der Lernzielbestimmung festgelegt und können entweder vom Lernenden selbst entwickelt
werden oder er übernimmt Kriterien von anderen.
47
Schlüsse für zukünftiges Lernen ziehen: Bei dieser Strategie blickt der Lernende auf den
gesamten Lernprozess, d.h. auf die Orientierung, Lernzielbestimmung, Strategiewahl und
Ausführung der Strategie zurück, um festzustellen, welche gewählten Strategien äußerst
gut funktioniert haben, welche weniger gut, usw. Daraus kann er schlussfolgern, wie er bei
ähnlichen Aufgabenstellungen und Lernanforderungen in Zukunft vorgeht.
3.4.3.2 Affektive Lernstrategien
Die zweite Kategorie von Lernstrategien hat nach Oxford (1990a: 14ff) weniger mit dem
Lernen an sich zu tun, spielt dennoch eine nicht zu unterschätzende Rolle, da sie
Lernstrategien umfasst, die zur Regulierung von Gefühlen und Ängsten eingesetzt werden.
Bei Anwendung dieser Strategien machen sich die Lernenden ihre Gefühle beim Lernen
und Gebrauch der Fremdsprache bewusst.
Bimmel/Rampillon (2000:73) erwähnen dabei folgende Strategien:
- Gefühle registrieren und äußern:
Körperliche Signale registrieren: Der Lernende achtet bei dieser Strategie auf Signale
seines Körpers, d.h., er macht sie sich bewusst. Die Signale können positiv sein
(Glücksgefühl, Ruhe, Freude), aber auch negativ (Kopfschmerzen, Stress, Spannung,
Unruhe, Angst, Wut).
Eine Checkliste benutzen: Es gibt Checklisten, in denen man ankreuzen kann, welche
persönlichen Gefühle und Motivationen man beim Fremdsprachenlernen oder bei
bestimmten Aufgaben hat. Solche Listen können auch selbst entworfen werden.
Ein Lerntagebuch führen: In einem Lerntagebuch kann der Lernende sich Notizen
machen über Ereignisse und Gefühle beim Fremdsprachenlernen bzw. beim Gebrauch der
Fremdsprache.
Gefühle besprechen: Der Lernende kann seine Gefühle beim Fremdsprachenlernen bzw.
beim Gebrauch der Fremdsprache mit dem Lehrer, mit Freunden oder Mitschülern
besprechen.
- Stress reduzieren:
Das Erlernen und der Gebrauch einer Fremdsprache gehen sehr oft mit Gefühlen von Stress
Unsicherheit und Angst einher. Die folgenden Strategien können angewandt werden, um
solche Gefühle zu verarbeiten:
48
Sich entspannen: Es gibt viele Möglichkeiten, dafür zu sorgen, dass man sich entspannt.
Der Lernende kann z.B. abwechselnd seine Muskeln anspannen und entspannen oder einige
Male tief durchatmen. Auch Yoga-Übungen und Meditationstechniken sind anzuwenden.
Musik hören: Der Lernende hört beruhigende Musik, um sich zu entspannen, bevor er
eine Aufgabe beginnt. Aus der Gehirnforschung ist bekannt, dass bestimmte
Barockkonzerte eine beruhigende Auswirkung auf die Gehirnaktivität haben können.
Lachen: Der Lernende entspannt sich, indem er sich z.B. einen komischen Film ansieht,
ein humoristisches Buch liest, Witze erzählt usw.
- Sich Mut machen:
Die folgenden Strategien können dazu beitragen, dass Lernende ihr Selbstvertrauen beim
Lernen bzw. beim Gebrauch der Fremdsprache stärken:
Sich Mut einreden: Der Lernende redet sich Mut ein, z.B. indem er sich sagt: „Das
schaffe ich schon“.
Vertretbare Risiken eingehen: Fehler sind untrennbar mit dem Erlernen bzw. dem
Gebrauch einer Fremdsprache verbunden. Es ist jedoch außerordentlich wichtig, dass
Lernende keine übertriebene Angst vor Fehlern haben. Allerdings sollten sie es vermeiden,
zu große Risiken einzugehen.
Sich belohnen: Der Lernende belohnt sich für wertvolle Leistungen beim Erlernen der
Fremdsprache. Dabei kann es sich durchaus auch um kleine Belohnungen handeln, wie z.B.
sich ein Eis oder eine Cola zu kaufen.
3.4.3.3 Soziale Strategien
Die dritte und letzte Kategorie der indirekten Strategien bezieht sich nach Oxford (1990a:
14ff) auf das Lernen mit anderen Personen. Zu diesem Strategietyp gehören nach Oxford
(ebd.) folgende Strategien:
- Das Stellen von Fragen:
Um Erklärungen bitten: Bimmel/Rampillon (2000:74) machen ebenfalls auf diese
Strategie aufmerksam und bemerken dabei, dass Lernende sich nicht davor scheuen sollten
dem Lehrer oder ihren Mitschülern Fragen zu stellen um Erklärungen zu bitten, wenn sie
etwas nicht verstehen oder wenn sie etwas nicht „können“.
Fragen, ob Sprachäußerungen korrekt sind.
49
Um Korrektur bitten: Der Lernende bittet den Lehrer oder seine Mitschüler darum,
eventuelle Fehler zu korrigieren.
- Die Kooperation mit anderen:
Mit Mitschülern zusammenarbeiten: Kommunikative Lernaktivitäten verlangen, dass der
Lernende mit Mitschülern zusammenarbeitet – entweder mit einem festen Partner, mit
wechselnden Partnern oder mit einer Gruppe, die eine bestimmte Aufgabe erledigt. Der
Lernende kann auch außerhalb der Unterrichtsstunden mit anderen zusammenarbeiten, zum
Beispiel zusammen Hausaufgaben machen usw.
Bei kompetenten Muttersprachlern Hilfe suchen: Diese Strategie kommt in der Regel
außerhalb des Unterrichts zur Anwendung – im Urlaub oder bei der Kontaktknüpfung mit
deutschen Muttersprachlern im Land.
- Die Entwicklung für Empathie für andere:
Da jedes Land und jede Kultur eigene Sitten, Gebräuche, Verhaltensweisen und
Wertvorstellungen aufweist, ist diese Strategie von enormer Bedeutung, zumal sie dem
Lernenden ermöglicht, sich zunächst den eigenen individuellen oder kulturellen
Wertvorstellungen bewusst zu werden und anschließend die fremde Kultur und
Zielsprachengesellschaft kennen zu lernen53. Diese Strategie ist meines Erachtens im
Fremdsprachenunterricht äußerst zu berücksichtigen, wenn ein gegenseitiges Verständnis
und ein interkulturelles Lernen erreicht werden möchte.
Verständnis für die fremde Kultur entwickeln: Der Lernende erwirbt Kenntnisse über die
fremde Kultur, um sich in andere hineinversetzen zu können, sein eigenes Verhalten zu
reflektieren und mögliche Missverständnisse klären und evt. vorhandene Vorurteile
abbauen zu können.
Sich Gefühle und Gedanken anderer bewusst machen: Der Lernende beobachtet, wie
andere sich verhalten, und erforscht mögliche Zusammenhänge mit ihren Gedanken und
Gefühlen. Dazu kann er seinen Gesprächspartnern eventuell Fragen stellen.
Dieses einheitliche Klassifikationsschema von Oxford und O´Malley & Chamot kann
meines Erachtens als eine gute Vorlage im Fremdsprachenunterricht für Lehrkräfte und
Lernende dienen. Die übersichtliche Kategorisierung ermöglicht jederzeit, sich einen
53 Diese Strategie bezieht sich stark auf den zweiten Aspekt der Konzeption von Lernerautonomie, dem „interkulturellen“ Aspekt, der in Kapitel 2.3 der vorliegenden Arbeit angesprochen wurde.
50
Überblick darüber zu verschaffen, welche Lernstrategien den Lernenden vermittelt werden
sollen, welche bereits intensiven Einsatz im Unterricht finden oder welche noch besser
trainiert werden müssen. Die große Anzahl von Lernstrategien erlaubt jedem Lernenden die
für ihn und seinem Lerntyp geeignetsten auszuwählen.
Das Klassifikationsschema von Oxford und O´Malley & Chamot einheitlich präsentiert:
Direkte Strategien Indirekte Strategien
1. Gedächtnisstrategien 1. Strategien zur Regulierung des eigenen Lernens - Herstellen mentaler Verbindungen (Wortgruppen bilden; Assoziationen mit dem Vorwissen - sich auf das eigene Lernen konzentrieren verknüpfen; Kontexte erfinden; Kombinieren) (sich orientieren; Störfaktoren ausschalten) - Einsatz von Bildern und Klängen (Bilder ver- - das eigene Lernen einrichten und planen wenden; Wortigel herstellen; Zwischenwörter (eigene Lernziele bestimmen; eigene Intentionen verwenden; Lautverwandtschaften nutzen) klären; ermitteln, wie gelernt werden kann; - „Gute“ Wiederholung organisieren) - Einsatz von „offenem“ Verhalten/Handeln - das eigene Lernen überwachen und auswerten (den Lernprozess überwachen; das Erreichen der Lernziele kontrollieren; Schlüsse für zukünftiges Lernen ziehen) 2. Sprachverarbeitungsstrategien 2. Affektive Strategien - Strukturieren von Input und Output (Markieren; - Gefühle registrieren und äußern (körperliche sich Notizen machen; Gliederungen machen; Signale registrieren; eine Checkliste benutzen; ein Zusammenfassen) Lerntagebuch führen; Gefühle besprechen) - Analysieren und Regeln anwenden (Wörter und - Stress reduzieren (sich entspannen; Musik hören; Ausdrücke analysieren; Sprachen miteinander ver- lachen) gleichen; Regelmäßigkeiten entdecken; Regeln - sich Mut machen (sich Mut einreden; vertretbare anwenden) Risiken eingehen; sich belohnen) - Üben (Formelhafte Wendungen erkennen und ver- wenden; Satzmuster erkennen und verwenden; die Fremdsprache kommunikativ gebrauchen) - Hilfsmittel anwenden 3. Kompensationsstrategien 3. Soziale Strategien - Vorwissen nutzen (Hypothesen bilden und - Das Stellen von Fragen ( um Erklärungen bitten; überprüfen; Bedeutungen aufgrund sprachlicher fragen, ob Sprachäußerungen korrekt sind; um Hinweise erraten; Bedeutungen aus dem Kontext Korrektur bitten) ableiten) - Die Kooperation mit anderen (mit Mitschülern - Mit allen Mitteln wuchern (zur Muttersprache zusammenarbeiten; bei kompetenten wechseln; um Hilfe bitten; Mimik und Gestik Muttersprachlern Hilfe suchen) einsetzen; Gesprächsthemen vermeiden; - Die Entwicklung für Empathie für andere annähernd sagen, was man meint; Wörter (Verständnis für die fremde Kultur entwickeln, sich erfinden; leere Wörter einsetzen; Umschreibungen Gefühle und Gedanken anderer bewusst machen) und Synonyme)
51
3.5 Zur Vermittlung von Lernstrategien
Nachdem die einzelnen Lernstrategien im vorigen Kapitel präsentiert worden sind,
beschäftige ich mich nun damit, Möglichkeiten darzustellen, wie die strategische
Kompetenz der Lernenden gefördert werden kann.
Bemerken möchte ich an dieser Stelle, dass Muttersprachler Lernstrategien – auch wenn
meist unbewusst – als feste Bestandteile ihrer Kommunikationsfähigkeit und ihres
Sprachgebrauchs einsetzen und beherrschen.
Dieses Strategiewissen muss jedoch bei Fremdsprachenlernenden erst vermittelt und
gefördert werden, denn die strategische Kompetenz der Lernenden spielt – wie schon
betont wurde – für ein erfolgreiches, effizientes und autonomes Lernen der Fremdsprache
eine entscheidende Rolle.
Um die Art und Weise der Strategievermittlung genauer beschreiben zu können,
unterscheidet Tönshoff (1992, in: http://www.hueber.de/lehrer/daf/materialien/index.asp)
die verschiedenen Arten möglicher Trainingsmaßnahmen in Bezug auf einige zentrale
Merkmalsdimensionen, die ich im Folgenden ausführlicher darstellen möchte:
3.5.1 Selektion der Trainingsgegenstände
Die erste Dimension der Strategievermittlung betrifft nach Tönshoff (ebd.) die Selektion
der Trainingsgegenstände, d.h. der Lernstrategien. Wie auch Mißler (1999:140) in diesem
Zusammenhang anmerkt, muss dem Lernenden die Möglichkeit gegeben werden, eine
Vielfalt von Strategien kennen zu lernen, damit sie anschließend jeweils diejenigen
aussuchen können, die für das Erreichen eines bestimmten Lernziels notwendig erscheinen.
Demzufolge bin ich davon überzeugt, dass dem Lernenden verschiedene Lernstrategien bei
ein und derselben Aufgabenstellung anschaulich vorgeführt werden müssen, damit ihm klar
gemacht wird, dass nicht nur ein Lernweg der richtige ist, sondern unterschiedliche
Vorgehensweisen zum Erfolg führen können. Aufgabe des Lerners ist demnach, die
unterschiedlichen Strategien auszuprobieren und sich für die seinem Lernstil und Lerntyp
entsprechenden zu entscheiden.
52
3.5.2 Integriertes Training von Lernstrategien
Die zweite Dimension der Vermittlung von Lernstrategien untersucht nach Tönshoff (1992,
in: http://www.hueber.de/lehrer/daf/materialien/index.asp), ob das Strategietraining fester
Bestandteil des Unterrichts sein soll oder den Lernenden separat anzubieten ist.
Anmerken möchte ich hier, dass Lernstrategien nicht einfach vermittelt werden, indem der
Lehrer ab und zu mal eine Strategie erklärt oder einfach Tipps gibt, wie die Lernenden am
effektivsten lernen könnten. Dazu bedarf es vielmehr geeigneter, speziell auf die
Aneignung von Lernstrategien gerichteter Übungsprogramme, die das Ziel haben, den
Lernenden das autonome und erfolgreiche Lernen zu vermitteln.
Zu unterscheiden sind zu diesem Punkt – wie bereits erwähnt wurde – zwei Arten der
Vermittlung von Lernstrategien:
Die erste, wie Schlak (2000, in: http://www.linguistik-online.de/10_02/schlak.html) und
Bimmel (1993, in: Fremdsprache Deutsch. Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts
1/1993:10) erwähnen, stellt das separat vom Fremdsprachenunterricht durchgeführte
Training von Lernstrategien dar. Solche Lernstrategieprogramme werden isoliert von den
Schulfächern angeboten und demnach läuft ein separates Training inhaltlich und
organisatorisch getrennt vom normalen Unterricht ab. Wie Bimmel (ebd.) allerdings
bemerkt, sind solche Trainingsprogramme eher erfolglos, weil die Strategien im Kontext
solcher Programme zwar funktionieren, aber die Lernenden die geübten Strategien nicht
beim Lernen der einzelnen Schulfächer anwenden, d.h. es findet kein Transfer statt.
Die zweite Möglichkeit Lernstrategien zu vermitteln, besteht nach Schlak (2000, in:
http://www.linguistik-online.de/10_02/schlak.html) darin, Trainingsprogramme teilweise
oder völlig in den Unterricht zu integrieren. Die Vermittlung von Strategien im
unterrichtlichen Kontext scheint nach Schlak (ebd.) unter anderem den Vorteil
aufzuweisen, dass Lernstrategien direkt an relevanten Inhalten und fremdsprachen-
unterrichtlichen Arbeitsformen erprobt werden können und daher ihre Anwendbarkeit den
Lernenden konkret vor Augen geführt wird.
Meines Erachtens scheint diese enge Verbindung zwischen der Strategievermittlung und
den jeweiligen Inhalten und Arbeitsformen des jeweiligen Unterrichts die Lernkompetenz
der Schüler in höherem Maße auszubauen als die separate Vermittlung. Aus diesem Grund
schließe ich mich der Ansicht von Bimmel (1993, in: Fremdsprache Deutsch. Zeitschrift
für die Praxis des Deutschunterrichts 1/1993:10) an, dass die Strategievermittlung bzw. das
53
Strategietraining in den Schulfachunterricht und somit auch in den Fremdsprachen-
unterricht integriert werden muss.
3.5.3 Explizitheitsgrad der Strategievermittlung
Die dritte Dimension der Strategievermittlung umfasst einen weiteren Aspekt, der von
größter Bedeutung ist, und der heftig diskutiert wird, nämlich den Grad der Explizitheit,
d.h. inwieweit Lernstrategien den Lernenden explizit (deutlich und ausführlich) gemacht
werden sollen. Dies soll nun im Weiteren etwas genauer untersucht werden:
3.5.3.1 Implizite Vermittlung
Lernstrategien werden nach Koenig (1996, in: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer
1996:34) implizit vermittelt, wenn die angebotenen Lernmaterialien und Übungen vor
allem durch die Art und Weise der Aufgabenstellung den Gebrauch bestimmter
Lernstrategien stimulieren und somit den Lernenden dazu bringen, diese einzusetzen, ohne
dass die angewandten Lernstrategien thematisiert werden oder die Begründung für den
jeweiligen Gebrauch bestimmter Lernstrategien angeführt wird.
Daraus schließe ich, dass für eine implizite Vermittlung keine besonderen oder
zusätzlichen Erklärungen zu den angewandten Lernstrategien gegeben werden oder gar als
notwendig zu betrachten sind.
Wie Koenig (ebd.) weiter bemerkt, durchlaufen die Lernenden die Übungen, wenden
sinnvolle Operationen an und lernen praktisch nebenbei neue Strategien. Koenig (ebd.) und
Bimmel (1993, in: Fremdsprache Deutsch, 1/1993:10) sprechen in diesem Fall von
„blinden“ oder „unreflektierten“ Strategieanwendungen, die längerfristig nur selten das
Verhalten der Lernenden ändern und daher auch nicht zu einem bewussten,
selbstgesteuerten Lernen beitragen. Bimmel (ebd.) und Koenig (1996, in: Fremdsprache
Deutsch, Sondernummer 1996:34) begründen ihre Ansicht mit der Annahme, Lernende
könnten kaum fortfahren, die implizit vermittelten Strategien zu gebrauchen, da ein
Transfer zu anderen Aufgaben, wo die Strategie ebenfalls brauchbar wäre, ausbleibt.
54
3.5.3.2 Explizite Vermittlung
Im Gegensatz zur impliziten Vermittlung werden bei einer expliziten Vermittlung von
Lernstrategien nach Koenig (ebd.) die Lernenden über den Wert und den Zweck des
Strategietrainings mehr oder weniger ausführlich informiert. Auch Weltner (1992, in: Nold
1992:139) macht darauf aufmerksam, dass die Erläuterung von Lernstrategien in
Kombination mit der Übung dieser Strategien zu besseren Ergebnissen führt als eine reine
Erläuterung oder eine reine Übung allein.
Damit verstehe ich, dass die Lernenden ihren eigenen Lernprozess reflektieren können, d.h.
darüber nachdenken, wie sie beim Lernen bzw. Üben vorgegangen sind und zudem noch
ausführliche Einsichten in die von ihnen verwendeten Strategien bekommen. Auf diese
Weise lässt sich das Lernverhalten durchaus positiv beeinflussen, so dass ein autonomes
Lernen erzielt wird.
Diese Kenntnis von Lernstrategien und deren bewusste Anwendung erscheinen
überwiegend in der Literatur mit der Bezeichnung „Reflexion“, „Metakognition“ oder
„Metalernen“. Darauf möchte ich im Folgenden kurz eingehen:
Zu der metakognitiven Kompetenz von Strategien wurden von Hasselhorn (1992, in: Nold
1992:44ff) vier Komponenten aufgestellt, die nun kurz geschildert werden.
Als erste metakognitive Komponente erwähnt Hasselhorn (ebd.) das „spezifische
Strategiewissen“, über das die Lernenden verfügen sollten, und das Wissen über
spezifische Lernstrategien und Lerntechniken umfasst. Die Lernenden sollten demnach
unter anderem darüber Bescheid wissen, welches Ziel mit den jeweiligen Lernstrategien zu
erreichen ist, für welche Aufgaben bestimmte Lernstrategien besonders geeignet sind,
welche Anwendungsmöglichkeiten es für einzelne Strategien gibt und wie viel Anstrengung
der Einsatz einer Strategie erfordert.
Bemerken möchte ich an dieser Stelle, dass spezifisches Strategiewissen allein gewiss nicht
gleich zur Anwendung bestimmter Lernstrategien führt. Vielmehr sind ein kontinuierliches
Üben und ein kontinuierlicher Gebrauch von einzelnen Lernstrategien notwendig, um die
Lernkompetenz der Schüler aufzubauen.
Die zweite Komponente von Hasselhorn (ebd.) betrifft das „relationale Strategiewissen“.
Unter relationalem Strategiewissen versteht Hasselhorn (ebd.) den Aspekt der
Metakognition, der es ermöglicht, Vorteile spezifischer Strategien zu erkennen und diese
mit anderen Strategien zu vergleichen.
55
Hinzufügen möchte ich allerdings an dieser Stelle, dass ich zum Erwerb relationalen
Strategiewissens die Vermittlung einer Vielfalt von Lernstrategien für notwendig halte,
sowie auch die Kenntnis, dass die Effektivität der Strategien auch von den verschiedenen
Aufgabenanforderungen abhängt.
Die dritte Komponente umfasst sowohl spezifisches als auch relationales Strategiewissen
und wird von Hasselhorn (ebd.) als „generelles Strategiewissen“ bezeichnet. Dieses
allgemeine Wissen darüber, dass der Einsatz von Lernstrategien bewusste Anstrengung
erfordert, die sich jedoch lohnt, da strategisches Lernen oft zu besseren Resultaten als
nicht-strategisches Lernen führt, ist für die Lernenden ebenfalls von Bedeutung, zumal es
zu steigenden Selbstwirksamkeits-Erwartungen und demzufolge zu einer erhöhten
Lernmotivation führen kann.
Die letzte von Hasselhorn (ebd.) formulierte Komponente steht unter dem Begriff
„metakognitive Acquisitionsprozeduren“. Unter solchen Prozeduren versteht Hasselhorn
(ebd.) all die Mechanismen, die notwendig sind, um Entscheidungen über den Einsatz von
Lernstrategien zu treffen und auszuführen. Diese Prozeduren erfüllen zwei wesentliche
Funktionen: erstens tragen auch sie dazu bei, das spezifische Strategiewissen so gut wie
möglich zu gestalten, indem z.B. unzureichende Strategieinformation entdeckt wird. Und
zweitens sorgen sie für die Initiierung, Kontrolle und Regulation von Lernstrategien.
Dazu erweisen sich nach Tornberg (1993, in: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer
1996:24) auch metakognitive Fragen als hilfreich, zum Beispiel „was muss/will ich
lernen?“, „warum muss/will ich das lernen?“, „wie lerne ich es?“, „wie plane ich und führe
ich die Arbeit durch?“ und „wie kann ich wissen, ob ich auch wirklich gelernt habe, was
ich lernen wollte?“. Diese metakognitiven Fragen, die bei dem selbstgewählten Lernziel
meist implizit vorhanden sind, müssen im Unterricht explizit gestellt werden (metakognitiv
= reden über das bewusste Lernen).
