12
1 Die römischen Fundmünzen im Gebiet der Černjachov-Kultur Kirill Myzgin (Charkover Nationale W.-Karazin-Universität, Ukraine) 1. Einleitung Die Funde römischer Münzen im Verbreitungsgebiet der Černjachov-Kultur waren das Thema meiner Doktorarbeit, die im Oktober 2010 verteidigt wurde. Seit Beginn der systematischen Untersuchung römischer Münzen in Osteuropa bestehen folgende Hauptprobleme: 1) Wege und Quellen für den Zufluss an Münzen; 2) Chronologie und Periodisierung dieses Zuflusses; 3) Bedeutung der Münzen im Leben der barbarischen Bevölkerung; 4) „barbarische“ Nachahmungen römischer Münzen. Außerdem gibt es die Problematik der bosporanischen Münzen. Eine ausführliche Betrachtung aller dieser Fragen ist nicht Ziel meines Vortrags. Ich werde in kurzer Form über zwei Hauptfragen sprechen: 1) die Kategorien der Fundmünzen im Territorium der Černjachov-Kultur; 2) die aktuelle Situation bei der Untersuchung der Verbreitung von Münzen im Gebiet dieser Kultur. Das Territorium der Černjachov/Sintana-de-Mureş-Kultur umfasst Teile des heutigen Rumänien, der Moldau, der Ukraine und der Russischen Föderation von der Donau bis zum Sejm und vom Oberen Dnestr-Gebiet bis zum Unteren Dnepr-Gebiet. Leider hatte ich nicht die Möglichkeit, die modernen numismatischen Quellen in der

Myzgin K. Die römischen Fundmünzen im Gebiet der Černjachov-Kultur (Vortrag in Bonn Universität, 2011)

  • Upload
    uw

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

1

Die römischen Fundmünzen im Gebiet der Černjachov-Kultur

Kirill Myzgin

(Charkover Nationale W.-Karazin-Universität, Ukraine)

1. Einleitung

Die Funde römischer Münzen im Verbreitungsgebiet der Černjachov-Kultur waren

das Thema meiner Doktorarbeit, die im Oktober 2010 verteidigt wurde. Seit Beginn der

systematischen Untersuchung römischer Münzen in Osteuropa bestehen folgende

Hauptprobleme: 1) Wege und Quellen für den Zufluss an Münzen; 2) Chronologie und

Periodisierung dieses Zuflusses; 3) Bedeutung der Münzen im Leben der barbarischen

Bevölkerung; 4) „barbarische“ Nachahmungen römischer Münzen. Außerdem gibt es die

Problematik der bosporanischen Münzen. Eine ausführliche Betrachtung aller dieser

Fragen ist nicht Ziel meines Vortrags. Ich werde in kurzer Form über zwei Hauptfragen

sprechen: 1) die Kategorien der Fundmünzen im Territorium der Černjachov-Kultur; 2) die

aktuelle Situation bei der Untersuchung der Verbreitung von Münzen im Gebiet dieser

Kultur.

Das Territorium der Černjachov/Sintana-de-Mureş-Kultur umfasst Teile des

heutigen Rumänien, der Moldau, der Ukraine und der Russischen Föderation von der

Donau bis zum Sejm und vom Oberen Dnestr-Gebiet bis zum Unteren Dnepr-Gebiet.

Leider hatte ich nicht die Möglichkeit, die modernen numismatischen Quellen in der

2

Russischen Föderation und besonders in Rumänien in vollem Umfang zu nutzen.

Außerdem wird mit gewisser Vorsicht das Material des nördlichen Schwarzmeergebietes

herangezogen, das hier vielleicht mit dem Bestehen der griechischen Poleis verbunden

ist.

