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Emder Beiträge zum reformierten Protestantismus Band 15 Herausgegeben vom Vorstand der Geseschaſt für die Geschichte des reformierten Protestansmus e.V. Matthias Freudenberg / J. Marius J. Lange van Ravenswaay (Hg.) Geschichte und Wirkung des Heidelberger Itechismus Vorträge der 9. Inteationalen Emder Tagung zur Geschichte des reformierten Protestansmus N eurchener Theologie

Reformierter Pietismus und Mission. Friedrich Adolph Lampes Ausführungen zur Beziehung von Kirche und "Heidentum" in seinen Erklärungen zum Heidelberger Katechismus

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Emder Beiträge zum reformierten Protestantismus

Band 15

Herausgegeben vom Vorstand der Gesellschaft

für die Geschichte des reformierten Protestantismus e.V.

Matthias Freudenberg /

J. Marius J. Lange van Ravenswaay (Hg.)

Geschichte und Wirkung des

Heidelberger I<atechismus

Vorträge der 9. Internationalen Emder Tagung zur Geschichte des

reformierten Protestantismus

N eukirchener Theologie

Reformierter Pietismus und Mission

Adolph Lampes Ausfohrungen zur Beziehung von Kirche und 'lei,dn1tum" in seinen Erklärungen zum Heidelberger Katechismus*

von Peter ]ames Yoder

Ende des 17. Jahrhunderts entstand in Städten wie Frankfurt, Leipzig Mühlheim an der Ruhr der Pietismus als eine religiöse Reformbewe­

innerhalb der evangelischen Kirche, die eine Neugewichtung auf und "Wiedergeburt" im Leben des Individuums vornahm. Die

Pietist:en hofften, dass die geistliche·"Erweckung" innerhalb der Kirche eine j<etoflm der Gesellschaft und in der Folge eine Veränderung der Mensch­

bewirken würde. Solch eine Hoffnung erweiterte- im Zusammenspiel tnit der Globalisierung des Bewusstseins durch Handel, Entdeckungen und Eroberungen - die Perspektive der Pietisten auf die Welt und führte später

Gründung der ersten organisierten evangelischen Missionsarbeit. Einer der Protagonisten reformierter pietistischer Theologie, der die Ausweitung des Blicks auf die ganze Welt in seinen Werken betrieb, war Friedrich Adolph Lampe (1683-1729). Zwei seiner bedeutendsten und über viele Jahrzehn­te in Unterricht und Kirche benutzten Schriften legten das Grundbekenntnis vieler reformierter Kirchen aus, den Heidelberger Katechismus.

Friedrich Adolph Lampe stellte zwei Fragen an den Beginn seiner Erldä­rung des Katechismus mit dem Titel Milch der Withrheit nach Anleitung des Heide/bergischen Catechismi zum Nutzen der Lehr-begierigen fugend ( 1720). Die Tatsache, dass Lampe seine Leser bereits eingangs mit den Fragen "Was ist eine Religion?" und ,,Wie mancherley Haupt-Religionen kann man unter­scheiden?" konfrontierte, bezeugt einen wichtigen Übergang im Verständ­nis der Weltreligionen, der sich auch in dem wachsenden Interesse der refor­mierten Kirche widerspiegelte, Missionare in nicht-christliche Länder zu

* Diese Untersuchung entstand im Rahmen dervom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Nachwuchsforschergruppe "Transfer und Transformation der Europabildcr evangelischer Missionare im Kontakt mit dem Anderen, 1700-1970" , in wel­cher der Autor am Leibniz-Institut für Europäische Gcsdüchte, Mainz, rärig ist. Der Autor möchte sich beiJudith Becker, Katharina Stornig und Andreas Heil für ihre hilfreichen Anmer­kungen bedanken.

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senden.' Jonathan Z. Smith charakterisiert diesen Übergang im frühen 18. Jahrhundert, an dem - wie noch zu zeigen sein wird - auch Lampe Anteil hatte, als "the process of transposing ,religion' from a supernatural to a natu­ral history, from a theological to an anthropological category" .2 Wenngleich Lampe Fragen nach der Zahl der Weltreligionen an den Beginn seiner Erldä­rung stellte, bedeutete dies indessen nicht, dass er das Christentum auf eine Ebene mit den anderen Religionen stellte. Ganz im Gegenteil: Für Lampe war das Christentum zweifelsfrei die eine "wahre Religion". Allerdings bet­tete er das Christentum gemeinsam mit einer Reihe anderer Religionen (dem Judentum, dem Islam und den von Lampe unter dem Begriff "Heidentum" subsumierten Religionen) in einen weltgeschichtlichen Kontext ein.

Dieser Beitrag thematisiert das wachsende Interesse der reformierten Kir­che im frühen 18. Jahrhundert, sich über die kulturellen und geographi­schen Grenzen Europas hinaus zu erweitern, und untersucht, auf welche Weise sich dieses Interesse in Lampes Erklärungen des Heidelberger Katechis­mus widerspiegelte) Es soll gezeigt werden, dass insbesondere Lampes Milch der Wtlhrheit dafür einen hervorragenden Untersuchungsgegenstand bietet. Der Beitrag beginnt mit einer Einführung zu Lampe und dem Einfluss des reformierten Pietismus auf seine Theologie. An den reformierten Pietismus T heodor Undereycks (1635-1693) anknüpfend, entwickelte Lampe tradi­tionelle reformierte Konzeptionen wesentlich weiter, indem er die Bundes­theologie mit pietistischen Vorstellungen verknüpfte. Das zweite Kapitel des Beitrags untersucht, auf welche Weise Lampe sein Interesse an der Mis­sionsarbeit in seiner Erklärung des Wesens der Kirche (Ekklesiologie) aus­drückte. Insbesondere beschäftigt sich dieses Kapitel mithin mit der Ent­stehung von Lampes global orientierter Ekklesiologie in seinen Fragen und Antworten in Milch der Wahrheit zu einigen großen T hemen der Bundes­theologie (z.B. Schöpfung, Sündenfall und Erlösung). Um die Entwicldung seiner Elddesiologie aufZuzeigen, werden Lampes Fragen und Antworten

1 Friedrich AdolfLampe, Milch der Wahrheit nach Anleitung des Heidelbergischen Catechis­mi, hg. v. Mattbias Freudenberg (Beiträge zur Katechismusgeschichte 4) , Rödingen 2000, 8. 2 Jonathan Z. Smith, Religion, Religions, Religious, in: Mark C. Taylor (Hg.), Critical

Terms for Religious Studies, Chicago 1998, 269-284, hier 273. 3 Für eine Untersuchung der frühen Missionsvorstellung im Pietismus vgl. Hanco Jür­

gens, On the Crossroads: Pietist, Orthodox and Enlightened Views on Mission in rhe Elgh­teenth Century, in: Andreas Grass I Y. Vincent Kmnaradoss I Heike Liebau (Hg.), Halle and rhe Beginning of Protestant Christianity in India, Bd. 1, Halle 2006, 7-36. Gottfried Mai arbeitete über den "Missionsgedanken" in den Schriften Wilhclm Teellincks (1579-1629) , in: Die niederdeutsche Reformbewegung. Ursprünge und Verlauf des Pietismus in

Bremen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, in: HosEc 12, Bremen 1979, 44.