Welche Strategien jeweils Lernende anwenden und wie sie sich bei einzelnen Aufgaben
und Übungen verhalten, hängt selbstverständlich auch mit dem Lerntyp und mit der
Lernmotivation zusammen.
Aus der obigen Ausführung lässt sich meines Erachtens erkennen, dass eine explizite
Vermittlung von Lernstrategien durchaus vorteilhafter ist, denn „Hauptziel des
Vermittlungsprozesses von Lernstrategien selbst sollte es sein, den Lerner zum autonomen
Lernen zu befähigen und ihn seine eigenen Lernstrategien entdecken lassen“(Düwell
1992:48). Daher kann kaum angenommen werden, dass Lernende autonom in ihrem
56
Lernprozess handeln können, wenn sie in keiner Weise über die Bedeutung von
Lernstrategien informiert werden. Verweisen möchte ich zu diesem Punkt noch auf die
WENN-DANN Bedingungs- Handlungskombination der Lernstrategievermittlung, die in
Kapitel 3.3, S.32f der vorliegenden Arbeit angesprochen wurde. Diese Form sollte meiner
Ansicht nach bei einer expliziten Strategievermittlung eine wichtige Rolle spielen (vgl.
Kapitel 3.3, S.32f der vorliegenden Diplomarbeit).
3.6 Zur Funktion von Lernstrategien
In diesem abschließenden Kapitel zu den Lernstrategien soll nun aufgezeigt werden, wozu
die Vermittlung von Lernstrategien überhaupt dient und welche Gründe für einen
bewussten Strategieeinsatz im Fremdsprachenunterricht sprechen.
Wie bereits mehrmals im Verlauf der Diplomarbeit angesprochen wurde, werden
Lernstrategien als Voraussetzung zur Förderung der Lernerautonomie angesehen.
Demnach kann mit Sicherheit gesagt werden, dass eine erste Funktion der
Strategievermittlung darin besteht, dass Lernstrategien zur Selbständigkeit beitragen. Wie
Rampillon (1985:23) und Bimmel (1995, in: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer
1995:16) ebenfalls bemerken, können die Lernenden mit Hilfe von Lernstrategien ihr
Lernen selbständig vorbereiten, planen, steuern und bewerten. Damit zielen die Lernenden
nach Rampillon (1985:23) auf eine Verbesserung ihres Lernens und auf die Steigerung
ihrer Leistungsfähigkeit.
Deutlich wird meines Erachtens, dass durch diese Leistungsfähigkeit Lernende nicht nur in
der Lage sind, ihr eigenes Lernen fest in die Hand zu nehmen, sondern sie werden auch auf
spätere nach Abschluss der Schule auftretenden Lernsituationen vorbereitet. Durch die
bewusste Vermittlung von Lernstrategien lernen die Lernenden in zukünftigen
Lernsituationen zurechtzukommen und sich selbständig weiter zu helfen.
Eng damit verbunden ist auch der bereits in Kapitel 2.2 angesprochene Gedanke des
„lebenslangen Lernens“. Zumal wir heutzutage in einer Informationsgesellschaft leben und
der Erwerb von Kenntnissen bestimmt nicht mit Abschluss der Schule endet, ist es
notwendiger als je zuvor, Strategien bewusst anwenden zu können und somit selbständig
lernen zu können. Lernstrategien unterstützen demnach den Prozess des lebenslangen
Lernens.
Eine weitere Funktion von Lernstrategien ist nach Rampillon (ebd.), dass Lernstrategien
die Individualisierung des Lernprozesses fördern. In Kapitel 2.4.2 der Diplomarbeit wurde
57
auf die verschiedenen Lerntypen eingegangen, die in einer Klasse zu finden sind. Da jeder
Lerner auf verschiedene Art und Weise Informationen aufnimmt und diese verarbeitet,
sollten auch im Unterricht Gelegenheiten dazu gegeben werden, den Lernprozess
individuell zu gestalten. Dies kann erreicht werden, indem den Lernenden zahlreiche
Strategien vermittelt werden, aus denen sie dann die für sie am geeignetsten und die ihrem
Lerntyp entsprechenden auswählen (vgl. dazu Kapitel 2.4.2, S.21ff der vorliegenden
Diplomarbeit).
Weiterhin lässt sich beobachten, dass Lernstrategien die Lernmotivation und das
Selbstvertrauen der Lernenden steigern (Bimmel 1995, in: Fremdsprache Deutsch,
Sondernummer 1995:16). Dies ist zu erklären, wenn berücksichtigt wird, dass die
Lernenden ihr Lernziel am ehesten erreichen, indem sie die jeweils passenden
Lernstrategien einsetzen. Dieser Lernerfolg kann schließlich die Lernenden nur motivieren
weiter zu lernen. Dementsprechend beeinflussen Lernerfolge auch positiv das
Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl der Lernenden.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass Lernstrategien Leistungsschwächen
und Leistungsstress abbauen können (Rampillon 1985:25f).
Gerade für schwache Schüler, die Schwierigkeiten beim Lernen haben, scheint mir die
Vermittlung von Lernstrategien einen durchaus positiven Einfluss üben zu können.
Leistungsschwache Schüler werden mit dem Einsatz von bestimmten Lernstrategien dazu
befähigt, erstmals ihre eigenen Schwächen und Defizite zu erkennen, z.B. durch die
Vermittlung von „affektiven“ aber auch „sozialen“ Strategien (vgl. Kapitel 3.4.3.2; 3.4.3.3
S.47ff der vorliegenden Diplomarbeit). Darüber hinaus können auch
„Kompensationsstrategien“ (vgl. Kapitel 3.4.2.3, S.42ff der vorliegenden Diplomarbeit) für
schwache Schüler von großem Vorteil sein. Wichtig erscheint mir, dass anhand von
Lernstrategien schrittweise und mit kontinuierlichem Üben die Mängel beseitigt und die
Schwächen abgebaut werden können.
Der Leistungsstress, unter dem die Lernenden stehen macht sich heutzutage besonders
bemerkbar und beeinflusst ohne Zweifel negativ die Leistung. Rampillon (ebd.) bemerkt zu
diesem Punkt, dass vor allem diejenigen Lernenden, die dem Lernstil und dem Lerntempo
der gesamten Lernergruppe ausgesetzt sind, von einem Leistungsdruck getroffen sind,
während autonome Lernende, die ihr Lernen selbständig vorbereiten, planen und evaluieren
kaum unter Stress stehen. Denn diese Fähigkeit der selbständigen Vorbereitung, Planung
und Evaluation des Lernprozesses bewirkt nach Mißler (1999:144), dass Lernende das
58
Bewusstsein und die Sicherheit haben, Problemlösungen für neue Aufgaben finden zu
können, so dass Leistungsstress und Ängste gemildert werden.
Eine weitere Funktion, die Rampillon (1989, in: Müller, Martin et al. 1989:49) erwähnt, ist,
dass Lernstrategien dazu beitragen können, mehr Wissen schneller und nachhaltiger zu
verarbeiten. Das bedeutet laut Rampillon (ebd.), dass einerseits Lernstrategien es
ermöglichen, die immer stärker anwachsenden Informationsschüben, vor die Lernende
während eines Schultages oder eines Schuljahres und allgemein während des ganzen
Lebens stehen, besser aufzunehmen, zu behalten und zu verarbeiten. Andererseits, betont
Rampillon (ebd.), wird mit der Anwendung von Lernstrategien das Lernen planmäßig
eingeteilt, rationeller organisiert und dadurch Zeit gespart.
Eine letzte Funktion, die Lernstrategien erfüllen, ist der Transfer auf andere Lernaufgaben
und Schulfächer (Bimmel 1995, in: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1995:17).
Diese Möglichkeit eines Transfers ist leicht zu erkennen, wenn beachtet wird, dass
Lernende, die beispielsweise im Deutschunterricht Lernstrategien erworben haben, diese
bestimmt auch im Englisch- oder Französischunterricht einsetzen. Darüber hinaus lassen
sich erworbene Lernstrategien auch in anderen Schulfächern anwenden, z.B. Notizen
machen, Üben, Gliederungen machen, strukturieren usw.
Zusammenfassend ist auf jeden Fall festzuhalten, dass die Konzeption der Lernstrategien
eng mit der Konzeption der Lernerautonomie verbunden ist. Beide Konzeptionen zielen
darauf ab, die Steuerung des Lernprozesses stärker vom Lehrer auf den Lernenden zu
verlagern und diesem auch mehr Verantwortlichkeit für den Lernprozess aufzuerlegen.
Angestrebt ist der selbständige Lerner, der im Rahmen des Unterrichts durch eine erhöhte
Selbststeuerung und Eigenverantwortlichkeit, Reflexion und Kontrolle seine passive Rolle
aufgibt und zum aktiven Mitgestalter des Lernprozesses wird.
Damit ändern sich natürlich auch die Rolle und das Selbstverständnis des Lehrers. Welche
Konsequenzen die Vermittlung von Lernstrategien und generell das autonome Lernen im
Fremdsprachenunterricht hat, wird im nächsten Kapitel ausführlicher dargelegt.
59
4. Konsequenzen für den Fremdsprachenunterricht Deutsch
Beginnen möchte ich dieses Kapitel, indem kurz der „traditionelle“ Unterricht aus der Sicht
der Lernenden betrachtet wird. Die Tatsache, dass leider die Mehrzahl der Schüler den
Fremdsprachenunterricht als langweilig und auf den Lehrer zentriert erlebt, ist
höchstwahrscheinlich von keinem zu bestreiten. Steinig (1986, in: Müller et al. 1989:32)
erklärt dies so, dass die Lernenden sich vor allem als Konsumenten von produktorientierten
Curricula sehen, die den Spielraum für eigenes Handeln auf ein Minimum reduzieren. Der
Unterricht, bemerkt Steinig (ebd.), wird als eine Veranstaltung des Lehrers angesehen, für
die er ausschließlich die Verantwortung trägt. Ein weiterer Aspekt, der nach Steinig (ebd.)
den Fremdsprachenunterricht uninteressant erscheinen lässt, ist, dass in der Regel vor allem
im Hinblick auf zukünftige Prüfungssituationen gelernt wird, und Inhalte angeboten
werden, die nur in seltenen Fällen an eigene Erfahrungen der Schüler anknüpfen. Das wirkt
sich so aus, dass das Interesse an den Unterrichtsthemen zunehmend an Bedeutung verliert.
Aus diesen Gründen bin ich fest davon überzeugt, dass zur Einführung der
Lernerautonomie im schulischen Fremdsprachenunterricht eine Umstellung von einem
lehrerzentrierten Unterricht zu einem Unterricht notwendig ist, in dem die individuellen
Lernprozesse und Lernerfahrungen eine wichtige Rolle spielen. Zu beachten ist allerdings,
dass dies nicht von heute auf morgen zustande gebracht werden kann.
In diesem Punkt teile ich die Ansicht von Beck (1991 in: Beck et al. 1992:195f), die
Schüler würden eine schnelle Umstellung ebenso wie viele Lehrkräfte gar nicht wirklich
verarbeiten können. Denn die Verantwortung für sein eigenes Lernen zu übernehmen, ist
mit Sicherheit nicht ohne Anstrengung und am Anfang gar nicht leicht zu arrangieren. Es
empfiehlt sich daher, wie Beck (ebd.) weiterhin anmerkt, bescheiden zu beginnen und sich
zuvor mit Kollegen abzusprechen. Sonst könnte es leicht passieren, dass sich sowohl die
Lernenden als auch die Lehrenden überfordern und dann entweder enttäuscht aufgeben
oder den falschen Schluss ziehen, dass die Realisierung eines autonomen Lernens nicht zu
schaffen ist und demzufolge zum alten Unterrichtskonzept zurückkehren.
Daher müsste sich meiner Ansicht nach die Umstellung des Unterrichts in kleinen Schritten
vollziehen, wobei außer den Veränderungen der Lerner- und Lehrerrolle auch
dementsprechend Veränderungen in der Art und Weise der Unterrichtsform und der
Arbeitsweisen zu bedenken sind. Denn außer der gezielten Vermittlung von Lernstrategien
zur Förderung der Lernerautonomie müssen auch Lernformen zugelassen bzw. gefördert
werden, bei denen die Schüler auch wirklich selbständig handeln können. Ein paar
60
autonomiefördernde Unterrichtsformen werden im Weiteren in Kapitel 4.3, S.65 der
vorliegenden Diplomarbeit kurz beschrieben.
Wie Lernende und Lehrende in autonomiefördernden Lernsituationen vorgehen bzw.
vorgehen können, wird in den nächsten zwei Kapiteln näher in Betracht gezogen.
Deutlich wird, dass die Einführung der Lernerautonomie Veränderungen sowohl für die
Lernenden, als auch für die Lehrer, die Lehrmaterialien und die Lernformen erfordert. All
diese Veränderungen zielen auf ein erfolgreiches schulisches Lernen, bei dem möglichst
viele Schüler im Verlauf ihrer Schulzeit zu immer eigenständigeren Lernern werden, und
zwar so, dass auch nach der Schule gewährleistet ist, dass sie weiter lernen werden.
4.1 Die Rolle des/der selbständigen Lerners/Lernerin
Zweifellos sind die Lernenden diejenigen, die ihre Rolle und ihr Verhalten im Unterricht
insgesamt am stärksten zu verändern haben, um sich die Fähigkeit anzueignen, ihr Lernen
selbständig zu initiieren, zu steuern, zu organisieren und zu evaluieren. Dies setzt gewiss
eine Menge an Selbstdisziplin und Willenskraft voraus, denn die Ansprüche an die
Lernenden sind nicht zu unterschätzen. Zu diesen Ansprüchen gehören unter anderem die
Fähigkeit, eigene Entscheidungen zu treffen, der Wille und das Vermögen, die
Verantwortung des eigenen Lernens zu übernehmen und die Fähigkeit zur kritischen
Reflexion.
Bekennen wir uns jedoch, wie Bimmel/Rampillon (2000:33) bemerken, zu der
anthropologischen Grundüberzeugung, dass Menschen keine defizitären Wesen sind, denen
wir erst etwas beibringen müssen, sondern dass sie über Fähigkeiten und Fertigkeiten der
Selbstbildung verfügen, die wir unterstützen und fördern müssen, so lässt sich doch mit
Überzeugung unterstützen, dass es sich trotz Anstrengung lohnt, die Schüler zu einem
autonomen Lernen zu verhelfen.
Selbstverständlich ist diese Veränderung des Lernerverhaltens ohne die Hilfe von
Lehrkräften, die sich ebenfalls in ihrem Lehrerverhalten verändern müssen, nicht möglich.
Im Weiteren beschreibe ich im Kurzen die Kompetenzen, die sich Lernende anzueignen
haben, um schrittweise zu einem autonomen Lernen geführt zu werden.
Nach Beck/Guldimann/Zutavern (1992, in: Beck et al. 1992:26f) sollten die Lernenden
folgende Fähigkeiten besitzen, um eigenständig lernen zu können:
Kognitive Kompetenz: Die kognitive Fähigkeit der Lernenden bezieht sich nach
Beck/Guldimann/Zutavern (ebd.) und Rampillon (1996, in: Fremdsprache Deutsch,
61
Sondernummer 1996:44ff) auf die Fähigkeit, sich selbst Ziele setzen zu können,
zielgerichtet zu planen, zu überlegen, wie sie vorgehen möchten, um ihr Lernziel zu
erreichen, d.h. sie klären für sich ab, welche Lernstrategien sie einsetzen möchten.
Außerdem sind sie in der Lage, verschiedene Informationsquellen zu nutzen, tief zu
verstehen und in gegebenen Situationen verschiedene Lösungswege zu entwickeln.
Sind Lernende kognitiv fähig, dann verfügen sie zudem über ein reiches Repertoire an
Lernstrategien54, können differenzierter denken und ihr Wissen gut organisieren. Für den
Wissensaufbau in der Schule sind nach Konrad/Wagner (1999:14f) vor allem drei Arten
des Wissens von Bedeutung, nämlich das „deklarative Wissen“ (Sachwissen, wissen
was…), das das gesamte individuelle Wissen über die Welt, über Sachverhalte, Fakten,
Daten eines Menschen umfasst. Es ist die Menge dessen, was man weiß. Als zweites
erwähnen Konrad/Wagner (ebd.) das „prozedurale Wissen“ (Handlungswissen, wissen wie
…), mit dem das Wissen um Fertigkeiten und Handlungsabläufe gemeint ist. Sämtliche
körperlichen und geistigen Handlungen, wie z.B. Lesen, Radfahren, Essen gehören in diese
Kategorie. Es ist das Wissen, wie man etwas macht. Und zuletzt ist das „Metawissen“
(Kontrollwissen, wissen über …) zu berücksichtigen, das laut Konrad/Wagner (ebd.) die
menschliche Fähigkeit zur Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Selbstreflexion
umfasst.
Kommunikative Kompetenz: Damit bezeichnen Beck/Guldimann/Zutavern (1992, in: Beck
et al. 1992:26f) die Fähigkeit der Lernenden, sich ausdrücken und sich mit anderen
verständigen zu können. Sie stellen Fragen, berichten über eigene Erfahrungen, tauschen
mit anderen Erfahrungen aus, hören anderen zu und lernen daraus. Diese Fähigkeit lässt
sich durch die Vermittlung von „Kompensationsstrategien“ (vgl. Kapitel 3.4.2.3, S.42ff der
vorliegenden Diplomarbeit) aneignen.
Soziale Kompetenz: Verfügen Lernende über diese Fähigkeit, dann verstehen sie es laut
Beck/Guldimann/Zutavern (ebd.) und Rampillon (1996, in: Fremdsprache Deutsch,
Sondernummer 1996:44ff) von anderen und mit anderen zu lernen. Sie beobachten andere,
fordern andere fragend und vergleichend heraus, helfen anderen, beraten andere und
arbeiten mit anderen zusammen. Sie sind fähig, sich zu entscheiden, in welcher Sozialform
sie arbeiten möchten, d.h. alleine, in Partnerarbeit, in einer Kleingruppe usw. Die
Vermittlung „sozialer“ Strategien (vgl. Kapitel 3.4.3.3, S.48f der vorliegenden
Diplomarbeit) ist dazu selbstverständlich vorauszusetzen.
54 Die kognitive Kompetenz lässt sich unter anderem durch den Einsatz von direkten Strategien (vgl. S. 37ff der vorliegenden Diplomarbeit) nachweisen.
62
Motivation: Autonome Lerner sind an der Sache und am Lernen selbst interessiert.
Demnach bemerken Beck/Guldimann/Zutavern (ebd.) sind sie antriebsstark und intrinsisch
(von innen) motiviert. Sie entwickeln eigene Interessen, tun etwas aus eigenem Antrieb,
setzen ihrem Lernen selbst Ziele und arbeiten aus Freude an der Sache.
Metakognitive Kompetenz: Schließlich verfügen eigenständig Lernende laut
Beck/Guldimann/Zutavern (ebd.) über die Fähigkeit, eigene Erfahrungen zu nutzen und
daraus zu lernen. Diese Fähigkeit wurde bereits oben als „Metawissen“ (Konrad/Wagner
1999:14f) bezeichnet und kennzeichnet nach Rampillon (1996, in: Fremdsprache Deutsch,
Sondernummer 1996:44ff) das Vermögen der Lernenden, eigene Zwischenergebnisse
anderen vorzustellen, sie zu begründen und zu diskutieren. Dabei prüfen sie, ob und wie sie
die Ergebnisse revidieren oder ergänzen möchten. Selbstverständlich nehmen sie die
Arbeits- und Lernergebnisse anderer wie auch deren Lernstrategien zur Kenntnis und
nutzen sie für ihr eigenes Lernen.
Konrad/Wagner (1999:15) unterscheiden dabei zwei Formen der Metakognition bzw. des
Metawissens: Einerseits das Wissen über die eigene Person und die Lernaufgabe, d.h.
inwiefern ein Lernender sich selbst kennt, seine Stärken und Schwächen, seine Emotionen
und Motivationen. Andererseits die Kontrolle, die Steuerung und die Regulation des
eigenen Lerngeschehens, d.h. inwiefern ein Lernender Verfahren des Lernens, Denkens
und Problemlösens bewusst kennt und nutzt.
Kennzeichnend für die Fähigkeit der Metakognition autonomer Lerner ist nach Beck (1991,
in: Beck et al. 1992:18) außerdem, dass sie selbst ein Repertoire metakognitiver Verfahren
aufbauen, so dass sie mehr und mehr ohne fremde Hilfe Lernfortschritte erzielen können55.
Die Vermittlung von Lernstrategien, nämlich überwiegend „indirekter“ Lernstrategien (vgl.
Kapitel 3.4.3, S.44ff der vorliegenden Diplomarbeit) ist gewiss unabdinglich.
Bemerken möchte ich an dieser Stelle, dass sich die beschriebenen Kompetenzen nicht von
heute auf morgen aufbauen lassen, sondern eine gewisse Zeit beanspruchen, um ins
Bewusstsein der Lernenden zu dringen. Vielmehr müssen diese Kompetenzen erst in den
Unterricht hereingeholt werden, zumal im traditionellen Schulunterricht die Ziele, die
Inhalte, das Lerntempo und die Evaluation zum größten Teil von den Lehrern bestimmt
werden und die Lernenden eher eine passive Rolle spielen.
55 Vgl. dazu auch die vier Komponenten zur metakognitiven Kompetenz (Hasselhorn 1992, in: Nold 1992:54f), Kapitel 3.5.3.2 der vorliegenden Diplomarbeit.
63
4.2 Die Rolle des/der autonomiefördernden Lehrers/Lehrerin
Die Konsequenzen für die Rolle des Deutschlehrers im Fremdsprachenunterricht sind von
enormer Bedeutung, zumal die Lehrer diejenigen sind, die Lernenden zur Eigenständigkeit
befähigen sollen. Was ein autonomieförderndes Lehrerverhalten kennzeichnet, soll nun in
diesem Kapitel näher betrachtet werden.
Zunächst einmal ist es meines Erachtens unumgänglich, dass die Lehrer sich bereit
erklären, ihre Machtposition aufzugeben, die sie im herkömmlichen Unterricht haben. Wie
Steinig (1986, in: Müller et al. 1989:39) unter anderem erwähnt, sind Lehrer davon
überzeugt, dass sie vom Wissen und ihren didaktisch-methodischen Fähigkeiten her
Schülern weit überlegen sind und deshalb auch zu Recht entsprechend mehr Macht
besitzen.
Demnach ist es höchstwahrscheinlich für viele Lehrer gar nicht so einfach, ihre „Arbeit“
des Lehrens und Unterrichtens mit ihren Schülern zu teilen, ihnen Autonomie einzuräumen
und dementsprechend auch das gesamte Lehrer-Schüler-Verhältnis zu verändern. Aus
diesem Grund müssen Lehrkräfte erst davon überzeugt werden, dass eine Veränderung des
Lehrer-Schüler-Verhältnisses heutzutage nicht nur notwendig ist, sondern sich auch
zugunsten ihres Unterrichts und der Mündigkeit ihrer Schüler auswirken kann.