Bis 2009 wurden in diesem Territorium insgesamt ungefähr 1190 Fundpunkte

verzeichnet: 26.000 römische Münzen und 22 bosporanische Münzen. Davon sind

ungefähr 3000 Münzen Einzelfunde (11,5 %, eingeschlossen sind die Münzen mit Loch

und Öse, Grabfunde, Baufunde und Siedlungsfunde). Zu den Schätzen gehören ungefähr

23 000 Münzen (89, 5%). Die Informationen über einen großen Teil dieser Funde

stammen aus veröffentlichten Münzkatalogen, einzelnen Publikationen und auch aus

meiner persönlichen Arbeit mit verschiedenen Kollektionen in den Museum und

Privatsammlungen in der Ukraine, Moldau und Russland.

Erste Nachrichten über Funde römischer Münzen in Osteuropa gibt es aus dem

16. Jh., die ersten Publikationen von Schätzen aus dem 17. Jh. Die systematische

Sammlung von Informationen über römische Fundmünzen begann hier in den 30er

Jahren des 19. Jhs. Viele Informationen über Münzen (besonders mit archäologischem

Hintergrund) wurden in den 60er bis 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts veröffentlicht.

Seit den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts haben wir in der Tendenz einen Zuwachs

an Informationen über Funde römischer Münzen, was sehr eng mit der Nutzung von

Metalldetektoren zusammenhängt. So wurden zum Beispiel dank der Benutzung eines

Metalldetektors während Ausgrabungen auf der Siedlung Vojtenki zwischen 2004 und

2011 22 römische Münzen gefunden. Gleichzeitig haben wir die Tendenz zu mehr

illegalen Funden. Die schwiereger finanzielle Situation in der Wirtschaft, die ausgeprägte

Korruption in der Verwaltung, die unvollkommene Gesetzgebung und die geringe

Popularisierung der Archäologie in den einzelnen Schichten unserer Bevölkerung führt zu

einer riesigen Zahl römischer Münzen aus illegalen Funden. Die Fotos dieser Münzen

sind im Internet anzusehen, aber ohne Informationen über Ort und Umstände dieser

Funde. Es gibt Versuche der Publikation dieser zufälligen Funde in den Zeitschriften

„Vormongol“ und „Corpus der zufälligen archäologischen Funde“.

83,50%

16,50%

Einzelfunden Schätzen

11,50%

89,50%

Einzelfunde der Römische Münzen

Römische Münzen in Schätzen

3

0

100

200

300

400

500

bis

1820

er18

20er

18

30er

18

40er

1850

er18

60er

1870

er18

80er

1890

er19

00er

1910

er19

20er

1930

er19

40er

1950

er19

60er

1970

er19

80er

1990

er20

00er

2010

er

Ingesamt ist die Situation mit den Quellen (einzelne Münzen und Schätze) ziemlich

schlecht. Sehr oft haben wir wenig glaubwürdige Informationen über die Umstände und

den Kontext der Funde. Die Kataloge enthalten viele Fehler und Ungenauigkeiten. Die

genaue Überprüfung der Glaubwürdigkeit numismatischer Quellen ist die wichtigste

Aufgabe unserer Forschungen. Deshalb verwenden wir 4 Kategorien der

numismatischen Funde: 1) glaubwürdige (vollständige Information über Ort, Kontext und

Umstände); 2) bedingt glaubwürdige (nur wenige Informationen über Ort, Kontext,

Umstände); 3) wenig glaubwürdige (nur allgemeine Informationen über den Fundort); 4)

unglaubwürdige (ohne Information über Ort, Kontext und Umstände). Diese Klassifikation

wird bei der Analyse der Verbreitung antiker Münzen im Gebiet der Černjachov/Sintana-

de-Mureş Kultur helfen.

Jetzt werde ich die verschiedenen Kategorien der Funde betrachten.

2. Einzelfunde römischer Münzen

In meinem Katalog wurde 899 Punkte von Einzelfunden römischer Münzen

verzeichnet, das sind 75% aller Punkte. Diese Zahl umfasst die Funde aus Siedlungen

oder ohne bestimmten Hintergrund. Münzen aus Komplexen wie Gräbern und Häusern

sowie die Münzen mit Durchlochung werden gesondert betrachtet.