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schließlich mit seiner früheren Erklärung Einleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbunds (1712) verglichen.4 Ziel des Beitrags ist es zum einen zu zei­gen, dass Lampe in Milch der Wahrheit seine Leser gezielt dazu einlud, ihre Vorstellnng vorn Wesen der Kirche auszuweiten, sowie zum anderen zu argu­mentieren, dass Lampes missionarischer Impuls, der für die deutsche refor­mierte Missionsbewegung im 19. Jahrhundert prägend werden sollte, genau in dieser Ausweitung begründet liegt.5

1. Friedrich Adolph Lampe und der Pietismus

Friedrich Adolph Lampe wurde 1683 in Detmold geboren. Seine Familie stand in langer und reicher pfarramtlicher Tradition.6 Friedrich Adolphs Vater, Heinrich Lampe (1649-1690), war zweiter Prediger in der Detmol­der reformierten Gemeinde, und sein Grogvater, Johann Jakob Zeller (1626-1691), arbeitete als Generalsuperintendent in Lippe. Nach dem unerwar­teten Tod seines Vaters und dem darauffolgenden Tod seines Großvaters zog Lampe mit seiner Mutter nach Bremen, wo er mit Hilfe seines Onkels, des Kaufmanns Johann Wlchelhausen, erzogen wurde. Lampe trat in die Fuß­stapfen seiner männlichen Vorfahren und begann im Jahr 1698 an der Bre-

4 Friedeich Adolf Lampe, Einleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbunds, der nach der vernünftigen Milch des Worts Gottes begierigen Jugend zum Nutzen [ ... ]. Neueste Aufla­ge, Elberfeld 1837. Lampes Einleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbunds und seine Milch der Wahrheit spielten mindestens bis ins 19. Jahrhundert hinein eine große Rolle in der reli­giösen Unterweisung. Vgl. Marrhias Freudenberg, Einleitung, in: Lampe, Milch der Wahr­heit (wie Anm. 1) , XII. 5 Gerrit Snijders, Friedrich Adolph Lampe, Utrecht 1954, 136f. 6 Orro T helemann, FriedrichAdolf Lampe. Sein Leben und seine T heologie, Bielefeld 1868, 3f. Für biographische Studien vgl. Matthias Freudenberg, Einleitung, in: ders. (Hg.), Refor­

mierte Katechismen aus drei Jahrhunderten (Beiträge zur Katechismusgeschichte 10) , Rödin­gen 2005, XIV-XX; ders., Einleitung (wie Anm. 4) , IX-XVII; ders., Erkenntnis und Fröm­migkeitsbildung. Beobachtungen zu Friedeich Adolf Lampes Erklärung des Heidclberger Kate­chismus "Milch der Wahrheit" (1720) , in: Harm Klueting I ]an Rohls (Hg.), Reformierte Retrospektiven. Vorträge der zweiten Emder Tagung zur Geschichte des reformierten Protes­tantismus (EBzrP 4) , Wuppertal 2001, 157-177; Johann Friedeich Gerhard Goeters, Der re­formierte Pietismus in Bremen und am Niederrhein im 18. Jahrhundert, in: Mactin Brecht I Klaus Deppermann I Ulrich Gäbler I Hartmut Lebmann (Hg.), Geschichte des Pietismus. Der Pietismus im achtzehnten Jahrhundert, Bd. 2, Göttingen 1995, 375-386; Erich Wen­neker, Lampe, Friedrich Adolf, in: BBKL, Bd. 4, Nordhausen 1992, 1054-1058; Gottfried Mai, Die niederdeutsche Reformbewegung (wie Anm. 3) , 243-308; Gerrit Snijders, Frie­deich Adolph Lampe. Ein deutscher reformierter T heologe in Holland, in: HosEc 3, Bre­men 1961. 85-92.

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mer Universität (Gymnasium Illustre) mit seiner theologischen Ausbildung.? Prägend war fÜr Lampe vor allem das Studium bei Cornelius de Hase (1653-1710), der ein Nachfolger Theodor Undereycks war.S Unter de Hase lern­te er den reformierten Pietismus Undereycks und die Theologie von Gis­bertus Voetius (1589-1676) und Johannes Coccejus (1603-1669) kennen, die ihn entscheidend beeinflussten.

Theodor Undereyck studierte Theologie in Duisburg, Utrecht und Lei­den.9 Im Laufe seines fÜnfjährigen Studiums lernte er bei Voetius in Utrecht und Coccejus in Leiden. Voetius und Coccejus, die beide missionarisches Interesse zeigten, boten Undereyck eine gründliche Ausbildung mit Schwer­punkt in der biblischen Exegese und der Föderaltheologie.JO Nach seiner akademischen Reise ("peregrinatio academica") 1658/59 bekleidete Theo­dor Undereyck Plärrerstellen in Mülheim an der Ruhr, Kassel und Bremen. II Als neu ernannter Pfarrer in Bremen wurde er sogleich vom Ministerium des Umgangs mit dem Separatisten Jean de Labadie (1610-1674) ver­dächtigt. Erst nach einer ungewöhnlichen - vom Ministerium verlangten und beobachteten-Einltihrungsphase ins Pfarramt konnte Undereyck sein Amt frei ausüben. Er führte strenge und pietistisch orientierte Aktivitäten wie ein rigoroses Programm von Predigten und einen Konventikel-Plan ein. Gemeinsam mit seiner Frau organisierte er Versammlungen (oder Konven­tikel) zum vertieften Bibelstudium und Katechismus-Unterricht. Diese Kon­ventikel zählen zu den spezifischen Charakteristika des Pietismus.I2 Des Wei­teren realisierte Undereyck einen Kirchenreformplan mit den Zielen, erstens den Zustand der Geistlichen zu verbessern, zweitens die Fehler in der sakra-

7 Freudcnberg, Reformierte Katechismen (wie Anm. 6), XV; Mai, Die niederdeutsche Reformbewegung (wie Anm. 3), 252-254. 8 Thelemann, Friedrich AdolfLampe (wie Anm. 6), 8. 9 Do-HongJou, Theodor Undereyck und die Anfange des reformierren Pietismus, ßochum 1994, 72-135. lO Für eine Untersuchung der Missionsvorstellungen bei Coccejus und Voecius vgl. Wil­lern J. van Asselt, Missionaire motieven en perspectieven in dc theologie van Johannes Coccejus, it�: Kerle en Theologie 41 0? 90), 227-236; Jan Jongeneel, The Missiology of Gis­bertus Voetms: The first comprehenstve Protestant theology of missions, in: Calvin Theo-­logie� Journal 26/1 (1991), 47-79. Coccejus und Voctius führten auch eine theologische A�emand:rsetzung über das Heil im Alten Testament und die Sahbatpraxis in der refor­��erte� Kirche: Vgl. AndreasJ. ßeck, GisbertusVoetius (1589-1676). Sein Theologiever­s�andnJs und seme Gotteslehre (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 92), Gör­

tmgen 2007, 91-96. 11 Jou, Theodm Undcreyck (wie Anm. 9), 125-127. 12 Für eine Definition des Pietismus vgl. Johannes Wallmann, W..1s ist Pietismus? , in: PuN 20 (1994), 11-27. Vgl. Marcin Brecht, Pierismus und Etweckungsbewegung, in: PuN 30

(2004), 30--47.