Ein erster Schritt in diese Richtung lässt sich laut Künzle et al. (1996, in: Fremdsprache
Deutsch, Sondernummer 1996:50ff) dadurch erreichen, indem Lehrer erstmals darüber
nachdenken, wie sie persönlich überhaupt lernen und lehren, und ob sie selbst autonome
Persönlichkeiten sind. Denn die Kenntnis des eigenen Lern- und Lehrverhaltens beeinflusst
mit Sicherheit auch die Unterrichtsgestaltung, wenn man bedenkt, dass der Lehr- und
Lernstil des Lehrers die einen Schüler begünstigen und die anderen benachteiligen kann.
Der nächste Schritt betrifft die Aneignung bestimmter Qualifikationen, die ich im
Folgenden kurz darstellen möchte:
Der Lehrer sollte seinen Schülern die Möglichkeit geben, ihren eigenen Lerntyp zu
erkennen und dementsprechend versuchen, die jeweiligen Lerntypen (vgl. Kapitel 2.4.2,
S.21ff der vorliegenden Diplomarbeit) in seinem Unterricht zu berücksichtigen. Ich bin der
Ansicht, dass Lehrpersonen anders unterrichten können, wenn ihnen bewusst ist, dass im
Unterricht verschiedene Lerntypen aufeinander treffen56.
56 Dazu dienen auch die entsprechenden Fragebögen, wie z.B. der von Rampillon 2000:44f; Siehe Anhang S.6f in der vorliegenden Diplomarbeit.
64
Von enormer Wichtigkeit ist, die Bedürfnisse und die Interessen der Lernenden im
Unterrichtsprozess miteinzubeziehen. Auf diese Weise sind die Lernenden motiviert und
haben Spaß und Interesse am Unterricht. Dies führt gewiss zu einem effizienteren Lernen.
Eine weitere Aufgabe eines autonomiefördernden Lehrers bestünde darin, die Lernenden
zu beraten. In diesem Zusammenhang erwähnt Müller-Verweyen (1995, in: Fremdsprache
Deutsch, Sondernummer 1995:53), dass Lehrkräfte die Lernenden beraten können, indem
sie sich detaillierte Kenntnisse von verfügbaren Lehr -und Lernmaterialien verschaffen und
ihre Beratung demnach zwischen Lernberatung und Materialberatung unterscheiden.
Außerdem müssen Lehrpersonen laut Müller-Verweyen (ebd.) den Lernenden feed-back
geben, indem sie sich beispielsweise die Zeit nehmen, ihnen aufmerksam zuzuhören und
Individualität sowie widersprüchliche Aussagen der Lernenden zulassen und sie dazu
ermutigen, eigenen Intuitionen zu folgen.
Andererseits müssen Lehrer auch in der Lage sein, sich feed-back zu holen. Damit
versteht Müller-Verweyen (ebd.), dass der Lehrer Zwischenevaluationen macht und sich
selbstverständlich der Evaluation durch die Lernenden stellt, wobei die Anonymität der
Befragten gewährleistet sein muss. Die Lernenden müssen über klare Kriterien verfügen,
wie die Lehrperson evaluiert werden kann.
Weiterhin, bemerkt Müller-Verweyen (ebd.), sollen Lehrende ihren Unterricht transparent
machen, indem sie konsequent Auskunft über das Lernziel geben (das am besten vom
Lerner selbst gesetzt wird), den Lernenden durch sinnvolle Lernerlebnisse zeigen, wie man
effektiv lernt (Lernstrategien vermitteln) , den Zeitfaktor zum Thema machen und so ein
Bewusstsein dafür schaffen, wie viel in der zur Verfügung stehenden Zeit erarbeitet werden
kann.
Anschließend geht es auch darum, die Lernenden in die Pflicht zu nehmen. Das bedeutet
laut Müller-Verweyen (ebd.), dass der Lehrer nicht nur fragt, was Lernende vom Kurs
erwarten, sondern auch was Lernende selbst von sich erwarten.
Außerdem halte ich es für notwendig, dass Lehrer die Ziele, die Lernwege, die
Evaluationsformen, etc. mit den Lernenden aushandeln und sie dazu ermutigen, ihre
eigenen Interessen und Vorschläge in den Unterricht einzubringen.
Schließlich sollten sich Lehrer so überflüssig wie möglich machen. Dies kann nach
Müller-Verweyen (ebd.) geschehen, indem Lehrer sich zurücknehmen, die Lernenden zu
Wort kommen lassen, ihre Entscheidungen akzeptieren usw.
65
Deutlich wird anhand der kurz beschriebenen Qualifikationen, dass sich die Lehrer dessen
bewusst werden müssen, dass sie weniger diejenigen sind, die Inhalte und Wissen
vermitteln, als diejenigen, die den Lernenden ein Angebot machen, um ihnen das Lernen zu
erleichtern, und ihnen Strategien vermitteln, wie sie ihren Lernprozess optimal organisieren
können.
Es reicht also nicht nur aus, einen didaktisch geschickt aufgebauten Unterricht zu erteilen,
sondern Lehrkräfte müssen auch beachten, ihren Unterricht so zu gestalten, dass die
Verantwortung des Lernens schrittweise von den Schülern übernommen wird und somit
Selbständigkeit gefördert wird.
Diese neue Rolle des Lehrers wird oft mit Begriffen wie „Lernbegleiter“, „Organisator“
oder „Manager“ in der Fachliteratur beschrieben (vgl. dazu ausführlich Bimmel/Rampillon
2000:55; Bimmel 1993, in: Fremdsprache Deutsch 1/1993, 5-11; Tings 2004 in:
http://www.westermann.de; u.a).
4.3 Autonomiefördernde Unterrichtsformen und Arbeitsweisen
In diesem Kapitel sollen kurz ein paar Unterrichtsformen und Arbeitsweisen präsentiert
und beschrieben werden, die sich dadurch kennzeichnen, dass sie bei den Lernenden und
Lehrkräften ein autonomes Verhalten fördern.
Zu autonomiefördernden Unterrichtsformen zählen nach Rampillon (1996, in:
Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1996:44ff) vor allem die offenen Formen des
Lernens. Bei offenen Unterrichtsformen handelt es sich nach Deitering (1995:30) um ein
sehr „offenes“ Konzept, in dem es überwiegend um die philosophische Einstellung zum
Lehren und Lernen geht als allein um das Anwenden bestimmter Lernstrategien. Zu
bemerken ist, dass die „Offenheit“ sich auf mehrere Aspekte beziehen kann, zum Beispiel
auf die Organisationsform des Lernens, auf Inhalte, auf die Vorgehensweise, etc. Was
jedenfalls wichtig erscheint, ist das ganzheitliche Lernen.
Eine Form offenen Unterrichts ist der Projektunterricht, der nach Deitering (1995:41) als
ein praktisches und lebensechtes Vorhaben in Zielsetzung, Planung, Ausführung und
Beurteilung zum größten Teil von den Lernenden selbst durchgeführt wird.
Ehnert/Möllering (2001:104) erwähnen zudem folgende Merkmale von Projekten: „1. Ein
konkretes Ziel, das es erlaubt, Sprache in kommunikativer Funktion zu verwenden, das es
erlaubt, Neues, Fremdes zu entdecken und zu erfahren; 2. gemeinsame Planung und
Ausführung durch Lehrer und Schüler […]; 3. die Hereinnahme der Außenwelt in den
66
Unterricht bzw. die Erweiterung des Unterrichts in die Außenwelt hinein […]; 4. die
selbständige Recherche und Aktion der Schüler unter Benutzung aller verfügbaren
Hilfsmittel […]; 5. ein präsentables Ergebnis, das auch über das Klassenzimmer hinaus als
Poster, Zeitung, Korrespondenz, Aufführung, o.Ä. vorgezeigt werden kann […] (Krumm
1991, in: Ehnert/Möllering 2001:105).
Ein Beispiel für ein Projekt wäre beispielsweise, der Entwurf eines Reiseprogramms von
den Lernenden (vgl. dazu ausführlich Projektbeispiele in Ehnert/Möllering 2001:104ff).
Eine weitere offene Unterrichtsform ist auch die Lernstation, bei der nach
Bimmel/Rampillon (2000:47) die Lernenden in einem gegebenen Zeitrahmen an mehreren
inhaltlich verschiedenen Lernstationen Halt machen und sich mit den dort zum Thema
bereitgestellten Lerngegenständen und Lerninhalten befassen, z.B Lernstation zum Thema
Ostern (vgl. ausführlich Bimmel/Rampillon 2000:47).
Darüber hinaus gilt auch der Wochenplan (Bimmel/Rampillon 2000:47) als eine offene
Unterrichtsform bzw. Arbeitsweise, d.h. dass die Lernenden planen, was sie in einer Woche
machen wollen bzw. sollen und somit bestimmte Aufgaben während dieser Woche
selbständig bearbeiten.
Eine letzte Form autonomen Lernens, die ich erwähnen möchte ist das Tandem, d.h
„Sprachenlernen im Austausch, sei es von zwei Lernpartnern aus verschiedenen
Ausgangssprachen, sei es durch Zusammenbringen parallel laufender Kurse“ (Wolff 1989,
in: Müller, Martin et al. 1989:93). In Tandemkursen findet ein Rollentausch statt und eine
Verlagerung des Lehrens auf zwei Personen, die beide Lehrer und Lerner sind, d.h. sie
lernen miteinander und voneinander (vgl. ausführlich Wolff ebd.).
Selbstverständlich können noch weitere Unterrichtsformen bzw. Arbeitsweisen
autonomiefördernd sein, doch ich bin der Ansicht, dass die hier genannten bereits deutlich
zeigen, in welch hohem Maße sie es dem Lernenden erlauben, die Verantwortung für sein
eigenes Lernen zu übernehmen und sich dementsprechend zu verhalten. Die Ziele solcher
offenen Unterrichtsformen bzw. Arbeitsweisen sind klar zu erkennen, nämlich
Selbständigkeit, Selbstbestimmung, Selbstvertrauen, Kommunikations- und Kritikfähigkeit,
kooperatives und soziales Verhalten und ein undogmatisches Denken der Lernenden.
4.4 Konsequenzen für die Lehrmaterialien
Die Förderung der Lernerautonomie und die gezielte Vermittlung von Lernstrategien
beeinflusst nicht nur, wie bereits beschrieben wurde, die Rolle des Lerners/Lehrers und die
67
Unterrichtsformen und Arbeitsweisen, sondern zweifellos auch die Gestaltung von
Lehrwerken und Lehr-/Lernmaterialien insgesamt, zumal solche Materialien sozusagen die
Fremdsprachenkenntnisse „transportieren“ und den Schülern vor Augen führen.
Auch wenn die Konzeption der Lernstrategien und der Lernerautonomie schon seit einiger
Zeit intensiv in der Fremdsprachendidaktik diskutiert wird, bedarf es – wie oft bei neuen
Ansätzen – eines längeren Zeitraums, bis sie in Lehrwerke eingeht und im Unterricht
realisiert werden kann.
In diesem Kapitel soll nun geklärt werden, wie autonomiefördernde Lehrmaterialien, d.h.
Lehr- und Arbeitsbuch, Aufgaben, Übungen usw. zu gestalten sind.
Zur angemessenen Ausführung gewähre ich zuvor einen Einblick in die
Lehrwerkforschung und bestimme den Begriff „Lehrwerk“. Anschließend werden die
Kriterien bzw. Forderungen an autonomiefördernde Materialien und Aufgaben dargestellt.
4.4.1 Einblick in die Lehrwerkforschung und Lehrwerkkritik
Um Lehrwerke hinsichtlich ihrer Autonomieförderung zu untersuchen, halte ich es für
angebracht, kurz die Faktoren in Betracht zu ziehen, die die Analyse, Forschung und Kritik
von Lehrwerken und jeglichen Lehrmaterialien in hohem Maße prägen.
Die Notwendigkeit einer Lehrwerkforschung hat laut Neuner (1994, in: Kast/Neuner
1994:8) einerseits mit den gesellschaftlichen und institutionellen Bedingungen zu tun und
andererseits mit dem Erkenntniszuwachs der Bezugswissenschaften (Linguistik,
Literaturwissenschaft, etc.)
Was die gesellschaftlichen und institutionellen Bedingungen betrifft, lässt sich nach Neuner
(ebd.:10) anmerken, dass der Anstieg der Fremdsprachenlernenden und somit auch der
Wunsch nach Fremdsprachenkenntnissen sowohl in staatlichen Schulen als auch in
privaten Institutionen zu einer großen Ausweitung des Angebots an Lehrwerken führte, die
der jeweiligen Ziel- und Altersgruppe entsprechend unterschiedlich konzipiert sind.
Zum anderen tragen auch die neuesten Erkenntnisse der Fachwissenschaften zum Wandel
der Konzeptionen von Fremdsprachenlehrwerken bei, obwohl, wie ich bereits erwähnt
habe, dieser Wandel meistens mehrere Jahre in Anspruch nimmt, um überhaupt in den
Lehrwerken realisiert zu werden. Die Entwicklung von Lerntheorien, pädagogischen
Ansätzen, u.ä. beeinflussen demnach laut Neuner (ebd.:12) nicht nur den
Fremdsprachenunterricht sondern auch die Gestaltung der Lehrwerke.
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Wie leicht nachzuvollziehen ist, werden neue didaktisch-methodische Konzepte des
Fremdsprachenunterrichts formuliert, die jeweils durch neue Lernziele und
Unterrichtsprinzipien gekennzeichnet sind und aus denen sich der Anstoß zur Entwicklung
neuer Lehrwerke ergibt.
Auf diese Art und Weise ist in letzter Zeit auch das Verlangen nach Lehrwerken zu
erklären, die gezielt die Lernerautonomie im Fremdsprachenunterricht fördern und
Lernstrategien bewusst einführen, vermitteln und trainieren.
An dieser Stelle ist zu betonen, dass in der Fachliteratur zwischen einem „Lehrbuch“ und
einem „Lehrwerk“ unterschieden wird. Möllering (2001:18) versteht unter einem Lehrbuch „ein in sich abgeschlossenes Druckwerk mit fest umrissener didaktischer und methodischer Konzeption (Zielsetzung; Lernstoffprogression; Unterrichtsverfahren), in dem alle zum Lernen benötigten Hilfsmittel (Texte; Übungen; Grammatikdarstellung; Vokabular; etc.) ‘zwischen zwei Buchdeckeln’ enthalten sind.“ (Möllering 2001:18)
Das Lehrwerk dagegen besteht laut Möllering (ebd.) sowohl aus dem Lehrbuch und
Arbeitsbuch als auch aus einem Glossar, Grammatikheft, zusätzliche Lesetexte,
Lehrerhandreichungen, Kassetten, etc. und stellt somit ein offeneres didaktisches und
methodisches Konzept dar, das dem Lehrer mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stellt,
seinen Unterricht differenziert zu gestalten.
Es besteht wohl kein Zweifel darüber, dass das Lehrwerk eine sehr wichtige Rolle im
Fremdsprachenunterricht spielt, da es wie kein anderer Faktor das bestimmt, was im
Unterricht geschieht.
So bemerkt Neuner (1994, in: Kast/Neuner 1994:8) unter anderem, dass das Lehrwerk in
der Umsetzung des Lehrplans die Ziele des Unterrichts festlegt, über die Auswahl und
Abstufung des Lernstoffs entscheidet, die Unterrichtsverfahren, die Unterrichtsphasen und
die Sozialformen des Unterrichts bestimmt, die Auswahl und den Einsatz der anderen
Unterrichtsmedien regelt und angibt, welche Lernziele überprüft werden sollen und welche
Testverfahren eingesetzt werden.
Darüber hinaus macht Koenig (1996, in: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1996:34)
darauf aufmerksam, dass Lehrwerke nicht nur den Unterricht an sich beeinflussen, sondern
auch – bewusst oder unbewusst – zur Entwicklung eines bestimmten Lernverhaltens
beitragen und die Entwicklung bestimmter Lernstrategien betonen bzw. unterstützen. Als
Beispiele erwähnt Koenig (ebd.) dabei das Auswendiglernen von Regeln und Systemen in
der Grammatik-Übersetzungs-Methode, Techniken wie Wiederholen und Nachsprechen in
audiolingualen/audiovisuellen Ansätzen und Strategien des Verstehens von Hör- und
Sehtexten in kommunikativen Ansätzen.
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All die didaktisch-methodischen Ansätze und das zunehmende Angebot an Lehrwerken
führen laut Möllering (2001:21) wiederum zu zahlreichen Entwürfen von
Kriterienkatalogen bzw. Kriterienraster, anhand derer Lehrwerke analysiert und
begutachtet werden sollen. Dabei bezweifelt Möllering (ebd.) den uneingeschränkten
Einsatz von solchen Kriterienkatalogen und schlägt stattdessen vor, die von
Fachwissenschaftlern erarbeiteten Kriterien als Ausgangspunkt für die individuelle
Begutachtung eines Lehrwerks in einer spezifischen Lehr- und Lernsituation zu nutzen.
Wie Lehrwerke zur Förderung der Lernerautonomie beitragen können, soll im nächsten
Kapitel untersucht werden, indem Kriterien autonomiefördernder Lehrwerke präsentiert
werden. Dadurch wird gleichzeitig auch geprüft, wie Lehrwerke den Aspekt „Lernen lernen
lassen“ berücksichtigen, d.h. ob sie den Lernenden Möglichkeiten bieten, sich Fähigkeiten
anzueignen, mit denen sie jederzeit – auch nach Abschluss der Schulzeit – lernen, wie sie
vorgehen können, um ihren Lernprozess selbständig in Griff zu haben.
4.4.2 Kriterien autonomiefördernder Lehrwerke
Die folgende Darstellung der Kriterien autonomiefördernder Lehrwerke basiert auf die
Ausführungen von Gick (1989, in: Müller, Martin et al. 1989:163ff) und Nodari (1999, in:
http://www.iik.ch/downloadD2/Gestalt_autonomiefoerd_LW.pdf).
Bemerken möchte ich allerdings, dass diese Kriterien kein Anforderungsprofil an
bestehende Lehrwerke sind, sondern vielmehr eine Sammlung von wünschbaren Inhalts-
und Strukturelementen ist. Daher bieten sie eher einen Überblick über die vielfältigen
Möglichkeiten, autonomes Lernen in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache zu fördern
und zu unterstützen. Aus diesem Grund ist auch nicht zu erwarten, dass die folgenden
Kriterien alle zusammen in einem Lehrwerk erfüllt werden.
Als erstes bezieht sich Nodari (ebd.) auf die Gliederung von Lehrwerken und verweist auf
folgende Lehr- bzw. Lernmaterialien, die ein Lehrwerk umfassen soll, um die
Selbständigkeit fördern zu können:
Textbuch mit Kassette: Es enthält anregende Lesetexte, Illustrationen und Grafiken,
Vorschläge für weiterführende Aktivitäten, Verweise auf Übungen zum Wortschatz und
zur Grammatik, eine Übersicht über alle vorhandenen Lehrwerkteile, etc.
Wortschatzübungsbuch: Es enthält unter anderem ein differenziertes Übungsangebot mit
unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und einen Lösungsschlüssel; es übernimmt auch
70
die Funktion eines persönlichen Wörterbuchs und wird von den Lernenden eindeutig als
Übungsapparat verstanden, etc.
Grammatikübungsbuch: Es enthält für die Lernenden verständliche Tabellen und
Erklärungen zur Grammatik, ein differenziertes Übungsangebot mit unterschiedlichen
Schwierigkeitsgraden, etc.
Begleitbuch für die Lehrkraft: Es enthält Angaben zum Sinn und Zweck der
Autonomieförderung, sowie Anregungen zu einer autonomiefördernden
Unterrichtsgestaltung und Anleitungen zum Einsatz elektronischer Medien, etc.
Lerntagebuch für die Lernenden: Es ist ein Büchlein oder ein Heft, das allein vom
Lernenden benützt wird. Es enthält Fragen zur Person und zum Lernprozess, Checklisten,
kleine Tests, Comics, Lesetexte, etc.
Zusatzangebote über Internet: Solche Materialien sind entweder von Lernenden
entwickelte Projektresultate, Ideen, Tipps usw. oder von Lehrenden erarbeitete
Lerneinheiten, die dem Verlag zur Verfügung gestellt werden. Sie enthalten außerdem
Kontaktadressen für Informationen und Partnerschaften, etc.
mögliche zusätzliche Elemente: Filme oder Filmausschnitte, die authentische Einblicke in
das Leben der zielsprachigen Gesellschaft vermitteln, deutsche Zeitschriften, etc.
Als nächstes werden die erwünschten Kriterien für Lehrwerke präsentiert, die durch ihren
Aufbau und Inhalt die Vermittlung von Lernstrategien unterstützen.
Treffend erscheint mir die Bezeichnung von Gick (1989, in: Müller, Martin et al.
1989:163ff), autonomiefördernde Materialien sollten aktivierend, unterstützend,
transparent, offen, natürlich, objektivierend und motivierend sein, oder schlicht autonom!
Wie sich diese Merkmale nun genau auf die Gestaltung von Lehrwerken auswirken, wird
folglich anhand der Kriterienliste von Nodari (1999, in: http://www.iik.ch/
downloadD2/Gestalt_autonomiefoerd_LW.pdf) dargestellt:
Das erste Kriterium soll nach Nodari (ebd.) eine gute Orientierung im Lehr-/Lernprozess
gewähren. Damit wird
(a) die Orientierung im Lehrwerk bezeichnet, d.h.
Das Lehrwerk bietet einen Überblick über die Lehrwerk-Teile und die Zusatzangebote.
Alle Lernenden wissen genau, wie das Lehrwerk zusammengestellt und aufgebaut ist.
71
Detaillierte Inhaltsverzeichnisse sind vorhanden (im Hauptverzeichnis mindestens
Themen, Lehrziele, Grammatik, besondere Rubriken; in den Verzeichnissen zu den
Einheiten mindestens Themen, Lehrziele).
Lernziele werden transparent gemacht, und den Lernenden werden Wahl- und
Ergänzungsmöglichkeiten eingeräumt.
Das Autorenteam wendet sich mit einem Vorwort und/oder einem Nachwort direkt an die
Lernenden. Sinn und Zweck des Deutschunterrichts und die Grundphilosophie des
Lehrwerkes werden darin – wenn möglich – in der Erstsprache dargelegt.
Spezifische Aufgabenstellungen zur Orientierung im Lehrwerk sind vorhanden. Diese
Aufgabenstellungen können kurz sein (Suche im Lehrwerk XY!) oder als Spiel gestaltet
sein (Quiz).
Piktogramme für Aktivitäten und Verweise werden dosiert eingesetzt. Eine zu große Zahl
von Piktogrammen wirken desorientierend. Die Piktogramme werden am Anfang erklärt.
Die Register (zum Wortschatz, zu den Grammatikbegriffen) erfüllen im Lehrmittel eine
didaktische Funktion. Register als reine Sammlungen von Wörtern oder Begriffen sind zu
vermeiden.
Grafik und Layout tragen wesentlich zur Orientierung im Lehrwerk bei.
(b) die Verständlichkeit der instruktionalen Texte bezeichnet, d.h.
Die angeregten Aktivitäten werden durch einfache, verständliche Instruktionen
(Anweisungen) eingeleitet.