Die Einzelfunde bestehen in chronologischer Hinsicht aus 5 Gruppen: 1)

repulikanische Münzen; 2) Münzen der Emissionen des 1-2. Jhs.; 3) des 3. Jhs. ; 4) des

4. Jhs. 5) des 5. Jhs.

4

1%

74%

13%

10% 2% Republikanischen Münzen

Münzen 1-2. Jh.

Münzen 3. Jh.

Münzen 4. Jh.

Münzen 5. Jh.

Wir haben die Information über 27 Einzelfunde republikanischer Münzen (nur 1 %

der Einzelfunde). Es gibt zwei Zonen der Verbreitung dieser republikanischen Münzen:

West- und Zentralukraine. Einzelne Funde dieser Münzen gibt es auch in der Dnepr-

Donec Waldsteppe und zwischen Dnestr und Prut.

Münzen des 1.-2. Jhs. (von Augustus bis Septimius Severus inklusive) sind der

größte Teil der Einzelfunde (ungefähr 74%). Es gibt sehr wenige Fundmünzen von

Augustus bis Nerva, in größerer Zahl finden sich Emissionen von Trajan und Hadrian.

Die größte Zahl dieser Münzen gehört zu Prägungen von Marcus Aurelius, Antononus

Pius und ihren Frauen. Dann ist ein Fundrückgang bei den Münzen von Commodus und

Septimius Severus zu beobachten. Die Münzen dieser Zeit umfassen Denare (97%),

subaerate Denare (2%), Aurei (0,5%), Asse (0,3%), Dupondien (0,2%). In den letzten

zwei Jahren, also noch nicht berücksichtigt in dieser Statistik, ist ein Anstieg der

Fundzahlen bei subaeraten Münzen zu bemerken, z. B. allein im Gebiet des heutigen

Bezirkes Charkov auf das Doppelte. Die Münzen aus diesem Zeitabschnitt gibt es in alle

Regionen der Černjachov Kultur.

Nur 13% aller Einzelfunde gehören zu den Prägungen des 3. Jhs. (von Caracalla

bis Diokletianus inklusive). An den Anfang des 3. Jhs., davon ungefähr 15% in die

Regierungszeit von Caracalla und seinem Sohn. Der größte Teil (ungefähr 40%) gehört

zu den Münzen, die unter Alexander Severus, Maximinus I, Gordianus III und Philippus I

Arab geprägt wurden. 30% (Münzen von Valerianus I, Gallienus, Postumus und

Aurelianus) gehören ins dritte Viertel des 3. Jhs. Zum letzten Viertel des 3. Jhs. gehören

ungefähr 15% der Münzen. Bei diesen Münzen handelt es sich um Antoniniane, Denare

(sehr kleiner Prozentsatz) und auch Dupondien. Die Münzen aus diesem Zeitabschnitt

weisen eine bessere Erhaltung auf als die Münzen der voherigen Periode. Münzen des 3.

Jhs. gibt es wie die Münzen des 1.-2. Jhs., nur in geringerer Anzahl, in allen Regionen

5

der Černjachov/Sintana-de-Mureş Kultur. Besonders viele Funde dieser Münzen

konzentrieren sich im Dnestr-Gebiet, der Moldau und dem Mittel-Dnepr-Gebiet.

Nur 10% der Einzelfunde bestehen aus Münzen des 4. Jhs. (von Constantius I bis

Theodosius I inklusive). Der größte Teil dieser Münzen gehört zu Constantinus I (33%),

gefolgt von Constantinus II (10%) (im Unterschied zu den Schätzen, wo dieses Verhältnis

umgekehrt ist). In die Zeit Valentinianus I gehören 5 % der Münzen, in die Zeit von Valens

– 7 % und zu Theodosius I - entsprechend 6%. Unter diesen Münzen gibt es Siliqua

(Epoche der Constantinus - Constantius), Solidus (Period der Theodosius I), kleine

bronzene Münzen, Follis, Centenionalis. Silberne und goldene Münzen weisen eine gute

oder sogar ausgezeichnete Erhaltung auf. Demgegenüber sind die Bronzemünzen

schlecht erhalten. Funde dieser Münzen gibt es in verschiedenen Regionen der

Černjachov- Kultur. Gebiete mit Fundkonzentrationen sind das mittlere Dnestr-Gebiet, der

nordwestliche Teil des nördlichen Schwarzmeer-Gebietes und besonders der Bereich

zwischen Prut und Dnestr.