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mentalen Praxis zu beheben und drittens die Gemeinde zur strengeren Beach­tung der Kirchenzucht zu ermutigen.13

Im Jahr 1669 zog der damals sechzehnjährige Cornelius de Hase zu Under­eyck, woraufhin sich eine lebenslange Freundschaft zwischen den beiden Män­nern entwickelte. Als Undereyck als Pfarrer an die St. Martini-!Grche nach Bremen ging, begleitete ihn de Hase zunächst.I4 Später ging de Hase dann zum Studium nach Leiden und Utrecht, um bei Abraham Heidanus (1597-1678) beziehungsweise dem alten Voetius zu lernen.I5 Anschließend kehrte de Hase an den Niederrhein zurück, wo er einige Pfarrstellen beldeidete, bis er nach Undereycks Tod 1693 Pfarrer an der St. Martini-Kirche wurde; eine Funktion, die er bis zu seinem Ableben innehatte. Elhard Wagner, ein Bre­mer Prediger, lobte de Hase und seine Tätigkeit in der universitären Lehre in seiner Leichenpredigt wie folgt: "Mit welcher Klugheit, Eifer, Unverdrossen­heit, Geschicldichkeit und Segen Er diese Purretionen bedient, ist bekannt, ja längst durch die grosse Anzahl Sein Lehriunger, die allbereits die fürnehms­ten Stellen in Kirchen und hohen Schulen vertreten, Welt-kündig worden".I6

Einer von de Hases wichtigen "Lehriunger" und Nachfolger war nun Frie­dricb Adolph Lampe. Der direkte beziehungsweise indirekte Einfluss de Hases und Undereycks auf Lampes Theologie wird durch seine Übernah­me zentraler Vorstellungen des Pietismus deudich.17 Als Beispiele dafür kön­nen zunächst Lampes Kritik am geistlichen Zustand der Kirche und seine Reform des Beichtgeldes genannt werden. Bereits 1713, also nur vier Jahre nach seinem Antritt als Pfarrer an der Bremer St. Stephani Kirche, veröf­fentlichte Lampe unter dem Pseudonym Philadelphus Photins eine harte Kritik am Zustand der Kirche.IB Diese Art von Kritik war typisch für den Pietismus, und mit ihr geriet auch Lampe seitens des Ministeriums unter den Verdacht separatistischer Tendenzen.I9 Innerhalb der Reformbewegun-

13 Jou, Theodor Undereyck (wie Anm. 9), 172. 14 Elhard Wagner, Der hell-leuchtende Sternen-Fall vorgesteilet in einer Abdanckungs-Rede

beyChristlicher Beerdigung des [ . . . ] Cornelli de Hase, Bremen 1710, 26f. Biographische

Informationen zu de Hase finden sich in seinem Lebenslauf, der der Leichenpredigt beige­

fügt ist. 15 Wagner, Der hell-leuchtende Sternen-Fall (wie Anm. 14), 27. Für eine vertiefte Diskus­

sion von Voetius Theologie vgl. Beck, Gisbenus Voetius (wie Anm. 10}.

16 Wagner, Der hell-leuchtende Sternen-Fall (wie Anm. 14), 29.

17 Jou bezeichnet Lampe als "geistlichen Schüler" Undereycks. Vgl. Jou, Theodor Under­

eyck (wie Anm. 9), 173. 18 Philadelphius Photius [Friedrich Adolph Lampe], Große Vorrechte des unglückseligen

Apostels Judas Iscariots, Bremen 1713. 19 August Hermann Francke, Von den falschen Propheten, in: Erhard Peschke (Hg. }, Pre­

digten I (TGP 11. 9), Berlin 1987, 438--484.

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gen des frühneuzeitlichen Christentums steht der Pietismus fur die Ent­widdung einer bestimmten Auffassung von der "sichtbaren" Kirche. Wäh­rend die Kirche zur Zeit der Reformation von protestantischen Theologen häufig als "abgöttisch" bezeichnet wurde, erklärten pietistische Kritiker die Kirche als "verdorben" und "tot" .20 Diese Kritik am Zustand der Kirche fuhr­te auch dazu, dass Leute wie Undereyck in Bremen oder August Hermann Francke ( 1663-1727) in Halle den Wert und die Richtigkeit verschiedener kirchlicher Praktiken öffentlich in Frage stellten. Besonders häufig wand­ten sich Pietisten gegen den "falschen" Gebrauch der Salcramente: So pre­digten und schrieben sie über die "wahre" Anwendung der Salcramente und kämpften gleichzeitig gegen verschiedene Praktiken wie zum Beispiel das Beichtgeld (oder den Beichtpfeimig), eine sozial gestaffelte Gebühr, die zum Einkommen des Pfarrers beitrug und damals zur Praxis der Sakramente zähl­te.21 In den Augen der Pietisten führte das Beichtgeld zu Missverständnis­sen mit den Gemeindegliedern, die meinen konnten, Gottes Vergebung könne durch die Gebühr ersetzt werden. Insofern verführte das Beichtgeld, so die Pietisten, die Geistlichkeit dazu, ihrer ,,geizigen" Lust gemäß zu leben, und die Gemeinde dazu, in ihrem "schwachen Glauben" zu verbleiben. Füh­rende Pietisten wie Undereyck und Francke hatten deshalb die Praxis des Beichtgelds aufgegeben - und so tat es auch Lampe in den letzten Jahren seines Lebens als Pfarrer an der St. Ansgarii Kirche.

Im Unterschied zu seinen pietistischen Vorgängern entwickelte Lampe jedoch die Theologie der reformierten Kirche entscheidend weiter. Er ver­knüpfte pietistische Vorstellungen mit der biblischen Exegese und der Bundestheologie, die er nicht nur bei de Hase, sondern auch bei Campe­gius V itringa (1650-1722) kennen gelernt hatte.22 Diese Verknüpfung wird vor allem in Lampes Geheimniß des Gnaden-Bunds (1712) deutlich, in wel­chem sich sowohl die Föderaltheologie von Coccejus als auch zentrale Leh­ren des Pietismus wie die Wiedergeburt finden.23 Gleichzeitig betonte Lampe- wie andere wichtige pietistische Theologen auch -die Bedeutung und Funktion fundamentaler emotionaler Haltungen und Ausdrucksfor-

20 Carlos M. N. Eire, War Agairrst the Idols. Thc Reformation of worship from Erasmus to Calvin, London 1986. 21 Helmut Obst, Der Berliner Beiclusruhlstreit. Die Kritik des Pierismus an der Beicht­

P!axis der lutherischen Orthodoxie, W ittc n 1972. Das Beichtgeld war "nach sozialer Lage emc Gebühr[ . . . ], die einen Teil des Pfarrereinkommens" bildete. Helmut Obst, Art. Beich­te IV, in: TRE 5 (1980), 426.