Instruktionen zu Aktivitäten und Übungen enthalten dosiert auch Hinweise zur
Sozialform und zum Medium (wenn immer möglich mit Piktogrammen).
Übungen werden immer durch Beispiele oder andere Hilfestellungen eingeleitet.
(c) die Orientierung im Curriculum bezeichnet, d.h.
Das Lehrwerk unterstützt die Lehrperson in der Darbietung und Reflexion der Ziele mit
der Klasse bzw. mit einzelnen Lernenden.
Das Lehrwerk regt die Lernenden an, die Ziele zu formulieren und sie mit den Zielen des
Curriculums (Lehrmittel, Lehrplan) zu vergleichen.
Das Lehrwerk zeigt den Lehrpersonen Wege für die Unterrichtsplanung und die
Darbietung des Unterrichtsprogrammes für die Lernenden.
Das zweite Kriterium ermöglicht nach Nodari (ebd.) die Übertragung der Verantwortung
in folgenden Bereichen:
(a) Lernpensum
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Das Lehrwerk enthält ein differenziertes Lernpensum, das dem Lernenden die
Möglichkeit der Wahl seines Lernpensums offen lässt.
Das Lehrwerk bietet Texte und Übungen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden.
Das Lehrwerk enthält Instrumente, welche die Übersicht der geleisteten bzw. zu
leistenden Arbeit ermöglicht (Arbeitspläne).
(b) Inhalte
Das Lehrwerk ist vom Konzept her so aufgebaut, dass verschiedene Lernwege möglich
sind.
Die Lerninhalte sind so organisiert, dass nicht unbedingt und immer alle Lernenden
gleichzeitig das Gleiche tun müssen (z.B. durch Auswahltexte).
Das Lehrwerk enthält vielfältige Angebote und Anregungen zur Vertiefung und zum
Weiterlernen (Module unter anderem auch auf Internet).
(c) Arbeits- und Sozialformen
Zur Bearbeitung eines Inhaltes sollen die Lernenden die Sozialform auch selbst
bestimmen können (allein, zu zweit, in der Gruppe).
Arbeitsformen, die selbständiges Lernen fördern, sind immer wieder anzuregen
(gegenseitiges Erklären, induktive Regelfindung, Hypothesen formulieren, Raster zum
Verstehen von Texten).
(d) Übungen, Aufgaben und Aktivitäten
Es wird eine Vielfalt an Übungs- und Aufgabentypen sowie anderer Aktivitäten zur Wahl
angeboten.
Die Lernenden werden angeregt, eigene Übungen und Aufgaben zu entwickeln, ev. auch
computergestützt. (Lernende schreiben Übungen für Mitlernende und stellen sie
gegebenenfalls über Internet zur Verfügung).
Das dritte Kriterium von Nodari (ebd.) bezieht sich auf die Reflexion über Lernprozesse,
wobei folgende Faktoren überaus wichtig sind.
(a) Metakognitives Wissen
Rückblicke auf die Lerninhalte (am Ende eines Kapitels werden angeboten).
Das Lehrwerk regt an, das Unterrichtsgeschehen kritisch zu reflektieren.
Die Lernenden werden angehalten, persönliche Lernerfahrungen zu reflektieren und
auszutauschen.
73
Das Lehrwerk bietet Inhalte und Instrumente zur Ermittlung des eigenen Lerntyps (Texte
über unterschiedliche Lernweisen, Fragen zum Lernverhalten in Bezug auf einen
spezifischen Lerninhalt, allgemeine Fragebögen, Checklisten).
Das Lehrwerk liefert Instrumente zur Selbst- und Fremdeinschätzung.
(b) Lernstrategien
Explizite Lernstrategien werden angeboten.
Zu bestimmten Lernbereichen (Wortschatz, Leseverstehen) werden unterschiedliche
Techniken zur Wahl angeboten, also fertigkeitsbezogene Lernstrategien angeboten.
Lernstrategien werden nicht als allgemein gültig, für alle Lernenden angemessen
dargestellt. (Jeder Lerntyp bevorzugt andere Strategien).
Das Lehrwerk regt an, den Einsatz und den Erfolg von Lernstrategien zu reflektieren und
Verbesserungsmöglichkeiten zu finden.
(c) Selbstkorrektur und Selbsttests
Das Lehrwerk liefert zu geschlossenen Übungen einen Lösungsschlüssel zur
selbständigen Korrektur.
Es enthält Anleitungen zur Wahrnehmung von lernersprachlichen Fehlleistungen in der
mündlichen und schriftlichen Produktion.
(d) Reflexion über kommunikative Strategien
Der Einsatz und die Nützlichkeit von kommunikativen Kompensationsstrategien wird
reflektiert (mit Gestik, Füllwörtern, Umschreibungen).
Kommunikative Strategien in Gesprächen und Diskussionen (Vermeidung von Themen,
gezielte Fragestellungen) werden thematisiert und reflektiert.
(e) Reflexion über Spracherwerb
Das Lehrwerk gibt Anregungen zur Reflexion über die Bedingungen und Möglichkeiten
des Spracherwerbs (z.B. mit Sprachlernbiografien, mit Checklisten usw.)
Die Lernenden werden angeregt, ihre Erfahrungen mit Sprachenlernen
zusammenzutragen und zu reflektieren.
Nach dem vierten Kriterium sollen laut Nodari (ebd.) Möglichkeiten für erweiterte
Lernformen in Lehrwerken berücksichtigt werden, z.B. durch
(a) Steuerung der Unterrichtsform
Einzelne Kapitel oder Teile davon sind so gestaltet, dass sie eine bestimmte erweiterte
Lernform nahe legen (Projekte, Fallstudie, Simulation, Werkstatt).
74
Im Textbuch werden Arbeitsformen angeregt, die kooperatives Handeln verlangen
(gemeinsames Lernen, gegenseitiges Abfragen).
Weitere autonomiefördernde Unterrichtsformen sind in Kapitel 4.3 der vorliegenden
Diplomarbeit nachzusehen.
(b) Unterstützung im Begleitbuch
Das Begleitbuch liefert Anleitungen zu unterschiedlichen Unterrichtsformen (Projekt,
Werkstatt, Fallstudie, Simulation, Wochenplan).
Das Begleitbuch regt an, Lehrfunktionen auch den Schülerinnen und Schülern zu
übertragen (reziprokes Lehren, Tandem).
Ein weiteres Kriterium betrifft den Gebrauch der Zielsprache (mündlich und schriftlich)
(a) Im Klassenzimmer
Im Lehrwerk wird angeregt, eine Vereinbarung über den Gebrauch der Zielsprache im
Klassenzimmer auszuhandeln und die vereinbarten Regeln auf einem Poster im
Klassenzimmer auszuhängen.
Das Lehrwerk liefert Instrumente, um an das Einhalten der Vereinbarung zu erinnern und
über die Nichteinhaltung zu reflektieren (z.B. durch Checklisten oder Frageraster: „Wer
spricht im Unterricht wann welche Sprache?“).
Das Lehrwerk regt an, periodisch deutschsprachige Personen aus der Umgebung für eine
Gesprächsstunde einzuladen.
(b) In der Umgebung
Das Lehrwerk regt an, Kontakte mit deutschsprachigen Institutionen und Persönlichkeiten
zu suchen.
Das Lehrwerk regt an, Resultate von Erkundungen, Projekten periodisch zu
veröffentlichen (Klassenzeitung, Posters).
Das Lehrwerk regt an, deutschsprachige Veranstaltungen (Film, Theater, Feste) zu
besuchen.
Das Lehrwerk regt an, deutschsprachige Fernseh- und Radiosendungen zu sehen bzw. zu
hören, es bietet Hilfestellung zur Entwicklung von Hör- und Hör-Seh-Strategien.
(c) Im direkten Austausch
Das Lehrwerk thematisiert Austausch im Textbuch.
Das Lehrwerk unterstützt die Lehrperson zur Organisierung von Austauschprojekten
(Klassenaustausch, Schüleraustausch, Lehrpersonenaustausch).
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(d) Im indirekten Austausch
Das Lehrwerk regt zu einem mündlichen (Ton-, Videokassetten) und schriftlichen
Austausch mit einer deutschsprachigen Klasse oder mit deutschsprachigen Personen an.
Das Lehrwerk regt an, auch andere elektronische Medien (falls vorhanden) für den
Austausch zu nutzen (Internet, E-Mail).
Mit dem sechsten Kriterium untersucht Nodari (ebd.) Möglichkeiten der Reflexion über
Sprache (language awareness) in einem Lehrwerk.
(a) Wahrnehmung des Deutschen
Im Lehrwerk wird auf die Präsenz des Deutschen in der Umgebung der Lernenden
aufmerksam gemacht. Außerhalb des Zielsprachenlands werden Beispiele von Deutschen
geliefert.
Es werden beispielhafte Anleitungen geliefert, wie das Deutsche in der Umgebung
ermittelt werden kann (Erkundungen, Projekte, Besuche, Einladungen).
Das Deutsche in der Umgebung wird nicht nur am Anfang thematisiert, sondern auf allen
Stufen immer wieder angesprochen.
(b) Reflexion über die Unterschiede der Erst- und Zweitsprache
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Erstsprache und Deutsch werden
thematisiert.
Es wird angeregt, Gemeinsamkeiten mit anderen Sprachen zu suchen.
(c) Reflexion über die sprachliche Vielfalt
Das Lehrwerk enthält auch Hörtexte verschiedener Varietäten des Deutschen und regt an,
Unterschiede zwischen den Varianten ausfindig zu machen.
Das Lehrwerk thematisiert die sprachliche Vielfalt in den deutschsprachigen Regionen
(multikulturelle Gesellschaft).
(d) Reflexion über die vielfältigen Funktionen von Sprache
Das Lehrwerk thematisiert anhand konkreter Fallbeispiele den Stellenwert von Sprachen
bei mehrsprachigen Personen (Erstsprache, Zweitsprache, Fremdsprachen).
Soziolekte innerhalb des Deutschen werden thematisiert mit der Aufforderung, Soziolekte
in der eigenen Sprache ausfindig zu machen.
Unterschiedliche sprachliche Funktionen werden thematisiert (von der Literatur bis zum
Einkaufszettel; vom Treppenhausgespräch bis zur Vorlesung).
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Das letzte Kriterium soll nach Nodari (ebd.) den Grad interkulturellen Lernens in einem
Lehrwerk feststellen. Dabei wird folgendes genauer untersucht:
(a) Wahl der Themen
Die Texte geben den Lernenden Informationen über das wirkliche Leben in einer
bestimmten deutschsprachigen Region und regen an, Vergleiche mit der eigenen
Wirklichkeit zu ziehen.
Für die Wahl der Themen und Texte sind sprachdidaktische Anliegen und Kriterien
zweitrangig. Von Lehrbuchautoren erfundene Themen, Situationen und Geschichten sind
auf ein Minimum beschränkt. Authentische Texte sind zu bevorzugen.
(b) Thematisierung von Einstellungen und Werten
Die Themen und Texte enthalten exemplarische Darstellungen von Einstellungen und
Werten unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in den Zielsprachenregionen.
Für die Zielgruppe zentrale Themen werden anhand von konkreten Fallbeispielen
dargestellt.
Die Texte und Aufgabenstellungen regen an, mit der eigenen Wirklichkeit zu vergleichen
und darüber zu reflektieren.
(c) Reflexion über kulturbedingte verbale Normen
Unterschiedliche sprachliche Normen in der Erstsprache und im Deutschen (z.B. grüßen,
sich verabschieden, Komplimente aussprechen, telefonieren) werden kontrastiv dargestellt.
Das sprachliche Verhalten von Deutschsprachigen aus verschiedenen Regionen wird in
Situationen präsentiert (möglichst auf Videos). Es wird angeregt, über die
unterschiedlichen Verhaltensweisen in Gesprächen und Diskussionen zu reflektieren.
Tabu-Themen werden kontrastiv dargestellt (z.B. über den Lohn sprechen, über
Misserfolge sprechen).
Tabu-Wörter und Wendungen des Deutschen werden in Situationen dargestellt und mit
den entsprechenden erstsprachlichen Wörtern und Wendungen verglichen.
(d) Reflexion über kulturbedingte nonverbale Verhaltensweisen
Unterschiedliche nonverbale Verhaltensweisen in der Erstsprache und in
unterschiedlichen deutschsprachigen Regionen (Hände schütteln, Küssen beim Grüßen,
Sprechdistanz, Körperkontakte) werden kontrastiv (ev. auch historisch) dargestellt.
Spezifische Verhaltensweisen in sozialen Situationen werden dargestellt und reflektiert
(beim Essen, Schlange stehen, eine fremde Person ansprechen)
Riten und Sitten aus deutschsprachigen Regionen werden dargestellt und mit
entsprechenden Riten und Sitten im eigenen Land verglichen.
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Tabu-Gesten und Handlungen werden in Situationen thematisiert und verglichen.
Dieser Kriterienkatalog umfasst meines Erachtens eine äußerst große Anzahl von
Merkmalen autonomiefördernder Lehrwerke, die mit Sicherheit nicht alle in einem
Lehrwerk zu finden sein werden.
Allerdings können Lehrende anhand dieser Kriterien das für ihre Lerngruppe geeignetste
Lehrwerk aussuchen oder Materialien im bereits verwendeten Lehrwerk umstrukturieren
und anders verarbeiten, indem sie sich bei der Auswahl an möglichst mehrere Kriterien
richten oder Lehrwerkmaterialien den Kriterien entsprechend umstrukturieren. Die
selbständige Herstellung von Lehrmaterialien kann ebenfalls von diesen Kriterien
unterstützt werden.
Demnach ist der Kriterienkatalog eine Art Orientierungshilfe oder Vorlage bei der Suche
nach neuen Lehrwerken oder bei der Erstellung, Bearbeitung oder Umarbeitung von Lehr-
/Lernmaterialien.
4.4.3 Autonomiefördernde Aufgaben und Übungen
In diesem Kapitel sollen nun ein paar autonomiefördernde Aufgaben und Übungen
vorgestellt werden. Zuvor halte ich es allerdings für angemessen, kurz auf den Unterschied
zwischen einer „Aufgabe“ und einer „Übung“ einzugehen.
Unter einer Aufgabe verstehen Häussermann/Piepho (1996:449) ein Instrument, das
entdeckendes und konstruierendes Lernen durch Arbeit an Inhalten, Problemstellungen und
Sachverhalten auslöst, und das Ziel hat, die Erkenntnisse und Befunde in der Zielsprache
zu formulieren und gegebenenfalls zur Diskussion zu stellen.
Demnach ist zu verstehen, dass Aufgaben für die Lernenden unterschiedliche Herangehens-
und Vorgehensweisen ermöglichen, wobei nicht nur eine einzige Lösung bzw. ein
einheitliches Resultat als richtig zu gelten ist. Deshalb sind Missverständnisse und
Fehldeutungen der Lernenden als natürlich und sogar als Ausgangspunkt für die
Auseinandersetzung im Unterricht aufzufassen. Aufgaben werden auf Grund ihrer
Merkmale auch als „offen“ bezeichnet.
Übungen dagegen sind nach Häussermann/Piepho (1996:197) stark bindend, zumal die
Inhaltsebene, die Ausdrucksebene und die Regelebene in Übungen sehr eng
zusammengefügt sind.
78
Daher scheint bei Übungen nur ein Lösungsweg möglich zu sein und nur eine spezifische
Lösung von den Lernenden zu erwarten. Übungen werden deswegen auch oft als
„geschlossen“ charakterisiert.
Bemerken möchte ich an dieser Stelle, dass nicht nur die Gestaltung von Lehrwerken von
den jeweiligen Lerntheorien und didaktisch methodischen Ansätzen beeinflusst wird,
sondern auch in gleichem Maße die Konzeption von Aufgaben und Übungen. In letzter Zeit
ist demnach zu beobachten, dass die intensive Diskussion über die Förderung der
Lernerautonomie im Fremdsprachenunterricht viele Autoren dazu veranlasst hat, eine
Aufgaben- und Übungstypologie zu formulieren und zu verfassen.
So haben Rampillon (2000) und Nodari (1994, in: Fremdsprache Deutsch 1/1994:39ff) den
Versuch unternommen, Aufgaben und Übungen hinsichtlich ihrer Autonomieförderung zu
ordnen und neu zu konzipieren.
Rampillon (2000:59ff) unterscheidet dabei drei Stufen in ihrer Aufgabentypologie. Die
erste Stufe umfasst Aufgaben, mit denen Lernende Lernstrategien zum autonomen Lernen
kennen lernen und sich ihrer bewusst werden können. Auf der zweiten Stufe befinden sich
Aufgaben, bei denen die Lernenden Lernstrategien sammeln, vergleichen und ordnen und
somit das selbstgesteuerte Lernen vorbereiten, während auf der dritten Stufe Aufgaben zu
treffen sind, bei denen die Lernenden mit Lernstrategien experimentieren, ihren Einsatz
trainieren, ihre Nützlichkeit bewerten und das selbstgesteuerte Lernen erproben.
Die Aufgabentypologie ist meines Erachtens sehr ausführlich und eignet sich äußerst gut
für den Entwurf neuer autonomiefördernder Aufgaben und Übungen. Beeindruckend war
für mich außerdem, dass Rampillon (ebd.) passende Aufgaben und Übungen für jeden
Lerntyp enthält.
Die folgenden Aufgabentypen sind weniger als festgelegte Übungen zu begreifen, denn sie
beschreiben vielmehr, welche Aspekte in Aufgaben im Unterricht konsequent eingebaut
werden sollen.
In dieser Arbeit wird die Aufgabentypologie von Nodari (1994, in: Fremdsprache Deutsch
1/1994:39ff) bevorzugt, da sie die autonomiefördernden Aufgaben entsprechend der bereits
im vorigen Kapitel beschriebenen Kriterien unterscheidet und ordnet.
Der erste Aufgabentyp soll nach Nodari (ebd.:39f) den Lernenden die Orientierung im
Lehr-/Lernprozess ermöglichen. Das bedeutet, dass Lernende jederzeit darüber Bescheid
wissen müssen, was sie lernen, welches Ziel sie erreichen wollen, wie viel Zeit sie dafür
79
beanspruchen, welche Materialien ihnen zur Verfügung stehen usw. Zu diesem Zweck
schlägt Nodari (ebd.) folgende Aufgaben vor:
Zu Beginn eines Kurses Lernziele eines Semesters / Jahres aufschreiben und nach
Prioritäten ordnen.
Während des Kurses Lernziele eines Semesters (oder eines Monats, etc.) überprüfen,
ergänzen oder je nach Bedarf abändern.
Zeitpläne erstellen und abändern.
Stoffpläne erstellen, überprüfen und abändern.
Lehr-/Lernmaterialien und Hilfsmittel kennen lernen, ergänzen und kritisieren.
Zu Beginn einer Unterrichtseinheit bzw. Unterrichtsstunde die Lehrziele darlegen bzw.
am Ende überprüfen.
Zeitpläne für die Unterrichtsarbeit, für die Hausaufgaben, für Projekte usw. erstellen,
überprüfen und gegebenenfalls abändern.
Lernpensum57 genau festlegen, überprüfen, ergänzen oder kürzen.
Materialien und Hilfsmittel wählen, ergänzen und verwerfen.
Der zweite Aufgabentyp dient nach Nodari (ebd.: 40) der Übertragung von
Verantwortung in folgenden Bereichen:
Der erste Bereich betrifft die Lernziele, wobei neben den „offiziellen“ Lernzielen auch
eigene Lernziele von den Schülern zu berücksichtigen sind. Die selbständige
Lernzielsetzung wurde mehrmals in dieser Diplomarbeit angesprochen, da sie für ein
autonomes Lernen unbedingt ermöglicht werden sollte. Aufgaben, die in diesem Gebiet
gestellt werden können, sind:
Die offiziellen Lernziele kritisch diskutieren und hinterfragen.
Klassenziele formulieren lassen und überprüfen oder abändern.
Eigene Lernziele im Lerntagebuch eintragen.
Individuelle Lernziele in der Klasse vortragen und Interessengruppen bilden.
Individuelle Lernziellisten aushängen.
Der zweite Bereich bezieht sich auf die Lerninhalte, d.h. welchen Stoff müssen bzw.
wollen die Lernenden innerhalb eines Schuljahres (oder Semesters, Monats, Woche)
bearbeiten. Hier erweisen sich die weiteren Aufgaben nach Nodari (ebd.) als nützlich:
Das minimale Kernprogramm kritisch diskutieren, evt. ergänzen oder kürzen.
57 „[…] in einer bestimmten Zeit zu erledigende Arbeit, Aufgabe […] für eine bestimmte Zeit vorgeschriebener Lehrstoff […]“ (aus: Wahrig 1994:1196).
80
Wochenpläne für das individuelle Lernprogramm erstellen.
Zielsprachliche Lehr-/Lernmaterialien selbst suchen und bearbeiten.
Als nächstes umfasst die Übertragung von Verantwortung Aufgaben für die Bearbeitung
der Lerninhalte, z.B.:
Reihenfolge der Aufgabenlösung selbst festlegen.
Eine der angebotenen Aufgabenstellungen auswählen.
Aufgaben zu bestimmten Lerninhalten selbst formulieren.
Eine der angebotenen Lernstrategien auswählen.
Zuletzt bedeutet Lernverantwortung übertragen laut Nodari (ebd.) auch, den Lernenden
selbst die Evaluation ihres Lernens und Könnens zu erlauben. Dazu kommen folgende
Aufgaben in Frage:
Übungen anhand eines Lösungsschlüssels selbst korrigieren.
Eigene Tonbandaufnahmen usw. zu zweit oder in Gruppen auswerten.
Selbsteinschätzungen anhand der erstellten Lehrziellisten ausfüllen.
Evaluation von Projekten in der Klasse durchführen.
Der dritte Aufgabentyp soll den Lernenden dazu verhelfen, ihre eigenen Stärken und
Schwächen kennen zu lernen, den eigenen Lerntyp zu entdecken, sich über ihre
Lerngewohnheiten bewusst zu werden, über Vorgehensweisen nachzudenken und diese
dann eventuell auch zu verändern, u.ä. Solche Aufgaben unterstützen demnach eine
Reflexion über Lernweisen:
Fragebogen zur Ermittlung des Lerntyps ausfüllen.
Über Vorlieben bei Lernstrategien diskutieren.
Zu Übungen und Aufgaben Stellung nehmen.
Die eigenen Lernweisen den Mitschülern vorstellen.
Im Lerntagebuch eine Rubrik („So lerne ich“) führen, in der das Vorgehen beim Lernen
festgehalten wird; im Lerntagebuch periodisch zurück blättern und Änderungen im
Lernverhalten aufsuchen.
Lernerfahrungen zu zweit, in Gruppen, in der Klasse austauschen und diskutieren.
Eigene Tipps und Tricks austauschen.
Notizen machen zum Unterricht und gemeinsam darüber diskutieren.
Fragebogen zum Unterricht und zur Lehrperson ausfüllen.
81
Der vierte Aufgabentyp bezweckt nach Nodari (ebd.: 43), den Lernenden die Möglichkeit
zur Reflexion über kulturbedingte Verhaltensweisen zu geben. Dazu eignen sich folgende
Aufgaben:
Eigene Sitten und Gebräuche darstellen und vergleichen.