Zu den Münzen des 5. Jhs. (von Arcadius bis Leo I inklusive) gehört der kleinste

Teil aller Einzelfunde – nur 2%. Davon sind 53% Prägungen des Arcadius, außerdem

Honorius und Theodosius II (ungefähr 20%). Ein großer Teil dieser Münzen sind Solidi,

hinzukommen unbestimmte bronzene Nominale. Einzelne Münzen des 5. Jhs. gibt es im

Mittel-Dnepr Gebiet, östlich des Dnepr und in der Moldau.

3. Schatzfunde römischer Münzen

Wir kennen über 185 Münzschätze. Leider besitzen die Informationen dazu

manchmal sehr geringe Glaubwürdigkeit. Daher wurden für die Analyse nur 144 Schätze

verwendet, für die Informationen über Fundumstände und Kontext vorliegen. Der größte

Teil dieser Schätze umfasst 100 bis 400 Münzen. Es gibt auch Schätze mit mehr als 1400

Münzen (Žigailowka, Lučiza) und sogar mehr als 2000 Münzen (Ostapowo, Krylow).

Bei 52 Schätzen sind auch die Behältnisse bekannt. 29 Schätze wurden in

Tongefässe gepackt. Es gibt auch Schätze in Kupfergefäßen, Rottongefäßen oder in

einem Ledersack.

Nach der Metallzusammensetzung der Münzen sind verschiedene Gruppen zu

unterscheiden: Schätze mit Silbermünzen (67%), mit Goldmünzen (4,3%), mit Gold- und

Silbermünzen (2,8%), mit Kupfermünzen (2,8%), mit Bronzemünzen (2,8%). Es gibt

außerdem gemischte Schätze. Späte Münzen sind nur aus 46 Schätzen bekannt.

Unter den Schatzfunden der römischen Kaiserzeit ist ein kleiner Komplex aus

Glinsk (Bezirk Vinnica) der älteste. Er endet mit einer Münze von Lucius Verus. Aber

6

dieser Schatz war unter dem Pflug und ist vielleicht nicht vollständig erhalten. In 16

Schätzen sind die Münzen von Commodus die spätesten, in 18 Schätzen (39%) die

Münzen von Septimius Severus, seinem Gegenkaiser Clodius Albinus oder seiner Frau

Julia Domna. Ein Schatz endet mit einer Münze von Caracalla. Drei Schätze (7%)

bestehen völlig aus Siliqua-Münzen von Constantius II und drei Schätze (7%) enden mit

Münzen von Kaisern der ersten Hälfte des 5. Jhs. In zwei Denar-Schätzen des 1-2. Jhs.

gibt es auch Münzen des 4. Jhs. – Klitinka im Bezirk Žitomir (Constantinus I) und

Pustovarovka im Bezirk Kiev (Constantinus II).

Der größte Teil der Schätze besteht aus silbernen Münzen, drei Schätze aus der

Moldau – aus Siliquae. Die späten Schätze mit goldenen Münzen bestehen aus Solidi.

Als Einzelstücke gibt es in den Schätzen verschiedene Kupfer- und Bronzemünzen

unbestimmter Nominalwerte.

Einige Komplexe gehören zur sogenannten gemischten Schätzen aus Münzen und

anderen Gegenständen. 14 solcher Schätze sind bekannt. Alle diese Komplexe fanden

sich in der Waldsteppenzone, aber nicht in der Moldau und dem Nord-Westen des

nördlichen Schwarzmeer-Gebiets. Es gibt vier Typen dieser Schätze: 1) mit

Trachtzubehör und/oder Schmuck; 2) mit Gerätschaften; 3) mit für die Černjachov-Kultur

exklusive Sachen; 4) mit Silberschrott. Außerdem gibt es auch Schätze, in denen die

Gegenstände dieser Schatztypen vermischt vorkommen. Vielleicht kann man diese

verschiedenen Schatztypen mit einzelnen sozialen Schichten verbinden. Mit der

sogenannten Adelschicht verbinden wir die Typen 1 und 3, zu Mitgliedern der Gemeinde

gehört der Typ 3, zu Handwerkern der Typ 4. Die Münzen aus diese Schätzen haben

frühe Daten: 1. - Anfang des 3. Jhs., aber die anderen Gegenstände gehören ins 4. bis

Anfang des 5. Jhs.