22 Freudenberg, Reformierte Katechismen (wie Anm. 7), XV: 23 Darin unterscheidet sich Lampe von Coccejus, für den die Wiedergeburt nur eine sehr untergeordnete Rolle spielte.

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men.24 In Lampes Geheimniß des Gnaden-Bunds zeigt sich außerdem sein wachsendes Interesse an der Missionsarbeit. Er schrieb: "Die Kirche hat eine geraume Zeit in vielen Ländern volle Sicherheit und Ruhe genossen. Ja sie ist durch die Schiffartben der Engelländer und Holländer, durch jene in Ame­rica, durch diese in Ost-Indien ausgebreitet worden, und also nach Gottes Versehung wenigst der Same dahin gebracht, woraus einmahl die Einfüh­rung der Fülle der Heyden, wovon Gott die Verheißung hat gethan, erwach­sen so!. Wollte Gott, daß nur, was durch die Predigt des Wortes an der eine Seite gewonnen wird, durch den ärgerlichen Wandel der Christen unter den Heyden nicht wieder möchte verloren gehen, und daß die Begierde nach den irdischen Reichthümern, welche diese Länder ausliefern, nicht die Vorsorge für so viele 1000. Seelen die noch in der Blindheit stecken, ersticken mögte. "25

Indem Lampe von der "Einfuhrung der Fülle der Heyden" sprach, schenk­te er einer kirchlichen Entwicldung Aufmerksamkeit, die heute als der Anfang der modernen Missionsarbeit beschrieben wird. In seiner theologischen Vor­stellung sollten nicht nur Pfarrer auf den Handelsschiffen präsent sein, son­dern auch Missionare nach Amerika und Indien gehen, um "Vorsorge" fur die nicht-christlichen V ölker außerhalb Europas zu übernehmen. Diese Vor­stellung von Missionsarbeit entstand durch die Verstärkung des Chiliasmus in der reformierten und pietistischen T heologie des 17. und 18. Jahrhun­derts. Im pietistischen Chiliasmus existierte die Rede von der "Hoffnung besserer Zeiten(', in der das Ankommen des ,.Reichs Christi auf Erden" mit der grundlegenden christlichen Verantwortung der Verkündigung des Evan­geliums verknüpft wurde: In der "besseren Zeit" sollte das Evangelium auch die nicht-christlichen V ölker erreichen.26 Da T heologen wie Lampe erwar­teten, dass die globale Verkündigung des Evangeliums während der End­zeit der Kirche eine vollkommene Zahl an bekehrten "Heiden" bewirken würde, förderte der pietistische Chiliasmus teilweise auch ein zunehmend globales Konzept von der "Welt" im christlichen Verständnis. Lampe teilte diese eschatologische Vorstellung. Sie wirkte sich auch auf sein Verständnis der Ekklesiologie aus. Wenn er über das Wesen der Kirche schrieb, beton-

24 Friedrich Adolph Lampe, Geheimniß des Gnaden-Bunds, Teil 1, Bremen 1712, 355-422. In seinem Kapitel über Wiedergebmt sprach Lampe oft von "wahren" Tränen. Lam­pes Geheimniß des Gnaden-Bunds wurde in sechs Bänden veröffentlicht (Teil 1; Teil2; Teil 3, Bd. 1 u. 2; Teil 4, Bd. 1 u. 2). 25 Lampe, Geheimniß des Gnaden-Bunds (wie Anm. 24), Teil 4, Bd. 1, 770E Vgl. Snij­ders, Friedrich Adolph Lampe (wie Anm. 5), 30. 26 Jobarmes Wallmann, Pietismus und Chiliasmus. Zur Kontroverse um Philipp Jakob Spe­ners "Hoffnung besserer Zeiten", in: ders. , Theologie und Frömmigkeit im Zeitalter des Barock. Ges. Aufsätze, Tübingen 1995, 390-421.

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te er deshalb sein Interesse für außereuropäische Menschen und die Aus­übung der Nächstenliebe gegenüber anderen Völkern.

Lampes Verständnis von der Kirche als einer Entität, die nicht auf Euro­pa begrenzt werden sollte, zeigt sich auch in seinen einflussreichen Erklä­rungen des Heidelberger Katechismus. Seine Einleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbunds und Milch der W'ahrheit beinhalten Fragen und Antwor­ten zu den Erklärungen des Katechismus, und obwohl die Erklärungen je­weils von den Katechismusfragen geleitet werden, präsentierte Lampe auch theologische Vorstellungen, die über den Katechismus hinausgehen, so zum Beispiel die Bundestheologie. Zusätzlich lässt sich auch ein struktureller Unterschied zwischen den beiden Erklärungen feststellen: In seiner frühe­ren Einleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbunds ordnete Lampe die Fra­gen des Katechismus neu an. Dadurch nahm er eine Neugewichtung vor, bei der die Bundestheologie im Zentrum steht.27 Lampes Milch der W'ahr­heit hingegen ist entsprechend der originalen Nummerierung des Heidel­berger Katechismus in 52 Sonntags-Lesungen aufgebaut und handelt folg­lich von den traditionellen Topoi reformierter Lehre, so dass theologische Anthropologie und Ekklesiologie im Vordergrund stehen. Da Lampe histo­risch am Anfang einer Entwicldung steht, die als der "missionarische Impuls" des reformierten Pietismus bezeichnet werden könnte, muss vor allem die Terminologie analysiert werden, die er benutzte, um auch die Menschen außerhalb Europas in einem erweiterten Verständnis von Kirche zu fassen.28 Deshalb diskutiert das folgende Kapitel die Erweiterung der heilgeschicht­lichen Kategorien in Lampes Erldärung von 1720. Seine Fragen und Ant­worten werden in Bezug auf Schöpfung, Sündenfall und Erlösung untersucht.

2. Mission und Ekklesiologie

Friedrich Adolph Lampes Bundestheologie leitet die Elddesiologie von der Schöpfung ab, in deren Zentrum die Menschen standen. Somit fing die Kir-

27 Die Kapitel 21-23 der Bnleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbunds befassen sich namentlich mit dem "Gnadenbund", also der Födcraltheologic.

28 Den "missionarischen" Impuls Lampes machte Snijdcrs an seinen Erfahrungen in den Niederlanden fest:

:,Friedrich Adolph Lampe wilde de zielwrg nict beperlct zien tot de eigen

gemeente, of het etgen land, maar sprak zieh duidelijk uit voor de zending. In zijn inlci­dingsprcdiking, die hij in 1729 als Academiepredikant te Utrecht gchouden heeft, zegt hij:

Wat heeft niet de Heere, aan onsc Nederlanden, door derseiver verre uytgestrckten koophan­del, een fraaye deure geopent, om de Leere des Evangeliwns, van her Westen tot in'r Oosten, tot in bcyde de Indien, en aan de uyterste eynden der Wereldt, over te brengen?", in: Snij­ders, Friedrich Adolph Lampe (wie Anm. 5), 30.