Texte über Sitten und Gebräuche einer Korrespondenzklasse zustellen und entsprechende
Texte anfordern.
Zweisprachige Listen von sprachlichen Ritualen aushängen, die laufend ergänzt werden
(z.B. Es freut mich, Sie kennen zu lernen; Darf ich Ihnen … vorstellen, usw.)
Sprachliche Routinen / Gewohnheiten aus der sozialen Umgebung der Schüler sammeln
und auflisten.
Bedeutungstragende Gesten und Mimik vergleichen.
Zur Förderung der Autonomie beim Fremdsprachenlernen ist es notwendig, Aufgaben der
vier beschriebenen Typen schrittweise in den Unterricht einzusetzen und andere wenig
autonomiefördernde Inhalte und Vorgehensweisen vom Unterricht zu „entfernen“.
5. Auswertung eines Lehrwerks für die Sekundarstufe I
Im vorliegenden Kapitel wird nun der Versuch einer Lehrwerkanalyse beschrieben.
Anmerken möchte ich an dieser Stelle, dass es sich nicht um einen vollständigen Vorschlag
einer Beurteilung von Lehrwerken der Sekundarstufe I handelt, sondern eher um einen
Versuch einer Beurteilung, die das Ziel hat, die Nützlichkeit und den Sinn der oben
erwähnten Kriterien bei der Gestaltung von Lehrwerken zur Geltung zu bringen. Meine
Entscheidung ein Lehrwerk der Sekundarstufe im Hinblick auf die Autonomieförderung zu
untersuchen, liegt daran, dass die Lernenden in dieser Stufe zum ersten Mal in Kontakt mit
der deutschen Sprache treten. Deshalb möchte ich gern betonen, wie wichtig es ist, dass
bereits in Lehrwerken für Anfänger die Strategievermittlung und die Autonomieförderung
berücksichtigt werden.
Im Weiteren werde ich demnach einen Einblick darin gewähren, in welchem Maße das
Lehrwerk die Lernerautonomie fördern oder auch behindern kann. Dazu wird das Lehrwerk
für Deutsch als Fremdsprache „Ping Pong neu“ – Hueber Verlag benutzt, das sich in
82
Griechenland großer Beliebtheit erfreut, zumal es in den meisten öffentlichen Gymnasien
von Lehrkräften und Schülern gebraucht wird.
Zuvor möchte ich allerdings das Lehrwerk kurz präsentieren und dessen Einsatz in
Erwägung ziehen.
5.1 Präsentation des Lehrwerks „Ping Pong neu“
Das Lehrwerk „Ping Pong neu“ besteht aus drei Bänden, nämlich Ping Pong neu 1, Ping
Pong neu 2 und Ping Pong neu 3, die zum Zertifikat Deutsch führen. Diese drei Bände
umfassen jeweils ein Lehrbuch und ein Arbeitsbuch, die wiederum zwölf Kapitel enthalten.
Das Lehrwerk „Ping Pong neu“ richtet sich an jugendliche Anfänger (Grundstufe) der
Sekundarstufe und wird sowohl in Deutschland im Fremdsprachenunterricht Deutsch für
Auslandskinder eingesetzt als auch außerhalb von Deutschland.
In Griechenland ist das Lehrwerk im Fremdsprachenunterricht Deutsch auch an
öffentlichen Schulen für jugendliche Anfänger einsetzbar, die im Alter von etwa zwölf bis
15 Jahren in der ersten Klasse des Gymnasiums (Sekundarstufe) ihre zweite Fremdsprache
erwerben. Das bedeutet, dass die Lernenden der Sekundarstufe bereits in der Grundschule –
in der dritten Klasse – ihren ersten Fremdsprachenunterricht besuchen, nämlich den
Englischunterricht. Anschließend müssen sich die Schüler in der letzten Klasse der
Grundschule dazu entscheiden, ob sie im Gymnasium die französische oder die deutsche
Sprache erwerben möchten.
Wie zu bemerken ist, haben die Lernenden in Gymnasien bereits Kenntnisse einer ersten
Fremdsprache (Englisch) und somit bringen sie bestimmte Lernerfahrungen, Lern-
gewohnheiten und auch Lernstrategien – wenn auch meistens unbewusst – in den
Deutschunterricht mit.
Da im öffentlichen Schulwesen Stoffpläne und Reglemente bestimmen, mit welchen
Inhalten sich die Schüler in den drei Klassen des Gymnasiums auseinander setzen müssen,
sind dementsprechend im Fremdsprachenunterricht Deutsch vorschriftsmäßig sechs
Lektionen im Schuljahr zu behandeln. In der ersten Klasse des Gymnasiums sind Kapitel
eins bis sechs von Ping Pong neu 1 zu bearbeiten, in der zweiten Klasse die letzten sechs
Kapitel von demselben Lehrbuch, während in der dritten Klasse des Gymnasiums die
ersten sechs Kapitel des zweiten Bandes behandelt werden müssen.
83
5.2 Analyse des Lehrwerks „Ping Pong neu“
Da in öffentlichen Gymnasien die ersten zwei Bände des Lehrwerks behandelt werden,
verzichte ich bei meiner Beurteilung auf den dritten Band und beziehe mich folglich auf die
Lehr- und Arbeitsbücher von „Ping Pong neu 1“ und „Ping Pong neu 2“.
Bei der Beurteilung richte ich mich nach den in Kapitel 4.4.2 aufgestellten Kriterien
autonomiefördernder Lehrwerke (Nodari 1999, in: http://www.iik.ch/downloadD2/
Gestalt_autonomiefoerd_LW.pdf).
Zur Gestaltung des Lehrwerks „Ping Pong neu“ lässt sich folgendes beachten:
5.2.1 Analyse und Beurteilung der Gliederung des Lehrwerks
Was die Gliederung des Lehrwerks „Ping Pong neu“ betrifft, ist zu bemerken, dass der
Verlag Hueber Hellas parallel zum Lehrwerk Ping Pong – außer dem Lehr- und
Arbeitsbuch – die weiteren Lehr-/Lernmaterialien für den Fremdsprachenunterricht
Deutsch an öffentlichen Schulen vorschlägt:
Ein Lehrerhandbuch für jeden Band, mit dessen Hilfe der Lehrer seinen Unterricht
vorbereiten, planen und beurteilen kann. Es enthält methodische Hinweise, die als ein
Angebot an die Lehrkräfte zu verstehen sind, zumal die Endentscheidungen über das
methodische Vorgehen von den Lehrkräften selbst getroffen werden, Tests zur
Leistungskontrolle für die Schüler, einen Lösungsschlüssel zu den Übungen im Lehr- und
Arbeitsbuch und eine Transkription der Hörtexte. Darüber hinaus informiert es den Lehrer
über den Aufbau des Lehrwerks, über die im Lehrbuch zu treffenden Textsorten und über
die Schwerpunkte, die gesetzt werden.
Außerdem gibt der Verlag speziell für den Lehrer an öffentlichen Schulen ein Begleitheft
für jede Klasse des Gymnasiums heraus, in denen Vorschläge zur Stoffeinteilung für jede
Unterrichtsstunde gemacht werden, auf andere einsetzbare Materialien hingewiesen wird
usw.
Ein Wortschatzübungsbuch „Wortteufel“ mit Lösungsschlüssel, das für Jugendliche ab
zehn Jahren geeignet ist. Das Buch enthält rund 1800 Wörter und Wendungen der
deutschen Sprache, die in 20 Themenbereichen mit zahlreichen kleinen Unterkapiteln
geteilt sind. Zu bemerken ist, dass sich die aufgegriffenen Themenbereiche in jedem
Lehrbuch wieder finden und problemlos einzelnen Lehrbuchlektionen zuordnen lassen.
Jede Themeneinheit im „Wortteufel“ enthält eine überschaubare Menge an Wortschatz, der
84
mit Hilfe zahlreicher Übungen systematisch eingeübt, gefestigt, gelernt und wiederholt
werden kann. Die Übungen sind überwiegend abwechslungsreich und spielerisch gestaltet,
wodurch die Motivation der Lerner wach gehalten und damit der Lerneffekt erhöht werden
soll. Dabei berücksichtigen die Übungen verschiedene Aspekte des Wortschatzlernens. Im
Vordergrund steht die Vermittlung neuer Bedeutungen, doch auch Artikel bei den Nomen
und die Rechtschreibung kommen nicht zu kurz.
Eine weitere äußerst wichtige Funktion des Wortschatzübungsbuches, die allerdings von
Nodari bei der Kriterienaufstellung nicht deutlich zum Ausdruck kommt (vgl. Kapitel
4.4.2, S.69f der vorliegenden Arbeit) besteht meines Erachtens auch darin, dass es ein
überaus bedeutsames „Werkzeug“ zur Wiederholung des Wortschatzes darstellt, z.B. kann
der im Lehrwerk vermittelte Wortschatz anhand dieses Übungsbuches im Laufe des
Schuljahres immer wieder von den Lernenden beliebig wiederholt werden. Das Buch dient
demnach als Übungsapparat und kann auch selbständig vom Lernenden gebraucht werden.
Das Auffinden einzelner Wörter und Wendungen ist durch ein alphabetisches Register im
Anhang von „Wortteufel“ möglich.
Zwei Grammatikübungsbücher „Grammatikland 1“ und „Grammatikland 2“ mit
Lösungsschlüssel und Tests. Diese Bücher kennzeichnen sich durch eine systematische und
kleinschrittige Darstellung der grammatikalischen Phänomene – wobei einfache
Visualisierungen als Lernhilfen dienen („Signalgrammatik“, vgl. Kapitel 2.4.2, S.21f der
vorliegenden Diplomarbeit) –, einen sparsamen Umgang mit Terminologie, einfachen
Wortschatz, zahlreiche bunte Zeichnungen und Übungen unterschiedlichen
Schwierigkeitsgrades. Bei der Einführung in jedes Grammatikkapitel kommen die Lerner
erstmals mit der neuen Struktur in Kontakt und erhalten die Gelegenheit, die Regel
eigenständig zu erarbeiten (induktives Vorgehen).
Ein Hörtextbuch „Alles Klar?“, in dem zu zwölf klassischen Themenbereichen jeweils
mehrere Hörtexte angeboten werden. Dabei kommen Sprecher aus verschiedenen Gebieten
des deutschsprachigen Raumes zu Wort, so dass die Lerner von Anfang an mit
unterschiedlichen Mundarten und Variationen des Deutschen vertraut gemacht werden. Das
Hörverstehen wird mit dem Übungsangebot schrittweise trainiert. In Einstiegsübungen
aktivieren die Lernenden den Wortschatz, der zum Verständnis des folgenden Hörtextes
nötig ist. Beim ersten Hören liegt das Augenmerk auf dem Globalverständnis, erst in den
folgenden Übungen geht es um das Detailverständnis. Die Hörtexte können den Lernenden
auch frei zur Auswahl geboten werden, so dass sie selbst entscheiden, welchen
85
Themenbereich sie für die Entwicklung ihrer Hörfertigkeit und für die Wiederholung
themenbezogenen Wortschatzes bevorzugen.
Ein Spiele- und Übungsbuch „Rudi Fuchs“, das Lesegeschichten, Rätsel, Sprach- und
Bildpuzzles, Spielideen, Bastelbögen, Kreuzworträtsel, Dominos und viele Bilder zum
Anmalen und Ausschneiden enthält. Mit diesem Buch können die Lernenden auf
spielerische Art und Weise den im Unterricht eingeführten Wortschatz festigen und
wiederholen und gleichzeitig auch die Grammatik wiederholen. Anhand der Geschichten
üben die Lernenden den Umgang mit längeren Texten und entwickeln Lesetechniken.
Dabei sind ihnen die gestalteten Illustrationen und erklärenden Situationsbilder eine große
Hilfe.
Das Buch kann im Unterricht zur Auflockerung sowie zur spielerischen Anwendung und
Festigung des Lernstoffes verwendet werden. Es ist aber auch zur selbstständigen
Wiederholung des Lernstoffes empfehlenswert, da es den Lernenden zahlreiche
unterschiedliche Übungsformen zur Verfügung stellt, die sie gegebenenfalls frei wählen
können.
zusätzliche Elemente: zu jedem Band gehören zwei Kassetten bzw. CDs mit allen
Sprachkursdialogen und Hörverständnistexten des Lehrbuchs und jeweils eine Kassette mit
phonetischen Übungen des Arbeitsbuchs. Mit Hilfe der Kassetten entwickeln die
Lernenden Hörstrategien und üben den Wortschatz bzw. die Hörtextinformationen hörend
zu verstehen.
Wie zu bemerken ist, handelt es sich bei all diesen Materialien ausschließlich um
Printmedien, während elektronische und visuelle Medien (CD-ROM, Videos usw.)
weniger berücksichtigt werden. Außerdem umfasst das Lehrwerk kein Lerntagebuch für die
Lernenden und keine Zusatzangebote über Internet (vgl. Kapitel 4.4.2, S.70 der
vorliegenden Arbeit).
Meines Erachtens bietet das Lehrwerk zahlreiche Materialien, die parallel zum Lehrbuch
eingesetzt werden können. Betonen möchte ich, dass die eben erwähnten Lehr-
/Lernmaterialien eher als Auswahlkatalog zu verstehen sind und auf keinen Fall einen
obligatorischen Einsatz darstellen. Jeder Lehrer sollte in der Lage sein, aus diesem
reichhaltigen Angebot diese Materialien auszusuchen und evt. auch Inhalte
umzustrukturieren, die er für die jeweilige Lernergruppe am sinnvollsten, am geeignetsten
und am interessantesten einschätzt. Außerdem sollen die Lernenden darüber in Kenntnis
86
gesetzt werden, dass sie aus diesen Materialien ebenfalls je nach Bedarf die für sie
geeignetsten selbständig auswählen können und Gebrauch davon machen können.
5.2.2 Analyse und Beurteilung der autonomiefördernden Materialien des Lehrwerks
Anschließend werden die Lehr-/Lernmaterialien des Lehrwerks „Ping Pong neu“ im
Hinblick auf die Förderung von Autonomie beurteilt. Bei der Beurteilung beziehe ich mich
auf Inhalte des Lehr- und Arbeitsbuches Ping Pong neu 1 und 2, die ich zur
Veranschaulichung dem Anhang dieser Diplomarbeit beilege.
Was die Orientierung im Lehr-/Lernprozess – dem ersten Kriterium – betrifft, so lässt sich
folgendes anmerken:
(a) Die Orientierung im Lehrwerk:
Das Lehrwerk bietet einen Überblick über die Lehrwerk-Teile, indem es die zwölf
Lektionen drei weit gefassten Themenbereichen zuordnet58.
Demnach werden im ersten Themenkreis „In der Freizeit“ sowohl im Lehrbuch als auch im
Arbeitsbuch von Ping Pong neu 2 die ersten vier Kapitel behandelt, nämlich „Sport“; „Wie
geht´s?“; „Musik gestern und heute“; und „Wir machen Musik“. Im zweiten Themenkreis
„Mein Alltag zu Hause“ befinden sich die nächsten fünf Kapitel „Drei Freunde“; „Bei uns
zu Hause“; „Fernsehen – gern sehen?“; „Mode – Mode – Mode“; und „Meinungen und
Marotten“. Der dritte Themenkreis „Ferien und Freizeit“ umfasst die letzten drei Kapitel
„Reisen“; „Unterwegs“ und „Berlin ist eine Reise wert“. Im Arbeitsbuch befinden sich
ebenfalls entsprechende Übungen zu den drei Themenkreisen und den ihnen zugeordneten
Kapitel. Zu bemerken ist außerdem, dass jede Lektion am Rande der Buchseiten durch eine
bestimmte Farbe markiert ist. Das unterstützt weiterhin die Orientierung im Lehrwerk.
Meiner Ansicht nach bietet diese Aufteilung den Lernenden einen guten Überblick über das
Lehrwerk.
Das Inhaltsverzeichnis des Lehrwerks ist in hohem Maße übersichtlich und detailliert, da
es genaue Angaben zu den Inhalten jedes Kapitels macht. Zu bemerken ist, dass die
Angaben auf der linken Seite des Inhaltsverzeichnisses themenbezogen formuliert sind,
wobei auffällt, dass jedes Kapitel in weitere zwei bis drei Teile (A, B, C) geteilt ist.
Außerdem ist zu sehen, dass der Abschluss jeder Lektion aus einem vierteiligen Komplex
gebildet ist, nämlich (1) „Na so was! - Seiten“ mit Texten und Liedern zum spielerischen 58 Siehe Anhang S.14ff in der vorliegenden Diplomarbeit.
87
Umgang mit Sprache; (2) „Lesen“: ein in sich geschlossener Lesetext, der häufig implizit
landeskundliche Informationen vermittelt. Fragen und Aufgaben zum Text führen dazu,
dass die Schüler allmählich grundsätzliche Lesestrategien entwickeln, indem durch Lern-
Lesetipps das orientierende59, suchende60 und selektive61 Lesen gefördert werden soll; (3)
„Lernwortschatz“, der wichtiges Wortmaterial der Lektion thematisch bündelt und (4)
„Grammatik“, d.h. eine Grammatikübersicht, die den Grammatikstoff der Lektion
zusammenfasst. Auf der rechten Seite des Inhaltsverzeichnisses wird stichpunktartig und
durch visuelle Hervorhebung der einzuführende Grammatikstoff dargestellt (vgl. Anhang
S. 14ff in der vorliegenden Diplomarbeit).
Die Lernziele werden den Schülern transparent gemacht, indem zu jeder Einstiegsseite
eines Themenkreises im Lehrbuch stichpunktartig in Form von bunten Karten (die Farbe
der Karten entspricht der Farbe an den Seitenrändern jeder Lektion) die Lernziele
angegeben werden (vgl. Anhang S.17 in der vorliegenden Diplomarbeit).
Das Autorenteam wendet sich mit einem Vorwort im Arbeitsbuch direkt an die
Lernenden, wobei in der Muttersprache (Griechisch) darüber informiert wird, welche
Übungen die Schüler darin treffen werden, wie das Arbeitsbuch aufgeteilt ist und welche
Materialien zur Selbstkontrolle dienen (vgl. Anhang S.41 in der vorliegenden
Diplomarbeit).
Piktogramme für Aktivitäten und Verweise werden regelmäßig eingesetzt. Zu beachten
ist, dass diese Piktogramme jeweils auf der ersten Seite des Inhaltsverzeichnisses erklärt
werden (vgl. Anhang S.14 in der vorliegenden Diplomarbeit).
Am Ende jedes Lehrbuchs ist ein Register zum Wortschatz zu finden, das alphabetisch
geordnet ist und anhand dessen die Lernenden selbständig Wörter nachschlagen und suchen
können oder evt. die Rechtschreibung, den Artikel und die Pluralformbildung überprüfen
können (vgl. Anhang S.39 in der vorliegenden Arbeit).
Die Grafik und das Layout des Lehrwerks dienen durch ihre angemessene Gestaltung,
d.h. durch zahlreiche Bilder, durch die übersichtliche Einteilung der Themen, durch die
Dialogdarstellung mit Begleitbildern, durch die einzelnen Tabellen und Tafeln und durch
die Grammatikübersicht am Ende jedes Kapitels der besseren Orientierung im Lehrwerk.
59 Orientierendes Lesen bezeichnet den Lesestil, mit dem man sich einen Überblick über den gesamten Text verschafft und somit das Thema des Textes festlegt (vgl. Storch 2001:126). 60 Suchendes Lesen bezeichnet den Lesestil, mit dem man gezielt nach einer bestimmten Information im Text sucht (vgl. Westhoff 1997:101). 61 Selektives Lesen bezeichnet den Lesestil, mit dem man bestimmte Informationen aus dem Text entnimmt (vgl. Storch 2001:126).
88
(b) Die Verständlichkeit der instruktionalen Texte:
Die angeregten Aktivitäten sowohl im Lehrbuch als auch im Arbeitsbuch werden durch
einfache, verständliche Anweisungen eingeleitet. Zum Beispiel: „Wie finden die Leute den
Sport? Hör zu“ (Lehrbuch Ping Pong neu 2, Lektion 1, Seite 10 A1, vgl. Anhang S.19 in
der vorliegenden Arbeit), oder „Stell Fragen mit: welcher/welchen – welches – welche“
(Arbeitsbuch Ping Pong neu 2, Lektion 1, Seite 8, A3/4 Übung 3, vgl. Anhang S. 45).
Die Instruktionen zu Aktivitäten und Übungen enthalten – mit Piktogrammen – Hinweise
zur Sozialform und zum Medium (Hörkassette). Zum Beispiel: Lehrbuch Ping Pong neu 2,
Lektion 1, A1 Seite 10 – Piktogramm zu Hörkassette; Seite 11 A4 – Piktogramm zur
Partnerarbeit; usw. (vgl. Anhang S.19f in der vorliegenden Arbeit).
Übungen werden immer durch Beispiele oder andere Hilfestellungen eingeleitet. Zum
Beispiel: Arbeitsbuch Ping Pong neu 2, Lektion 1, Seite 9, B1/2 Übung 5 (vgl. Anhang
S.46 in der vorliegenden Arbeit).
(c) Die Orientierung im Curriculum:
Meines Erachtens unterstützt das Lehrwerk die Lehrperson in der Darbietung und
Reflexion der Ziele mit der Klasse bzw. mit den einzelnen Lernenden, zumal am Anfang
(auf der Einstiegsseite des Themenkreises anhand der bunten Karten) die Ziele gemeinsam
formuliert werden können und am Ende – auch anhand der Übersicht nach jedem Kapitel
im Lehrbuch – überprüft werden kann, ob diese Ziele erreicht worden sind (Lehrbuch Ping
Pong neu 2, Seite 20, vgl. Anhang S.25 in der vorliegenden Arbeit). Außerdem können die
Lernenden vor jedem Themenkreis anhand des im Arbeitsbuch (Arbeitsbuch Ping Pong neu
2, Seite 5, vgl. Anhang S.42 in der vorliegenden Arbeit) angefertigten Fragebogens ihr
Welt- und Vorwissen sowie bereits bekanntes Vokabular aktivieren und Hypothesen dazu
bilden, welche Inhalte jeweils bearbeitet werden.
Hinweisen möchte ich an dieser Stelle nochmals, dass den Lehrkräften mit Hilfe vom
Verlag herausgegebenen Begleitheften genaue Wege und Hinweise zur Unterrichtsplanung,
zur Lernstoffeinteilung, zu einsetzbaren Begleitmaterialien und zu Kontrollübungen und
Tests gegeben werden.
Nach der Ausführung der obigen Kriterien zur Orientierung im Lehr-/Lernprozess ziehe ich
den Schluss, dass das Lehrwerk „Ping Pong neu“ durchaus eine gute Orientierung bietet
und demnach dieses Kriterium in höchstem Maße erfüllt und den Anforderungen an
autonomiefördernden Lehrwerken in diesem Punkt entspricht.
89
In Bezug auf das zweite Kriterium Übertragung der Verantwortung ist im Lehrwerk
folgendes zu erkennen:
(a) Lernpensum:
Das Lehrwerk enthält meines Erachtens kein differenziertes Lernpensum, das dem
Lernenden die Möglichkeit der Wahl seines Lernstoffes offen lässt. Vielmehr scheint mir,
dass alle Inhalte sowohl im Lehrbuch als auch im Arbeitsbuch von allen Schülern zu
bearbeiten sind, ohne dass auf Wahlmöglichkeiten aufmerksam gemacht wird.