4. Grabfunde

Wir haben glaubwürdige Informationen über 22 Gräber mit Münzen (21

Körperbestattungen und vielleicht 1 Brandbestattung): 9 Gräber mit 12 Münzen ohne

Durchlochung und 13 Gräber mit 14 Münzen mit Loch, ingesamt 25 Münzen. Zu diesen

Münzen gehören die Prägungen des 2. Jhs.: silberne Denare, ein Subaerate, eine

Kupfermünze (17 Münzen); die Prägungen des 3. Jhs: 2 Antoniniane des Gallienus, ein

Aureus der Otacilia Severa; die Prägungen der ersten Hälfte des 4. Jhs. – 5

Bronzemünzen. Es gibt auch die Nachahmung eines Aureus von Gordianus III aus dem

Grab 160 des Gräberfeld Černjachov, die in Stoff einpackt war.

7

Dreimal fanden sich Münzen in den Gürteltaschen. Es handelt sich um Grab 71

aus Maslovo, Grab 59 aus Nagornoe II und Grab 25 aus Koblevo. In anderen Gräbern

befanden sich die Münzen in der Nähe von Kopf, Händen, Beinen oder Rippen. In die

Stufe C2 gehören nur 2 Gräber (alles Münzen des 3. Jhs.: Anhänger aus dem Aureus der

Otacilia Severa und Anhänger aus einem Antoninian des Gallienus), in die Stufe C3 – 3

Gräber, in die Stufe C3/D1 – 5 Gräber und dann in Stufe D1 – 3 Gräber.

5. Baufunde oder Münzen in Gebäuden

13 Münzen wurden in Gebäuden 10 Siedlungen gefunden. Davon lagen 2 Münzen

auf dem Fußboden, 1 Münze – in der Einfüllung eines Grubenhauses, 1 Münze wurde in

der Nähe eines Hauses gefunden. Zu den Baufunden gehören 7 silberne Denare des 2.

Jhs., 3 Antoniniane und 1 silberner Denar des 3. Jhs. und 4 Münzen der ersten Hälfte des

4. Jhs. Alle Komplexe der Stufen C3 – C3/D1 mit Münzen des 4. Jhs. wurden im

nordwestlichen Teil des Nordschwarzmeer-Gebiets und der Moldau gefunden.

6. Münzen mit Durchlochung und Öse

Bis 2009 hatten waren über 55 Münz-Anhänger bekannt: 51 Münzen mit Loch und

4 Münzen mit Öse. 25 Münzen davon sind Denare des 1.- 2. Jhs. Zu den Münzen aus

dem 2. Jh. gehört eine Subaerate Münze, 3 Kupfermünzen und ein Aureus des Antoninus

Pius. Zum 3. Jh. gehören 6 Antoniniane, 2 bronzene Münzen und zwei Aurei: Otacilia

Severa und Aurelianus. Zu den Münzen des 4. Jhs. gehören zwei Siliqua Constantius II, 4

Kupfermünzen, 4 Solidi (Theodosius I und Licinius) und eine bronzene Münze.

In den letzten beiden Jahren haben wir einen Zuwachs solcher Münzen. Der

größte Teil der neuen Funde sind Subaerate. Manchmal haben diese Münzen ähnliche

Stempel, z. B. die Subaerate von Marcus Aurelius, die beim Dorf Chrusčevaja Nikitovka

(Bezirk Charkov) gefunden wurden. Diese neuen Funde zeigen die Notwendigkeit

weiterer detaillierter Untersuchungen zu dieser Kategorie von Münzen.