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ehe bei ihm nicht mit Petrus, Mose oder Abraham, sondern mit der Bezie­hung zwischen Gott und den ersten Eltern an. Diese Vorstellung von Kir­che war schon in der früheren reformierten Theologie angedeutet. Johan­nes Calvin verband Adam, Eva und den Baum des Lebens mit den neutes­tamentlichen Sakramenten, und Coccejus sah in Gottes Bund mit den ersten Eltern den Anfang der Kirche.29 Deshalb beginnt die Kirchengeschichte in der Föderaltheologie mit Adam und endet mit der Wiederbringung aller Dinge. Bezüglich Lampes Interesse an der Mission muss angemerkt werden, dass er in der Schöpfung nicht nur den Anfang der Gemeinde Gottes, son­dern auch ein Vorabbild der Erlösung sah. In Bezug auf die Frage 26 des Heidelberger Katechismus, die aus dem ersten Artikel des apostolischen Glaubensbekenntnisses entstand, fragte Lampe seine Leser: "Warum hat GOtt nicht in einem Augenblick, sondern in sechs Tagen die Welt erschaf­fen?" Und in beiden Erldärungen a1ltwortete er: "Um ein Vorbild der zwey­ten Schöpffung oder des Werkes de� Erlösung dadurch zu geben. "30 Durch diese Verknüpfung von Schöpfung und Erlösung bot Lampe seinen Lesern eine in die Vergangenheit erweiterte Perspektive auf die endliche Erlösung der Menschen. Diese Perspektive entstand nicht aus der Verheißung Got­tes an den Vater eines Volkes oder einer Nation, sondern aus Gottes Worten an Adam und Eva. Adams Stellung als "erster Mensch" und erster Patriarch der Kirche hatte nach Lampe jedoch Auswirkungen darauf, wie man den Zustand der Menschheit und den missionarischen Ruf der Kirche verste­hen sollte.

Die Leser begegnen dieser Überschneidung von theologischer Anthro­pologie und Ekklesiologie bereits früh in Lampes Milch der W'ahrheit. Die Kirche sollte durch ihren Gehorsam zum Doppelgebot Christi, sowohl Gott als auch den Nächsten zu lieben (Mt 22,37-40), sichtbar werden.3l Für die Pietisten des frühen 18. Jahrhunderts war der Gehorsam gegenüber dem zweiten Teil des Gebots (d.h. der Nächstenliebe) Teil ihres Verständnisses

29 Calvin schreibt in Instirutio (1559) IY,l4,18: "Der Begriff ,Sakrament' umfaß r in dem Sinne, wie wir ihn bisher dargelegt haben, allgemein sämtliche Zeichen, die Gott je den Men­schen aufgetragen hat, um sie der Wahrheit seiner Verheiß ung gewiß und sicher zu machen [ . . . ]. Gott gab dem Adam und der Eva den ,Baum des Lebens' zum Unterpfand der Unsterb­lichkeit. '' Oohannes Calvin, Unterricht in der christlichen Religion, übers. v. Otto Weber, Neukirchen-Vluyn 61997, 890). In seiner Summa Theologiae, Locus 25, unterschied Coc­ccjus zwischen der alttestamentlichen und der neutestamentlichen Kirche, aber bcide wur­den in Christus begründet. Vgl. Willern van Asselt, The Federal Theology ofJohannes Coc­ceius (1603-1669), Leiden 2001, 47f.

30 Lampe, Milch der Wahrheit (wie Anm. 1), 41; Lampe, Einleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbunds (wie Anm. 4), 42.

31 Lampe, Milch der Wahrheit (wieAnm. 1), 12-15.

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von "wahrer Nachfolge Christi", mit dem sie viele ihrer Handlungen begrün­den konnten. Zum Beispiel behauptete der lutherische Pietist August Her­mann Francke, dass seine Aktivitäten, die 1689 zur "Leipziger Unruhe" führ­ten, aus seinem Versuch resultierten, Nächstenliebe zu üben.32 Auch zahl­reiche vom Pietismus geprägte evangelische Missionare begründeten ihre Motivation zur Mission hauptsächlich mit der göttlichen Pflicht zur Nächs­tenliebe.33

Als Lampe allerdings die Konsequenzen der Sünde im Bezug auf die Nächstenliebe erklärte, konstruierte er eine Beziehung zwischen dem Sün­denfall, der Kirche und der Pflicht zur Nächstenliebe, wie sie häufig im refor­mierten Pietismus zu finden ist. Auf die Fragen 16-19 des Heidelberger Kate­chismus verweisend fragte er: "Warum konte das Gesetz GOttes von nie­manden, als von einem Menschen erfüllet werden?" Lampes Antwort erfolgt in zwei Schritten:

"I. Das Gesetz GOttes forderte, GOtt mit Leib und See! zu preisen, Das konnte niemand thun, als der Leib und See! hatte.

II. Das Gesetz GOttes befahl, nicht allein GOtt, sondern auch den Nächs­ten zu lieben. Das konnte auch niemand thun, als der einen Nächsten unter den Menschen hatte. "34

Der missionarische Impuls im reformierten Pietismus des frühen 18. Jahr­hunderts konnte jedoch laut Lampe den sündigen Zustand der Menschen nicht umgehen. Lampe, der fest in seiner spezifischen Tradition verwurzelt war, betonte stets, dass keine nicht-wiedergeborene Person das Doppelge­bot der Liebe, welches sowohl die Kirche kennzeichnete als auch die Grund­lage für den missionarischen Impuls im Pietismus bildete, halten könnte. Die Sünde nehme, so Lampe, allen Menschen die Fähigkeit, Gott und den Nächsten zu lieben. Wer aber zählte bei Lampe zu "den Menschen"?

In seiner Beschreibung der Unfähigkeit der Sünder, Nächstenliebe zu üben, gab Lampe zunächst eine unklare Definition des Menschen. Ähnlich wie der Schriftgelehrte im Gleichnis des Barmherzigen Samariters (Lk I 0,25-

32 Franclee sah seine Tätigkeit in Leipzig als eine Folge der Pflicht zur Nächstenliebe. Vgl. August Hermann Francke, Apologia, in: Erhard Peschke (Hg. ), Streitschrift en (TGP II.1),

Berlin 1981, 82-111. Vgl. Hans Leube, Orthodoxie und Pietismus, Bielefeld 1975, 177-227; Christian Peters, "Daraus der Lärm des Pietismi entstanden". Die Leipziger Unruhen von 1689/1690 und ihre Deutung durch Spener und die hallischen Pietisten, in: PuN 23

(1997), 103-130. 33 Dana L. Robert, Christian Mission: How Christianity Became a World Religion, Mal­den 2009, 42. Robert deutet die Nächstenliebe mit demAusdruck "charitable outreach" an.