Eventuell könnte eine Differenzierung vom Lehrer durchgenommen werden, die er dann
auch seiner jeweiligen Lernergruppe entsprechend anpasst. Der Lehrer könnte
beispielsweise den Lernenden andere Materialien (aus dem Auswahlkatalog:
Wortschatzbuch, Grammatikbuch, Hörtextbuch, Spiele- und Übungsbuch) zur Verfügung
stellen oder aus diesen Materialien diejenigen auswählen und in seinen Unterricht
miteinbeziehen, die den Lerninteressen und Lernbedürfnissen der jeweiligen Lernergruppe
oder des einzelnen Lerners entsprechen.
Das Lehrwerk bietet sowohl im Lehrbuch als auch im Arbeitsbuch Texte und Übungen
mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Dabei erkenne ich außerdem, dass der
Schwierigkeitsgrad von Kapitel zu Kapitel und von Band zu Band linear zunimmt.
Das Lehrwerk enthält keine Instrumente, zumindest nicht in Form eines Arbeitsplans,
welche die Übersicht der geleisteten bzw. zu leistenden Arbeit ermöglichen könnte.
Vielmehr geschieht dies durch die am Anfang jedes Kapitels gesetzten Lernziele (Lehrbuch
Ping Pong neu 2, Einstiegsseite des Themenbereichs, vgl. Anhang S.17 in der vorliegenden
Arbeit), anhand des im Arbeitsbuch (Arbeitsbuch Ping Pong neu 2, Seite 5, vgl. Anhang
S.42 in der vorliegenden Arbeit) angefertigten Fragebogens zu jedem Themenkreis und
durch Selbstbewertungstests am Ende jedes Kapitels im Arbeitsbuch (Arbeitsbuch Ping
Pong neu 2, Seite 58, vgl. Anhang S.53f in der vorliegenden Arbeit).
(b) Inhalte:
Das Lehrwerk ist meiner Ansicht nach vom Konzept her so aufgebaut, dass zwar
einzuhaltende Lernwege nicht ausdrücklich vorgeschrieben werden, aber durch die Art und
Weise der Aufgabenstellungen kaum unterschiedliche Lernwege möglich sind. Dies lässt
sich auch an folgenden zwei Punkten erkennen:
Die Lerninhalte sind so organisiert, dass immer alle Lernenden gleichzeitig das Gleiche
tun müssen. Das ist unter anderem auch dadurch zu erkennen, dass keine Auswahltexte zur
Verfügung stehen.
90
Das Lehrwerk enthält zwar Angebote und Anregungen zur Vertiefung und zum
Weiterlernen, aber diese Angebote werden den Lernenden nicht explizit gemacht. Daher ist
diese Aufgabe vom Lehrer zu übernehmen, der anschließend diese Angebote so in der
Klasse bearbeitet, dass eine Vertiefung und ein Weiterlernen ermöglicht wird.
Zum Beispiel: Lehrbuch Ping Pong neu 2, Lektion 1, Seite 15 B6: Das Thema
„Massensport“ könnte in der Klasse noch tiefer bearbeitet werden, indem die Lernenden
beispielsweise vergleichen, welche Sportarten in Griechenland besonders beliebt sind und
von vielen Leuten betrieben werden und diese dann in der Klasse schriftlich und mündlich
vorstellen, usw.; Ein anderes Beispiel zur Vertiefung befindet sich meines Erachtens im
Lehrbuch Ping Pong neu 2, Lektion 2, Na so was! Seite 27: Das Thema „Reklame im
Sport“ bietet sich ebenfalls zum Weiterlernen an. Das Thema eignet sich unter anderem
auch für Projektarbeit (vgl. Kapitel 4.3, S. 65f der vorliegenden Arbeit), da die Lernenden
sich damit beschäftigen können, wer Reklame für Sport in Griechenland macht, wie diese
dargestellt wird, usw. Das Thema kann auch in Zusammenhang mit den olympischen
Spielen in Athen gebracht werden, indem die Lernenden untersuchen, welche Sportler für
diese Olympiade Reklame gemacht haben, welche Bedeutung das eventuell für sie hatte,
usw. (vgl. Anhang S.22,29 in der vorliegenden Arbeit).
Meiner Ansicht nach, bestehen zahlreiche Möglichkeiten zur Vertiefung und zum
Weiterlernen, die in diesem Lehrwerk vom Lehrer allerdings wahrgenommen werden
müssen, zu explizieren sind und vor allem richtig und der jeweiligen Lernergruppe
angemessen vorbereitet werden müssen.
(c) Arbeits- und Sozialformen:
Die Arbeits- und Sozialform zur Bearbeitung der Inhalte ist meines Erachtens durch
Piktogramme zur Sozialform und „Tipps“ (allein, zu zweit, in der Gruppe) eher vom
Lehrwerk vorgeschrieben und weniger von den Lernenden selbständig zu bestimmen.
Zum Beispiel: Lehrbuch Ping Pong neu 2: Lektion 2, Seite 23 „Arbeite mit einem Partner
zusammen: Hört euch gegenseitig zu und verbessert euch“ (Sozialform: Partnerarbeit, vgl.
Anhang S.27 in der vorliegenden Arbeit).
Auch hier könnte der Lehrer eingreifen und dem Inhalt angemessen den Lernenden die
Wahl der Arbeits- und Sozialform überlassen.
Arbeitsformen, die selbständiges Lernen fördern, werden weniger angeregt. Zu erkennen
sind im Arbeitsbuch teilweise Arbeitsformen zur induktiven Regelfindung, sowie
Anregungen zu den Lesetexten, Hypothesen über den Inhalt zu formulieren, Raster
91
auszufüllen, etc. Vor allem was die Interaktion der Lernenden (z.B. das gegenseitige
Erklären) betrifft, sind allerdings keine Anregungen im Lehrwerk zu finden.
(d) Übungen, Aufgaben und Aktivitäten
Das Lehrwerk bietet eine Vielfalt an Übungs- und Aufgabentypen sowie auch andere
Aktivitäten.
Im Arbeitsbuch sind zahlreiche unterschiedliche Übungen (Lektion 1, Seite 7, A1 Übung 1:
Kreuzworträtsel; Lektion 2, Seite 21, A2 Übung 6: Ergänzungsübung; Lektion 3, Seite 32,
A2/3 Übung 11: Multiple-Choice-Übung, usw. vgl. Anhang S.44,47,48 in der vorliegenden
Arbeit) zu treffen, während im Lehrbuch mehrere Aufgaben (Lehrbuch Ping Pong neu 2:
Lektion 1, Seite 15 B6: Stellungnahme; Lektion 2, Seite 26 B5: E-Mail schreiben, usw. vgl.
Anhang S.22,28 in der vorliegenden Arbeit) vorhanden sind.
Zu bemerken ist, dass sowohl die Übungen als auch die Aufgaben die entsprechenden
Merkmale aufweisen, die in Kapitel 4.3.3, S.77f der vorliegenden Arbeit bereits erwähnt
wurden, d.h. es wird erkennbar, dass die Übungen stark bindend sind, nur einen
bestimmten Lösungsweg erlauben und eine Lösung als richtig zu gelten ist, während die
Aufgaben unterschiedliche Vorgehensweisen ermöglichen und auch verschiedene
Ergebnisse korrekt sein können.
Darüber hinaus wird auch auf andere Aktivitäten aufmerksam gemacht, wie zum Beispiel
auf das Singen von Liedern und auf Spiele (Lehrbuch Ping Pong neu 2: Lektion 1, Na so
was! Seite 18: „Das Lied vom Sport-Supermann“; Lektion 2, Seite 26 B6: Kartenspiel;
Lektion 3, Na so was! Seite 40: Spiel, usw. vgl. Anhang S.24,28,34).
Die Lernenden werden nicht dazu angeregt, eigene Übungen und Aufgaben zu
entwickeln.
Nach der Darlegung der Kriterien zur Übertragung von Verantwortung, ist der Schluss zu
ziehen, dass das Lehrwerk „Ping Pong neu“ dieses Kriterium nur teilweise erfüllt, zumal
kein differenziertes Lernpensum vorhanden ist, das dem Lernenden die Möglichkeit der
Wahl seines Lernstoffes bietet, keine Instrumente enthalten sind, die die Übersicht der
geleisteten bzw. zu leistenden Arbeit ermöglichen, durch die Art und Weise der
Aufgabenstellungen kaum unterschiedliche Lernwege möglich sind und die Lerninhalte so
organisiert sind, dass immer alle Lernenden das Gleiche tun. Dennoch sind im Lehrbuch als
auch im Arbeitsbuch Texte und Übungen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden
vorhanden und auch andere Aktivitäten.
92
Um der Forderung nach mehr Verantwortung im Lernprozess gerecht zu werden, ist der
persönliche Einsatz des Lehrers verlangt. So müssten meiner Ansicht nach den Lernenden
differenziert mehr Materialien zur selbständigen Bearbeitung zur Verfügung gestellt
werden oder auch vom Lehrer Zusatzmaterialien zielgerecht und den Themen der
jeweiligen Lektion entsprechend eingesetzt werden (dazu sind auch die Begleitmaterialien
zu beachten, vgl. Kapitel 5.2.1 der vorliegenden Arbeit). Auch die Anfertigung von
Arbeitsplänen, die Vertiefung und das Weiterlernen anhand bestimmter Inhalte setzten ein
persönliches Engagement von Seite des Lehrers voraus.
Das nächste Kriterium betrifft die Reflexion über Lernprozesse. Folgendes ist
festzustellen:
(a) Metakognitives Wissen:
Rückblicke auf die Lerninhalte werden am Ende jedes Kapitels und nach Abschluss jedes
Themenkreises angeboten. Zum Beispiel: Lehrbuch Ping Pong neu 2, Lektion 1, Seite 20;
Arbeitsbuch Ping Pong neu 2, Seite 51 bis 57 (vgl. Anhang S.25,49ff in der vorliegenden
Arbeit).
Das Lehrwerk regt die Lernenden nicht dazu an, den gesamten Unterrichtsprozess kritisch
zu reflektieren oder ihre persönlichen Lernerfahrungen zu reflektieren und auszutauschen.
Weder metakognitive Verfahren werden zur Verfügung gestellt (z.B. metakognitive
Fragen: „Warum lerne ich das?“; „Wie habe ich das gelernt?“; „Wie gehe ich vor, um
mein Ziel zu erreichen?“ usw.) noch Gelegenheiten zum Austausch persönlicher
Lernerfahrungen werden geboten.
Das Lehrwerk bietet keine Inhalte oder Instrumente zur Ermittlung des eigenen Lerntyps
(Texte über unterschiedliche Lernweisen, Fragen zum Lernverhalten in Bezug auf einen
spezifischen Lerninhalt, allgemeine Fragebögen und Checklisten zur Ermittlung des
Lerntyps sind nicht vorhanden).
Möglichkeiten zur Reflexion des eigenen Lernprozesses müssten demnach vom Lehrer
geboten werden, indem er die Schüler mit metakognitiven Verfahren vertraut macht und
Inhalte bzw. Instrumente zur Feststellung des eigenen Lerntyps anfertigt bzw. aus
entsprechenden Fachbüchern übernimmt und der jeweiligen Lernergruppe anpasst (vgl. die
Fragebögen im Anhang S.2ff der vorliegenden Arbeit).
(b) Lernstrategien (Lerntechniken):
Explizite Lernstrategien werden nicht angeboten. Vielmehr sind Lerntipps im Lehrbuch
zu treffen, die auch visuell hervorgehoben sind. Zum Beispiel:
93
Zur Grammatik: Lehrbuch Ping Pong neu 2: Lektion 1, Seite 13 „Finde deine Regel zur
Grammatik selbst. Dann kannst du sie besser behalten“; Lektion 3, Seite 34 „In der Grammatik
gibt es manchmal Ausnahmen, die man lernen muss. Konzentriere dich zuerst auf die regelmäßige
Form. Sie kommt öfter vor. Lerne dann die Ausnahmen“; Lektion 5, Seite 57 „Sprich auf
Cassette und kontrolliere dich selbst“ (vgl. Anhang S.21,32,37 in der vorliegenden Arbeit).
Zum Leseverstehen: Lehrbuch Ping Pong neu 2: Lektion 2, Seite 28 „Achte besonders auf
Wörter, die du schon kennst. Die anderen kannst du oft aus dem Kontext erschließen“; Lektion 4,
Seite 51 „Lies einen Text und fasse dann die wichtigsten Informationen in einem Satz zusammen“
(vgl. Anhang S.30,36 in der vorliegenden Arbeit).
Zum Wortschatz: Lehrbuch Ping Pong neu 2: Lektion 2, Seite 22 „Fasse Vokabeln unter
einem Thema zusammen. Dann kannst du sie besser behalten. Beispiel: die Körperteile“; Lektion
4, Seite 44 „Verbinde Wörter mit Bildern oder Szenen. Du kannst die Wörter dann besser
behalten“; Lektion 6, Seite 67 „Mach zu Hause Zettel an die Gegenstände, die du schon
benennen kannst. Du kannst die Wörter dann besser behalten“ (vgl. Anhang S.26,35,38 in der
vorliegenden Arbeit).
Zum Zusammenarbeiten (soziale Strategie): Lehrbuch Ping Pong neu 2: Lektion 2, Seite 23
„Arbeite mit einem Partner zusammen: Hört euch gegenseitig zu und verbessert euch“ (vgl.
Anhang S.27 in der vorliegenden Arbeit).
Diese Tipps sprechen die Lernenden allgemein an, ohne verschiedene Lerntypen zu
berücksichtigen und vor allem ohne auf Auswahlmöglichkeiten aufmerksam zu machen.
(c) Selbstkorrektur und Selbsttests:
Das Lehrwerk liefert nach Abschluss jedes Kapitels im Arbeitsbuch einen Selbsttest
(inklusive Lösungsschlüssel), der den gesamten Lernstoff der Lektion enthält und überprüft
(vgl. Arbeitsbuch Ping Pong neu 2, Seite 58 im Anhang S.53f der vorliegenden Arbeit).
Das Lehrwerk enthält keine Anleitungen zur Wahrnehmung von lernersprachlichen
Fehlleistungen in der mündlichen und schriftlichen Produktion, d.h. den Lernenden werden
keine Möglichkeiten gegeben anhand von entsprechenden „Aufgaben“ ihre eigenen Fehler
zu registrieren und wahrzunehmen, so dass diese auch schrittweise „therapiert“ werden
können.
(d) Reflexion über kommunikative Strategien:
Der Einsatz und die Nützlichkeit von kommunikativen Strategien (in der vorliegenden
Arbeit werden sie Kompensationsstrategien genannt, vgl. Kapitel 3.4.2.3 S.42), zum
Beispiel: Vorwissen nutzen (Hypothesen bilden und überprüfen; Bedeutungen aufgrund
sprachlicher Hinweise erraten; Bedeutungen aus dem Kontext ableiten) oder mit allen
94
Mitteln wuchern (zur Muttersprache wechseln; um Hilfe bitten; Mimik und Gestik
einsetzen; Gesprächsthemen vermeiden; annähernd sagen, was man meint; Wörter
erfinden; leere Wörter einsetzen; Umschreibungen und Synonyme) wird zum Teil
reflektiert und thematisiert. Dabei fällt auf, dass vor allem das Vorwissen
(Hypothesenbildung über Inhalte, usw.) durchaus genutzt und aktiviert wird (zum Beispiel:
Arbeitsbuch Ping Pong neu 2: Lektion Seite 5, Einstiegsseite zum Themenkreis;
Arbeitsbuch Ping Pong neu 1: Seite 103 „Fotos oder Käsebrot“; vgl. Anhang S.42,61 in der
vorliegenden Arbeit). Kommunikative Strategien zum Erhalten einer Kommunikation
dagegen (Vermeidung von Themen, etc.) werden nicht berücksichtigt.
Die Bedeutung von Mimik und Gestik wird implizit durch die zahlreichen Bilder
vermittelt, muss allerdings vom Lehrer expliziert werden, so dass sich die Lernenden beim
Fremdsprachengebrauch allmählich über die Bedeutung von Mimik und Gestik bewusst
werden und diese auch der jeweiligen Kommunikationssituation angemessen einsetzen
lernen.
(e) Reflexion über Spracherwerb:
Das Lehrwerk gibt keine Anregungen zur Reflexion über die Bedingungen und
Möglichkeiten des Spracherwerbs (z.B. Sprachlernbiographien, Checklisten usw.)
Die Lernenden werden nicht angeregt, ihre Erfahrungen mit Sprachlernen
zusammenzutragen und zu reflektieren.
Nach der Erarbeitung dieses Punktes ist anzumerken, dass das Lehrwerk „Ping Pong neu“
eine beschränkte Reflexion über Lernprozesse ermöglicht, zumal keine Inhalte oder
Instrumente zur Ermittlung des eigenen Lerntyps geboten werden, Lernstrategien nicht
explizit behandelt werden und keine Anleitungen zur Wahrnehmung von
lernersprachlichen Fehlleistungen vorhanden sind. Der Selbsttest im Arbeitsbuch am Ende
jedes Kapitels und die Rückblicke auf die Lerninhalte am Ende jedes Kapitels im Lehrbuch
ermöglichen nur ansatzweise eine Reflexion über den Spracherwerb, die keineswegs als
ausreichend zu bezeichnen ist.
Das Lehrwerk regt die Lernenden nicht dazu an, den gesamten Unterrichtsprozess kritisch
zu reflektieren oder ihre persönlichen Lernerfahrungen zu reflektieren und auszutauschen.
Die Lernenden haben auch nicht die Gelegenheit, über ihre individuelle Lernweise
nachzudenken, ihre eigenen Lernstrategien mit denen anderer Schüler zu vergleichen und
darüber zu diskutieren, wie sie am erfolgreichsten lernen.
95
Dies hängt meiner Meinung nach auch damit zusammen, dass die Strategievermittlung im
Lehrwerk eher implizit geschieht (vgl. Kapitel 3.5.3.1, S.53 der vorliegenden Arbeit) und
demzufolge Lernstrategien nicht angemessen thematisiert werden und somit den Lernenden
auch keine Strategien zur Reflexion ihres Lernprozesses vermittelt werden (vgl. dazu die
indirekten Strategien, Kapitel 3.4.3.1, S.46f der vorliegenden Arbeit).
Damit das Lehrwerk der Forderung an Reflexion über den Lernprozess gerecht wird, muss
meiner Ansicht nach der Lehrer eine wichtige Aufgabe übernehmen. Die explizite
Vermittlung von indirekten bzw. metakognitiven Strategien und die Bereitstellung von
Instrumenten zur Ermittlung des Lerntyps (Lernort, Lernzeit) ist ein Teil dieser Aufgabe.
Mit dem vierten Kriterium wird untersucht, ob das Lehrwerk „Ping Pong neu“ Anregungen
zu erweiterten Lernformen bietet:
(a) Steuerung der Unterrichtsform:
Die Gestaltung der einzelnen Lektionen bietet keine Anregungen zu erweiterten
Lernformen (Projekten usw.)
Arbeitsformen wie kooperatives Handeln (zum Beispiel: Lehrbuch Ping Pong neu 2,
Lektion 2, Seite 23: zusammen lernen usw. vgl. Anhang S.27) werden teilweise
angesprochen. Wie bereits unter dem Kriterium „Übertragung von Verantwortung“ (vgl.
Kapitel 5.2.2, S.89 der vorliegenden Arbeit) erwähnt wurde, sind die Arbeitsformen
vielmehr durch Piktogramme auf die Sozialform „Partnerarbeit“ vorgeschrieben.
(b) Unterstützung im Begleitbuch:
Ein Begleitbuch im Sinne von Nodari (vgl. Kapitel 4.4.2, S. 74 der vorliegenden Arbeit),
das dem Lehrer Anweisungen und Tipps zu offenen Unterrichtsformen (Projektunterricht,
u.Ä. vgl. Kapitel 4.3, S.65 der vorliegenden Arbeit) gibt, ist nicht vorhanden.
Deutlich wird, dass das Lehrwerk „Ping Pong neu“ diesem vierten Kriterium
autonomiefördernder Lehrwerke nicht entspricht, denn es wird nicht auf offene bzw.
erweiterte Unterrichtsformen hingewiesen.
Um solche Lernformen anhand des Lehrwerks einführen zu können, müsste der Lehrer
selbständig die erforderlichen Voraussetzungen dazu schaffen, indem die geeigneten
Materialien und Hilfsmittel (in Zusammenhang mit der jeweiligen Lektion – wo immer es
auch möglich erscheint) den Lernenden zur Verfügung gestellt werden, indem die
geeigneten Räume für die entsprechende Unterrichtsform vorbereitet werden
96
(Computerraum, Bibliothek) und schließlich auch indem die Lernenden über die
Unterrichtsform informiert und darauf vorbereitet werden.
Im Weiteren wird der Gebrauch der Zielsprache, d.h. der deutschen Sprache untersucht:
(a) Im Klassenzimmer:
Im Lehrwerk werden keine Anregungen dazu gegeben, eine Vereinbarung über den
Gebrauch der Zielsprache im Klassenzimmer auszuhandeln oder periodisch
deutschsprachige Personen für eine Gesprächsstunde einzuladen.
Diese Anregungen müsste der Lehrer selbst den Schülern geben.
(b) In der Umgebung:
Das Lehrwerk regt nicht explizit dazu an, Kontakte mit deutschsprachigen Institutionen
und Persönlichkeiten zu suchen oder deutschsprachige Fernseh- und Radiosendungen zu
sehen bzw. zu hören. Deutschsprachige Institutionen, Persönlichkeiten und Sendungen
werden in den Inhalten und Themen schlicht miteinbezogen, jedoch expliziert.
Anzumerken ist an dieser Stelle allerdings, dass eine Kontaktaufnahme zu Institutionen und
Persönlichkeiten oder eine Videoaufführung eine gewisse technische Ausstattung der
Schule (Medien: Computer, Internet, Video usw.) voraussetzt.
(c) Im direkten Austausch und (d) Im indirekten Austausch:
Das Lehrwerk unterstützt die Lehrperson nicht zur Organisierung von Austauschprojekten
(Klassenaustausch, Schüleraustausch usw.)
Das Lehrwerk regt nicht zu einem mündlichen oder schriftlichen Austausch mit einer
deutschsprachigen Klasse oder deutschsprachigen Personen an.
Zu einem direkten und indirekten Austausch ist der persönliche Einsatz des Lehrers
notwendig, der sich darüber zu informieren hat, wie ein Klassenaustausch realisiert werden
kann, wie die Kontaktaufnahme zu anderen Klassen, die Deutsch (in Deutschland oder im
Ausland) lernen, erreicht wird oder welche Inhalte Austauschprojekte ansprechen können,
usw. Das bedarf selbstverständlich einer großen Zeitaufwendung und einer hohen
Motivation.
Wie zu sehen ist, wird der Gebrauch der Zielsprache, so wie Nodari ihn in seinem
Kriterium (vgl. Kapitel 4.4.2, S.74ff der vorliegenden Arbeit) festlegt, im Lehrwerk nicht
in Acht genommen. Um dieses Kriterium zu erfüllen, ist, wie ich bereits erwähnt habe, die
Eigeninitiative des Lehrers unbedingt notwendig.