7. „Barbarische“ Nachahmungen römischer Münzen

Ich widmete dem Problem der Funde von „barbarischen“ Nachahmungen im

Gebiet der Černjachov-Kultur 2009 eine spezielle Untersuchung. In diesem Artikel wurden

Informationen über 48 Funde „barbarischer“ Nachahmungen gesammelt: 23

glaubwürdige, 17 wenig glaubwürdige und 8 Münzen ohne weitere Information. Diese

Münzen wurden aus Silber (60%), Gold (30%), aus Bronze mit Gold- oder Silberüberzug

(entsprechend 6 % und 4%) gefertigt. 6 Münzen (1 Kupfer- und 5 Goldmünzen) haben

8

Löcher oder Ösen. 74% diese Münzen sind

Nachahmungen der Denare von Trajanus, Marcus

Aurelius, Antoninus Pius, Faustina Junior und Septimius

Severus. 17 % gehören zu Nachahmungen der Münzen

von Antoninianen Gordianus III, Trajanus Decius und

Trebonianus Gallus, die größtenteils aus Gold und

einmal aus vergoldetem Kupfer gemacht wurden. Bis

2009 war nur eine Nachahmung einer Kupfermünze in

der Černjachov-Kultur bekannt. Es gibt auch zwei Nachahmungen der Siliqua Constantius

II (9%), die aus Silber geprägt wurden.

Vor kurzem bekam ich Informationen über die Existenz einen Internet-Quelle

(http://barbarous-imitations.narod2.ru), wo O. Anochin, ein Mitarbeiter des Staatlichen

Archivs der Stadt Černovtcy, Informationen sammelte über eine große Zahl

„barbarischer“ Nachahmungen (153 aus Silber, 34 aus Gold, 59 aus Bronze oder

vergoldetem Kupfer), die aus Metalldetektor-Funden auf dem Territorium der Ukraine und

Moldau stammen. Leider gibt es für alle diese Münzen nur allgemeine Angaben über den

Fundort (nur der Bezirk ist bekannt). Diese wichtige Information verändert unsere

Kenntnisse über die Verbreitung verschiedener Typen „barbarischer“ Nachahmungen in

den einzelnen Gebieten der Ukraine. Unter den Materialien aus dieser Quelle sehen wir

Einstempelnachahmungen. Ösen und Löcher haben nur die Goldnachahmungen oder

die Nachahmungen mit Vergoldung aber keine Silbernachahmungen.

Die Probleme von Ursprung und Rolle der „barbarischen“ Nachahmungen im

Barbaricum sind sehr in der Diskussion. In dieser Hinsicht ist ein Vergleich von

Nachahmungen aus dem Černjachov-Gebiet mit denen in anderen Teilen des Barbaricum

sehr aktuell.

8. Bosporanische Münzenfunde

Bosporanische Münzen ist ganz spezifische Gruppen der antiken Münzen dieser

Zeit. Obwohl es alte Informationen über einzelne Funde bosporanischer Münzen in der

Waldsteppen-Zone der Ukraine gibt, wurden diese Münzen erst vor kurzem mit der

Černjachov-Kultur verbunden. In unserem Katalog 2010 sind im Areal der Kultur 22

solcher Münzen enthalten. Alle diese Münzen (mit einer Ausnahme) sind Lesefunde. Die

sogenannten glaubwürdigen (68%) und weniger glaubwürdigen (32 %) Münzen kommen

fast ausschließlich in der Dnepr-Severskij Donec-Waldsteppe vor. Es gibt nur zwei wenig

glaubwürdige Funde aus dem Mittel Dnepr-Gebiet und eine Münze aus der Moldau. Nach

9

Meinung einiger Spezialisten ist das Erscheinen bosporanischer Münzen bei der

Bevölkerung der Černjachov-Kultur mit den „Gotischen Kriegen“ des 3. Jhs. zu

verbinden.