34 Lampe, Milch der Wahrheit (wie Anm. 1), 27. Diese Frage und Antwort fehlt jedoch in seiner früheren Erklärung. Vgl. Lampe, Einleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbunds (wie Anm. 4), 62-65.

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37) könnte man fragen, ob Lampe das Gebot der Nächstenliebe auf ein Volk oder ein Land beschränkte.35 Bereits am Anfang seiner Milch der Wahrheit definierte Lampe die "Nächsten" als alle"[ ... ] Menschen, selbst unsre Fein­de, weil wir alle einen Ursprung haben".36 Obwohl Lampe hier von einem gemeinsamen Ursprung aller Menschen sprach, verwies er nicht auf die ver­schiedenen Ethnizitäten unter den Menschen. Um besser zu verstehen, wen Lampe zu den "Menschen" zählte, muss indes nicht nur untersucht wer­den, wie er den Anfang der Kirche in der Schöpfung festlegte, sondern auch, wie er die Grenzen der Kirche durch die Person und das Werk Christi defi­nierte.

Lampe sah in der Schöpfung ein Vorbild für die Erlösung. Für ihn war das Wesen der Kirche im Erlösungswerk Christi festgelegt worden. Lampes Menschenbild kann folglich am Beispiel seiner Fragen und Antworten zur Zwei-Naturen-Lehre untersucht werden. Christus wurde "wahrer Mensch", um diejenigen zu erlösen, die Lampe als die "blassen Creaturen" bezeich­nete.37 Anband dieses Zusammenhangs zwischen der Menschwerdung Got­tes und der sündigen Kreatur wird das Zusammenspiel von Schöpfung und Erlösung demonstriert, eine Vorgehensweise, die es Lampe ermöglichte, ein räumlich unbegrenztes und missionarisches Verständnis von Erlösung zu for­mulieren. Während er die reformierte Prädestinationslehre stets betonte und sie immer wieder in seine Ausführungen einflocht, hob er hervor, dass das Verdienst Christi allen Personen unabhängig von Kultur oder Ethnizität zugänglich sei. Die Prädestinationslehre, die früher häufig implizit auf evan­gelische Christen und damit auf den Westen begrenzt worden war, wurde hier bewusst ausgeweitet. In Bezug auf die Fragen 37-39 des Heidelberger Katechismus fragte er: "Scheinet aber der Catechismus nicht damit anzu­zeigen, daß Christus auch für jede Menschen, Haupt für Haupt, gelitten?", worauf er antwortete: "daß er für alle Geschlechte der Erden gelitten habe" _38 Unter dieser zunächst universalen Vorgabe konnte Lampe die Kirche in wei­terer Folge als "Allgemeinheit der Auserwehlten, die der Allgemeinheit der Verworffenen entgegen stehet" bezeichnen.39 In Bezug auf die Heidelber­ger Fragen 54-56 präzisierte er dies: "Warum wird gesagt: aus dem gant­zerr menschlichen Geschlecht? [ . . . ] Weil sie [die Kirche], sonderlich unter

35 In seiner Antwort an den Schriftgelehrten ("Wer ist denn mein Nächster? ") sprach Jesus von der Verpflichtung der Juden, Näd1stenliebe an den Samaritern zu üben, obwohl diese als ein anderes Volk betrachtet wurden.

36 Lampe, Milch der Wahrheit (wieAnm. 1), 14.

37 Lampe, Mild1 der Wahrheit (wie Anm. 1}, 25.28. 38 Lampe, Milch der Wahrheit (wie Anm. 1), 65.

39 Ebd.

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dem Neuen Testament, nicht allein aus Juden, sonder auch aus Heyden ver­sammlet ist".40 Es ist bemerkenswert, dass Lampe die Christen nicht un­mittelbar mit den Begriffen "Kinder Abrahams" oder "Juden", die in der Bundestheologie häufig hervorgehoben wurden, in Verbindung brachte, son­dern in der zitierten Passage auch explizit die unter Paulus bekehrten "Hei­den" und andere frühkirchliche Christen einbezog.41 Lampe erweiterte an dieser Stelle den Begriff des "Heiden": Seine Leser, europäische Christen, entstammten selbst einer Art von "Heidentum" und somit keineswegs einem Volk, das als religiös "rein" beschrieben werden könnte. Deshalb konnte er Gottes Liebe als eine Liebe "für allerley Menschen aus Juden und Heyden" bezeichnen.42 Durch die Verwendung eines auf diese Weise konnotierten Begriffs des "Heiden" konfrontierte Lampe seine Leser mit einer Vorstel­lung, nach der die europäischen Christen selbst von "Heiden" abstammten und sich folglich nicht mehr als genuin "anders" sehen konnten.

Im unmittelbaren Anschluss an diese Verknüpfung des europäischen Chris­tentums mit dem frühen "Heidentum" richtete Lampe sein Augenmerk auf den weltumspannenden Charakter der Kirche. Auf seine Frage: "Worinn besteher die Einheit der Kirche?" antwortete er: "Daß alle Glieder dersel­ben so genau verbunden sind, daß sie nur einen Leib ausmachen, welcher von allen andern Gesellschafften auf Erden unterschieden".43 Die Einheit der Kirche wurde demnach sowohl durch die Verbundenheit ihrer Mitglieder als auch durch die Abgrenzung nach außen hergestellt. Im Anschluss frag­te Lampe nach der "Allgemeinheit" der Kirche und charalrterisierte diese wie folgt: "Daß sie zu allen Zeiten dieselbige ist. Daß sie in dem Neuen Testa­ment an keinen Ort oder sichtbares Volck auf Erden mehr gebunden ist".44 Lampe verdeutlichte seine Antwort am Beispiel der Ortsgebundenheit des Heiligen Stuhls in der katholischen Kirche. Die katholische Kirche, so Lampe, "verstehet durch die Kirche nicht die Allgemeinheit der Gläubigen, sondern nur den auswendigen Lehr-Stuhl der Kirche, und insbesander den Pabst zu Rom".45 Ein Fehler der katholischen Kirche war laut Lampe die

40 Lampe, Milch der Wahrheit (wie Anm. 1) , 89. 41 Lampe beschrieb in seiner früheren Erldärung das Wesen der Kirche im Kontext der Geschichte Israels. Vgl. Lampe, Einleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbunds (wie Anm. 4) , 173-187. Interessanterweise predigte Unrcreyck 1681 an der St. Stephani Kirche über den ,, heidnischen" Ursprung der Kirche. V gl. Mai, Die niederdeutsche Reformbewegung (wie

Anm. 3) , 244f. 42 Lampe, Milch der Wahrheit (wie Anm. 1), 65. 43 Lampe, Milch der Wahrheit (wie Anm. 1) , 90. 44 Lampe, Milch der Wahrheit (wie Anm. 1) , 91. 45 Ebd. Lampe beschrieb die "drey unreine Geiste", die aus "dem Munde des Drachen" gehen werden (Ofb 16, 13) , als "Drey Missionarios des Römischen Stuls, welche bey dieser

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Festlegung Roms als ihr geistliches und allumfassendes Zentrum. Genauso wie die Kirche nicht auf eine spezifische Gruppe von Menschen beschränkt war, war sie auch nicht an einen bestimmten "Ort" oder ein Land gebun­den. Alle "wahren Gläubigen" konnten "die Heiligen auf Erden" werden.