97
Was das nächste Kriterium der Reflexion über Sprache betrifft, lässt sich folgendes
bemerken:
(a) Wahrnehmung des Deutschen:
Im Lehrwerk wird kaum auf die Anwesenheit des Deutschen in der Umgebung der
Lernenden aufmerksam gemacht, d.h. „was für Deutsches es in Griechenland gibt“.
Auch beispielhafte Anleitungen fehlen, wie das Deutsche in der Umgebung ermittelt
werden kann (Erkundungen, Projekte, Besuche, Einladungen).
(b) Reflexion über die Unterschiede zwischen Erst- und Zweitsprache:
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Erstsprache (Griechisch) und Deutsch
werden teilweise kontrastiv dargestellt und thematisiert, zum Beispiel: Arbeitsbuch Ping
Pong neu 1: Lektion 2, Seite 21, B3 Übung 12; Lektion 4, Seite 36, B1 Übung 8; usw. vgl.
Anhang S.57, 58).
Es wird nicht angeregt, Gemeinsamkeiten mit anderen Sprachen zu suchen.
(c) Reflexion über die sprachliche Vielfalt:
Im Lehrwerk werden vor allem mit Hilfe der Texte im Hörtextbuch „Alles klar?“ (vgl.
Kapitel 5.2.1, S.84 der vorliegenden Arbeit) den Lernenden die verschiedenen regionalen
Varianten der deutschen Sprache präsentiert, ohne jedoch diese zu thematisieren. Die
Lehrbuchhörtexte sind in Hochdeutsch.
(d) Reflexion über die vielfältigen Funktionen von Sprache:
Das Lehrwerk thematisiert nicht anhand konkreter Fallbeispiele den Stellenwert von
Sprachen bei mehrsprachigen Personen (Erstsprache, Zweitsprache, Fremdsprachen).
Soziolekte innerhalb des Deutschen und der eigenen Sprache (Muttersprache) werden
nicht thematisiert und ausfindig gemacht.
Unterschiedliche sprachliche Funktionen sind teilweise zu erkennen (verschiedene
Textsorten: Dialoge, Erzählungen, Interviews, Rezepte, usw.) aber sie werden nicht
thematisiert (textsortenspezifisches Wissen62 wird den Lernenden nicht vermittelt).
Zu erkennen ist, dass das Kriterium der Reflexion über Sprache im Lehrwerk Ping Pong
neu nur teilweise berücksichtigt wird und zwar durch die vergleichende Gegenüberstellung
der griechischen und deutschen Sprache. Eine Wahrnehmung des Deutschen, so wie oben
beschrieben, eine Reflexion über die sprachliche Vielfalt und über die sprachlichen
62 Wissen, ob der Text einem bestimmten Textmuster oder einer bestimmten Textsorte (Zeitungsartikel, Gedicht, usw.) zu Grunde liegt und dadurch auch durch gewisse Merkmale erkennbar wird (z.B. Schlagzeile, Unterzeile, kurze Zusammenfassung des Inhalts bei Artikeln, Grußformeln bei Briefen, etc.).
98
Funktionen fehlen und müssten daher anhand geeigneter Materialien und Vorgehensweisen
(Projekte, Besuche, etc.) vom Lehrer systematisch eingeführt werden.
Das letzte Kriterium bezieht sich nun auf das interkulturelle Lernen:
(a) Wahl der Themen:
Die Texte geben den Lernenden Informationen über das wirkliche Leben in Deutschland
und ermöglichen einen Vergleich mit der eigenen Wirklichkeit. Zum Beispiel: Lehrbuch
Ping Pong neu 2: Lektion 2, Seite 28, „Lesen“; Lektion 3, B2 Seite 39; (vgl. Anhang S.30,
33 der vorliegenden Arbeit).
Im Lehrwerk sind überwiegend Alltagsdialoge zu treffen, die für den
Fremdsprachenunterricht konzipiert sind und demnach eher nach sprachdidaktischen
Kriterien gewählt sind. Darüber hinaus sind mehrere Lesetexte zu erkennen, auf die bereits
im Verlauf der Analyse angesprochen wurde.
Authentische Textsorten sind überwiegend in Band 3 von Ping Pong neu vorhanden
(Reiseprospekt, Bedienungsanleitung, Fernsehprogramm, usw.), das allerdings in der
Sekundarstufe I nicht im Unterricht eingesetzt wird.
(b) Thematisierung von Einstellungen und Werten:
Die Themen und Texte enthalten keine exemplarischen Darstellungen von Einstellungen
und Werten unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in den Zielsprachenregionen.
Vielmehr werden die zentralen Themen, die Jugendliche allgemein in Deutschland
interessieren, konkret dargestellt. Zum Beispiel: Lehrbuch Ping Pong neu 2, Lektion 2,
Seite 28, Thema: Tätowierungen; Lektion 3, Seite 32, Thema: Musik; usw. (vgl. Anhang S.
30, 31 in der vorliegenden Arbeit). Anhand dieser Texte können Vergleiche mit der
eigenen Wirklichkeit gezogen werden, obwohl die Aufgabenstellungen weniger dazu
anregen. Die Möglichkeiten zu einem Vergleich müssten vom Lehrer wahrgenommen und
den Lernenden geboten werden.
(c) Reflexion über kulturbedingte verbale Normen:
Unterschiedliche sprachliche Normen im Griechischen und im Deutschen (z.B. grüßen,
sich verabschieden, usw.) werden kontrastiv dargestellt. Zum Beispiel: Arbeitsbuch Ping
Pong neu 1, Lektion 1, Seite 7, A1 Übung 2; Lektion 7, Seite 141, B8 Übung 15 (vgl.
Anhang S.56, 62 in der vorliegenden Arbeit).
Das sprachliche Verhalten von Deutschsprachigen aus verschiedenen Regionen wird nicht
in Situationen präsentiert.
99
Tabu-Themen werden kaum dargestellt. Tabu-Wörter (blöd, dumm) dagegen treten in
manchen Situationen auf, zum Beispiel: Lehrbuch Ping Pong neu 2, Lektion 1, C1 Seite 16
(vgl. Anhang S.23 in der vorliegenden Diplomarbeit).
(d) Reflexion über kulturbedingte nonverbale Normen:
Unterschiedliche nonverbale Verhaltensweisen (z.B. Gestik, Mimik, jemanden umarmen,
küssen – „wann ist das erlaubt?“) in Griechisch und Deutsch werden nicht kontrastiv
dargestellt.
Spezifische Verhaltensweisen und Sitten aus Griechenland und Deutschland werden im
Arbeitsbuch auf der Einstiegsseite des Themenkreises miteinander verglichen. Zum
Beispiel: Arbeitsbuch Ping Pong neu 2, Seite 6, Themenkreis 1 (vgl. Anhang S.43 in der
vorliegenden Arbeit). Zudem werden im Arbeitsbuch des Öfteren auch verschiedene
Aspekte der Gesellschaft und des Lebens themenbezogen gegenübergestellt, so dass ein
Vergleich möglich ist. Zum Beispiel: Arbeitsbuch Ping Pong neu 1, Lektion 5, Seite 65, A-
C Übung 14; Lektion 10, Seite 141, B9 Übung 22; usw. vgl. Anhang S.59, 62 in der
vorliegenden Arbeit).
Deutlich wird meines Erachtens, dass das interkulturelle Lernen im Lehrwerk wenig
gefördert wird. Es werden zwar kulturbedingte Merkmale angesprochen, aber es fehlen
eine systematische Gegenüberstellung und ein Vergleich zu den entsprechenden
griechischen Merkmalen. Um das interkulturelle Lernen anhand des Lehrwerks zu
thematisieren, wäre ein persönliches Engagement des Lehrers vorteilhaft.
Meines Erachtens müsste der Lehrer dazu Themen so aufgreifen, dass ein In-Kontakt-
Treten mit der fremden soziokulturellen Wirklichkeit ermöglicht wird. Dabei sollte auch
darauf geachtet werden, dass die Lernenden durch das Kennen lernen des Fremden
Einblicke in ihre eigene kulturelle Wirklichkeit gewinnen. Für ein interkulturelles Lernen
ist im Fremdsprachenunterricht stets eine Sensibilisierung und ein Perspektivenwechsel
anzustreben, um auf diese Weise auch vorhandene Vorurteile und Stereotypen abzubauen
(vgl. dazu ausführlich Storch 2001:287f).
Der Lehrer müsste demnach überwiegend authentische Texte in den Unterricht bringen
(auch über Internet erhältlich) und anhand dieser Texte Vergleiche mit der Wirklichkeit der
Schüler ziehen (zum Vergleich soll durch entsprechende Aufgabenstellungen auch angeregt
werden). Außerdem sollten anhand der Texte Einstellungen und Werte unterschiedlicher
Bevölkerungsgruppen in Deutschland exemplarisch dargestellt werden und auf
100
unterschiedliche nonverbale Verhaltensweisen eingegangen werden. Tabu-Themen bieten
sich auch sehr gut dafür an.
5.3 Zusammenfassende Bemerkungen
Nach dieser Darlegung und Beurteilung der Lehr-/Lernmaterialien von „Ping Pong neu“
möchte ich abschließend kurz die einzelnen Ergebnisse zusammenfassen:
Die Möglichkeit zur Orientierung im Lehr-/Lernprozess erwies sich im Lehrwerk durchaus
als zufrieden stellend und den Ansprüchen autonomiefördernder Materialien gerecht.
Teilweise vorhanden bzw. gefördert sind dagegen die Übertragung von Verantwortung, die
Reflexion über Lernprozesse und über Sprache, sowie die Förderung des interkulturellen
Lernens.
Kaum angesprochen werden im Lehrwerk erweiterte Lernformen und der Gebrauch der
Zielsprache.
Betrachtet man das Lehrwerk insgesamt, so ist zu erkennen, dass es eigentlich dem
kommunikativ-pragmatischen Ansatz zu Grunde liegt und parallel versucht, Hinweise auf
ein autonomes Lernen zu geben.
Um die Lernerautonomie jedoch gezielt einzuführen und Lernstrategien bewusst zu
vermitteln und zu trainieren, sind meiner Meinung nach Veränderungen – in Richtung der
erwähnten Kriterien – im Lehrwerk notwendig.
Dazu erweist es sich als nützlich, wenn die einzelnen Lektionen eines Lehrbuchs jeweils
einen Abschnitt enthalten, in dem Lernstrategien explizit behandelt werden. Darüber hinaus
wäre es von Vorteil, wenn das Lehrerhandbuch zu einem Lehrwerk jeweils Vorschläge
enthielte, um Lernstrategien pro Lektion im Unterricht zu behandeln. Dazu wären
Anregungen zur Auswahl, zur Vermittlung, zur Wiederholung und zur Kontrolle der
Lernstrategien angebracht.
Damit möchte ich allerdings auf keinen Fall behaupten, dass die Autonomie mit diesem
Lehrwerk nicht zu erreichen ist. Selbstverständlich besteht diese Möglichkeit, wenn der
Lehrer seine Rolle als „Organisator“, „Helfer“ und „Moderator“ in einem
autonomiefördernden Fremdsprachenunterricht ernst nimmt und dementsprechend handelt
und sich auch verhält. Da für ein autonomes Lernen die Bereitschaft des Lehrers, dieses
Konzept in seinem Unterricht zu realisieren, vorausgesetzt wird, möchte ich folgende
Faktoren der Lehrerrolle, die im Verlauf der Diplomarbeit genauer untersucht worden sind,
kurz zusammenfassen:
101
Zunächst ist es wichtig, dass sich der Lehrer selbst auf ein autonomes Lernen vorbereitet.
Damit meine ich unter anderem die Kenntnisse und Fähigkeiten, die ein Lehrer besitzen
sollte um Lernerautonomie fördern zu können, zum Beispiel: Die Vielfalt von
Lernstrategien und ihre Vermittlungsmöglichkeiten, die Gestaltung offener
Unterrichtsformen, der Umgang mit Medien (Computer), die Fähigkeit sich außer der in
Lehrwerken existierenden Materialien weitere autonomiefördernde Unterrichtsmaterialien
anzuschaffen, die Herstellung eigener Unterrichtsmaterialien und Fragebögen, usw.
Darüber hinaus ist es notwendig, dass sich Lehrkräfte erst mal dazu bereit erklären, die
Rolle des „Lehrens“ ihren Schülern zu übertragen, ihnen die Verantwortung für ihr Lernen
zu geben und demnach den Unterrichtsverlauf mit ihnen zu teilen. Dabei sollte ein Lehrer
darauf achten, dass
den Schülern die Möglichkeit gegeben wird, ihren eigenen Lerntyp zu erkennen und
dementsprechend die jeweiligen Lerntypen im Unterricht berücksichtigt werden;
die Bedürfnisse und die Interessen der Lernenden im Unterrichtsprozess miteinbezogen
werden, so dass sie motiviert werden und Spaß am Lernen haben;
er seinen Schülern stets zur Verfügung steht, ihnen aufmerksam zuhört, ihre Individualität
schätzt, sie ermutigt und berät und wenn nötig Hilfe leistet;
er Zwischenevaluationen macht und sich selbstverständlich der Evaluation durch die
Lernenden stellt;
er konsequent unterschiedliche Lernstrategien vermittelt;
er sich so überflüssig wie möglich macht!
Schließlich möchte ich meine Wahl begründen, die Aufgaben und Übungen des Lehrwerks
„Ping Pong neu“ nicht separat mit Hilfe der Aufgabentypologie von Nodari (1994, in:
Fremdsprache Deutsch 1/1994:39ff) hinsichtlich ihrer Autonomieförderung zu prüfen.
Einerseits liegt diese Entscheidung daran, dass die jeweiligen autonomiefördernden
Aufgabentypen den beschriebenen Kriterien zugeordnet sind und demnach dieselben Ziele
und Merkmale haben.
Andererseits fällt beim Betrachten des Arbeitsbuchs von „Ping Pong neu“ sofort auf, dass
die vorhandenen geschlossenen Übungen zum Aufbau der sprachlichen Kompetenz der
Lernenden dienen, wobei vor allem die Grammatik und der Wortschatz im Vordergrund
stehen, aber auch die sprachlichen Fertigkeiten (Hören-Lesen-Schreiben-Sprechen).
Autonomiefördernde Aufgaben, so wie sie von Nodari (ebd.) beschrieben werden, müssen
demzufolge vom Lehrer adaptiert werden.
102
6. Schlussfolgerung
In dieser Diplomarbeit wurde versucht, die Bedeutung von Lernstrategien im
Fremdsprachenunterricht aufzuzeigen, die zur Förderung der Lernerautonomie im
Unterricht eine erforderliche Voraussetzung darstellen.
Mit dieser Themenbehandlung wollte ich vor allem veranschaulichen, wie die
Selbständigkeit im schulischen Fremdsprachenunterricht aufzufassen und zu integrieren ist.
Demzufolge stellt diese Diplomarbeit einen Versuch dar, Lehrkräfte, Lernende und all
diejenigen, die in irgendeiner Weise im Bildungswesen tätig und aktiv sind, über die
theoretischen Grundlagen der Lernerautonomie zu informieren und eine Vielfalt von
Lernstrategien vorzustellen, die die Lernenden gebrauchen können. Außerdem wollte ich
die Bedeutung der Lehrwerke zur Geltung bringen und mit Hilfe der Kriterienliste
autonomiefördernder Lehrwerke eine Möglichkeit darstellen, wie diese auszusuchen oder
umzustrukturieren bzw. anzupassen sind, so dass die Lernerautonomie gezielt gefördert
werden kann.
Deutlich wurde unter anderem, dass das autonome Lernen nicht nur als eine Art
Modeerscheinung in der heutigen fremdsprachlichen Didaktik aufzufassen ist, sondern eher
das Ergebnis von stark miteinander verbundenen Komponenten ist, die das Lernen
wesentlich beeinflussen. Hierzu wurden unter anderem Veränderungen in der Gesellschaft,
die rasante technologische Entwicklung und der neueste Erkenntnisstand der
Wissenschaften (Linguistik, Pädagogik, Spracherwerbsforschung, Lernpsychologie, u.a.)
erwähnt.
Durch die Darstellung der zahlreichen unterschiedlichen Strategien ist mir zudem
aufgefallen, dass sowohl den Lehrkräften als auch den Lernenden unzählige Möglichkeiten
zur Verfügung gestellt werden können, um die Autonomie im schulischen Unterricht
wirklich bewusst zu fördern. Wobei ich fest davon überzeugt bin, dass wohl kaum alle
existierenden Lernstrategien in einer Diplomarbeit untergebracht werden können. Bedenkt
man dabei, dass viele Lernende Strategien unbewusst anwenden und diese deshalb
vielleicht unbekannt bleiben, so lässt sich diese Behauptung durchaus vertreten.
Allerdings ist mir während der Bearbeitung des Themas auch bewusst geworden, dass das
Konzept der Lernerautonomie wohl kaum im Unterricht und demnach auch nicht im
griechischen Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe realisierbar ist, wenn nicht alle
betreffenden Personen eng zusammenarbeiten.
103
Damit meine ich, dass einerseits Lehrkräfte den Willen und die Bereitschaft haben müssen,
ihre didaktische Kompetenz schrittweise und in zunehmenden Maß an die Lernenden zu
überantworten und somit den gesamten Unterrichtsprozess auf die Schüler zu verlagern und
ihnen Möglichkeiten zu zeigen, die Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen.
Je mehr Lehrkräfte dazu bereit sind, desto effektiver wird auch das autonome Lernen
eingeführt. Andererseits müssen auch Lernende denselben Willen zeigen, ihr Lernen
selbständig zu planen, zu regeln und zu kontrollieren. Außer den Lehrern und den
Lernenden, die direkt am Unterrichtsgeschehen teilnehmen, wurde in der Diplomarbeit
auch deutlich, wie sehr die Lehrwerkautoren dazu beitragen können, die Lernerautonomie
im Unterricht zu fördern. Demnach müssen sich auch Autoren von fremdsprachlichen
Lehrwerken der Notwendigkeit von Selbständigkeit im Unterricht bewusst werden, so dass
bei der Gestaltung von Lehr-/Lernmaterialien die Prinzipien von Lernerautonomie
berücksichtigt werden.
Aber auch das Erziehungsministerium, die Bildungsinstitutionen und die Schulen selbst
müssen zur Förderung der Lernerautonomie beitragen, indem beispielsweise bereits in der
Lehrerausbildung auf Autonomie fokkusiert wird und regelmäßig Lehrerfortbildungs-
seminare veranstaltet werden, die dem Lehrer die Grundlagen von Lernerautonomie
erstmals bekannt machen und ihnen anschließend Wege für deren Einführung im
schulischen Unterricht zeigen. Außerdem sollten auch innerhalb einer Institution – in
unserem Fall Schule – regelmäßig Lehrerversammlungen stattfinden, wo Lehrkräfte über
die Möglichkeiten der Autonomieförderung diskutieren, Erfahrungen austauschen,
Probleme und Schwierigkeiten miteinander besprechen und somit eine gemeinsame
Richtlinie einzuhalten versuchen.
Wichtig ist zudem, dass die Klassenräume über all die technischen Hilfsmittel verfügen,
die die selbständige „Arbeit“ von Lernenden unterstützt, z.B. Computer mit
Internetanschluss, Videorecorder, Kassettenrecorder usw. Darüber hinaus ist es von
großem Vorteil, wenn die Schule über eine Schülerbibliothek, einen Computerraum, einen
Aufenthaltsraum, etc. verfügt. Diese Räume ermöglichen den Lernenden, jegliche
Materialien aufzufinden, an Projekten zu arbeiten und vor allem fördern meiner Ansicht
nach solche Räume das soziale Verhalten von Schülern.
Eine überaus wichtige Rolle spielen schließlich auch die Eltern selbst und ihr Verhalten
gegenüber den Kindern. Tatsache ist, dass ein Kind bzw. ein Jugendlicher in den meisten
Fällen beim Erledigen der Hausaufgaben oder beim Lernen allgemein zu Hause ist. Die
Übertragung von Verantwortung muss meiner Ansicht nach auch dort stattfinden. Es nützt
104
wohl kaum, wenn Lernende in der Schule selbst ihre eigenen Entscheidungen über ihr
Lernen treffen dürfen und können und zu Hause dagegen von den Eltern vorgeschrieben
wird, wie sie „richtig“ zu lernen haben, wie sie ihre Hausaufgaben machen sollen usw.
In diesem Punkt wäre es vorteilhaft, wenn sich Schule und Familie einig sind. Dazu
könnten selbstverständlich auch im Rahmen des Elternbeirats Versammlungen stattfinden,
wo Eltern über Autonomieförderungsmöglichkeiten informiert werden können und mit den
Lehrern zusammenarbeiten.
Eine weitere Folgerung aus dieser Themenbehandlung, die ich zum Abschluss ausdrücklich
betonen möchte, ist meiner Ansicht nach die Überzeugung, dass je früher den Lernenden
Lernstrategien vermittelt werden, desto schneller und effektiver werden sie zum autonomen
Lernen geleitet. Deshalb sollten bereits im Grundschulunterricht Strategien eingeführt,
ausprobiert und trainiert werden, so dass sich die Schüler schrittweise die Fähigkeit
aneignen, selbständig zu lernen.
105
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28. Neuner, Gerhard (1994): „Lehrwerkforschung – Lehrwerkkritik.“ In: Kast, Bernd /
Neuner, Gerhard (Hg.) (1994: 8-22): Zur Analyse, Begutachtung und Entwicklung
von Lehrwerken. Für den fremdsprachlichen Deutschunterricht.
Berlin, München u.a.: Langenscheidt.
29: Nodari, Claudio (1994): „Autonomiefördernde Aufgaben im Fremdsprachen-
unterricht. Versuch einer Typologisierung.“ In: Fremdsprache Deutsch. Zeitschrift für
die Praxis des Deutschunterrichts. 1/1994, 39-43.
30. Nodari, Claudio (1995): „Autonomie und Fremdsprachenlernen.“ In: Fremdsprache
Deutsch. Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts. Sondernummer 1996, 4-10.
31. Nodari, Claudio (1999): „Kriterien zur Gestaltung autonomiefördernder
Lehrwerke.“ URL: http://www.iik.ch/downloadD2/Gestalt_autonomiefoerd_LW.pdf
[Stand: 23. Dezember 2004]
32. Nold, Günter (1992): „Lernbedingungen, Lernstrategien, kognitive Strukturen. Ein
Problemaufriss.“ In: Nold, Günter (Hg.) (1992: 9-22): Lernbedingungen und
Lernstrategien. Tübingen: Gunter Narr Verlag.
33. Novak, Kaja (Hg.) (2004): Lernstrategien anwenden. Methoden entwickeln und
Arbeitstechniken nutzen. München: Compact Verlag.
34. O´Malley, M. / Chamot, A.U. (1990): Learning Strategies in Second Language
Acquisition. Cambridge: CUP (Cambridge University Press).
35. Oxford, Rebecca (1990a): Language Learning Strategies. What every teacher should
know. New York: Newbury House.