Zu den Münzen, die vor den „Gotischen Kriegen“ (erste Gruppe) geprägt wurden,

gehören glaubwürdige Fundmünzen von Sauromater I, Cotis III, Rhescuporis III und drei

weniger glaubwürdige Fundmünzen von Mithradates III und Rhoemetalces. Es gibt

Informationen über 6 Münzen, die während der „Gothischen Kriege“ (zweite Gruppe)

geprägt wurden. Das sind Münzen von Ininthimeus und Rhescuporis VI. Einige Münze

wurde nach diesen Kriegen (dritte

Gruppe) geprägt. Es handelt sich

um 6 glaubwürdige Funde

(Thothorses, Rhescuporis VI) und

4 wenig glaubwürdige Funde

(Taeiranes und Rhescuporis VI).

Die Münzen, die nach Ende dieser

Kriege geprägt wurden, sind

Hinweise auf Handelbeziehungen

mit dem Kimmerische Bosporus.

Die Münzen dieser Zeit wurden im

Wolga-Gebiet und Weißrussland

gefunden. Der kulturelle

Hintergrund dieser Münzen ist

nicht ganz klar. Nach letzten

Untersuchungen, erscheint die

Černjachov-Kultur mit solchen

Merkmalen wie birituellen

Gräberfeldern, Holz-Lehm-

Häusern, vorherrschend

scheibengedrehter Keramik erst im

ersten Viertel des 4. Jhs. in der

Dnepr-Donec-Waldsteppe. Wahrscheinlich sind die Münzen der dritten Gruppe deshalb

mit den Trägern des sogenannten Vorčernjachov-Horizontes Boromlja der Stufen C1b-C2

zu verbinden. Im Moment gibt es keinen archäologischen Beleg für eine solche

Hypothese. Alle Siedlungen mit den Funden bosporanischer Münzen (9 Münzen aus 6

Siedlungen) enthalten Schichten des Horizontes Boromlja und der Černjachov-Kultur. Es

10

gibt nur eine Münze aus der Kulturschicht einer Siedlung ausschließlich der Černjachov-

Kultur (Serdjuki 1, Bezirk Poltava).

Das war der zusammenfassende Bericht über die verschiedenen Kategorien von

Fundmünzen im Gebiet der Černjachov-Kultur. Jetzt werde ich über die aktuelle Situation

zu Fragen der Herkunft und Chronologie, zur Funktion der Münzen und zum Münzumlauf

bei der Černjachov-Bevölkerung sprechen.

9. Wege und Zeiträume des Zuflusses von Münzen

Heute gibt es zwei entgegengesetzte Meinungen zur Frage der Quellen und des

Zustroms römischer Münzen bei den Träger der Černjachov-Kultur. Die erste Meinung:

Handel dieser Bevölkerung mit dem Römischen Reich in allen Zeitphasen dieser Kultur.

Diese für sowjetische Gelehrte traditionelle Hypothese ist ohne Beleg in den

archäologischen und schriftlichen Quellen. Denn während der Entstehung und Blütezeit

dieser Kultur (zweite Hälfte des 3. bis letztes Viertel des 4. Jhs.) waren die Münzen des

1.-2. Jhs. im Römischen Reich nicht mehr in Umlauf. In der letzten Zeit sprechen einige

Spezialisten über Handel als Quelle für den Zufluss von Münzen des 4.- 5. Jhs. in der

Nähe des Limes.

Andere Wissenschaftler haben das Erscheinen der römischen Münzen mit den

militär-politischen Aktivitäten der Barbaren verbunden. Es handelt sich um Kriege,

diplomatische Beziehungen oder Gelder für Söldner. Das betrifft in erster Linie die

Münzen des 1.-2. Jhs. Einige Spezialisten haben vermutet, dass während der

„Gotischen Kriege“ ein Teil dieser Münzen aus den Kassen einiger Städte Kleinasiens

und der Balkanhalbinsel an die Barbaren gezahlt wurden. Oder es handelt sich um

Kontribution und Tribut. Zur Stützung dieser These zieht man die gemeinsame

Verbreitung von Münzen des 1.-2. Jhs. und provinzialrömische Münzen des 3. Jhs.

heran. Die Münzen des 4. Jhs. wurden als foedus gezahlt oder sind das Ergebnis von

Handel.