Lampes Beschreibung der Kirche in Milch der Wilhrheit weicht von der Beschreibung in seiner früheren Einleitung zu dem Geheimniß des Gnaden­bunt& wesentlich ab. 1712 hatte sich Lampe noch nicht mit dem weltum­spannenden Wesen der Kirche beschäftigt, sondern vielmehr die Gestalt der streitenden (gegenüber der triumphierenden) Kirche unter den drei Haus­haltungen der Heilsgeschichte (die Zeit der Verheißung, die Zeit des Geset­zes und die Zeit des Evangeliums) betont.46 Dabei verwies Lampe insbe­sondere auf die Entwicklung des Bundes Gottes unter den drei Haushal­tungen: "Mit der Erscheinung Christi ins Fleisch, und absonderlich mit der Ausgießung des heiligen Geistes(. .. ] [ist] das alte Testament [ . . . ] abge­schaffet, und an dessen Statt das ne'!e eingefuhret".47 Die Erscheinung Chris­ti brachte damit eine Haushaltung, die "vollkommender, als alle die [Vori­gen]" ist. 4s Im Unterschied zu seiner späteren Milch der Wilhrheit hatte Lampe in diesem Teil der Einleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbundr nur ein­mal auf das "Heidentum" verwiesen und es in Abgrenzung zum Judentum thematisiert. Weil "das Maas des Geistes" in der Zeit des Gesetzes "sehr spar­sam" gewesen sei, sei es laut Lampe dazu gekommen, dass "die Scheidewand zwischen Juden und Heiden [ . . . ] noch [stand]".49 In der vollkommeneren Haushaltung des Evangeliums bleibe diese "Scheidewand" aber aus, und es gebe "Friede mit allen Menschen".so Der vergleichende Blick auf die bei­den Erklärungen macht deutlich, dass hier eine eindeutige Formulierung, w1e ste m der späteren Erklärung gefunden wird, noch fehlte. Seine Einlei­tung zu dem Geheimniß des Gnadenbundr stellte keine Beziehung zwischen der christlichen Kirche und den "Heiden" her. Sie hinterfragte auch nicht die räumliche Gebundenheit oder Begrenztheit der Kirche. Diesbezüglich lässt sich also eine Modifikation in Lampes Erklärungen feststellen. Lampe hob in seiner Milch der Wilhrheit das globale Wesen der Kirche hervor. Obwohl sich die Betonung des Bundes Gottes in anderen Teilen der späte-

äussersren Gefahr alle Anhänger desselben zu dessen Verthätigung werden suchen zu ver­einbaren", in: Lampe, Geheimniß des Gnaden-Bunds (wie Anm. 24) , Teil 4, ßd. 1, 827. 46 Lampe, Einleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbunds (wie Anm. 4) , 173-187. 47 Lampe, Einleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbunds (wie Anm. 4) , 182. 48 Ebd. 49 Lampe, Einleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbunds (wie Anm. 4) , 180f. 50 Lampe, Einleitung zu dem Geheimniß des Gnadenbunds (wie Anm. 4) , 185.

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ren Erklärung findet, spielte das erweiterte Verständnis der Kirche eine grö­ßere Rolle als die Heilsgeschichte der Föderaltheologie.

Die ekldesiologischen Fragen führten Lampe in seiner Milch der Wahr­heit zur "Haupt Pflicht" der Christen zurück. Die Gemeinde Gottes als erlös­te und wiedergeborene Gemeinschaft wurde nun zur "Brüder-Liebe" auf­gerufen, denn "[a]ller Unterschied der Personen und V ölcker ist wegge­nommen".51 An dieser Stelle wurde der Leser wieder an das Doppelgebot der Liebe erinnert. Die Kirche solle ihren Nächsten ungeachtet von Ort oder Ethnizität lieben. Gleichzeitig nahm Lampe eine klare Differenzierung mit Blick auf die Nächstenliebe vor. Er schrieb an anderer Stelle in seinem Geheimniß des Gnaden-Bunds: "[Es] ist geboten die Liebe des Nächsten, wel­che ob sie schon durch die gantze zweite Tafel [der Zehn Gebote] sich aus­breitet, doch am meisten zu diesem Gebott gehöret. Da dan zu unterscheiden sind A. Die Personen, welche man lieben muß, nemlich alle Menschen, doch nicht in einerley Staffel. I. Die brüderliche Liebe gibt Gottes Kindern vor allen den Vorzug. 2. Die gemeine Liebe folgt dem Band der Natur, und hebt an von Blutsfreunden, gehet fort zu allen, womit wir in einigem Band der bürgerlichen Geselschaft stehen, und schleust auch die Feinde mit ein, wor­auf dis Gebot sonderlich stehet. "52

Hier verwies Lampe auf den traditionellen christlichen Unterschied zwi­schen Brüder- und Nächstenliebe.53 Die Christen wurden vor allem zur Familienliebe an den Mitgliedern der Kirche verpflichtet Qoh 13,34f.). Gleichzeitig betonte Lampe jedoch auch deutlich die Notwendigkeit, all jene zu lieben, die zum "Band der Natur" gehörten. Diese Liebe charakterisier­te für ihn die "wahren Christen".

Die Erlösung - und nicht die Ethnizität eines Menschen-war für Lampe das entscheidende Kriterium für seine Aufnahme in die Gemeinschaft Got­tes. Vor dem Hintergrund seiner missionarisch orientierten Eschatologie schrieb Lampe ferner über die Erlösten: "Sie werden geistlich, geschwind, gläntzend, und also dem verldärten Leibe JESU Christi gleichförmig seyn".54 Im Himmel würden alle physischen Unterschiede zwischen den Menschen bedeutungslos, weil ihre Körper dem verldärten Körper Christi gleichför­mig würden. Lampe betonte, dass der Glaube das Hauptattribut der Mit­glieder der Kirche sein sollte.

51 Lampe, Milch der Wahrheit (wieAnm. 1), 92. 52 Lampe, Geheimniß des Gnaden-Bunds (wieAnm. 24), Tcil 3, ßd. 2, 1012f. 53 Für ein Beispiel aus dem 20. Jahrhundert vgl. Francis Schaeffer, The Mark of the

Christian (NP Classics), Downers Grove 2006. 54 Lampe, Milch der Wahrheit (wie Anm. 1), 95.