36. Prokop, Manfred (1989): „Lernen lernen – aber ja! Aber wie?“ In: Fremdsprache
Deutsch. Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts. 1/1993, 13-17.
108
37. Raabe, Horst (1989): „Fragen im Fremdsprachenunterricht und Lernstrategien.“ In:
Königs, F.G. / Szulc, A. (Hg.) (1989: 193-214): Linguistisch und psycholinguistisch
orientierte Forschungen zum Fremdsprachenunterricht. Dokumentation eines
deutsch-polnischen Kolloquiums. Bochum: Brockmeyer.
38. Rampillon, Ute (1985): Lerntechniken im Fremdsprachenunterricht. Handbuch.
3., überarb. u.erw. Aufl. München: Hueber.
39. Rampillon, Ute (1989): „Strategien zum erfolgreichen Fremdsprachenlernen von
Schüler/nnen der Sekundarstufe I.“ In: Müller, Martin et al. (Hg.) (1989: 49-55):
Autonomes und partnerschaftliches Lernen. Modelle und Beispiele aus dem
Fremdsprachenunterricht. Berlin, München: Langenscheidt KG.
40. Rampillon, Ute (1995): Lernen leichter machen. Deutsch als Fremdsprache.
Ismaning: Hueber.
41. Rampillon, Ute (1996): „Offenes Lernen – Auch in der Lehrerfortbildung?“ In:
Fremdsprache Deutsch. Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts.
Sondernummer 1996, 44-48.
42. Rampillon, Ute (2000): Aufgabentypologie zum autonomen Lernen.
Ismaning: Hueber.
43. Schlak, Torsten (2000): „Adressatenspezifisches Lernstrategientraining im DaF-
Unterricht. Eine empirische Untersuchung.“
URL: http://www.linguistik-online.de/10_02/schlak.html [Stand: 13. Dezember 2004]
44. Schneider, Günther (1996): „Selbstevaluation lernen lassen.“ In: Fremdsprache
Deutsch. Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts. Sondernummer 1996, 16-
23.
45. Schneider, Günther/Lukas Wertenschlag (1989): „Deutsch lernen: so oder so!
Bericht über autonomes Lernen auf der Anfängerstufe.“ In: Müller, Martin et al. (Hg.)
(1989: 59-75): Autonomes und partnerschaftliches Lernen. Modelle und Beispiele aus
dem Fremdsprachenunterricht. Berlin, München: Langenscheidt KG.
46. Steinig, Wolfgang (1986): „Kann man eine fremde Sprache autonom in der Schule
lernen“ In: Müller, Martin et al. (Hg.) (1989:31-48): Autonomes und
partnerschaftliches Lernen. Modelle und Beispiele aus dem Fremdsprachenunterricht.
Berlin, München: Langenscheidt KG.
47. Stöferle, Dagmar (1999): „Recherchen zum Strategien-Begriff.“ URL:
http://www.fb10.uni-bremen.de/inform/strategielit.htm [Stand: 15. Dezember 2004]
109
48. Storch, Günther (2001): Deutsch als Fremdsprache. Eine Didaktik.
München: Wilhelm Fink.
49. Theisen, Joachim (2000): Postgraduiertenstudium in Deutsch als Fremdsprache.
Sprachliche Fertigkeiten in der schriftlichen Kommunikation. Leseverstehen. Band B.
Patras: Griechische Fernuniversität.
50. Tings, Nadine (2004): „Das Lernen lernen.“
URL: http://www.westermann.de/lehrer/grundschule/fremdsprachen/englisch/
didaktik/lernerautonomie.pdf [Stand: 21. Dezember 2004]
51. Tönshoff, Wolfgang (1992): „Fremdsprachenlerntheorie. Ausgewählte
Forschungsergebnisse und Denkanstöße für die Unterrichtspraxis.“ In: Fremdsprache
Deutsch. Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts. Sondernummer 1995, 4-15.
52. Tönshoff, Wolfgang (1992): „Training von Lernerstrategien im
Fremdsprachenunterricht unter Einsatz bewusstmachender Vermittlungsverfahren.“
URL: http://www.hueber.de/lehrer/daf/materialien/index.asp [Stand: 15. Dezember
2004]
53. Tönshoff, Wolfgang (1995): „Selbstevaluation.“ In: Fremdsprache Deutsch.
Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts. Sondernummer 1995, 47.
54. Tornberg, Ulrika (1993): „Das metakognitive Klassenzimmer.“ In: Fremdsprache
Deutsch. Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts. Sondernummer 1996, 24-
29.
55. Wahrig, Gerhard (1994): Deutsches Wörterbuch. Gütersloh: Bertelsmann Lexikon
Verlag GmbH.
56. Weltner, Klaus (1992): „Über das Lernen von Lernstrategien.“ In: Nold, Günter
(Hg.) (1992: 125-150): Lernbedingungen und Lernstrategien. Tübingen: Gunter Narr
Verlag.
57. Westhoff, Gerard (1997): Fertigkeit Lesen. Fernstudieneinheit 17.
Berlin, München u.a.: Langenscheidt.
58. Wolff, Dieter (1998): „Lernerstrategien beim Fremdsprachenlernen.“ In: Timm, J.-
P. (Hg.) (1998: 70-77): Englisch lernen und lehren. Didaktik des Englischunterrichts.
Berlin: Cornelsen.
59. Wolff, Jürgen (1989): „Sei alternativ – lern autonom!“ In: Müller, Martin et al. (Hg.)
(1989:89-106): Autonomes und partnerschaftliches Lernen. Modelle und Beispiele
aus dem Fremdsprachenunterricht. Berlin, München: Langenscheidt KG.
110
Für die Lehrwerkanalyse erwähnte und behandelte Materialien:
1. Frangou, Eleni / Kokkini, Eva / Petrowa, Amalia (2003): Schritt für Schritt ins
Grammatikland. Band 1. Athen: CHR. KARABATOS-VERLAG GmbH.
2. Frangou, Eleni / Kokkini, Eva / Petrowa, Amalia (2003): Schritt für Schritt ins
Grammatikland. Band 2. Athen: CHR. KARABATOS-VERLAG GmbH.
3. Georgiakaki, Manuela (1999): Wortteufel. Athen: CHR. KARABATOS-VERLAG
GmbH.
4. Kallianioti, Dimitra / Pyreni, Eleni (2001): Alles klar? Ein Übungsbuch zum
Hörverstehen für Anfänger. Athen: CHR. KARABATOS-VERLAG GmbH.
5. Kopp, Gabriele / Frölich, Konstanze (2001): Ping Pong neu 1. Lehrbuch. Dein
Deutschbuch. Ismaning: Max Hueber Verlag.
6. Kopp, Gabriele / Frölich, Konstanze / Παναγιωτίδου, Αγγέλικα (2001): Ping
Pong neu 1. Βιβλίο ασκήσεων. Ismaning: Max Hueber Verlag, Athen: Hueber Hellas.
7. Kopp, Gabriele / Frölich, Konstanze (2001): Ping Pong neu 1. Lehrerhandbuch.
Ismaning: Max Hueber Verlag.
8. Kopp, Gabriele / Frölich, Konstanze (2001): Ping Pong neu 2. Lehrbuch. Dein
Deutschbuch. Ismaning: Max Hueber Verlag.
9. Kopp, Gabriele / Frölich, Konstanze / Παναγιωτίδου, Αγγέλικα (2001): Ping
Pong neu 2. Βιβλίο ασκήσεων. Ismaning: Max Hueber Verlag, Athen: Hueber Hellas.
10. Kopp, Gabriele / Frölich, Konstanze (2001): Ping Pong neu 2. Lehrerhandbuch.
Ismaning: Max Hueber Verlag.
111
ANHANG
1
„Handlungsmodell des selbstgesteuerten Lernens” Konrad / Wagner (1999:10)
kontrollieren, regulieren
Lernen
vorbereiten motivieren, Phasen Lernschritte konzentrieren selbstgesteuerten ausführen Lernens Feedback geben
2
„Bogen zur Selbsteinschätzung“ (Rampillon 1995:29)
Lesen Sie bitte die folgenden Meinungen zum Deutschlernen. Kreuzen Sie an, was auf sie zutrifft. 1. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, Deutsch zu lernen. Ich bin aber bereit, mich auf diese
Lernanstrengung einzulassen.
2. Ich habe in meinem Leben schon so vieles gelernt. Es gibt also keinen Grund, warum ich
die deutsche Sprache nicht lernen könnte.
3. Ich weiß durch den Erwerb anderer Fremdsprachen, wie ich am besten lernen kann.
Davon werde ich auch beim Deutschlernen profitieren.
4. Ich bin sicher, dass ich erfolgreich Deutsch lernen werde, wenn ich zielstrebig und aktiv
auf die Lernaufgaben zugehe.
5. Mir macht das Lernen Spaß, weil ich schrittweise kleine Erfolge verzeichnen kann.
6. Im Fremdsprachenunterricht in meiner Schulzeit habe ich nicht viele positive Erfahrungen
gemacht. Ich fürchte, beim Deutschlernen wird es ähnlich sein.
7. Das Gefühl, etwas nicht ausdrücken zu können, was man sagen möchte, macht mich
erst recht mutlos und nimmt mir die Freude am Deutschlernen.
8. Wenn ich es nicht schaffe, Deutsch zu lernen, blamiere ich mich fürchterlich vor den
anderen.
9. Ich habe häufig Hemmungen zu sprechen, weil ich fürchte, Fehler zu machen.
10. Ich bin zum Fremdsprachenlernen ungeeignet, da ich einfach nichts behalten kann.
Wählen Sie nun die vier der angekreuzten Aussagen, die für Sie am wichtigsten sind. Notieren
Sie sie in einer Rangreihenfolge; beginnen Sie mit der wichtigsten Aussage
Nr. ____ _____ _____ _____
3
„Arbeitsblatt zur Lernzeit“ (Rampillon 1995:37)
Lernzeiten: Mein Lernplan
Wenn ein Wochenende bevorsteht, überlegen Sie sicher oft, wie Sie die Freizeit gestalten können und machen Pläne. So ähnlich sollten Sie auch Ihr selbständiges Lernen planen.
Morgentyp Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 7.00
8.00
9.00
10.00
11.00
12.00
13.00
14.00
15.00
16.00
17.00
Abendtyp Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 14.00
15.00
16.00
17.00
18.00
19.00
20.00
21.00
22.00
23.00
24.00
Entscheiden Sie sich für einen der beiden Pläne. Verteilen Sie den Lernstoff, den Sie selbst auswählen können, auf die Zeit, die Sie in dieser Woche für Ihr Deutschlernen einsetzen möchten.
4
„Arbeitsblatt zur Lernzeit“ (Rampillon 1995:39)
Wann Sie was in Ihrem Deutschkurs lernen, können Sie selbst wenig beeinflussen, da Sie in eine Gruppe eingebunden sind und meistens von der Planung des Kursleiters bzw. der Kursleiterin und dem Lehrwerk gesteuert werden. Sobald Sie Ihr Lernen jedoch selbst gestalten – das ist der Fall, wenn Sie zu Hause lernen – sollten Sie auf die günstige Verteilung des Lernens achten. Beantworten Sie bitte zur persönlichen Kontrolle die folgenden Fragen:
1. Wann erledigen Sie Ihre Hausaufgaben für den Deutschkurs?
nach dem letzten Kurstag
eher vor dem nächsten Kurstag
an verschiedenen Tagen
2. Wie viel Zeit wenden Sie für das Lernen zu Hause auf?
jeden Tag ca. 10-20 Minuten
jeden Tag ca. 20-40 Minuten
jeden Tag mehr als 40 Minuten
einmal pro Woche 10-20 Minuten
einmal pro Woche 20-40 Minuten
einmal pro Woche 40 und mehr Minuten
zweimal pro Woche …. Minuten
dreimal pro Woche …. Minuten
…….
3. Welche Aufgaben bearbeiten Sie in dieser Zeit?
…..
4. Greifen Sie dieselben Lerngegenstände beim nächsten Lernen noch einmal auf?
Nein, gelernt ist gelernt.
Ja, meistens alle.
Ja, einige.
….
5. Worauf achten Sie, wenn Sie die verschiedenen Lerngegenstände zusammenstellen?
….
5
„Gelerntes überprüfen“ (Rampillon 1995:46)
Selbständig Deutsch lernen kann man dann besonders gut, wenn man seine Stärken
kennt, aber auch seine Schwächen – und gerade diese sollte man besonders beachten.
Regelmäßige Selbstkontrolle kann dabei eine große Hilfe sein.
Beantworten Sie bitte nach jeder Lektion die folgenden Fragen:
1. Was habe ich in der letzten Lektion gelernt?
neue Vokabeln zum Thema …
neue Grammatikregeln zu …
besondere Aussprache, z.B. …
schwierige Schreibweisen, z.B. …
Texte zu lesen
Tonbandtexte zu verstehen
selber deutsche Texte zu schreiben
selbständig etwas auf Deutsch zu sagen
ein deutsches Lied zu singen
ein deutsches Gedicht aufzusagen
….
2. Was habe ich recht leicht gelernt?
(Bitte kreisen Sie das zutreffende Kreuz ein.)
3. Was fällt mir jetzt noch schwer? Worin fühle ich mich noch unsicher?
(Bitte unterstreichen Sie diese Punkte mit Rot.)
Nun ist klar, was Sie machen müssen: Wiederholen Sie diejenigen Aufgaben, die Sie mit
Rot gekennzeichnet haben. Bei Unklarheiten schlagen Sie außer im Lehrbuch auch noch
woanders nach, z.B. in einem anderen Lehrbuch, in einer Grammatik, im Wörterbuch.
Nach jeder dritten Lektion sollten Sie eine „Sammelprüfung“ nach gleichem Muster
durchführen.
6
„Meine Lernecke“ (Rampillon 1995:41) Viele Lerner/innen finden ihre Lernort durch Zufall. Sie lernen am Schreibtisch, im Bus, am Küchentisch, auf dem Sofa, im Wohnzimmer, im Auto mit dem Kassettenrekorder. Oft wechseln sie auch den Lernort – wie es sich gerade ergibt. Wo lernen Sie meistens?
1. Um konzentriert und wirksam lernen zu können, ist es wichtig, den Lernort bewusst
auszuwählen.
Eigenschaften, die Ihr Lernort haben sollte: ruhig und abseits vom sonstigen Leben und Treiben;
hell genug, um zu lesen und zu schreiben;
groß genug für einen Tisch und einen bequemen Stuhl;
Platz für eine kleine Pinnwand;
Platz für ein kleines Regal oder eine Abstellfläche für die Lernmaterialien.
2. Arbeitsmittel, die Sie an Ihrem Lernort benötigen (Grundausstattung):
Lehrwerk Leuchtstifte Lernkartei(en)
Arbeitsheft(e) Lineal Zusatzmaterialien
Schreibpapier Merkzettel zum Lehrbuch
Schreibgeräte Klebestreifen oder Tonkassette(n) zum Lehrbuch
Radiergummi Nadeln für Pinnwand Kassettenrecorder
Kreuzen Sie bitte diejenigen Arbeitsmittel an, die an Ihrem Lernort noch nicht vorhanden sind. Überlegen Sie dann, wie Sie sie anschaffen können. Tauschen Sie sich darüber auch mit den anderen Kursteilnehmer/innen aus.
3. Was zur Luxusausstattung Ihres Lernortes gehören könnte:
deutsche Tageszeitungen, Illustrierte, Magazine etc.
deutsche Bücher
Videorekorder
verschiedene deutsch Video- und Tonkassetten
PC mit Programmen zum Deutschlernen
Ansichtskarten aus Deutschland
Briefmarken, Poster, Bierdeckel etc. aus Deutschland
Stadtpläne deutscher Städte
Prospekte von deutschen Städten
Kreuzen Sie bitte an, was Sie bereits haben.
7
1. Klassifikationsschema:
Lerntechniken und Teilkompetenzen (Rampillon 2000:15)
Sprachliche Teil- Lerntechniken, die… Voraussetzungen
Kompetenzen Lernprozess vorbereiten Lernprozess steuern beim Schüler Wortschatz Erschließen der Bedeutung mit Vokabelheft/Vokabelkartei Alphabet Hilfe führen Lautschrift
- der Muttersprache Vokabelwissen aufbauen Aufgabenformen - der Zielsprache Fehlerstatistik führen Sozialformen - weiterer Fremdsprachen Übungen durchführen Classroom Phrases - internationaler Fremdwörter - Reihengliederung - des Kontextes - Klassifizierung Benutzung eines Wörterbuches - Ablaufgliederung - Assoziationsübung
Grammatik grammatische Nachschlagewerke Herleiten von Grammatikregeln Alphabet kennen Regelwissen aufbauen grammatische Ter- Aufbau der eigenen Grammatik Grammatikheft führen minologie kennen Präsentationstechniken Aufgabenformen Stichwortverzeichnis benutzen Führen einer Fehlerstatistik Sozialformen Visualisierungstechniken kennen Classroom Phrases Hören Segmentieren note-taking practice englische Struktur- sequentielles Kombinieren wörter u.ä. Wort- erschließendes Hören gruppen kennen pre-questions Aufgabenformen information search Sozialformen note-taking practice Classroom-Phrases Lesen skimming Auswendiglernen Alphabet scanning Systematisieren des Textes Nachschlagewerke search-reading Benutzung von Nachschlage- kennen
- SQ3R Methode werken Aufgabenformen - Murder Schema note-making Sozialformen - Erschließendes Lesen Classroom-Phrases - pre-questions - note-taking
Sprechen Auswendiglernen note-making Bedienung eines
- Vor-sich-hinsprechen Kassettenrekorders - Nachsprechen Aufgabenformen - Mitsprechen Sozialformen - read&look up Classroom Phrases - overlearning - stiller Monolog - Lokalisierungsmethode - backward build up technique - Vorstellungsbilder Nachschlagewerke benutzen
Schreiben Abschreiben note-making Aufgabenformen note-taking proof reading Sozialformen
- schnelles Notieren Fehlerstatistik führen Classroom Phrases - Abkürzungen Wörterbuch benutzen - Zeichen und Symbole grammatisches Nachschlagewerk Outlining benutzen
8
2. Klassifikationsschema:
O´Malley & Chamot (1990:119f) Learning Strategy Description A. Metacognitive Strategies Planning Advance Previewing the main ideas and concepts of the material to be learned, often by skimming Organizers the text for the organizing principle.
Directed Attention Deciding in advance to attend in general to a learning task and to ignore irrelevant distractors.
Selective Attention Deciding in advance to attend to specific aspects of input, often by scanning for key words,
concepts, and/or linguistic markers.
Self-management Understanding the conditions that help one learn and arranging for the presence of those
conditions.
Advance Preparation / Planning for and rehearsing linguistic components necessary to carry out an upcoming
Functional Planning language task.
Monitoring
Self-monitoring Cheking one´s comprehension during listening or reading or cheking the accuracy and / or
appropriateness of one´s oral or written production while it is taking place.
Delayed Production Consciously deciding to postpone speaking to learn initially through listening comprehension.
Evaluation
Self-evaluation Checking the outcomes of one´s own language learning against a standard, an internal
measure of completeness and accuracy after it has been completed.
Self-reinforcement Arranging rewards for oneself when a language learning activity has been accomplished
successfully.
B. Cognitive Strategies Resourcing Using target language reference materials such as dictionaries, encyclopedias, or textbooks (e.g to define or expand a definition of a word or concept). Repetition Imitating a language model, including overt practice and silent rehearsal. Grouping Classifying words, terminology, or concepts according to their attributes or meaning. Deduction Applying rules to understand or produce the second language or making up rules based on language analysis. Imagery Using visual images (either mental or actual) to understand or remember new information Auditory Representation Planning back in one´s mind the sound of a word, phrase, or longer language sequence. Keyword Method Remembering a new word in the second language by (1) identifying a familiar word in the first
language that sounds like or otherwise resembles the new word, and (2) generating easily recalled images of some relationship with the first language homonym and the new word in the second language.
Elaboration Relating new information to prior knowledge, relating different parts of new information to
each other, or making meaningful personal associations with the new information. Transfer Using previous linguistic knowledge or prior skills to assist comprehension or production.
Inferencing Using available information to guess meanings of new items, predict outcomes, or fill in
missing information.
Note-taking Writing down key words or concepts in abbreviated verbal, graphic, or numerical form while
listening or reading.
Summarizing Making a mental, oral, or written summary of new information gained through listening or
reading.
9
Recombination Constructing a meaningful sentence or larger language sequence by combining known
elements in an new way.
Translation Using the first language as a base for understanding and / or producing the second language.
Contextualization Placing a word or phrase in a meaningful language sequence.
Directed Physical Relating new information to physical action, as with directives.
Response
C. Social Mediation Question for Clarification Eliciting from a teacher or peer additional explanations, rephrasing, examples, or verification.
Cooperation Working together with one or more peers to solve a problem, pool information, check a
learning task, model a language activity, or get feedback on oral or written performance.
10
3. Klassifikationsschema:
Oxford (1990a:17ff) direkte Strategien indirekte Strategien Gedächtnisstrategien Metakognitive Strategien zum besseren Behalten und Abrufen neuer zur Koordinierung des Lernprozesses Informationen A. Centering your learning (overviewing and linking A. Creating mental linkages (grouping, associating/ with already known material, paying attention,
elaborating, placing new words into a context) delaying speech production to focus on listening)
B. Applying images and sounds (using imagery, B. Arranging and planning your learning (finding out
semantic mapping, using keywords, about language learning, organizing, setting goals
representing sounds in memory) and objectives, identifying the purpose of a
C. Reviewing well (structured reviewing) language task, seeking practice opportunities)
D. Employing action (using physical response or C. Evaluating your learning (self-monitoring, self-
sensation, using mechanical techniques) evaluating)
Kognitive Strategien Affektive Strategien zum besseren Verstehen und Prozudieren zur Regulierung von Gefühlen und Ängsten der Zielsprache A. Practicing (repeating, formally practicing with A. Lowering your anxiety (using progressive
sounds and writing systems, recognizing and relaxation, deep breathing, or meditation, using
using formulas and patterns, recombining, music, using laughter)
practicing naturalistically) B. Encouraging yourself (making positive statements,
B. Receiving and sending messages (getting the taking risks wisely, rewarding yourself)
idea quickly, using resources for receiving and C. Taking your emotional temperature (listening to
sending messages) your body, using a checklist, writing a language
C. Analyzing and reasoning (reasoning deductively, learning diary, discussing your feelings with
analyzing expressions, analyzing contrastively, someone else)
translating, transferring)
D. Creating structure for input and output (taking
notes, summarizing, highlighting)
Kompensationsstrategien Soziale Strategien zur Verwendung der Zielsprache trotz zum Lernen mit anderen Personen Wissenslücken A. Guessing intelligently (using linguistic clues, A. Asking questions (asking for clarification or
using other clues) verification, asking for correction)
B. Overcoming limitations in speaking and writing B. Cooperating with others (cooperating with
(switching to the mother tongue, getting help, peers, cooperating with proficient users of
using mime or gesture, avoiding communication the new language)
partially or totally, selecting the topic, adjusting C. Empathizing with others (developing cultural
or approximating the message, coining words, understanding, becoming aware of others´
using a circumlocution or synonym) thoughts and feelings)