In der letzten Zeit gibt es die Hypothese, daß ein großer Teil der Münzen des 1.–2.

Jhs. mit den Trägern der Wielbark- und Przeworsk-Kultur zu verbinden ist. Diese

Hypothese muss man in Zukunft überprüfen. Sehr ähnlich ist das Bild für den Inhalt der

Schätze römischer Münzen, in denen Münzen von Commodus oder Septimius Severus

die Schlussmünzen bilden. Aber hier muss man die unterschiedliche Datierung der

geschlossenen Komplexe mit Münzen anführen. Der Hauptteil der Komplexe in der

Wielbark- und Przeworsk-Kultur gehört zu den Stufen C1b-C2, während die der

Černjachov-Kultur in die Stufen C3–D1 datieren. Aber man kann auch von verschiedenen

11

Quellen der Münzen in den einzelnen Zeitabschnitten ausgehen: Münzen vom Ende des

2.-3. Jhs. sind Ergebnis der „Gotischen Kriege“, Münzen des 4. Jhs. eine Folge der

militär-politischen Beziehungen und Münzen des 4. Jhs.–Anfang des 5. Jhs. das Ergebnis

von Handelsbeziehungen.

10. Römische Münzen und die Probleme der Chronologi e

Im Gegensatz zu den archäologischen Kulturen in Mittel- und Nordeuropa sind die

Münzen in der Gräbern der Černjachov-Kultur keine chronologischen Indizien. Eine

Ausnahme bilden nur die Münzen in Komplexen des 4. Jhs. aus dem nordwestlichen

Schwarzmeer-Gebiet. Die Frage der Verbreitung der Solidi aus der ersten Hälfte des 5.

Jhs. bleibt in der Disskussion. Diese Münzen kommen in zwei Gebieten konzentriert vor:

zwischen Dnestr und Prut und östlich des Dnepr. In Bezug auf das Gebiet östlich des

Dnepr besteht die Ansicht, dass die Funde von Solidi hier mit Postčernjachov-Altertümern

zu verbinden sind (Kazanskij, Gavrituchin).

In diesem Vortrag habe ich nicht über die sehr komplizierten Probleme der

Funktion von Münzen und den Münzumlauf bei der Černjachov- Bevölkerung gesprochen.

Hier sage ich nur, dass der Münzumlauf in der Nähe des römischen Limes, das heißt im

nordwestlichen Schwarzmeer-Gebiet, zwischen Dnestr und Prut, in Muntenien,

Transilvanien und wahrscheinlich im Mittel Dnestr-Gebiet nach der großen Zahl von

Funden bronzener und kupferner Münzen des 4. Jhs. möglich war. In den übrigen

Regionen bildeten die Münzen ein Tauschäquivalent, aber es gab keinen Geldumlauf.

Diese Situation ist analog zu der in Zentraleuropa, z. B. in Nordwestdeutschland und in

Südpolen.

11. Weitere Arbeit

Ich möchte nochmals betonen, dass dieser Vortrag nur eine allgemeine Übersicht

zu den verschiedenen Kategorien der Funde römischer und bosporanischer Münzen in

der Černjachov-Kultur darstellt. Die Rede war auch von einigen Probleme bei der

Untersuchung dieser Münzen. In Zukunft gibt es deshalb einige wichtige Aufgaben:

• Archiver Kritik und Publikation der numismatischen Quellen;

• Sammlung neuer Informationen über die Funde römischer und

bosporanischer Münzen und „barbarischer“ Nachahmungen auf dem Gebiet

der Ukraine und Rumäniens;

• interregionale Untersuchungen der antiken Münzen in der Černjachov-

Kultur;

12

• Untersuchung verschiedener Kategorien der römischen Münzen im Kontext

des europäischen Barbaricums.

Für die Lösung diese Aufgaben hat unsere Zusammenarbeit mit den europäischen

Kollegen, mit europäischen wissenschaftlichen Zentren, unsere enge Kooperation

außerordentliche Bedeutung.