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3. Conclusio

Am Ende dieser Untersuchung muss auf zwei wichtige Punkte hingewiesen werden. Erstens ist eine Entwicldung in Lampes Art und Weise, die Kirche zu beschreiben, festzustellen. Lampe bewies schon früh in seinem Geheim­niß des Gnaden-Bunds sein Interesse an der Missionsarbeit, jedoch entwi­ckelte er diese Perspektive von der Kirche als einer globalen Kirche nicht wei­ter, sondern setzte 1720 neu an. Sein Interesse an der Mission im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts lässt sich auch biographisch begründen. 1720, im gleichen Jahr, in dem seine Milch der Wahrheitveröffentlicht wurde, über­nahm Lampe eine Professur an der Universität Utrecht. Dort kam er in engen Kontakt mit der niederländischen reformierten Kirche, die bereits von den Handelsunternehmungen in Indien, einer Jerusalempilger-Tradition und den verschiedenen Flüchtlingsgemein<;len beeinflusst worden war. 55 Lampe ent­wickelte in Utrecht nicht nur die. Perspektive von einer größeren, weiteren Welt, sondern erfuhr auch von der Missionsarbeit der Kirche und band sie in seine Verkündigung ein. Gerrit Snijders schreibt über Lampes Zeit in den Niederlanden: "Seine Missionsgedancken hat er nicht vergebens ausge­sprochen [ .. .]".56 Einer seiner Utrechter Studenten, Johann Caspar Ulrich (1705-1768), unternahm 1730 eine Mission unter den Juden in Zürich,57

Zweitens haben aktuelle Studien auf den Einfluss von Lampes Katechis­men auf die spätere reformierte Missionsarbeit verwiesen. Victor E. d'Asson­ville konnte zeigen, dass Lampes Schriften von Missionaren am Kap der Gu­ten Hoffnung als Vorlage für einen Katechismus benutzt wurden. 58 Obwohl Lampe selbst keine Missionsarbeit unternahm, muss festgehalten werden,

55 Charles H. Parker, Converting souls across cultural borders: Durch Calvinism and early modern missionary enterprises, in: Journal of Global History 8/1 (2013), 50-71; Heiko A.

Obcrman, EuropaAffiicta. The Reformation of the Refugees, in: ARG 83 (1992), 91-111; Wim Cerutti, Haarlcmse Jeruzalemvaarders, Haarlern 2010; Ursula Ganz-Blätdcr, Andacht und Abenteuer: Berichte europäischer Jerusalem- und Santiaga-Pilger (132ü-1520), Tübin­gen 1990. Der Autor bedankt sich bei Matrhias Freudenberg für seinen hilfreichen Hinweis auf potentielle Kontakte Lampes zu niederländischen Flüchtlingsgemeinden. 56 Snijders, Friedeich Adolph Lampe. Ein deutscher reformierter Theologe in Holland (wie

Anm. 6), 91. 57 Lothar Rothschild, Johan Caspar Ulrich von Zürich und seine "Sammlung jüdischer Geschichten in der Schweiz", Zürich 1933, 25-38; Florence Guggenheim-Grünberg, Pfar­rer Ulrich als Missionar im Surbtal, in: Beiträge zur Geschichte und Volkskunde der Juden in der Schwei7- 3, Zürich 1953. 58 Victor E. d'Assonville, Early theology at the Cape of Good Hope -A German-Durch connection? Some nores on the theology of a Frcnch Refugee in the early 18th century, in:

Andreas Flick I Walter Schulz (Hg.), Von Schweden bis Südafrika. Vorträge der Internatio­nalen Hugenotten-Konferen7- in Emden 2006, Bad Karlshafen 2008, 51-73.

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dass seine Schriften die spätere Missionsarbeit beeinflussten. Die Wirkung seiner Theologie in diesem Zusammenhang bedarf noch weiterer Untersu­chung.

Friedrich Adolph Lampe repräsentierte mithin eine Entwicklung der refor­mierten T heologie des 18. Jahrhunderts. Er verknüpfte die Föderaltheolo­gie von Johannes Coccejus mit seinen pietistischen Vorstellungen, zum Bei­spiel über die Wiedergeburt. Er beschrieb die Kirche im Zusammenhang mit heilsgeschichtlichen T hemen wie der Schöpfung, dem Sündenfall und der Erlösung als eine räumlich unbegrenzte Gemeinde. Diese elddesiologi­sche Vorstellung spiegelte Lampes wachsendes Interesse an der Missionsar­beit, die im deutschen Pietismus gerade erst begonnen hatte. In dieser Zeit des Pietismus gab es eine Hoffuung auf die Verbesserung des Zustands der Kirche und eine Reform der Gesellschaft, die laut Lampe auf alle V ölker und Länder erweitert werden sollte. Darin lag die Begründung für die Mis­sionstätigkeit der evangelischen Kirche. Die Überzeugung von einer globa­len Arbeit und Verantwortung der Kirche beeinflusste Lampe, der diese Mis­sionsvorstellung in seine Ekldesiologie integrierte. Diese Eingliederung wird in seiner Beschreibung des Wesens der Kirche in seinen Erklärungen des Hei­delberger Katechismus ersichtlich: Lampe betonte die globale Gemeinschaft Gottes, die nicht auf eine Ethnizität oder einen Ort begrenzt war. Die Mit­glieder der Kirche sollten durch das Erlösungswerk Christi und die Nächs­tenliebe identifiziert werden. Außerdem sollten sich die (westlichen) Chris­ten an ihre eigene frühkirchliche Geschichte erinnern. Laut Lampe muss­ten die europäischen Christen zunächst ihren Ursprung im frühkirchlichen

"Heidentum" anerkennen, damit sie ihre Brüder und Feinde lieben könn­ten. Aus solch einer Nächstenliebe würde die Kirche "die Einführung der Fülle der Heyden" erleben.

The Heidelberg Catechism in America

A Snapshot ftom the History of lts Reception'

von George Hunsinger

Protestant churches in North America have not usually relied on historical confessions to define their identity. Even in the case of the Reformed chur­ches, while a confessional identity has never been abandoned in principle, it has not always been predominant in practice. As the editors of an autho­ritative encyclopedia observe: "T!Je most popular forms of American Pro­testantism have been conversionist rather than confessional, oriented toward a direct personal experience of Go

.d rather than subscription to a creed. "1

In the American Reformed chnrches, confessional identity has constantly struggled with conversionism, and perhaps more often than not, it is con­versionism that has prevailed. In any case, it seems fair to say that a strict­ly confessional identity has never enjoyed unrivaled supremacy in these chnr­ches.

The Heidelberg Catechism's reception in North America must be seen in this context. Not even the Reformed family of chnrches has been immu­ne to the allure of revivalism, conversionism and experiential religion. The immigrant communities that brought rhe Heidelberg Catechism with them to America- mainly of German and Dutch descent - never ceased to feel some measnre of its influence. It might even be suggested that the more the influence of the Heidelberg Catechism was feit, the healthier those com­munities turned out to be. Nevertheless, from the earliest days on down to the present, admirers of the Heidelberg Catechism have had their work cut out for them. T hey have had to cantend with two main countervailing for­ces: not only with unrestrained revivalism on the one band, but with dry scholasticism on the other.

* I would likc to thank James Moorhead, James D. Bratt and Daniel Meeter for their gene­raus help as I was writing rhis paper. I am of course responsible for its final content. This essay first appeared in Theology Today 70/3 (2013). 1 "Confessionalism", in: Dictionary ofChristianity inAmerica, ed. Daniel G. Reid, Dow­ners Grove/IL 1990, 306.